Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht: Brüssel IIa-VO, EG-UntVO, EG-ErbVO-E, HUntStProt 2007 [Bearbeitung 2010 ed.] 9783866538832

Ihr nächster Fall ist europäisch? Dann brauchen Sie den "Rauscher": Der Praxiskommentar zum Europäischen Zivil

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Systematik des Gesamtkommentars
Kommentatoren/innen
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Kommentarliteratur
B Familien- und Erbrecht
B.I Zuständigkeit, Anerkennung, Vollstreckung
B.I.1 Brüssel IIa-VO Verordnung (EG) Nr 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1347/2000
B.I.2 EGUnt-VO Verordnung (EG) Nr 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen
B.I.5 EG-ErbVO-E Vorschlag vom 14.10.2009 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (KOM [2009] 154)
B.IV Kollisionsrecht
B.IV.1 HUnStProt 2007 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007
Gesetzesanhang
Register
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Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht: Brüssel IIa-VO, EG-UntVO, EG-ErbVO-E, HUntStProt 2007 [Bearbeitung 2010 ed.]
 9783866538832

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Europäisches Zivilprozessund Kollisionsrecht EuZPR / EuIPR Kommentar Bearbeitung 2010 Brüssel IIa-VO • EG-UntVO EG-ErbVO-E • HUntStProt 2007

Das Gesamtwerk EuZPR / EuIPR mit den Bänden •

Brüssel I-VO, LugÜbk 2007



EG-VollstrTitelVO, EG-MahnVO, EG-BagatellVO, EG-ZustVO, EG-BewVO, EG-InsVO



Rom I-VO, Rom II-VO



Brüssel IIa-VO, EG-UntVO, EG-ErbVO-E, HUntStProt 2007

wird herausgegeben von Professor Dr. Thomas Rauscher, Leipzig

Europäisches Zivilprozessund Kollisionsrecht EuZPR / EuIPR Kommentar Bearbeitung 2010 Brüssel IIa-VO • EG-UntVO EG-ErbVO-E • HUntStProt 2007

Herausgegeben von

Thomas Rauscher Kommentiert von

Marianne Andrae • Thomas Rauscher • Martin Schimrick

Kommentatoren/in Bearbeitung 2010 Brüssel IIa-VO EG-UntVO

Zitierweise

EG-ErbVO-E HUntStProt 2007

Thomas Rauscher Marianne Andrae Martin Schimrick Thomas Rauscher Marianne Andrae

2. Auflage 2006 Brüssel IIa-VO EG-UntVO-E

Thomas Rauscher Thomas Rauscher

1. Auflage 2004 Brüssel II-VO

Thomas Rauscher

Rauscher / Rauscher, EuZPR / EuIPR (2010) Einl Brüssel IIa-VO Rn 1 Rauscher / Rauscher, EuZPR / EuIPR (2010) Art 1 Brüssel IIa-VO Rn 1 Rauscher / Andrae, EuZPR / EuIPR (2010) Vorbem Artt 3 ff EG-UntVO Rn 1 Rauscher / Andrae / Schimrick, EuZPR / EuIPR (2010) Art 16 EG-UntVO Rn 1 Rauscher / Rauscher, EuZPR / EuIPR (2010) Einf EG-ErbVO-E Rn 1

Abkürzungsempfehlungen Brüssel I-VO LugÜbk 2007 EG-VollstrTitelVO EG-MahnVO EG-BagatellVO EG-ZustVO 2007 EG-BewVO

EG-InsVO Rom I-VO Rom II-VO Brüssel IIa-VO EG-UntVO EG-ErbVO-E HUntStProt 2007

ISBN (print) 978-3-86653-089-8 ISBN (eBook) 978-3-86653-883-2

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2010 by sellier. european law publishers GmbH, München. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Ver vielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gestaltung: Sandra Sellier, München. Herstellung: Karina Hack, München. Satz: fidus Publikations-Service, Nördlingen. Verwendete Schriften: Goudy Old Style und Goudy Sans von Linotype. Druck und Bindung: Friedrich Pustet KG, Regensburg. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany.

Systematik des Gesamtkommentars (Stand Januar 2010)

A A.I

Allgemeines Zivil- und Handelsrecht Zuständigkeit, Anerkennung, Vollstreckung Brüssel I-VO, LugÜbk 2007; EG-VollstrTitelVO; EG-MahnVO, EG-BagatellVO

A.II

Rechtshilfe EG-ZustVO 2007, EG-BewVO

A.III Insolvenz EG-InsVO

A.IV Kollisionsrecht Rom I-VO, Rom II-VO

B B.I

Familien- und Erbrecht Zuständigkeit, Anerkennung, Vollstreckung Brüssel IIa-VO, EG-UntVO, EG-ErbVO-E

B.IV Kollisionsrecht HUntStProt 2007

Kommentatoren/innen Dr. Marianne Andrae Professorin an der Universität Potsdam Dr. Johannes Cziupka Wiss. Mitarbeiter an der Universität Bayreuth Dr. Robert Freitag Maître en droit (Bordeux) Professor an der Universität Hamburg Dr. Martin Fricke Stv. Leiter Recht beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft Dr. Urs Peter Gruber Professor an der Universität Mainz Dr. Bettina Heiderhoff Professorin an der Universität Hamburg Dr. Jan von Hein Professor an der Universität Trier Dr. Dominique Jakob M.I.L. (Lund) Professor an der Universität Zürich Dr. Stefan Leible Professor an der Universität Bayreuth Dr. Peter Mankowski Professor and der Universität Hamburg Dr. Gerald Mäsch Professor an der Universität Münster Richter am Oberlandesgericht Hamm Dr. Steffen Pabst LL.M. (Stockholm) Akademischer Rat an der Universität Leipzig

Peter Picht Wiss. Mitarbeiter an der Universität Zürich Dr. Thomas Rauscher Professor an der Universität Leipzig Dipl. math. Martin Schimrick Wiss. Mitarbeiter an der Universität Potsdam Dr. Ansgar Staudinger Professor an der Universität Bielefeld Dr. Karsten Thorn LL.M. (Georgetown) Professor an der Bucerius Law School Hamburg Dr. Hannes Unberath M.Jur. (Oxford) Professor an der Universität Bayreuth Dr. István Varga Professor an der ELTE Universität Budapest Rechtsanwalt in Budapest Dipl. phil.

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

IX

Kommentarliteratur

XXVII

B

Familien- und Erbrecht

B.I

Zuständigkeit, Anerkennung, Vollstreckung

B.I.1 Brüssel IIa-VO Verordnung (EG) Nr 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1347/2000 Kommentiert von:

Thomas Rauscher

3

B.I.2 EGUnt-VO Verordnung (EG) Nr 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen Kommentiert von:

Marianne Andrae Martin Schimrick

429

B.I.5 EG-ErbVO-E Vorschlag vom 14.10.2009 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (KOM [2009] 154) Kommentiert von:

Thomas Rauscher

813

Inhaltsverzeichnis

B.IV Kollisionsrecht B.IV.1 HUnStProt 2007 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 Kommentiert von:

Gesetzesanhang Register

Marianne Andrae

869

985 1005

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Abkürzungsverzeichnis aA aA AA aaO ABl EG ABl EU abl abwM AC AD ADR AdWirkG aE AEDIPr AEntG AEUV aF A-G AG AG AGS AJP AK AL All ER All ER (Comm) allg allgM Alt AmJCompL An Der Mar Anh Anm AnwBl AöR AP App AppG

am Anfang anderer Ansicht Ars Aequi am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union ablehnend abweichende Meinung The Law Reports, Appeal Cases Arbetsdomstolen Alternative Dispute Resolution Gesetz über die Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (Adoptionswirkungsgesetz) am Ende Anuario Español de Derecho Internacional Privado Arbeitnehmerentsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Advocaat-Generaal Amtsgericht (mit Ortsname) Ausführungsgesetz (mit Gesetzesname) Anwaltsgebühren spezial Aktuelle juristische Praxis Astikos Kodix (griechisches Bürgerliches Gesetzbuch) Ad Legendum All England Law Reports All England Law Reports, Commercial Cases allgemein(-e, -er) allgemeine Meinung Alternative American Journal of Comparative Law Anuario de Derecho Maritimo Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgerichtliche Praxis Corte di Appello Appellationsgericht IX

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ArbG

ArbG ArbGG AR-Blattei Arb Int arg Art ASA Bull Aud Prov AuR ausf AusfG ausnw AVAG

Abkürzungsverzeichnis

AWD

Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrechts-Blattei Arbitration International argumentum Artikel Association of Swiss Arbitrators Bulletin Audiencia Provincial Arbeit und Recht ausführlich Ausführungsgesetz ausnahmsweise Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz) Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters

BAG BAGE BauR BayJMBl BayObLG BayVBl BB BCC BCLC Bd BDGesVR Bearb BeckRS Bespr BezG BG BGB BGBl BGE BGH BGHR BGHZ BJM BKR

Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Bayerisches Justizministerialblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter Betriebs-Berater British Commercial Cases Butterworth’s Company Law Cases Band Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bearbeitung Beck’scher Rechtsprechungsservice Besprechung Bezirksgericht Schweizerisches Bundesgericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof BGH-Report Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Basler Juristische Mitteilungen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht

AVAuslEntschG

X

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Abkürzungsverzeichnis

Bl BlZürchRspr BörsG BRAK-Mitt BR-Drs Brüssel I EU-DK Übk

Brüssel I-VO

Brüssel II-VO

Brüssel IIa-VO

BSGE Bspr BT-Drs Bull Bull civ Bull Joly sociétés BVerfG BVerfGE BW BYIL bzgl bzw CA Cass Cassaz Cass civ Cass com Cass mixte cc Ch Ch D

Ch D

Blatt Blätter für Zürcherische Rechtsprechung Börsengesetz Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrats-Drucksache Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 19.10.2005 Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten Verordnung (EG) Nr 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1347/2000 Entscheidungen des Bundessozialgerichts Besprechung Bundestags-Drucksache Bulletin Bulletin des arrêts civiles Bulletin Joly des sociétés Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Burgerlijk Wetboek (Niederlande) British Yearbook of International Law bezüglich beziehungsweise Court of Appeal; Cour d’appel Cour de Cassation Corte di Cassazione Cour de Cassation, chambre civile Cour de Cassation, chambre commerciale Cour de Cassation, chambre mixte Code Civil (Frankreich), codice civile (Italien), Código Civil (Spanien), Código Civil (Portugal) The Law Reports, Chancery Division High Court of Justice, Chancery Division

XI

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CIM

CIM

CISG

CIV

civ CJ CJQ CLC CLJ CLP Clunet CMLRev col Col Jur Columb L Rev COMI comm Cornell Int’l LJ COTIF

cpc

CPR CR ct D DAR DAVorm DB ders DGVZ dh Dir com scambi int

XII

Abkürzungsverzeichnis

Règles uniformes concernant le contrat de transport international ferroviaire des marchandises (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern), Anh B COTIF Convention on Contracts for the International Sale of Goods (Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf) v 11.4.1980 Règles uniformes concernant le contrat de transport international ferroviaire des voyageurs (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck), Anh A COTIF Chambre civile code judiciaire (Belgien) Civil Justice Quarterly Commercial Law Cases Cambridge Law Journal Current Legal Problems Journal du droit international, fondée par E Clunet Common Market Law Review colonne Colectânea de Jurisprudência Columbia Law Review center of main interests Chambre commerciale Cornell International Law Journal Convention relative aux transports internationaux ferroviaires (Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr) v 9.5.1980 idF v 3.9.1999 Código de Processo Civil (Portugal), Code de procédure civile (Frankreich, Belgien, Luxemburg), codice di procedura civile (Italien) Civil Procedure Rules Computer und Recht court Recueil Dalloz Deutsches Autorecht Der Amtsvormund Der Betrieb derselbe, dieselbe Deutsche Gerichtsvollzieher Zeitung das heißt Diritto comunitario e degli scambi internazionali

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EGMR

Abkürzungsverzeichnis

Dir comm int Dir mar Diss DJ DMF Doc Dir Comp D&P DRiZ Dr soc Dr sociétés DS DS DVBl DZWIR DZWir EAT ebd ed(s) EED EG EG EG-BagatellVO

EG-BewDG

EG-BewVO

EGBGB EGGVG EG-InsO EG-InsVO EG-MahnVO

EGMR

Diritto del commercio internazionale Diritto marittimo Dissertation Deutsche Justiz Droit maritime francais Documentação e Direito Comparado (Boletim do Ministério da Justiçia) Droit & Patrimoine Deutsche Richterzeitung Droit social Droit des sociétés Der Sachverständige Recueil Dalloz Sirey Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Employment Appeal Tribunal ebenda editor(s) Episkopissi Emporikou Dikaiou Einführungsgesetz Europäische Gemeinschaften Verordnung (EG) Nr 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines Verfahrens für geringfügige Forderungen Gesetzes zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz) Verordnung (EG) Nr 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Verordnung (EG) Nr 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren Verordnung (EG) Nr 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

XIII

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EG-PKH-RL

EG-PKH-RL

Abkürzungsverzeichnis

Richtlinie 2003/8 /EG des Rates vom 27.1.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen EG-PKHVV EG-Prozesskostenhilfevordruckverordnung EG-UntVO Verodrdnung (EG) Nr 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EG-VollstrTitelDG Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) EG-VollstrTitelVO Verordnung (EG) Nr 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen EGZPO Gesetz betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung EG-ZustDG Gesetz zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Zustellungsdurchführungsgesetz) EG-ZustVO 2000 Verordnung (EG) Nr 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten EG-ZustVO 2007 Verordnung (EG) Nr 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1348/2000 des Rates EheG Ehegesetz (Schweden) EheSchlRG Eheschließungsrechtsgesetz Einl Einleitung EIPR European Intellectual Property Review EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EO Exkutionsordnung (Österreich) EP Europäisches Parlament EPÜ Übereinkommen über die Erteilung Europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen) v 5.10.1973 idF v 29.11.2000 ERA Europäische Rechtsakademie Erg-Lfg Ergänzungslieferung ERPL European Review of Private Law etc et cetera XIV

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Abkürzungsverzeichnis

ETR EU EuGH EuGHE EuGH-VerfO EuGVÜ

EuInsÜ EuIPR EuLF Eur Bus L Rev Eur J L Reform EuR EUV EuVollstrTitel EuZ EuZPR EuZW EVÜ

EWGV EWiR EWR EWS F f FamFG FamG Fam Law FamRÄndG FamRBint FamRZ fasc FF ff FFE FG FG

FG

Europäisches Transportrecht Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der EG und des Europäischen Gerichts Erster Instanz Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofes EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen („Brüsseler Übereinkommen“) v 27.9.1968 EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren v 23.11.1995 Europäisches Internationales Privatrecht European Legal Forum European Business Law Review European Journal of Law Reform Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäischer Vollstreckungstitel Zeitschrift für Europarecht Europäisches Zivilprozessrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom-Übereinkommen“) v 19.6.1980 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Federal Reporter folgende Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familiengesetz (Finnland) Family Law Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) Der Familienrechtsberater – Beilage zum internationalen Familienrecht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht fascicule Forum Familienrecht folgende Forum Familien- und Erbrecht Festgabe Freiwillige Gerichtsbarkeit XV

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FGG

FGG FJR FLA FLDA Fn Foro it FPR FS FSR FuR GA GAin GazPal GazPalDoctr gem GewSchG GFS GG ggf Giur it GLJ GmbHR GMVO GoA GPR grdsl GRUR GRURInt GRUR-RR GS GVG H hA HAdoptÜbk 1993 Harv L Rev HausratsVO

XVI

Abkürzungsverzeichnis

Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Tijdschrift voor Familie- en Jeugdrecht Family Law Act (Vereinigtes Königreich) Family Law Divorce Act (Irland) Fußnote Foro italiano Familie, Partnerschaft, Recht Festschrift Fleet Street Reports Familie und Recht Generalanwalt Generalanwältin La gazette du palais et du notariat Gazette du Palais, Doctrine gemäß Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz) Gedächtnis- und Festschrift Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Giurisprudenza italiana German Law Journal GmbH-Rundschau Verordnung zur Ausführung des Geschmacksmustergesetzes Geschäftsführung ohne Auftrag Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht grundsätzlich Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Rechtsprechungs-Report Gedächtnisschrift Gerichtsverfassungsgesetz Heft herrschende Ansicht Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption v 29.5.1993 Harvard Law Review Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats nach der Scheidung (Hausratsverordnung)

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ILRM

Abkürzungsverzeichnis

HBÜ Hdb IZVR HErwSÜbk 2000 HG HGB High Ct HKindEntfÜbk hL HL hM Hof van Cass HProrogÜbk 2005 HS HUntAVÜbk 1958 HUntAVÜbk 1973 HUntStProt 2007 HUntStÜbk 1956 HUntStÜbk 1973 HUntVerfÜbk 2007 HZivPrÜbk 1954 HZÜ

ICLQ idF idR IDR iE IER IHR ILPr ILRM

Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen v 18.3.1970 Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen v 13.1.2000 Handelsgericht Handelsgesetzbuch High Court Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung v 25.10.1980 herrschende Lehre House of Lords herrschende Meinung Hof van Cassatie Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen v 30.6.2005 Halbsatz Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern v 15.4.1958 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen v 2.10.1973 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht v 23.11.2007 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht v 24.10.1956 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht v 2.10.1973 Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen v 23.11.2007 Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß v 1.3.1954 Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen v 15.11.1965 International and Comparative Law Quarterly in der Fassung in der Regel Journal of International Dispute Resolution im Ergebnis Intellectuele eigendom & reclamerecht Internationales Handelsrecht International Litigation Procedure Irish Law Reports Monthly XVII

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insbes

insbes InsO IntFamG IntFamRVG

Abkürzungsverzeichnis

IR IR iSd iVm IZPR IZVR

insbesondere Insolvenzordnung Gesetz zum Internationalen Familienrecht Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz) International Litigation Procedure The International Lawyer Internationale Urteilsanerkennung Insolvenz und Vollstreckung Intellectual Property Quarterly Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPR-Gesetz Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts Informations rapides Irish Reports im Sinne des /der in Verbindung mit Internationales Zivilprozessrecht Internationales Zivilverfahrensrecht

J JAmt JAP JbItalR JbJZivRWiss JBL JBl JCl Droit int JClP JClP (C) JClP (E) JClP (G) JDI J Int Arb JMLB JMLC JN JO JoBL JPA JPrIL JR JT

Justice Zeitschrift für Jugendhilfe und Familienrecht Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung Jahrbuch für italienisches Recht Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler Journal of Business Law Juristische Blätter Juris-Classeur, Droit international Juris-Classeur Périodique Juris-Classeur Périodique, édition Civil Juris-Classeur Périodique, édition Entreprise Juris-Classeur Périodique, édition Générale Journal du droit international Journal of International Arbitration Jurisprudence de Mons, Liège et Bruxelles Journal of Maritime Law and Commerce Jurisdiktionsnorm (Österreich) Journal officiel Journal of Business Law Jurisprudence de port d’Anvers Journal of Private International Law Juristische Rundschau Journal des tribunaux

Int Litig Proc Int’l Lawyer IntUrtAnerk InVo IPQ IPR IPRax IPRG IPRspr

XVIII

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LQRev

Abkürzungsverzeichnis

J T dr europeen JuMiG JURA JurBüro Jur comm belge JuS JZ

Journal des tribunaux (droit europeen) Justizmitteilungsgesetz Juristische Ausbildung Das Juristische Büro Jurisprudence commerciale belge Juristische Schulung Juristenzeitung

KantonsG Kap KCLJ KG KGR KOM KonsG

Ktg KTS KWG

Kantonsgericht Kapitel The King’s College Law Journal Kammergericht Report des Kammergerichts Dokumentenkennung der Kommission der EG Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse (Konsulargesetz) Kodix Politikis Dikonomias (Griechenland) Kommunikation & Recht kritisch Kritische Justiz Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern v 19.10.1996 Kantongerecht Konkurs, Treuhand, Schiedsgerichtswesen Gesetz über das Kreditwesen

LA LAG LAGE LandesG LEC lit LJ LJJ LJZ Lloyd’s Rep LM LMCLQ LMK LOPJ Loyola LA In’l & Comp Rev LPartG LQRev

liber amicorum Landesarbeitsgericht Entscheidungssammlung der Landesarbeitsgerichte Landesgericht Ley de Enjuiciamiento Civil (Spanien) litera Lord Justice Lord Justices Liechtensteinische Juristenzeitung Lloyd’s Reports liber memorialis Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly Lindenmaier-Möhring, Kommentierte Rechtsprechung Ley Orgánica del Poder Judicial (Spanien) Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Review Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft Law Quarterly Review

KPD K&R krit KritJustiz KSÜ

XIX

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LugÜbk 1988

LugÜbk 1988

LugÜbk 2007

luxemb m MDR Med-Arb Mich L Rev MittBayNot MittPat MMR MR MSA

mwN Nachw ncpc Ned Jur NEheG NILR NIPR NJA NJOZ NJW NJW-RR NotBZ Nr NSA NSW NTBR NTER NTHR Nuove leggi civ com NVwZ NZA NZA-RR XX

Abkürzungsverzeichnis

Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 16.9.1988 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 30.10.2007 luxemburgisch mit Monatsschrift für Deutsches Recht Mediation-Arbitration Michigan Law Review Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungen der deutschen Patentanwälte Multimedia und Recht Medien und Recht Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen v 5.10.1961 mit weiteren Nachweisen Nachweis(e) Nouveau Code de procédure civile (Frankreich) Nederlandse Jurisprudentie Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder Netherlands International Law Review Nederlands Internationaal Privaatrecht Nytt Jurisdik Arkiv Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Nummer(n) Naczelny Sa˛d Administracyjny (polnisches Oberstes Verwaltungsgericht) Nachschlagewerk der Rechtsprechung zum Gemeinschaftsrecht Nederlands Tijdschrift voor Burgerlijk Recht Nederlands Tijdschrift voor Europees Recht Nederlands Tijdschrift voor Handelsrecht Nuove leggi civili commentate Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungs-Report

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RdW

Abkürzungsverzeichnis

NZG NZI NZM

Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht Neue Zeitschrift für Mietrecht

o oä öAnwBl ObG obs OGH OH ÖJZ öKSchG ØLD OLG OLGR ÖRZ öst

oben oder ähnliches Österreichisches Anwaltsblatt Obergericht observations Österreichischer Oberster Gerichtshof Court of Session, Outer House Österreichische Juristenzeitung Konsumentenschutzgesetz (Österreich) Østre Landsret Dom Oberlandesgericht OLG-Report Österreichische Richterzeitung österreichisch (-er, -es)

p PKG Präs Pres Prot ProtDK ProtEuGVÜ ProzRB

page Pensionskassengesetz Präsident President Protokoll Protokoll über die Position Dänemarks, beigefügt dem Amsterdamer Vertrag v 2.10.1997 Protokoll zum EuGVÜ v 27.9.1968 Der Prozess-Rechtsberater

QB QBD QC

The Law Reports, Queen’s Bench Division High Court of Justice, Queen’s Bench Division Queen’s Counsel

RabelsZ

Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel Rechtbank Revue belge de droit international Rechtbank van Koophandel Berner Übereinkommen über den Schutz von Werken der Literatur und Kunst v 9.9.1886 idF v 2.10.1979 Revue critique de jurisprudence belge Recht der Arbeit Revue de droit commercial belge Revista de Derecho Comunitario Europeo Recht der Umwelt Recht der Wirtschaft

Rb RBDI Rb Kh RBÜ RCJB RdA RDCB RDCE RdU RdW

XXI

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Rec

Rec REDI Rel Rev arb Rev crit dip Rev dr aff int Rev dr fr comm Rev Fac Dir Univ Lisboa Rev gén dr civ belge Rev int dr comp Rev int y integr Rev ord adv Rev proc coll Rev soc Rev trim dr fam RFDA RGBl RGDA RHDI RIDC Ritsum L Rev Riv dir fall soc com Riv dir int Riv dir int priv proc Riv dir proc Riv trim dir proc civ RIW RL Rn Rom I-VO

Rom II-VO

RPC Rpfleger RPflG RpflStud RRa Rs XXII

Abkürzungsverzeichnis

Recueil des Cours de l’Academie de droit international Revista espanola de derecho internacional Tribunal da Relação Revue d’arbitrage Revue critique de droit international privé Revue de droit des affaires internationales Revue de droit francais commerciale Revista da Faculdade de Direito da Universidade de Lisboa Revue générale de droit civil belge Revue internationale de droit comparé Revista internacional y integración Revista da Ordem dos Advogados Revue des procédures collectives civiles et commerciales Revue des sociétés Revue trimestrielle de droit familial Revue française de droit administratif Reichsgesetzblatt Revue générale du droit des assurances Revue hellénique de droit international Revue international de droit comparé Ritsumeikan Law Review (International Edition) Rivista di diritto fallimentare e della societá commerciale Rivista di diritto internazionale Rivista di diritto internazionale privato e processuale Rivista di diritto processuale Rivista trimestrale di diritto e procedura civile Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Verordnung (EG) Nr 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“) Verordnung (EG) Nr 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) Reports of Patent Cases Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Rechtspfleger – Studienhefte Reiserecht aktuell Rechtssache

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TGI

Abkürzungsverzeichnis

R+S RSDA Rspr RTD com RTD eur RVG RVJ RW

Recht und Schaden Revue Suisse de droit des affaires et du marché financier Rechtsprechung Revue trimestrielle de droit commercial et de droit économique Revue trimestrielle de droit européen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Revue valaisanne de jurisprudence Rechtskundig Weekblad

S S s SAE sc SC SchiedsVZ schw SchwJZ SCLR Sem jud SJZ soc sog somm SorgeRÜbkAG

SZW SZZP

Satz Seite siehe Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen scilicet (lat nämlich) Supreme Court Zeitschrift für Schiedsverfahren schweizerisch (-e, -es) Schweizerische Juristenzeitung Scottish Civil Law Reports Semaine judiciaire Schweizer Juristenzeitung chambre sociale sogenannt sommaires Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens v 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und des Europäischen Übereinkommens v 20.5.1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz) Spalte Schip en Schade ständige Das Standesamt (Zeitschrift für Standesamtwesen) Svensk Juristtidning Sammlung der Rechtsprechung des Österreichischen Obersten Gerichtshofs in Zivilsachen Schweizerische Zeitschrift für Internationales und Europäisches Recht Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozessrecht

TBH Texas Int’l LJ TGI

Tijdschrift voor Belgisch handelsrecht Texas International Law Journal Tribunal de grande instance

Sp S&S st StaZ SvJT SZ SZIER

XXIII

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TIP

Abkürzungsverzeichnis

TIP TranspR Trib Trib app Trib cant Trib comm Trib Sup Trib trav TVI

Tijdschrift voor Internationaal Privaatrecht Transportrecht Tribunal, Tribunale Tribunale di appello Tribunal cantonal Tribunal de commerce Tribunal Supremo Tribunal de travail Tijdschrift voor Insolventierecht

u uä UAbs Übk UfR UhVorschG

unten und ähnliches Unterabsatz Übereinkommen Ugeskrift for Retsvaesen Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern allein stehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechtsund anderen Verstößen Übereinkommen über die Rechte des Kindes v 20.11.1989

UKlaG UN-KinderrechteÜbk U Pa LRev uU

University of Pennsylvania Law Review unter Umständen

v v va Va J Int’l L verb RS VersR VersRAI vgl VO Vorbem vorl VuR VV VW Vzngr

versus von, vom vor allem Virginia Journal of International Law verbundene Rechtssache Versicherungsrecht Versicherungsrecht Beilage Ausland vergleiche Verordnung Vorbemerkung(en) vorläufig Verbraucher und Recht Vergütungsverzeichnis Versicherungswirtschaft Voorzieningenrechter

WarschAbk

Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr v 12.10.1929 Wirtschaftsrechtliche Blätter Wirtschaftsrechtliche Beratung

wbl WiB XXIV

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zust

Abkürzungsverzeichnis

WiRO WLR WM wobl WPNR WRP WRV WSA WuB WÜD WÜK WVRK

Wirtschaft und Recht in Osteuropa The Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Wohnrechtliche Blätter Weekblad voor privaatrecht, notariaat en registratie Wettbewerb in Recht und Praxis Wetboek van Rechtsvorderingen (niederländische ZPO) Wirtschafts- und Sozialausschuss Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen v 18.4.1961 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen v 24.4.1963 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge v 23.5.1969

YB EL YB PIL

Yearbook of European Law Yearbook of Private International Law

ZAP zB ZBernJV ZESAR ZEuP ZEuS ZEV ZfA ZfRV

Zeitschrift für anwaltliche Praxis zum Beispiel Zeitschrift des Bernischen Juristen-Vereins Zeitschrift für Europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, internationales Recht und Europarecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilgericht Zeitschrift für Konflikt-Management Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung Rechtshilfeordnung in Zivilsachen zum Teil Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht zustimmend

ZGR ZHR ZIAS ZIK ZInsO ZIP ZivG ZKM ZLR ZMR ZPO ZRHO zT ZUM zust

XXV

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ZustRG

ZustRG zutr ZVGB ZVglRWiss ZVI ZZP ZZPInt

Abkürzungsverzeichnis

Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz) zutreffend Zivilverfahrensgesetzbuch Polen Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht Zeitschrift für Zivilprozeß Zeitschrift für Zivilprozeß International

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Kommentarliteratur Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO67 (2009) zitiert: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Bearbeiter Burgstaller /Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht (Loseblatt, Stand: 2008) zitiert: Burgstaller /Neumayr /Bearbeiter Czernich/Tiefenthaler /Kodek, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht2 (2003) zitiert: Czernich/Tiefenthaler /Kodek/Bearbeiter Dauner-Lieb/Heidel/Ring, BGB-Anwaltskommentar (2005) zitiert: AnwKommBGB /Bearbeiter Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluß (2005) zitiert: Gebauer/Wiedmann/Bearbeiter Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht2 (2004) zitiert: Geimer/Schütze/Bearbeiter, EuZVR Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Loseblatt, Stand: August 2009) zitiert: Geimer/Schütze/Bearbeiter Kropholler, EuZPR8 (2005) zitiert: Kropholler Münchener Kommentar ZPO3 (2007-2010) zitiert: MünchKommZPO /Bearbeiter Musielak, ZPO6 (2008) zitiert: Musielak /Bearbeiter Schlosser, EU-Zivilprozessrecht3 (2009) zitiert: Schlosser Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz4 (2008) zitiert: Schuschke/Walker /Bearbeiter

XXVII

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Kommentarliteratur

Staudinger, Kommentar zum BGB (1993 ff) zitiert: Staudinger /Bearbeiter (Jahr) Stein/Jonas, ZPO22 (2002 ff) zitiert: Stein/Jonas /Bearbeiter (Jahr) Thomas/Putzo, ZPO29 (2008) zitiert: Thomas/Putzo/Bearbeiter Wieczorek/Schütze, ZPO3 (1994 ff) zitiert: Wieczorek/Schütze/Bearbeiter (Jahr) Zöller, ZPO28 (2010) zitiert: Zöller /Bearbeiter

B

Familien- und Erbrecht

B.I

Zuständigkeit, Anerkennung, Vollstreckung

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B.I.1 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 ABl EU 2003 L 338/1

Art 63 Abs 3, 4 geändert durch VO (EG) Nr 2116/2004 v 2.12.2004 ABl EU 2004 L 367/1 (Beitritt Malta)

Schrifttum 1. Brüssel II-Übereinkommen und Brüssel II-VO1 Ancel/Muir Watt, La désunion européenne: Le Règlement dit ‚Bruxelles II’, Rev crit dip 2001, 403 Andrae, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen sowie die Beachtung der früheren Rechtshängigkeit nach der Ehe-VO (Brüssel IIVerordnung), ERA-Forum 2003, 28 Bauer, Neues internationales Verfahrensrecht im Licht der Kindesentführungsfälle, IPRax 2002, 179 Beaumont/Moir, Brussels Convention II: A New Private International Law Instrument in Family Matters for the European Union or the European Community?, ELRev 1995, 268 Becker-Eberhard, Die Sinnhaftigkeit der Zuständigkeit der EG-VO Nr 1347/2000 („Brüssel II“), in: FS Kostas E Beys (2003) 93 Bergerfurth, Die internationale Scheidungszuständigkeit im EU-Bereich, FFE 2001, 15 Boele-Woelki, Waarom Brussel II?, FJR 1998, 95

1

dies, Brüssel II: Die Verordnung über die Zuständigkeit und die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, ZfRV 2001, 121 Boularbah/Watté, Les nouvelles règles de conflits de juridiction en matière des désunion des époux. Le reglement communautaire „Bruxelles II“, J T 2001, 369 Carlier/Franck/van Boxstael, Le règlement de Bruxelles II. Compétence, reconnaissance et exécution en matière matrimoniale et en matière de responsabilité parentale, J T dr europeen 2001, 73 Coester-Waltjen, „Brüssel II“ und das „Haager Kindesentführungsübereinkommen“, in: FS Werner Lorenz (2001) 305 dies, Die internationale Zuständigkeit und Anerkennung von Sorgerechtsentscheidungen in der Europäischen Union, in: Gottwald (Hrsg), Aktuelle Entwicklungen des Europäischen und Internationalen Zivilverfahrensrechts (2002) 163 De Boer, En eerste stap naar een communautair IPR, FJR 1999, 244

Zur Brüssel IIa-VO neu erschienene Literatur siehe unten 2.

Thomas Rauscher

3

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Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Dilger, Stille Wasser gründen tief – die Cour de cassation zur EheGVO a.F., IPRax 2006, 617 Dornblüth, Die europäische Regelung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Eheund Kindschaftsentscheidungen (2003) Everall/Nicholls, Bruessels I and II – The Impact on Family Law, Fam Law 2002, 674 Fallon, Droit familial et droit des communautés européennes, Rev trim dr fam 1998, 361 Finger, Rechtsakt des Rates der Europäischen Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (und damit zusammenhängenden Kindschaftssachen) v. 30.4.1998 (mit Korr. v. 12.5.1998), FuR 1998, 346 ders, Die Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates v. 29.5.2000 (EheGVO), JR 2001, 177 Fontaine, Bruxelles II – La nouvelle Convention entre les États de l’Union européenne sur le règlement des conflits transnationaux en matière familiale, D & P1999, 22 Francq, Parental Responsibility under „Brussels II“, ERA-Forum 2003, 54 Frank, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), dort: Nr 27a EheVO – Brüssel II Gaudemet-Tallon, Le règlement No 1347/2000 du Conseil du 29 mai 2000 „Compétence, reconnaissance et execution des decision en matière matrimoniale et en matière de responsabilité parentale des enfants communs“, JDI 2001, 381 Gerhardt/Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht4 (2002) Gruber, Die neue „europäische Rechtshängigkeit“ bei Scheidungsverfahren, FamRZ 2000, 1129 Hajnczyk, Die Zuständigkeit für Entscheidungen in Ehesachen und in anderen Familiensachen aus Anlass von Ehesachen sowie deren Anerkennung und Vollstreckung in der EG und in der Schweiz (2003) Hau, Internationales Eheverfahrensrecht in der Europäischen Union, FamRZ 1999, 484 ders, Das System der internationalen Entscheidungszuständigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, FamRZ 2000, 1333

4

ders, Europäische und autonome Zuständigkeitsgründe in Ehesachen mit Auslandsbezug, FPR 2002, 616 Hausmann, Neues internationales Eheverfahrensrecht in der Europäischen Union, EuLF 2000/01, 271, 345 Helms, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen im Europäischen Eheverfahrensrecht, FamRZ 2001, 257 ders, Internationales Verfahrensrecht für Familiensachen in der Europäischen Union, FamRZ 2002, 1593 Hohloch, Internationales Verfahrensrecht in Eheund Familiensachen, FFE 2001, 45 Jänterä-Jareborg, Marriage Dissolution and the Recognition and Enforcement of Judgements in Matrimonial Matters (Brussels II Convention), YB PIL 1999, 1 Kennett, Current Developments: Private International Law, The Brussels II Convention, ICLQ 48 (1999) 467 Kohler, Internationales Verfahrensrecht für Ehesachen in der Europäischen Union: Die Verordnung „Brüssel II“, NJW 2001, 10 ders, Status als Ware: Bemerkungen zur europäischen Verordnung über das internationale Verfahrensrecht für Ehesachen, in: Mansel (Hrsg), Vergemeinschaftung des Europäischen Kollisionsrechts (2001) 41 Lübbert, Deutsch-französische Scheidung vor Gericht, ERA-Forum 2003, 18 McEleavy, The Brussels II Regulation: How the European Community has moved into family law, ICLQ 51 (2002) 883 Meyer-Götz, Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (ABl EG 2000 L 160/19), FFE 2001, 17 Mostermans, Nieuw Europees schiedingsprocesrecht onder the loep: de rechtsmacht bij echtscheiding, NIPR 2001, 293 ders, De wederzijdse erkenning van echtscheidingen binnen de Europese Unie, NIPR 202, 263

Januar 2010

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B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen Niklas, Die europäische Zuständigkeitsordnung in Ehe- und Kindschaftssachen (2003) Oelkers/Kraeft, Die deutsche internationale Zuständigkeit nach dem Haager Minderjährigenschutzabkommen (MSA), FuR 2001, 344 Pirrung, Internationales Privat- und Verfahrensrecht der Scheidung in den Europäischen Gemeinschaften, in: GFS Van Rijn van Alkemade (1993) 189 ders, Europäische justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen – insbesondere das neue Scheidungsübereinkommen, ZEuP 1999, 834 Pocar, Relazione esplicativa relativa alla convenzione stabilita sulla base del‘ art. K 3 del trattato sul‘ unione europea concernente la competencia, il riconoscimento et l’esecuzione delle decisioni delle cause matrimoniali, Riv dir int priv proc 1998, 943 Polyzogopoulos, Internationale Zuständigkeit und Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen in der Europäischen Union, in: Gottwald (Hrsg), Aktuelle Entwicklungen des Europäischen und Internationalen Zivilverfahrensrechts (2002) 133 Puszkajler, Das internationale Scheidungs- und Sorgerecht nach Inkrafttreten der Brüssel II-Verordnung, IPRax 2001, 81 Rausch, Neue internationale Zuständigkeiten in Familiensachen, FuR 2001, 151 Rauscher, Leidet der Schutz der Ehescheidungsfreiheit unter der VO Brüssel II?, in: FS Reinhold Geimer (2002) 883 ders, Wie ordnungsgemäß muss die Zustellung für Brüssel I und Brüssel II sein?, in: FS Kostas E Beys (2003) 1285 Rémery, Comité français de droit international privé, Rev crit dip 2000, 136 Sauer, Internationale Zuständigkeit für die Auflösung und Lockerung des Ehebandes nach deutschem, französischem und europäischem Recht (2003) Schack, Das neue Internationale Eheverfahrensrecht in Europa, RabelsZ 65 (2001) 615 Siehr, Die Europäische Verordnung über das Verfahren in Ehesachen, in: Reichelt/Rechberger (Hrsg), Europäisches Kollisionsrecht (2004) 113

Thomas Rauscher

Brüssel IIa-VO

Silberman, The 1996 Convention on Jurisdiction, Applicable Law, Recognition, Enforcement and Co-operation in Respect of Parental Responsibility and Measures for the Protection of Children: A perspective from the United States, in: FS Kurt Siehr (2000) 703 Simotta, Die internationale Zuständigkeit Österreichs in eherechtlichen Angelegenheiten – Ein Vergleich zwischen der EheVO und dem autonomen österreichischen Recht, in: FS Reinhold Geimer (2002) 1115 Soumampouw, Parental Responsibility under Brussels II, in: FS Kurt Siehr (2000) 729 ders, Ouderlijke verantwoordelijkheid onder de Verordening Brussel II, NIPR 2002, 1 Spellenberg, Anerkennung eherechtlicher Entscheidungen nach der EheGVO, ZZPInt 6 (2001) 109 ders, Der Anwendungsbereich der EheGVO („Brüssel II“) in Statussachen, in: FS Ekkehard Schumann (2002) 423 ders, Die Zuständigkeiten für Eheklagen nach der EheGVO, in: FS Reinhold Geimer (2002) 1257 ders, Einstweilige Maßnahmen nach Art. 12 EheGVO, in: FS Kostas E Beys (2003) 1583 ders, Die Europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen (VO EG 1347/ 2000), in: Sanchez Lorenzo y Moya Escuerdo (Hrsg), La cooperación judicial en materia civil y la unificación del derecho privado en Europa (2003) 85 Stalford, Regulating family life in post-Amsterdam Europe, ELRev 28 (2003) 39 Sturlèse, La signature de la convention de Bruxelles 2 ou quand l’Europe se préoccupe des conflits familiaux, JClP (G) 1998, 1145 ders, Les nouvelles règles du droit international privé européen du divorce, Règlement (CE) no 1347/2000 du Conseil, JClP (G) 2001, 241 ders, Compétence, Reconnaissance et Exécution des decisions en matière matrimoniale et en matière de responsabilité parentale des enfants communs, Juris-Classeur, Droit Internationale, Procédure civile Fasc 3500-635-910-10 (2001), zitiert: JC /Sturlèse

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Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Sturm, Brüssel II und der europäische Standesbeamte, StAZ 2002, 193 Vareilles-Sommières, La libre circulation des jugements rendus en matière matrimoniale en Europe, GazPal 1999, 2018 Vogel, Internationales Familienrecht – Änderungen und Auswirkungen durch die neue EUVerordnung, MDR 2000, 1045 Wagner, Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen nach der Brüssel II-Verordnung, IPRax 2001, 73 Watté/Boularbah, Le règlement communautaire en matière matrimoniale et de responsabilité parentale (Règlement dit „Bruxelles II“), Rev trim dr fam 2000, 539 Winkel, Grenzüberschreitendes Sorge- und Umgangsrecht und dessen Vollstreckung (2000). 2. Brüssel IIa-VO und Vorarbeiten Andrae, in: Dauner-Lieb/Heidel/Ring (Hrsg), BGB-Anwaltkommentar (2003), Anh I zum III. Abschnitt EGBGB EheVO dies, Zur Abgrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs von EheVO, MSA, KSÜ und autonomem IZPR / IPR, IPRax 2006, 82 dies, Internationales Familienrecht2 (2006) dies, § 11 Familiensachen mit Auslandsberührung in: Grable/Ullrich, Prozesse in Familiensachen (2007) Andrae/Heidrich, Aktuelle Fragen zum Anwendungsbereich des Verfahrens nach Art. 7 § 1 FamRÄndG, FamRZ 2004, 1622 Benicke, in: Dauner-Lieb/Heidel/Ring (Hrsg), BGB-Anwaltkommentar (2003), Anh I zum III. Abschnitt EGBGB EheVO Biavati, Il riconoscimento e il controllo delle decisioni europee in materia familiare, Riv tri dir proc civ 2003, 1241 Bischoff, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Loseblatt, Stand: 2008), B Vor I 15b EheVO Boele-Woelki, De competentie van de Europese Unie in familiezaken, FJR 2004, 122

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Boele-Woelki/Gonzálet Beilfuss, Brussels II Bis – Its Impact and Application in the Member States (2007) Borrás, „Exclusive“ and „Residual“ Grounds of Jurisdiction on Divorce in the Brussels IIbis Regulation, IPRax 2008, 257 Borrás/Kerameus, Brussels IIbis Regulation (2007) Borth, in: Musielak, Kommentar zur Zivilprozessordnung6 (2008), EG-Verordnungen, EheVO II Bucher, Das Kindeswohl im Haager Entführungsabkommen, in: FS Jan Kropholler (2008) 263 Busch, Schutzmaßnahmen für Kinder und der Begriff der elterlichen Verantwortung im internationalen und europäischen Recht – Anmerkungen zur Ausweitung der Brüssel II-Verordnung, IPRax 2003, 218 Busch/Rölke, Europäisches Kinderschutzrecht mit offenen Fragen – Die neue EU-Verordnung Brüssel IIa zur elterlichen Verantwortung aus der Sicht der Jugendhilfe, FamRZ 2004, 1338 Coester, Kooperation statt Konfrontation: Die Rückgabe entführter Kinder nach der Brüssel IIaVerordnung, in: FS Peter Schlosser (2005) 135 Coester-Waltjen, Multa non multum im internationalen Familienverfahrensrecht, in: FS Reinhold Geimer (2002) 139 dies, Aktuelle Entwicklungen im Europäischen internationalen Familienverfahrensrecht, Jura 2004, 839 dies, Parteiautonomie in der internationalen Zuständigkeit, in: FS Andreas Heldrich (2005) 549 dies, Die Berücksichtigung der Kindesinteressen in der neuen EU-Verordnung „Brüssel IIa“, FamRZ 2005, 241 deBoer, Enkele knelpunten bij de toepassing van de Verordening Brussel II-bis, FJR 2005, 90 Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (2004) ders, in: Geimer/Schütze (Hrsg), Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Loseblatt, Stand: 2008), B Vor I 15b EheVO Dörner, Internationale Scheidungszuständigkeit und Anerkennung von Scheidungsurteilen nach der EG-Verordnung Nr 2201/2003, in: Großfeld/ Yamauchi/Ehlers/Ishikawa, Probleme des deut-

Januar 2010

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B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen schen, europäischen und japanischen Rechts (2006), 17 ders, in: Saenger, Handkommentar-ZPO2 (2007), EheGVVO Dötsch, Internationale Zuständigkeit in Familiensachen, NJW-Spezial 2005, 247 Dutta, Staatliches Wächteramt und europäisches Kindschaftsverfahrensrecht, FamRZ 2008, 835 ders, Europäische Zuständigkeiten mit Kindeswohlvorbehalt, in: FS Jan Kropholler (2008), 281 Eichenhofer, Internationales Familienrecht und internationales Recht der Familienleistungen, FamRZ 2005, 1870 Espinosa Calabuig, La Responsabilidad parental y el nuevo reglamento de „Bruselas II, bis“: Entre el interés del menor y la cooperación judicial interestatal, Riv dir int priv proc 2003, 735 Europäische Kommission, Leitfaden zur Anwendung der neuen Verordnung Brüssel II (Verordnung EG Nr. 2201/2003), Aktualisierte Fassung vom 1.6.2005, http://europa.eu.int/comm/justice_ home/ejn/parental_resp/parental_resp_ec_vdm_ de.pdf (4.10.2005), zitiert: Kommission, Leitfaden Finger, Internationale Kindesentführung, FuR 2005, 443 ders, Europäisches Verfahrensrecht – eine Übersicht, FuR 2006, 56 ders, Internationale Zuständigkeiten nach der Brüssel IIa-VO – Eine Übersicht anhand von Fallbeispielen, FamRBint 2008, 90 ders, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Sorge- und Umgangsregelungen; Kindesherausgabe; Kindesentführung – HKindEntÜ, FuR 2007, 67 Fleige, Die Zuständigkeit für Sorgerechtsentscheidungen und die Rückführung von Kindern nach Entführungen nach Europäischem IZVR (2006) Frank, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2005), dort: Nr 27 EheKiVO – Brüssel IIa Geimer, in: Zöller, ZPO27 (2009), Anhang II EG-VO Ehesachen, Verfahren betr elterl Verantwortung Gonzales- Beilfuss, EC Legislation in Matters of Parental Responsibility and Third States in:

Thomas Rauscher

Brüssel IIa-VO

Nuyts/Watté, International Civil Litigation in Europe and Relations with Third States (2005) Gottwald, in: Rauscher/Wax/Wenzel, Münchener Kommentar zur ZPO3, Band 3 (2008), EheGVO Gröschl, Internationale Zuständigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht (2007) Gruber, in: Dauner-Lieb/Heidel/Ring (Hrsg), BGB-Anwaltkommentar (2003), Anh I zum III. Abschnitt EGBGB EheVO ders, Die neue EheVO und die deutschen Ausführungsgesetze, IPRax 2005, 293 ders, Das neue Internationale Familienrechtsverfahrensgesetz, FamRZ 2005, 1604 ders, Die Brüssel IIa-VO und öffentlich-rechtliche Schutzmaßnahmen, IPRax 2008, 490 ders, Das HKÜ, die Brüssel IIa-Verordnung und das Internationale Familienrechtsverfahrensgesetz, FPR 2008, 214 Helms, Internationales Verfahrensrecht für Familiensachen in der Europäischen Union, FamRZ 2002, 1593 Heß, Der Verordnungsvorschlag der französischen Ratspräsidentschaft vom 26.6.2000 über einen „Europäischen Besuchstitel“, IPRax 2000, 361 Holzmann, Brüssel IIa-VO: Elterliche Verantwortung und internationale Kindesentführung (2008) Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO29 (2008), EuEheVO Jänterä-Jareborg, A European Family Law for Cross-boarder Situations – Some Reflections concerning the Brussels II Regulation and its planned Amendments, YB PIL 2002, 66 Junker, Das Internationale Privat- und Verfahrensrecht im Zugriff der Europäischen Union, in: FS Hans Jürgen Sonnenberger (2004) 417 Kohler, Auf dem Weg zu einem europäischen Justizraum für das Familien- und Erbrecht, FamRZ 2002, 709 Kress, Internationale Zuständigkeit für elterliche Verantwortung in der Europäischen Union (2006) Kropholler, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht ohne europäisches Kollisionsrecht – ein Torso. Das Beispiel der Kinderschutzmaßnahmen, in: FS Peter Schlosser (2005) 449

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Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Looschelders, Die Europäisierung des internationalen Verfahrensrechts für Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, JR 2006, 45 ders, Scheidungsfreiheit und Schutz des Antragsgegners im internationalen Privat- und Prozessrecht, in: FS Jan Kropholler (2008), 263 Martiny, Kindesentziehung – „Brüssel II“ und die Staatsverträge, ERA-Forum 2003, 97 Meyer-Götz/Noltemeier, Internationale Scheidungszuständigkeit im europäischen Eheverfahrensrecht, FPR 2004, 282 dies, Internationales Verfahrensrecht für Familiensachen in der Europäischen Union, FPR 2004, 296 Pabst, Entscheidungszuständigkeit und Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit in Ehesachen mit Europabezug (2009), zitiert Pabst ders, Gerichtsstandsvereinbarungen im Sorgerechtsstreit?, in: LA Thomas Rauscher (2005) 115 ders, Kollisionsrechtliche Absicherung der Umwandlung einer Ehetrennung in eine Ehescheidung?, FPR 2008, 230 Paraschas, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Loseblatt, Stand: 2005), B Vor I 15b EheVO Pereira, Développement du droit de la famille en Europe, ERA-Forum 2003, 134 Pintens, Marriage and Partnership in the Brussels IIa Regulation, in: LM Šarcˇevic´ (2006) 335 Pirrung, Haager Kinderschutzübereinkommen und Verordnungsentwurf „Brüssel IIa“, in: FS Erik Jayme (2004) 701 ders, Internationale Zuständigkeit in Sorgerechtssachen nach der Verordnung (EG) 2201/2003, in: FS Peter Schlosser (2005) 695 ders, Auslegung der Brüssel IIa-Verordnung in Sorgerechtssachen – zum Urteil des EuGH in der Rechtssache C vom 27.11.2007, in: FS Jan Kropholler (2008) 399 ders, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Internationales Kindschaftsrecht 2 (2009), Vorbem zu Art 19 EGBGB C Rathjen, Die Fortdauer der internationalen Zuständigkeit (perpetuatio fori internationalis) im Familienrecht – Überlegungen aus Anlass einer Ergänzung des FamFG-E, FF 2007, 27

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Rausch, Ehesachen mit Auslandsbezug vor und nach „Brüssel IIa“, FuR 2004, 154 ders, Elterliche Verantwortung – Verfahren mit Auslandsbezug vor und nach „Brüssel IIa“, 1. Teil: Internationale Zuständigkeit, FuR 2005, 53; 2. Teil: Anderweitige Anhängigkeit, Anerkennung und Vollstreckung, FuR 2005, 112 Rauscher, Parental Responsibility Cases under the new Council Regulation „Brussels IIA“, EuLF 2005, I-37 Rechberger, Das europäische Zivilprozessrecht am Vorabend der großen Erweiterung der Europäischen Union, in: FS János Németh (2003) 713 Requejo Isidro, Regulation (EC) 2201/03 and its Personal Scope, YB PIL 2008, 579 Rieck, Die Umwandlungskompetenz nach Art. 5 EheEuGVVO 2003 und ihre Bedeutung im Verhältnis zu den weiteren Zuständigkeiten für Ehesachen, FPR 2007, 427 ders, Scheidungsfolgenvereinbarungen gem. § 630 ZPO und ihre Anerkennung und Vollstreckung nach der EheEuGVVO 2003, FPR 2007, 425 ders, Neues Eilvorlageverfahren zum EuGH – Kindesrückgabe nach Art. 11 VIII, 42 EheVO, NJW 2008, 2958 Roth, Zur Anfechtbarkeit von Zwischenentscheidungen nach Art. 15 Abs. 1 lit. b EuEheVO, IPRax 2009, 56 Rutten, Perpetuatio fori in ouderliijk gezagskwesties, NIPR 2005, 11 Salerno, I criteri di giurisdizione communitari in materia matrimoniale, Riv dir int priv proc 2007, 63 Sauer, Internationale Zuständigkeit für die Auflösung und Lockerung des Ehebandes nach deutschem, französischem und europäischem Recht (2003) Schlauß, Fehlende persönliche Anhörung des Kindes durch den ausländischen Richter – ein Anerkennungshindernis?, FPR 2006, 228 Schmidt, Forum necessitatis bij echtscheidingen, NIPR 2007, 116 Schulte-Bunert, Die Vollstreckung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung nach der VO (EG) 2201/2003 in Verbindung mit dem IntFamRVG, FamRZ 2007, 1608

Januar 2010

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B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen Schulz, Internationale Regelungen zum Sorge- und Umgangsrecht, FamRZ 2003, 336 = ERA-Forum 2003, 73 dies, Die Zeichnung des Haager KinderschutzÜbereinkommens von 1996 und der Kompromiss zur Brüssel IIa-Verordnung, FamRZ 2003, 1351 dies, Internationale Regelungen zum Sorge- und Umgangsrecht, FPR 2004, 299 dies, Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (Brüssel IIa) – eine Einführung, Beilage NJW Heft 18/2004 und FPR Heft 6/2004 dies, The state of development of uniform law in the field of European and international family and child law, EuLF 2007, I-278 dies, Das Haager Kindesentführungsübereinkommen und die Brüssel IIa-Verordnung – Notizen aus der Praxis, in: FS JanKropholler (2008) 435 Siehr, Die Eheverordnung von 2003 und das MSA von 1961, in: FS Dieter Schwab (2005) 1267 Solomon, „Brüssel IIa“ – Die neuen europäischen Regeln zum internationalen Verfahrensrecht in Fragen der elterlichen Verantwortung, FamRZ 2004, 1409 Spellenberg, in: Staudinger, Kommentar zum BGB, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen (2005), EheGVO Teixeira de Sousa, Ausgewählte Probleme aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 und des Haager Übereinkommens v. 19.10.1996 über den Schutz von Kindern, FamRZ 2005, 1612 Tenreiro/Ekström, Recent Developments in European Family Law, ERA-Forum 2003, 126 Wicke/Reinhardt, Die Auswirkungen der sog „Brüssel IIa-Verordnung“ auf die Arbeit der Jugendämter, JAmt 2007, 453 Winkel, Grenzüberschreitendes Sorge- und Umgangsrecht und dessen Vollstreckung (2003) Winkler von Mohrenfels, Das europäische Kindesentführungsrecht auf neuem Wege, IPRax 2002, 372 ders, Die gleichgeschlechtliche Ehe im deutschen IPR und im europäischen Verfahrensrecht, in: FS Tugrul Ansay (2006) 527 Verschraegen, Die Brüssel IIa-Verordnung: ein Danaergeschenk?, in: König/Mayr, Europäisches

Thomas Rauscher

Brüssel IIa-VO

Zivilverfahrensrecht in Österreich – Bilanz nach 10 Jahren (2007) Völker/Steinfatt, Die Kindesanhörung als Fallstrick bei der Anwendung der Brüssel IIa-Verordnung, FPR 2005, 415. 3. EG-Rechtsvereinheitlichung im IPR, Brüssel IIa-ÄndE Bauer, Neues europäisches Kollisions- und Verfahrensrecht auf dem Weg: Stellungnahme des Deutschen Rates für IPR zum internationalen Erbund Scheidungsrecht, IPRax 2006, 202 Beyer Handlungsfelder der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Familienrecht – Die europäischen Verordnungsvorschläge zum internationalen Scheidungs- und Unterhaltsrecht, FF 2007, 20 Finger, Grünbuch der Europäischen Kommission über das anzuwendende Recht und die gerichtliche Zuständigkeit in Scheidungssachen, FF 2007, 35 Gottwald, Probleme der Vereinheitlichung des Internationalen Familienverfahrensrechts ohne gleichzeitige Kollisionsrechtsvereinheitlichung in: Freitag/Leible/Sippel/Wanitzek Internationales Familienrecht für das 21. Jahrhundert: Symposium Ulrich Spellenberg (2006) 55 Ibili, Van ‚Brussel II‘ en ‚Brussel IIbis‘ naar ‚Brussel IIter‘; voorstel tot introductie van forumkeuze en conflictenregels in het IPR-scheidingsprocesrecht, WPNR 2006, 743 Jayme/Kohler, Europäisches Kollisionsrecht 2006: Eurozentrismus ohne Kodifikationsidee?, IPRax 2006, 537 Kohler, Zur Gestaltung des europäischen Kollisionsrechts für Ehesachen: Der steinige Weg zu einheitlichen Vorschriften über das anwendbare Recht für Scheidung und Trennung, FamRZ 2008, 1673 ders, Einheitliche Kollisionsnormen für Ehesachen in der Europäischen Union: Vorschläge und Vorbehalte, FPR 2008, 193 Kohler/Pintens, Ehe und Familie im europäischen Recht – Entwicklungen und Tendenzen, FamRZ 2007, 1481 Kroll, Scheidung auf europäisch? – Die (derzeit) nicht scheidbare Ehe im IPR, StAZ 2007, 330

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Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Mansel/Thorn/Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2008: Fundamente der Europäischen IPRKodifikation, IPRax 2009, 1 Martiny, Ein Internationales Scheidungsrecht für Europa – Konturen einer Rom III-Verordnung in: Freitag/Leible/Sippel/Wanitzek Internationales Familienrecht für das 21. Jahrhundert: Symposium Ulrich Spellenberg (2006) 119 ders, Die Entwicklung des Europäischen Internationalen Familienrechts – ein juristischer Hürdenlauf, FPR 2008, 187 Moro, Observations sur la communautarisation du droit de la famille, Riv dir int priv proc 2007, 675 Oderkerk, Het Groenboek inzake het toepasselijke recht en de rechterlijke bevoegdheid in echtscheidingzaken, NIPR 2006, 119 Rühberg, Auf dem Weg zu einem europäischen Scheidungskollisionsrecht (2006) Wagner, Zur Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, IPRax 2007, 290 ders, Zu den Chancen der Rechtsvereinheitlichung im internationalen Familienrecht, StAZ 2007, 101. 4. EG-Rechtsvereinheitlichung im materiellen Familienrecht Boele-Woelki, Comparative Research-Based Drafting of Principles of European Family Law, ERAForum 2003, 142 Caracciolo di Torella/Masselot, Under construction: EU Family law, ELRev 2004, 32 McGlynn, Families and the European Union Charter of Fundamental Rights: progressive change or entrenching the status quo?, ELRev 2001, 582 Moro, Observations sur la communautarisation du droit de la famille, Riv dir int priv proc 2007, 675 Pintens, Die Commission on European Family Law, Hintergrund, Gründung, Arbeitsmethode und erste Ergebnisse, ZEuP 2004, 548 TMC Asser Instituut, Practical Problems Resulting from the Non-Harmonization of Choice of Law Rules in Divorce Matters, Final Report JAI /A3/ 2001/04 (2002)

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Wagner, EG-Kompetenz für das Internationale Privatrecht in Ehesachen?, RabelsZ 68 (2004) 119 ders, Überlegungen zur Vereinheitlichung des Internationalen Privatrechts in Ehesachen in der Europäischen Union, FamRZ 2003, 803 Werwigk-Hertneck/Mauch, Auf dem Weg zu einem Europäischen Familiengesetzbuch, FamRZ 2004, 574. Materialien 1. Brüssel II-Übereinkommen Verde í Aldea/d'Ancona, Europäisches Parlament, Ausschuß für Recht und Bürgerrechte, Bericht über den Entwurf eines Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Ehesachen, 16.4.1998 mit Stellungnahme des Ausschusses für Recht und Bürgerrechte, 16.4.1998, A4-0131/1998 Rat der Europäischen Union, Rechtsakte des Rates vom 28. Mai 1998 über die Ausarbeitung des Übereinkommens [...] [wie vorstehend], ABl EG 1998 C 221/1 Übereinkommen [...] [wie vorstehend], ABl EG 1998 C 221/2 Rat der Europäischen Union, Rechtsakt des Rates vom 28. Mai 1998 über die Ausarbeitung des Protokolls [...] betreffend die Auslegung des Übereinkommens [wie vorstehend] durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, ABl EG 1998 C 221/19 Protokoll [...] betreffend die Auslegung des Übereinkommens [wie vorstehend] durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, ABl EG 1998 C 221/20 Borrás, Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen [...] [wie vorstehend], ABl EG 1998 C 221/27, zitiert: Borrás-Bericht Erläuternder Bericht zu dem Protokoll [...] betreffend die Auslegung des Übereinkommens [wie vorstehend] durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, ABl EG 1998 C 221/65.

Januar 2010

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B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen 2. Brüssel II-VO Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten, 4.5.1999, KOM (1999) 220, ABl EG 1999 C 247/1 Gebhardt/Lehne, Europäisches Parlament, Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten, Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend], 10.11.1999, A5-0057/1999 Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend], 20.10.1999, ABl EG 1999 C 368/23 Europäisches Parlament, Legislative Entschließung zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend], 17.11.1999, ABl EG 2000 C 189/97 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend], 17.3.2000, KOM (2000) 151 Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 [wie vorstehend], ABl EG 2000 L 160/19 Erklärungen Schwedens und Finnlands nach Artikel 36 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 [wie vorstehend], ABl EG 2001 L 58/22 Verordnung (EG) Nr 1185/2002 der Kommission vom 1. Juli 2002 zur Änderung der Liste der zuständigen Gerichte in Anhang I der Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates [wie vorstehend], ABl EG 2002 L 173/3 Akte über die Bedingungen des Beitritts [Neumitglieder 2004] und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge, Anhang II Nr 18 A 2. 32000 R 1347: Verordnung (EG) Nr 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 [wie vorstehend], ABl EU 2003 L 236/33, 713 Verordnung (EG) Nr 1804/2004 der Kommission vom 14. Oktober 2004 zur Änderung der Liste der zuständigen Gerichte und der Rechtsbehelfe in den Anhängen I, II und III der Verordnung (EG)

Thomas Rauscher

Brüssel IIa-VO

Nr 1347/2000 des Rates [wie vorstehend], ABl EU 2004 L 318/7. 3. Brüssel IIa-VO a) Französische Initiative: Umgangsrecht Rat der Europäischen Union, Initiative der Französischen Republik im Hinblick auf die Annahme der Verordnung des Rates über die gegenseitige Vollstreckung von Entscheidungen über das Umgangsrecht, 7.7.2000, 9735/00, ABl EG 2000 C 234/7 Rat der Europäischen Union, Vermerk der französischen Delegation, 7.7.2000, 9735/00 / ADD1 Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zur Initiative der Französischen Republik [wie vorstehend], 19.10.2000, ABl EG 2001 C 14/82 Banotti, Europäisches Parlament, Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten, Bericht über die Initiative der Französischen Republik [wie vorstehend], 24.10.2000, A5-0311/2000. b) Kommissionsvorschlag: elterliche Verantwortung Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Arbeitsunterlage der Kommission – Gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, 27.3.2001, KOM (2001) 166 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, 6.9.2001, KOM (2001) 505, ABl EG 2001 C 332/269 Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend], 17.1.2002, ABl EG 2002 C 80/41 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission (betreffend die Rücknahme des Vorschlags für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend]), 6.6.2002, KOM (2002) 297. c) Brüssel IIa-VO (vor Annahme) Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die

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Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1347/2000 und zur Änderung der Verordnung EG Nr 44/2001 in Bezug auf Unterhaltssachen, 17.5.2002, KOM (2002) 222/2, ABl EG 2002 C 203E/155 Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend], 18.9.2002, ABl EU 2003 C 61/76 Rat der Europäischen Union, Schreiben der Ständigen Vertreterin Irlands, 12. 7. 2002, 10755/02 Rat der Europäischen Union, Vermerk der Delegation des Vereinigten Königreichs, 5.9.2002, 11708/02 Rat der Europäischen Union, Vermerk der italienischen Delegation, 5.9.2002, 11735/02 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 28.10.2002, 13436/02 Banotti, Europäisches Parlament, Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten, Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend], 7.11.2002, A5-0385/2002 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 8.11.2002, 13940/02 Europäisches Parlament, Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend], 20.11.2002, T5-0543/2002 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Stellungnahme zu Änderungsanträgen des Europäischen Parlaments, 20.11.2002, (Ablehnung, unveröffentlicht) Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 26.11.2002, 14733/02 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 6.12.2002, 15280/02 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 10.12.2002, 15367/02 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 20.12.2002, 15772/02 Rat der Europäischen Union, Vermerk des künftigen Vorsitzes, 20.12.2002, 15773/02 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 7.3.2003, 6966/1/03/ REV 1

12

Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 14.3.2003, 6965/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 21.3.2003, 7728/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 21.3.2003, 7729/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 21.3.2003, 7730/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der spanischen Delegation, 15.4.2003, 8485/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes (überarbeiteter Text des Vorschlags für eine Verordnung), 30.4.2003, 8281/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 6.5.2003, 8745/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 6.5.2003, 9005/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes (überarbeiteter Text des Verordnungsvorschlags), 23.5.2003, 9670/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 2.6.2003, 9990/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der niederländischen Delegation, 12.6.2003, 10428/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Generalsekretariats des Rates, 19.6.2003, 10663/03/ ADD1 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes (überarbeitete Fassung des Verordnungsvorschlags), 30.6.2005, 11008/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 11.7.2003, 11390/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der Kommission, 8.8.2003, 11995/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 11.8.2003, 12006/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 11.8.2003, 12007/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 11.8.2003, 12008/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 22.8.2003, 12068/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk der österreichischen Delegation, 2.9.2003, 12143/03 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes (Kompromisslösung zur Verordnung), 22.9.2003, 12675/03

Januar 2010

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B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes (Kompromisslösung zur Verordnung), 29.9.2003, 12992/03 Rat der Europäischen Union, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 30.9.2003, 12992/03/ ADD1 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 9.10.2003, 13225/03. d) Brüssel IIa-VO (Annahme) Rat der Europäischen Union, Gesetzgebungsakt (Verordnung des Rates), 20.10.2003, 12513/03 Rat der Europäischen Union, Gesetzgebungsakt (Korrektur der Verordnung des Rates), 23.10.2003, 12513/03/ COR1 Rat der Europäischen Union, Gesetzgebungsakt (Revidierte Verordnung des Rates), 10.11.2003, 12513/1/03/ REV1 Rat der Europäischen Union, Gesetzgebungsakt (Korrektur der Revidierten Verordnung des Rates), 17.11.2003, 12513/1/03/ REV1/ COR2 Rat der Europäischen Union, Gesetzgebungsakt (Korrektur der Revidierten Verordnung des Rates), 20.11.2003, 12513/1/03/ REV1/ COR3 Rat der Europäischen Union, Gesetzgebungsakt (Korrektur der Revidierten Verordnung des Rates), 26.11.2003, 12513/1/03/ REV1/ COR7 Rat der Europäischen Union, Gesetzgebungsakt (Erklärungen Schwedens und Finnlands), 26.11.2003, 12513/1/03/ REV1/ ADD1. e) Brüssel IIa-VO (nach Annahme) Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1347/2000 in Bezug auf Verträge mit dem Heiligen Stuhl, 29.9.2004, KOM (2004) 616 Rat der Europäischen Union, I / A-Punkt-Vermerk des Generalsekretariats des Rates, 3.11.2004, 13853/04 Rat der Europäischen Union, Gesetzgebungsakt (Änderung der Verordnung (EG) 2201/2003), 8.11.2004, 13739/04

Thomas Rauscher

Brüssel IIa-VO

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Leitfaden zur Anwendung der neuen Verordnung Brüssel II (VO (EG) Nr 2201/2003), Aktualisierte Fassung vom 1.6.2005. 4. Reformvorhaben: Brüssel IIa-ÄndE TMC Asser Instituut, Practical problems resulting from the non-harmonization of choice of law rules in divorce matters (2002), Studie im Auftrag der Kommission der EG Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch über das anzuwendende Recht und die gerichtliche Zuständigkeit in Scheidungssachen, 14.3.2005, KOM (2005) 82 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Commission Staff Working Paper, Annex to the Green Paper on applicable law and jurisdiction in divorce matters, 14.3.2005, SEC (2005) 331/1 Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zu dem Grünbuch [wie vorstehend], 28.9.2005, ABl EU 2006 C 24/20 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2203 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich, 17.7.2006, KOM (2006) 399 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Commission Staff Working Paper, Annex to the proposal for a Council Regulation (EC) No 2201/ 2003 as regards jurisdiction and introducing rules concerning applicable law in matrimonial matters, 17.7.2006, SEC (2006) 949 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Folgenabschätzung für den Vorschlag für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend], 17.7.2006, SEC (2006) 950 Rat der Europäischen Union, I-Punkt-Vermerk des Generalsekretariats des Rates, 14.9.2006, 12713/06 Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zum Thema „Vorschlag für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend]“, 13.12.2006, ABl. EU 2006 C 325/71

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Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 12.1.2007, 5274/07 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 9.3.2007, 7144/07 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 16.3.2007, 7144/07 COR 1 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 30.3.2007, 8028/07 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 13.4.2007, 8401/07 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 17.4.2007, 8549/07 Rat der Europäischen Union, Vermerk des deutschen Vorsitzes und des bevorstehenden portugiesischen Vorsitzes, 28.6.2007, 11295/07 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 3.10.2007, 13445/07 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Generalsekretariats, 18.1.2008, 5239/08 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht (Rom III), 28.1.2008, 5753/08

Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 18.4.2008, 8587/08 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 23.5.2008, 9712/08 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 29.5.2008, 9985/08 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 11.7.2008, 11586/08 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht (Rom III), 14.7.2008, 11536/08 Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 18.7.2008, 11984/08 Rat der Europäischen Union, Korrigendum zum Vermerk des Vorsitzes, 23.7.2008, 11984/08 COR 1 Casiní, Europäisches Parlament, Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend], 19.9.2008, A6-0361/2008.

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION* –

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 61 Buchstabe c) und Artikel 67 Absatz 1, 1 auf Vorschlag der Kommission , 2 nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments , 3 nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses , in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Europäische Gemeinschaft hat sich die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel gesetzt, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist. Hierzu erlässt die Gemeinschaft unter anderem die Maßnahmen, die im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sind. (2) Auf seiner Tagung in Tampere hat der Europäische Rat den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen, der für die Schaffung eines echten europäischen Rechtsraums unabdingbar ist, anerkannt und die Besuchsrechte als Priorität eingestuft. * 1 2 3

14

Die zu den Erwägungsgründen abgedruckten nummerierten Fußnoten sind solche des amtlichen Textes. ABl. C 203 E vom 27.8.2002, S. 155. Stellungnahme vom 20. September 2002 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 76.

Januar 2010

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Brüssel IIa-VO

Erwägungsgründe

4

(3) Die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 enthält Vorschriften für die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen sowie von aus Anlass von Ehesachen ergangenen Entscheidungen über die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten. Der Inhalt dieser Verordnung wurde weitgehend aus dem diesbezüglichen Übereinkommen vom 28. Mai 5 1998 übernommen . (4) Am 3. Juli 2000 hat Frankreich eine Initiative im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Rates über die gegenseitige Vollstreckung von Entscheidungen über das Umgangs6 recht vorgelegt . (5) Um die Gleichbehandlung aller Kinder sicherzustellen, gilt diese Verordnung für alle Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, einschließlich der Maßnahmen zum Schutz des Kindes, ohne Rücksicht darauf, ob eine Verbindung zu einem Verfahren in Ehesachen besteht. (6) Da die Vorschriften über die elterliche Verantwortung häufig in Ehesachen herangezogen werden, empfiehlt es sich, Ehesachen und die elterliche Verantwortung in einem einzigen Rechtsakt zu regeln. (7) Diese Verordnung gilt für Zivilsachen, unabhängig von der Art der Gerichtsbarkeit. (8) Bezüglich Entscheidungen über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe sollte diese Verordnung nur für die Auflösung einer Ehe und nicht für Fragen wie die Scheidungsgründe, das Ehegüterrecht oder sonstige mögliche Nebenaspekte gelten. (9) Bezüglich des Vermögens des Kindes sollte diese Verordnung nur für Maßnahmen zum Schutz des Kindes gelten, das heißt i) für die Bestimmung und den Aufgabenbereich einer Person oder Stelle, die damit betraut ist, das Vermögen des Kindes zu verwalten, das Kind zu vertreten und ihm beizustehen, und ii) für Maßnahmen bezüglich der Verwaltung und Erhaltung des Vermögens des Kindes oder der Verfügung darüber. In diesem Zusammenhang sollte diese Verordnung beispielsweise für die Fälle gelten, in denen die Eltern über die Verwaltung des Vermögens des Kindes im Streit liegen. Das Vermögen des Kindes betreffende Maßnahmen, die nicht den Schutz des Kindes betreffen, sollten weiterhin unter die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Ent7 scheidungen in Zivil- und Handelssachen fallen. (10) Diese Verordnung soll weder für Bereiche wie die soziale Sicherheit oder Maßnahmen allgemeiner Art des öffentlichen Rechts in Angelegenheiten der Erziehung und Gesundheit noch für Entscheidungen über Asylrecht und Einwanderung gelten. Außerdem gilt sie weder für die Feststellung des Eltern-Kind-Verhältnisses, bei der es sich um eine von der Übertragung der elterlichen Verantwortung gesonderte Frage handelt, noch für sonstige

4

ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 19.

5

Bei der Annahme der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 hatte der Rat den von Frau Professorin Alegria Borras erstellten erläuternden Bericht zu dem Übereinkommen zur Kenntnis genommen (ABl. C 221 vom 16.7.1998, S. 27). ABl. C 234 vom 15.8.2000, S. 7. ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1496/2002 der Kommission (ABl. L 225 vom 22.8.2002, S. 13).

6 7

Thomas Rauscher

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Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Fragen im Zusammenhang mit dem Personenstand. Sie gilt ferner nicht für Maßnahmen, die im Anschluss an von Kindern begangenen Straftaten ergriffen werden. (11) Unterhaltspflichten sind vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen, da sie bereits durch die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 geregelt werden. Die nach dieser Verordnung zuständigen Gerichte werden in Anwendung des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 in der Regel für Entscheidungen in Unterhaltssachen zuständig sein. (12) Die in dieser Verordnung für die elterliche Verantwortung festgelegten Zuständigkeitsvorschriften wurden dem Wohle des Kindes entsprechend und insbesondere nach dem Kriterium der räumlichen Nähe ausgestaltet. Die Zuständigkeit sollte vorzugsweise dem Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes vorbehalten sein außer in bestimmten Fällen, in denen sich der Aufenthaltsort des Kindes geändert hat oder in denen die Träger der elterlichen Verantwortung etwas anderes vereinbart haben. (13) Nach dieser Verordnung kann das zuständige Gericht den Fall im Interesse des Kindes ausnahmsweise und unter bestimmten Umständen an das Gericht eines anderen Mitgliedstaats verweisen, wenn dieses den Fall besser beurteilen kann. Allerdings sollte das später angerufene Gericht nicht befugt sein, die Sache an ein drittes Gericht weiterzuverweisen. (14) Die Anwendung des Völkerrechts im Bereich diplomatischer Immunitäten sollte durch die Wirkungen dieser Verordnung nicht berührt werden. Kann das nach dieser Verordnung zuständige Gericht seine Zuständigkeit aufgrund einer diplomatischen Immunität nach dem Völkerrecht nicht wahrnehmen, so sollte die Zuständigkeit in dem Mitgliedstaat, in dem die betreffende Person keine Immunität genießt, nach den Rechtsvorschriften dieses Staates bestimmt werden. (15) Für die Zustellung von Schriftstücken in Verfahren, die auf der Grundlage der vorliegenden Verordnung eingeleitet wurden, gilt die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten8 *. (16) Die vorliegende Verordnung hindert die Gerichte eines Mitgliedstaats nicht daran, in dringenden Fällen einstweilige Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen in Bezug auf Personen oder Vermögensgegenstände, die sich in diesem Staat befinden, anzuordnen. (17) Bei widerrechtlichem Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes sollte dessen Rückgabe unverzüglich erwirkt werden; zu diesem Zweck sollte das Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1980, das durch die Bestimmungen dieser Verordnung und insbesondere des Artikels 11 ergänzt wird, weiterhin Anwendung finden. Die Gerichte des Mitgliedstaats, in den das Kind widerrechtlich verbracht wurde oder in dem es widerrechtlich zurückgehalten wird, sollten dessen Rückgabe in besonderen, ordnungsgemäß begründeten Fällen ablehnen können. Jedoch sollte eine solche Entscheidung durch eine spätere Entscheidung des Gerichts des Mitgliedstaats ersetzt werden können, in dem das Kind vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. 8

ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 37.

*

Nunmehr „Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates“ gemäß Art 25 Abs 2 EG-ZustVO 2007.

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Erwägungsgründe

Brüssel IIa-VO

Sollte in dieser Entscheidung die Rückgabe des Kindes angeordnet werden, so sollte die Rückgabe erfolgen, ohne dass es in dem Mitgliedstaat, in den das Kind widerrechtlich verbracht wurde, eines besonderen Verfahrens zur Anerkennung und Vollstreckung dieser Entscheidung bedarf. (18) Entscheidet das Gericht gemäß Artikel 13 des Haager Übereinkommens von 1980, die Rückgabe abzulehnen, so sollte es das zuständige Gericht oder die Zentrale Behörde des Mitgliedstaats, in dem das Kind vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, hiervon unterrichten. Wurde dieses Gericht noch nicht angerufen, so sollte dieses oder die Zentrale Behörde die Parteien entsprechend unterrichten. Diese Verpflichtung sollte die Zentrale Behörde nicht daran hindern, auch die betroffenen Behörden nach nationalem Recht zu unterrichten. (19) Die Anhörung des Kindes spielt bei der Anwendung dieser Verordnung eine wichtige Rolle, wobei diese jedoch nicht zum Ziel hat, die diesbezüglich geltenden nationalen Verfahren zu ändern. (20) Die Anhörung eines Kindes in einem anderen Mitgliedstaat kann nach den Modalitäten der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in 9 Zivil- oder Handelssachen erfolgen. (21) Die Anerkennung und Vollstreckung der in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen sollten auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruhen und die Gründe für die Nichtanerkennung auf das notwendige Minimum beschränkt sein. (22) Zum Zwecke der Anwendung der Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln sollten die in einem Mitgliedstaat vollstreckbaren öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen zwischen den Parteien „Entscheidungen“ gleichgestellt werden. (23) Der Europäische Rat von Tampere hat in seinen Schlussfolgerungen (Nummer 34) die Ansicht vertreten, dass Entscheidungen in familienrechtlichen Verfahren „automatisch unionsweit anerkannt“ werden sollten, „ohne dass es irgendwelche Zwischenverfahren oder Gründe für die Verweigerung der Vollstreckung geben“ sollte. Deshalb sollten Entscheidungen über das Umgangsrecht und über die Rückgabe des Kindes, für die im Ursprungsmitgliedstaat nach Maßgabe dieser Verordnung eine Bescheinigung ausgestellt wurde, in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt werden, ohne dass es eines weiteren Verfahrens bedarf. Die Modalitäten der Vollstreckung dieser Entscheidungen unterliegen weiterhin dem nationalen Recht. (24) Gegen die Bescheinigung, die ausgestellt wird, um die Vollstreckung der Entscheidung zu erleichtern, sollte kein Rechtsbehelf möglich sein. Sie sollte nur Gegenstand einer Klage auf Berichtigung sein, wenn ein materieller Fehler vorliegt, d.h., wenn in der Bescheinigung der Inhalt der Entscheidung nicht korrekt wiedergegeben ist. (25) Die Zentralen Behörden sollten sowohl allgemein als auch in besonderen Fällen, einschließlich zur Förderung der gütlichen Beilegung von die elterliche Verantwortung betreffenden Familienstreitigkeiten, zusammenarbeiten. Zu diesem Zweck beteiligen sich die Zentralen Behörden an dem Europäischen Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen, das mit der Entscheidung des Rates vom 28. Mai 2001 zur Einrichtung eines Euro10 päischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen eingerichtet wurde. 9 10

ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 1. ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 25.

Thomas Rauscher

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Einl Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

(26) Die Kommission sollte die von den Mitgliedstaaten übermittelten Listen mit den zuständigen Gerichten und den Rechtsbehelfen veröffentlichen und aktualisieren. (27) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/ EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für 11 die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse erlassen werden. (28) Diese Verordnung tritt an die Stelle der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, die somit aufgehoben wird. (29) Um eine ordnungsgemäße Anwendung dieser Verordnung sicherzustellen, sollte die Kommission deren Durchführung prüfen und gegebenenfalls die notwendigen Änderungen vorschlagen. (30) Gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands haben diese Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. (31) Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung, die für Dänemark nicht bindend oder anwendbar ist. (32) Da die Ziele dieser Verordnung auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. (33) Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Sie zielt insbesondere darauf ab, die Wahrung der Grundrechte des Kindes im Sinne des Artikels 24 der Grundrechtscharta der Europäischen Union zu gewährleisten – HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Einleitung I. Entstehung – Rechtsgrundlage –

Verhältnis zum nationalen Recht 1. Brüssel II – Brüssel IIa . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrundlage, Zweck . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik a) Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungsbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . 11

18

1 2 3 4

c) Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes im Eherecht . . . . . . d) Konflikt mit sorgerechtlichen Übereinkommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Technik und Stil der Regelung. . . . 4. Verhältnis zum nationalen und völkervertraglichen Recht . . . . . . . . . . .

5 8 10 13

ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

Januar 2010

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Einl Brüssel IIa-VO 1

Einleitung

II. Abgrenzungen im sachlichen

Anwendungsbereich 1. Verhältnis zur Brüssel-VO I . . . . . . . . . . 2. Sachliche Überschneidung mit dem KSÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gegenstände außerhalb von Brüssel I-VO und Brüssel IIa-VO . . . .

IV. Auslegung – insbesondere durch

21 22 23

III. Räumlicher Anwendungsbereich

1. Geltungsbereich: „Mitgliedstaaten“ 2. Anwendungsbereich: Zuständigkeitsbestimmungen . . . . . . . . 3. Anwendungsbereich: Urteilsanerkennung und -vollstreckung . . . .

24 27 31

den EuGH 1. Auslegungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslegungskompetenz des EuGH a) Konkretes Vorlageverfahren, Eilverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abstraktes Vorlageverfahren . . . . . V. Brüssel IIa-ÄndE, Scheidungskollisionsrecht 1. Gang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinheitlichung des Scheidungs-IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Korrekturen der Zuständigkeitsbestimmungen . . . . . . . .

33

38 42

44 46 53

VI. Sachrechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . .

56

VII. Ausführungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

I.

Entstehung – Rechtsgrundlage – Verhältnis zum nationalen Recht

1.

Brüssel II – Brüssel IIa

Die VO (EG) Nr 2201/2003 (Brüssel IIa-VO)1 hat – in ihren wesentlichen Teilen mit 1 Wirkung vom 1.3.20052 – die VO (EG) Nr 1347/2000 (Brüssel II-VO)3, die erst am 1.3.2001 in Kraft getreten war, vollständig abgelöst. Hintergrund der Reform ist das Bestreben um eine Integration weiterer Vorschläge für Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Kindschaftsrechts, die alsbald nach Inkrafttreten der Brüssel II-VO vorgelegt wurden. Frankreich hatte am 3.7.2000 einen Vorschlag zur Abschaffung des Exequaturverfahrens für Umgangsentscheidungen4 unterbreitet, der jedoch, wie die sorgerechtlichen Teile der Brüssel II-VO, auf im Rahmen eines Eheverfahrens ergangene Entscheidungen beschränkt war. Die Kommission hatte am 6.9.2001 den Vorschlag einer Verordnung über die Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung5 gemacht, der eben diese Begrenzung der Brüssel II-VO überwinden sollte. Beide Vorschläge wurden im weiteren Verlauf in den zur Brüssel IIa-VO führenden Kommissionsvorschlag6 integriert.7 1 2 3 4 5 6 7

Im Folgenden „die VO“. Näher dazu Art 72. Die Brüssel II-VO war hier Gegenstand der Kommentierung in der 1. Auflage (2004). ABl EG 2000 C 234/7. KOM (2001) 505, ABl EG 2002 C 332/269. KOM (2002) 222, ABl EG 2002 C 203E/155. Näher Staudinger /Spellenberg (2005) Vorbem zu Art 1 Rn 7 ff.

Thomas Rauscher

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Einl Brüssel IIa-VO 2, 3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Hierbei blieb der die Zuständigkeit, Rechtshängigkeitskonflikte sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen betreffende Regelungsinhalt mit geringen Formulierungsänderungen, jedoch in geänderter Nummerierung, inhaltlich unverändert. Eine Konkordanztabelle findet sich im Anhang V der VO. Die die elterliche Verantwortung betreffenden Regelungen wurden hingegen weit über den Zweck der Ausdehnung auf selbstständige Sorgesachen hinaus neu gestaltet. Insbesondere enthält die VO auch eine eigenständige Regelung des Verfahrens bei Kindesentführung (Art 10, 11).8 Die Brüssel II-VO findet für Altfälle weiterhin Anwendung, soweit ihr zeitlicher Anwendungsbereich (Art 42 Brüssel II-VO) eröffnet, der der Brüssel IIa-VO (Art 64) aber noch nicht eröffnet ist. 9 2.

Rechtsgrundlage, Zweck

2 Die VO beruht wie ihre Vorgängerin auf der Kompetenzzuweisung in Art 61 lit c EGV idF von Amsterdam. Sie ist als eine der Maßnahmen zur justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen gemäß Art 65 EGV10 Teil des Aktionsplans der Kommission der EG zur Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der EU11. Ziel ist die Herstellung der Anerkennungs- und Vollstreckungsfähigkeit von Entscheidungen in Ehesachen. Angesichts wachsender Zahlen innergemeinschaftlich-binationaler Ehen und bestehender erheblicher Unterschiede in den Scheidungsrechten der Mitgliedstaaten bestand ein nicht nur theoretisches Risiko hinkender Ehescheidungen, was negativen Einfluss auf die Niederlassungsfreiheit haben kann.12 3.

Kritik

a) Kompetenz 3 Die weite Auslegung und Inanspruchnahme dieser Kompetenz durch die Kommission ist im Schrifttum nicht nur in Ansehung der Brüssel II-VO und nicht nur vereinzelt auf Kritik gestoßen. Für den Bereich der Ehe- und Sorgerechtssachen greifen die Bedenken in besonderem Maß: Die Gefahr hinkender Statusverhältnisse berührt unmittelbar nur das Familienleben bzw die persönliche Lebensgestaltung Geschiedener und hat allenfalls mittelbare Marktrelevanz, wenn etwa Arbeitnehmer von einer durch eine hinkende Ehe beschränkten Freizügigkeit betroffen sind. Ob dies für die Annahme der Marktrelevanz gemäß Art 65 EGV reicht, oder ob, zumindest nach Inkrafttreten des Vertrages von Nizza, eine solche Marktrelevanz im Umkehrschluss aus Art 67 Abs 1 EGV für familienrechtliche Instrumente nicht mehr zu fordern ist,13 ist wohl eine Fra-

8 9 10 11 12

20

Im Einzelnen zu der Systematik der sorgerechtlichen Bestimmungen der VO unten Rn 17 ff. Dazu Art 64. Künftig Art 67 Abs 1, 4, Art 81 AEUV. Vom 23.1.1999, ABl EG 1999 C 19/1, 12. MünchKommZPO /Gottwald Vorbem Rn 1.

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Einleitung

Einl Brüssel IIa-VO 4

ge, der Kommission und Rat im EuZPR eher nachrangige Bedeutung beimessen. Insoweit findet sich in den Erwägungsgründen 1 und 2 nur die eigene Zielsetzung und in Erwägungsgrund 32 die lapidare Behauptung, auf Ebene der Mitgliedstaaten seien die Ziele nicht erreichbar. Ebenso wie selbst attestierte Vereinbarkeit mit der Grundrechtecharta (Erwägungsgrund 33) strahlt dies ein Selbstbewusstsein der EU-Institutionen aus, das ein Hinterfragen der eigenen Zielsetzungen nicht duldet. Nachdem trotz anfangs hörbarer Kritik das auf Art 61, 67 EGV gestützte Programm „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ seitens der Kommission unbeirrt vorangetrieben wurde, muss die Kompetenzfrage als müßig angesehen werden.14 Unterstützung erhält diese Sicht durch ein Gutachten des EuGH,15 das der Gemeinschaft eine umfassende Außenkompetenz in Fragen des internationalen Privat- und Prozessrechts bescheinigt,16 was jedenfalls die völkervertragliche Vereinheitlichung des IPR in die Hand der Gemeinschaft legt. Selbst bei Annahme einer weitgehenden Innenkompetenz blieben das Subsidiaritätsund das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten, die in den Erwägungsgründen nur noch formal abgehandelt werden. Hingegen ist an der gemäß Art 67 Abs 5 Str 2 EGV (künftig Art 81 Abs 3 AEUV) für familienrechtliche Materien erforderlichen Einstimmigkeit im Rat der Vorschlag zu einer Reform der Brüssel IIa-VO (Rom III /Brüssel IIaÄndE, dazu Rn 44 ff) gescheitert. b) Regelungsbedürfnis Durch die Dynamik der Entwicklung überholt sind auch die anfänglichen Bedenken, 4 ob eine Regelung durch Verordnung gegenüber einer nach Art 293 EGV17 weiterhin (vgl Art 220 EWGV) möglichen Regelung durch völkervertragliche EG-Übereinkommen vorzuziehen ist. Die Brüssel II-VO entsprach weitgehend dem EG-Übereinkommen vom 28.5.199818, dessen Inkraftsetzung durch den Erlass der Verordnung überholt wurde, die Neufassung regelt insbesondere Materien, die bereits im KSÜ geregelt sind. Die Methode des EG-Übereinkommens hätte nicht nur die Chance geboten, auf besondere Probleme bei Beitritt neuer Mitglieder (zB das wenig scheidungsfreundliche Malta) flexibel zu reagieren. Die Rechtslage weicht nunmehr im Verhältnis zu Mitgliedstaaten (der EG), die nicht Mitgliedstaaten iSd Verordnung sind,19 gravierend von derjenigen zwischen den Mitgliedstaaten der VO ab: Hier ist ein Mitgliedstaat, der nicht Mitgliedstaat iSd der VO ist, wie ein Drittstaat zu behandeln; anders als bei Inkrafttreten der Brüssel I-VO fehlt ein subsidiär eingreifendes Übereinkommen.

13

14 15 16 17 18 19

Eingehend Staudinger /Spellenberg (2005) Vorbem Art 1 Rn 15 ff, 18, der in Art 18 EGV eine Stütze für eine entsprechende VO sieht; vgl auch Helms FamRZ 2002, 1595. Zuletzt: Wagner IPRax 2007, 290. EuGH Gutachten 1/03 vom 7.2.2006. Dazu Moro Riv dir int priv proc 2007, 675, 700 f mit zahlreichen Nachweisen. Im AEUV nicht mehr vorgesehen. ABl EG 1998 C 221/1; dazu Pirrung ZEuP 1999, 841. Unten Rn 7.

Thomas Rauscher

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Einl Brüssel IIa-VO 5- 8

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

c) Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes im Eherecht 5 Die von der Kommission sehr schnell vollzogene völlige Verlagerung aus der dritten in die erste europarechtliche Säule, verbunden mit einer umfassenden Regelung der Zuständigkeiten, bietet schließlich in Ansehung der Besonderheiten der Materie Ehescheidung nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Angesichts der Unterschiedlichkeit der materiellen Scheidungsrechte besteht ein unbestreitbar schützenswertes Vertrauen des Bürgers eines Mitgliedstaates, sich in Personenstandssachen unter dessen Schutz stellen zu können. Insoweit fehlt es schlechterdings in Europa noch an der Gleichwertigkeit des Rechtsschutzes, die Voraussetzung für ein zentralistisches Zuständigkeitssystem sein müsste. Ein Blick auf die Erfahrungen der USA, die das Ziel des Mehrrechtsstaates mit mobiler Bevölkerung, von dem die EU träumt, trotz bundesstaatlicher Regeln der jurisdiction längst erreicht haben, lässt zudem zweifeln, ob es der Zentralisierung des Zuständigkeitsrechts in Ehesachen jemals bedurft hätte, um die Verkehrsfähigkeit von Ehesachenentscheidungen zu gewährleisten. Ein rahmenrechtlicher Katalog zulässiger, die Jurisdiktion begründender minimum contacts, deren Ausgestaltung dem nationalen Recht überlassen wird, könnte als Grundlage einer wechselseitigen Anerkennungspflicht durchaus genügen. 6 Dem Vorteil der automatischen Erstreckung der Verordnung auf EG-Neumitgliedstaaten steht zudem der Nachteil gegenüber, dass Beitrittsverhandlungen zum Brüsseler Übereinkommen immer auch willkommenen Anlass zu Korrekturen und Ergänzungen boten. Insoweit liegt die Initiative nun bei der Kommission. 20 7 Die Gefahr der Abschottung gegenüber Drittstaaten, zu denen nationales Recht die Materie in Ehesachen beherrscht, wächst, zumal die Rechtsnatur als Verordnung die bei dem Luganer Übereinkommen von 1988 im Verhältnis zum Brüsseler EWG-Übereinkommen von 1968 erprobte Technik des Parallelübereinkommens erschwert. d) Konflikt mit sorgerechtlichen Übereinkommen 8 So sehr die Integration der neuen Materien im Interesse der Vermeidung konkurrierender Rechtsquellen des EuZPR zu begrüßen ist, so wenig überzeugt die insbesondere zur Neufassung führende Motivation. Soweit die Materie durch multilaterale Völkerverträge erfasst ist, insbesondere also im Sorgerecht, wo das Haager MSA nun nach langen Querelen in den EU-Institutionen um die Ermächtigung der Mitgliedstaaten zur Ratifikation21 hoffentlich durch das Haager KSÜ22 abgelöst wird, steht die Sinnhaftigkeit einer EG-Lösung, die zu einer Organisations- und Normvermehrung in parallelen Rechtsinstrumenten führt, in Frage. Dies galt schon für die Brüssel II-VO, wird aber durch die Brüssel IIa-VO, die zwischen den Mitgliedstaaten das Haager Kindes20

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22

Vgl zum Ganzen: Schack ZEuP 1999, 805; Linke FS Geimer (2002) 529 ff; Heß NJW 2000, 23; Leible/ Staudinger EuLF 2000/01, 225. Vgl die Entscheidung des Rates vom 5.6.2008, ABl EU 2008 L 151/36; zuletzt bestand noch Streit um die Anwendung im Verhältnis zu Gibraltar: Rat der EU, Vorentwurf vom 11.4.2007, 8338/07. Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996; zum Beitritt unten Rn 22.

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Einleitung

Einl Brüssel IIa-VO 9, 10

entführungsabkommen ganz, das Haager MSA bzw KSÜ zuständigkeitsrechtlich verdrängt, deutlich verstärkt. Während für den scheidungsrechtlichen Part der VO die fehlende Akzeptanz des Haager Übereinkommens über die Anerkennung von Ehescheidungen und Ehetrennungen vom 1.6.197023 spricht, birgt die partielle Verdrängung des Haager KSÜ durch die VO eher das Risiko, dass dadurch das KSÜ insgesamt an Bedeutung einbüßt, weil es in den Mitgliedstaaten zwar gilt, aber in einer großen Zahl von Fällen nur partielle Relevanz hat. Die manifestierte Haltung, Europa habe eine bessere Lösung als das KSÜ und das Haager Kindesentführungsübereinkommen parat, kann gewiss nicht als Werbeaktion für die Haager Abkommen im Verhältnis zu Drittstaaten verstanden werden. 24 Da jedoch die VO nur Zuständigkeit und Anerkennung, nicht aber das anwendbare 9 Recht regelt, kommt es in EG-Binnenfällen zu einem Nebeneinander von VO und – abhängig vom Ratifikationsstand – MSA bzw KSÜ. Zudem entsteht eine gespaltene Rechtslage im Verhältnis zu Nicht-EG-Staaten. Das ist nicht nur überflüssig,25 sondern bedeutet ein Erschwernis für die durch Instrumente des EuZPR ohnehin herausgeforderte Praxis; zumal in Ansehung des KSÜ, aus dem weite Teile der Art 8, 9, 12 bis 15 mit mehr oder weniger gekonnten Umformulierungen übernommen wurden, ohne dass substantiell überzeugende Neuschöpfungen entstanden sind. Ein wenig anders verhält es sich bei den das Haager Kindesentführungsübereinkommen überlagernden Art 10 und 11, die das Ergebnis eines nach langem Ringen gefundenen Kompromisses sind, jedenfalls einen Gewinn an Kompliziertheit des Verfahrens bringen und erst erweisen müssen, ob dadurch die erhoffte Verbesserung der Rückführungslage eintritt. 26 Hier wird einmal mehr mit dem Postulat wechselseitigen Vertrauens operiert, das in dieser Absolutheit, wie das Dilemma des Europäischen Haftbefehls zeigt, nicht verfassungsfest ist. Ob etwa die Bundesrepublik Deutschland von Verfassungs wegen im Einzelfall gehindert sein kann, Art 11 Abs 6 bis 8 zu entsprechen, also entgegen der Einschätzung des Kindeswohls durch ein deutsches Familiengericht ein Kind deutscher Staatsangehörigkeit in einen anderen Mitgliedstaat zurückgeben, wird sich noch zeigen müssen. e) Technik und Stil der Regelung Wenig praxisfreundlich ist die die inhaltlich unveränderten eheverfahrensrechtlichen 10 Teile der VO betreffende Umnummerierung der Bestimmungen; hier setzt sich im Ver23 24

25 26

Das in etwa der Hälfte der Mitgliedstaaten einschließlich der Beitrittstaaten 2004 gilt. So schon Rat der Europäischen Union, Vermerk der Delegation des Vereinigten Königreichs, 5.9.2002, 11708/02, 21. Staudinger /Spellenberg (2005) Vorbem Art 1 Rn 11. Immerhin stärkt der EuGH in seiner ersten Entscheidung zu Art 11 (EuGH Rs C-195/08 PPU Inga Rinau, NJW 2008, 2973) den von Art 11 angestrebten Vorrang der Gerichte im Aufenthaltsstaat gegenüber denen im Verbringungsstaat, im Einzelnen dazu Art 10, 11; kritisch gegenüber Abweichungen vom Haager Übereinkommen schon die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses, 17.11.2002, ABl EG C 80/41, 43, wobei damals nur gewisse interne Ausnahmen zum Haager Übereinkommen in Rede standen.

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Einl Brüssel IIa-VO 11, 12

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

ordnungstext eine Methodik fort, die es außerordentlich schwierig macht, die Entstehungsgeschichte einzelner Normen nachzuverfolgen, die in jeweils neuen Entwürfen und Kompromissvorschlägen ohne jedes erkennbare System neu geordnet werden.27 Zudem nimmt das europäische Zuständigkeits- und Vollstreckungsrecht einen übermäßigen Umfang an. Eine Materie, die im deutschen und in fast allen anderen europäischen Prozessrechten mit etwa zehn Bestimmungen auskam, umfasst nun über 50 Bestimmungen. 28 Der Umfang wird zudem durch einen Definitionenartikel (Art 2) aufgebläht, der wohl angelsächsischen Stil kopieren soll, tatsächlich aber Definitionen sammelt, die selten generelle Verwendung finden29 und im jeweiligen Kontext erheblich leichter verständlich wären. Dass überdies teilweise der Text des KSÜ mit syntaktischen Änderungen und Umstellungen ohne gewollte Inhaltsänderung kopiert wird,30 kann nur als der Versuch künstlicher Eigenständigkeit verstanden werden. Die Praxis steht vor der spannenden Aufgabe, gewollte und nicht gewollte Unterschiede zum KSÜ zu ermitteln und sich scheinbare Lücken zu erklären, die durch die Aufspaltung der KSÜ-Materie an neue Standorte entstehen. 11 Hinzu kommt, dass die ungebührliche Eile, mit der sich die Kommission der neuen Zuständigkeiten aus Art 61 ff EGV bemächtigt hatte, nun offenkundig Folgen zeitigt. Mit dem Wechsel von Brüssel II zu Brüssel IIa ist noch immer kein befriedigendes Endprodukt entstanden. Das kurz nach Inkrafttreten der Brüssel IIa-VO aufgelegte Grünbuch über das anzuwendende Recht und die gerichtliche Zuständigkeit in Scheidungssachen31 enthielt neben der Vorbereitung des Projekts „Rom III /1“, also kollisionsrechtlicher Vereinheitlichung, erneut Fragen zur Scheidungszuständigkeit und mündete in einen Vorschlag (Brüssel IIa-ÄndE, dazu Rn 44 ff), der ua die Streichung des Art 6 und die Modifikation des Art 7, somit die Beseitigung eines schon der Brüssel II-VO anhaftenden Mangels der Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs zum Gegenstand hatte. Eine solche Vorgehensweise nach dem Muster des trial and error desavouiert das gesamte Konzept des EuZPR als schieren rechtspolitischen Aktionismus. 12 Werden in Zukunft noch die Lücken im Ehegüterrecht geschlossen, so dürfte wohl ein erneuter Eingriff in den Brüssel II-Komplex vermieden werden; eine solche Regelung könnte wegen der tatsächlichen Zusammenhänge mit dem in Art 1 Abs 2 Brüssel I-VO ebenfalls ausgenommenen Erbrecht von einer „Brüssel III-VO“ erfasst werden.32

27

32

Gibt es zB irgendeinen Grund dafür, dass Art 11, 13, 15, 22, 37 und 44 Brüssel II-VO in der neuen Brüssel IIa-VO in mehrere Artikel aufgelöst wurden? Die Regelungen über eine zentrale Behörde und die Konkurrenzbestimmungen zu völkervertraglichen Rechtsinstrumenten sind dabei nicht mitgezählt. Von Interesse wäre eine Definition des Begriffs „Ehe“ gewesen, nachdem Streit um die Einbeziehung gleichgeschlechtlicher Ehen besteht, dazu Art 1 Rn 11 f. Vgl insbesondere zum Begriff der „elterlichen Verantwortung“ Art 1 Rn 21 ff. Europäische Kommission, 14.3.2005, KOM (2005) 82. Aktionsplan ABl EG 1999 C 19/1, Nr 41 lit c Abs 2.

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Einleitung

4.

Einl Brüssel IIa-VO 13-16

Verhältnis zum nationalen und völkervertraglichen Recht

a) Als Rechtsakt des sekundären Gemeinschaftsrechts geht die VO in ihrem An- 13 wendungsbereich (Rn 21 ff, 24 ff) Bestimmungen des nationalen Verfahrensrechts vor. Daraus folgt jedoch grundsätzlich nur eine vorrangige Anwendung, soweit die VO Geltung beansprucht; in welchem Umfang Bestimmungen der VO das nationale Recht verdrängen, also auch einen subsidiären Rückgriff ausschließen, muss daher für die Zuständigkeitsregeln und die Anerkennungsregeln gesondert aus dem Geltungsanspruch der Verordnung erschlossen werden.33 b) Die nationalen Regeln der Internationalen Zuständigkeit (§§ 98, 99, 103 Abs 3 14 FamFG) werden im Anwendungsbereich der VO verdrängt, soweit nach der inzwischen vom EuGH geklärten Auslegung des Art 634 die Ehescheidungszuständigkeiten der Art 3 bis 5 der VO sowie gemäß Art 14 die Sorgerechtszuständigkeiten der Art 8 bis 13 ausschließlich sind. Hingegen bleiben die nationalen Bestimmungen als Restzuständigkeiten anwendbar, soweit Art 7 bzw Art 14 eingreift. 35 Die internationale Zuständigkeit für Folgesachen im Scheidungsverbund folgt dage- 15 gen, soweit die jeweilige Folgesache durch die VO nicht erfasst ist, wie bisher den nationalen Zuständigkeitsregeln, soweit nicht andere europa-36 oder völkerrechtliche Rechtsquellen Vorrang haben. Eine internationale Verbundzuständigkeit für Folgesachen in dem nach der VO bestimmten Gerichtsstand der Ehesache kann also auf § 98 Abs 2 FamFG gestützt werden (zB Ehegüterrecht, Versorgungsausgleich). 37 c) Die Anerkennung einer von einem Gericht eines Mitgliedstaates erlassenen 16 Entscheidung iSd Art 2 Nr 4 beurteilt sich im sachlichen Anwendungsbereich der VO ausschließlich nach deren Art 21 ff, die Vollstreckung ausschließlich nach Art 28 ff bzw 40 ff. 38 Dass nationales Anerkennungsrecht im Einzelfall anerkennungsfreundlicher wäre, ist wegen des engen Katalogs der Anerkennungshindernisse in Art 22 ff nicht vorstellbar, so dass für ein Günstigkeitsprinzip kein Bedarf besteht. Erschwernisse des nationalen Rechts sind ohnehin nicht anzuwenden; dies betrifft nicht nur die sachlichen Anerkennungs- und Vollstreckungsvoraussetzungen (§§ 108 bis 110 FamFG), sondern auch das Anerkennungsmonopol der Landesjustizverwaltung in Ehesachen nach § 107 FamFG. Im Anwendungsbereich der VO gilt das Prinzip der Inzidentanerkennung (Art 21 Abs 1); stellt sich die Anerkennungsfähigkeit einer Entscheidung aus einem Mitgliedstaat als Vorfrage, so entscheidet jede Behörde und jedes Gericht inzident. 39 Eine rechtskräftige Feststellung der Anerkennungsfähigkeit

33 34 35 36 37 38 39

Dazu Art 6, 7. Dazu Art 6 Rn 5 ff. Gruber FamRZ 2000, 1129; Vogel MDR 2000, 1045; Wagner IPRax 2002, 75. ZB für Unterhaltssachen die Brüssel I-VO, ab dem 18.6.2011 die EG-UntVO. Hau FamRZ 2000, 1337. Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem Art 1 Rn 8. Vogel MDR 2000, 1049; Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem Art 1 Rn 8.

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Einl Brüssel IIa-VO 17-19

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

ist nur nach Art 21 Abs 3 erreichbar. Das Verfahren bestimmt sich gemäß §§ 10 ff IntFamRVG. 17 d) Das Verhältnis der VO zu Völkerverträgen mit (partiell) übereinstimmendem Regelungsgehalt ist in Art 59 für Verträge zwischen bestimmten Mitgliedstaaten und in Art 60 für multilaterale Übereinkommen geregelt. Tendenziell wird versucht, der VO als internem Instrument des EG-Rechts so weit wie möglich Vorrang auch gegenüber älteren völkervertraglichen Instrumenten zu verleihen, ohne in die völkerrechtlichen Bindungen der Mitgliedstaaten einzugreifen. Deshalb ersetzt die VO EG-interne Verträge (Art 59 Abs 1) mit Ausnahme des in Art 59 Abs 2 vorbehaltenen nordischen Übereinkommens, das auch im Verhältnis zu Nicht-Mitgliedstaaten fortbesteht40. Gegenüber multilateralen Übereinkommen unter Beteiligung dritter Staaten beansprucht die VO nur in den in Art 60 genannten Fällen Vorrang und auch dann nur in den Beziehungen der Mitgliedstaaten, damit sich kein Konflikt zur äußeren Vertragstreue der Mitgliedstaaten ergibt. 41 18 Gesondert geregelt ist in Art 61 das Verhältnis zum Haager Kinderschutzübereinkommen42, das bei gewöhnlichem Aufenthalt des Kindes in einem Mitgliedstaat sowie darüber hinaus für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der VO verdrängt wird; das gilt jedoch nicht für das IPR, weil die VO diesen Bereich ausklammert, so dass insoweit auch der Vorrang gegenüber dem KSÜ nicht greift (Art 62 Abs 1). 19 Auch im Verhältnis zum Haager Kindesentführungsübereinkommen43 beansprucht die VO nunmehr (anders Art 4 Brüssel II-VO) zwischen den Mitgliedstaaten Vorrang (Art 60 lit e) und implementiert ein von der Systematik des Haager Abkommens abweichendes Entscheidungsprinzip, das den Vorrang der Gerichte des Ursprungsstaates gegen einen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts und gegen den Widerstand des Verbringungsstaates festlegt. 44 Hierdurch werden die Bestimmungen des HKindEntfÜbk allerdings nur partiell verdrängt, denn Art 11 geht grundsätzlich von dessen Anwendung aus und modifiziert lediglich das Verfahren. Man sollte deshalb an den in Art 60 lit e normierten Vorrang keinen Meinungsstreit anknüpfen. Erwägungsgrund Nr 4, an den zahlreiche Autoren die Einschätzung anknüpfen, die VO bestimme nur eine „Modifizierung und Ergänzung“ des HKindEntfÜbk, beschreibt lediglich das Verhältnis von Art 60 lit e einerseits und Art 10 und 11 andererseits. 45 Einigkeit besteht

40

45

Im Einzelnen zu Art 59. Im Einzelnen zu Art 60. Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996. Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 BGBl 1990 II 207. Dazu Art 10, 11. Dazu Art 10 Rn 12, Art 11 Rn 5 ff.

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Einleitung

Einl Brüssel IIa-VO 20, 21

in der Sache: Wo die VO Sonderregelungen trifft, setzt sie die Anwendbarkeit des KindEntÜbk voraus, beansprucht aber in Ansehung der Sonderregeln Vorrang.46 e) Im Verhältnis zu Drittstaaten ergibt sich nicht nur die Notwendigkeit, bisher 20 bestehende bilaterale Abkommen weiter anzuwenden (Rn 11). Auch für die Änderung solcher Verträge sowie deren Neuabschluss besteht ein berechtigtes Interesse. Zwar hat die Gemeinschaft nach Einschätzung des EuGH47 in bestimmten Bereichen des Titels IV EGV die ausschließliche Kompetenz für den Abschluss von Völkerverträgen erworben. Dies gilt insbesondere für Übereinkommen, welche die Vorschriften der zur Internationalen Zuständigkeit und zur Anerkennung und Vollstreckung erlassenen Verordnungen berühren und geeignet sind, das reibungslose Funktionieren dieser Vorschriften zu beeinträchtigen. Die Kommission hat gleichwohl erkannt, dass die Gemeinschaft kein Interesse daran haben kann, umfassend sämtliche bestehenden und in Vorbereitung befindlichen Übereinkünfte der Mitgliedstaaten mit Drittstaaten durch Abkommen der Gemeinschaft zu ersetzen. Vor diesem Hintergrund steht der Vorschlag für eine Verordnung,48 die im Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO sowie der EG-UntVO ein Verfahren etablieren soll, nach dem die Gemeinschaft im Einzelfall Mitgliedstaaten zum Abschluss ermächtigen kann. II.

Abgrenzungen im sachlichen Anwendungsbereich

1.

Verhältnis zur Brüssel I-VO

Die VO füllt einen Teil der in Art 1 Abs 2 Nr 1 EuGVÜ vorgesehenen und in die Brüs- 21 sel I-VO übernommenen sachlichen Anwendungsausnahme zum Personenstand, so dass es nicht zu Überschneidungen kommt.49 Soweit Folgesachenentscheidungen zu Personenstandsentscheidungen der Brüssel I-VO unterfallen, insbesondere (derzeit)50 der Kindesunterhalt51 und der nacheheliche Unterhalt52 (auch im Scheidungsverbund), sind sie von der VO sachlich nicht erfasst; die Zuständigkeit bestimmt sich wie bisher nach der Brüssel I-VO, der Verbund ergibt sich aus § 137 FamFG.53 In ihrer Struktur lehnt sich die VO mit notwendigen Modifikationen, die vor allem das Zu-

46 47 48

49 50 51 52 53

Zu diesem eher theoretischen Streit: Rieck NJW 2008, 182. EuGH Gutachten 1/03 vom 7.2.2006. Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung eines Verfahrens für die Aushandlung und den Abschluss bilateraler Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern in Teilbereichen des Familienrechts, die die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen und Entscheidungen in Ehe- und Unterhaltssachen sowie in Fragen der elterlichen Verantwortung und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen betreffen vom 19.12.2008, KOM (2008) 894; dazu: Krenzer FS Kropholler (2008) 129. Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem Art 1 Rn 6. Zur künftigen Anwendung der EG-UntVO oben Rn 15. Irrig AG Leverkusen FamRZ 2003, 627. EuGH Rs 120/79 de Cavel/de Cavel EuGHE 1980, 731; Zöller /Geimer Art 5 Rn 1. Vgl auch oben Rn 15.

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Einl Brüssel IIa-VO 22, 23

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

ständigkeitsrecht betreffen, an das Modell von Brüssel I an. Die Übernahme von Begrifflichkeiten, insbesondere im Anerkennungsrecht, erlaubt eine Anlehnung in Auslegungsfragen. 2.

Sachliche Überschneidung mit dem KSÜ

22 In der Brüssel II-VO (VO Nr 1347/2000) waren nur Ehesachen und mit ihnen verbundene Sorgerechtssachen geregelt.54 Obgleich nach längerer Unklarheit die Mitgliedstaaten ermächtigt wurden, das KSÜ im Interesse der Gemeinschaft zu zeichnen55 und nach weiterem Streit um den Status von Gibraltar auch zu ratifizieren,56 was eine Reduktion der gemeinschaftsrechtlichen Regelung auf Ehesachen und ggf eine zusätzliche Regelung der erleichterten Vollstreckung von Umgangsentscheidungen (nun Art 40 ff) nahegelegt hätte, erfasst die VO in der Brüssel IIa-Fassung neben den Ehesachen alle Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung (Sorge- und Umgangsrecht), auch soweit darüber nicht zusammen mit einer Ehesache zu entscheiden ist. Auch das ursprünglich ausgesparte Thema der Kindesentführung (Art 4 Brüssel IIVO) wurde einbezogen und eine eigenständige Regelung geschaffen (Art 10, 11). 3.

Gegenstände außerhalb von Brüssel I-VO und Brüssel IIa-VO

23 Nicht erfasst – und damit zuständigkeits- und anerkennungsrechtlich völkervertraglichen oder nationalen Regelungen offen – sind alle anderen ehe- und kindschaftsrechtlichen Materien, insbesondere das Ehegüterrecht einschließlich des Versorgungsausgleichs, die persönlichen Ehewirkungen, das Abstammungsrecht sowie das Ehe- und Kindesnamensrecht.57 Gänzlich außerhalb des Anwendungsbereichs der VO stehen Personenstände, die weder Ehe noch Kindschaft sind.58

54

58

Im Einzelnen 1. Auflage zu Art 1. E 2004/93/ EG des Rates vom 19.12.2002 ABl EG 2003 L 48/1 auf Vorschlag der Kommission KOM (2001) 680; s auch Vorschlag der Kommission für einen Beschluss des Rates zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten das KSÜ zu ratifizieren, 17.6.2003, KOM (2003) 348, mit detaillierter Darstellung der Rechtslage aus Sicht der Kommission, die ursprünglich im Anschluss an EuGH Rs 22/70 Kommission/Rat (AETR) EuGHE 1971, 263 eine Außenkompetenz der EU beansprucht hatte. Nur die Niederlande hatten bereits am 1.9.1997 gezeichnet; alle bisherigen Mitgliedstaaten hatten die Klärung der zwischen Rat und Kommission strittigen Kompetenzfrage abgewartet und haben am 1.4.2003 gezeichnet. Zum jeweiligen Stand der Zeichnung und der erklärten Vorbehalte www.hcch.net, sub: Conventions – Nr 34 – Status table. E 2008/431/ EG vom 5.6.2008 ABl EU 2008 L 151/36. Dazu ausführlich Pabst Rn 295 ff; zur internationalen Zuständigkeit nach völkervertraglichem und autonomem IZPR insoweit MünchKommZPO3 /Rauscher (Band 4) §§ 100 bis 106 FamFG; zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen ders §§ 108 bis 110 FamFG. Dazu Art 1 Rn 5 ff; vgl hierzu MünchKommZPO3 /Rauscher (Band 4) § 105 FamFG.

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Einleitung

Einl Brüssel IIa-VO 24-27

III. Räumlicher Anwendungsbereich

1.

Geltungsbereich: „Mitgliedstaaten“

a) Als sekundäres EG-Recht hat die VO unmittelbar in jedem Mitgliedstaat Gel- 24 tung (Art 249 Abs 2 EGV; künftig Art 288 Abs 2 AEUV), ist also von dortigen Gerichten und Behörden ohne weiteren Umsetzungsakt anzuwenden. Die Geltung für überseeische Gebiete von Mitgliedstaaten bestimmt sich nach Art 299 EGV (künftig Art 52 iVm 349, 355 AEUV).59 Der intertemporale Anwendungsbereich war für die erstmalige Inkraftsetzung am 1.3. 25 2001 (Art 46) durch die VO Nr 1347/2000 in deren Art 42 geregelt. Die Brüssel IIaVO gilt mit Ausnahme der am 1.8.2004 in Kraft getretenen Bestimmungen zur Einrichtung zentraler Behörden in ihren prozessrechtlichen Teilen seit dem 1.3.2005.60 Der EG beitretende Staaten werden hierdurch ohne weiteres „Mitgliedstaaten“ iSd VO. Auf die Geltung der VO für im Beitrittszeitpunkt laufende Verfahren oder auf Urteile aus solchen Verfahren ist in solchen Fällen ebenfalls Art 64 anzuwenden. Novellierungen der VO sind mit gesonderten Übergangsbestimmungen im Verhältnis zur vorherigen Fassung zu versehen. b) Da die VO auf einer Kompetenzzuweisung des Teil 3 Titel IV EGV beruht, be- 26 stimmt sich die Geltung für das UK, Irland und Dänemark auf der Grundlage der Protokolle über die Position der genannten Staaten gemäß Art 69 EGV. Auch nach dem Inkrafttreten des Vertrages v Lissabon bleiben die Protokolle in Kraft, allein der deklaratorische Verweis des Art 69 EGV wird gestrichen. Das UK und Irland haben gemäß Art 3 dieses Protokolls mitgeteilt, dass sie sich an der Anwendung der VO beteiligen möchten (Nr 30 der Erwägungsgründe). Dänemark wirkt gemäß Art 1 und 2 dieses Protokolls nicht mit. Dies hat zur Folge, dass die VO von dänischen Gerichten nicht anzuwenden ist und dass Dänemark nicht Mitgliedstaat iSd VO ist (Art 2 Nr 3), was auch für die Anwendung in Mitgliedstaaten Bedeutung hat, soweit ein Mitgliedstaatenbezug gefordert ist. Im Verhältnis zu Dänemark ergibt sich daraus eine empfindlichere Lücke als im Anwendungsbereich der Brüssel I-VO, weil dort schon vor Abschluss des Anwendungsübereinkommens zwischen Dänemark und der EG auf das zunächst im Verhältnis zu Dänemark weitergeltende EWG-Übereinkommen (EuGVÜ) zurückgegriffen werden konnte. Ein entsprechendes Abkommen zur Brüssel IIa-VO fehlt. Eine Harmonisierung durch ein Anwendungsübereinkommen zwischen Dänemark und der EG ist nicht geplant. 2.

Anwendungsbereich: Zuständigkeitsbestimmungen

a) Da es sich bei der VO um ein Rechtsinstrument zur Regelung von tendenziell 27 internationalen Sachverhalten handelt, stellt sich über die Geltung in den Mitglied59 60

Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem Art 1 Rn 2. Zu Übergangsfragen Art 64.

Thomas Rauscher

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Einl Brüssel IIa-VO 28-30

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

staaten hinaus die Frage, ob die VO nur gegenüber Mitgliedstaaten oder universell anzuwenden ist. Diese Frage ist für die Zuständigkeit und die Urteilsanerkennung unterschiedlich zu beantworten. 28 Die Zuständigkeitsregeln setzen, wie für die Brüssel I-VO, keinen kompetenzrechtlichen Bezug (des Streitgegenstandes oder der Beteiligten) zu einem anderen Mitgliedstaat voraus.61 Das ergibt sich aus dem Ziel, innerhalb der EG eine einheitliche Kompetenzordnung zu schaffen, die auch dann greift, wenn nur im Verhältnis zu Drittstaaten kompetenzrechtliche Fragen zu klären sind.62 Dies schließt es jedoch nicht aus, dass einzelne Bestimmungen der VO einen individuell definierten Bezug zu einem (anderen) Mitgliedstaat fordern. So hängt insbesondere die Ausschließlichkeit des Zuständigkeitssystems, jedenfalls nach dem Wortlaut des Art 6, im Verhältnis zum nationalen Recht von einem an die Person des Antragsgegners anknüpfenden räumlich-persönlichen Bezug zu einem Mitgliedstaat ab. 29 b) Mangels solcher tatbestandlicher Bezüge hängt die Anwendung der VO noch nicht einmal von einem Auslandsbezug ab.63 Ein solches ungeschriebenes Erfordernis ergibt sich weder aus der Zielsetzung, die justizielle Zusammenarbeit zu regeln, noch aus dem Regelungsgegenstand der internationalen Zuständigkeit. Auch Vereinheitlichung der Rechtsnormen ist justizielle Zusammenarbeit. Die Frage der internationalen Zuständigkeit stellt sich in jedem Verfahren;64 der sog „reine Inlandsfall“ definiert sich lediglich dadurch, dass es nach allen denkbaren Kriterien des internationalen Zuständigkeitsrechts an einem kompetenzrechtlichen Bezug zu einer anderen Jurisdiktion fehlt, so dass die Antwort auf die internationale Zuständigkeitsfrage selbstverständlich erscheint. Den damit für die Anwendung der VO denklogisch notwendigen Auslandsbezug kann man aber nicht als abgeschlossenes Tatbestandsmerkmal formulieren; vielmehr prüft ein Gericht, wenn es die internationale Zuständigkeit für prüfungsbedürftig hält, diese immer zuerst65 nach der VO.66 30 Eine andere Frage ist, ob die VO auch die örtliche Zuständigkeit regelt. Darüber entscheidet, wie zur Brüssel I-VO, die jeweilige Zuständigkeitsnorm, wobei sich freilich die Brüssel IIa-VO in den originär zugewiesenen Zuständigkeiten (insbesondere Art 3, 8 ff) durchgehend auf die Regelung der internationalen Zuständigkeit beschränkt und die örtliche Zuständigkeit der lex fori überlässt.67

61

67

BGH NJW-RR 2008, 1169, 1170; Cass IPRax 2006, 611; Dilger IPRax 2006, 617, 618; Zöller /Geimer Art 1 Rn 14; aA wohl Hohloch JuS 2006, 1133, 1134. OLG Stuttgart FamRZ 2004, 1382 zur Anwendung von Art 3 auf Staatsangehörige von Drittstaaten; vgl auch AG Leverkusen FamRZ 2005, 1684. Offen gelassen in BGH NJW-RR 2008, 1169, 1170; aA Rb ’s-Gravenhage NIPR 2007, 377. Zöller /Geimer Art 1 Rn 33. Ob außerdem deutsches IZPR anwendbar ist, ergibt sich aus Art 6, 7. Ähnlich Staudinger /Spellenberg (2005) Art 1 Rn 35. Dazu Art 3 Rn 18.

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Einleitung

3.

Einl Brüssel IIa-VO 31-34

Anwendungsbereich: Urteilsanerkennung und -vollstreckung

Der räumliche Anwendungsbereich der Art 21 ff, 28 ff ist hingegen unmittelbar aus 31 dem Wortlaut und dem Zweck auf Urteile aus Mitgliedstaaten (Art 21 Abs 1, 28 Abs 1) beschränkt. Die Erleichterung der Anerkennung und Vollstreckung ist als wesentlicher Markstein justizieller Zusammenarbeit von Gegenseitigkeit abhängig und setzt das wechselseitige Vertrauen in die Funktionsfähigkeit und Vertrauenswürdigkeit der Rechtspflege voraus68. Vorstellbar, jedoch von der VO ebenso wenig wie von der Brüssel I-VO vorgesehen, 32 wäre durchaus die Schaffung einheitlicher Anerkennungsmaßstäbe für Urteile aus Drittstaaten. Nach derzeitigem Rechtsstand unterliegen solche Urteile in jedem Mitgliedstaat der Anerkennung und Vollstreckung nach den nationalen Regeln (vgl §§ 107-110 FamFG). Da auf der Grundlage der VO ein Doppelexequatur, also die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines solchen nationalen Vollstreckbarerklärungsurteils, nicht möglich ist, sind Urteile aus Drittstaaten in der EG nicht verkehrsfähig, was auch sinnvoll ist, solange die Mitgliedstaaten die Anerkennung von Urteilen aus Drittstaaten verschieden behandeln. IV.

Auslegung – insbesondere durch den EuGH

1.

Auslegungsgrundsätze

Die Auslegung der in der VO bestimmten Rechtsbegriffe wird durch die zum Eu- 33 GVÜ entwickelte Auslegungskultur69 beeinflusst. Dort hatte sich der EuGH, obgleich a)

er stets formelhaft einen Rückgriff auf kollisionsrechtlich berufenes Recht nicht ausschloss, ganz überwiegend für eine autonome Auslegung entschieden. Um sicherzustellen, dass sich für alle Vertragsstaaten und betroffenen Personen soweit wie möglich gleiche Rechte und Pflichten ergeben, verdient die Entwicklung einer autonom-europäischen Begriffsausfüllung den Vorzug. Dass nun eine Eingliederung in sekundäres Gemeinschaftsrecht erfolgt ist, stützt den Vorzug dieser Methode auch formal;70 der Schwerpunkt liegt jedoch weiter bei der Zweckdienlichkeit71, so dass in Einzelfällen der Rückgriff auf nationales Recht nicht völlig ausgeschlossen sein muss. b) Dies schränkt die Möglichkeiten der Wortlautauslegung insofern ein, als die Ar- 34 beit mit den gleichermaßen verbindlichen amtlichen Textfassungen nicht dazu verleiten darf, die verwendeten Rechtsbegriffe der jeweiligen nationalen Rechtsordnung zu unterlegen. Hingegen kommt eine rechtsvergleichende Orientierung an nationalen Rechtsbegriffen im Fall einheitlicher Begriffe oder Begriffskerne in allen Mitgliedstaaten durchaus in Betracht.72 Neben der bei wachsender Zahl der Amtssprachen zuneh68 69 70 71 72

Vgl Erwägungsgrund Nr 21. Zur Auslegung von Rechtsakten nach Art 61 ff EGV jüngst Pirrung FS Kropholler (2008) 399, 403 ff. Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem Art 1 Rn 9. Zöller /Geimer Art 1 Rn 6. Dazu Staudinger /Spellenberg (2005) Vorbem Art 1 Rn 61.

Thomas Rauscher

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Einl Brüssel IIa-VO 35-37

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

mend schwierigeren vergleichenden Wortlautauslegung kann zunehmend auch auf hergebrachte europäische Inhalte zurückgegriffen werden: Da sich die VO an vielen Stellen strukturell an das EuGVÜ (und damit an die Brüssel I-VO) anlehnt, liegt es nahe, die aus Brüssel I übernommenen Rechtsbegriffe möglichst in derselben Weise auszulegen, wie dort.73 Dies erlaubt nicht nur den Rückgriff auf die Rechtsprechung des EuGH zu Brüssel I, sondern fördert auch die, angesichts der anwachsenden Normenmenge im EuZPR dringend gebotene, Standardisierung der Rechtsbegriffe in den EG-Instrumenten. 35 c) Für die historische Auslegung der VO steht außer den Erwägungsgründen und den Stellungnahmen im Verordnungsverfahren zu Brüssel II und IIa74 der Bericht von Borràs zu dem Brüssel II-Übereinkommen75 zur Verfügung, da sich die VO in ihrem eherechtlichen Teil eng an dieses Übereinkommen anlehnt.76 Dieser Bericht steht in der Tradition der Berichte zum EuGVÜ und den Beitrittsübereinkommen.77 Im Vergleich zu den nicht immer offenbaren Motiven im zeitlich gestreckten politischen Willensbildungsprozess in einem Verordnungsverfahren, teilen diese Berichte in nicht selten erfrischender Offenheit die Qualen der Verhandlungskommissionen im Streit um Detailfragen mit und schaffen dadurch eine fruchtbare Auslegungsbasis, die man bei mancher künftigen Regelung vermissen wird. Die der VO, wie üblich, vorangestellten Erwägungsgründe teilen ebenfalls zu manchen Bestimmungen auslegungsgeeignete Zielsetzungen des EG-Gesetzgebers mit. 36 Tragende Prinzipien der teleologischen Auslegung bleiben, wie zu Brüssel I, die Ziele einer einheitlichen Anwendung, einer effizienten Justizgewährung und der Förderung der Freizügigkeit von Urteilen zwischen den Mitgliedstaaten. 37 d) Zunehmende Bedeutung dürfte angesichts der wachsenden Zahl der Rechtsinstrumente des EuZPR und EuIPR die systematische Auslegung erlangen; für die Brüssel IIa-VO kommt insbesondere eine Berücksichtigung gleicher Regelungsstrukturen in der (mit Rücksicht auf das EuGVÜ älteren) Brüssel I-VO in Betracht.78 Als erstes Modell der unmittelbaren Vollstreckung ergibt sich aber auch aus Art 40 ff eine systematische Verbindung zur EG-VollstrTitelVO und anderen Verordnungen des Vollstreckungstitel-Typus. Freilich ist auch dem Europäischen Gesetzgeber zu raten, der systematischen Kohärenz der Verordnungen mehr Aufmerksamkeit zu widmen, damit nicht systematisch vergleichbare Elemente verschiedener Verordnungen eher zufällig in unterschiedlicher Weise geregelt werden, wie dies etwa mit den Zustellungsregeln als Voraussetzung der Bestätigung als Vollstreckungstitel geschehen ist.79

73 74 75 76 77 78 79

32

Wagner IPRax 2001, 75. Materialien 3. ABl EG 1998 C 221/27. Vgl Nr 6 der Erwägungsgründe. Beginnend mit dem legendären Jenard-Bericht ABl EG 1979 C 59/1. Staudinger/Spellenberg (2005) Vorbem zu Art 1 Rn 57. Dazu Rauscher FS Kropholler (2008) 851.

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Einleitung

2.

Einl Brüssel IIa-VO 38- 40

Auslegungskompetenz des EuGH

a) Konkretes Vorlageverfahren, Eilverfahren (1) Die VO als sekundäres Europarecht untersteht, ohne dass es, wie für die auf 38 Art 293 EGV gestützten EG-internen Völkerverträge, einer gesonderten Zuweisung bedarf, der Auslegung durch den EuGH im Vorabentscheidungsverfahren nach Art 234 Abs 1 lit b EGV (künftig Art 267 AEUV). Vorlagefähig sind in diesem Verfahren – wie üblich – nur konkret entscheidungserhebliche Auslegungsfragen. Art 68 Abs 1 HS 2 EGV schränkte jedoch die Vorlagebefugnis für die auf Kompetenzen des Teil 3 Titel IV. Titels EGV gestützte VO ein. Vorlagebefugt waren nur einzelstaatliche Gerichte, deren Entscheidungen nicht mehr mit einem innerstaatlichen (ordentlichen) Rechtsmittel angefochten werden können, also konkret letztinstanzliche Gerichte. Dies wurde vor dem Hintergrund der erfolgreichen Vorlagepraxis zum EuGVÜ als Missstand empfunden und durch Streichung des Art 68 EGV im AEUV korrigiert. (2) Mit Beschluss des Rates vom 20.12.200780 wurde dem Protokoll über die Satzung 39 des Gerichtshofs ein Art 23a beigefügt, der die Schaffung eines Eilvorlageverfahrens für Vorabentscheidungsersuchen ermöglicht. Dieses Verfahren wurde durch eine Änderung der Verfahrensordnung des Gerichtshofs mit Wirkung vom 1.3.200881 in Art 104b der Verfahrensordnung ua betreffend Bereiche, die in Art 61 ff EGV erfasst sind, etabliert. Vorabentscheidungsersuchen können danach auf Antrag des vorlegenden Gerichts oder ausnahmsweise von Amts wegen durch eine hierfür bestimmte Kammer (Art 9 § 1 GeschO EuGH) des Gerichtshofs dem Eilverfahren unterworfen werden. Solche Verfahren finden insbesondere in einem beschleunigten schriftlichen Vorverfahren statt (Art 104b §§ 2, 3 GeschO EuGH), auf das bei äußerster Dringlichkeit sogar verzichtet werden kann (Art 104b § 4 GeschO EuGH). Spruchkörper ist nach Maßgabe der Entscheidung durch die hierfür bestimmte Kammer entweder die Kammer selbst, ggf in einer Besetzung mit nur drei Richtern, oder der Gerichtshof (Art 104b § 5 GeschO EuGH). Nähere Hinweise für die Vorlage im Eilverfahren hat der EuGH veröffentlicht. 82 Das Eilverfahren wird insbesondere bei Fragen betreffend die Auslegung der Brüssel IIa-VO in die elterliche Verantwortung betreffenden Verfahren eine bedeutende Rolle spielen. 83 (3) Für Auslegungsfragen, welche im Erkenntnisverfahren auftreten, ergab sich im 40 Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO auch ab dem Inkrafttreten des FamFG am 1.9. 2009 das durch Streichung des Art 68 EGV unter dem AEUV erledigte Problem der Abhängigkeit der Letztinstanzlichkeit des Familiensenates des OLG von der Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 FamFG). Da eine Nichtzulassungsbeschwerde im FamFG, 80

ABl EU 2008 L 24/42.

81

Änderung der Verfahrensordnung des Gerichtshofes vom 15.1.2008, ABl EU 2008 L 24/39 vom 29.1. 2008, Inkrafttreten gemäß Art 2 S 2 am ersten Tag des zweiten Monats nach Veröffentlichung. Gerichtshof, Hinweise zur Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen, Ergänzung vom 8.3.2008, ABl EU 2008 C 64/1; zu Einzelheiten Hakenberg/Schilhan ZfRV 2008, 104; Kokott/Dervisopoulos/Henze EuGRZ 2008, 10; Kühn EuZW 2008, 263; Kohler/Pintens FamRZ 2008, 1669, 1670. Erstmals angewendet in EuGH C-195/08 PPU Inga Rinau NJW 2008, 2973.

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Thomas Rauscher

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Einl Brüssel IIa-VO 41, 42

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

wie schon vorher gemäß dem bis 1.1.2010 verlängerten § 26 Nr 9 aF EGZPO nicht vorgesehen ist,84 war an sich gegen die Entscheidung des Familiensenats ein Rechtsbehelf iSd Art 68 Abs 1 S 2 EGV nicht gegeben, wenn das OLG die Rechtsbeschwerde nicht zulässt. Damit wäre das OLG vorlagebefugt. 85 Die längere Zeit umstrittene Frage, ob die Notwendigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache führt und damit die Zulassung der Revision erforderlich macht (§ 543 Abs 2 Nr 1 ZPO),86 hat der BGH zwischenzeitlich bejaht. 87 Im Anwendungsbereich des § 70 Abs 2 FamFG kann nichts anderes gelten, so dass das OLG die Rechtsbeschwerde nach Art 70 Abs 2 Nr 1 FamFG in diesem Fall zulassen muss und nur der BGH dem EuGH vorlegen kann.88 Dass gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in FamFG-Sachen keine Nichtzulassungsbeschwerde stattfindet, ändert hieran nichts;89 die fehlende Letztinstanzlichkeit iSd Art 68 Abs 1 Hs 2 EGV folgt im Anwendungsbereich des Art 70 Abs 2 FamFG nicht bereits, wie zu § 543 Abs 2, 544 ZPO, aus der Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde, jedoch aus der prozessrechtlichen Verpflichtung des OLG, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Dies ist ex ante durch das seine Vorlagebefugnis prüfende OLG zu beurteilen. Das OLG durfte also nicht die Voraussetzungen des Art 68 Abs 1 Hs 2 EGV herstellen, indem es von einer – pflichtwidrigen – Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ausgeht, gegen die mangels Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde kein Rechtsbehelf mehr gegeben wäre. 41 Auslegungsfragen die im Anerkennungsverfahren auftreten, konnte jedenfalls nur der BGH vorlegen, denn die Rechtsbeschwerde findet gemäß Art 34, Art 68 Liste 390, § 28 IntFamRG, § 574 Abs 1 Nr 1 ZPO ohne Zulassung statt.91 b) Abstraktes Vorlageverfahren 42 Eröffnet wurde durch die Verankerung der VO im Teil 3 Titel IV EGV auch das abstrakte Vorlageverfahren nach Art 68 Abs 3 EGV. Auf Vorlage des Rates, der Kommission oder eines Mitgliedstaates entschied der EuGH über abstrakte Fragen der Auslegung der VO mit dem Vorteil, dass die Klärung von Auslegungsfragen nicht bis zur Fallrelevanz aufgeschoben werden muss und der Zeitaufwand nicht den konkreten Prozess belastet. Im AEUV findet sich eine solche Befugnis nicht mehr.

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BT-Drs 16/6308 (Regierungsentwurf FamFG), 498; um die Nichtzulassungsbeschwerde auch in Altfällen, auf die nach Art 111 FGG-RG weiterhin altes Verfahrensrecht und nicht das FamFG anzuwenden ist, über den 1.1.2010 hinaus auszuschließen, wurde das Datum durch Art 9 Abs 3 G vom 30.7. 2009, BGBl 2009 I 2449 auf den 1.1.2020 gesetzt, wobei erwartet wird, dass zu diesem Zeitpunkt keine Altverfahren mehr anhängig sind, BT-Drs 16/12717, 76. Geimer/Schütze/Dilger Einleitung B Vor I Rn 52. Hingegen dürfte die Wahrung der EG-Rechtseinheit nicht von § 543 Abs 2 Nr 2 ZPO (und § 70 Abs 1 Nr 2 FamFG) erfasst sein: OLG München FamRZ 2003, 546. BGH LRE 46, 279. IE ebenso Staudinger /Spellenberg (2005) Vorbem zu Art 1 Rn 66. AA wohl Geimer/Schütze/Dilger Einl B Vor I Rn 52. ABl EU 2005 C 40/2. Geimer/Schütze/Dilger Einl B Vor I Rn 53.

Januar 2010

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Einleitung

Einl Brüssel IIa-VO 43, 44

Im Gegensatz zu der konkreten Vorlage, die über den entschiedenen Fall hinaus nur 43 eine beachtliche, aber nicht bindende persuasive authority ist, ist zu Art 68 Abs 3 EGV die Bindungswirkung umstritten. Da Art 68 Abs 3 S 2 EGV in negativer Form eine Wirkung auf rechtskräftige Entscheidungen ausschließt, liegt ein Umkehrschluss im Hinblick auf laufende und künftige Verfahren nahe. Der Annahme einer rechtlichen Bindung92 steht freilich entgegen, dass eine so weit gehende Wirkung ohne klare Anordnung im EGV kaum gewollt sein dürfte. Eine über das bisherige Gewicht hinausgehende Hinwendung zur präjudiziellen Wirkung stünde nicht mit der kontinentalen Rechtskultur in Einklang, die mit engen Ausnahmen93 eine solche Bindung nicht kennt. Außerdem wäre sie prozessual nicht durchsetzbar, denn der EuGH steht nicht als Super-Revisionsgericht über den nationalen Höchstgerichten. In praxi wird, wie schon am Auslegungsprotokoll zum EuGVÜ erprobt, ein nationales Gericht, das der Interpretation des EuGH nicht folgen will, ohnehin erneut vorlegen, was auch die Gegenansicht zu Art 68 Abs 3 EGV nicht ausschließt. V.

Brüssel IIa-ÄndE, Scheidungskollisionsrecht

1.

Gang des Verfahrens

Konkrete Bemühungen um eine Vereinheitlichung des Scheidungs-IPR im Rahmen 44 einer Zuständigkeit nach Art 61 ff EGV beginnen mit der Auflegung eines Grünbuchs vom 14.3.200594 über das anzuwendende Recht und die gerichtliche Zuständigkeit in Scheidungssachen. 95 Die Frage einer Differenzierung zwischen der Kompetenz und der Marktrelevanz in Ansehung der bisher in der Brüssel IIa-VO geregelten internationalprozessualen Fragen und der nun angestrebten international-privatrechtlichen Vereinheitlichung wird seitens der Kommission eher implizit bejaht. 96 Der am 17.7.2006 vorgelegte Kommissionsvorschlag97 brachte dieses, zunächst rein kollisionsrechtlich diskutierte Projekt („Rom III /1“) in einen Vorschlag zur Reform der Brüssel IIa-VO ein („Brüssel IIa-ÄndE“), der neben einer als loi uniforme auch für Sachverhalte mit Drittstaatenbezug gefassten Regelung des Scheidungs-IPR insbesondere eine beschränkte Gerichtsstandswahl in Ehesachen sowie die Streichung des höchst missverständlichen Art 6 und eine Anpassung des Art 7 Brüssel IIa-VO vorsieht.98

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Classen EuR-Beiheft 1/1999, 79; Blumann RTD eur 1997, 746; Schwarze EU-Kommentar Art 68 Rn 10. ZB der Gesetzeskraft von Entscheidungen des BVerfG. Grünbuch vom 14.3.2005, KOM (2005) 82. Dazu Martiny in: Freitag/Leible/Sippel/Wanitzek (2006) 119, 127; Oderkerk, NIPR 2006, 119; Finger FF 2007, 35. Zu Bedenken gegen die Kompetenz zum Erlass einer solchen Verordnung Ibili WPNR 2006, 743, 745 f. Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 im Hinblick auf die Zuständigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich Europäische Kommission 17.7.2006, KOM (2006) 399. Im Einzelnen: Kohler FamRZ 2008, 1673, 1675; ders, FPR 2008, 193, 194; Wagner StAZ 2007, 101, 106; Rauscher FS Kerameus Band 1 (2009) 1113, 1125.

Thomas Rauscher

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Einl Brüssel IIa-VO 45

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

45 Zu dem zunächst für den 1.3.2008 geplanten Inkrafttreten dieser erheblichen Änderung und Erweiterung der Brüssel IIa-VO ist es nicht gekommen. Über sie wäre – unbeschadet gewisser Zweifel an der Kompetenz zur Regelung des IPR über Binnenmarktfälle hinaus99 betreffende Instrumente aus Art 61 lit c, 65, 67 EGV und an der Regelungsform der Verordnung100 – jedenfalls im Verfahren nach Art 67 Abs 2 Str 2 EGV (künftig Art 81 Abs 3 AEUV), also einstimmig durch den Rat nach (bloßer) Anhörung des Parlaments zu entscheiden.101 Obgleich neben einer Rechtswahl (Art 20a Brüssel IIa-ÄndE) die vorgeschlagene objektive Anknüpfungsleiter (Art 20b Brüssel IIb) mit dem gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt beginnt und das der weit überwiegenden Mehrzahl der Mitgliedstaaten eigene Staatsangehörigkeitsprinzip zurückdrängt, konnten sich die der lex fori verhafteten Mitgliedstaaten nicht entschließen, der (im Übrigen verfehlten) Bereitschaft der Mehrheit zur Aufgabe des rechtskulturell verwurzelten Staatsangehörigkeitsprinzips ähnliche Kompromissbereitschaft entgegenzubringen. Während das UK und Irland sich zum ersten Mal nicht bereit zeigten, ihr opt in auszuüben – was Spaltung der Brüssel IIa-VO, aber keine Behinderung der Reform bedeuten würde – verweigert Schweden, dem kein opt out möglich ist, die Zustimmung.102 Hierauf haben acht Mitgliedstaaten Antrag auf eine Verstärkte Zusammenarbeit gemäß Art 43 EUV103 gestellt, was angesichts der damit verbundenen Folgen einer dann bereits dreifachen Zersplitterung (Dänemark, Brüssel IIa-Staaten, Brüssel IIa-Reformstaaten) eher als Drohgebärde denn als sinnvolle Handlungsalternative verstanden werden muss. Deutschland ist derzeit nicht beteiligt. Insbesondere die prozessualen Modifikationen der Brüssel IIa-VO sollten zur Vermeidung einer solchen Zersplitterung keinesfalls Gegenstand einer Verstärkten Zusammenarbeit sein. Diese Bedenken sprechen zwar nicht gegen eine Verstärkte Zusammenarbeit im Scheidungs-IPR, wo in eine Verstärkte Zusammenarbeit Hoffnungen auf eine Förderung der Rechtsvereinheitlichung gesetzt werden,104 da hier bisher kein europäisches Rechtsinstrument besteht und auch Teil-Vereinheitlichung die Vielfalt reduziert. Freilich steht im Brüssel IIa-ÄndE das Element der Gerichtsstands- und der Rechtswahl in engem Zusammenhang mit der auch von der Kommission als nicht durchweg interessengerecht verstandenenen Aufenthaltsanknüpfung. Dieser Zusammenhang würde durch Trennung von IPR und IZPR berührt. Womöglich sollte das Scheitern als Chance zur Einsicht begriffen werden: IPR-Vereinheitlichung funktionierte im Rahmen der Haager Übereinkommen nie mit Universalitätsanspruch, sondern mit dem Bemühen um konstruktiven Ausgleich. Übereinkommen, denen dies nicht gelungen ist und die nur von einer sich als Avantgarde verstehenden Staatengruppe ratifiziert wurden,105 sind 99

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Kompetenz jedenfalls für EU-interne Sachverhalte nehmen an: Staudinger/Spellenberg (2005) Vorbem zu Art 1 Rn 48; eingehend Wagner RabelsZ 68 (2004) 119. Vgl Staudinger /Spellenberg (2005) Vorbem zu Art 1 Rn 48; Wagner RabelsZ 68 (2004) 119; Rauscher FS Kerameus Band 1 (2009) 1113, 1124. Beyer FF 2007, 20, 23 Pressemitteilung des Europäischen Rates vom 2./25.7.2008; Mansel/Thorn/Wagner IPRax 2009, 1, 16; Kohler FPR 2008, 193, 195. Mansel/Thorn/Wagner IPRax 2009, 1, 9; Finger FamRBint 2008, 90 nennt neun beteiligte Mitgliedstaaten; künftig Art 20, 326 ff EUV. Mansel/Thorn/Wagner IPRax 2009, 1, 9.

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Einleitung

Einl Brüssel IIa-VO 46, 47

eher ein abschreckendes Beispiel als eine Stütze des Gedankens Verstärkter Zusammenarbeit im IPR. 2.

Vereinheitlichung des Scheidungs-IPR

a) Vor diesem Hintergrund ist das Bestreben um eine Vereinheitlichung des Schei- 46 dungs-IPR gewiss nicht langfristig erledigt. Die ansehnliche Zahl von Ehescheidungen, bei denen entweder die Ehegatten verschiedene Staatsangehörigkeit besitzen oder nicht im gemeinsamen Heimatstaat leben,106 unterstreicht durchaus die Bedeutung des Phänomens von Ehescheidungen mit internationalem Bezug innerhalb der EG. Auch wenn man eine Vereinheitlichung des Scheidungs-IPR nicht mit manchen Autoren107 für unumgänglich halten muss, spricht für eine Harmonisierung vor allem, dass trotz der Vereinheitlichung der Zuständigkeitsregelungen durch die VO das materielle Ergebnis für die Ehegatten schwer vorhersehbar ist und das Vorhandensein mehrerer Gerichtsstände (die freilich keineswegs in allen internationalen Scheidungsfällen bestehen108) ein forum shopping109 herausfordern kann, weil die Auswahl des Gerichtsstandes über das jeweilige nationale IPR das anwendbare Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht (insbesondere über Art 8 des Haager Unterhaltsstatutübereinkommens110 den Unterhalt nach Scheidung oder gerichtlicher Trennung) bestimmt.111 Ziel muss freilich eine überzeugende kollisionsrechtliche Lösung sein, die für interna- 47 tionale Ehen mehr Rechtssicherheit schafft, nicht hingegen ein politischer Kompromiss, der nur eine formale Zielerreichung bedeutet. Die Bedenken an der Erreichbarkeit eines Anknüpfungskonsenses112 werden durch das Scheitern des Brüssel IIa-ÄndE bestätigt, auch wenn man die Haltung Schwedens nicht dem Streit um Anknüpfungs-

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Symptomatisch die geringe Akzeptanz der Aufenthaltsanknüpfung im Haager Übereinkommen vom 14.3.1978 über das auf das Ehegüterrecht anwendbare Recht, www.hcch.net, sub: Conventions Nr 25. Das Commission Staff Working Document im Anhang zu dem Brüssel IIb-Vorschlag (COM [2006] 399) nennt jährlich ca 170.000 solcher „internationaler Scheidungsverfahren“, was ca 16 % der Gesamtzahl der Scheidungsverfahren ausmacht. Vgl Moro Riv dir int priv proc 2007, 675, 699 f. Haben Ehegatten verschiedener Staatsangehörigkeit während der Ehe einen stabilen gewöhnlichen Aufenthalt – was vor allem dann die Regel sein wird, wenn die Ehegatten bei Eheschließung im Heimatstaat eines von ihnen Aufenthalt genommen haben – so ergeben sich aus Art 3 Brüssel IIa-VO nur dann zwei Gerichtsstände, wenn ein Ehegatte gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat nimmt und nach 6 bzw 12 Monaten ein forum actoris gemäß Art 3 Abs 1 lit a Str 5 oder 6 begründet; eine Vorgehensweise, die für Berufstätige (Binnenmarktbezug!) meist ausscheidet. Pintens FamRZ 2005, 1597, 1600. Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973, BGBl 1986 II 837. Wagner StAZ 2007, 101; Beyer FF 2007, 20, 21. Zweifelnd zur Realisierbarkeit Kohler in: Mansel, Vergemeinschaftung des Europäischen Kollisionsrechts (2001) 41; Pirrung ZEuP 1999, 842; Wagner FamRZ 2003, 803.

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Einl Brüssel IIa-VO 48, 49

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

kriterien zuordnen kann, sondern als Ablehnung einer kollisionsrechtlichen Lösung an sich verstehen muss. 48 b) Ein Problem dürfte der Stil der Kompromissfindung bedeuten. Der vor dem Hintergrund des vorläufigen Scheiterns des Brüssel IIa-ÄndE den lex fori-Staaten, insbesondere Schweden, gemachte Vorwurf der „Provinzialität“113, weil sie „das Recht und die Identität anderer an einer auslandsrechtlichen Situation beteiligter Staaten und Personen nicht ernst nähmen“, beinhaltet bei aller Überheblichkeit im Ton eine zutreffende kollisionsrechtliche Erkenntnis: Konsens wird derzeit zu sehr als wertungsarmer Mittelweg verstanden, der als politischer Kompromiss gelingt, weil er alle beteiligten Rechtsordnungen gleichermaßen schmerzt. Ein Mitgliedstaat, der dieses Prinzip des gleichmäßigen Verlusts nicht mitträgt, gilt als Spielverderber; Irland beim Verfassungsvertrag, Schweden beim Brüssel IIa-ÄndE. So träumt mancher vom Sandkastenprinzip, das Außenseitern die Befugnis zum weiteren Mitspielen abspricht. Kollisionsrechtliche Klugheit sollte hingegen auf einen Kompromiss abzielen, der eine dem kontinentaleuropäischen IPR-Verständnis eigene Suche nach einer dem Rechtsverhältnis angemessenen Rechtsordnung wieder in den Mittelpunkt rückt und zugleich in gesellschaftlich wertungssensiblen Fragen, wie dem internationalen Scheidungsrecht, offen für die Beibehaltung national unverzichtbarer Grundpositionen bleibt. Der Brüssel IIa-ÄndE ist ja nicht an einem scheidungsrechtlich „unmodernen“ Mitgliedstaat gescheitert, sondern gerade an der Sorge Schwedens, es könnten schwedische Gerichte gezwungen sein, statt des höchst scheidungsfreundlichen schwedischen Ehescheidungsrechts eine scheidungsfeindlichere ausländische Rechtsordnung anzuwenden.114 Die Sorge vor der Anwendung iranischen oder maltesischen Scheidungsrechts provinziell zu nennen, fällt wohl eher schwer, auch wenn Schweden sich einem Savigny’schen IPR-Verständnis nicht zugeneigt gezeigt hat. Womöglich ist der durch die Rechtsvergleichung begleitete Weg, auf dem im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts eine verblüffende Annäherung des IPR kontinentaler Staaten115 erfolgte, erfolgversprechender, als die oft hektische Suche nach Kompromissen im Rat. Jene nationalen IPR-Reformen waren zu großen Teilen wissenschaftlich fundiert; EG-Reformen des IPR sind hingegen schon aufgrund der Struktur des europäischen Rechtssetzungsprozesses übermäßig politisiert. 49 c) Die Bedenken Schwedens zeigen in erster Linie, dass der nationale ordre public nicht einem europäischen Idealismus geopfert werden kann; nicht der Verzicht auf, sondern die Stärkung von ordre public-Klauseln ermöglicht es Mitgliedstaaten mit am Rand eines Wertungsspektrums liegenden Grundsätzen sich zu beteiligen. Wie der Verfasser bereits mehrfach116 ausgeführt hat, wird der positiv die Scheidungsfreiheit fordernde ordre public durch die Brüssel II-Entwicklung weniger geschützt als ein scheidungsfeindlicher ordre public. Schon die Vereinheitlichung der Zuständigkeiten in 113

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Kohler FPR 2008, 193, 196. So insbesondere die Stellungnahme Schwedens zum Grünbuch: „... emphasize the strong political resistance that any EC instrument infringing this rigt [to freely enter into marriage“; Beyer FF 2007, 20, 23. Ausgehend vom türkischen und vom jugoslawischen IPRG. Vgl Rauscher FS Geimer (2002) 883; Rauscher FS Jayme (2004) 719.

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Einleitung

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Art 3 birgt das Risiko, dass Bürgern von Mitgliedstaaten mit scheidungsfreundlichem Recht die nach nationalem Recht bisher bestehende Zuständigkeit entzogen wird und sie damit einem scheidungsfeindlichen Recht ausgesetzt sind. Auch im Hinblick auf die Regelung des Scheidungskollisionsrechts konnte Widerständen von scheidungsunfreundlichen Staaten, insbesondere Maltas, in den Verhandlungen um den Brüssel IIaÄndE entgegengekommen werden.117 Diese sehen sich weder einem Druck ausgesetzt, materiellrechtlich die Ehescheidung einzuführen, noch scheidungsfreundliches ausländisches Recht anzuwenden. Hingegen macht der Widerstand Schwedens sehr deutlich, dass nicht in gleichem Maß der scheidungsfreundliche ordre public geschützt wird. Art 20e Brüssel IIa-ÄndE reichte offenkundig nicht aus, um die Bedenken Schwedens zu zerstreuen.118 Insoweit hilft insbesondere nicht die Möglichkeit einer Rechtswahl; weder eine vorsorgende, die im Zeitpunkt der Eheschließung womöglich sogar genutzt wird, um, von irrationaler Hoffnung geleitet, die Ehe zu stabilisieren; noch eine im Umfeld des Scheidungsverfahrens zugelassene, der ein scheidungsunwilliger Antragsgegner nicht zustimmen wird, wenn das objektiv berufene Recht ihm die Antragsabweisung gewährleistet. Solche Bedenken können nur ausgeräumt werden, wenn eine künftige Regelung des Scheidungsstatuts eine Art 17 Abs 1 S 2 EGBGB vergleichbare, auch erhebliche zeitliche Scheidungshindernisse erfassende,119 positive ordre publicKlausel zugunsten der lex fori enthält und wohl auf alle Fälle ausgedehnt werden muss, in denen der scheidungswillige Antragsteller gewöhnlichen Aufenthalt oder Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaates besitzt. Insoweit wird bisher im Rat wohl nur der Fall der gemeinsam scheidungswilligen Ehegatten gesehen,120 was verkennt, dass auch die (Grund-)rechtsposition des Antragstellers Schutz verdient. d) Die Suche nach geeigneten Anknüpfungskriterien darf durch eine womöglich 50 einzuräumende Rechtswahlbefugnis nicht relativiert werden. Die im Brüssel IIa-ÄndE enthaltene, hinsichtlich des zulässigen Zeitpunkts nicht präzisierte Rechtswahlmöglichkeit krankt zum einen daran, dass eine Rechtswahl im unmittelbaren Vorfeld der Ehescheidung nur Ehegatten nützt, die identische Ziele verfolgen121 und eine vorsorgende Rechtswahl vielfach abgelehnt wird;122 insbesondere aus deutscher Sicht müsste gefragt werden, ob eine vorsorgende Rechtswahl als mittelbare Wahl des nachehelichen Unterhaltsstatuts (als „versteckter“ Unterhaltsverzicht) nicht der ehevertraglichen Inhaltskontrolle nach §§ 138, 242 BGB zu unterstellen ist. Zum anderen wird die Rechtswahlmöglichkeit gerne als Trostpflaster für schwache Kompromisse in der objektiven Anknüpfung gewählt, was aber den Ehegatten, die sich jedenfalls vorsorgend der Problematik nicht bewusst sein werden, die Risiken einer gesetzgeberisch nicht ausgegorenen objektiven Anknüpfung überbürdet. 117 118 119 120 121

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Dazu Ratsdokument 8364/07 vom 19./20.4.2007; Kohler FPR 2008, 193, 195. Beyer FF 2007, 20, 23. Anders nun BGH NJW 2007, 220; zur derzeit nicht scheidbaren Ehe: Kroll StAZ 2007, 330. Dazu Kohler FPR 2008, 193, 195. Selbst bei einverständlichem Scheidungswunsch steht mit Blick auf scheidungsrechtlich zu qualifizierende Folgen (zB Art 8 Abs 1 HUntStÜbk 1973) die Rechtswahl leicht im Interessenkonflikt, dazu Rauscher FS Kerameus Band 1 (2009) 1113, 1129. Zum Streitstand im Rat: Beyer FF 2007, 20, 23.

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51 e) Für die objektive Anknüpfung ist zu entscheiden zwischen Staatsangehörigkeit, domicile und gewöhnlichem Aufenthalt123 als jeweils primärem Anknüpfungskriterium, wobei klar ist, dass bei Versagen des primären Kriteriums mangels Gemeinsamkeit eine abgestufte Anknüpfung zwingend ist. Art 20b Brüssel IIa-ÄndE wählt den aktuellen bzw letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt und nur auf dritter Stufe die gemeinsame Staatsangehörigkeit. Die Zustimmung zu diesem Ansatz ist getragen von der Desavouierung des kontinentaleuropäischen Staatsangehörigkeitsprinzips wie des angelsächsischen domicile-Prinzips als integrationsfeindlich. Die vermeintlich europabürgerliche Annahme, die Niederlassungsfreiheit in Europa dränge die Bindung der Menschen an ihr heimisches Recht zurück124 und das Staatsangehörigkeitsprinzip als Bindungskriterium im Internationalen Familienrecht vertrage sich schwer mit einem Europa, das die Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit eliminiere,125 ist höchst zweifelhaft. Diese Argumentation hat vor allem den Typus des Dauer-Emigranten aus Drittstaaten126 im Blickfeld, dessen ambivalente Haltung und fehlende Integration im Land seiner neuen dauerhaften Niederlassung freilich gerade durch die Beibehaltung der Ursprungsstaatsangehörigkeit dokumentiert wird. EU-intern lässt die Niederlassungsfreiheit und die durch sie bedingte Mobilität in Europa den Aufenthaltswechsel hingegen zu einem Vorgang werden, der weit weniger als die traditionelle Auswanderung mit einer Loslösung von der Sozialisierung in der heimischen Rechtskultur verbunden ist. Überdies ist festzuhalten, dass die Entscheidung ohnehin nur für Ehegatten mit (früherer) gemeinsamer Staatsangehörigkeit oder domicile zu treffen ist. In anderen Fällen ist ohnehin der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt als primäres Anknüpfungskriterium aus Gründen der Gleichberechtigung unausweichlich. Für Ehegatten gleicher Staatsangehörigkeit aber besteht in den wohl überwiegend anzutreffenden Fällen vorübergehender Arbeitsmobilität im Zweifel mehr Integration und Sozialisation im Heimatrecht als im Recht des mittelfristigen (und damit bereits gewöhnlichen) Aufenthaltsstaats.127 Dasselbe gilt entsprechend aus Sicht des Common Law bei Fortdauer des gemeinsamen domicile trotz vorübergehendem Auslandsaufenthalt. 52 f) Vorzugswürdig ist daher ein Modell, das vom Staatsangehörigkeitsprinzip ausgeht, in Anlehnung an Art 3 Abs 2 Brüssel IIa-VO jedoch das domicile für Common Law-Mitgliedstaaten an die Stelle der Staatsangehörigkeit setzt. Eine einheitliche Anknüpfung ergibt sich sodann durch Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit, das gemeinsame domicile und die Behandlung von Personen mit kontinentaler Staatsangehörigkeit und domicile in einem Common Law-Mitgliedstaat als „Quasi123

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Der Wohnsitz, der als Anknüpfungskriterium mit allerlei stabilisierenden Zusatzkriterien für das Erbstatut (Rom IV) erörtert wird, ist ein kollisionsrechtliches Relikt aus der Zeit vor der „Erfindung“ des gewöhnlichen Aufenthalts, der gerade die Nachteile der flüchtigen Wohnsitzanknüpfung beseitigen soll. Staudinger /Spellenberg (2005) Vorbem zu Art 1 Rn 45; Kohler FPR 2008, 193, 195; Vorschlag des Deutschen Rates für IPR bei Bauer IPRax 2006, 202, 204 Fn 12. Martiny FPR 2008, 187, 191; ders in: Freitag/Leible/Sippel/Wanitzek, Internationales Familienrecht für das 21. Jahrhundert (2006) 119, 127; Finger FF 2007, 35, 38. Türken in Deutschland, Maghrebiner in Frankreich. Zutreffend Gottwald in: Freitag/Leible/Sippel/Wanitzek (2006) 55, 63 f.

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Einleitung

Einl Brüssel IIa-VO 53-55

Doppelstaater“.128 Der gewöhnliche Aufenthalt hingegen sollte Hilfsanknüpfung bleiben. Die Interessen von strikt an eigenen materiellrechtlichen Scheidungsstandards orientierten lex fori-Staaten und der damit korrespondierende Schutz mobiler Bürger gegen die unerwartete Unterstellung unter restriktive Scheidungsrechtsordnungen ist durch bestehende negative ordre public-Klauseln und durch positive ordre public-Klauseln nach dem Vorbild des Art 17 Abs 1 S 2 EGBGB zu verwirklichen. 3.

Korrekturen der Zuständigkeitsbestimmungen

a) Mit dem vorläufigen Scheitern des Brüssel IIa-ÄndE sind auch die in ihm ent- 53 haltenen, inhaltlich aber nicht zwingend mit dem IPR verbundenen, verfahrensrechtlichen Modifikationen der Brüssel IIa-VO zunächst gescheitert. Insoweit erscheint eine differenzierende Betrachtung erforderlich: b) Gänzlich unabhängig vom IPR ist die im Brüssel IIa-ÄndE vorgesehene Strei- 54 chung des Art 6 Brüssel IIa-VO und die Klarstellung der Restzuständigkeiten in Art 7 Brüssel IIa-VO. Nachdem sich der EuGH129 einer Auslegung der Art 6, 7 Brüssel IIa-VO angeschlossen hat, die Art 6 als obsolete Norm offenbart,130 ist eine Streichung dieser irrlichternden Bestimmung überfällig, um den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung auch für den unbefangenen Normanwender klarzustellen.131 c) Anders verhält es sich mit dem in Art 3a Brüssel IIa-ÄndE enthaltenen Vor- 55 schlag einer beschränkten Prorogationsbefugnis, die nach Klarstellung im späteren Ratsvorschlag132 auch als vorsorgende Prorogation ohne Bezug zu einem bevorstehenden Scheidungsverfahren gedacht war. Dieser Vorschlag lässt sich nicht von der IPRVereinheitlichung, insbesondere nicht von der parallel konstruierten Rechtswahlbefugnis lösen. Eine Prorogationsbefugnis ohne europäische Regelungen des anwendbaren Rechts bedeutet aus Sicht des gut beratenen Ehegatten eine – wenn auch durch künftige Änderung der Anknüpfungskriterien bedingte – Rechtswahl und birgt die Gefahr verdunkelter Scheidungsfolgenregelungen, die zwar durch einen Katalog wählbarer Gerichtsstände begrenzt, aber nicht ausgeschlossen wird. Als mittelbare Lösung des Risikos von forum shopping ist Prorogation im Eheverfahren daher nicht geeignet, da der taktische Wettlauf im Scheidungsstadium durch taktische Erwägungen im Vorfeld ersetzt würde. Bei weiteren Verordnungsplänen zur Prorogation sollte stärker als bisher bedacht werden, dass sich die Qualität einer Regelung nicht in der Situation gemeinsam scheidungswilliger Ehegatten bewähren, sondern sich an Konfliktfällen messen lassen muss. Vorsorgende Prorogation ist unter diesem Aspekt die einzige überhaupt sinnvolle Al128 129 130

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Zu Details Rauscher FS Jayme (2004) 719. EuGH Rs C-68/07 (Sundelind Lopez/Lopez Lizazo) IPRax 2008, 257. Hierzu, insbesondere zu der in der 2. Auflage vertretenen Ansicht, die Art 6 Brüssel IIa-VO (wie nicht?) als sinnvolle Norm missverstand, Art 6 Rn 8 ff. Ebenso Mansel/Thorn/Wagner IPRax 2009, 1, 17. Rat der EU Vermerk des Vorsitzes, 28.6.2007, 11295/07.

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ternative; sie birgt freilich weitaus größere Einschätzungsrisiken als die selten noch praktikable, aber ungefährliche Prorogation im Vorfeld der Ehescheidung. Die Entwicklung des Brüssel IIa-ÄndE im Rat hat überdies gezeigt, dass neben die Begrenzung wählbarer Gerichtsstände auch eine zeitliche Begrenzung bei Veränderung der Anknüpfungskriterien treten muss, um Ehegatten nicht an einen längst nicht mehr ihren Lebensverhältnissen nahen Gerichtsstand zu binden. VI. Sachrechtsvereinheitlichung

56 Bestrebungen zur Vereinheitlichung des Familienrechts, auch des Ehescheidungsrechts, innerhalb der EG – unbeschadet des Fehlens einer Kompetenz der Gemeinschaft zur materiellen Familienrechtsvereinheitlichung – haben sich insbesondere in einer von sechs Wissenschaftlern unter Beiziehung von 25 weiteren Experten aus Mitgliedstaaten errichteten Commission on European Family Law gebündelt.133 Kritisch an dieser Aktivität ist zum einen die selbst verliehene Bezeichnung als „Kommission“ zu sehen, die der gänzlich privaten, wissenschaftlich an sich interessanten Aktivität einen offiziösen Anstrich gibt.134 Zum anderen und vor allem kritisch zu sehen ist die Gefahr, dass eine sich als „modern“ verstehende selbst berufene Avantgarde einen Stand der familienrechtlichen Annäherung der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten beschreibt, der Tendenzen zur Realität erhebt. Es entsteht der unschöne Eindruck von Lobbyismus, der offenbar dem Ziel dient, mit determinierten familienrechtlichen Zielsetzungen Einfluss auf die Rechtssetzungsorgane der EG zu nehmen und der einer ergebnisoffenen europäischen Rechtsvergleichung eher schadet als nützt. Die Scheidungsrechtsordnungen in Europa gehören trotz manchen gegenteiligen Behauptungen135 zu jenem Teil der Rechtsordnung, der in starkem Maß kulturell und historisch gewachsen und geprägt ist. Dem wird man nicht gerecht, wenn man Entwicklungstendenzen – etwa die erkennbare Tendenz zur Zerrüttungsscheidung – in den Vordergrund rückt und dabei die Tatsache zurückdrängt, dass trotz solcher Tendenzen die Unterschiede so erheblich bleiben, dass das Familienrecht, und das Scheidungsrecht im Besonderen, einer Vereinheitlichung im europäischen Kontext auf absehbare Zeit nicht zugänglich ist.136 Wer im Glauben an das Ideal der Rechtsvereinheitlichung selektiv die Reformtendenzen der (nord-mitteleuropäischen) Scheidungsrechtsordnungen zum Kern einer vermeintlichen Gemeinsamkeit stilisiert,137 weist jenen Mitgliedstaaten, die aus religiös-kulturellen Traditionen keinen vergleichbaren Reformeifer entwickeln, den Rang von konservativen Außenseitern zu. Dies kann auf lange Sicht der europäischen Idee nur zum Nachteil gereichen. Ein liberales Europa muss 133

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Dazu im Einzelnen Boele-Woelki ERA-Forum 2003, 143; http://www2.law.uu.nl/priv/cefl. Vgl auch Moro Riv dir int priv proc 2007, 675, 688 Fn 38, der im Übrigen dieses Vorhaben positiv bewertet. Boele-Woelki ERA-Forum 2003, 142; TMC Asser Instituut Practical Problems Resulting from the NonHarmonization of Choice of Law Rules in Divorce Matters, Final Report JAI /A3/2001/04 (2002); Pintens ZEuP 2004, 548. Jayme IPRax 2000, 168; Staudinger /Spellenberg (2005) Vorbem Art 1 Rn 47. So wohl Pintens ZEuP 2004, 548.

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Einleitung

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gleichermaßen die Haltung jener Staaten respektieren, die der Zerrüttungsscheidung (und anderen modernen Tendenzen wie der Ehe gleichgeschlechtlicher Paare) skeptisch gegenüberstehen, wie es Wege finden muss, der in der Haltung Schwedens zum Ausdruck gekommenen Sorge gerecht zu werden, dass eine in einigen Mitgliedstaaten erreichte Entwicklung zurückgedreht wird. Es geht aber nicht an, dass man anhand der Rechtslage in einigen „progressiven“ Rechtsordnungen definiert, wo das Ziel liegt und sodann den Rest der europäischen Rechtsordnungen unter Zugzwang setzt. Eine europäische Rechtsvereinheitlichung des Ehescheidungsrechts ist freilich auch 57 nicht nötig, will man die derzeit bestehenden Konsequenzen notwendiger Gerichtsstandsvielfalt nach der VO bereinigen. So schwierig eine Kollisionsrechtsvereinheitlichung sein mag, ist sie doch weitaus realistischer als eine Sachrechtsvereinheitlichung. Gelingt sie, so hätte jedes Familiengericht in Europa im konkreten Fall dieselbe Rechtsordnung anzuwenden; Ergebnisgleichheit ist dann nur noch eine Frage der transparenten Rechtsinformation, nicht mehr der Auswahl der Rechtsordnung. Sucht man hingegen auf lange Frist die Lösung in materiell rechtsvereinheitlichenden 58 Ansätzen, so erscheint es vorzugswürdig, statt des wenig aussichtsreichen Unterfangens einer breiten Vereinheitlichung des Familienrechts in allen Mitgliedstaaten den Gedanken eines wählbaren europäischen Familienrechtsmodells zu verfolgen,138 der ursprünglich aus der Diskussion um das geeignete gesetzliche Ehegüterrecht stammt, durchaus aber auch für das Ehescheidungsrecht nutzbar gemacht werden kann, wobei auch hier die Wählbarkeit auf Ehen mit internationalem Bezug (gemischtnationale Ehe oder gewöhnlicher Aufenthalt nicht im gemeinsamen Heimatstaat) begrenzt werden sollte. Für diesen Gedanken spricht vor allem, dass der Oktroy, den eine europäische Familienrechtsvereinheitlichung bedeuten würde, doppelt gemildert wird: Zum einen wäre die Rechtskultur der Mitgliedstaaten in Ansehung reiner Inlandsfälle – die bei aller Aufmerksamkeit für internationale Ehen noch immer die deutliche Mehrheit stellen – nicht berührt, so dass auch der Wettbewerb um adäquate Lösungen nicht zum Erliegen käme. Zum anderen könnten selbst die Ehegatten international ausgerichteter Ehen entscheiden, ob sie ihre Integration stärker in europäischer Universalität oder in dem vom IPR bestimmten nationalen Recht suchen. VII. Ausführungsgesetz

Die Ausführung der Brüssel II-VO unterlag dem AVAG, insbesondere dessen 5. Ab- 59 schnitt. Gleichzeitig mit der Ingeltungsetzung der Brüssel IIa-VO ist am 1.3.2005 das Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts vom 26.1.2005 (Art 1 des Gesetzes zum Internationalen Familienrecht)139 (IntFamRVG, s Gesetzesanhang) in Kraft getreten, das nach seinem § 1 Nr 1 auch der Durchführung der VO dient.

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Wagner StAZ 2007, 101, 102. BGBl 2005 I 62; dazu Gruber FamRZ 2005, 1603; Finger ZfJ 2005, 144; ders FuR 2006, 56, 63.

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Art 1 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen Artikel 1

Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt, ungeachtet der Art der Gerichtsbarkeit, für Zivilsachen mit folgendem Gegenstand: a) die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe, b) die Zuweisung, die Ausübung, die Übertragung sowie die vollständige oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung. (2) Die in Absatz 1 Buchstabe b) genannten Zivilsachen betreffen insbesondere: a) das Sorgerecht und das Umgangsrecht, b) die Vormundschaft, die Pflegschaft und entsprechende Rechtsinstitute, c) die Bestimmung und den Aufgabenbereich jeder Person oder Stelle, die für die Person oder das Vermögen des Kindes verantwortlich ist, es vertritt oder ihm beisteht, d) die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim, e) die Maßnahmen zum Schutz des Kindes im Zusammenhang mit der Verwaltung und Erhaltung seines Vermögens oder der Verfügung darüber. (3) Diese Verordnung gilt nicht für a) die Feststellung und die Anfechtung des Eltern-Kind-Verhältnisses, b) Adoptionsentscheidungen und Maßnahmen zur Vorbereitung einer Adoption sowie die Ungültigerklärung und den Widerruf der Adoption, c) Namen und Vornamen des Kindes, d) die Volljährigkeitserklärung, e) Unterhaltspflichten, f) Trusts und Erbschaften, g) Maßnahmen infolge von Straftaten, die von Kindern begangen wurden. I. Sachlicher Anwendungsbereich

Ehescheidung etc (Abs 1 lit a) 1. Sachliche Reichweite a) Scheidung, Trennung, Ungültigerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff der Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zivilsachen a) Materielle Zivilsache . . . . . . . . . . . . . . b) Kirchliche Entscheidungen. . . . . . . . c) Privatscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Feststellungsanträge . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbundsachen, Verschulden. . . . . . . . .

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II. Sachlicher Anwendungsbereich elterliche

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Verantwortung (Abs 1 lit b, Abs 2, 3) 1. Zivilsachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Elterliche Verantwortung a) Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kind, Minderjährigkeit . . . . . . . . . . . . 3. Zuweisung, Ausübung, Übertragung, Entziehung . . . . . . . . . . . . . 4. Positivkatalog (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Negativkatalog (Abs 3). . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 Brüssel IIa-VO 1, 2

I.

Sachlicher Anwendungsbereich Ehescheidung etc (Abs 1 lit a)

1.

Sachliche Reichweite

a) Scheidung, Trennung, Ungültigerklärung Art 1 beschreibt den sachlichen Anwendungsbereich der VO. Sie ist nach Abs 1 lit a 1 anzuwenden auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung der Ehe. Der Begriff der Scheidung dürfte europaweit homogen ausgefüllt sein, auch wenn der Begriff nicht überall aus dem allgemeinen Sprachgebrauch in die Gesetzessprache eingedrungen ist.1 Er bedeutet die Auflösung der zivilrechtlichen Ehe dem Bande nach mit Wirkung ex nunc aufgrund von Mängeln, die in der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft begründet sind, aus deutscher Sicht also die Ehescheidung nach §§ 1564 ff BGB. Fraglich ist allerdings, ob die im niederländischen Recht neben der Scheidung der Ehe zugelassene Umwandlung in eine registrierte Partnerschaft (Art 1:77a BW)2 als Scheidung zu qualifizieren ist. 3 Dies ist zu bejahen, denn mit der Umwandlung endet statusrechtlich die Ehe (Art 1:77a Abs 3 BW); dass die Umwandlung auf beidseitige Erklärung vor dem Standesbeamten hin von diesem ohne eigene Entscheidungsbefugnis zu vollziehen ist, ändert nichts an der Einordnung als Ehescheidung, qualifiziert die Umwandlung jedoch als Privatscheidung,4 die nur bei konstitutiver staatlicher Mitwirkung in den Anwendungsbereich der VO fällt (dazu Art 2 Rn 16). Trennung ohne Auflösung des Ehebandes umfasst nur formalisierte Trennungsverfah- 2 ren unter Mitwirkung eines Gerichts oder einer Behörde, die nur zur Lockerung, nicht zur Beseitigung des ehelichen Status führen.5 Eine konstitutive Mitwirkung im Sinn eines Trennungsausspruchs oder einer Gestattung der Trennung ist nicht erforderlich; es genügt, wenn die gesetzlich angeordneten zivilrechtlichen Wirkungen der Trennung erst durch eine gerichtliche Bestätigung der Trennung eintreten.6 Dass das maß1

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So spricht man in Italien zwar selbst im juristischen Schrifttum gelegentlich von divorzio, das Gesetz (legge 898/1970) regelt dagegen das scoglimento del matrimonio und für die kanonische Ehe die cessazione degli effetti civili del matrimonio, vgl Hausmann EuLF 2000/01, 273. Die auch als legale Umgehung des Scheidungsverfahrens genutzt wird, weil die Ehe durch die Umwandlung als aufgelöst gilt (Art 1:149e BW) und die Lebenspartnerschaft anschließend durch gemeinsame notarielle Erklärung (Art 1:80c BW) beendet werden kann; hierzu, sowie zur Frage der Anerkennungsfähigkeit in Deutschland: AnwKommBGB /Klüsener/Inan/Oomen Band 4, Länderbericht Niederlande Rn 19; Fachausschuss StAZ 2008, 250, 251. Offen gelassen von OLG Celle OLGR 2006, 13. Fachausschuss StAZ 2008, 250, 251. Geimer/Schütze/Dilger Rn 10; zur Einbeziehung der Ehetrennung nach irischem Recht Dt v FL (2007) ILPr 56 (Irish High Court). S im italienischen Recht bei der omologazione einer separazione consensuale nach Art 150 codice civile, vgl Hausmann EuLF 2000/01, 274; vgl zur omologazione vor deutschen Gerichten AG Leverkusen FamRZ 2007, 565; zur Ehescheidung nach separazione AG Leverkusen FamRZ 2002, 1636.

Thomas Rauscher

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Art 1 Brüssel IIa-VO 3-5

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

gebliche Recht die Trennung als Vorstufe zur Ehescheidung, insbesondere als Grundlage einer Scheiternsvermutung ansieht, ist nicht erforderlich. Auch die Trennung als Rechtsinstitut neben oder statt der Ehescheidung7 ist einbezogen. Das bloß faktische Getrenntleben fällt dagegen nicht hierunter, auch wenn daran rechtliche Folgen geknüpft sind (zB § 1566 BGB), so dass im deutschen Recht dieser Typus unbesetzt ist. Trennungsverfahren vor deutschen Gerichten sind jedoch möglich, wenn das von Art 17 EGBGB berufene Scheidungsstatut die formalisierte Ehetrennung vorsieht. 3 Ungültigerklärung der Ehe sind alle Verfahren, welche die Ehe als Folge von Mängeln ihrer Eingehung beseitigen. 8 Hierzu gehören nicht nur ex tunc wirkende Verfahren (zB die frühere Nichtigerklärung), sondern auch ex nunc wirkende, wie die Aufhebung gemäß § 1313 S 2 BGB. 9 Für die Ungültigerklärung der Ehe nach dem Tod eines oder beider Ehegatten gilt die VO nicht.10 4 Welche Entscheidungskategorien (Gerichte, Behörden, Entscheidungen) im Einzelnen der VO unterfallen, bestimmt Art 2 Nr 1 und Nr 4 (anders noch Art 1 Abs 2 Brüssel II-VO). b) Begriff der Ehe 5 Abs 1 lit a bezieht sich nur auf Verfahren zur Änderung des Status einer Ehe. Für den Begriff der Ehe muss eine autonome Auslegung gefunden werden11, nachdem einzelne Mitgliedstaaten die Ehe auch gleichgeschlechtlichen Paaren geöffnet haben (Niederlande, Belgien, Spanien, Schweden)12, nur geringfügig abweichende Statusformen für gleichgeschlechtliche Paare errichtet (Deutschland: LPartG), diese mit analoger Anwendung des Ehescheidungsrechts (Skandinavische Staaten) oder mit eigenen Rechtsinstituten zur Auflösung (Deutschland) versehen haben bzw andere, von der sexuellen Orientierung unabhängige schuld- oder familienrechtlich verfestigte Partnerschaftsformen bereitgestellt haben (so Frankreich mit dem PACS),13 die ebenfalls formalisierte Verfahren der Auflösung im oben definierten Sinn vorsehen.14

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Zur Verbreitung in den Mitgliedstaaten Dörner in: Großfeld/Yamauchi/Ehlers/Ishikawa, Probleme des deutschen, europäischen und japanischen Rechts (2006) 17, 18. Geimer/Schütze/Dilger Rn 9; Dörner in: Großfeld/Yamauchi/Ehlers/Ishikawa (2006) 17, 18. Geimer/Schütze/Dilger Rn 11. Borrás-Bericht Nr 27; Kohler NJW 2001, 10; Zöller /Geimer Rn 22; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 7; AnwKommBGB /Gruber Rn 6. S im Detail Pabst Rn 222 ff. Die Texte der gesetzlichen Bestimmungen für NL, B, SP finden sich bei Winkler von Mohrenfels FS Ansay (2006) 527, 528 f; in Schweden ist die Regelung seit dem 1.5.2009 in Kraft: SFS 2009:253 vom 16.4.2009. Vgl zu den verschiedenen Ansätzen in Europa Hausmann FS Henrich (2000) 242 ff; Winkler von Mohrenfels FS Ansay (2006) 527. Vgl zu der Vielzahl der Modelle: Pintens LM Šarcˇevic´ (2006) 335, 340 ff.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 Brüssel IIa-VO 6-7

Nach zutreffender herrschender Ansicht15 bezieht sich der Begriff der Ehe iSd Art 1 6 nur auf verschiedengeschlechtliche monogame Verbindungen. Homosexuelle Verbindungen sind nicht erfasst, gleich, ob sie formal als „Ehe“ oder in anderer Weise bezeichnet sind.16 Die Brüssel II-VO und die Brüssel IIa-VO gehen von einem traditionellen Ehebegriff aus, wie er in der ganz überwiegenden Zahl der Mitgliedstaaten gilt.17 Selbst wenn innerhalb der Mitgliedstaaten eine rechtsvergleichende Tendenz zur rechtlichen Gestaltung ehealternativer Lebensformen feststellbar wäre, ist damit keine Inhaltsänderung des Begriffs „Ehe“ verbunden. Ganz überwiegend werden solche Alternativformen unter neuer Bezeichnung geführt; die in vier Mitgliedstaaten erfolgte Änderung des Ehebegriffs ist hingegen eine Ausnahme, nicht aber Ausdruck einer bereits mehrheitlich akzeptierten Tendenz zu einem Begriffswandel.18 Eine analoge Anwendung oder eine teleologische Auslegung19 in Einbeziehung insti- 7 tutionalisierter gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, die sodann schwerlich auf „gleichgeschlechtliche Ehen“ zu beschränken wäre, sondern eheangenäherte Institute wie die Eingetragene Lebenspartnerschaft des deutschen Rechts umfassen müsste, scheitert nicht nur an der Typenvielfalt,20 sondern auch an der rechtspolitischen Bedeutung der Frage, die dem europäischen Gesetzgeber überlassen werden muss.21 De lege ferenda mag eine Erweiterung auf solche gleichgeschlechtlichen Ehen oder Lebensgemeinschaften sinnvoll sein, um auch in diesem Bereich die Vorteile zu nutzen, die eine europäische Zuständigkeits- und Anerkennungsregelung bietet. Dies lässt sich aber nicht mit einer erweiternden („toleranten“22) Auslegung erreichen. Die vermeintlich tolerante Avantgarde übersieht, dass von einer Anwendung der Brüssel IIaVO auf gleichgeschlechtliche Gemeinschaften auch die Grundfrage der Anerkennung solcher Gemeinschaften als Rechtsinstitute berührt ist und es insoweit eines rechtspolitischen Konsenses der Mitgliedstaaten bedarf, der aus Sicht mancher südeuropäischen Mitgliedstaaten oder Polens derzeit kaum Zustimmung finden dürfte.

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Gruber FamRZ 2005, 293; Helms FamRZ 2002, 1593, 1594; Dörner in: Großfeld/Yamauchi/Ehlers/ Ishikawa, Probleme des deutschen, europäischen und japanischen Rechts (2006) 17, 19; Staudinger / Spellenberg (2005) Rn 11; Thomas/Putzo/Hüßtege Vor Art 1 Rn 5. AA d'Oliveira LA Siehr (2000) 534; Boele-Woelki ZfRV 2001, 121, 127; Mostermans NIPR 2002, 263, 265, der die im niederländischen Recht zugelassene Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts einbezogen, registrierte Partnerschaften hingegen ausgeklammert sieht. Pintens LM Sarcevic (2006) 335, 336 f. Gegen dieses Argument Winkler von Mohrenfels FS Ansay (2006) 527, 539. Dies erwägen letztlich ablehnend Pintens LM Sarcevic (2006) 335, 342; Gaudemet-Tallon Clunet 2001, 387. Pintens LM Sarcevic (2006) 335, 342. Pintens LM Sarcevic (2006) 335, 343. Winkler von Mohrenfels FS Ansay (2006) 527, 539, der dies im Interesse des effet utile fordert, übersieht, dass es mit Toleranz wenig zu tun hat, wenn eine sich als modern einschätzende Minderheit dem Rest der Mitgliedstaaten die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe durch die prozessuale Hintertür aufdrängt.

Thomas Rauscher

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Art 1 Brüssel IIa-VO 8, 9

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

8 Erfasst ist auch zwischen Mann und Frau nur die Ehe im klassischen Sinn23, hingegen nicht die Auflösung rechtlich verfestigter sonstiger Lebensformen, soweit sie das anwendbare Recht auch Partnern verschiedenen Geschlechts öffnet (zB der PACS). Erst recht sind (nicht formalisierte) nichteheliche Lebensgemeinschaften, auf die manche Rechtsordnungen einzelne Regeln des Eherechts anwenden, nicht erfasst. 24 Die Auflösung solcher Formen des Zusammenlebens sollte nach dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen nicht einbezogen werden.25 Schwierigkeiten sollte hierbei auch nicht die Feststellung bereiten, wann es sich bei einem rechtlichen Regelungen unterworfenen Zusammenleben um eine „Ehe“ handelt. Richtig ist zwar, dass manche (Mitglied-) Staaten faktische Formen der Eingehung einer Ehe kennen, die an die Common Law marriage erinnern. Das zwingt aber nicht dazu, in anderer Weise rechtlich verfasste, grundsätzlich lebenslang angelegte Lebensgemeinschaften als „Ehe“ iSd VO einzubeziehen, soweit sie nicht lediglich oder überwiegend vermögensrechtlicher Natur sind.26 Bislang hat sich noch keine Rechtsordnung dazu verstanden, die Ehe als Statusbeziehung aufzugeben; vielmehr wird vereinzelt die Ehe – als solche (!) – Homosexuellen geöffnet, weit häufiger aber in bewusster Abgrenzung zur Ehe ein eheähnliches Normengerüst für nicht eheliche Formen des Zusammenlebens geschaffen. Deshalb kann eindeutig unterschieden werden, ob ein nach einer bestimmten Rechtsordnung eingegangenes oder nach ihr behandeltes Rechtsinstitut dort als Ehe im statusrechtlichen Sinn angesehen oder nur einzelnen Regeln des Eherechts oder einem anderen System von Rechtsfolgen unterstellt wird. Würde man etwa die niederländische registrierte Partnerschaft von Personen verschiedenen Geschlechts (Art 80c BW) als Ehe subsumieren,27 so überschritte man damit nicht nur die vom niederländischen Recht gewollte Unterscheidung zwischen dem traditionellen Institut der Ehe und einer rechtspolitisch motivierten Neuschöpfung, sondern zugleich auch die Grenze zwischen der durch Art 6 Abs 1 GG geschützten Ehe und sonstigen Lebensformen, die nach Ansicht des BVerfG28 gerade deshalb Art 6 Abs 1 GG nicht verletzen, weil sie aliud und nicht Konkurrenz zur Ehe sind. 9 Eine davon zu unterscheidende Frage ist, ob auch formlos geschlossene Ehen der VO unterfallen. Dies ist uneingeschränkt zu bejahen, soweit die maßgebliche (vom IPR als Eheschließungsstatut berufene) Rechtsordnung solche Verbindungen als Ehe ansieht und nicht lediglich einzelnen oder zahlreichen Rechtsfolgen des Eherechts unterstellt. So ist selbstverständlich die nach islamischem Recht wirksam konkludent geschlossene Ehe eine Ehe iSd VO, ebenso wäre es die heute kaum noch praktische Common 23

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Kohler NJW 2001, 15; Wagner IPRax 2001, 282; Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem Art 1 Rn 5; aA Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 545. Pintens LM Sarcevic (2006) 335, 338. Verde í Aldea/d'Ancona Bericht zum Übereinkommen Brüssel II B 2.1. (vgl Materialien 1); der Forderung des Wirtschafts- und Sozialausschusses ABl EU 2003 C 61/76 unter 5.2.2., auch nichteheliche Lebensgemeinschaften einzubeziehen, wurde erneut nicht Folge geleistet; Geimer/Schütze/Dilger Rn 7. So aber wohl Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 14. So aber Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 14. BVerfG NJW 2002, 2543 zum LPartG.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 Brüssel IIa-VO 10, 11

Law marriage, während es sich im Fall der Verleihung eherechtlicher Wirkungen an längerfristige nichteheliche Lebensgemeinschaften in Mazedonien, Slowenien und Kroatien (nur) um eine Rechtsfolgen-, nicht um eine Statusänderung handelt. 2.

Zivilsachen

a) Materielle Zivilsache Erfasst sind nach Abs 1 S 1 nur Zivilsachen, diese jedoch ungeachtet der Art der Ge- 10 richtsbarkeit. Obgleich insoweit die Regelung im Vergleich zu Art 1 Brüssel II-VO erheblich umstrukturiert wurde, ergeben sich keine Veränderungen des Anwendungsbereichs in Scheidungssachen. Die Verlagerung vom Begriff des „zivilgerichtlichen Verfahrens“ (Art 1 lit a Brüssel II-VO) auf den Art 1 Brüssel I-VO entsprechenden materiell zu interpretierenden Begriff der Zivilsache bestätigt allenfalls, dass auch Eheauflösungen in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren erfasst wären. Behördliche Entscheidungen, die nach Art 1 Abs 2 Brüssel II-VO ausdrücklich gleichgestellt waren, sind nun über Art 2 Nr 1 dadurch einbezogen, dass im Rahmen von Art 1 zuständige Behörden als Gericht gelten. Zwar beinhaltet dies, logisch betrachtet, eine legislatorische Zirkeldefinition, weil damit die Behörde dann als Gericht gilt, wenn sie im Rahmen des Art 1 „Gerichtsbarkeit“ ausübt, was gerade zu klären ist. Es sollte aber klar sein, dass die Einbeziehung behördlicher Entscheidungen, die ihrer Natur nach Zivilsachen sind, weiter gewollt ist. Zweck dieser Gleichstellung war es, die verwaltungsbehördliche dänische Scheidung29 und jüngere Formen der einverständlichen Scheidung unter konstitutiver Mitwirkung von (Personenstands-)Behörden in das Zuständigkeits- und Anerkennungssystem einzubeziehen. 30 Maßgeblich ist auch nicht, ob das anwendbare Recht der Behörde einen Entscheidungsspielraum einräumt oder bei Vorliegen bestimmter Formalien eine gebundene Entscheidung vorsieht. Entscheidend ist, dass die Behörde nicht nur eine materiell bereits wirksam erfolgte Privatscheidung registriert, sondern die Scheidung konstitutiv auf dem behördlichen Mitwirken beruht. 31 b) Kirchliche Entscheidungen Kirchliche Entscheidungen fallen als solche nicht in den Anwendungsbereich der 11 VO.32 Eine Einbeziehung in die Regeln der internationalen Zuständigkeit ist schon deshalb nicht sinnvoll, weil diese Gerichte ihren eigenen Regeln folgen. 33 Wie auch außerhalb des Anwendungsbereichs der VO steht jedenfalls die in einem Mitgliedstaat bestehende (auch ausschließliche) Zuweisung einer Ehesache an religiöse Gerichte nicht der Inanspruchnahme einer Zuständigkeit nach der VO in anderen Mitgliedstaa29 30 31

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Borrás-Bericht Nr 20a, nun nimmt freilich gerade Dänemark an der VO nicht teil. Vgl die Beispiele (Dänemark, Finnland) im Borrás-Bericht Nr 20a; vgl auch Helms FamRZ 2001, 259. Weshalb die VO auch die einverständliche Scheidung nach Art 1778 a des portugiesischen código civil erfasst, vgl Jayme IPRax 2001, 382 (die Ansicht von Malheiros referierend). Borrás-Bericht Nr 20 b; Fontaine D & P 1999, 23. Staudinger /Spellenberg (2005) Art 1 Rn 18.

Thomas Rauscher

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Art 1 Brüssel IIa-VO 12, 13

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

ten entgegen, denn solche Zuweisungen betreffen lediglich das dortige innerstaatliche Prozessrecht. 34 Näher zur Anwendung der Anerkennungsregeln auf staatlich wirkende kirchliche Entscheidungen Art 2 Rn 7 f. c) Privatscheidung 12 Für Privatscheidungen gilt die VO nicht,35 auch wenn im maßgeblichen Recht eine nichtkonstitutive behördliche Mitwirkung vorgesehen ist. Das bedeutet keine anachronistische Haltung der Verordnung.36 Freizügigkeit von Privatscheidungen, die sich lediglich in einem Mitgliedstaat (aus dortiger Sicht wirksam) ereignet haben, denen es aber an einer konstitutiven verfahrensrechtlichen Bindung an diesen Mitgliedstaat ermangelt, könnte nicht auf das die VO tragende gegenseitige Vertrauen in die Rechtspflege bauen. Sie hinge vom kollisionsrechtlichen Zufall ab; schon das Fehlen einer Art 17 Abs 2 EGBGB entsprechenden Bestimmung im IPR eines Mitgliedstaates generiert bei Orientierung des Scheidungsstatuts am Heimatrecht wirksam dort vorgenommene Privatscheidungen. Diesen Scheidungen Freizügigkeit in der EG zu verleihen, hätte nichts mit justizieller Zusammenarbeit zu tun. In Deutschland sind solche Privatscheidungen schon wegen Art 17 Abs 2 EGBGB nicht möglich. Zur Anwendung der Anerkennungsregeln auf gerichtlich oder behördlich bestätigte Privatscheidungen Art 2 Rn 9. d) Feststellungsanträge 13 Schon zur Brüssel II-VO war strittig, ob über den (nun) in Art 3 Abs 1 S 1 genannten Katalog hinaus auch Feststellungsbegehren und andere Ehesachen iSd § 606 aF ZPO (nunmehr § 121 FamFG) in den sachlichen Anwendungsbereich der VO fallen. Da den genannten Typen (Ehescheidung, Trennung, Ungültigerklärung) jeweils eine statusändernde Wirkung zukommt, können jedenfalls nur solche Verfahren einbezogen werden, die den Status an sich betreffen. 37 Eine Ansicht beschränkt Abs 1 lit a unter Bezug auf diesen Wortlaut auf Statusänderungen38. Von der Gegenansicht wird hingegen eine Einbeziehung von Feststellungsentscheidungen vertreten, wobei manche nur negative Feststellungsverfahren39 einbeziehen wollen, während eine dritte Ansicht die VO auch auf positive Feststellungen anwenden will. 40

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OLG Hamm IPRspr 2006 Nr 55.

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Hausmann EuLF 2000/01, 274; Gruber FamRZ 2000, 1130; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 3; Staudinger / Spellenberg (2005) Art 1 Rn 19. So aber Jayme IPRax 2000, 170; Helms FamRZ 2001, 260; hiergegen zutreffend Staudinger /Spellenberg (2005) Art 21 Rn 9. Borrás-Bericht Nr 22. Hausmann EuLF 2000/01, 273; Helms FamRZ 2001, 260; Spellenberg FS Geimer (2002) 1257; Geimer/ Schütze/Dilger Rn 15; Dörner in: Großfeld/Yamauchi/Ehlers/Ishikawa, Probleme des deutschen, europäischen und japanischen Rechts (2006) 17, 19. Hau FamRZ 2000, 1337; Pirrung ZEuP 1999, 843; Vogel MDR 2000, 1046. Gruber FamRZ 2000, 1130; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2; Musielak/Borth Rn 1; wohl nur referierend MünchKommZPO /Gottwald Rn 8; ausdrücklich aA Simotta FS Geimer (2002) 1145 ff; Zöller /Geimer Art 1 Rn 8.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 Brüssel IIa-VO 14-17

Letzteres erscheint zwar plausibel, wenn man es als Ziel der VO ansieht, nicht nur die 14 Freizügigkeit von Statusänderungen, sondern die des Status überhaupt41 zu fördern. Gleichwohl ergeben sich Bedenken: Feststellungsbegehren liegen regelmäßig Zweifel an der Wirksamkeit der Ehe zugrunde, die häufig auch zu hinkenden Ehen führen. Eine positive Feststellung der Wirksamkeit ist dann im Eheschließungsstaat ohne weiteres zu erlangen, ihre Einbeziehung in die VO würde einen Mitgliedstaat, aus dessen Sicht die Ehe „hinkt“, zur Anerkennung der Entscheidung und damit, vorbehaltlich des ordre public, faktisch zur Anerkennung der Ehe als wirksam zwingen, zumal Art 22 den Anerkennungsversagungsgrund des Abweichens von einer statusrechtlichen Vorfrage (so noch Art 27 Nr 4 EuGVÜ) nicht kennt. Löst man das Problem dadurch, Feststellungsanträge ganz aus dem Anwendungsbereich 15 der VO zu nehmen, so ergibt sich die ebenso missliche Lage, dass ein Gericht zwar die Zuständigkeit zur Entscheidung über einen Antrag auf Eheaufhebung (wegen eines Eheschließungsmangels) nach der VO beurteilt, über den auf Feststellung der Wirksamkeit (trotz des Eheschließungsmangels) gerichteten Gegenantrag aber lege fori judiziert. Daher ist die Einbeziehung positiver Feststellungsanträge in den Entscheidungsbegriff zu bejahen, jedoch für den Anwendungsbereich der Art 21 ff eine teleologische Reduktion geboten. Negative Feststellungen fallen erst recht in den Anwendungsbereich. Gerade bei Män- 16 geln der Eheschließung ist es eine rein dogmatische Frage, ob eine Rechtsordnung die mangelbehaftete Ehe als wirksam, aber aufhebbar oder als unwirksam einordnet42. Negative Feststellungsentscheidungen sind daher Ungültigerklärungen funktionsähnlich. Bei ihnen stellt sich allerdings die Frage der Anwendung der Art 21 ff in anderer Weise, weil sie nicht dem Erhalt, sondern der Vernichtung des Status dienen. 3.

Verbundsachen, Folgesachen, Verschulden

Der sachliche Anwendungsbereich der VO umfasst mit Ausnahme der in lit b genann- 17 ten elterlichen Verantwortung keine Folgesachen, begründet also insbesondere keine Verbundzuständigkeit. 43 Dies bestätigt ausdrücklich der Erwägungsgrund Nr 8. Insoweit gelten sonstiges Europarecht,44 Völkerverträge oder nationales Verfahrensrecht. 45 Das gilt auch für solche Folgen der Statusänderung, die unmittelbar auf ihr beruhen, wie die Auseinandersetzung eines ehelichen Güterstandes46 oder Namensänderungen,47 erst recht für eine nur aus Anlass der Ehesache anhängige Abstammungs41

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Kohler in: Mansel, Vergemeinschaftung des europäischen Kollisionsrechts 41, 48 ff sieht die VO als Ausdruck der Behandlung des „Status als Ware“. AA Helms FamRZ 2001, 260. T v L (2009) ILPr 5 (Irish Supreme Court): Unterhalt als Folgesache nicht erfasst. Für Unterhaltssachen die Brüssel I-VO bzw nach Inkrafttreten die EG-UntVO. Im Einzelnen Einleitung Rn 13 ff, 21. Rb ’s-Hertogenbosch NIPR 2008, 304. Borrás-Bericht Nr 22.

Thomas Rauscher

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Art 1 Brüssel IIa-VO 18-20

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

sache. 48 Soweit das nationale Verfahrensrecht eine internationale Verbundzuständigkeit bestimmt (§ 97 Abs 2 FamFG), ist allerdings die in der Ehesache bestehende Zuständigkeit aus der Verordnung eine geeignete Grundlage für die zuständigkeitsrechtliche Anbindung der Verbundsachen. 18 Nach einer Anmerkung im Borrás-Bericht49 sollen auch Aspekte des Verschuldens der Ehegatten nicht einbezogen sein. Auch der Erwägungsgrund Nr 8 könnte dahin verstanden werden, dass mit den „Scheidungsgründen“ auch das Verschulden ausgenommen ist. Beides erweist sich zumindest als missverständlich formuliert: Soweit nach dem maßgeblichen Recht – über das die VO nicht befindet – die Ehe nur aufgrund von Verschulden geschieden werden kann, führt dies zweifellos nicht zur Unanwendbarkeit der VO; die Struktur der Scheidungsgründe kann nicht die Zuständigkeit entfallen lassen. Die aus diesem Grund ausgesprochene Scheidung ist auch nach Art 21 ff anzuerkennen, wobei das Verschulden, soweit es bloßes Tatbestandsmerkmal des Scheidungsgrundes ist, an den Wirkungen der Anerkennung nicht teilhat.50 19 Sinn erhalten beide Hinweise nur auf der Ebene der Scheidungsfolgen, soweit in einer Entscheidung das Verschulden ausgesprochen wird, dieser Ausspruch an der Rechtskraft teilnimmt, und Gerichte eines anderen Mitgliedstaates über verschuldensabhängige Scheidungsfolgen zu befinden haben. Bei enger Auslegung von Art 21 könnte dann der Verschuldensausspruch dem Anwendungsbereich der VO entzogen sein; es wäre aber wenig praktikabel, den Scheidungsausspruch nach Art 21 ff, den Schuldausspruch aber nach nationalem IZPR anzuerkennen.51 Noch sonderbarer wäre es, die Gerichte eines Mitgliedstaates nach Art 3 für scheidungszuständig zu halten, die Zuständigkeit für den nach dem maßgeblichen Recht womöglich zwingenden Verschuldensausspruch aber lege fori zu beurteilen. Damit gilt die VO lediglich insoweit nicht, als das Scheidungsurteil über die Feststellung des Verschuldens hinaus weitere Rechtsfolgen (Unterhalt etc) ausspricht, die tatbestandlich an das Verschulden anknüpfen. II.

Sachlicher Anwendungsbereich elterliche Verantwortung (Abs 1 lit b, Abs 2, 3)

1.

Zivilsachen

20 Der Austausch des Begriffes „zivilgerichtliche Verfahren“ gegen den materiell orientierten Begriff „Zivilsachen“ erstreckt sich auch auf den Anwendungsbereich der elterlichen Verantwortung. Hier dürfte die Klarstellung mehr Bedeutung haben als im Zusammenhang mit Ehesachen,52 weil sorgerechtliche Maßnahmen durchaus jugendbehördlich getroffen werden können und auch eine verwaltungsgerichtliche Einordnung der Überprüfung solcher Maßnahmen selbst aus deutscher Sicht nicht ganz aus48 49 50 51 52

52

Rb Roermond NIPR 2008, 52. Nr 22; die gelegentlich übernommen wird, vgl Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 3. Zutreffend Staudinger /Spellenberg (2005) Art 21 Rn 60. Ebenso Staudinger /Spellenberg (2005) Art 21 Rn 61; aA wohl Geimer/Schütze/Dilger Art 1 Rn 21. Oben Rn 10.

Januar 2010

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 Brüssel IIa-VO 21-23

geschlossen ist.53 Insoweit ist klargestellt, dass die gerichtsorganisatorische Einordnung bzw die Zuweisung an eine Behörde (Art 2 Nr 1) den Anwendungsbereich der VO nicht berührt, sondern eine materiellrechtlich autonome Qualifikation54 entscheidet. Damit sind insbesondere Eingriffe in die elterliche Verantwortung, auch wenn sie im Ursprungsmitgliedstaat behördlich stattfinden, in materiellrechtlich europäischer Auslegung als Zivilsachen zu qualifizieren.55 2.

Elterliche Verantwortung

a) Reichweite Die VO ist gemäß Abs 1 lit b auf die elterliche Verantwortung anzuwenden, die in 21 Art 2 Nr 7 legaldefiniert ist. Im Gegensatz zur Brüssel II-VO beschränkt sich der Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO nicht mehr auf Sorgerechtsentscheidungen im Zusammenhang mit Ehesachen. Erfasst sind vielmehr alle, auch selbstständige, Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, ohne Rücksicht darauf, ob eine Verbindung zu einem Verfahren in einer Ehesache besteht (Erwägungsgrund Nr 5). Sachlich ist der Begriff der elterlichen Verantwortung autonom und umfassend dahin auszulegen, dass die gesamten Rechte und Pflichten, die natürlichen oder juristischen Personen durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen wurden, erfasst sind.56 Anders als das KSÜ ist die VO auch nicht sachlich auf Schutzmaßnahmen beschränkt. 22 Maßnahmen zum Schutz des Kindes sind zwar mit umfasst, schöpfen aber den Anwendungsbereich nicht aus (Erwägungsgrund Nr 5). Der VO unterfallen daher insbesondere auch Entscheidungen, in denen das Bestehen oder Nichtbestehen der elterlichen Sorge kraft Gesetzes festgestellt wird, nicht hingegen Entscheidungen über vorgreifliche Fragen der Abstammung (vgl Abs 3 lit a). b) Begriff Der Begriff der elterlichen Verantwortung ist dem Haager Übereinkommen zum 23 Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (KSÜ) entnommen57, lehnt sich nicht unmittelbar an Rechtsbegriffe im nationalen Recht an58 und erleichtert damit sowohl die autonome Ausfüllung als auch eine gewisse terminologische Annäherung an das KSÜ59. In 53

54

55 56 57 58 59

ZB ist der Verwaltungsrechtsweg für dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen Mitarbeiter des Ju-

gendamts eröffnet. EuGH Rs C-435/06 C IPRax 2008, 509, 511; im Einzelnen hierzu Dutta FamRZ 2008, 835; Gruber IPRax 2008, 490; Pirrung FS Kropholler (2008) 399, 408 ff. EuGH Rs C-435/06 C IPRax 2008, 509. EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 843. Borrás-Bericht Nr 24. AA Jänterä-Jareborg YB PIL 1999, 14: Verweisung auf die lex fori. Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 548; zur Kritik am Nebeneinander mit dem KSÜ vgl Einl Rn 8 f.

Thomas Rauscher

53

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Art 1 Brüssel IIa-VO 24

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

der Neufassung versucht Art 2 Nr 7 bis 10 eine Legaldefinition, die ein weiteres Beispiel der Kunst der sinnlosen Umformulierung von KSÜ-Bestimmungen (hier Art 1 Abs 2 KSÜ) darstellt, wobei Art 2 Nr 7 S 2 unnötigerweise Art 1 Abs 2 lit a wiederholt und der Sinnzusammenhang zu Art 1 unnötig zerrissen wird. Im Gegensatz zu Art 1 lit b Brüssel II-VO enummeriert die Neufassung in Abs 2 einen Positiv- und in Abs 3 einen Negativkatalog materiell zu subsumierender Gegenstände. Gegen diese aus Art 3 und 4 KSÜ übernommene Methodik wäre grundsätzlich nichts einzuwenden, wiche nicht der jeweilige Katalog der VO in einzelnen Punkten, die nicht immer auf sachlichen Besonderheiten beruhen, vom KSÜ ab.60 Insbesondere können nicht immer Umkehrschlüsse daraus gezogen werden, dass einzelne Katalogtatbestände des KSÜ nicht übernommen wurden. Immerhin hat sich die Fassung der Bestimmung im Lauf des Verfahrens auf die Begrifflichkeit des KSÜ zu bewegt.61 c) Kind, Minderjährigkeit 24 Das Bestehen elterlicher Verantwortung setzt die Minderjährigkeit des Kindes voraus.62 Die VO enthält weiterhin weder eine autonome Definition des Kindesbegriffs (vgl Art 2 KSÜ), noch eine Konfliktregelung für den Fall unterschiedlicher Volljährigkeitsalter nach Aufenthalts- und Heimatrecht (vgl Art 12 MSA), was um so mehr erstaunt, als Art 2 Nr 7 ff das „Kind“ im Definitionenkatalog anscheinend als prädefiniert voraussetzen. Das erscheint auf den ersten Blick für ein nur verfahrensrechtliche Aspekte regelndes Rechtsinstrument unproblematisch, weil das jeweils angerufene Gericht diese Frage ohnehin nach dem vom eigenen IPR bestimmten Personalstatut beurteilen müsse.63 Dennoch besteht eine – angesichts der rechtsvergleichenden Konvergenz auf das Volljährigkeitsalter von 18 Jahren abnehmende64 – Gefahr negativer Kompetenzkonflikte, wenn das angerufene Gericht nach Art 8 ff unzuständig ist und die eigentlich zuständigen Aufenthaltsgerichte das Kind bereits als volljährig behandeln. Eine klare Lösung könnte darin bestehen, die in Art 2 KSÜ autonom verfestigte Tendenz zum Volljährigkeitsalter von 18 Jahren in den in Art 2 Nr 7 ff verwendeten Begriff ,,Kind“ aufzuneh60

61

62 63

64

54

Der erste Vorschlag eines Negativkatalogs geht auf den Rat der EU, Vermerk des (künftigen) Vorsitz 20.12.2002, 15773/02 zurück; dort war noch der Anwendungsbereich gegen den der Brüssel I-VO abgegrenzt worden, was insbesondere die unterbliebene Aufnahme der in Art 4 g, h, j KSÜ erwähnten Tatbestände in den Negativkatalog erklärt; dies ist nun auf Anregung der deutschen Delegation (21.3. 2003, 7728/03) teilweise in Erwägungsgründen klargestellt, was die Anwendung der VO in der Praxis nicht erleichtert. Vgl Vorschlag der Europäischen Kommission, 17.5.2002, KOM (2002) 222/2; Rat der Europäischen Union, Vermerk des künftigen Vorsitzes, 20.12.2002, 15773/02; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 30.4.2003, 8281/03. Geimer/Schütze/Dilger Rn 10. So Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7; ebenso Kommission Leitfaden 9, Entscheidungen über die elterliche Verantwortung beträfen nur Personen, die nach einzelstaatlichem Recht noch minderjährig seien. Es geht angesichts der Staatsangehörigkeitsanknüpfung in Kontinentaleuropa aber keineswegs nur um das Volljährigkeitsalter in den EG-Staaten!

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 Brüssel IIa-VO 25-28

men, um in einer autonomen Definition den ggf kompetenzausschließenden Vorrang der VO auf die elterliche Verantwortung für unter 18-jährige zu beschränken.65 Hingegen entscheidet über die Einbeziehung des nasciturus in den Kindesbegriff und 25 den Sorgerechtsrahmen weiterhin das nationale Kindschaftsrecht.66 3.

Zuweisung, Ausübung, Übertragung, Entziehung

Von der VO erfasst sind Zuweisung, Ausübung, Übertragung sowie die vollständige 26 oder teilweise Entziehung der elterlichen Verantwortung. Diese Maßnahmen entsprechen, auch wenn sie in Abs 1 lit b in die Ausgangsdefinition des Anwendungsbereichs gezogen werden, dem ersten Posten der Positivliste in Art 3 lit a KSÜ. Auf welche Inhalte sich diese Maßnahmen beziehen können, erschließt sich erst aus Abs 2 lit a (Sorgerecht und Umgangsrecht) und lit b (Vormundschaft, Pflegschaft etc); erfasst sind also im deutschen Familienrecht neben Maßnahmen nach §§ 1628, 1629 Abs 2 S 3, 1632 Abs 3, 1643, 1666, 1667, 1671, 1672, 1674 Abs 1, 1678 Abs 2, 1680 Abs 2, 3, 1682 BGB, auch Umgangsregelungen nach §§ 1684 ff BGB, vormundschaftsrechtliche und pflegschaftsrechtliche Maßnahmen sowie Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beistandschaft. 4.

Positivkatalog (Abs 2)

a) Abs 2 bestimmt einen Positivkatalog einbezogener Regelungsmaterien, der je- 27 doch nicht als abschließend zu verstehen ist („insbesondere“).67 Erfasst ist das Sorgerecht und das Umgangsrecht (Abs 2 lit a), also Verfahren, welche die Personenund Vermögenssorge und den Umgang mit dem Kind betreffen.68 Einbezogen sind sowohl sorgerechtliche Befugnisse natürlicher als auch juristischer Personen.69 Auch der Umgang eines nicht sorgeberechtigten Elternteils mit dem Kind ist in den Begriff der elterlichen Verantwortung einzubeziehen. Dies entspricht Art 3 lit b KSÜ. Erfasst sind auch das in die Legaldefinition des Art 2 Nr 9 verlagerte Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie die in Art 2 Nr 10 genannte Ausübung durch den umgangsberechtigten Elternteil während der Umgangsausübung. Entsprechend sind Träger der elterlichen Verantwortung (Art 2 Nr 8) nicht nur Inha- 28 ber des Sorgerechts einschließlich eines Vormundes, Pflegers und Beistands, sondern auch Umgangsberechtigte.

65

66 67 68

69

Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 550 stützen dasselbe Ergebnis auf Art 1 UN-Kinderrechtekonvention; iE ebenso Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 29; Geimer/Schütze/Dilger Art 2 Rn 13; MünchKommZPO /Gottwald Rn 14; Staudinger /Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 19. Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 550. EuGH Rs C-435/06 C IPRax 2008, 509, 511. OLG München IPRspr 2005 Nr 198; Vogel MDR 2000, 1047; Wagner IPRax 2001, 76; MünchKommZPO /Gottwald Art 1 Rn 16; Kommission Leitfaden 9. Looschelders JR 2006, 45.

Thomas Rauscher

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Art 1 Brüssel IIa-VO 29-33

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

29 Auch die Herausgabe des Kindes – nicht nur im Fall der Kindesentführung – fällt in den Anwendungsbereich der VO. Im Gegensatz zu Art 4 Brüssel II-VO ist nun auch explizit die Verfahrensweise im Fall der Kindesentführung in einen anderen Mitgliedstaat geregelt (Art 10, 11), wobei das Verfahren nach dem HKindEntfÜbk nicht verdrängt, sondern nur modifiziert wird. Ebenfalls in den Anwendungsbereich fallen Verfahren, welche die Vermittlung zwischen den Eltern hinsichtlich des Sorgerechts zum Gegenstand haben.70 30 b) Vormundschaft, Pflegschaft und entsprechende Rechtsinstitute (Abs 2 lit b) sind wie in Art 3 lit c KSÜ erfasst; hierzu gehört im deutschen Recht auch als Minus zur Vormundschaft die Beistandschaft,71 hingegen nicht die Betreuung,72 weil einem (minderjährigen) Kind kein Betreuer zu bestellen ist. 31 c) Die Bestimmung des Personen- und Vermögenssorgeberechtigten sowie des gesetzlichen Vertreters (Abs 2 lit c) umfasst wie zu Art 3 lit d KSÜ sowohl die Bestimmung des Sorgeberechtigten im Fall der Trennung, Scheidung oder Verhinderung als auch die Bestellung von Vormündern, Gegenvormündern oder Pflegern. 32 d) Abs 2 lit d bezieht wie Art 3 lit e KSÜ die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder einem Heim ein; auch die in Abs 2 nicht ausdrücklich genannte staatliche Inobhutnahme durch staatliche Behörden unterfällt schon wegen der engen sachlichen Verbindung zu Unterbringungsmaßnahmen dem Anwendungsbereich der VO.73 Die Bestimmung nennt im Gegensatz zu Art 3 lit e KSÜ nicht die kafala oder entsprechende Einrichtungen, was nur vor dem Hintergrund der kollisionsrechtlichen Anwendung der lex fori (nach Art 15 KSÜ) eine sinnvolle Abweichung vom KSÜ darstellt. Knüpft hingegen das Gericht eines Mitgliedstaates Sorgerechtsmaßnahmen an das Heimatrecht des Kindes an, kann durchaus die Anordnung der kafala auch vor den Gerichten eines Mitgliedstaates in Betracht kommen. 33 e) Einbezogen sind Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit der Verwaltung und Erhaltung des Kindesvermögens und der Verfügung darüber (Abs 2 lit e). Die Abweichung zum Wortlaut von Art 3 lit g KSÜ begründet sich daraus, dass das KSÜ insgesamt nur auf Schutzmaßnahmen anzuwenden ist, dort also im Positivkatalog eine entsprechende Einschränkung entbehrlich ist. Hier ist sie deshalb erforderlich, weil die Maßnahmen der Verwaltung und Verfügung über das Kindesvermögen an sich nicht der VO unterliegen, sondern als Zivilsachen in den Anwendungsbereich der Brüssel I-VO fallen (Erwägungsgrund Nr 9). So gehört die gerichtliche Genehmigung eines zum Schutz des Kindes genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäfts des Sorgebe70

AG Leverkusen IPRspr 2006, 324, 325.

71

Geimer/Schütze/Dilger Rn 27 fasst diese unter lit c. AA Geimer/Schütze/Dilger Rn 27. EuGH Rs C-435/06 C IPRax 2008, 509, 511; EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 843; Dutta FamRZ 2008, 835; Gruber IPRax 2008, 490; Pirrung FS Kropholler (2008) 399, 408 ff.

72 73

56

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 Brüssel IIa-VO 34-36

rechtigten zum Anwendungsbereich der VO, während die Erfüllungsklage des Sorgeberechtigten gegen den Vertragspartner dem Anwendungsbereich der Brüssel I-VO unterfällt. f) Für die in Abs 2 aus dem Positivkatalog des Art 3 (lit f) KSÜ nicht übernomme- 34 ne behördliche Aufsicht über die Betreuung eines Kindes durch jede für das Kind verantwortliche Person besteht iE ebenfalls keine Abweichung zum KSÜ; sie gehört in den Anwendungsbereich der VO. Verständlich wird das Fehlen einer ausdrücklichen Erwähnung im Kontext zu den nicht in die Negativliste aufgenommenen „öffentlichen Maßnahmen allgemeiner Art“ (Art 4 lit h KSÜ)74. Nicht erfasst durch die VO sind (lediglich) aufsichtsrechtliche Maßnahmen öffentlich-rechtlicher Natur, zB die Dienstaufsicht über einen Mitarbeiter des Jugendamts als Beistand. Hingegen sind familienrechtliche Maßnahmen der Überwachung der Sorgerechtsausübung vom Anwendungsbereich auch dann nicht ausgeschlossen, wenn eine Behörde sie trifft. 5.

Negativkatalog (Abs 3)

a) Nicht erfasst wird der Status (Feststellung und Anfechtung der Elternschaft, 35 Abs 3 lit a75). Der Status ist Voraussetzung, nicht Konsequenz der elterlichen Verantwortung. Nicht erfasst sind auch Adoptionsentscheidungen (Abs 3 lit b) und das Kindesnamensrecht (Abs 3 lit c), sowie Entscheidungen über eine Volljährigerklärung (Abs 3 lit d). Die ebenfalls ausgenommene Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind (Abs 4 lit e)76 ist derzeit durch die Brüssel I-VO erfasst77 und wird nach Anwendbarkeit der EG-UntVO in deren Anwendungsbereich fallen. Ausgenommen sind zudem Entscheidungen in Zusammenhang mit trusts und Erbschaften (Abs 3 lit f), sowie Maßnahmen infolge von Straftaten, die von Kindern begangen wurden (Abs 3 lit g). Dies alles entspricht dem Negativkatalog des Art 4 KSÜ (dort lit a bis f, i). b) Klarstellungsbedürftig ist hingegen das Fehlen der in Art 4 lit g, h und j KSÜ in 36 den Negativkatalog aufgenommenen sozialen Sicherheit, öffentlichen Maßnahmen und Asyl- sowie Einwanderungsentscheidungen. Diese Materien sind keineswegs vom Anwendungsbereich der VO erfasst, ein Umkehrschluss zum KSÜ wäre also verfehlt. Der Ausschluss solcher Maßnahmen vom Anwendungsbereich schien vielmehr zunächst offenbar selbstverständlich; auf Bemerkung der deutschen Delegation78 hin wurde sodann in Erwägungsgrund Nr 10 klargestellt, dass diese Bereiche nicht in den Anwendungsbereich der VO fallen.79

74 75 76 77 78 79

Dazu unten Rn 36. AG Leverkusen FamRZ 2007, 2087; Rb Roermond NIPR 2008, 521. Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 549. Borrás-Bericht Nr 24; Wagner IPRax 2001, 76. 21.3.2003, 7728/03. Dass im Erwägungsgrund Nr 10 auch ein Hinweis auf Personenstandsfragen enthalten ist, die im Negativkatalog ausdrücklich genannt sind, zeigt einmal mehr die einigermaßen erratische Herangehensweise der EG-Institutionen an die Normfassung.

Thomas Rauscher

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Art 2 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Artikel 2

Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck 1. „Gericht“ alle Behörden der Mitgliedstaaten, die für Rechtssachen zuständig sind, die gemäß Artikel 1 in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen; 2. „Richter“ einen Richter oder Amtsträger, dessen Zuständigkeiten denen eines Richters in Rechtssachen entsprechen, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen; 3. „Mitgliedstaat“ jeden Mitgliedstaat mit Ausnahme Dänemarks; 4. „Entscheidung“ jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe sowie jede Entscheidung über die elterliche Verantwortung, ohne Rücksicht auf die Bezeichnung der jeweiligen Entscheidung, wie Urteil oder Beschluss; 5. „Ursprungsmitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, in dem die zu vollstreckende Entscheidung ergangen ist; 6. „Vollstreckungsmitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung vollstreckt werden soll; 7. „elterliche Verantwortung“ die gesamten Rechte und Pflichten, die einer natürlichen oder juristischen Person durch Entscheidung oder kraft Gesetzes oder durch eine rechtlich verbindliche Vereinbarung betreffend die Person oder das Vermögen eines Kindes übertragen wurden. Elterliche Verantwortung umfasst insbesondere das Sorge- und das Umgangsrecht; 8. „Träger der elterlichen Verantwortung“ jede Person, die die elterliche Verantwortung für ein Kind ausübt; 9. „Sorgerecht“ die Rechte und Pflichten, die mit der Sorge für die Person eines Kindes verbunden sind, insbesondere das Recht auf die Bestimmung des Aufenthaltsortes des Kindes; 10. „Umgangsrecht“ insbesondere auch das Recht, das Kind für eine begrenzte Zeit an einen anderen Ort als seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort zu bringen; 11. „widerrechtliches Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes“ das Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes, wenn a) dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das aufgrund einer Entscheidung oder kraft Gesetzes oder aufgrund einer rechtlich verbindlichen Vereinbarung nach dem Recht des Mitgliedstaats besteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und b) das Sorgerecht zum Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, wenn das Verbringen oder Zurückhalten nicht stattgefunden hätte. Von einer gemeinsamen Ausübung des Sorgerechts ist auszugehen, wenn einer der Träger der elterlichen Verantwortung aufgrund einer Entscheidung oder kraft Gesetzes nicht ohne die Zustimmung des anderen Trägers der elterlichen Verantwortung über den Aufenthaltsort des Kindes bestimmen kann.

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Art 2 Brüssel IIa-VO 1

Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen I. Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Definitionen im Einzelnen

1. Gericht (Nr 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richter (Nr 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mitgliedstaat (Nr 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entscheidung (Nr 4) a) Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kirchliche Entscheidungen . . . . . . . c) Privatscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ehesachen: Beschränkung auf statusändernde Entscheidungen . . aa) Teleologische Reduktion der „Entscheidung“ im Anerkennungssystem . . . . . . . . . bb) Anerkennung von Feststellungsentscheidungen . . . . . .

I.

2 3 4 5 7 9 10

5. 6. 7. 8. 9.

e) Bestandskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Eilmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Kostenfestsetzungsbeschlüsse . . . . . h) Öffentliche Urkunden und Prozessvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursprungsmitgliedstaat (Nr 5) . . . . . . . Vollstreckungsmitgliedstaat (Nr 6) . . . Elterliche Verantwortung, Sorgerecht, Umgangsrecht (Nr 7, 9, 10) . . . . . . . . . . Träger der elterlichen Verantwortung (Nr 8) . . . . . . . . . . . . . . . . Widerrechtliches Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes (Nr 11) . .

15 17 19 20 21 22 23 24 25

10 13

Regelungsgegenstand

Die gegenüber der Brüssel II-VO neue Bestimmung stellt nach angelsächsischem Re- 1 gelungsmodell einen Katalog von Definitionen voran. Die Begriffe waren in der Brüssel II-VO teils an anderer Stelle definiert (zB „Mitgliedstaat“ in Art 1 Abs 3, „Entscheidung“ in Art 13 Abs 1 Brüssel II-VO), teils implizit verwendet und der Ausfüllung durch die Praxis überlassen worden (zB „elterliche Verantwortung“). Auch wenn die Methodik grundsätzlich geeignet ist, häufig verwendete Begriffe, die im europäischen Zusammenhang der autonomen Auslegung bedürfen, einheitlich klarzustellen, ist vorliegend kritisch anzumerken, dass Art 2 dieses Ziel nur oberflächlich fördert. Zum einen werden Begriffe, die nicht wirklich universelle Verwendung finden, sondern in einen bestimmten Kontext der VO auftreten, unnötig aus dem Zusammenhang gezogen (zB „Entscheidung“ als Topos der Anerkennung und Vollstreckung). Vor allem aber wird viel Banales definiert (Begriffe wie „Ursprungsmitgliedstaat“ und „Vollstreckungsmitgliedstaat“ sind längst juristischer Sprachgebrauch), während man nach Definitionen, die eine sachliche Weichenstellung erfordert hätten, vergebens sucht. ZB wird der Begriff „Kind“ in Nr 7 ff vorausgesetzt, obgleich schon unter der Brüssel II-VO über die Ausfüllung dieses Begriffes diskutiert wurde,1 die Definition der „Entscheidung“ ist nur transloziert, nicht aber um eine Lösung der strittigen Frage der Einbeziehung von Feststellungsurteilen erweitert2. Im Folgenden wird daher für Begriffe, die in einen bestimmten Kontext gehören, auf die entsprechende Stelle verwiesen.

1 2

Dazu Art 1 Rn 24. Unten Rn 6.

Thomas Rauscher

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Art 2 Brüssel IIa-VO 2-5

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

II.

Definitionen im Einzelnen

1.

Gericht (Nr 1)

2 Der Begriff „Gericht“ steht im Zusammenhang mit dem in Art 1 beschriebenen Anwendungsbereich der VO. Zweck der Definition ist die Einbeziehung von Verwaltungs- und Personenstandsbehörden. Die prima facie zirkuläre Bezugnahme zum Anwendungsbereich3 auf Art 1 setzt einen materiell zivilrechtlichen Anwendungsbereich („Zivilsache“) voraus, in dessen Rahmen es nicht auf die justizorganisatorische Einordnung des zuständigen Entscheidungsorgans als Gericht oder Behörde ankommt.4 2.

Richter (Nr 2)

3 Die Definition ist im Zusammenhang mit Nr 1 überflüssig. Soweit Behörden, die lege fori über Zivilsachen im materiellen Anwendungsbereich der VO entscheiden, einbezogen sind, müssen auch die dort zuständigen Amtsträger „Richter“ iSd VO sein. 3.

Mitgliedstaat (Nr 3)

4 Die Definition stammt aus Art 1 Abs 3 Brüssel II-VO. Die VO gilt als sekundäres Europarecht grundsätzlich unmittelbar in allen Mitgliedstaaten iSd EGV. Dänemark ist nicht Mitgliedstaat iSd VO, da die VO auf dem IV. Titel EGV beruht und Dänemark keine Mitwirkungserklärung nach Art 7 des Protokolls über die Position Dänemarks abgegeben hat bzw abgeben konnte.5 4.

Entscheidung (Nr 4)

a) Reichweite 5 aa) Die Definition entspricht weitgehend Art 13 Abs 1 Brüssel II-VO. Entfallen ist lediglich für sorgerechtliche Entscheidungen der Zusammenhang mit einer Ehesache,6 was der Erweiterung des Anwendungsbereichs auf isolierte Sorgerechtssachen entspricht. Fraglich ist, ob aufgrund der Aufnahme in den Katalog des Art 2 die Definition der Entscheidung, anders als bisher Art 13 Brüssel II-VO, über den Bereich der Anerkennung und Vollstreckung hinaus auch für die Zuständigkeitsregeln gilt. Offenbar wurde angesichts der bloßen Translokation der Definition aus dem Abschnitt über die Anerkennung in die allgemeinen Definitionen übersehen, dass die VO sprachlich nicht klar zwischen „Entscheidung“ iS eines Verfahrens7 und der „Entscheidung“ als Judikat8

3

4 5 6

60

Behörden fallen nach Artikel 1 in den Anwendungsbereich, wenn sie nach Art 2 Nr 1 für Rechtssachen zuständig sind, die nach Art 1 in den Anwendungsbereich fallen. Näher dazu Art 1 Rn 10. Vgl dazu Einleitung Rn 26. Vgl Art 13 Abs 1 Brüssel II-VO: „aus Anlaß eines solchen Verfahrens“.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 2 Brüssel IIa-VO 6, 7

unterscheidet. Angesichts der – wohl unüberlegten – Übernahme der Definition aus Art 13 Abs 1 Brüssel II-VO sowie der Beschränkung auf die „erlassene Entscheidung“, ist davon auszugehen, dass hier nur die Entscheidung iSd der Anerkennung unterliegenden Judikats sowie der Rechtshängigkeit definiert ist. Art 2 Nr 4 gibt also keine Auskunft über die Bedeutung des Begriffes „Entscheidung“ in Kapitel II Abschnitt 1 und 2. 9 bb) Inhaltlich greift die Definition die unglückliche Tautologie aus Art 32 Brüssel 6 I-VO auf, weshalb hinsichtlich der Typologie der einbezogenen Entscheidungen auf jene Bestimmung zurückgegriffen werden kann. Auf die Bezeichnung der Entscheidung kommt es nicht an.10 Die Definition gilt im Übrigen für Entscheidungen sowohl in Ehesachen als auch in Sorgerechtssachen. Trotz der Ausdehnung auf isolierte Sorgerechtssachen ergeben sich die wesentlichen Abgrenzungsprobleme weiterhin für Entscheidungen in Ehesachen. Aufgrund der in Nr 1 gegebenen Definition für „Gericht“ gilt Nr 4 auch für behördliche Entscheidungen.11 b) Kirchliche Entscheidungen Kirchliche Entscheidungen sind als solche, also ohne staatliche Autorisation,12 wie 7 unter Art 1 Brüssel II-VO, der ausdrücklich auf „staatliche“ Entscheidungen abstellt, nicht in den Anwendungsbereich der Anerkennungsregeln der VO einbezogen (vgl schon Art 1 Rn 11). Auch kirchliche Entscheidungen, die im jeweiligen Mitgliedstaat kraft Gesetzes unmittelbar wirken, werden nicht generell nach der VO anerkannt,13 sondern nur in den nachfolgenden Sonderfällen: Erfasst sind Delibationsfälle, also staatliche Entscheidungen eines Mitgliedstaates, durch die der Entscheidung einer Religionsgemeinschaft staatliche Wirkungen beigelegt werden,14 insbesondere die Scheidung muslimischer Griechen durch den Mufti in Griechenland (außer in der Dodekanes).15 Das Verbot des Doppelexequatur steht

7

8 9 10 11 12 13

14 15

ZB Art 3 Abs 1: „Für Entscheidungen über die Ehescheidung“; hier müsste es richtiger heißen: „Zur Entscheidung über einen Antrag auf Ehescheidung ...“ So eindeutig in Art 21 ff. Was zeigt, dass die Verlagerung in Art 2 ein gesetzestechnischer Fehlgriff ist. Vgl Erläuterungen zu Art 32 Brüssel I-VO. Erwägungsgründe 9, 15; Schack RabelsZ 65 (2001) 627; Helms FamRZ 2001, 259. Schack RabelsZ 65 (2001) 627. AA Helms FamRZ 2001, 259, der, auch unter Hinweis auf Art 1 Abs 1 Haager Scheidungsübereinkommen 1970, die Konkordatsfälle nicht als Ausnahme, sondern als Bestätigung einer Regel ansieht; unklar Jayme/Nordmeier IPRax 2008, 369, 370: „... mit Ausnahme solcher, die nur innerhalb einer Religionsgemeinschaft gelten“. Helms FamRZ 2001, 259. Im Einzelnen hierzu Jayme/Nordmeier IPRax 2008, 369.

Thomas Rauscher

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Art 2 Brüssel IIa-VO 8, 9

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

dem nicht entgegen, weil es sich bei der Delibation einer kirchlichen Entscheidung um die erstmalige Befassung staatlicher Gerichte und damit bei der – von Abs 1 gebotenen – staatsbezogenen Sicht um eine originäre Entscheidung handelt.16 8 Anerkennungsfähig nach der VO sind auch kirchliche Eheaufhebungsentscheidungen in den Konkordatsfällen nach Art 63 Abs 2, 3, 4, die insoweit als Ausnahmeregelungen vom Grundsatz der Nichtanwendung auf kirchliche Entscheidung anzusehen sind. c) Privatscheidungen 9 Privatscheidungen, an denen keine Behörde eines Mitgliedstaates mitgewirkt hat, sind nicht nach Art 21 ff anzuerkennen.17 Insoweit fehlt es bereits an der Subsumtionsfähigkeit unter verfahrensrechtliche Kategorien der (prozessualen) Anerkennung (vgl auch Art 1 Rn 12). Privatscheidungen unter konstitutiver Mitwirkung der Behörden oder Gerichte eines Mitgliedstaates fallen hingegen in den Anwendungsbereich. Die konstitutive Natur beurteilt sich nicht allein nach den Bestimmungen des Scheidungsstatuts, sondern kann sich auch aus den kollisions- oder verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Mitgliedstaates ergeben, in dem die Scheidung stattfindet. Hierfür genügt es jedenfalls, wenn ein Mitgliedstaat die nach dem maßgeblichen Scheidungsstatut vorgesehene Privatscheidung innerstaatlich nur in einem gerichtlichen Verfahren vollzieht, wie dies gemäß Art 17 Abs 2 EGBGB in Deutschland erfolgt.18 Es genügt aber auch eine innerstaatliche Homologisation einer in dem jeweiligen Mitgliedstaat erfolgten Privatscheidung, sofern erst dieser gerichtlich-behördliche Vorgang der Scheidung in diesem Mitgliedstaat Wirksamkeit verleiht.19 Genügend ist schließlich auch die Mitwirkung einer religiösen Behörde, sofern diese ihre Autorität zur Mitwirkung an einer staatlich als wirksam angesehenen Entscheidung aus dem Recht eines Mitgliedstaates erlangt. 20 Hingegen genügt die bloße personenstandsrechtliche Registrierung einer aus Sicht eines Mitgliedstaates bereits lege causae wirksam erfolgten Privatscheidung nicht, um sie in den Status einer „Entscheidung“ zu heben.21 Ebenso genügt es nicht, wenn eine staatlich nicht autorisierte kirchliche Behörde mit Sitz in einem Mitgliedstaat mitgewirkt 16

21

Zu den Mufti-Fällen wie hier: Staudinger /Spellenberg (2005) Art 21 Rn 18; Jayme/Nordmeier IPRax 2008, 369; allgemein auch Helms FamRZ 2001, 259; aA OLG Frankfurt IPRax 2008, 352: keine nach Art 19 entgegenstehende Rechtshängigkeit vor einem Mufti-Gericht. Wagner IPRax 2001, 76; Helms FamRZ 2001, 259. Dass zB die Scheidung muslimisch-marokkanischer Ehegatten in Deutschland aus Sicht des marokkanischen Scheidungsstatuts keiner behördlichen Mitwirkung bedarf, steht der Annahme nicht entgegen, dass die wegen Art 17 Abs 2 EGBGB durch das Familiengericht aufgrund eines talaq ausgesprochene Scheidung eine Entscheidung iSd Nr 4 ist. Staudinger /Spellenberg (2005) Art 21 Rn 11; Geimer/Schütze/Paraschas Art 21 Rn 12. AA zu der als Privatscheidung zu qualifizierenden (dazu Art 1 Rn 1) Umwandlung der Ehe in eine Lebenspartnerschaft nach Art 77a BW: Fachausschuss StAZ 2008, 250, 251. Helms FamRZ 2001, 260. Nicht differenzierend zur Registrierung: Ancel/Muir Watt Rev crit dip 2001, 435.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 2 Brüssel IIa-VO 10, 11

hat.22 Maßgeblich ist also immer, ob nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates eine von dessen Recht – einschließlich des IPR – zur konstitutiven Mitwirkung autorisierte Behörde beteiligt war. d)

Ehesachen: Beschränkung auf statusändernde Entscheidungen

aa) Teleologische Reduktion der „Entscheidung“ im Anerkennungssystem Ohne dass dies im Wortlaut klar zum Ausdruck kommt, sind im Rahmen der Anerken- 10 nung nur Entscheidungen in Ehesachen einbezogen, welche positiv eine Statusänderung oder -lockerung aussprechen. Hingegen sind antragsabweisende Entscheidungen nicht der Anerkennung nach Art 21 ff fähig. 23 Dies entspricht dem Ziel der VO, die Anerkennung und Vollstreckung von Statusentscheidungen zu erleichtern. Zugleich wird dadurch verhindert, dass eine Entscheidung, die einen Trennungs-, Aufhebungsoder Scheidungsantrag abweist, in ihren einen neuen Antrag womöglich präkludierenden Wirkungen in anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden muss. 24 Mit dem Gefühlsargument, dies sei „ungerecht“, weil der den Status verteidigende Ehegatte sich immer wieder zur Wehr setzen müsse, bis der den Status angreifende einmal siege,25 kommt man der Problematik nicht nahe. Hinsichtlich der Klärung von Eheschließungsmängeln mag es unbefriedigend sein, wenn die Abweisung eines Eheaufhebungsantrags nicht dem Anerkennungssystem der VO unterliegt. Hingegen wäre die Einbeziehung antragsabweisender Scheidungsurteile in vielen gemischtnationalen Ehen das Ende liberaler Ehescheidungsregeln, weil der scheidungsunwillige Teil regelmäßig einen wieder entstandenen Zerrüttungsscheidungsgrund durch eine im geeigneten Staat erhobene negative Feststellungsklage sabotieren könnte.26 Ein Ehegatte, dessen Antrag abgewiesen wurde, ist also durch die VO nicht gehindert, vor den Gerichten eines anderen zuständigen Mitgliedstaates denselben Antrag, gestützt auf dieselben materiellen Gründe, erneut zu verfolgen. Dies schließt jedoch die Anerkennungsfähigkeit solcher Entscheidungen nach natio- 11 nalem Recht nicht aus, weil nationales Recht insoweit nicht verdrängt ist, wie Antragsabweisungen oder Feststellungsurteile nicht in den Anwendungsbereich der VO

22 23

24

25 26

Helms FamRZ 2001, 260. So ausdrücklich Erwägungsgrund Nr 15 Brüssel II-VO, der nun in Erwägungsgrund Nr 8 nur noch unvollständig anklingt; Borrás-Bericht Nr 60; MünchKommZPO /Gottwald Art 2 Rn 4; AnwKommBGB / Gruber Rn 2; Geimer/Schütze/Paraschas Art 21 Rn 7; Hau FamRZ 1999, 485; Wagner IPRax 2001, 76; Hausmann EuLF 2000/01, 348; Schack RabelsZ 65 (2001) 627; Sturlèse JClP (G) 2001, 246; Ancel/ Muir Watt Rev crit dip 2001, 435; Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 585; Kennett ICLQ 48 (1999) 470; Jänterä-Jareborg YB PIL 1999, 19; Andrae ERA-Forum 2003, 28, 32. Kritisch AnwKommBGB /Gruber Art 21 Rn 7, der sich nicht ausreichend mit der Problematik des Verbrauchs von Scheidungsgründen, insbesondere im Fall der Zerrüttungsscheidung, durch eine antragsabweisende Entscheidung auseinandersetzt. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 22. Man stelle sich nur vor, wie sich ein in Deutschland lebender deutscher Staatsangehöriger von seinem in Malta lebenden maltesischen Ehegatten sollte scheiden lassen können.

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Art 2 Brüssel IIa-VO 12-14

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

fallen. 27 Eine solche Anerkennung kann im Anerkennungsstaat einem neuen auf Auflösung der Ehe gerichteten Antrag unter dem Gesichtspunkt der res iudicata entgegenstehen, wobei das maßgebliche materielle Statut über die Grenzen der Rechtskraft – insbesondere bei neuen Grundlagen eines Scheidungstatbestandes oder neuen Scheidungstatbeständen bei anderem Scheidungsstatut – entscheidet. Auch kann die nach Art 21 ff zu beurteilende Anerkennungsfähigkeit einer die Ehe auflösenden Entscheidung an Art 22 lit d scheitern, wenn im Anerkennungsstaat nach nationalem Recht eine frühere Antragsabweisung entgegensteht, wobei wiederum die materielle Rechtskraft darüber entscheidet, ob „Entgegenstehen“ anzunehmen ist (dazu Art 22 Rn 30 ff). 12 In Sorgesachen stellt sich das Problem nicht in vergleichbarer Weise, da auch die Abweisung einer Sorgerechtsänderung einen positiv anerkennungsfähigen Regelungsgehalt hervorbringt, nämlich die Beibehaltung der bisherigen Sorgerechtsverhältnisse.28 Auch können solche Entscheidungen regelmäßig nicht einen späteren Antrag präkludieren, der eine andere Beurteilung des Kindeswohls anstrebt. bb) Anerkennung von Feststellungsentscheidungen 13 In vergleichbarer Weise sind positive Feststellungsurteile nicht in Art 21 ff einzubeziehen, auch wenn sie nach hier vertretener Ansicht29 grundsätzlich in den Anwendungsbereich der VO fallen. Jedoch würde die Einbeziehung positiver Feststellungsurteile in das Anerkennungssystem dazu führen, alle Mitgliedstaaten zur Anerkennung einer Ehe zu zwingen, die aus Sicht auch nur eines Mitgliedstaates wirksam geschlossen ist, und damit die anderweitige Geltendmachung von Eheschließungsmängeln verhindern.30 Ob eine solche europaweite Anerkennung einer Eheschließung a la longe als Konsequenz einer im internationalen Namensrecht beginnenden Orientierung des EuGH31 an einem Anerkennungsprinzip in Ansehung statusrechtlicher Verhältnisse und einer damit verbundenen Abkehr von kollisionsrechtlicher Wirksamkeitsprüfung geschuldet sein könnte, ist eine andere Frage. 14 Hingegen spricht nichts gegen die Einbeziehung negativer Feststellungsurteile auch in das Anerkennungssystem. Die fehlende Konvergenz in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Frage, welche Mängel eine Ehe ex ante nichtig erscheinen lassen, steht der Einbeziehung nicht entgegen:32 Gerade weil es eine eher zufällige Entscheidung ist, ob eine Rechtsordnung eine mangelbehaftete Ehe als nichtig, vernichtbar, aufhebbar oder nur scheidbar ansieht, wäre es verfehlt, die Verkehrsfähigkeit negativer Feststellungsurteile nicht Art 13 ff zu unterstellen, die Verkehrsfähigkeit auf einen gleichartigen Mangel gestützter Aufhebungsurteile aber zu gewährleisten. 27 28 29 30 31 32

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MünchKommZPO /Gottwald Rn 5; Helms FamRZ 2001, 258. Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 585. Art 1 Rn 15. Näher Art 1 Rn 14. EuGH Rs C-353/06 Stefan Grunkin ua NJW 2009, 135. So aber Helms FamRZ 2000, 259.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 2 Brüssel IIa-VO 15-18

e) Bestandskraft aa) Eine Entscheidung – insoweit nur im Sinne eines Judikats (Art 21 ff) – ist „Ent- 15 scheidung“ und damit nach Art 21 ff anerkennungsfähig, sobald sie erlassen ist. Dazu ist grundsätzlich die formelle Rechtskraft nicht erforderlich. 33 Ausnahmsweise verlangt Art 21 Abs 2 jedoch die Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsbehelfen als Voraussetzung der Anerkennung zum Zweck der Beischreibung in Personenstandsbüchern.34 bb) Erforderlich ist jedoch, dass die Entscheidung bereits Wirkungen erzeugt. Das 16 ergibt sich aus der Struktur der Urteilsanerkennung als Wirkungserstreckung:35 Eine Entscheidung, die im Ursprungsmitgliedstaat noch nicht wirkt, kann auch nicht im Wege der Anerkennung Wirkungen erstrecken. Das hat insbesondere Bedeutung, wenn im Urteilsstaat ein Scheidungsurteil erst mit Eintragung in ein Register wirksam wird und ggf jede Wirkung verliert, wenn es nicht fristgemäß eingetragen wird. 36 Ist die Registereintragung einer Ehescheidung, vergleichbar dem romanischen Grundstücksverkehr, hingegen nur erforderlich, um Dritten entgegengehalten zu werden,37 so schließt das die Anerkennung der Wirkungen inter partes nicht aus; fraglich – und lege fori des Ursprungsstaates zu beantworten – ist in diesem Fall, ob die Eintragung in ein ausländisches Personenstandsregister die Wirkungen bzw Drittwirkungen herbeiführen kann. f) Eilmaßnahmen aa) Ob Eilmaßnahmen iSd Art 20 einzubeziehen sind, ist unklar. Die Behandlung 17 der Frage ist dadurch beeinflusst, dass teilweise im Schrifttum angenommen wird, Art 20 erlaube auch Maßnahmen, die Materien außerhalb des Anwendungsbereichs der VO betreffen. Da deren Zulässigkeit jedoch ohnehin lege fori zu beurteilen ist, Art 20 also nicht geeignet ist, solche Maßnahmen zu gestatten, und insoweit allenfalls klarstellende Funktion hat,38 kommt die Anerkennung solcher Maßnahmen nach Art 21 ff nicht in Betracht. 39 bb) Vom hier vertretenen Standpunkt stellt sich damit nur die Frage der Einbezie- 18 hung einstweiliger Maßnahmen betreffend Materien im Anwendungsbereich der VO. Für diese gilt unstreitig Art 21.40 Auf solche Maßnahmen ist die einschränkende Rechtsprechung des EuGH zu Art 24 ff EuGVÜ41 zu übertragen, wonach einstweilige 33 34 35 36 37 38 39

40 41

Helms FamRZ 2001, 260; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 5. Helms FamRZ 2001, 260. Vgl Art 21 Rn 2. Vgl Borràs-Bericht Nr 60: Niederlande, Art 1:163 Abs 1 BW. Vgl Borrás-Bericht Nr 60: Belgien, Art 1275, 1303, 1309, 1310 CJ. Dazu Art 20 Rn 9 ff. IE ebenso, jedoch wegen der angeblichen Wirkungsbeschränkung solcher Maßnahmen auf den Entscheidungsstaat: Helms FamRZ 2001, 260; aA Geimer/Schütze/Paraschas Art 21 Rn 20; Hausmann EuLF 2000/01, 348; Sumampouw FS Siehr (2000) 739; vgl zu dieser Frage Art 21 Rn 25 ff. Helms FamRZ 2001, 260; Hausmann EuLF 2000/01, 348. Seit EuGH Rs 125/79 Denilauler/Couchet Frères EuGHE 1980, 1553.

Thomas Rauscher

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Art 2 Brüssel IIa-VO 19-24

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Maßnahmen nicht einzubeziehen sind, die auf einseitigen Antrag ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners ergehen. 42 Dass in Sorgerechtssachen Maßnahmen ggf aus Gründen des Kindeswohls ohne vorherige Anhörung ergehen, spricht nicht dafür, sie in das Anerkennungssystem der VO einzubeziehen, sofern nur die Gewährung rechtlichen Gehörs nachgeholt wird. 43 Der Mangel der VO, als ein in Anlehnung an Brüssel I und damit für kontradiktorische Verfahren konzipiertes Instrument Sorgesachen einzubeziehen, statt sich des ausgewogenen Systems des Haager KSÜ zu bedienen, kann nicht zum Anlass genommen werden, ihren Anwendungsbereich zu Lasten dieses ausgewogenen Systems auszudehnen. g) Kostenfestsetzungsbeschlüsse 19 Dazu Art 49 h) Öffentliche Urkunden und Prozessvergleiche 20 Dazu Art 46 5.

Ursprungsmitgliedstaat (Nr 5)

21 Die Definition ist nur für die Vorschriften über das Vollstreckungsverfahren konzipiert und beschreibt den – eigentlich offenkundigen – Begriff „Ursprungsmitgliedstaat“ als den Mitgliedstaat, in dem die zu vollstreckende Entscheidung ergangen ist. 6.

Vollstreckungsmitgliedstaat (Nr 6)

22 Die Definition ist ebenfalls nur für die Vorschriften über das Vollstreckungsverfahren konzipiert und beschreibt den Mitgliedstaat, in dem – im jeweiligen Verfahren, derer es mehrere geben kann – die Entscheidung vollstreckt werden soll. 7.

Elterliche Verantwortung, Sorgerecht, Umgangsrecht (Nr 7, 9, 10)

23 Die Definitionen der Begriffe „elterliche Verantwortung“, „Sorgerecht“ und „Umgangsrecht“ stehen in Zusammenhang mit der Beschreibung des Anwendungsbereichs in Art 1 lit b44 und ergänzen diese. Sie ändern nichts daran, dass der Begriff der „elterlichen Verantwortung“ insgesamt dem des KSÜ, ohne dessen Beschränkung auf Schutzmaßnahmen (Art 1 Rn 22), entspricht.45 8.

Träger der elterlichen Verantwortung (Nr 8)

24 Der Begriff dient der sprachlichen Abkürzung in Bestimmungen, in denen einheitlich Personen angesprochen werden, denen unterschiedliche Ausschnitte aus dem Bereich der elterlichen Verantwortung zukommen. Insbesondere bezeichnet der Begriff glei42 43 44 45

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Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 6. So aber Helms FamRZ 2001, 261. Art 1 Rn 21 ff. AnwKommBGB /Gruber Rn 3.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 2 Brüssel IIa-VO 25, 26

chermaßen einen Inhaber des Sorgerechts wie einen Umgangsberechtigten (zB Art 12), findet aber auch Verwendung für zwei Personen, die gemeinsam das Sorgerecht ausüben (Art 2 Nr 11). Erfasst sind auch Dritte, die elterliche Sorge ausüben, wie Vormünder, aber auch Behörden, soweit ihnen Funktionen der elterlichen Sorge und nicht nur deren Überwachung zukommen. 9.

Widerrechtliches Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes (Nr 11)

a) Die Definition des widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens46 ent- 25 spricht inhaltlich Art 3 HKindEntfÜbk und hat nur Bedeutung im Zusammenhang mit den dieses Übereinkommen überlagernden Art 10, 11. Die semantischen Abweichungen der Definition in Nr 11 von Art 3 HKindEntfÜbk sind teils nur syntaktisch (Art 3 Abs 2 HKindEntfÜbk findet sich in lit a wieder). Die Unterdefinition der „gemeinsamen Ausübung“ (Nr 11 lit b S 2) – als selbstverständlich im HKindEntfÜbk nicht enthalten – stellt darauf ab, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht gemeinsam ausgeübt wird. Ein Verbringen ist widerrechtlich, wenn es die (Mit-)47Sorgeberechtigung eines Be- 26 teiligten nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates (gewöhnlicher Aufenthalt) des Kindes verletzt. 48 Der Umfang der (Mit-)Sorgeberechtigung und die sich hieraus ergebenden Befugnisse des anderen Sorgeberechtigten bestimmen sich jedoch nach dem Sorgerechtsstatut. Dieses entscheidet auch, ob Teile des Sorgerechts, insbesondere das Aufenthaltsbestimmungsrecht, einem der Elternteile alleine zustehen.49 Nach hM50 genügt nicht die Verletzung eines bestehenden Umgangsrechts, was freilich zu einer bedenklichen Schutzlücke des Umgangsrechts als Teil des elterlichen Sorgerechts führt; auch aus Art 21 HKindEntfÜbk, der eine Einbeziehung des Umgangsrechts in den Schutzbereich des HKindEntfÜbk nahelegt, wird freilich nicht geschlossen, dass ein das Umgangsrecht vereitelndes Verbringen durch den Sorgeberechtigten den Rückführungsmechanismus des HKindEntfÜbk auslöst.51 Die Widerrechtlichkeit entfällt, wenn das Verbringen aufgrund einer nach dem maßgeblichen Recht zulässigen Vereinbarung über das Sorgerecht erfolgt; dies ist nicht nur dann der Fall, wenn das Sorgerecht insgesamt zur Disposition einer Vereinbarung steht52, sondern auch dann, wenn für die Verbringung eine Einwilligung des weiterhin Mit-Sorgeberechtigten vorliegt. 46 47

48 49 50 51 52

Rb ’s-Gravenhage NIPR 2007, 36. Zur Anwendung auf Mit-Sorgeberechtigte untereinander: OLG Celle FamRZ 2007, 1587; OLG Naumburg FamRZ 2007, 1586; OLG Düsseldorf FamRZ 2008, 1775; Hof ’s-Hertogenbosch NIPR 2007, 153, 154; Rb ’s-Gravenhage NIPR 2007, 35. OLG Celle FamRZ 2007, 1587. OLG Koblenz NJW 2008, 238; Hof ’s-Hertogenbosch NIPR 2006, 402, 403; vgl auch Art 10 Rn 2 f. OLG Nürnberg FamRZ 2001, 645, 646; OLG Celle FamRZ 2007, 1587; Cass 2005/6014. Eingehend Ballesteros YB PIL 2007, 387. So in OLG Celle FamRZ 2007, 1587, 1588 nach dem (bis zum 16.3.2006 geltenden) italienischen Recht.

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Art 2 Brüssel IIa-VO, 27 Art 3 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

27 b) Ein Verfahren zur Feststellung der Widerrechtlichkeit des Verbringens oder Zurückhaltens entsprechend Art 15 HKindEntfÜbk sieht die VO nicht vor, weshalb auch § 41 IntFamRVG eine Bescheinigung über die Widerrechtlichkeit nur für den Fall des Art 15 HKindEntfÜbk regelt. Da jedoch insoweit – gerade wegen des Fehlens einer entsprechenden Regelung in der VO – deren Vorrang gegenüber dem HKindEntfÜbk (Art 60 lit e) nicht greift, ist das Verfahren nach Art 15 HKindEntfÜbk, § 41 IntFamRVG auch auf die Feststellung der Widerrechtlichkeit anzuwenden, wenn der Anwendungsbereich der Zuständigkeitsregeln in Art 10, 11 ff eröffnet ist. Dass in diesem Fall die Widerrechtlichkeit in Art 2 Nr 11 definiert ist, bleibt unschädlich, da die Voraussetzungen nicht von Art 3 HKindEntfÜbk abweichen.

Kapitel II Zuständigkeit Abschnitt 1 Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung einer Ehe Artikel 3

Allgemeine Zuständigkeit (1) Für Entscheidungen über die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe, sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, a) in dessen Hoheitsgebiet – beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder – die Ehegatten zuletzt beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder – der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder – im Fall eines gemeinsamen Antrags einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder – der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat, oder – der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn er sich dort seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat und entweder Staatsangehöriger des betreffenden Mitgliedstaats ist oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands, dort sein „domicile“ hat; b) dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen, oder, im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands, in dem sie ihr gemeinsames „domicile“ haben. (2) Der Begriff „domicile“ im Sinne dieser Verordnung bestimmt sich nach dem Recht des Vereinigten Königreichs und Irlands.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung I. Zweck und Verhältnis der Zuständigkeiten 1. Kriterien der Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verdrängung der Zuständigkeit aufgrund Staatsangehörigkeit einer Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gleichrangigkeit der Zuständigkeitsalternativen . . . . . . . . . . . 4. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . .

1

3 14 18

II. Aufenthaltszuständigkeiten (Abs 1 lit a)

1. Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt (Str 1) a) Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewöhnlicher Aufenthalt, Willensabhängigkeit? . . . . . . . . . . . . . c) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt (Str 2) a) Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Interessenungleichgewicht . . . . . . . . 3. Forum rei (Str 3) a) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 21 23

Art 3 Brüssel IIa-VO 1 4. Gemeinsamer Scheidungsantrag (Str 4) a) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gemeinsamer Antrag . . . . . . . . . . . . . c) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verschiedenartige Anträge . . . . . . . . 5. Forum actoris (Str 5) a) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Forum actoris im Heimatstaat (Str 6) a) Normgeschichte, Kritik . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen der Zuständigkeit c) Domicile substituiert Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . .

35 36 37 38 39 41 44 45 48 51

III. Staatsangehörigkeitszuständigkeit

26 27 28 31 34

(Abs 1 lit b) 1. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gemeinsames domicile a) domicile statt Staatsangehörigkeit b) Begriff des domicile (Qualifikationsverweisung, Abs 2)

I.

Zweck und Verhältnis der Zuständigkeiten

1.

Kriterien der Bindung

54 56 61 62

Die Festlegung der direkten Zuständigkeit der Gerichte in Ehesachen ist, wie schon 1 bei Brüssel I erprobt, Voraussetzung für einen Verzicht auf die Zuständigkeitsprüfung im Anerkennungsstadium. Die Suche nach Kriterien der zuständigkeitsrechtlichen Bindung zu einem Mitgliedstaat sollte der Mobilität Rechnung tragen und zugleich hinreichende Rechtssicherheit, vor allem für den Antragsgegner bieten,1 was durch zahlreiche Aufenthaltsanknüpfungen erreicht werden soll. Der zuständigkeitsrechtlichen Schwerpunktsetzung beim Aufenthalt entspricht es, dass die Vermeidung hinkender Entscheidungen im Verhältnis zum Heimatstaat zurücktritt; eine Anerkennungsprognose ist auch dann nicht vorgesehen, wenn die Zuständigkeit nur an den Aufenthalt eines Ehegatten anknüpft.

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Borrás-Bericht Nr 27.

Thomas Rauscher

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Art 3 Brüssel IIa-VO 2, 3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

2 Parteiautonomie im Sinn vorheriger Vereinbarung eines Gerichtsstands kommt traditionell im Eheverfahrensrecht2 ebenso wenig in Betracht wie rügelose Einlassung. 3 Der derzeit gescheiterte Vorschlag einer Brüssel IIa-Reform (dazu Einl Rn 44ff) enthält jedoch in Art 3a Brüssel IIa-ÄndE eine begrenzte Parteiautonomie,4 wobei ungeklärt ist, ob eine solche Parteiautonomie nur im unmittelbaren Vorfeld der Ehescheidung oder auch vorsorgend (zB in einem Ehevertrag) auszuüben sein sollte. Der dem allgemeinen zivilprozessualen Zuständigkeitssystem (Brüssel I-VO) eigene Grundsatz actor sequitur forum rei gilt, wie auch im nationalen Recht, nur eingeschränkt. 2.

Verdrängung der Zuständigkeit aufgrund Staatsangehörigkeit einer Partei

3 a) Die Grundentscheidung für eine weitgehend am Aufenthalt orientierte Zuständigkeit bedeutet eine Abkehr von dem in der überwiegenden Anzahl der Mitgliedstaaten5 bisher geltenden Prinzip, dass jeder Staatsangehörige (in angelsächsischen Staaten Domizilierte) in den seinen Status betreffenden Angelegenheiten als Antragsteller auch die Gerichte seines Heimatstaats in Anspruch nehmen kann,6 wobei die Frage, ob auch eine Zuständigkeit des Heimatstaates bei Eheschließung als „Antrittszuständigkeit“ konserviert wird, nur ein untergeordneter Teilaspekt des Problems ist.7 In fast allen Mitgliedstaaten, die eine solche Anknüpfung vorsehen, geht diese einher mit einer gleichgewichtigen Zuständigkeitsanknüpfung an die Staatsangehörigkeit oder das domicile des Antragsgegners,8 in einigen östlichen Mitgliedstaaten ist diese Zuständigkeit sogar ausschließlich. Der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Antrags2 3 4

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Borrás-Bericht Nr 32; Spellenberg FS Geimer (2002) 1263. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1. Dazu Salerno Riv dir int priv proc 2007, 63, 75; Rauscher FS Kerameus Band 1 (2009), 1113; Pabst Rn 482 ff. Anders zB in Finnland, Lettland, Litauen, Estland, Slowenien, Rumänien (jeweils Wohnsitzzuständigkeit). Die Staatsangehörigkeit bzw das domicile des Antragstellers begründet die internationale Zuständigkeit in: Bulgarien (Art 7 IPRG); Deutschland (§ 98 Abs 1 Nr 1 FamFG); Frankreich (Art 14 cc); Griechenland (Art 612 KPD); Irland (sec 39 FLDA 1996 domicile oder residence); Italien (Art 32 IPRG); Luxemburg (Art 14 cc); Österreich (§ 76 Abs 2 JN); Polen (Art 1100 ZVGB); Portugal (Art 65 Abs 1 cpc, jedoch nur bei Gegenseitigkeit mit dem Heimatstaat des Antragsgegners); Spanien (Art 22 LOPJ); Slowakei und Tschechien (jeweils § 38 IPRG); Ungarn (§§ 62 b, 70 IPRG); UK (sec 19 FLA 1996, domicile); Zypern (domicile, teilweise kirchengerichtliche Zuständigkeit, Art 111 Verf); im Prinzip nur bei Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt im Gerichtsstaat in Schweden (2. Kap § 2 EheG). Vgl § 98 Abs 1 Nr 1 FamFG, ebenso Art 612 Abs 1 KPD (Griechenland). Die Staatsangehörigkeit des Antragsgegners begründet die internationale Zuständigkeit in gleicher Weise wie die des Antragstellers in: Bulgarien (Art 7 IPRG); Deutschland (§ 98 Abs 1 Nr 1 FamFG); Frankreich (Art 15 cc); Griechenland (Art 612 KPD); Irland (sec 39 FLDA 1996 domicile oder residence); Italien (Art 32 IPRG); Luxemburg (Art 15 cc); Österreich (§ 76 Abs 2 JN); Polen (Art 1100 ZVGB); Slowakei und Tschechien (jeweils § 38 IPRG); UK (sec 19 FLA 1996, domicile); Ungarn (§§ 62 b, 70 IPRG); Zypern (domicile); Finnland knüpft zwar die Zuständigkeit seit 1987 nicht mehr an die Staatsangehörigkeit, folgt aber weiter dem Prinzip des rollenunabhängigen Gerichtsstands

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 3 Brüssel IIa-VO 4- 6

gegners als das aus dem allgemeinen, nicht ehespezifischen Zuständigkeitssystem übernommene forum rei tritt teilweise neben9 das verbreitet festzustellende Prinzip der heimatorientierten rollenunabhängigen Zuständigkeitsanknüpfung, die meist in einem besonderen Gerichtsstand für Ehesachen verwirklicht ist. Die VO wählt hingegen einen völlig anderen Ausgangspunkt, indem sie das zustän- 4 digkeitsrechtliche Gewicht deutlich auf den Antragsgegner verschiebt10 und die Staatsangehörigkeit als Kriterium nach Kräften verdrängt. Es bleibt nur ein Forum der gemeinsamen Staatsangehörigkeit (Abs 1 lit b), während von dem Heimatforum des Klägers nur ein aus sonderbaren Gründen zustande gekommener Rest in Abs 1 lit a Str 6 fortbesteht. Damit geht nicht nur die Zuständigkeitsbegründung durch die Staatsangehörigkeit einer Partei verloren, sondern zugleich auch ein beständiges, nicht leicht zu manipulierendes Kriterium für den bisher verbreiteten internationalen Antragstellergerichtsstand.11 Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Antragstellers sei, so wird vertreten, im 5 europäischen Kontext nicht mehr zeitgemäß12 oder gar aus dem Blickwinkel des Diskriminierungsverbots (Art 12 Abs 1 EGV; künftig Art 18 Abs 1 AEUV) fragwürdig. Selbst die in Abs 1 lit a Str 6 bestimmte Verkürzung der Aufenthaltsfrist beim forum actoris im Heimatstaat des Klägers wird im Schrifttum als diskriminierend angesehen.13 Beides ist falsch: Ein europäisch bestimmtes forum actoris kann jeder Ehegatte in seinem Heimatstaat nutzen. Europa ist ein Bündnis von Nationalstaaten, angetreten als „Europa der Vaterländer“. Es wäre eine höchst schädliche Illusion zu glauben, man könne die Akzeptanz Europas fördern, indem man gerade in Statussachen den Unionsbürgern in der Antragstellerrolle die bisher zu Recht verbreitete Heimatzuständigkeit nimmt, ihnen die Mentalität, nur noch Europäer zu sein und den Rückzug auf ihr einigermaßen gewohntes und bekanntes Heimatrecht aufzugeben, zuständigkeitsrechtlich oktroyiert. Die Bürger müssen die Chance haben, sich in Europa wiederzufinden, weil am Ende sonst ein politisches Europa steht, das seine Bürger resigniert zurücklässt. b) Zudem sollte nicht übersehen werden, dass zwischen der Bereitstellung eines Fo- 6 rum und der Gewährung der Scheidung ein weit engerer Zusammenhang besteht, als zwischen Forum und Anspruch im Rahmen von Brüssel I. Bei Versagung einer internationalen Scheidungszuständigkeit vor einem Gericht, dessen IPR zu eher schei-

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(§ 119 EheG: Wohnsitz eines Ehegatten); Belgien knüpft dagegen nur an den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners an (Art 5 § 1, 42 IPRG). ZB Art 3 IPRG Italien. Dazu unten Rn 31 ff; primär antragsgegnerorientiert entscheiden nur: Belgien (Art 5 § 1, 42 IPRG), Niederlande (Art 429 c Abs 2, 814 WRV gehen allerdings ihrerseits auf den Entwurf des Übereinkommens zurück, Art 429 c Abs 1 aF knüpfte – auch die internationale Zuständigkeit – vorrangig an den Aufenthalt des Antragstellers an); teilweise auch Schweden (3. Kap § 2 EheG). Zu den Konsequenzen hieraus vgl unten Rn 33 ff. Geimer/Schütze/Dilger vor Art 3 Rn 25; Becker-Eberhard FS Beys (2003) 93, 101 ff. Hau FamRZ 2000, 1336; Schack RabelsZ 65 (2001) 623; Staudinger/Spellenberg (2005) Rn 29; näher unten Rn 47.

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Art 3 Brüssel IIa-VO 6

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

dungsfreundlichem Recht führen würde,14 kann über eine andere kollisionsrechtliche Anknüpfung ein weniger scheidungsfreundliches Recht Anwendung finden. Einerseits steht Deutschland mit der grundsätzlichen Staatsangehörigkeitsanknüpfung in Europa nicht allein und auch die nachfolgende Anknüpfungsleiter ist in vielen Mitgliedstaaten üblich, wobei allerdings bei Versagen der Staatsangehörigkeitsanknüpfung eher die lex fori als eine Schwerpunktbestimmung wie in Art 17 Abs 1 S 1 iVm 14 Abs 1 Nr 3 EGBGB eingreift.15 In etwa der Hälfte der Beitrittsstaaten (seit 2004) steht ebenfalls an der Spitze das Staatsangehörigkeitsprinzip, bei dessen Versagen jedoch mit unterschiedlichen Ansätzen sogleich – also ohne die „Aufenthaltsstufe“ – auf die lex fori zugegriffen wird.16 Demgegenüber sind reine Aufenthaltsanknüpfungen selten.17 Jedoch sieht insbesondere das deutsche Recht zur Gewährleistung der Scheidungsfreiheit eine Hilfsanknüpfung (Art 17 Abs 1 S 2 EGBGB18) zugunsten deutscher Antragsteller vor. Ähnlich verfahren auch einige andere Mitgliedstaaten.19 Deren Anwen14

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Illustrativ Hof ’s-Gravenhage NIPR 2006, 145: Anstreben einer niederländischen Zuständigkeit in einer maltesisch-niederländischen Ehe für gemeinsamen Scheidungsantrag. An die gemeinsame Staatsangehörigkeit, hilfsweise den gewöhnlichen Aufenthalt knüpfen an: Bulgarien Art 82 Abs 1 IPRG; Deutschland Art 17 Abs 1 S 1, Art 14 Abs 1 EGBGB; Griechenland Art 16, 14 AK; Italien Art 31 Abs 1 IPRG; Luxemburg Art 305 cc; Niederlande Art 1 Abs 1 Ehescheidungs-IPRG vom 25.3.1981; Österreich §§ 18 Abs 1, 20 Abs 1, 9 Abs 1 IPRG; Portugal Art 52, 55 Abs 1 cc; Rumänien Art 22 Abs 1, 20 IPRG (dabei gemeinsamer Wohnsitz als 2. Stufe vor gemeinsamem Aufenthalt); Spanien Art 9 Abs 2, 197 Abs 2 cc; auch das französische IPR (Art 310 cc) knüpft, systematisch von der Statutenlehre inspiriert, jedenfalls für Franzosen an französisches Recht an und greift sonst ebenfalls auf die Anknüpfungsleiter zurück, wenn nicht beide Ehegatten ihren Wohnsitz in Frankreich haben. Polen: Art 18 FamGB; Tschechien und Slowakei: § 22 Abs 1 IPRG; ähnlich Ungarn § 40 Abs 1 IPRG; am engsten bleibt Slowenien bei der Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium, da dort nicht nur an die gemeinsame Staatsangehörigkeit, sondern hilfsweise kumulativ an beide StA angeknüpft wird (Art 37 IPRG), ehe, nur bei Inlandsbezug, die lex fori Anwendung findet (zur jeweiligen Inländerbegünstigung sogleich). Der gemeinsame Aufenthalt ist Anknüpfungskriterium im IPR von Estland (§ 144 Abs 1 AT-ZGB) und Belgien (Art 55 § 1 Nr 4 IPRG). Er wird unter Lockerung der Staatsangehörigkeitsanknüpfung zur primären Anknüpfung im niederländischen IPR, wenn einer der Ehegatten zu dem gemeinsamen Heimatstaat keine wirkliche soziale Verbindung mehr hat (Art 1 Abs 2 EhescheidungsIPRG, vgl Fn 15). Hingegen führen lex fori-Anknüpfungen nicht gezielt zur Anwendung des gemeinsamen Aufenthaltsrechts: Insbesondere die im common law, also in Irland und dem UK sowie in Zypern übliche Anwendung der lex fori führt auf der Grundlage der Zuständigkeit bei domicile nur eines Ehegatten regelmäßig zur Anwendung des Rechts am domicile des Antragstellers im Gerichtsstaat. Die Anwendung der lex fori vor schwedischen Gerichten führt mittelbar zur Aufenthaltsanknüpfung, wo jedoch die Möglichkeit einer Scheidung nach einem der Heimatrechte nur bei weniger als einjährigem gewöhnlichem Aufenthalt in Schweden die Scheidung begrenzt (3. Kap § 4 Gesetz 1904:26 S 1). Trotz einer sehr ähnlich strukturierten Kollisionsnorm in Finnland ist die Anwendung finnischen Rechts wegen der rollenneutralen Bestimmung der Zuständigkeit tendenziell wieder stärker antragstellerseitig. Ebenfalls zuständigkeitsabhängig ist die reine lex fori-Anknüpfung in Lettland (Art 12 Abs 1 ZGB) und Litauen (Art 211 Abs 1 Ehe-FamG).

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

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dung setzt eine deutsche Zuständigkeit voraus, die im deutschen IZPR durch § 98 Abs 1 Nr 1 FamFG gewährleistet wäre. Angesichts einst weltanschaulich geprägter und derzeit immer noch von erheblichen rechtspolitischen Unterschieden getragener materieller Scheidungsrechte ist die Staatsangehörigkeitszuständigkeit also auch ein Instrument zur Gewährleistung der Scheidung nach dem jeweiligen materiellen Eheverständnis und daher im Kern durchaus legitim. 20 Da nach der nun auch vom EuGH vertretenen Ansicht Art 6, 7 den Rückgriff auf § 98 Abs 1 Nr 1 FamFG ausschließen, wenn Art 3 in irgendeinem anderen Mitgliedstaat eine Zuständigkeit begründet und Art 3 eine einseitige Staatsangehörigkeitszuständigkeit nicht gewährt, lässt sich materiell scheidungsrechtlich das gemeinsame Aufenthaltsrecht nun nicht mehr umgehen. Das bedeutet für den mit seinem ausländischen Ehegatten (auch einem Nicht-Uni- 7 onsbürger!) in Malta,21 Irland,22 Italien,23 Luxemburg24 oder Portugal25 lebenden Deutschen drastisch verschärfte Voraussetzungen für eine Zerrüttungsscheidung, insbesondere in Fällen streitiger Scheidung. Andere Mitgliedstaaten haben in jüngerer Zeit die Fristen für die Zerrüttungsscheidung gelockert, wobei jeweils erhebliche ge18

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Vereinzelt wurde auch Art 17 Abs 1 S 2 für diskriminierend iSd Art 12 Abs 1 EGV gehalten: AG Hamburg FamRZ 1998, 1590; kritisch auch Wagner IPRax 2000, 512, 519. Bulgarien: Subsidiäre Anwendung bulgarischen Rechts, wenn fremdes Ehescheidungsstatut die Scheidung nicht zulässt und ein Ehegatte bulgarische Staatsangehörigkeit oder gewöhnlichen Aufenthalt in Bulgarien hat (Art 82 Abs 3 IPRG); Rumänien: Subsidiäre Anwendung rumänischen Rechts, wenn das Ehescheidungsstatut die Scheidung nicht oder nur unter besonders restriktiven Bedingungen zulässt und ein Ehegatte rumänischer Staatsangehöriger ist (Art 22 Abs 2 IPRG); Slowenien: Subsidiäre Anwendung slowenischen Rechts bei nach den Heimatrechten unscheidbarer Ehe, wenn ein Ehegatte Wohnsitz (Art 37 Abs 3 IPRG) bzw Staatsangehörigkeit (Art 37 Abs 4 IPRG) in Slowenien hat. In Ungarn ist die Ehe von Ehegatten verschiedener Staatsangehörigkeit nach ungarischem Recht zu scheiden, wenn einer der Ehegatten Ungar ist (§ 40 Abs 2 IPRG). Tschechien und Slowakei wenden ihr Recht an, wenn die Scheidung erheblich erschwert ist und ein Ehegatte für längere Zeit im Lande gelebt hat, was in Richtung des gewöhnlichen Aufenthalts tendiert (§ 22 Abs 2 IPRG). Schack RabelsZ 65 (2002) 622, der allerdings vorschnell meint, Art 2 Brüssel II-VO sei so flächendeckend, dass die StA-Zuständigkeit entbehrlich werde. Vgl Hof ’s-Gravenhage NIPR 2006, 145; nach dem Recht von Malta kann eine Ehe nicht geschieden werden. Möglich ist nur eine gerichtliche Trennung (Art 35 ff ZGB). Eine einvernehmliche Trennung durch öffentlich beurkundeten Vertrag ist gemäß Art 59 ZGB möglich. Die Trennung bewirkt jedoch keine Lösung des Ehebandes, weshalb, trotz eintretender Suspendierung aller ehelichen Pflichten, eine erneute Eheschließung mit einem Dritten ausscheidet. Vier Jahre Getrenntleben innerhalb der letzten fünf Jahre (Art 41 (3) 2 Constitution, sec 5 (1) FLA 1996). Drei Jahre formalisierte Trennung (Art 3 Nr 2 b legge 898/1970). Drei Jahre Getrenntleben (Art 230 cc). Drei Jahre Getrenntleben, ein Jahr bei einverständlicher Scheidung (Art 1781 cc); diese Regelung ist nicht mit § 1566 BGB zu vergleichen, weil § 1565 Abs 1 BGB auch eine streitige Scheidung wegen nachgewiesenem Scheitern schon nach einem Jahr (§ 1565 Abs 2 BGB) erlaubt.

Thomas Rauscher

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B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

sellschaftliche Widerstände bestanden, was insbesondere deutlich macht, wie erheblich rechtspolitisch und weltanschaulich geprägt diese Thematik weiterhin ist. 26 In den Niederlanden sperrt eine Ehetrennung die Umwandlung in eine Ehescheidung für drei Jahre. 27 Eine deutsche Zuständigkeit erlangt der deutsche Ehegatte nur nach sechsmonatigem gewöhnlichem Aufenthalt (lit a Str 6); der Preis hierfür ist – aus tatsächlichen Gründen – in der Regel die Aufgabe des Arbeitsplatzes im EG-Gastland, was mit freiem Personenverkehr und Mobilität der Bürger kaum zu vereinbaren ist. 28 Für einige Mitgliedstaaten, die 2004 hinzugekommen sind, sowie nun aus spanischer Sicht, ist dieses Problem sogar noch deutlicher, weil deren Mindesttrennungsfristen deutlich unter einem Jahr liegen. 29 Von Skylla und Charybdis zu sprechen liegt hier nicht nur wegen der europäischen Wurzeln des Dilemmas nahe. Ursache ist ein typisches EG-Problem: Da eine Konvergenz der materiellen Rechtsordnungen fern liegt, wurden die Augen vor den materiellen Systemunterschieden verschlossen, um vermeintliche zuständigkeitsrechtliche Erfolge zu erzielen. 8 Auch dies steht durchaus nicht im Einklang mit einer verbreiteten Sicht in den nationalen Rechtsordnungen. Art 17 Abs 1 S 2 EGBGB vergleichbare Regelungen sind seltener als die Staatsangehörigkeitsanknüpfung als solche, der Gedanke des Antragstellerschutzes wird aber nicht selten mittelbar erzielt. 30 Auch das Diskriminierungsverbot des Art 12 EGV (künftig Art 18 AEUV) zwingt nicht dazu, den berechtigten

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In Frankreich wurde durch Gesetz 2004-439 die vormals 6 Jahre betragende Trennungsfrist für eine Zerrüttungsscheidung auf 2 Jahre reduziert, zum Ringen um diese Reform Fehre LA Rauscher (2005) 27 ff; zum Inhalt der Reform auch Ferrand FamRZ 2004, 1423. In Spanien wurde als zeitnahe Folge des Wahlsieges der Sozialistischen Partei am 29.6.2005 das Gesetz zur Änderung des Scheidungsrechts (Proyecto de ley de modificaciòn del CC en materia de separación y divorcio) im Kongress verabschiedet. Nach Art 81 CC nF besteht sowohl für beidseitige wie für einseitige Scheidungsanträge nur noch eine Karenzfrist von drei Monaten; dazu Martín-Casals/Ribot FamRZ 2006, 1331. Art 1:150 iVm 1:179 BW. Dörner in: Großfeld/Yamauchi/Ehlers/Ishikawa, Probleme des deutschen, europäischen und japanischen Rechts (2006) 17, 23. Spanien: 3 Monate (Art 81 CC); Tschechien und Slowakei: 6 Monate, sofern die Ehe ein Jahr bestanden hat (§ 24a Abs 1 FamG); Estland: 3 Monate ab Einreichung des Antrags (§ 28 Abs 1 AT-ZGB); Litauen: 3 Monate ab Einreichung des Antrags (Art 36 Ehe-FamG). Mit § 1566 BGB übereinstimmende Fristen einschließlich der abgestuften unwiderlegbaren Zerrüttungsvermutung enthalten dagegen Art 76, 77 des lettischen ZGB. Im belgischen Recht werden die Zulässigkeit der Scheidung (Art 2 loi 27-6-1960) und die Gründe (Art 3) nach belgischem Recht beurteilt, wenn auch nur ein Ehegatte Belgier ist; Art 31 Abs 2 des italienischen IPRG erlaubt allseitig das Ausweichen auf die lex fori, wenn das Scheidungsstatut die Scheidung oder Trennung nicht kennt; lex fori-Anknüpfungen mit einseitig auf den Antragsteller abstellender Zuständigkeitsanknüpfung (zB in den common law Staaten) gewährleisten immer dessen Scheidungsfreiheit nach Maßgabe der lex fori.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

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Gedanken aufzugeben, dass ein Ehegatte nicht gegen den von seinem Heimatrecht gewährten Schutz der Scheidungsfreiheit in einer gescheiterten Ehe gefangen sein sollte. c) Der durch die Haltung der VO auftretende Konflikt mit der Gewährleistung der 9 Scheidungsfreiheit,31 deren bisherige32 Wertschätzung durch den deutschen Gesetzgeber Art 17 Abs 1 S 2 EGBGB augenfällig bestätigt wird, lässt sich so lange nicht befriedigend lösen, wie kein europäischer Grundrechtskonsens zu der Frage erzielbar ist, welche Wartefristen vor Scheidung einer gescheiterten Ehe zumutbar sind.33 Gemessen an Art 6 Abs 1 GG sind Wartefristen von mehr als drei Jahren inakzeptabel,34 insbesondere, wenn in einer neuen Verbindung eine Ehe eingegangen werden soll und dort eventuell bereits Kinder vorhanden sind. Versteht man Art 9 der EU-Grundrechtecharta nicht weiter als Art 12 EMRK, so schützt er im Gegensatz zu Art 6 Abs 1 GG noch nicht einmal grundsätzlich neben der Eheschließungs- auch die Ehescheidungsfreiheit. Die unterschiedlichen Trennungsfristen zeigen überdeutlich, dass der Konsens auch de facto nicht besteht. Es ist aber einer Gemeinschaft, die sich der Freizügigkeit ihrer Bürger verpflichtet sieht, unwürdig, wenn nationaler Grundrechtsschutz im Interesse der europafreundlichen petitio principii eines als gleichwertig postulierten EUGrundrechtsschutzes zurückweicht und die betroffenen Bürger in elementaren Fragen ihrer Lebensgestaltung dem grundrechtlichen status quo minus ausgeliefert sind, der von der jeweils illiberalsten Scheidungsrechtsordnung definiert wird. Es geht hier um nicht weniger als die Frage, ob der individuelle Grundrechtsschutz wichtiger ist oder die Illusion eines ungetrübten europäischen Konsenses. Im materiellen Recht ist ein solcher Konsens über Trennungsfristen derzeit jedenfalls 10 nicht abzusehen.35 Eine EG-einheitliche kollisionsrechtliche Lösung de lege ferenda, etwa zugunsten ei- 11 ner hilfsweisen Anwendung des Heimatrechts des Antragstellers böte einen Ausweg. Vorbildlich für eine diskriminierungsfreie die Scheidungsfreiheit schützende Kollisionsnorm ist die österreichische Lösung in § 20 Abs 2 IPRG, wonach allseitig auf das 31

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Zu den (deutschen) verfassungsrechtlichen und den europäischen Wertungen Looschelders FS Kropholler (2008) 329, 330. Es besteht freilich die Gefahr, dass sich die Rechtsprechung von Argumenten beeindrucken lässt, Europafreundlichkeit erfordere eine restriktive Anwendung von Art 17 Abs 1 S 2 EGBGB, vgl BGH NJW 2007, 220, wo freilich weiter außer Zweifel steht, dass ein völliger Ausschluss der Ehescheidung nicht hinnehmbar wäre. Wenn schon eine lange Verfahrensdauer im Ausland unzumutbar ist (BGH IPRax 1984, 152, 154; AG Leverkusen FamRZ 2003, 41), so erst recht das Fehlen einer Jurisdiktion in der überhaupt in zumutbarer Zeit eine Scheidung zu erwarten ist. AA nunmehr jedoch BGH NJW 2007, 220. Zur Frage der Sachrechtsvereinheitlichung vgl Einl Rn 56 ff; schnelle Entwicklungen wie im belgischen Recht, das im Jahr 1982 die Trennungsfrist von einstmals zehn (!) auf fünf und im Jahr 2000 auf zwei Jahre verkürzt hat (Art 232 cc), sind die Ausnahme und hängen, wie das spanische Beispiel zeigt, auch von der Änderung politischer Konstellationen ab.

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Heimatrecht des Antragstellers zurückgegriffen wird, wenn das eigentliche Scheidungsstatut die Scheidung derzeit nicht erlaubt. Im Rahmen des Vorschlags Rom III / Brüssel IIa-ÄndE (Einl Rn 44) fehlen solche Überlegungen. 12 De lege lata muss eine verfahrensrechtliche Lösung versucht werden. Das Problem besteht darin, dass zuständigkeitsrechtlich eine Gleichwertigkeit der europäischen Rechtspflege postuliert wird, die materiell ehescheidungsrechtlich nicht existiert. Das wurde in der Diskussion um den ordre public im Anerkennungsstadium (Art 22 lit a) durchaus erkannt, was zu dem merkwürdigen Ergebnis führt, dass die eher scheidungsfeindlichen Mitgliedstaaten sich die Versagung der Anerkennung von Scheidungsurteilen vorbehalten haben, scheidungsfreundliche Mitgliedstaaten jedoch gehindert sind, ihren Gerichten eine Zuständigkeit zu verschaffen. Mit anderen Worten: Es fehlt ein zuständigkeitsbegründender ordre-public-Vorbehalt. Der durch Art 6 bzw Art 7 iVm Art 3-536 verschlossene Weg zur lex fori muss in extremen Fällen der Scheidungserschwerung oder -verweigerung dennoch über die Inanspruchnahme einer Notzuständigkeit eröffnet werden; eine solche Notzuständigkeit lässt sich auf den Gedanken stützen, dass bei Bestehen einer den Rückgriff auf die lex fori ausschließenden (Art 7) Zuständigkeit in einem Mitgliedstaat, der die Entscheidung über einen Ehescheidungsantrag verweigert, der Heimatstaat des Antragstellers dessen Anspruch auf Zugang zu Gericht zu gewährleisten hat.37 Auch die Treue zum Europarecht kann nicht zur Rechtsverweigerung zwingen. Der Gedanke der Freizügigkeit würde pervertiert, wenn sie nur um den Preis des Verlusts eines liberalen Scheidungsrechts nutzbar wäre. 38 13 d) Besonders deutlich wird der Konflikt, soweit Art 6 lit a die Zuständigkeiten des Art 3 als ausschließlich durchsetzt zugunsten eines Antragsgegners ohne Unionsbürgerschaft mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat; in der vom EuGH gewählten Auslegung, die der Brüssel IIa-VO auch darüber hinaus Ausschließlichkeit zumisst,39 gilt dies sogar ohne diesen EG-Bezug des Antragsgegners. Art 12 EGV/ Art 18 AEUV erfordert eine solche Regelung, die Nicht-EU-Bürger als Antragsgegner schützt, nicht, die Verdrängung der Heimatzuständigkeit ist hier nicht geboten. Es wäre auch wenig überzeugend, die Diskriminierung des einem Drittstaat angehörenden und regelmäßig nur wegen des Bestehens der Ehe in der Union aufenthaltsberechtigten Ehegatten eines Unionsbürgers zu vermuten, wenn die Zuständigkeit der Heimatgerichte dieses Unionsbürgers bestünde. Hier geht die Abkehr von der Staatsangehörigkeitszuständigkeit eindeutig zu weit.

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Dazu Art 6 Rn 6 ff. Hof ’s-Gravenhage NIPR 2006, 145, 146: gewöhnlicher Aufenthalt beider Ehegatten in Malta, Antragstellerin Niederländerin; eingehend zur Notzuständigkeit in Ehescheidungssachen nach niederländischem Recht Schmidt NIPR 2007, 116. Im Extremfall des Rechts von Malta geht es um die Unscheidbarkeit, der auch ein EU-Bürger aus einem anderen Mitgliedstaat nur entrinnen könnte, wenn er Malta verlässt. Dazu Art 6 Rn 11.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 3 Brüssel IIa-VO 14, 15

3.

Gleichrangigkeit der Zuständigkeitsalternativen

a)

Die Zuständigkeiten nach Abs 1 stehen nicht in einem Rangverhältnis. 40 Die 14

VO kennt auch keinen allgemeinen Gerichtsstand und mit zusätzlichen Voraussetzun-

gen versehene besondere Gerichtsstände,41 was angesichts der Homogenität der Streitgegenstände auch wenig sinnvoll wäre. Der Antragsteller hat, sofern die Voraussetzungen mehrerer Alternativen vorliegen, die freie Wahl zwischen den Gerichtsständen.42 Das gilt auch im Verhältnis der Zuständigkeiten nach Abs 1 lit a zu denen nach lit b.43 Das Verhältnis zwischen mehreren Gerichtsständen wird erst auf der Ebene der Rechtshängigkeit durch Art 19 geregelt, wobei jedenfalls die breite Konfliktregelung in Art 19 Abs 1 parallele Verfahren zwischen den Ehegatten um den Bestand ihrer Ehe ausschließt. b) Die dadurch begründete Möglichkeit des forum shopping44 hat angesichts des 15 nicht vereinheitlichten IPR und der erheblichen Unterschiede in den materiellen Scheidungsrechten eine deutlich größere Bedeutung als für Brüssel I, zumal der Antragsteller durch Aufenthaltswechsel ein Forum auch schaffen kann.45 Die Auswahl des richtigen Forums bestimmt nicht nur über den Erfolg des Scheidungsantrages mit, sondern erlaubt insbesondere das Ausweichen auf scheidungsfreundlichere Rechtsordnungen,46 was für Staaten, die der Ehescheidung noch immer sehr zurückhaltend gegenüberstehen, durchaus ein Problem bedeutet. 47 Sie hat zudem Auswirkungen auf Scheidungsfolgen, zB aufgrund der Festlegung des nachehelichen Unterhaltsstatuts auf das tatsächliche Scheidungsstatut (Art 8 HUntStÜbk 1973).48 Die Alternativität der Zuständigkeitskriterien ist jedoch letztlich ein Ausgleich dafür, dass die VO durch eine Festlegung auf ein überwiegend am gewöhnlichen Aufenthalt orientiertes System die bisher gewohnten nationalen Zuständigkeiten stark beschränkt. Gerade in Personenstandssachen muss ein Zuständigkeitssystem auch der Einschätzung der Beteiligten von der Angemessenheit eines Gerichtsstands entgegenkommen49 und darf sich

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48 49

Pabst Rn 222; missverständlich Vogel MDR 2000, 1047: „Kaskadenanknüpfung“. Hausmann EuLF 2000/01, 275. Borrás-Bericht Nr 29; Hau FamRZ 2000, 1334; Kohler NJW 2001, 11; Hausmann EuLF 2000/01, 276; MünchKommZPO /Gottwald Rn 2; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1. Cass 12-12-2006 Bull civ 2006 no 539: Keine Unzuständigerklärung wegen gemeinsamer algerischer Staatsangehörigkeit der Ehegatten bei gewöhnlichem Aufenthalt der Ehegatten in Frankreich; ebenso implizit OLG Koblenz FamRZ 2009, 611; AG Leverkusen FamRZ 2005, 1684; AG Leverkusen FamRZ 2008, 1758. Vgl dazu den Bericht des TMC Asser Instituut (JAI /A3/2001/04 Dez 2002); abgelegt auf www.euzpr.eu sub: Rom III-1-VO-E. Rieck FPR 2007, 251, 253. Jänterä-Jareborg YB PIL 1999, 8. Schwarz/Scherpe FamRZ 2004, 665, 675; Shannon Law Society Gazette 2001, 19; dazu Jayme/Kohler IPRax 2002, 469. BGBl 1986 II 837. Zutreffend Jänterä-Jareborg YB PIL 1999, 8 f.

Thomas Rauscher

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Art 3 Brüssel IIa-VO 16-18

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

nicht auf das formale Postulat zurückziehen, alle europäischen Gerichte seien gleichwertig.50 16 c) Der Zuständigkeitskatalog des Art 3 ist nach dem Wortlaut des Art 6 nur nach Maßgabe von Art 6 und 7 abschließend. Nachdem der EuGH sich der Ansicht angeschlossen hat, die über Art 6 hinaus der VO schon dann Vorrang einräumt, wenn nach Art 3-5 auch nur in einem Mitgliedstaat eine Zuständigkeit besteht, kann ein nicht nach Art 3 ff international zuständiges Gericht seine Zuständigkeit nur dann auf nationales IZPR stützen, wenn die Zuständigkeiten der VO nicht in diesem erweiterten Sinn ausschließlich sind.51 17 d) In welchem prozessualen Zeitpunkt die Voraussetzungen der internationalen Zuständigkeit nach Art 3 bestehen müssen, ist in der VO nicht ausdrücklich geregelt. Ebenso wie der Brüssel I-VO52 liegt ihr jedoch das autonome Prinzip der perpetuatio fori internationalis zugrunde. Änderungen der die Zuständigkeit begründenden Tatsachen, insbesondere eine Aufenthaltsverlegung, berühren die internationale Zuständigkeit also nicht mehr, wenn sie nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgen.53 Für die Rechtshängigkeit sollte nicht auf die jeweilige lex fori zurückgegriffen werden. Die zur Vermeidung konkurrierender Rechtshängigkeiten geschaffene autonome Legaldefinition in Art 16 ist auch für diese Frage heranzuziehen. Zwar scheint es auf den ersten Blick nicht erforderlich, die internationale Zuständigkeit eines Gerichts zu perpetuieren, das mangels Rechtshängigkeit noch nicht einmal örtlich abschließend zuständig ist. Versucht jedoch ein Ehegatte dem Gericht in diesem Stadium durch Aufenthaltsverlegung die Zuständigkeit zu entziehen (was in praxi der häufigste Anwendungsfall der perpetuatio fori in Ehesachen ist), so kommt es zu Widersprüchen mit Art 16. Ruft einer der Ehegatten nun ein anderes Gericht an, so wäre das zunächst angerufene zwar vorrangig iSd Art 16 ff, aber mangels perpetuatio fori nicht mehr international zuständig. Auch die perpetuatio fori wird also bereits durch die autonome Rechtshängigkeit (Art 16) ausgelöst. 4.

Örtliche Zuständigkeit

18 Art 3 regelt nur die internationale Zuständigkeit. Das örtlich zuständige Gericht ist nach der lex fori zu bestimmen. Fehlt es nach der lex fori eines Staates, dessen Gerichte gemäß Art 3 international zuständig sind, an einer örtlichen Zuständigkeit, so muss diese Lücke durch Hilfszuständigkeiten geschlossen werden.54 Dabei sollte nur äußerst hilfsweise eine Zuständigkeit der Gerichte der Hauptstadt55 angenommen werden. Die Art 3 zugrunde liegende ratio wird besser durch eine Verlängerung der dort genannten 50

55

Bedenklich ist daher die unreflektiert europafreundliche Ansicht, die eine Restriktion nationaler Zuständigkeiten mit diesem Topos rechtfertigt, vgl zuletzt Hau FPR 2002, 617. Vgl im Einzelnen Art 7 Rn 8 ff. Kropholler vor Art 2 Brüssel I-VO Rn 14. BGH FamRZ 2007, 109; OLG Koblenz FamRZ 2009, 611. Zöller /Geimer Rn 13. So aber Zöller /Geimer Rn 13.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 3 Brüssel IIa-VO 19-21

Anknüpfungskriterien in die örtliche Zuständigkeitsbestimmung erreicht. Diese Methode gelingt auch meist bei den Zuständigkeiten nach Abs 1 lit a, da diese aufenthaltsbezogen sind. Lediglich die Zuständigkeit nach Abs 1 lit b kann auch ohne jeden räumlichen Bezug innerhalb des gemeinsamen Heimatstaates bestehen. Vor deutschen Gerichten wird im Rahmen der aufenthaltsbezogenen Zuständigkeiten des Art 3 in aller Regel auch eine örtliche Zuständigkeit nach § 122 Nr 1-4 FamFG bestehen, eine Lücke also nur auftreten, wenn sich eine Verlängerung der internationalen Zuständigkeiten ohnehin nicht anbietet. Dann gilt § 122 Nr 5 FamFG.56 II.

Aufenthaltszuständigkeiten (Abs 1 lit a)

1.

Gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt (Str 1)

a) Motivation Die rechtspolitische Motivation für eine Zuständigkeit der Gerichte am gemeinsamen 19 gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten ist unproblematisch. Die Anknüpfung an einen gemeinsamen räumlichen Schwerpunkt, an den Lebensmittelpunkt, wird in den meisten Fällen herangezogen werden können und war im Recht der meisten Mitgliedstaaten üblich.57 Auf die Staatsangehörigkeit der Parteien kommt es insoweit nicht an.58 Wegen der mit einer beidseitigen Anknüpfung der Zuständigkeit in einer Ehesache 20 verbundenen Signalwirkung für die bekanntlich im Eheverfahrensrecht nicht ohne weiteres kontradiktorisch fassbare Parteistellung ist diese Zuständigkeit auch nicht überflüssig, wenngleich sie formal neben dem Beklagtengerichtsstand (Str 3) unnötig wäre,59 denn wo beide Ehegatten leben, lebt auch der Antragsgegner. Auch wenn die Gerichtsstände des Art 3 alternativ nebeneinander stehen, entspricht es dem speziellen Streitgegenstand, nicht das forum rei, sondern das forum matrimonii in den Vordergrund zu stellen. Die Bestimmung mag also technisch überflüssig sein, verdient deshalb aber nicht die verbreitet geäußerte Kritik,60 die nur gerechtfertigt wäre, wenn man Brüssel II aus dem prozessualen Blickwinkel von Brüssel I sieht und die eherechtliche Besonderheit beiseite lässt. b) Gewöhnlicher Aufenthalt, Willensabhängigkeit? Die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts erfolgt autonom,61 was schon deshalb 21 sachgerecht ist, weil der Begriff in den Haager Übereinkommen autonom eingeführt wurde und keine nationale Vorprägung hat. Eine kollisionsrechtliche Verweisung (vgl 56 57 58

59 60

61

Ebenso zu § 606 aF ZPO: Siehr in: Reichelt/Rechberger, Europäisches Kolisionsrecht (2004) 113, 122. Borrás-Bericht Nr 31. Cass 12-12-2006 Bull civ 2006 no 539; OLG Koblenz FamRZ 2006, 611; AG Leverkusen FamRZ 2005, 1684; AG Leverkusen FamRZ 2008, 1758. Ähnlich MünchKomm/Gottwald Rn 6. Hau FamRZ 2000, 1334: „Atavismus“; Schack RabelsZ 65 (2001) 622; vgl auch Geimer/Schütze/Dilger Rn 17 mit weiteren Nachweisen. So zu Art 8: EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 843; s auch Pabst Rn 334 ff.

Thomas Rauscher

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Art 3 Brüssel IIa-VO 22

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Art 52 EuGVÜ, Art 59 Brüssel I-VO) wäre nicht sinnvoll gewesen, eine europäische Legaldefinition (vgl Art 60 Brüssel I-VO) nicht erforderlich. 22 Zweifelhaft ist, ob der europäische Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts von dem der Haager Übereinkommen nennenswert abweicht.62 Die deutsche Rechtsprechung63 behandelte den Begriff bereits unter der Brüssel II-VO als eher selbstverständlich vorgezeichnet, was wohl mehr auf eine unterschwellige Bezugnahme auf die bisherige (von den Haager Übereinkommen geprägte) Begriffsbildung deutet als auf die Suche nach einem neuen autonomen Begriffsfeld. Die Materialien64 nehmen hingegen Bezug auf die vom EuGH gegebene Definition des „ständigen Wohnsitzes“ als des Ortes, „den der Betroffene als ständigen und gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Absicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen,65 wobei für die Feststellung dieses Wohnsitzes alle hierfür wesentlichen tatsächlichen Gesichtpunkte zu berücksichtigen sind.“66 Die auch in der Rechtsprechung des EuGH zum autonomen Wohnsitzbegriff anzutreffende Betonung des Willensmoments,67 das traditionell prägend zum Wohnsitzbegriff gehört, weicht dabei jedenfalls dogmatisch von der zum Aufenthaltsbegriff der Haager Übereinkommen vorherrschenden Feststellung des tatsächlichen Lebensmittelpunktes ab,68 die einen subjektiven Willen zur Aufenthaltsbegründung nicht voraussetzt. Wenngleich diese Abweichung meist bedeutungslos bleiben wird,69 kann eine Festlegung nicht unterbleiben. Nicht nur Fälle unfreiwilligen Aufenthalts eines Ehegatten (Gefangene)70, sondern vor allem die Ausdehnung auf selbstständige Kindschaftssachen, wirft die Frage nach dem Willenselement auf. Die Verwendung des Begriffs „Aufenthalt“ im Gegensatz zu „Wohnsitz“, vor allem aber die Parallelität der Art 8 ff zum System der Haager Kindschaftsübereinkommen legt es nahe, Einklang mit den Haager Übk herzustellen,71 den gewöhnlichen Aufenthalt also tatsächlich zu bestimmen.72 Diesem Ansatz folgt jüngst zu Art 8 auch der EuGH,73 der 62

73

Hausmann EuLF 2000/01, 276. OLG Stuttgart FamRZ 2004, 1382; OLG Stuttgart FamRZ 2005, 911; OLG München IPRspr 2005 Nr 198; AG Leverkusen FamRZ 2004, 1493; AG Groß-Gerau, FamRZ 2004, 203; vgl auch AG Landstuhl FamRZ 2003, 1300, wo allerdings auch Brüssel II an sich übersehen wird. Borrás-Bericht Nr 32 aE; hierauf bezieht sich auch HR NIPR 2006, 389, 390; hiergegen zutreffend Kokott Schlussanträge (Nr 34) zu EuGH Rs C-523/07 A. So auch Cass 14-12-2005 Bull civ 2005 no 506 = EuLF 2006 I-34; CA Luxembourg EuLF 2007, I-301. EuGHE 1994 I 4295; vgl auch Meyer-Götz/Noltemeier FPR 2004, 282, 283 f; Völker jurisPR-FamR 3/ 2006 Anm 5. Dazu Geimer/Schütze/Dilger vor Art 3 Rn 10. Ausdrücklich in Abgrenzung zum Wohnsitz HR NIPR 2006, 389, 390; vgl auch Hau FamRZ 2003, 1301. Hausmann EuLF 2000/01, 276. Hau FamRZ 2000, 1334. AA Hau FamRZ 2000, 1334. Geimer/Schütze/Dilger vor Art 3 Rn 13 ff; MünchKommZPO /Gottwald Rn 7; zu zahlreichen Einzelheiten der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts in diesem Sinn vgl Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 38 ff. EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 843.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 3 Brüssel IIa-VO 23-25

nach dem Zweck der Nähe des Gerichtsstandes zum Sachverhalt einen Aufenthalt mit gewisser Dauerhaftigkeit und Integration voraussetzt, der nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere der Zeitdauer, den Gründen, den familiären und sozialen Bindungen, aber auch der Staatsangehörigkeit als Indizien der Integration in einem Land zu bestimmen ist. Bei Kindern kommt der (einverständlichen) Absicht der Sorgeberechtigten, einen dauerhaften Aufenthalt zu begründen, ebenfalls (auch ohne Abwarten einer gewissen Frist, wie sie in Entführungsfällen verstreichen muss74) Indizfunktion zu.75 Erst recht hat bei sich frei für einen Aufenthalt entscheidenden erwachsenen Menschen der Wille mittelbar ein erhebliches Gewicht;76 auch insoweit freilich nicht als ein Tatbestandsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthalts, sondern als bloßes Indiz der diesen bestimmenden Integration. c) Einzelfragen Jedenfalls ist der gewöhnliche Aufenthalt jurisdiktionsbezogen. Er besteht nicht an 23 einem Ort, sondern in einem Mitgliedstaat, sofern dieser nicht in mehrere Jurisdiktionen zerfällt. Getrenntleben im selben Mitgliedstaat berührt also nicht die internationale Zuständigkeit. Der Aufenthalt muss auch nicht „gemeinsam“ im eherechtlichen Sinn gewesen sein; es ist weder eine eheliche Lebensgemeinschaft noch eine häusliche Gemeinschaft in dem Staat erforderlich, in dem beide Ehegatten sich gewöhnlich aufhalten. Eine Mindestdauer des Aufenthalts ist nicht erforderlich. Wenn die Ehe unmittelbar 24 nach gemeinsamer Verlegung des Lebensmittelpunktes in denselben Staat scheitert, ist der Aufenthalt zuständigkeitsbegründend. Aber auch, wenn die Ehegatten erst nach dem Scheitern der ehelichen Lebensgemeinschaft (zufällig) ihre gewöhnlichen Aufenthalte in denselben Mitgliedstaat verlegen, werden dessen Gerichte zuständig, da gemeinsamer Aufenthalt, wie gesagt, kein Zusammenleben erfordert. Auf vorübergehende Zeit geplante Aufenthalte können einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen, da, anders als für ein domicile of choice kein „Ewigkeitswille“ bestehen muss; jedoch kommt es bei vorübergehenden, insbesondere bei beruflich indizierten, Aufenthalten darauf an, ob der Betreffende mit der Niederlassung auch eine persönliche und familiäre Integration anstrebte.77 Weist der gewöhnliche Aufenthalt in einen Mitgliedstaat, der Mehrrechtsstaat ist, so 25 richtet sich die Verweisung gemäß Art 66 auf die jeweilige Teiljurisdiktion.

74 75 76

77

Vgl Kokott Schlussanträge (Nr 34) zu EuGH Rs C-523/07 (A). EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 843. So wohl Cass 14-12-2005 BullCiv 2005 no 506 = EuLF 2006 I-34: «le lieu où l'interéssé a fixé avec la volonté de lui conférer un caractère stable, le centre permanent ou habituel de ses intérèts». Cass 14-12-2005 Bull civ 2005 no 506 = EuLF 2006, I-34: Nicht bei Niederlassung zur vorübergehender Kindesbetreuung; CA Luxembourg EuLF 2007, I-301: Nicht ohne Weiteres bei Botschafter im Gaststaat.

Thomas Rauscher

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Art 3 Brüssel IIa-VO 26-29

2.

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt (Str 2)

a) Motivation 26 Die – nicht nur aus nationalem Verfahrensrecht, sondern auch aus dem IPR (vgl Art 14 Abs 1 Nr 1 und 2 jeweils 2. Alt EGBGB) bekannte – Idee der zuständigkeitsrechtlichen Relevanz eines letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts geht davon aus, dass der Antragsteller dem Antragsgegner die Ehesache nicht „hinterhertragen“78 muss, wenn dieser aus dem ehelichen Aufenthaltsstaat auswandert. Bei innergemeinschaftlicher Auswanderung kann er zwar im forum rei (Str 3) den Antrag stellen, muss dies aber nicht. Ebenso bekannt ist das Erfordernis, dass einer der Ehegatten bei Antragstellung dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben muss; eine durch den Lauf des Lebens überholte räumliche Bindung kann zuständigkeitsrechtlich nicht mehr genutzt werden. b) Bestimmung 27 Im Übrigen gelten für die Bestimmung des früheren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts dieselben Regeln79 wie für den aktuellen, es ist also weder die Einhaltung einer Frist noch ein Zusammenleben im eherechtlichen Sinn erforderlich. 80 c) Interessenungleichgewicht 28 Nicht unproblematisch ist dieser Gerichtsstand aus Sicht der Interessen des auswandernden Ehegatten. Zwar kann er ebenfalls von dieser Zuständigkeit Gebrauch machen, was zB auch aus seiner Sicht sinnvoll ist, wenn dort noch gemeinsame Kinder leben. Problematisch aber ist, dass er für einen längeren Zeitraum keine andere Zuständigkeitsoption hat. Das forum rei des am ehelichen Aufenthalt Verbliebenen eröffnet keine andere Zuständigkeit und das forum actoris entsteht nur mit zeitlicher Verzögerung unter den Voraussetzungen nach Str 5 und 6, so dass der schnell agierende, am ehelichen Aufenthalt verbliebene Ehegatte das forum actoris des Ausgewanderten gemäß Art 16 ff blockieren kann.81 29 Allgemein prozessrechtlich denkend erscheint dies problemlos; der sich von der gemeinsamen prozessualen Bindung abwendende Antragsteller trägt anscheinend zu Recht die Last der Prozessführung in einem anderen Mitgliedstaat. Bedenkt man freilich die Ambivalenz der Parteirolle im Eheverfahren, die, jedenfalls auf der Grundlage des Zerrüttungsprinzips, nicht durch den Anspruch, sondern durch die Initiative zu seiner Geltendmachung bestimmt wird, so erscheint diese Risikoverteilung nicht mehr selbstverständlich. Hinzu kommt, dass die Auswanderung in nicht wenigen Fällen eine Rückwanderung in den Heimatstaat angesichts des ehelichen Zusammenbruchs bedeutet; ein Ehegatte, der sich oft nicht primär aufgrund der eigenen Freizügigkeit (Art 39 EGV; künftig Art 45 AEUV), sondern zur Herstellung der Lebensgemeinschaft im Heimatstaat des Partners niedergelassen hat, erleidet einen emp78 79 80 81

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Spellenberg FS Geimer (2002) 1266; vgl auch Hausmann EuLF 2000/01, 276. OLG Koblenz FamRZ 2009, 611. Soeben Rn 23 f. Kohler NJW 2001, 11.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 3 Brüssel IIa-VO 30, 31

findlichen Nachteil, wenn er – völlig nachvollziehbar – „nach Hause“ zurückkehrt, weil die Bindung an den Aufenthaltsstaat mit dem Scheitern der Partnerbindung entfällt. 82 Der dadurch für den Auswanderer entstehende Konflikt wurde aber zu Recht nicht in 30 der Weise gelöst, dass man auf den Gerichtsstand des letzten gemeinsamen Aufenthalts verzichtete. Die Interessen weisen vielmehr auf die Notwendigkeit einer Verstärkung des forum actoris in solchen Situationen, weshalb die insbesondere gegen das Heimatforum (Str 6) gerichtete Kritik der hM zu kurz greift, wenn sie diesen Gerichtsstand isoliert am EG-Recht misst und ihn nicht im Gefüge der jurisdiktionellen Chancengleichheit der Ehegatten sieht. Der tiefere Sinn dieser Lösung wurzelt in der hier (Str 2) eröffneten einseitigen Begünstigung der Interessen des verbleibenden Ehegatten. 3.

Forum rei (Str 3)

a) Kritik Die nicht nur hilfsweise Zuständigkeit der Gerichte am gewöhnlichen Aufenthalts- 31 staat des Antragsgegners ist keineswegs so selbstverständlich83, wie dies mit Blick auf Art 2 Brüssel I-VO behauptet wird. Aus den bereits genannten Gründen84 ist es verfehlt, das forum rei im Eheverfahren als vorrangiges Prinzip zu behandeln.85 Das forum rei bedeutet einen Bruch mit der den Parteirollen im Eheverfahren entsprechenden Suche nach rollenneutraler Zuständigkeitsanknüpfung. 86 Die meisten Mitgliedstaaten87 sehen aus gutem Grund das forum rei als solches nicht ausschließlich vor, wenn eine gemeinsame Bindung fehlt,88 sondern stellen überwiegend einen rollenunabhängigen, nur für Ehesachen konzipierten besonderen Gerichtsstand, meist im Heimat- oder domicile-Staat sowohl des Antragstellers als auch des Antragsgegners, zur Verfügung. Der rollenunabhängige Gerichtsstand im Heimatstaat und im Aufenthaltsstaat nach § 98 Abs 1 Nr 1 und Nr 4 FamFG geht darüber hinaus und hätte durchaus als Vorbild eines vollständig rollenneutralen und zugleich zuständigkeitsfreundlichen Systems dienen können.

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87 88

Was von einigen Mitgliedstaaten als Problem gesehen wurde, vgl Borrás-Bericht Nr 32 Abs 1. MünchKommZPO /Gottwald Rn 11. Oben Rn 20. Vgl aber Hau FamRZ 2000, 1334; Schack RabelsZ 65 (2001) 622. AA MünchKommZPO /Gottwald, der jedoch den bewusst rollenneutralen und alternativen § 606a Abs 1 Nr 4 ZPO aF (ebenso § 98 Abs 1 Nr 4 FamFG) mit der subsidiären örtlichen Zuständigkeit aus § 606 Abs 2 S 2 aF ZPO (§ 122 Nr 3 FamFG) mischt, die gegenüber rollenunabhängigen örtlichen Zuständigkeiten gerade nachrangig ist. Oben Fn 8. Was MünchKommZPO /Gottwald Rn 8 missversteht; es gibt kein internationales forum rei „aus § 606a Abs 1 Nr 4 iVm § 606 Abs 2 S 1 ZPO“, die internationale Zuständigkeit folgt allein aus § 606a Abs 1 Nr 4 ZPO und unterscheidet gerade nicht nach der Parteirolle.

Thomas Rauscher

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Art 3 Brüssel IIa-VO 32-34

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

32 Brüssel II (und IIa) schließen sich einem Minderheitsmodell an89 und installieren ein forum rei im Eheverfahren unter der formal aus Brüssel I übernommenen und für den Eheverfahren nicht mehr reflektierten Prämisse, dass ihm eine stärkere Legitimität als dem forum actoris zukommen90 und behandeln in Konsequenz die Ansätze für einen Antragstellergerichtsstand restriktiv. Diese Prämisse beruht aber auf einem streitigzivilprozessualen Rollenverständnis; das Prinzip actor sequitur forum rei hat im modernen Eheverfahren keinen Platz, ist dort auch keineswegs anerkannt,91 sondern bedeutet einen Rückfall in das scheidungsrechtliche Rollenverständnis des endenden 19. Jahrhunderts. Wiederum92 offenbart sich das Problem freilich erst in der Restriktion des forum actoris (Str 5 und 6); ein gleichwertiges forum rei wäre nicht bedenklich, würde man es nur so nennen, ohne es zu bevorzugen; inakzeptabel ist aber die Einschränkung des korrespondierenden forum actoris. 33 Eine andere Frage ist, ob das forum actoris sich – wie noch in den meisten Mitgliedstaaten – an der Staatsangehörigkeit bzw dem domicile orientieren sollte, oder beim gewöhnlichen Aufenthalt ansetzen könnte. Den Verfassern der VO ist durchaus zuzugeben, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers manipulierbar ist und deshalb wohl einer Verstärkung bedarf, um zuständigkeitsbegründend zu wirken (vgl Str 5). Das Problem liegt darin begründet, dass die Staatsangehörigkeit (bzw das domicile) als stabiles Kriterium gemieden wurde.93 Art 3 macht den EU-Bürger in seinen persönlichsten Statusangelegenheiten heimatlos, opfert dafür den der Ehesache angemessenen rollenunabhängigen Gerichtsstand und begründet dies alles verfehlt mit einem in Ehesachen nicht existierenden Prinzip des forum rei. b) Bestimmung 34 Die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragsgegners erfolgt in gleicher Weise wie die eines gemeinsamen. Eine bestimmte Dauer ist ebensowenig erforderlich wie weitere (zB staatsangehörigkeitsrechtliche) Beziehungen zum Gerichtsstaat. Art 3 verzichtet auch durchgehend auf kollisionsrechtliche Elemente, das forum rei als nur in der Person eines Ehegatten verwurzelter Gerichtsstand besteht ohne eine Anerkennungsprognose (vgl § 98 Abs 1 Nr 4 FamFG). Im Verhältnis zu Mitgliedstaaten wäre eine Anerkennungsprognose unsinnig, denn die VO schafft ja gerade die Voraussetzungen für die Anerkennung als Regel. Im Verhältnis zu Drittstaaten muss das Risiko einer hinkenden Ehescheidung die Mitgliedstaaten zu Recht nicht stören, solange die Anerkennungsfähigkeit der Scheidung nur innerhalb der Gemeinschaft einheitlich beurteilt wird.

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Oben Fn 10. Deutlich Borrás-Bericht Nr 32, betreffend Art 2 lit a 5. und Str 6: „In diesen beiden Bestimmungen wird nämlich ausnahmsweise das forum actoris auf der Grundlage des gewöhnlichen Aufenthalts, wenn auch nur unter Zusatzbedingungen, zugelassen.“ (Hervorhebung d Verf). So aber Zöller /Geimer Rn 4; Hausmann EuLF 2000/01, 276; vgl dazu die Nachweise oben Fn 6, 8. Vgl schon oben Rn 28 f. Hierzu oben Rn 3.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 3 Brüssel IIa-VO 35, 36

Die Zuständigkeit bleibt auch insoweit kraft perpetuatio fori internationalis erhalten, wenn der Antragsgegner nach Anrufung des Gerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt verlegt. Hingegen sieht Art 3 Abs 1 keine originäre Zuständigkeitsanknüpfung an den letzten oder einen früheren gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners vor;94 dieses Kriterium greift nur für den letzten gewöhnlichen Aufenthalt beider Ehegatten. 4.

Gemeinsamer Scheidungsantrag (Str 4)

a) Kritik Der Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt eines Ehegatten im Fall eines ge- 35 meinsamen Antrags ist unbedenklich. In notwendiger Fortführung des irrig installierten forum rei strukturiert ihn freilich Art 3 als forum actoris, bei dem, da es doppelt auftritt, die Parteien die Wahl haben. Erneut legt sich hier die rein zivilprozessuale Sicht über den Eheverfahren, was zu dem Argument führt, dieses Forum beruhe auf dem Einverständnis der Parteien, sei fast etwas wie eine Gerichtsstandsvereinbarung95 oder eine rügelose Einlassung.96 Würde die Gleichwertigkeit des forum actoris mit dem forum rei im Eheverfahren anerkannt, so bedürfte es dieses Gerichtsstands nicht. Der Scheidungsprozess kann ohnehin nur in einem Gerichtsstand geführt werden, ein Scheidungsantrag des Antragsgegners wäre nach den Grundsätzen konkurrierender Rechtshängigkeit (Art 19) zu behandeln. Nur die verfehlte Prozesssicht des forum rei macht die Situation des gemeinsamen Antrags zum Problem, beschwört Bemühungen herauf, diesen Gerichtsstand damit zu rechtfertigen, dass der Beklagte nicht gegen seinen Willen geschützt werden müsse;97 immerhin ist das Problem zutreffend gelöst. b) Gemeinsamer Antrag Ein gemeinsamer Antrag liegt vor, wenn beide Ehegatten die Scheidung (oder Tren- 36 nung) der Ehe begehren, wobei unerheblich ist, ob dies, soweit lege fori überhaupt möglich, in einer gemeinsamen Antragsschrift98 oder in getrennten Antragsschriften geschieht. Der Gerichtsstand ist aber auch dann eröffnet, wenn formell nur ein Ehegatte die Scheidung beantragt und der andere zustimmt oder einwilligt.99 Anderenfalls wäre die Bestimmung bedeutungslos: Stellen beide Ehegatten förmlich Scheidungsantrag im Aufenthaltsstaat eines von ihnen, so ergäbe sich die internationale Zuständigkeit für einen der Anträge ohnehin im forum rei, für den anderen sodann als Gegenantrag aus Art 4. Dies bedeutet nicht die Denaturierung dieses Gerichtsstandes zu einem Gerichtsstand der rügelosen Einlassung;100 gerichtsstandsbegründend wirkt nur die ausdrücklich den Antrag bejahende Einlassung des Antragsgegners. 94 95 96 97 98 99

100

Rb ’s-Gravenhage NIPR 2007, 159. Vgl aber MünchKommZPO /Gottwald Rn 14. Hausmann EuLF 2000/01, 277. Spellenberg FS Geimer (2002) 1267. Vgl Hau FamRZ 2000, 1335. Hau FamRZ 2000, 1335; Hausmann EuLF 2000/01, 277; Spellenberg FS Geimer (2002) 1267; Geimer/ Schütze/Dilger Rn 21. So aber Mostermans NIPR 2001, 293, 297.

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Art 3 Brüssel IIa-VO 37-39

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

c) Form 37 Fraglich ist, ob das Einverständnis in einer Form ausgedrückt sein muss, die dem Scheidungsstatut101 oder den materiellrechtlichen Regelungen der lex fori entspricht. Stellt man auf materielles Recht ab, so scheitert die internationale Zuständigkeit gegebenenfalls am Fehlen einer einverständlichen Scheidung im Scheidungsstatut oder im Forumstaat. Das kann schwerlich gewollt sein. Zuständigkeitsrechtlich kann es nicht darauf ankommen, welche materiell- oder verfahrensrechtliche Bedeutung ein Einverständnis hat und ob das Einverständnis den Ausgang des Verfahrens überhaupt beeinflusst. Rechtfertigung für diesen Gerichtsstand ist nicht die materielle Mitgestaltung der Ehescheidung durch den Antragsgegner, sondern sein Einverständnis mit der Führung des Scheidungsprozesses vor dem angerufenen Gericht. Wie dieses Einverständnis zu erklären ist, ist daher prozessual zu bestimmen. Insoweit sollte freilich nicht prozessrechtlich auf die lex fori abgestellt,102 sondern eine autonome Lösung gesucht werden, vor allem, um eine unterschiedliche Handhabung zu Postulationsfähigkeit und Parteierklärungen zu Protokoll zu vermeiden: Es bedarf einer ausdrücklichen Zustimmung des Antragsgegners zu dem Scheidungsantrag im laufenden Verfahren, die nicht formgebunden ist.103 d) Verschiedenartige Anträge 38 Nicht genügend ist es, wenn die Ehegatten verschiedenartige Anträge stellen, die in den Anwendungsbereich des Art 1 Abs 1 lit a fallen, also zB ein Scheidungsantrag mit einem Ehetrennungs- oder Eheaufhebungsantrag konkurriert. Besteht die internationale Zuständigkeit für einen dieser Anträge jedoch im forum rei (Str 3), so ergibt sich für den anderen Antrag als Gegenantrag die Zuständigkeit aus Art 4. Dabei kommt es nicht auf die Frage an, ob beide Anträge denselben Streitgegenstand iSd lex fori oder iSd Art 19 betreffen. Das wird nur relevant für die Frage, ob über den Gegenantrag auch in einem anderen Mitgliedstaat entschieden werden könnte, oder ob Art 19 eingreift. 5.

Forum actoris (Str 5)

a) Kritik 39 (1) Die Zuständigkeit der Gerichte am gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Antragstellers wird in der VO als ein forum actoris begriffen, das als Ausnahme gegenüber dem forum rei nach Rechtfertigungen sucht.104 Geradezu befremdlich ist es, dass im deutschen Schrifttum der Eindruck vorzuherrschen scheint, dieses forum actoris sei ungewöhnlich. Schon die Verwendung des dem Eheverfahrensrecht sonst fremden Begriffs Klägergerichtsstand105 signalisiert Ausnahmecharakter und macht zugleich deutlich, dass der Begriff an der familienverfahrensrechtlichen Situation der Antragstellerrolle vorbeigeht. Die Kritik merkt gar an, diese Ausnahme sei (zu) großzügig 101 102 103 104 105

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Spellenberg FS Geimer (2002) 1267; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 22; Zöller /Geimer Rn 5. So Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7; MünchKommZPO /Gottwald Rn 15. So wohl auch Geimer/Schütze/Dilger Rn 21. Borrás-Bericht Nr 32. Spellenberg FS Geimer (2002) 1268; Hau FamRZ 2000, 1334; MünchKommZPO /Gottwald Rn 19.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 3 Brüssel IIa-VO 40

bemessen,106 nur bei enger Auslegung107 erträglich und eine Ausnahme von ehernen international-prozessrechtlichen Grundprinzipien. Bemerkenswert selten wird gesehen, dass Art 3 unter wesentlich engeren Bedingungen als das deutsche Prozessrecht (§ 98 Abs 1 Nr 4 FamFG wie schon § 606 a Abs 1 Nr 4 ZPO aF) eine Zuständigkeit an den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers anknüpft; gerade aus deutscher Sicht wäre also eher Verwunderung über die merkwürdige Klageorientierung des Art 3 zu erwarten, zumal die 1986 geführte Diskussion um den Übergang von § 606 b aF ZPO zum damals neuen § 606 a ZPO, die zu einer erheblichen Erweiterung des einseitigen Gerichtsstandes führte, noch erinnerlich sein sollte. (2) Das Dilemma, in das sich schon die Verfasser des Übereinkommens Brüssel II ge- 40 bracht haben und das die dortigen Verhandlungen um den „Klägerinnengerichtsstand“108 des Art 3 Abs 1 lit 1 a Str 6109 provozierte, liegt nicht in der Weite des forum actoris, sondern in seiner Enge, die aus der verfehlten Differenzierung nach der Parteistellung herrührt.110 Der Vorschlag einiger Mitgliedstaaten, die internationale Zuständigkeit an die räumliche Bindung jedes der Ehegatten anzuknüpfen, ist – wie die Staatsangehörigkeitsanknüpfung – am „Geist des Übereinkommens [Brüssel II]“111 gescheitert. Dieser Geist war vom kontradiktorischen Denken aus Brüssel I beeinflusst und hat zugunsten eines prozessualen Rollenverständnisses das moderne Verständnis einer verursachungs- und rollenneutralen Bewältigung des Scheiterns der Ehe verdrängt: Die Suche nach der Gerichtspflichtigkeit lässt sich im Eheverfahren nicht mit dem beschworenen Prinzip actor sequitur forum rei112 beantworten. Leben die Ehegatten nicht mehr im selben Staat und lassen sich auch keine fortdauernden Bindungen wenigstens eines von ihnen an einen früheren gemeinsamen Aufenthalts- oder Heimatstaat feststellen, so stehen in einer gescheiterten Ehe die Aufenthaltsstaaten jedes der Ehegatten als potentielle fora gleichwertig gegenüber. Jeder der Ehegatten hat ein berechtigtes Interesse, seine Statusangelegenheit in seinem gewöhnlichen Aufenthaltsstaat geregelt zu bekommen. Auch hier wäre ein Blick in die USA erhellend gewesen: Einige Monate bona fide residence des Antragstellers begründen die jurisdiction in divorce matters in den meisten Bundesstaaten, ohne dass dies als Verstoß gegen den Beklagtenschutz aufgefasst würde. Klärungsbedürftig wäre dann allenfalls die Frage gewesen, ob der gemeinsame letzte Aufenthaltsstaat vorrangig zuständig bleibt, solange ein Ehegatte dort noch lebt (vgl für die interne, örtliche Zuständigkeit § 122 Nr 1 FamFG), oder ob trotz der Tendenz, Europa als einheitlichen justiziellen Raum zu verstehen, schon die räumliche Dimension nach einer alternativen Anknüpfung an den Aufenthalt nur eines Ehegatten verlangt. Art 3 wird weder der abgestuften Interessen106 107 108 109 110 111

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Hau FamRZ 2000, 1334. Spellenberg FS Geimer (2002) 1268. Insoweit zu Recht kritisch gegen die verfehlte Motivation: Pirrung ZEuP 1999, 844. Unten Rn 45 ff. Dazu schon oben Rn 28 ff. Borrás-Bericht Nr 33 mit dem nur für die Ablehnung einer einseitigen Staatsangehörigkeitsanknüpfung einigermaßen tragfähigen Argument, es könne in einem solchen Fall völlig an der faktischen Bindung zu dem jeweiligen Staat fehlen. Vgl zur Entstehung Kennett ICLQ 48 (1999) 468.

Thomas Rauscher

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Art 3 Brüssel IIa-VO 41, 42

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

lage gerecht, noch der Interessenlage im Eheverfahren und beschwört zudem Hilfslösungen herauf, die von derselben hM als europarechtswidrig gebrandmarkt werden. b) Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts 41 (1) Die internationale Zuständigkeit der Gerichte im Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers setzt voraus, dass dieser sich dort seit mindestens einem Jahr unmittelbar vor der Antragstellung aufgehalten hat. Es werden also weder Aufenthaltszeiten kumuliert, noch wird die Zuständigkeit über die Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts hinaus perpetuiert. Andererseits stellt sich die Frage nach vorübergehenden Unterbrechungen des Aufenthalts nicht, da ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht ständige Präsenz voraussetzt; Urlaube, Geschäftsreisen uä unterbrechen selbstverständlich nicht den gewöhnlichen Aufenthalt. 42 Nicht genügend ist es nach dem Wortlaut der Bestimmung („vor der Antragstellung“), wenn die Jahresfrist während der Anhängigkeit des Verfahrens abläuft.113 Das würde dazu führen, dass der Antrag trotz Ablauf der Frist in der letzten mündlichen Verhandlung mangels internationaler Zuständigkeit abgewiesen werden müsste.114 Dies kann schwerlich sinnvoll sein, weil für einen sogleich gestellten erneuten Scheidungsantrag das Gericht zuständig wäre, so dass lediglich unnötige, beide Parteien belastende Kosten ausgelöst werden. Das Problem wird auch nicht durch eine rügelose Einlassung gelöst, weil diese die internationale Zuständigkeit nicht begründet. Es ist daher zu differenzieren: Wird der Mangel der internationalen Zuständigkeit festgestellt, ehe die Jahresfrist abgelaufen ist, ist der Antrag abzuweisen; eine „Rettung“ des Antrags durch geschickte Terminierung ist unzulässig.115 Stellt sich der Mangel der Zuständigkeit erst nach Ablauf der Jahresfrist heraus (nachträgliche Erkenntnisse oder verzögerte Bearbeitung), so verlangt die Prozessökonomie danach, in der Sache zu entscheiden.116 Etwas anderes gilt, wenn inzwischen ein weiteres Verfahren vor einem zuständigen Gericht anhängig ist, das nach Art 19 Abs 1 ausgesetzt werden musste; die vom Erstgericht anzustellende Zuständigkeitsprüfung (Art 19 Abs 1, 3) muss dann auf die maßgeblichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit117 abstellen, wobei es auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Antrags beim Zweitgericht ankommt.118 War in diesem Zeitpunkt der erste Antrag schon zulässig geworden, ist der Vorrang des Erstgerichts zu Recht begründet. In diesem Fall steht auch die Prozessökonomie nicht entgegen, da eines der Verfahren ohnehin durch Prozessurteil enden muss.

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Hierbei belässt es Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 8. Aus deutscher Sicht ist das umso merkwürdiger, weil selbst die materiellrechtliche Frist des § 1565 Abs 2 BGB sich im Scheidungsverfahren noch vollenden kann. Vgl zum Parallelproblem bei § 1565 Abs 2 BGB: Staudinger /Rauscher (2004) § 1565 Rn 99; insoweit aA AnwKommBGB /Gruber Rn 37. Ebenso Gruber IPRax 2005, 293, 294; AnwKommBGB /Gruber Rn 37; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 123; Geimer/Schütze/Dilger Rn 66. Wie hier: Gruber IPRax 2005, 293, 294; wohl auch Hau FamRZ 2000, 1339; zweifelnd Staudinger / Spellenberg (2005) Rn 124. Zutreffend AnwKommBGB /Gruber Rn 39.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 3 Brüssel IIa-VO 43- 45

(2) Fraglich kann nach dem Wortlaut sein, ob während eines Jahres bis zur Antrag- 43 stellung gewöhnlicher Aufenthalt bestanden haben muss, oder ob auch ein schlichter Aufenthalt genügt, der sich erst während des Jahres vor der Antragstellung zu einem gewöhnlichen verfestigt hat.119 Das Problem dürfte überwiegend akademischer Natur sein, denn gewöhnlicher Aufenthalt setzt, mit Ausnahme von Fällen der Kindesentführung, nicht den Nachweis tatsächlicher Integration voraus. Gerade deshalb kommt dem Niederlassungswillen bei Beurteilung des Lebensmittelpunktes trotz der Tatsächlichkeit des Begriffs Bedeutung zu.120 Es mag zwar Fälle geben, in denen ein Ehegatte zunächst nur schlichten, vorübergehenden Aufenthalt nehmen will, dann aber einen Lebensmittelpunkt begründet, nur wird es kaum einen Rechtsanwalt geben, der dies dem Gericht anschließend offenbart. Folgt man der Zielsetzung dieser Zuständigkeitsalternative, so liegt die (vermeintlich notwendige) Rechtfertigung des Antragstellergerichtsstandes in einer gewissen Qualifikation der Bindung;121 das legt es nahe, gewöhnlichen Aufenthalt für ein Jahr zu verlangen, zumal das Wortlautargument schwach ist, wenn man sich verdeutlicht, dass die Formulierung anderenfalls sprachlich recht unbeholfen ausgefallen wäre. c) Personenkreis Da diese Zuständigkeit nur an den gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft, kommt sie un- 44 abhängig von der Staatsangehörigkeit jedem Antragsteller zugute, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hat. Weil die Zuständigkeiten des Art 3 alternativ gestaltet sind, besteht dieser Antragstellergerichtsstand auch dann, wenn der Antragsgegner (sogar mit gemeinsamen Kindern) im früheren gemeinsamen Aufenthaltsstaat lebt. Andererseits steht vor Jahresfrist dem Antragsteller nur das forum rei zur Verfügung, auch wenn der Antragsgegner in einen Mitgliedstaat gezogen ist, zu dem sich aus dem Verlauf des gemeinsamen Lebens keinerlei Bindungen ergeben, weshalb es dem Antragsteller im Grunde nicht zuzumuten ist, dort die Regelung gemeinsamer Statusfragen zu suchen. 6.

Forum actoris im Heimatstaat (Str 6)

a) Normgeschichte, Kritik (1) Die Schaffung eines forum actoris im Heimatstaat des Antragstellers nach nur 45 6-monatigem gewöhnlichem Aufenthalt versucht, der besonderen Situation von anlässlich der Ehekrise in ihr Heimatland zurückkehrenden Ehegatten gerecht zu werden. Da statistisch häufiger die nicht berufstätige Ehefrau dem Ehemann bei Eheschließung in dessen Heimatland folgt, stehen wohl auch häufiger Ehefrauen in der Ehekrise vor diesem Rückkehrproblem. Die unter dem Druck einiger Mitgliedstaaten schon in das Brüssel II-Übereinkommen aufgenommene Regelung ist wegen ihrer systemwidrigen Sondernatur der Kritik ausgesetzt.122 Zudem wird verbreitet angenommen, die schnellere Gewährung eines Antragstellergerichtsstandes im Heimatstaat 119 120 121 122

Zweifelnd Spellenberg FS Geimer (2002) 1268. Dazu oben Rn 22. Hau FamRZ 2000, 1334. Pirrung ZEuP 1999, 844: „Klägerinnengerichtsstand“.

Thomas Rauscher

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Art 3 Brüssel IIa-VO 46, 47

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

verstoße gegen das Diskriminierungsverbot des Art 12 EGV/Art 18 AEUV, weil einem dort lebenden EG-Ausländer nur unter der Voraussetzung des Str 5, also nach einem Jahr, ein Antragstellergerichtsstand entstehe.123 46 (2) Die Systemkritik ist wohl gerechtfertigt, greift aber zu kurz. Die Interessen in den Heimatstaat zurückkehrender Antragsteller wurden nur deshalb zum Problem, weil neben den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt das forum rei tritt, das verfehlt124 an die Parteirolle anknüpft und zudem einseitig dem am ehelichen Aufenthalt Verbliebenen ein Wahlrecht gibt.125 Die Schöpfer des „Klägerinnengerichtsstandes“ haben also zwei Systemfehler durch einen dritten korrigiert.126 Ein einseitiger rollenunabhängiger Aufenthaltsgerichtsstand hätte das Problem vermieden. 47 (3) Nicht berechtigt erscheint hingegen der inzwischen herrschende127 Vorwurf des Verstoßes gegen Art 12 EGV.128 Die Bestimmung gibt jedem Unionsbürger die Chance, in seinem Heimatstaat nach einem abgekürzten Aufenthaltszeitraum eine Zuständigkeit zu erlangen. Es wird also nicht etwa aus Sicht einzelner Mitgliedstaaten dem eigenen Bürger ein Vorteil gegenüber anderen Unionsbürgern eingeräumt, sondern eine für jeden Unionsbürger und jeden Mitgliedstaat unterschiedslos geltende autonome Bestimmung geschaffen. Die Regelung fördert mittelbar sogar die Freizügigkeit, weil der seinem Ehegatten in einen anderen Mitgliedstaat folgende Unionsbürger von nachteiligen prozessualen Konsequenzen der Rückkehr weitgehend verschont wird. Dass die wohl hM zu einem anderen Ergebnis gelangt, liegt daran, dass als tertium comparationis nicht die Gesamtheit der EU-Bürger in allen Mitgliedstaaten herangezogen wird, sondern auf den Antragsgegner oder einen bestimmten fiktiven Antragsteller im jeweiligen Gerichtsstaat abgestellt wird. Anders als eine nationale Norm, die immer nur auf den jeweiligen Staat bezogen und deshalb auch auf diesen bezogen zu subsumieren ist, ver123

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Hau FamRZ 2000, 1336; ders FamRZ 2002, 1596; Spellenberg FS Geimer (2002) 1270; Simotta FS Geimer (2002) 1154; Schack RabelsZ 65 (2001) 623; Geimer/Schütze/Dilger Rn 42 ff; aA Kohler NJW 2001, 11. Dazu oben Rn 31 f, 39. Dazu oben Rn 28. Dies wird auch aus dem Borrás-Bericht Nr 32 sehr deutlich, der darlegt, dass nach Zurückweisung des Vorschlags, einen parteirollenunabhängigen Aufenthalts- oder Staatsangehörigkeitsgerichtsstand zu schaffen, die Frage des Schutzes der rückkehrenden Ehefrauen aufbrach. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 29; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 29; Zöller /Geimer Rn 6, 14, 18; Geimer/Schütze/Dilger Rn 42 ff; MünchKommZPO /Gottwald Rn 26; zweifelnd AnwKommBGB /Gruber Rn 50; eingehend zum Streitstand Dilger IPRax 2006, 617, 619; aA Pabst Rn 422 ff. Die Frage wurde durch das OLG München FamRZ 2003, 546 dem EuGH vorgelegt, zwischenzeitlich wurde der Vorlagebeschluss jedoch zurückgenommen. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 29 weist zutreffend darauf hin, dass eine Vorlage durch ein Gericht unwahrscheinlich ist, weil die Jahresfrist des 5. Spiegelstrichs in aller Regel ablaufen wird, ehe der Fall in die letzte Instanz gelangt. Denkbar wäre allerdings eine Vorlage, wenn nach nur 6-monatigem gewöhnlichen Aufenthalt der ausländische Antragsteller den Gerichtsstaat wieder verlässt und sich auf die perpetuatio fori stützt; trotz Entscheidungserheblichkeit nicht vorgelegt hat Cass IPRax 2006, 611, wo noch nicht einmal Zweifel an der Regelung geäußert werden; dazu Dilger IPRax 2006, 617, 617.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 3 Brüssel IIa-VO 48

stößt eine Norm des Europarechts nur dann gegen Art 12 EGV, wenn sie in ihrer Gesamtbilanz nach einer bestimmten Staatsangehörigkeit differenziert. Das vermeintliche Diskriminierungsproblem berührt in Wirklichkeit nicht Art 12 EGV, sondern die zutreffende Gewichtung der Antragsteller- und Antragsgegnerinteressen im Rahmen eines forum actoris. Insoweit ist die Differenzierung – auf den konkreten Fall und Forumstaat bezogen – sachgerecht; sie knüpft nicht an die Staatsangehörigkeit als Rechtsbeziehung, sondern nimmt sie zum Kriterium der Beurteilung eines reinen Faktums: Es wäre gänzlich realitätsfern, wollte man annehmen, dass die qualifizierte Bindung des Antragstellers, die primär durch den einjährigen gewöhnlichen Aufenthalt nachgewiesen werden soll, in jedem beliebigen Mitgliedstaat ebenso schnell eintritt wie im Heimatstaat. Art 12 EGV kann nicht die Tabuisierung der Staatsangehörigkeit als Kriterium der Bindung verlangen, man würde dann trotz Fehlens einer europäischen Staatsangehörigkeit schon die schiere Fortexistenz der Nationalstaaten als solche für europarechtswidrig halten.129 Selbstverständlich muss es auch zulässig bleiben, bei der Beurteilung des gewöhnlichen Aufenthalts als solchem der Abstammung, der kulturellen Einbindung und der durch Sprache vermittelten Kommunikations- und Integrationsfähigkeit im Heimatstaat Bedeutung beizumessen.130 b) Voraussetzungen der Zuständigkeit (1) In den Tatbestandsvoraussetzungen entspricht diese Zuständigkeit dem forum 48 actoris des Str 5. Die Dauer des – ununterbrochenen – gewöhnlichen Aufenthalts bei Antragstellung wird jedoch auf sechs Monate reduziert, wenn der Antragsteller die Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaats besitzt. Einen maßgeblichen Zeitpunkt nennt die Bestimmung nur für das Aufenthaltskriterium, nicht für die Staatsangehörigkeit. Die Wendung „Staatsangehöriger ... ist“ bedeutet jedoch, dass eine frühere Staatsangehörigkeit, insbesondere im Zeitpunkt der Eheschließung, nicht beachtlich ist.131 Dass die Staatsangehörigkeit bei Antragstellung bestehen muss, ist dem Wortlaut nicht zu entnehmen. Dennoch sollte zwischen dem nachträglichen Erwerb der Staatsangehörigkeit und dem nachträglichen Ablauf der Aufenthalts-Jahresfrist nicht unterschieden werden: Erwirbt der Antragsteller die Staatsangehörigkeit erst während des Verfahrens, so wird der zunächst unzulässige Antrag (nur) unter denselben Voraussetzungen zulässig, wie nach Ablauf der Jahres-Aufenthaltsfrist.132 Die Staatsangehörigkeit des UK oder Irlands begründet in beiden Staaten nicht diesen Gerichtsstand, weil das domicile133 insoweit, anders als der Wortlaut vermuten lässt, nicht neben die Staats129

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Was angesichts der reflexhaft abwehrenden Reaktion im deutschen Schrifttum auf die bloße Verwendung der Staatsangehörigkeit als Tatbestandsmerkmal zu befürchten ist, die den gesunden Urgedanken des „Europa der Vaterländer“ zugunsten eines internationalistischen Europabildes verrät, das dem Menschen keine Heimat ist. Dilger IPRax 2006, 617, 619 weist darauf hin, dass dem französischen Schrifttum die Frage fremd ist. So nun auch EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 847: Staatsangehörigkeit als Indiz für den gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes (Art 8) begründende Integration. Hau FamRZ 2000, 1337. Oben Rn 42. Sogleich Rn 51 ff.

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Art 3 Brüssel IIa-VO 49

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

angehörigkeit tritt, sondern sie als – nur in diesen beiden Staaten geltendes Kriterium134 – ersetzt. Im Übrigen bestimmt über die Staatsangehörigkeit das Recht des jeweiligen Staates. 49 (2) Nicht ausdrücklich geklärt ist die Behandlung von Mehrstaatern. Eine Behandlung nach den jeweiligen nationalen Regelungen135 ist abzulehnen; nur eine autonome Lösung kann die einheitliche Anwendung der VO sicherstellen. Diese Auslegung muss die Rechtsprechung des EuGH berücksichtigen, wonach sich nationale Gerichte nicht ohne besonderes Mandat darüber hinwegsetzen dürfen, dass ein anderer Mitgliedstaat einer Person seine Staatsangehörigkeit verliehen hat.136 Dies spricht auch gegen eine autonome Effektivitätsbeurteilung oder die Bevorzugung einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit.137 Auch die ratio der Regelung, heimkehrenden Ehegatten den Rechtsschutz des Heimatstaates unter erleichterten Voraussetzungen zu gewähren, spricht dafür, nur die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Gerichtsstaates zu prüfen und nicht auf deren Effektivität abzustellen. Eine solche Prüfung wäre zudem im Rahmen einer Prozessvoraussetzung übermäßig aufwendig und beweisträchtig, zumal die Rückkehr in einen Heimatstaat aus Anlass der Trennung ein starkes, neu entstehendes Indiz für die Hinwendung gerade zu diesem Heimatstaat bedeutet. Unabhängig davon, ob der Antragsteller neben der Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaates, also eines Mitgliedstaates, noch eine weitere Mitgliedstaaten- oder eine Drittstaatenangehörigkeit besitzt, genügt also, dass er auch Angehöriger des Gerichtsstaates ist.138 Umgekehrt besteht aber auch kein Vorrang der eigenen Staatsangehörigkeit, wenn, zB im Rahmen des Art 7, die internationale Zuständigkeit in einem anderen Mitgliedstaat zu beurteilen ist. Auch insoweit genügt die Staatsangehörigkeit des (potentiellen) Gerichtsstaats, was dem Doppelstaater auch zum Nachteil gereichen kann.139 Die Effektivitätsfrage ist Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchen der cour de cassation betreffend Abs 1 lit b.140 Die Generalanwältin hat in ihren Schlussanträgen141 vorgeschlagen, sowohl für die Beurteilung der eigenen Entscheidungszuständigkeit der Gerichte, als auch für den Sonderfall der Beurteilung der Zuständigkeit in einem anderen Heimat-Mitgliedstaat beide Staatsangehörigkeiten eines Doppelstaaters als maßgeblich anzusehen, was die bisher hM bestätigt. 134

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Borrás-Bericht Nr 33. Borrás-Bericht Nr 33. Hausmann EuLF 2000/01, 277. Diese erwägen Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 562; ähnlich Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 104, der jedoch das Urteil des EuGH Rs C-122/96 Saldanha / MTS Securities EuGHE 1997 I 5325 als entgegenstehend ansieht. Rb ’s-Gravenhage NIPR 2008, 516; Hau FamRZ 1999, 486; ders FamRZ 2000, 1337; AnwKommBGB / Gruber Rn 42; Geimer/Schütze/Dilger Rn 28 ff; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 10; kritisch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH: Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 104. Vgl dazu unten Rn 59; Schack RabelsZ 65 (2001) 624 weist zutreffend darauf hin, dass insbesondere Ehegatten benachteiligt werden, die durch Eheschließung eine weitere Staatsangehörigkeit erworben haben. EuGH Rs C-168/08 Hadady/Mesko-Hadady. Kokott Schlussanträge Nr 35 ff zu EuGH Rs C-168/08 Hadady/Mesko-Hadady.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 3 Brüssel IIa-VO 50-53

(3) Staatenlose können hingegen, anders als in § 98 Abs 1 Nr 3 FamFG, nicht wie 50 Staatsangehörige ihres Aufenthaltsstaates behandelt werden. Systematisch ergibt sich dies, weil in Art 3 Abs 1 lit a Str 6 die Staatsangehörigkeit als Tatbestandsmerkmal kumulativ neben den gewöhnlichen Aufenthalt tritt. Teleologisch gesehen fehlt dem Staatenlosen eine den gewöhnlichen Aufenthalt verstärkende Bindung durch die Staatsangehörigkeit. Staatenlose sind im Übrigen nicht Unionsbürger, so dass die durch diese Bestimmung angestrebte Privilegierung von Unionsbürgern ihnen nicht zugute kommt. Staatenlose Antragsteller können also nur das forum actoris des Str 5 nutzen.142 c) Domicile substituiert Staatsangehörigkeit Im Fall des UK und Irlands wird die Staatsangehörigkeit als verstärkendes Element 51 durch das domicile ersetzt, weil dieses Kriterium schon im nationalen Verfahrensund Kollisionsrecht der beiden Staaten funktionell an die Stelle der Staatsangehörigkeit tritt. Das Erfordernis des 6-monatigen gewöhnlichen Aufenthalts ist daneben in gleicher Weise zu prüfen wie neben der Staatsangehörigkeit; obgleich das domicile ein räumlich orientiertes Kriterium ist, wird die Aufenthaltsbestimmung dadurch nicht präjudiziert.143 Der Begriff des domicile bestimmt sich nach britischem und irischem Recht (Qualifi- 52 kationsverweisung, Abs 2).144 Der Staatsangehörigkeit zu den beiden genannten Mitgliedstaaten kommt, trotz des alternativ formulierenden Wortlauts, daneben keine Bedeutung für die internationale Zuständigkeit zu.145 Das gilt nicht nur aus Sicht der Gerichte dieser beiden Staaten, sondern für die Anwendung der VO insgesamt. Haben also Gerichte im UK oder Irland ihre internationale Zuständigkeit zu beurteilen, so besteht sie nach dem Str 6, wenn der Antragsteller im Gerichtsstaat seit wenigstens sechs Monaten gewöhnlichen Aufenthalt hat und dort domiziliert ist. Dabei müssen im UK als Mehrrechtsstaat beide Kriterien in dieselbe Teiljurisdiktion weisen (Art 66), so dass es zB nicht genügt, wenn der Antragsteller ein englisches domicile hat, sich aber zB seit 6 Monaten gewöhnlich in Nordirland aufhält. Hat ein Gericht in einem anderen Mitgliedstaat, zB im Rahmen von Art 7, zu beurteilen, ob eine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats besteht, so ist eine Zuständigkeit nach Art 3 lit a Str 6 im UK oder Irland unter Verwendung des domicile-Begriffs zu prüfen. Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn ein Brite oder Ire sein domicile in einem kon- 53 tinentalen Mitgliedstaat hat; in diesem Fall fehlt es mangels domicile im Heimatstaat an der dortigen Heimatzuständigkeit und der kontinentale domicile-Staat knüpft seine Zuständigkeit bei Ausländern nicht an deren inländisches domicile an. Nach einer Ansicht146 soll das dadurch bedingte Fehlen eines „Heimatstaates“ iSd Abs 1 lit a 6. Str, aber auch iSd Abs 1 lit b dadurch vermieden werden, dass aus Sicht des kontinentalen 142 143 144 145 146

AnwKommBGB /Gruber Rn 45. MünchKommZPO /Gottwald Rn 21. Dazu unten Rn 62. NDO v JFO (2009) ILPr 8, 104 (English High Court Fam Div). Geimer/Schütze/Dilger Rn 58; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 36.

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Art 3 Brüssel IIa-VO 54, 55

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

domicile-Staates bei Briten und Iren nicht auf deren Staatsangehörigkeit, sondern auf deren domicile im kontinentalen Gerichtsstaat abgestellt, also die Heimatstaatseigenschaft bejaht wird. Hiergegen spricht schon der Wortlaut, der nicht „im Fall britischer oder irischer Staatsangehöriger“, sondern im Fall des UK und Irlands auf das domicile verweist. Auch die Intention, die Staatsangehörigkeit bzw das domicile auf der Grundlage bisheriger Rechtstradition als zuständigkeitsrechtlich integrierenden Faktor zu übernehmen, spricht gegen die zuständigkeitsrechtliche Beachtlichkeit zB eines „deutschen domicile“. III. Staatsangehörigkeitszuständigkeit (Abs 1 lit b)

1.

Kritik

54 Die gemeinsame Staatsangehörigkeit erscheint als Anknüpfungskriterium der Zuständigkeit problemlos. Sie vermittelt, auch bei gemeinsamem oder getrenntem Aufenthalt der Ehegatten in anderen Staaten eine hinreichende Bindung.147 Gleichwohl träfe das – unzutreffend148 – gegen das durch die Staatsangehörigkeit als Kriterium der Bindung verstärkte forum actoris (lit a Str 6) erhobene Argument auch hier zu. Wenn deutsche Gerichte für die Scheidung zweier zB in New York lebender Deutscher ohne jede weitere Bindung der Ehegatten an Deutschland international zuständig sind, so diskriminiert dies formal aufgrund Staatsangehörigkeit zwei in New York lebende Italiener, die nicht vor deutschen Gerichten geschieden werden können. Damit sei aber nur jenes Argument ad absurdum geführt. Selbstverständlich verstößt auch Abs 1 lit b nicht gegen das Diskriminierungsverbot, denn jeder EU-Bürger hat in seinem Heimatstaat dieselbe Chance, die internationale Zuständigkeit zu erlangen. Dass gleichwohl aus der großen Zahl derer, die bei Abs 1 lit a Str 5 einen Verstoß gegen Art 12 EGV annehmen, nur wenige auch lit b als diskriminierend ansehen,149 verdeutlicht nur den Irrtum, dem die hM bei lit a Str 6 erliegt: Wenn selbst gemischtnationale Ehegatten durch lit b nicht diskriminiert werden, weil das Fehlen eines gemeinsamen Heimatforums nicht auf ihrer bestimmten Staatsangehörigkeit, sondern auf dem Fehlen einer gemeinsamen beruht,150 so wird erst recht kein EG-Bürger durch lit a Str 6 diskriminiert, weil jeder EG-Bürger in seinem Heimatstaat dieselbe Begünstigung erfährt. 55 Hingegen haben sich schon die Verfasser des Übereinkommens Brüssel II mit Rücksicht auf den „Geist des Übereinkommens“151 gegen die einseitige Staatsangehörigkeitszuständigkeit entschieden, was verbreitet als selbstverständlich hingenommen wird, jedoch zu einem schwerwiegenden Problem wird, da sich die Zuständigkeitsver147

151

Hau FamRZ 2000, 1335. Vgl insoweit oben Rn 47. Einen Verstoß gegen Art 12 EGV nehmen daher in der Tat an: Hau FamRZ 2000, 1333, 1335; BoeleWoelki ZfRV 2001, 121, 123; Simotta FS Geimer (2002) 1151, 1154; Zöller /Geimer Rn 6; anders die hM: Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 32; Geimer/Schütze/Dilger Rn 59; MünchKommZPO /Gottwald Rn 26; zum aktuellen Streitstand Dilger IPRax 2006, 617, 619. So zutreffend Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 32. Borrás-Bericht Nr 33.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 3 Brüssel IIa-VO 56-59

sagung als erhebliche Scheidungsverzögerung auswirken kann.152 Wiederum würde Art 12 EGV/Art 18 AEUV dem nicht entgegenstehen. Es geht hier – wie bei lit a Str 5 und 6 erneut nicht um Diskriminierungsfragen, sondern um die Abwägung der Parteiinteressen, also die Beschränkung oder Ausdehnung des forum actoris. 2.

Anknüpfung

a) Zuständig sind die Gerichte des Mitgliedstaates, dessen Staatsangehörigkeit bei- 56 de Ehegatten besitzen.153 Für den maßgeblichen Zeitpunkt gilt dasselbe wie zu Abs 1 lit a Str 6,154 eine Staatsangehörigkeit bei Eheschließung genügt also nicht und eine Heilung der fehlenden Zuständigkeit durch Staatsangehörigkeitserwerb im laufenden Verfahren ist nur möglich, wenn kein konkurrierendes Verfahren anhängig ist. b) Wo die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ist für diese Zustän- 57 digkeitsvariante ohne Bedeutung, da es sich um eine reine Heimatzuständigkeit ohne räumliches Bindungserfordernis handelt. Lit b gilt also gleichermaßen für Unionsbürger mit Aufenthalt innerhalb und außerhalb der Mitgliedstaaten. c) Für Mehrstaater ist, wie bei Abs 1 lit a Str 5,155 nicht auf die Effektivität abzu- 58 stellen. Es genügt also zuständigkeitsbegründend auch eine nicht-effektive gemeinsame Staatsangehörigkeit. Die Problematik ist Gegenstand eines noch anhängigen Vorabentscheidungsersuchens der cour de cassation.156 Auch die Generalanwältin hat in ihren Schlussanträgen157 vorgeschlagen, nicht auf eine effektive Staatsangehörigkeit abzustellen und ggf selbst zwei Heimatzuständigkeiten in Mitgliedstaaten zuzulassen, deren Staatsangehörigkeit jeweils beide Ehegatten besitzen. Bedenken bestehen in einem Sonderfall: Ehepartner von Staatsangehörigen solcher 59 Mitgliedstaaten, die bei Eheschließung noch kraft Gesetzes dem ausländischen Ehepartner die Staatsangehörigkeit verliehen hatten,158 werden hierdurch prozessual benachteiligt. Der einem solchen Staat originär angehörende Ehegatte erhält faktisch eine einseitige Staatsangehörigkeitszuständigkeit, ein sonderbarer Lohn für ein länger als anderswo in Europa beibehaltenes antiquiertes – und obendrein meist gleichberechtigungswidriges – Staatsangehörigkeitsrecht. Im Zusammenspiel mit dem hier kritisierten Fehlen einer einseitigen Heimatzuständigkeit159 ist diese faktische Begünstigung der rechtlichen Ausformung eines grundrechtswidrigen Ehebildes schwer hinnehmbar; sie kann freilich nicht auf zuständigkeitsrechtlicher Ebene gelöst werden. 152 153 154 155 156 157 158 159

Dazu im Einzelnen oben Rn 28. Cass Rev crit dip 2005, 515; Cass Bull Civ 2006 no 537. Oben Rn 48. Oben Rn 49. EuGH Rs C-168/08 Hadady/Mesko-Hadady. Kokott Schlussanträge Rs C-168/08Nr 35 ff. Zutreffend Schack RabelsZ 65 (2001) 624. Zur Kritik oben Rn 31 ff.

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Art 3 Brüssel IIa-VO 60- 62

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

60 Staatenlosen steht der Gerichtsstand in Abs 1 lit b nicht zur Verfügung.160 Da jedoch bereits der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt ohne verstärkende Bindung zuständigkeitsbegründend wirkt, ergibt sich bei Staatenlosigkeit beider Ehegatten kein Nachteil. Ist nur ein Ehegatte staatenlos und hat gewöhnlichen Aufenthalt im Heimatstaat des anderen Ehegatten, so sollten entsprechend lit b die dortigen Gerichte zuständig sein; in dieser Konstellation vermittelt der gewöhnliche Aufenthalt des Staatenlosen eine der Staatsangehörigkeit gleichzustellende Bindung.161 3.

Gemeinsames domicile

a) Domicile statt Staatsangehörigkeit 61 Auch in Abs 1 lit b tritt für das UK und Irland das gemeinsame domicile an die Stelle einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit. Dies gilt, wie bei Abs 1 lit a Str 6,162 unabhängig von dem mit der Frage befassten Gerichtsstaat immer dann, wenn sich das in Abs 1 lit b auszufüllende Tatbestandsmerkmal auf die beiden genannten Staaten bezieht und wird für das UK durch die Zuordnung zu einer Teilrechtsordnung (Art 66) überlagert. Daher sind zB italienische Gerichte international zuständig, wenn beide Ehegatten Italiener mit domicile in England sind, zugleich aber sind auch englische Gerichte zuständig. Ein französisches Gericht kann nicht gemäß Art 7 eine Restzuständigkeit nach französischem IZPR beanspruchen, wenn der Antragsteller Franzose mit englischem domicile, der Antragsgegner ein in England domizilierter Inder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Mumbai ist, weil das gemeinsame domicile eine englische Zuständigkeit begründet. Haben hingegen englische Ehegatten in Deutschland ihr domicile, so geht Abs 1 lit b ins Leere, weil weder englische Gerichte (kein domicile in England163) noch deutsche Gerichte (keine deutsche Staatsangehörigkeit) aus Abs 1 lit zuständig sind; meist werden in diesem Fall deutsche Gerichte freilich als Aufenthaltsgerichte (Abs 1 lit a) zuständig sein, zumal der europäische Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts zunehmend mit Dauerhaftigkeit des Verbleibs unterlegt wird. b) Begriff des domicile (Qualifikationsverweisung, Abs 2) 62 (1) Für die Bestimmung des domicile verweist Abs 2 in das britische und irische Recht, spricht also eine Qualifikationsverweisung in das nationale Recht aus. Das ist als Abweichung vom Prinzip autonomer Qualifikation nicht nur deshalb sinnvoll, weil es sich um einen Rechtsbegriff des angelsächsischen Rechtskreises handelt. Ebenso wie jedem kontinentalen Mitgliedstaat die Definitionshoheit über die Verleihung seiner Staatsangehörigkeit zugestanden wird, ist es auch Sache des UK und Irlands, das domicile als den zuständigkeitsrechtlich relevanten Bezug auszufüllen. Deshalb ist, trotz weitgehender Übereinstimmung, nicht von einem einheitlichen domicile-Begriff in den beiden genannten Staaten auszugehen, sondern für Zwecke der Zuständigkeit das Recht des durch die Zuständigkeit jeweils berührten Staates anzuwenden. Auch 160 161 162 163

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Vgl oben Rn 50. Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 562. Oben Rn 51ff. Ausdrücklich gegen ein hilfsweises Abstellen auf die Britische Staatsangehörigkeit für den Fall eines ausländischen domicile NDO v JFO (2009) ILPr 8, 104 (English High Court Fam Div).

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 3 Brüssel IIa-VO, 63 Art 4 Brüssel IIa-VO, 1

ein irisches Gericht hat also die Frage, ob die Ehegatten in England domiziliert sind, nach englischem (vgl Art 66) Recht zu beurteilen. (2) Der angelsächsische Begriff des domicile164 beschreibt eine gesetzliche Bezie- 63 hung zwischen einer Person und einem Gebiet, innerhalb dessen eine einheitliche Rechtsordnung gilt, wobei diese Beziehung meist, aber nicht zwingend, auch faktischer Natur ist. Anders als die Staatsangehörigkeit kann das domicile nie zu zwei verschiedenen Staaten gleichzeitig bestehen. Es entsteht kraft Gesetzes (domicile by operation of law) mit der Geburt als domicile of origin165 und kann als domicile of choice166 durch faktische Verlegung des Wohnsitzes verbunden mit dem voluntativen Element, dort für eine unbestimmte Zeit ohne Rückkehrabsicht zu verbleiben, verlegt werden. Letzteres setzt wegen des voluntativen Elements Freiwilligkeit und Urteilsfähigkeit voraus.167 Das domicile of choice ist im Gegensatz zum domicile of origin also notwendig auch faktischer Lebensmittelpunkt. Im Gegensatz zum dependent domicile Minderjähriger ist die Figur des matrimonial domicile als abhängiges domicile der Ehefrau aufgegeben und daher das domicile für beide Ehegatten individuell zu bestimmen.168

Artikel 4

Gegenantrag Das Gericht, bei dem ein Antrag gemäß Artikel 3 anhängig ist, ist auch für einen Gegenantrag zuständig, sofern dieser in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt. I. Zweck 1. Ähnlichkeit zum Widerklagegerichtsstand . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zur Zuständigkeit für gemeinsamen Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Zuständigkeit für einen Gegenantrag

1 2

I.

Zweck

1.

Ähnlichkeit zum Widerklagegerichtsstand

1. Gegenantrag bei Antrag gemäß Art 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gegenanträge außerhalb des Anwendungsbereichs von Art 3 . . . . .

3 9 11

Art 4 verfolgt denselben Zweck wie der Widerklagegerichtsstand in Art 6 Nr 3 Brüssel 1 I-VO. Das Gericht, bei dem der ursprüngliche Antrag anhängig ist, wird auch für ei164

NDO v JFO (2009) ILPr 8 104, 105; KG EuLF 2007 II 120.

165

Rayden/Jackson on Divorce17 (1997) 48. Ebenda S 39 f. Zum Ganzen Staudinger /v Bar/Mankowski (2003) Art 13 EGBGB Rn 20 ff. Im Gegensatz zum Fall einer durch Eheschließung kraft Gesetzes erworbenen Staatsangehörigkeit (dazu oben Rn 59) perpetuiert sich insoweit also die zuständigkeitsrechtliche Folge eines überholten Familienbildes nicht in Art 3 Abs 1 lit b.

166 167 168

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Art 4 Brüssel IIa-VO 2-5

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

nen eventuellen Gegenantrag zuständig.1 Damit sollen prozessuale Situationen vermieden werden, in denen zwei Gerichte iSd Art 19 mit demselben Anspruch oder verwandten Ansprüchen befasst sind.2 Art 4 bestimmt daher notwendigerweise auch die örtliche Zuständigkeit. Wegen des engen sachlichen Anwendungsbereiches der VO war allerdings die Zuständigkeit für einen Gegenantrag auf solche Anträge zu begrenzen, die der VO unterfallen. 2.

Verhältnis zur Zuständigkeit für gemeinsamen Antrag

2 Für gleichartige Gegenanträge, insbesondere Scheidungsanträge, die sich auf denselben Scheidungsgrund stützen, ist Art 4 zudem häufig bedeutungslos, weil solche Anträge iSd Art 3 Abs 1 lit a Str 4 in der dort gewählten weiten autonomen Auslegung als gemeinsamer Antrag zu verstehen und damit zuständigkeitsrechtlich privilegiert sind. Bedeutung erlangt Art 4 aber auch in diesem Fall für die örtliche Zuständigkeit. II.

Zuständigkeit für einen Gegenantrag

1.

Gegenantrag bei Antrag gemäß Art 3

3 a) Art 4 bestimmt eine Art 3 ergänzende Zuständigkeit für Gegenanträge, was alle Anträge des Antragsgegners in den in Art 3 Abs 1 S 1 bezeichneten Verfahren umfasst, insbesondere auch eigenständige Scheidungs- oder Aufhebungsanträge, soweit diese in den sachlichen Anwendungsbereich der VO fallen. 3 Eine Art 6 Brüssel I-VO entsprechende Einschränkung auf Widerbeklagte mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat fehlt, was der im Vergleich zu Art 3, 4 Brüssel I-VO offenen (und wenig klar geregelten4) Struktur des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs der Brüssel IIaVO entspricht. Erforderlich ist also, dass der Gegenantrag eine der in Art 1 lit a genannten Materien betrifft. 4 b) Der Hauptantrag muss eine Ehesache iSd Art 1 Abs 1 lit a betreffen. Während der entsprechende Art 5 Brüssel II-VO einen Gegenantrags-Gerichtsstand formal in allen der VO unterfallenden Sachen vorsah, bezieht sich Art 4 ausdrücklich nur auf Art 3, während es für Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (Art 8 ff) keine entsprechende Regelung gibt. Dies ist zwar prima facie auffällig,5 erklärt sich jedoch daraus, dass die Brüssel II-VO selbstständige Sorgesachen als Hauptantrag nicht vorsah. Durch die Neufassung wird also vermieden, dass – was unsinnig wäre – ein Scheidungsantrag als Gegenantrag zu einem Sorgerechtsantrag zulässig wird. 5 Erfasst sind insbesondere konkurrierende Scheidungsanträge, unabhängig davon, ob sie nach dem anwendbaren Recht denselben Streitgegenstand betreffen, insbesondere 1 2 3 4 5

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Borrás-Bericht Nr 42. Borrás-Bericht Nr 42. Borrás-Bericht Nr 42. Dazu Art 6, 7. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 6.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 4 Brüssel IIa-VO 6-10

konkurrierende Zerrüttungs- und Verschuldensanträge,6 auch Scheidungsanträge, die nach dem IPR der lex fori verschiedenen Rechtsordnungen unterliegen.7 Art 4 unterfallen auch Trennungs- oder Eheaufhebungsanträge, die mit Scheidungsanträgen zusammentreffen, sowie negative Feststellungsanträge auf Nichtbestehen der Ehe, die als Gegenantrag zu einem Scheidungs- oder Aufhebungsbegehren erhoben werden. c) Auch zur Neufassung wird die unter Art 5 Brüssel II-VO erörterte Frage erwogen, 6 ob Art 4 auch inkongruente Gegenanträge iSd der Typologie des Art 1 Abs 1 lit a bzw b erfasst, ob also die Zuständigkeit für einen Sorgerechts-Gegenantrag auf Art 4 gestützt werden kann.8 Nach Art 5 Brüssel II-VO war dies zweifelhaft: Dem Wortlaut nach waren dort Gegen- 7 anträge erfasst, unabhängig davon, in welche der beiden Kategorien (Ehesache, Sorgerechtssache) der Gegenantrag fiel. Gleichwohl hätte eine dem damals offenen Wortlaut folgende Auslegung bedeutet, dass über Art 5 Brüssel II-VO unter Umgehung der Zuständigkeitsvoraussetzungen des Art 3 Brüssel II-VO die internationale Zuständigkeit für einen erstmaligen Sorgerechtsantrag begründet worden wäre, sofern nur dieser Antrag vom Antragsgegner ausgeht und als Hauptantrag eine Ehesache anhängig ist. Die deshalb hier vorgeschlagene9 teleologische Begrenzung10 ist nach der eindeutigen Systematik der Neufassung nicht mehr erforderlich. Da nunmehr Art 4 in Abschnitt 1 des Kapitels II über die Zuständigkeit steht, betrifft 8 die Bestimmung schon ihrer systematischen Stellung nach nur noch Gegenanträge, die in den Anwendungsbereich von Art 1 Abs 1 lit a fallen. Auf Art 4 kann daher nur die Zuständigkeit für einen Gegenantrag gestützt werden, der seinerseits Ehesache iSd Art 1 Abs 1 lit a ist. 2.

Rechtsfolge

a) Art 4 bestimmt nach seinem eindeutigen Wortlaut, der insoweit auch den Zweck 9 zutreffend widerspiegelt, nicht nur die internationale Zuständigkeit,11 sondern auch die örtliche Zuständigkeit des Gerichts.12 b) Ob in dem anhängigen Verfahren im Übrigen der Gegenantrag zulässig ist und 10 mit dem Hauptantrag vor dem angerufenen Gericht verbunden werden kann, ent-

6 7

8 9 10 11 12

Spellenberg FS Geimer (2002) 1272. Vor deutschen Gerichten zB ein gemäß Art 17 Abs 1 S 2 EGBGB auf deutsches Recht gestützter Antrag des deutschen Antragsgegners. So wohl Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 6. Vorauflage Art 5 Rn 5. Zweifelnd Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 6. So aber Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2. Spellenberg FS Geimer (2002) 1272; AnwKommBGB /Gruber Rn 4; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 9, 13; Geimer/Schütze/Dilger Rn 2; Zöller /Geimer Rn 1.

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Art 4 Brüssel IIa-VO, 11, 12 B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Art 5 Brüssel IIa-VO, 1 Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

scheidet nicht Art 4, sondern die maßgebliche lex fori.13 Nationales Prozessrecht entscheidet also insbesondere, ob verschiedene Ehesachen widerklagend verbunden werden können oder ob auf einen Ehescheidungsantrag mit einem Gegenantrag aus selbem (zB Scheitern) oder anderem Grund (zB konkurrierende Verschuldensanträge) reagiert werden kann.14 3.

Gegenanträge außerhalb des Anwendungsbereichs von Art 3

11 Gegenanträge, die nicht in den sachlichen Anwendungsbereich des Art 3 (Ehesachen) fallen, werden von Art 4 und von der VO insgesamt nicht erfasst. Insoweit beurteilt sich die internationale und örtliche Zuständigkeit lege fori (zB auch als Verbundzuständigkeit), wenn nicht andere europarechtliche (Brüssel I-VO für Unterhaltsanträge, ab 18.6.2011 EG-UntVO) oder völkervertragliche (MSA, KSÜ) Regelungen bestehen.15 12 Dasselbe gilt für Gegenanträge in Verfahren, in denen sich die Zuständigkeit für den Hauptantrag nicht aus Art 3 ergibt, sondern gemäß Art 7 aus der lex fori.

Artikel 5

Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung Unbeschadet des Artikels 3 ist das Gericht eines Mitgliedstaats, das eine Entscheidung über eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes erlassen hat, auch für die Umwandlung dieser Entscheidung in eine Ehescheidung zuständig, sofern dies im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist. I. Perpetuatio Juridictionis. . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Anwendungsbereich

1. Umwandlung der Trennung . . . . . . . . . . 2. Im Recht des Mitgliedstaats vorgesehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

4 5

III. Rechtsfolge

1. Folgezuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Änderung des Scheidungsstatuts nach Ehetrennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Alternative Zuständigkeiten nach Art 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6 8 11

Perpetuatio Jurisdictionis

1 Art 5, inhaltlich unverändert gegenüber Art 6 Brüssel II-VO, regelt den einzigen Fall einer perpetuatio jurisdictionis, also einer Folgezuständigkeit,1 die eingreift, obwohl das erste Verfahren, auf dem sie beruht, rechtskräftig abgeschlossen ist. Die Notwendigkeit 13 14 15 1

100

Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 3, Rn 14 ff. Spellenberg FS Geimer (2002) 1273. Spellenberg FS Geimer (2002) 1273; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2; Pabst Rn 457. AnwKomm/Gruber Rn 1; aA Saenger /Dörner Rn 1: Annexzuständigkeit.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 5 Brüssel IIa-VO 2- 4

einer solchen Folgezuständigkeit wurde schon bei Abfassung des Übereinkommens nur im Verhältnis von Ehetrennungsentscheidung zu nachfolgendem Scheidungsausspruch gesehen. 2 In diesem Fall wird sichergestellt, dass die gerichtlich ausgesprochene oder bestätigte Ehetrennung in einem Ehescheidungsverfahren ihre zweckentsprechende Fortsetzung findet und es nicht an einem zuständigen Gericht hierfür fehlt. Auf andere aufeinanderfolgende Ehesachen zwischen denselben Ehegatten ist Art 5 2 nicht anzuwenden; insoweit bestimmt Art 3 jeweils von neuem die internationale Zuständigkeit, bezogen auf die im jeweiligen Klage- bzw Antragszeitpunkt bestehenden tatbestandlichen Voraussetzungen. Da nur zwischen Ehetrennung und Ehescheidung in einigen Rechtsordnungen ein materiellrechtlicher und formeller Zusammenhang besteht, ist dies auch sachgerecht. Auch für Folgesachen besteht grundsätzlich keine perpetuatio jurisdictionis aus der VO. 3 Für Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung besteht eine solche allerdings nach einem Aufenthaltswechsel vorübergehend nach Art 9. Andere Folgesachen sind von der VO nicht erfasst; für die Abänderung von Unterhaltsentscheidungen, für die eine perpetuatio jurisdictionis vorstellbar wäre, gilt die Brüssel I-VO (ab 18.6.2011 die EGUntVO), die ebenfalls keine Folgezuständigkeit enthält. II.

Anwendungsbereich

1.

Umwandlung der Trennung

Art 5 erfasst Fälle der Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes 4 in eine Ehescheidung. Eine Umwandlung der Ehetrennung in eine Ehescheidung kommt in unterschiedlicher Weise vor. Manche Mitgliedstaaten sehen ohne erneute Scheiternsprüfung auf der Grundlage des Trennungsausspruchs eine formelle Umwandlung in eine Ehescheidung vor, lassen aber auch eine Zerrüttungsscheidung ohne vorangehende Trennung zu. 3 Teils ist eine formalisierte Trennung materiellrechtliche Voraussetzung der Zerrüttungsscheidung, also Tatbestandsmerkmal im Zerrüttungstatbestand. 4 Nicht von Art 5 erfasst ist hingegen eine Entscheidung, durch die eine Ehe nach vorausgehender Ehetrennung ohne einen solchen prozessualen oder materiellen Zusammenhang in einem nunmehr isoliert eingeleiteten Scheidungsverfahren geschieden wird.5

2 3

4 5

Borrás-Bericht Nr 43. Frankreich: Art 306 cc; Luxemburg: Art 310 cc; Niederlande: Art 1:179 BW (nach Ausspruch der Trennung ist gemäß Art 1:150 BW nur noch die Umwandlung, jedoch keine isolierte Ehescheidung mehr möglich, was eine Scheidungsblockade durch einen Trennungsantrag begünstigt, dazu Art 19 Rn 32 f); UK: Sec 4 FLA 1996; vgl dazu Rieck FPR 2007, 427, 430. Italien: Art 3 Nr 2 b legge 898/1970; vgl dazu Rieck FPR 2007, 427, 430. ZB nach einer Trennung gemäß Art 308 ff cc (Belgien) bzw Sec 2 JSFLA (Irland); vgl auch unten Rn 9.

Thomas Rauscher

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Art 5 Brüssel IIa-VO 5, 6

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Art 5 gilt jedoch nur, wenn in dem betreffenden Staat eine gerichtliche oder behördliche Ehetrennung iSd Art 1 Abs 1 lit a ausgesprochen oder bestätigt wurde; rein tatsächliches Getrenntleben in einem Staat, dessen Gerichte nach Art 3 zuständig wären, macht die Zuständigkeit nicht gegen Wechsel der Anknüpfungsmerkmale beständig. Es kann also durchaus vorkommen, dass ein nach einer bestimmten Scheidungsrechtsordnung relevantes Getrenntleben (zB §§ 1566, 1567 BGB) scheidungsrechtlich funktionslos wird, weil im Zeitpunkt der Antragstellung die Gerichte, die dieses Recht anwenden würden, nicht mehr zuständig sind. 2.

Im Recht des Mitgliedstaats vorgesehen

5 Nach dem Wortlaut gilt Art 5 nur, wenn eine solche Umwandlung „im Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist“, also im Recht des Urteilsstaats im Trennungsverfahren. Das bedeutet jedoch nicht, dass Art 5 nur in Staaten anzuwenden wäre, deren materielles Recht eine Umwandlung, insbesondere die Ehetrennung als solche, vorsieht. Art 5 gilt auch, wenn nach dem IPR eines Mitgliedstaats6 eine Rechtsordnung Scheidungsstatut ist, die solche Institute vorsieht und das Verfahrensrecht des Urteilsstaats bereit ist, eine Ehetrennung und ihre Umwandlung in eine Ehescheidung auszusprechen.7 Regelmäßig wird die Durchführung der Trennung in einem Staat, dessen materielles Recht keine Trennung vorsieht, die entscheidende Hürde bedeuten; ist ein Staat hierzu bereit, so wird in aller Regel auch die Bereitschaft bestehen, die anschließende Scheidung auszusprechen, sofern dieser Staat überhaupt Scheidungen zulässt. III. Rechtsfolge

1.

Folgezuständigkeit

6 a) Für die Umwandlung in eine Ehescheidung ist „das Gericht“ international und örtlich zuständig, das die Entscheidung zur Ehetrennung erlassen, diese also ausgesprochen oder bestätigt hat. Unmaßgeblich ist, auf welche Zuständigkeitsbestimmungen sich das Gericht damals gestützt hatte. Die Zuständigkeit im Trennungsverfahren muss insbesondere nicht auf die VO gestützt worden sein. Dies hat nichts mit der Frage zu tun, ob die Trennungsentscheidung nach der VO anzuerkennen wäre. 8 Die Anwendbarkeit von Art 5 als Zuständigkeitsregel bestimmt sich nach Art 64 Abs 1. Dabei ist fraglich, ob auf den Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungs- oder des Ehetrennungsverfahrens abzustellen ist. Auch wenn Art 5 von „Umwandlung“ spricht, setzt die Bestimmung gerade voraus, dass es sich bei dem Scheidungsverfahren um ein eigenständiges Verfahren und nicht um eine formell-verfahrensrechtliche Fortsetzung des Trennungsverfahrens handelt. Art 5 gilt also immer dann, wenn Art 3 für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit anzuwenden war. Maßgeblich ist also der 6

7

8

102

Geimer/Schütze/Dilger Rn 7; Zöller /Geimer Rn 3; Rieck FPR 2007, 427, 430; aA Simotta FS Geimer (2002) 1115, 1169. Für Deutschland, das im materiellen Recht eine Ehetrennung nicht kennt, vgl BGH FamRZ 1987, 793: Zulässigkeit einer Trennung und nachfolgenden Scheidung nach italienischem Recht. So aber Spellenberg FS Geimer (2002) 1274.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 5 Brüssel IIa-VO 7- 9

Zeitpunkt der Einleitung des Scheidungsverfahrens, nicht der des Ehetrennungsverfahrens. Dies entspricht auch dem Zweck der Regelung; es wäre sinnwidrig, die Umwandlung von vor dem 1. 3. 2001 rechtskräftig ausgesprochenen Ehetrennungen nur vor den nach Art 3 zuständigen Gerichten zu erlauben. 9 Art 5 gilt sogar dann, wenn das Gericht unzutreffend seine Zuständigkeit auf nationales Recht gestützt hat. b) Die spätere Anerkennung des Scheidungsausspruchs beurteilt sich nach 7 Art 21 ff; sie hängt nicht von der Anerkennung der Ehetrennungsentscheidung ab, weil die Ehescheidung, auch wenn ihr eine Ehetrennung vorausgeht, einen eigenständig anerkennungsfähigen Inhalt hat. Aus diesem Grund ist es auch ex post betrachtet unerheblich, zu welchem Zeitpunkt die Trennungsentscheidung ergangen ist. 2.

Änderung des Scheidungsstatuts nach Ehetrennung

Art 5 wirkt sich nur auf die Zuständigkeit aus; die für eine Kontinuität zwischen Ehe- 8 trennung und Ehescheidung ebenfalls erforderliche Anwendung desselben materiellen Scheidungsstatuts kann nur durch das (bisher nationale) IPR sichergestellt werden, wobei auch eine Kollisionsrechtsvereinheitlichung das Problem nicht löst:10 Kontinuität des Scheidungsstatuts zwischen Ehetrennung und Scheidungsantrag ist nicht notwendig gewährleistet, weil das Scheidungsstatut zumeist wandelbar gestaltet ist11 und sich deshalb auch noch zwischen dem Abschluss des Trennungsverfahrens und dem Beginn des Scheidungsverfahrens wandeln kann.12 Auf einen Scheidungsantrag unter einem anderen Scheidungsstatut ist Art 5 nicht 9 ohne weiteres anwendbar. Maßgeblich ist, ob es sich iSd Art 5 noch um eine „Umwandlung“ handelt, ob also die Ehescheidung auf der Ehetrennung aufbaut. Verlangt auch das neue Scheidungsstatut eine formalisierte Ehetrennung und erlaubt es, die bereits erfolgte Trennung nach altem Scheidungsstatut hierfür zu substituieren, so liegt eine Umwandlung iSd Art 5 vor. Ist die Ehetrennung hingegen für die spätere Ehescheidung tatbestandlich nicht mehr verwertbar (nicht erforderlich oder nicht genügend), so fehlt es an einer Umwandlung und damit an der ratio des Art 5; es gilt dann für die internationale Scheidungszuständigkeit nur Art 3.13 Das gilt auch, wenn dasselbe Recht als Scheidungs- und Trennungsstatut beide Rechtsinstitute vorsieht, aber sie nicht in einen funktionalen Zusammenhang stellt.14 9 10 11

12

13 14

AA Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 8.

Pabst FPR 2008, 230, 231. Einerlei, ob es an die Staatsangehörigkeit anknüpft (zB Art 17 Abs 1 EGBGB) oder an gemeinsame räumliche Beziehungen. Mit einer Italienerin verheirateter Franzose, die Ehegatten haben in Italien gelebt, der Franzose zieht nach Deutschland um und beantragt hier die Ehetrennung, die nach Art 17 Abs 1 S 1, 14 Abs 1 Nr 2 Alt 2 EGBGB gemäß italienischem Recht ausgesprochen wird. Zieht nun auch die Italienerin nach Deutschland und stellt Scheidungsantrag, so ist deutsches Recht Scheidungsstatut (Art 17 Abs 1 S 1, 14 Abs 1 Nr 2 Alt 1 EGBGB). Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 7; Geimer/Schütze/Dilger Rn 9; aA AnwKommBGB /Gruber Rn 7. Vgl oben Rn 4.

Thomas Rauscher

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Art 5 Brüssel IIa-VO 10-12

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

10 Ein von diesem status quo abweichender Ansatz könnte darin bestehen, die verfahrensrechtliche Kontinuität des Art 5 in das IPR hinein zu verlängern. Hierzu bietet sich entweder eine Fixierung des Scheidungsstatuts auf den Zeitpunkt der Antragstellung im Ehetrennungsverfahren an,15 die sich jedoch aus zwei Gründen nicht empfiehlt: Einerseits wird dadurch ggf über Jahre ein Trennungsstatut als Scheidungsstatut konserviert, was der in der Wandelbarkeit verwirklichten Idee eines aktuell sachnahen Rechts widerspricht. Zum anderen würde einem die Scheidung ablehnenden Ehegatten ermöglicht, durch ein Trennungsverfahren ein scheidungsunfreundliches Recht als Scheidungsstatut zu konservieren. Beide Nachteile mildert eine Optionslösung,16 die es jedem Ehegatten gestattet, nach einer für das (vormalige) Scheidungsstatut präjudiziellen Ehetrennung nach diesem alten Scheidungsstatut einen Antrag auf Umwandlung bzw Scheidung in Anknüpfung an die ausgesprochene Ehetrennung zu stellen, die aber keinem der Ehegatten die Stellung eines isolierten Scheidungsantrags nach dem aktuellen Scheidungsstatut versagt. Ehetrennung und Ehescheidung werden dadurch als das vom Antragsteller gewollte Kontinuum verstanden, ohne dass die Gefahr des Missbrauchs der Ehetrennung zur Blockade einer Ehescheidung besteht. 3.

Alternative Zuständigkeiten nach Art 3

11 a) Art 5 verdrängt nicht die internationalen Zuständigkeiten nach Art 3; Ausschließlichkeit ergibt sich insoweit auch nicht unter den Voraussetzungen des Art 6, da dieser nur das Gesamtsystem der Art 3-5, nicht aber Art 5 als solchen für ausschließlich erklärt.17 Auch nach vorhergehender Trennungsentscheidung kann die Ehescheidung in den nach Art 3 international zuständigen Mitgliedstaaten begehrt werden. Ob dort die Gerichte eine solche Umwandlung auszusprechen bereit sind und ob nach dem dort anzuwendenden Recht die Trennung überhaupt notwendige Voraussetzung der Scheidung ist, hängt von der jeweiligen lex fori ab. Die bloße Verwendung einer vorausgegangenen Trennung im Scheidungstatbestand dürfte aber kaum ein Problem darstellen, weil diese eine Bereitschaft im Scheidungsstaat, das Verfahren dem Phänomen der Ehetrennung anzupassen, nicht erfordert. 12 b) Unter den, durch den EuGH mit der überwiegenden Ansicht erweiterten,18 Voraussetzungen des Art 6 bestimmt aber auch Art 5 eine ausschließliche Zuständigkeit; außer dem nach Art 5 zuständigen Gericht können nur die nach Art 3 zuständigen angerufen werden. Hingegen kann die internationale oder örtliche Zuständigkeit nicht auf nationales Recht gestützt werden, wenn Art 5 die Zuständigkeit in einem Mitgliedstaat bestimmt.

15 16 17 18

104

Angedacht, aber letztlich wohl abgelehnt von Pabst FPR 2008, 230, 234. Pabst FPR 2008, 230, 234. AA anscheinend Rieck FPR 2007, 427, 430. Dazu Art 6 Rn 8 ff.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 6 Brüssel IIa-VO 1

Artikel 6

Ausschließliche Zuständigkeit nach den Artikeln 3, 4 und 5 Gegen einen Ehegatten, der a) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder b) Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist oder im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands sein „domicile“ im Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedstaaten hat, darf ein Verfahren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats nur nach Maßgabe der Artikel 3, 4 und 5 geführt werden. I. Räumlich-Persönlicher Anwendungsbereich 1. Positiver Anwendungsbereich der VO – Ausschließlichkeit . . . . . . . . . 2. Vorrang der Art 3 bis 5 im Übrigen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschließlichkeit trotz Fehlen einer Zuständigkeit aus Art 3-5 . . . . . .

II. Voraussetzungen der

1 6 12

Ausschließlichkeit der Art 3 bis 5 1. Staatsangehörigkeit oder gewöhnlicher Aufenthalt des Antragsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Domicile im UK oder Irland . . . . . . . . . 3. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolge: Vorrang vor lex fori in anderen Mitgliedstaaten. . . . . . . . . . . 5. Anwendung der lex fori und Bedeutungslosigkeit des Art 6 . . . . . . . . 6. Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung . . . . . . . . . . . . .

I.

Räumlich-Persönlicher Anwendungsbereich

1.

Positiver Anwendungsbereich der VO – Ausschließlichkeit

16 17 18 21 25 29

a) Die VO beschreibt ihren räumlich-persönlichen Anwendungsbereich im Ver- 1 hältnis zum nationalen Zuständigkeitsrecht im Gegensatz zur Brüssel I-VO nicht ebenso eindeutig positiv (vgl Art 3 Brüssel I-VO) und negativ (vgl Art 4 Abs 1 Brüssel I-VO) komplementär. Zwar stehen mit Art 6 und 7 – die mit redaktionellen Anpassungen an die geänderte Nummerierung der in Bezug genommenen Bestimmungen Art 7 und 8 Brüssel II-VO entsprechen – Bestimmungen nebeneinander, die den Anwendungsbereich der VO bzw der lex fori betreffen, so dass neben Art 6 auch Art 7 heranzuziehen ist.1 Art 6 beschreibt aber den positiven Anwendungsbereich der VO nicht abschließend, sondern bestimmt nur Fälle, in denen die Zuständigkeiten nach Art 3 bis 5 ausschließlich sind. Art 6 steht daher, anders als mutatis mutandis Art 4 Abs 1 Brüssel I-VO, der Anwendung von Art 3, 4 und 5 nicht entgegen, wenn der Antragsgegner die in lit a und lit b alternativ genannten Voraussetzungen nicht erfüllt.

1

Boele-Woelki ZfRV 2001, 125; dazu unten Rn 12.

Thomas Rauscher

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Art 6 Brüssel IIa-VO 2-5

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

2 b) Die Anordnung der Ausschließlichkeit in Art 6 bezweckt – wie Art 3 Abs 1 Brüssel I-VO – den Schutz des Antragsgegners, der Staatsangehöriger /Domizilierter eines Mitgliedstaates ist oder in einem Mitgliedstaat gewöhnlichen Aufenthalt hat, gegen Zuständigkeiten im nationalen IZPR, die zugunsten des Antragstellers eine weitergehende internationale Zuständigkeit, insbesondere aufgrund der Staatsangehörigkeit eines Ehegatten (bei Eheschließung oder im Zeitpunkt des Scheidungsantrags) vorsehen. Dieser Schutz ist im Eheverfahren, anders als im Zivilprozess, durchaus fragwürdig, da die Interessen beider Ehegatten im Statusprozess unabhängig von der Parteirolle gewichtet werden sollten und damit das Interesse des Antragstellers am Rechtsschutz in seinem Heimatland durchaus gleichgewichtig neben dem Schutzinteresse des Antragsgegners steht. 3 Art 3 bis 5 sind gegenüber einem solchen Antragsgegner nur für Verfahren „vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats“ ausschließlich. Im Heimat- bzw Aufenthaltsstaat genießt der Antragsgegner also keinen Schutz gegen die Anwendung der lex fori. Diese Lücke im Schutz des Antragsgegners ist nicht kritikwürdig; es erstaunt freilich, dass die hM, die gegen die Annahme einer verstärkten Bindung an dem Heimatstaat in Art 3 Abs 1 lit a Str 6 streitet, hier keine Probleme mit dem Kriterium der stärkeren Affinität zum Heimatstaat hat. Zwar besteht im Aufenthaltstaat des Antragsgegners ohnehin das forum rei nach Art 3 Abs 1 lit a Str 3;2 der im Heimat- oder domicile-Staat des Antragsgegners von Art 6 nicht ausgeschlossene Rückgriff auf nationales IZPR kann aber durchaus die internationale Zuständigkeit erweitern. 4 c) Soweit Art 6 Ausschließlichkeit der Art 3 bis 5 anordnet, ergeben sich insbesondere im Verhältnis zu Antragsgegnern, die nicht Mitgliedstaatenbürger sind, sondern lediglich ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat haben, ungerechtfertigte Nachteile für den Antragsteller. Es ist nicht einsehbar, dass einem Unionsbürger der Rechtsschutz vor den Gerichten seines Heimatstaates versagt wird, um einen Antragsgegner zu schützen, der einem Drittstaat angehört und sich in der EU oft nur deshalb aufhalten darf, weil er mit einem Unionsbürger verheiratet ist. 3 5 d) Soweit die Zuständigkeiten nach Art 3 bis 5 ausschließlich sind, wird dieser Vorrang durch Art 17 flankiert, der dem nach der VO unzuständigen Gericht gebietet, sich zugunsten der nach der VO zuständigen Gerichte für unzuständig zu erklären. 4 Selbstverständlich ist im ausschließlichen Anwendungsbereich der Ehesachenzuständigkeiten der VO auch eine Pro- oder Derogation nicht zulässig,5 da die VO eine Gerichtsstandsvereinbarung insoweit nicht kennt und auf eine solche Möglichkeit lege fori nicht zurückgegriffen werden könnte.

2 3 4 5

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Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 3. Im Einzelnen Art 3 Rn 57 f; Rauscher FS Geimer (2002) 883 ff. Ancel/Muir Watt Rev crit dip 2001, 419. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 21.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

2.

Art 6 Brüssel IIa-VO 6- 9

Vorrang der Art 3 bis 5 im Übrigen?

a) Umstritten ist hingegen das Konkurrenzverhältnis der Art 3 bis 5 zur lex fori, 6 wenn die Voraussetzungen des Art 6 nicht vorliegen. Diese Frage betrifft auch das Verhältnis zwischen Art 6 und Art 7, wird aber in beiden Bestimmungen nicht klar geregelt. Art 6 beansprucht nach seinem Wortlaut keine Ausschließlichkeit im Aufenthalts- 7 oder Heimatstaat des Antragsgegners, sowie dann, wenn die in Art 6 lit a oder lit b genannte Beziehung zu keinem Mitgliedstaat besteht, der Antragsgegner also Drittstaatenangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Drittstaat ist.6 In beiden Fällen könnte, jedenfalls nach dem Wortlaut, die internationale Zuständigkeit in jedem Mitgliedstaat nach der lex fori beurteilt werden.7 b) Da der räumlich-persönliche Anwendungsbereich der VO jedoch nicht, wie in 8 Art 4 Abs 1 Brüssel I-VO, für die zu Art 6 komplementären Fälle ausgeschlossen ist, kann, insoweit unstreitig, die internationale Zuständigkeit jedenfalls (auch) auf Art 3 ff gestützt werden.8 Wenn sich eine Zuständigkeit aus Art 3 ff ergibt, kann diese unbeschadet der Staatsangehörigkeit und des Aufenthalts der Parteien auch genutzt werden.9 Fraglich ist dann, ob eine solche, von Art 6 nicht als ausschließlich bezeichnete Zuständigkeit aus Art 3 ff in einem Mitgliedstaat dennoch die Zuständigkeiten lege fori verdrängt. Die wohl hM hat dies schon seit längerem aus Art 7 gefolgert. Dieser gebe den Weg zu 9 den „Restzuständigkeiten“ erst frei, wenn sich aus der VO keine Zuständigkeit ergebe; eine nach Art 3 ff in einem Mitgliedstaat bestehende Zuständigkeit verdränge also jede Inanspruchnahme der lex fori.10 Diese Ansicht versteht Art 6 somit als eine Ausnahme zu Art 7, der seinerseits auf das Bestehen einer Zuständigkeit nach Art 3 bis 5 bezogen wird.11 6 7

8

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10

11

Boele-Woelki ZfRV 2001, 125; Hausmann EuLF 2000/01, 279; Hau FamRZ 2000, 1340. Kennett ICLQ 48 (1999) 468; Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 567; Siehr in: Reichelt/Rechberger, Europäisches Kollisionsrecht (2004) 113, 120; Geimer/Schütze/Dilger Rn 15. Ein seit 12 Monaten in Italien lebender Deutscher könnte zB seinen Scheidungsantrag gegen seine in Thailand lebende thailändische Ehefrau gemäß Art 3 Abs 1 lit a Str 5 vor italienischen Gerichten, aber auch nach § 98 Abs 1 Nr 1 FamFG vor deutschen Gerichten stellen. Zur Anwendung auf Drittsataatenangehörige OLG Stuttgart FamRZ 2004, 1382; AG Leverkusen FamRZ 2004, 1493, 1494. Hau FamRZ 2000, 1340 f; ders FPR 2002, 619; Hausmann EuLF 2000/01, 279; Simotta FS Geimer (2002) 1119; Vareilles-Sommières GazPal 1999, 2023; Ancel/Muir Watt Rev crit dip 2001, 421; BoeleWoelki ZfRV 2001, 125; Gottwald FamRZ 2002, 1636; Meyer-Götz/Noltemeier FPR 2004, 282, 285; Gruber IPRax 2005, 293, 295; Staudinger /Spellenberg (2005) Art 7 Rn 5 f; AnwKommBGB /Gruber Rn 5 f; Geimer/Schütze/Dilger Rn 2 ff; Dörner in: Großfeld/Yamauchi/Ehlers/Ishikawa, Probleme des deutschen, europäischen und japanischen Rechts (2006) 17, 24. So implizit auch die Kommission zu einer Neufassung des Art 7 im Vorschlag einer Brüssel IIb-VO, Einl Rn 44 ff, 53 f, Art 7 verweise auf die lex fori, „wenn die Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufent-

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Art 6 Brüssel IIa-VO 10, 11

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

10 Hiergegen spricht manches: Art 6 erklärt die Zuständigkeiten der VO gerade nicht allgemein für ausschließlich, sondern nur unter den in lit a und lit b genannten Voraussetzungen.12 Diese ausdrückliche Beschreibung des ausschließlichen Anwendungsbereichs hat wenig Sinn,13 wenn eine in irgendeinem Mitgliedstaat nach der VO bestehende Zuständigkeit ohnehin immer der lex fori vorgeht, Art 7 also implizit von der Ausschließlichkeit der VO in allen Fällen ausgeht, in denen Art 3 ff irgendeine Zuständigkeit in einem Mitgliedstaat begründen. Gegen diese Ansicht spricht auch die Systematik der Normen: Wäre Art 6 als Ausnahme zu Art 7 konzipiert, müsste die Reihenfolge der Normen eine andere sein; auch der Vergleich mit Art 3, 4 Brüssel I-VO macht dies deutlich.14 Aus Wortlaut und Systematik von Art 6 im Verhältnis zu Art 7 läge also die Folgerung nahe, dass die Verordnung nur in den in Art 6 genannten Fällen ausschließlich, im Übrigen hingegen konkurrierend zur lex fori anwendbar ist.15 11 Der EuGH16 hat nunmehr wie die vorzitierte hM, den „klaren Wortlaut des Art 7“ zum Ausgangspunkt der Auslegung der Art 6, 7 genommen und sich damit der Ansicht angeschlossen, wonach auf die nationalen Zuständigkeitsvorschriften auch dann außerhalb des Heimat- oder Aufenthaltsstaates des Antragsgegners nicht zurückgegriffen werden kann, wenn die Voraussetzungen des Art 6 nicht vorliegen, sich jedoch aus Art 3-5 eine Zuständigkeit in irgendeinem Mitgliedstaat ergibt. Gestützt wird dies zusätzlich mit Art 17, der eine Unzuständigerklärung gebiete, wenn das Gericht selbst „nach dieser Verordnung“ keine Zuständigkeit hat und die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nach der Verordnung zuständig sind. Als teleologisches Argument führt der EuGH schließlich das Ziel der Verordnung an, möglichst umfassend die internationale Zuständigkeit in Ehesachen, auch mit Bezug zu Angehörigen von Drittstaaten, zu regeln.17 Dem im Verfahren seitens der Klägerin (und der italienischen Regierung) erhobenen, am Wortlaut orientierten Einwand, aus Art 6 folge für den ausschließlichen Anwendungsbereich gerade das Gegenteil, hält der EuGH entgegen, Art 6 bestimme die Ausschließlichkeit nur nach Kriterien in der Person des Antragsgegners, daneben bestehe nach Art 7 Ausschließlichkeit nach objektiven Kriterien. Letztlich macht die vom EuGH gewählte Auslegung Art 6 weitgehend obsolet; die Bestimmung hat nur noch Bedeutung für den pathologischen Fall, dass trotz formal bestehender Ausschließlichkeit nach Art 6 in keinem Mitgliedstaat eine Zuständigkeit nach Art 3-5 besteht.18 Die verhaltene Zustimmung zum Ergebnis der Entscheidung trotz ihrer mit Wortlaut und Systematik schwer vereinbaren Begründung gilt denn auch vor allem der Teleologie einer möglichst weitgehenden Vereinheitlichung der Zustän-

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halt nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates haben oder [muss heißen: „und“] nicht dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen.“, Europäische Kommission, 17.7.2006, COM (2006) 399, 9. Wie hier Sturlése JClP (G) 2001, 242; Fontaine D & P1999, 25. Dazu Rn 13 ff. Näher zu diesen Argumenten Vorauflage Rn 7. So Vorauflage Rn 7; Kohler NJW 2001, 11. EuGH Rs C-68/07 Sundelind Lopez/Lopez IPRax 2008, 257. Insbesondere insoweit zustimmend Spellenberg ZZPInt 2007, 233, 241. Dazu Rn 12 ff.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 6 Brüssel IIa-VO 12, 13

digkeiten,19 die freilich ohne das konfuse Verhältnis von Art 6 und 7 von Anfang an leichter zu erreichen gewesen wäre. Dies hat offenbar auch die Kommission erkannt, die, was erstaunt, anscheinend von dem Auslegungsproblem erst im Zusammenhang mit der öffentlichen Anhörung zum Grünbuch Rom III20 erfahren hat.21 Der Brüssel IIa-ÄndE, der wegen seiner kollisionsrechtlichen Elemente derzeit als gescheitert anzusehen ist,22 umfasst folgerichtig die Streichung des Art 623 und verdient insoweit auch Zustimmung. 3.

Ausschließlichkeit trotz Fehlen einer Zuständigkeit aus Art 3-5

a) Fraglich bleibt auch nach der Art 6 neben Art 7 iVm Art 3-5 als Quelle der Aus- 12 schließlichkeit verstehenden Rechtsprechung des EuGH,24 ob sich aus Art 6 Ausschließlichkeit der Verordnung gegenüber der lex fori dann ergibt, wenn zwar die Voraussetzungen des Art 6 an den gewöhnlichen Aufenthalt bzw die Staatsangehörigkeit des Antragsgegners vorliegen, jedoch aus Art 3-5 in keinem Mitgliedstaat eine Zuständigkeit folgt. Diese bei Fassung der Verordnung offenbar nicht bedachte Fallgestaltung bildet den einzig verbleibenden Anwendungsbereich des Art 6; sie wird durch die Entscheidung des EuGH nicht berührt und ist weiterhin umstritten. Die Frage ist zu unterscheiden von der im Verordnungsvorschlag Brüssel IIa-ÄndE25 aufgegriffenen Problematik, die sich ergibt, wenn die von Art 7 wegen Fehlens einer Zuständigkeit nach Art 3-5 berufene lex fori keine geeigneten Restzuständigkeiten enthält. Die vorliegende Frage wird nicht durch Lücken der lex fori verursacht, sondern durch den nach dem Wortlaut bestehenden Ausschließlichkeitsanspruch des misslungenen Art 6. b) Inmitten der Diskussion steht die Fallsituation, dass der Antragsgegner einem 13 Mitgliedstaat angehört,26 aber kein Ehegatte (lange genug für Art 3 Abs 1 lit a Str 5, 6) in einem Mitgliedstaat gewöhnlichen Aufenthalt hat und auch keine gemeinsame Mitgliedstaatsangehörigkeit besteht.27 Hierzu wird verbreitet vertreten, Art 6 erlaube in einem solchen Fall nur im Heimatstaat des Antragsgegners den Rückgriff auf Zuständigkeiten lege fori; die Sperre des Art 6 schütze also auch in diesem Fall den Antragsgegner gegen eine nicht auf Art 3 bis 5 gestützte Zuständigkeit außerhalb seines Hei19

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27

Borrás IPRax 2008, 233, 235; Spellenberg ZZPInt 2007, 233; ob die Verdrängung nationaler Zuständigkeiten unter dem Gesichtspunkt des Zugangs zu Gericht zu begrüßen ist, bleibt freilich zweifelhaft: Requeio Isidro YB PIL 2008, 579, 587 ff; vgl dazu auch Art 3 Rn 9 ff. Europäische Kommission, 14.3.2005, COM (2005) 82. Dazu Rauscher FS Kerameus Band 1 (2009) 1113, 1126. Dazu Einl Rn 44 ff. Insoweit unverändert der Vorschlag Europäische Kommission, 17.7.2006 COM (2006) 399, als auch im letzten bekannten Formulierungsvorschlag des Rates der EU, 23.5.2008, 9712/08. Dazu Rn 11. Einl Rn 46 ff, 53; Art 7 Rn 25. Hingegen kann die Situation einer Ausschließlichkeit nach Art 6 lit a ohne Zuständigkeit nach Art 3-5 nicht auftreten, weil sich dann die Zuständigkeit im Aufenthaltsstaat immer schon aus Art 3 Abs 1 lit a Str 3 ergibt: Spellenberg ZZPInt 2007, 233, 237. Franzose und Deutsche leben in der Schweiz.

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Art 6 Brüssel IIa-VO 14

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

matstaats. 28 Diese Auslegung kann, wie von Vertretern dieser Ansicht konzediert wird,29 dazu führen, dass es in allen Mitgliedstaaten an einer internationalen Zuständigkeit fehlt,30 weil es eher vom Zufall abhängt, ob der Heimat- oder domicile-Staat des Antragsgegners eine solche bereitstellt. 14 c) Auf der Grundlage des vom EuGH festgestellten Nebeneinander der Art 6 und 7 kann die Frage nicht mehr mit Blick auf das prima facie komplementäre Verhältnis zwischen Art 6 und Art 7 Abs 2, das zugunsten dieser Ansicht sprach, beantwortet werden.31 Aus demselben Grund ist aber auch das in der Abfolge der Normen naheliegende Argument, Art 7 Abs 1 erlaube gerade in diesem Fall den Rückgriff auf die lex fori, nicht mehr tragfähig. Entscheiden muss die Teleologie der Norm; der Vorrang der Zuständigkeiten der Verordnung um der möglichst weitgehenden Vereinheitlichung willen kann nun aber dann nicht geboten sein, wenn solche Zuständigkeiten nicht bereitgestellt werden. Verweist man den Antragsteller mit Rücksicht auf den von Art 6 ursprünglich angestrebten Schutz des Antragsgegners auf eventuelle Zuständigkeiten lege fori im Heimat- oder domicile-Staat des Antragsgegners, ohne dass er auf (neutrale) Zuständigkeiten aus Art 3-5 ausweichen kann,32 so bedeutet dies eine nicht hinnehmbare Übergewichtung der Antragsgegnerinteressen. 33 Nicht zuletzt spricht für die hier vertretene Ansicht, dass sie sich in die legislativen Intentionen einfügt, die sich, insoweit nicht umstritten, aus den Reformbemühungen der Kommission ablesen lassen: Die im Brüssel IIa-ÄndE vorgesehene Streichung des Art 6 reduziert die Ausschließlichkeit der Verordnung auf die Fälle, in denen sich aus Art 3-5 eine Zuständigkeit in wenigstens einem Mitgliedstaat ergibt. Dieses klare Verhältnis zwischen Art 3-5 einerseits und der in Art 7 berufenen lex fori andererseits sollte antizipierend in eine teleologische Auslegung des noch geltenden Art 6 einbezogen werden.

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Rb Amsterdam NIPR 2008, 41; Spellenberg FS Geimer (2002) 1275; Hau FamRZ 2000, 1340; Hausmann EuLF 2000/01, 279; Boele-Woelki ZfRV 2001, 125; Dörner in: Großfeld/Yamauchi/Ehlers/Ishikawa, Probleme des europäischen, deutschen und japanischen Rechts (2006) 17, 25; Geimer/Schütze/Dilger Rn 15 f. Hau FamRZ 2000, 1340. Lebt zB ein Deutscher mit seiner niederländischen Ehefrau in der Schweiz, so wäre wegen der niederländischen Staatsangehörigkeit der Antragsgegnerin der Rückgriff auf § 98 Abs 1 Nr 1 FamFG versperrt, auch wenn Art 3 keine internationale Zuständigkeit in irgendeinem Mitgliedstaat vorsieht. Dazu Vorauflage Rn 9. Der Hinweis, der Antragsgegner könne sich durch Aufenthaltswechsel und 6 Monate oder 1 Jahr Geduld einen Gerichtsstand nach Art 3 Abs 1 lit a Str 5 oder 6 schaffen, ist wenig interessengerecht, so aber Dörner in: Großfeld/Yamauchi/Ehlers/Ishikawa, Probleme des europäischen, deutschen und japanischen Rechts (2006) 17, 25. Im Ergebnis wie hier: Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 567: Scheidungsantrag eines in Thailand lebenden Franzosen gegen seinen in Mexico lebenden spanischen Ehegatten vor französischen Gerichten gemäß Art 14 code civil français; anders vor belgischen Gerichten, weil Art 14 code civil belge außer Kraft ist (aaO S 569); Looschelders FS Kropholler (2008) 329, 344; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 7 Rn 2; Vogel MDR 2000, 1048.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 6 Brüssel IIa-VO 15-18

Art 6 verhindert den Zugriff auf die lex fori also nur, wenn die dort genannten Voraus- 15 setzungen erfüllt sind und in irgendeinem Mitgliedstaat eine Zuständigkeit nach Art 3 bis 5 besteht. Ist letzteres nicht der Fall, so eröffnet Art 7 Abs 1 den Rückgriff auf die lex fori in jedem Mitgliedstaat. Insbesondere kann sich also auch der Antragsteller in seinem Heimatstaat auf die lex fori stützen. Dies entzieht freilich Art 6 die letzte Fallgruppe, in der sich Ausschließlichkeit nur aus Art 6 und nicht bereits aus Art 7 iVm Art 3-5 ergibt. II.

Voraussetzungen der Ausschließlichkeit der Art 3 bis 5

1.

Staatsangehörigkeit oder gewöhnlicher Aufenthalt des Antragsgegners

Art 6 greift ein, wenn der Antragsgegner Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates ist 16 (lit b Alt 1). Die Bestimmung der Staatsangehörigkeit erfolgt wie bei Art 3;34 bei Mehrstaatern genügt auch eine nicht effektive Staatsangehörigkeit zu einem Mitgliedstaat. 35 Alternativ greift Art 6 ein, wenn der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt, der wie in Art 3 zu bestimmen ist,36 in einem Mitgliedstaat hat (lit a). Bei gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat sind also auch Nicht-Unionsbürger als Antragsgegner durch Art 6 begünstigt. 2.

Domicile im UK oder Irland

Das Kriterium der Staatsangehörigkeit wird im Fall des UK und Irlands durch das do- 17 micile ersetzt (lit b Alt 2).37 Art 6 gilt also unbeschadet ihres gewöhnlichen Aufenthalts und ihrer Staatsangehörigkeit für im UK oder Irland domizilierte Antragsgegner; aber auch für Antragsgegner, die in diesen Staaten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, weil lit a neben lit b Alt 2 anzuwenden ist. Hingegen ist ein irischer oder britischer Staatsangehöriger – obgleich er Unionsbürger ist – ohne domicile in einem dieser Staaten und ohne gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat nicht von Art 6 geschützt, denn die irische und britische Staatsangehörigkeit sind als Beziehungskriterium irrelevant. 38 3.

Maßgeblicher Zeitpunkt

a) Fraglich ist, zu welchem Zeitpunkt die genannten Voraussetzungen (Staatsange- 18 hörigkeit, Aufenthalt, domicile) vorliegen müssen. Der Wortlaut der Bestimmung („geführt werden“) spräche dafür, auf den jeweiligen Verfahrensstand abzustellen. Häufig wird, gestützt auf Art 16, auf die Verfahrenseinleitung abgestellt. 39 Art 16 gibt aber kein Argument für diese Ansicht: Seine Anwendung führt lediglich dazu, den Zeit34 35 36 37 38 39

Dort Rn 48 ff. Hau FamRZ 2000, 1337; AnwKommBGB /Gruber Rn 8; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 11. Dort Rn 21 ff. Dazu Art 3 Rn 34. KG EuLF 2007 II-1 120, 121. So aber Hau FamRZ 2000, 1340; Hausmann EuLF 2000/01, 279.

Thomas Rauscher

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Art 6 Brüssel IIa-VO 19-21

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

punkt der Verfahrenseinleitung auch für Zwecke des Art 6 auf die Einreichung des verfahrenseinleitenden Antrags zu fixieren, beantwortet aber nicht die Frage, ob der Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung überhaupt maßgeblich ist. 19 b) Die damit zu stellende Frage, ob ein Erwerb oder ein Wegfall der für Art 6 maßgeblichen Kriterien nach Einleitung des Verfahrens die Anwendung von Art 6 beeinflußt, ist nach den Grundsätzen der perpetuatio fori zu entscheiden. Dabei ist zu beachten, dass Art 6 anders als Art 3 Abs 1 Brüssel I-VO40 keine conditio sine qua non der Anwendung von Art 3 ff beschreibt, sondern nur zuständigkeitsausschließend (gegenüber der lex fori) wirkt.41 Lagen die Voraussetzungen des Art 6 bei Verfahrenseinleitung nicht vor, so konnte jedes Gericht – vorbehaltlich Art 7 iVm Art 3-5 – seine internationale Zuständigkeit (auch) auf nationales Recht stützen. Diese Zuständigkeit steht unter dem Schutz der perpetuatio fori, die Ausschließlichkeitswirkung des Art 6 kann also nicht mehr im laufenden Verfahren eintreten. 42 20 Damit ist nicht gesagt, dass auch der Wegfall der Voraussetzungen des Art 6 im laufenden Verfahren unbeachtlich wäre. Soweit sich eine Zuständigkeit aus Art 3 ff ergibt, gilt für diese die perpetuatio fori, sie besteht also unbeschadet der Änderung zuständigkeitsbegründender Merkmale fort. Die Ausschließlichkeitswirkung des Art 6 muss hingegen nicht im Interesse der Prozessökonomie, der die perpetuatio fori dient, zementiert sein. Damit ist auf den Zweck der Regelung abzustellen: Ein Antragsgegner, der sich aus dem durch Art 6 vermittelten Schutzkreis während des Verfahrens hinausbegibt, kann nicht erwarten, dass ihn Art 6 weiterhin vor der Anwendung der lex fori schützt. Ein bisher nach Art 3 ff nicht zuständiges aber bereits angerufenes Gericht kann also lege fori zuständig werden, was auch der Prozessökonomie dient, weil sonst der anhängige Antrag abzuweisen wäre, obgleich für einen neu zu stellenden Antrag die internationale Zuständigkeit lege fori bestünde. 4.

Rechtsfolge: Vorrang vor lex fori in anderen Mitgliedstaaten

21 a) Als Rechtsfolge ordnet der nur für Ehesachen anwendbare Art 6 die Ausschließlichkeit der Art 3, 4 und 5 vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaats an. Der durch Art 6 lit a oder lit b vermittelte Bezug zu einem Mitgliedstaat sperrt also in allen anderen Mitgliedstaaten den Rückgriff auf die lex fori. Auch durch rügelose Einlassung kann in den anderen Mitgliedstaaten die Zuständigkeit nicht begründet werden, weil Art 17 die Zuständigkeitsprüfung und Antragsabweisung von Amts wegen vorsieht. 43

40

41 42 43

112

Das übersieht Hausmann EuLF 2000/01, 279, der aus der perpetuatio fori folgert, dass die Wirkungen des Art 6 auch bei Wegfall ihrer Voraussetzungen während des Verfahrens erhalten bleiben müssten. Oben Rn 1. Ebenso Geimer/Schütze/Dilger Rn 5. MünchKommZPO /Gottwald Art 7 Rn 1.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 6 Brüssel IIa-VO 22-24

b) Die Gerichte des Heimat-, Aufenthalts- oder domicile-Staates dürfen hingegen 22 nach dem Wortlaut des Art 6 ihre internationale Zuständigkeit auch auf die lex fori stützen. Angesichts des forum rei aus Art 3 Abs 1 lit a Str 3 hat das jedoch keine Bedeutung für den gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Antragsgegners. Da hingegen die Staatsangehörigkeit und das domicile des Antragsgegners als solche keine Zuständigkeit nach Art 3 begründen, könnte sich eine internationale Zuständigkeit nur aus (auch) auf den Antragsgegner bezogenen Staatsangehörigkeits- oder domicile-Anknüpfungen der lex fori, zB § 98 Abs 1 Nr 1 FamFG, ergeben. 44 Berücksichtigt man freilich die vom EuGH45 gegebene Auslegung der Art 6, 7, so ist 23 auch an dieser Stelle das Verhältnis zwischen Ausschließlichkeit nach Art 6 und nach Art 7 iVm Art 3-5 neu zu justieren: Aus dem Umstand, dass Art 6 die Zuständigkeiten der VO im Aufenthalts-, Heimat-, bzw domicile-Staat des Antragsgegners nicht als ausschließlich ausweist, lässt sich nicht folgern, dass sich diese Ausschließlichkeit nicht aus Art 7 iVm Art 2-5 ergeben kann.46 Folgt man dem EuGH, so stehen Art 6 und Art 7 ohne Bezug nebeneinander, so dass sich auch nicht argumentieren lässt, die Einschränkung der Ausschließlichkeit nach Art 6 schlage auch auf Art 7 durch. Insbesondere das teleologische Argument des EuGH, das eher überzeugt als die Versuche, das heillose systematische und sprachliche Verhältnis der Art 6 und 7 argumentativ zu retten, spricht dagegen, im Aufenthalts-, Heimat- oder domicile-Staat den Rückgriff auf die lex fori auch dann zu erlauben, wenn nach Art 3-5 die Gerichte eines Mitgliedstaats zuständig sind.47 Auch die Argumentation des EuGH mit Art 17 weist in diese Richtung. Damit aber hat die Nichtanwendung der Ausschließlichkeit aus Art 6 auf die Zuständigkeit der Gerichte im Aufenthalts-, Heimat- oder domicile-Staat nur für die hier abgelehnte Ansicht48 Bedeutung, die selbst bei Fehlen jeder Zuständigkeit aus Art 3-5 die Ausschließlichkeit nach Art 6 gelten lassen will. c) Damit erledigt sich aus hier vertretener Sicht auch die Frage, wie im Fall rele- 24 vanter Bindungen an zwei oder mehrere Mitgliedstaaten zu verfahren ist. Nur aus Sicht der Gegenmeinung49 bliebe der eher fernliegende Fall zu betrachten, dass die Ehegatten in einem Drittstaat leben und der Antragsgegner die Staatsangehörigkeiten zweier Mitgliedstaaten besitzt. Eine Wortlautinterpretation könnte dazu verleiten, in allen Mitgliedstaaten den Rückgriff auf die lex fori für ausgeschlossen zu halten: Der 44

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48 49

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für einen Scheidungsantrag eines belgischen Ehegatten gegen seinen in den USA lebenden deutschen Ehegatten könnte also bei wortlautentsprechender Auslegung in allen anderen Mitgliedstaaten nur auf Art 3 ff gestützt werden, in Deutschland aber auf § 98 Abs 1 Nr 1 FamFG. Dazu Rn 11. So auch Spellenberg ZZPInt 2007, 233, 237. Damit war im Lichte der Auslegung durch den EuGH die Anwendung von § 606a Abs 1 Nr 4 aF ZPO im Fall des AG Leverkusen, FamRZ 2002, 1635 ausgeschlossen; so schon Gottwald FamRZ 2002, 1636. Oben Rn 13. Oben Rn 13, 23.

Thomas Rauscher

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Art 6 Brüssel IIa-VO 25-29

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Bezug zu einem Heimatstaat könnte die lex fori im anderen Heimat- oder Aufenthaltsstaat verdrängen. Der Zweck der Regelung führt zum gegenteiligen Verständnis: Art 6 schützt den Antragsgegner nur dagegen, in einem Mitgliedstaat, zu dem er keinen nach Art 6 anzuerkennenden Bezug hat, lege fori einem Antrag ausgesetzt zu sein, für den es dort nach Art 3 ff keine internationale Zuständigkeit gäbe. Hingegen muss er sich in jedem seiner Heimat-, Aufenthalts- und domicile-Staaten auch auf Zuständigkeiten nach der lex fori einlassen.50 5.

Anwendung der lex fori und Bedeutungslosigkeit des Art 6

25 Zusammenfassend steht Art 6 dem Rückgriff auf die lex fori in folgenden Fällen nicht entgegen: 26 a) In jedem Heimat-, Aufenthalts- oder domicile-Staat des Antragsgegners; freilich kann dennoch auf die lex fori nicht zurückgegriffen werden, wenn sich im Gerichtsstaat oder einem anderen Mitgliedstaat aus Art 3-5 eine Zuständigkeit ergibt. 27 b) In jedem Mitgliedstaat, sofern zwar die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art 6 lit a oder lit b vorliegen, sich aber aus Art 3 ff in keinem Mitgliedstaat eine Zuständigkeit ergibt.51 28 c) In jedem Mitgliedstaat, wenn schon die tatbestandlichen Voraussetzungen von lit a und lit b nicht vorliegen. Folgt man der Auffassung des EuGH, so kann in diesem Fall gleichwohl nicht auf die lex fori zurückgegriffen werden, wenn sich eine Zuständigkeit in einem anderen Mitgliedstaat nach Art 3 ff ergibt.52 6.

Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung

29 Für Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung gilt Art 6, anders als Art 7 Brüssel II-VO, nicht. Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich der VO wird insoweit durch das Verhältnis zu den Haager Übereinkommen (Art 60 lit a, e, Art 61) sowie durch Art 14 bestimmt, der wegen Fehlens einer Art 6 entsprechenden verwirrenden Regelung den Anwendungsbereich klar im Sinn des Vorrangs der Zuständigkeiten aus Art 8 ff regelt.

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51 52

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Ebenso AnwKommBGB /Gruber Rn 15; Geimer/Schütze/Dilger Rn 12. Ist der Antragsgegner deutschfranzösischer Doppelstaater mit gewöhnlichem Aufenthalt in USA und der Antragsteller Franzose mit gewöhnlichem Aufenthalt in USA, so sind deutsche Gerichte nach § 98 Abs 1 Nr 1 FamFG und französische Gerichte nach Art 14, 15 code civil français zuständig. Dazu oben Rn 12 ff. Dazu oben Rn 11 f.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 7 Brüssel IIa-VO 1

Artikel 7

Restzuständigkeit (1) Soweit sich aus den Artikeln 3, 4 und 5 keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats ergibt, bestimmt sich die Zuständigkeit in jedem Mitgliedstaat nach dem Recht dieses Staates. (2) Jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat, kann die in diesem Staat geltenden Zuständigkeitsvorschriften wie ein Inländer gegenüber einem Antragsgegner geltend machen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt oder im Fall des Vereinigten Königreichs und Irlands sein „domicile“ nicht im Hoheitsgebiet eines dieser Mitgliedstaaten hat. I. Regelungszweck 1. Abs 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abs 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Gleichbehandlung Angehöriger von

1 7

II. Restzuständigkeiten (Abs 1)

1. Restzuständigkeiten bei Fehlschlagen von Art 3-5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Fälle der Anwendung der lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Maßgeblicher Zeitpunkt. . . . . . . . . . . . . .

8 9 11

Mitgliedstaaten (Abs 2) 1. Voraussetzungen der Gleichstellung a) Anwendbarkeit der lex fori – Person des Antragsgegners . . . . . . . . b) Staatsangehörigkeit des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gewöhnlicher Aufenthalt des Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge a) Inländergleichstellung . . . . . . . . . . . . b) Einzelfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12 15 17 19 23

IV. Reformbestrebung: Autonome

„Restzuständigkeiten“. . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

Regelungszweck

1.

Abs 1

25

a) Das Regelungsziel von Art 7 Abs 1 wird im Schrifttum nicht einheitlich gese- 1 hen. Hintergrund dieser Unsicherheit ist wohl nicht zuletzt die wenig klare Offenlegung der historischen Motive im Bericht von Borrás, der sich zu Art 7 weitgehend mit Abs 2 befasst, wodurch der Eindruck entstehen kann, Art 7 Abs 1 habe keine eigenständige Bedeutung. Teils wird daher auch Art 7 insgesamt die gleiche Funktion wie Art 4 Abs 2 Brüssel I-VO zugemessen,1 Abs 1 also keine Bedeutung gegeben. Andere sehen in Abs 1 eine Norm, welche die zu Art 6 komplementären Fälle (weder EU-Mitgliedstaatsangehörigkeit noch gewöhnlicher Aufenthalt in einem Mitgliedstaat) re-

1

MünchKommZPO /Gottwald Rn 7.

Thomas Rauscher

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Art 7 Brüssel IIa-VO 2- 6

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

gelt. 2 Wieder andere beziehen Abs 1 als Ausnahme auf Fälle, in denen Art 6 zwar eingreift, aber die VO keine Zuständigkeit in einem Mitgliedstaat bereitstellt. 3 2 b) Die Bewertung dieser Zweckalternativen ist im Zusammenhang zur Frage nach dem Verhältnis zwischen Art 6 und Art 74 vor dem Hintergrund der Entscheidung des EuGH zu Art 6, 75 zu sehen. 3 (1) Die erstgenannte Ansicht, Art 7 Abs 1 keine eigenständige Funktion zuzumessen, scheidet schon deshalb aus, weil die Bestimmung im Verhältnis zu Art 6 durchaus am System der Art 3 Abs 1, 4 Abs 1 Brüssel I-VO orientiert ist, was es nahelegt, Art 7 Abs 1 eine Funktion für die Abgrenzung zwischen dem räumlich-persönlichen Anwendungsbereich der VO und der lex fori zuzumessen, was offenbar auch den Verfassern vorschwebte.6 Art 7 Abs 1 regelt also ein von Art 7 Abs 2 durchaus zu trennendes Problem.7 In der Auslegung durch den EuGH hat Art 7 Abs 1 insbesondere die Funktion, bei Bestehen einer Zuständigkeit aus Art 3-5 der Verordnung Ausschließlichkeit gegenüber der lex fori zuzumessen. 4 (2) Die Rechtsprechung des EuGH entzieht auch der zweitgenannten Ansicht die Grundlage: Da Art 6 danach nur einen Teil der Ausschließlichkeit beschreibt, ist Art 7 Abs 1 nicht das Komplement zu Art 6, sondern steht, wie zu Art 6 gezeigt,8 eher parallel zu Art 6; über die Reichweite des Art 6 enthält nach Ansicht des EuGH Art 7 Abs 1 keine Aussage. 5 (3) Auch die dritte Ansicht, die Art 7 Abs 1 auf Fälle bezieht, in denen Art 6 einen Rückgriff auf die lex fori in allen Mitgliedstaaten außer dem in Art 6 genannten Bezugsstaat des Antragsgegners sperren würde, Art 3 ff aber keine Zuständigkeit in irgendeinem Mitgliedstaat bereitstellt, entspricht nicht der Ansicht des EuGH, obgleich sie Art 7 Abs 1 einen System und Wortlaut entsprechenden Inhalt gibt. 6 c) Folgt man der Ansicht des EuGH, so hat Art 7 Abs 1 den Zweck, den Vorrang des Zuständigkeitssystems der Verordnung (Art 3-5) gegenüber der lex fori zu definieren. Art 7 Abs 1 bezieht sich danach nicht auf Art 6, sondern auf Art 3 ff; Abs 1 vereinigt, so verstanden, die Funktionen der Art 3 Abs 1 und 4 Abs 1 Brüssel I-VO in sich.

2 3

4 5 6 7 8

116

Zöller /Geimer Art 6 Rn 1; Boele-Woelki ZfRV 2001, 125; Hau FamRZ 2000, 1340; JC /Sturlèse n 33. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1; Hausmann EuLF 2000/01, 279; v Hoffmann/Thorn, IPR7 § 8 Rn 64; ähnlich ohne Nennung des Art 8 Abs 1: Spellenberg FS Geimer (2002) 1275. Vgl Art 6 Rn 12 ff. EuGH Rs C-68/07 Sundelind Lopez/Lopez IPRax 2008, 257; dazu Art 6 Rn 11. Ausdrücklich Borrás-Bericht Nr 48: „Trennungslinie“. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2. Dazu Art 6 Rn 12 ff.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

2.

Art 7 Brüssel IIa-VO 7- 9

Abs 2

Hingegen ist der Zweck des Abs 2 eindeutig: Soweit die lex fori anwendbar bleibt, 7 wird sie nicht selten Zuständigkeitsregeln vorsehen, die von der Staatsangehörigkeit oder dem domicile des Antragstellers abhängen. Statt solche Zuständigkeiten, die wegen der unterschiedlichen Gestaltung in den einzelnen Mitgliedstaaten zu Diskriminierung iSd Art 12 EGV/Art 18 AEUV führen können,9 zu tolerieren oder als exorbitant zu bannen, haben sich die Verfasser für eine integrationsfreundliche Lösung auf der Grundlage der Anwendung der jeweiligen lex fori entschieden.10 Abs 2 befreit solche Zuständigkeitsregeln von ihrem potentiell diskriminierenden Gehalt. Nach dem Modell des Art 4 Abs 2 Brüssel I-VO wird jede Staatsangehörigkeit zu einem Mitgliedstaat für Zwecke der Anwendung solcher Normen der Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaats gleichgestellt. Dass dies nur in bestimmten Fällen geschieht, wirft freilich Auslegungsfragen auf. II.

Restzuständigkeiten (Abs 1)

1.

Restzuständigkeiten bei Fehlschlagen von Art 3-5

Art 7 Abs 1 eröffnet zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit den Rückgriff 8 auf die lex fori, wenn sich aus Art 3 bis 5 in keinem Mitgliedstaat eine internationale Zuständigkeit ergibt. Art 6 steht dem nicht entgegen, auch wenn der Antragsgegner einem Mitgliedstaat angehört oder in einem Mitgliedstaat gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Anwendung der lex fori ist in diesem Fall auch nicht auf den Heimat-11, domicile- oder Aufenthaltsstaat des Antragsgegners beschränkt, sondern ist in jedem Mitgliedstaat zugelassen. Folgt man der Rechtsprechung des EuGH, so ergibt sich dies zwar nicht mehr zwanglos aus Abs 1, der nach Ansicht des EuGH nicht als Ausnahmenorm zu Art 6 zu verstehen ist; eine entsprechende Einschränkung des Art 6 ist gleichwohl teleologisch geboten.12 Insbesondere kann in einem solchen Fall die internationale Zuständigkeit im Heimatstaat des Antragstellers auf dessen Staatsangehörigkeit gestützt werden, auch wenn die Anforderungen, die Art 3 Abs 1 lit a Str 6 an den gewöhnlichen Aufenthalt stellt, nicht vorliegen.13 2.

Sonstige Fälle der Anwendung der lex fori

Abs 1 beschreibt den Anwendungsbereich der lex fori nach Ansicht des EuGH14 ab- 9 schließend. Insbesondere eröffnet Art 6 nicht im Umkehrschluss den Zugang zur lex 9 10 11 12 13

14

Spellenberg FS Geimer (2002) 1275. Borrás-Bericht Nr 47. So die Fallsituation in Rb ’s-Gravenhage NIPR 2004, 191. Dazu Art 6 Rn 14. Deutsche Gerichte sind also nach § 98 Abs 1 Nr 1 FamFG international zuständig für den Scheidungsantrag eines Deutschen gegen seinen Ehegatten, der französischer Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz ist. Dazu Art 6 Rn 11.

Thomas Rauscher

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Art 7 Brüssel IIa-VO 10-13

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

fori. Liegen die Voraussetzungen des Art 6 nicht vor, kann auf die Zuständigkeiten der lex fori danach nicht zurückgegriffen werden, wenn sich in irgendeinem Mitgliedstaat eine Zuständigkeit aus Art 3-5 ergibt. 10 Auf die lex fori zurückgegriffen werden kann jedoch, wenn zwar Zuständigkeiten aus Art 3 bis 5 in einem anderen Mitgliedstaat bestehen, dort aber wegen völkerrechtlicher Immunität des Antragsgegners nicht ausgeübt werden können. Dieser Fall steht dem Fehlen einer anderweitigen Zuständigkeit nach der VO teleologisch gleich, weil Art 7 Abs 1 nur das Zuständigkeitssystem der VO schützt, soweit es tatsächlich in Anspruch genommen werden kann. Andere Mitgliedstaaten – in denen diese Immunität nicht bestehen mag – wenden also ihre lex fori an.15 3.

Maßgeblicher Zeitpunkt

11 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zulässigkeit der Anwendung der lex fori ist die Verfahrenseinleitung. Ist bei Klageerhebung der Rückgriff auf die lex fori zulässig, so kann eine spätere Änderung der Verhältnisse die Fortdauer der Zuständigkeit nicht mehr berühren. Aus Sicht der nun vom EuGH geteilten hM wird die Frage aufgeworfen, ob schon eine sich anbahnende Zuständigkeit in einem anderen Mitgliedstaat den Rückgriff auf die lex fori ausschließe. Hat der Antragsteller in einem Mitgliedstaat gewöhnlichen Aufenthalt, so besteht dort vor Ablauf der Fristen nach Art 3 Abs 1 lit a Str 5 oder 6 keine Zuständigkeit, kann sich jedoch durch Fristablauf entwickeln. Eine solche Einschränkung wird vereinzelt vorgeschlagen,16 findet aber weder im Wortlaut noch im Zweck eine Stütze.17 Fehlt es also im Aufenthaltsstaat des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung (noch) an einer Zuständigkeit aus Art 3 Abs 1 lit a Str 5 oder 6, so kann im Anhängigkeitsstaat die Zuständigkeit lege fori beansprucht werden und bleibt sodann nach den Grundsätzen der perpetuatio fori internationalis erhalten. III. Gleichbehandlung Angehöriger von Mitgliedstaaten (Abs 2)

1.

Voraussetzungen der Gleichstellung

a) Anwendbarkeit der lex fori – Person des Antragsgegners 12 (1) Abs 2 setzt die Anwendbarkeit der lex fori voraus. Soweit der Rückgriff auf die lex fori gesperrt ist, finden auch die integrationsfreundlich erweiterten, in Abs 2 erfassten Zuständigkeiten keine Anwendung. Abs 2 gilt also nur dann, wenn Abs 1 den Rückgriff auf die lex fori eröffnet. 13 (2) Schwierigkeiten ergeben sich jedoch, weil Abs 2, anders als Abs 1, ausdrücklich nur anzuwenden ist gegenüber Antragsgegnern, die weder gewöhnlichen Aufenthalt im 15 16 17

118

Erwägungsgrund Nr 14. Schack RabelsZ 65 (2001) 615, 623. AnwKommBGB /Gruber Rn 2.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 7 Brüssel IIa-VO 14, 15

Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates noch die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates – bzw domicile in Irland oder dem UK – besitzen.18 Die Gründe für diese Einschränkung werden aus den Materialien nicht erkennbar, unklar ist vor allem, ob eine bewusste Einschränkung des Abs 2 gewollt ist oder man davon ausging, damit alle Fälle der Anwendung der lex fori erfasst zu haben;19 für letzteres spräche zwar, dass die Einschränkung in Abs 2 gerade komplementär zu Art 6 formuliert ist; mit der Auslegung des Art 6 durch den EuGH, wonach Art 6 gerade nicht abschließend die Ausschließlichkeit regelt, ist diese Sicht jedoch nicht zu vereinbaren. Insbesondere kann es zum Rückgriff auf die lex fori auch in Fällen kommen, in denen der Antragsgegner die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. 20 Damit ist in Konsequenz Abs 2 auch in diesem Fall – entsprechend – anzuwenden, um eine Diskriminierung iSd Art 12 EGV/Art 18 AEUV zu vermeiden. (3) Schließlich lässt Art 6 nach bisher allgemeiner Ansicht die Anwendung der lex 14 fori im Heimat-, Aufenthalts- oder domicile-Staat des Antragsgegners zu, weil sich die Ausschließlichkeit der Art 3 bis 5 nur auf andere Mitgliedstaaten bezieht. Freilich gilt auch dies in Konsequenz der Rechtsprechung des EuGH zu Art 6, 7 nur, wenn nach Art 3-5 in keinem anderen Mitgliedstaat eine Zuständigkeit besteht. 21 Auch in diesem Fall, soweit er noch eigenständige Bedeutung hat,22 würde Abs 2 nach seinem Wortlaut nicht eingreifen, ohne dass dafür eine Rechtfertigung erkennbar wäre. Zwar wird es sich in diesem Fall häufig um auf die Staatsangehörigkeit oder das domicile des Antragsgegners bezogene Zuständigkeiten handeln, die nach der lex fori eingreifen. Begründet jedoch zB die gemeinsame Staatsangehörigkeit bei Eheschließung die Zuständigkeit lege fori, so besteht auch in dieser Konstellation Gleichstellungsbedarf. Auch diese Lücke lässt sich durch analoge Anwendung des Abs 2 oder durch erweiternde Auslegung der jeweiligen nationalen Norm im Lichte des Art 12 EGV/Art 18 AEUV schließen. b) Staatsangehörigkeit des Antragstellers (1) Abs 2 wirkt nur zugunsten von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats. Aus dem 15 Textzusammenhang („gegenüber einem Antragsgegner geltend machen“) erschließt sich, dass hiermit – jedenfalls im Rahmen der Ehesache – der Antragsteller gemeint ist. Im Gegensatz zu Art 3, 6 und der Person des Antragsgegners in Abs 2 ist auch für Irland und UK auf die Staatsangehörigkeit abzustellen. Hierbei handelt es sich nicht etwa um ein redaktionelles Versehen: Abs 2 orientiert sich am Diskriminierungsverbot in Art 12 EGV/Art 18 AEUV, das an der Staatsangehörigkeit ausgerichtet ist, und nicht an jurisdiktionellen Anknüpfungsmerkmalen.

18 19

20 21 22

Thomas/Putzo/Hüßtege Art 7 Rn 3. Der Borrás-Bericht Nr 47 formuliert, als handele es sich um ein zusätzliches Kriterium, gibt dafür aber keine Gründe an. Dazu Art 6 Rn 14. Art 6 Rn 23. Dazu Art 6 Rn 23.

Thomas Rauscher

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Art 7 Brüssel IIa-VO 16-20

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

16 (2) Der Begriff des Mitgliedstaats ist auch in diesem Zusammenhang nach Art 2 Nr 3 zu bestimmen, schließt also Dänemark nicht ein. Diese Einschränkung dürfte eine Diskriminierung iSd Art 12 EGV/Art 18 AEUV gegenüber dänischen Staatsangehörigen darstellen, die als Antragsteller in den Mitgliedstaaten wie Ausländer behandelt werden.23 Diese unterschiedliche Behandlung ist nicht – wie jene in Art 6 – notwendig darauf zurückzuführen, dass Dänemark an der VO nicht teilnimmt, denn sie findet gerade nicht in Anwendung von Zuständigkeits- und Anerkennungsregeln der VO, sondern in Anwendung der jeweiligen lex fori statt. Eine erweiternde Auslegung, die dänische Antragsteller zur Vermeidung einer Diskriminierung in den Anwendungsbereich des Abs 2 einbezieht, könnte bei Abs 2 ansetzen; näher liegt aber eine entsprechende integrationsfreundliche Auslegung der jeweiligen nationalen Bestimmung.24 c) Gewöhnlicher Aufenthalt des Antragstellers 17 Weitere Voraussetzung ist, dass der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates (als dessen, dem er angehört) hat. Aus dem Sinnzusammenhang mit der angeordneten Rechtsfolge („die in diesem Staat geltenden Zuständigkeitsvorschriften“) ergibt sich, dass der gewöhnliche Aufenthalt sich im Forumstaat befinden muss. 18 Für Angehörige eines Mitgliedstaats, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Heimatstaat haben und dort eine Zuständigkeit suchen, folgt hieraus jedoch nicht im Umkehrschluss, dass sie sich auf die Inländerprivilegien im Zuständigkeitsrecht dieses Staates nicht mehr berufen dürften.25 Wie Art 4 Abs 2 Brüssel I-VO geht Abs 2 vielmehr davon aus, dass diese Bestimmungen der lex fori für Angehörige des Forumstaates ohnehin nach ihrem Wortlaut gelten und eine Gleichstellung nur für Angehörige aus anderen Mitgliedstaaten erforderlich ist. Eine Inländerdiskriminierung ist, ebenso wie bei Art 4 Abs 2 Brüssel I-VO, nicht gewollt. 2.

Rechtsfolge

a) Inländergleichstellung 19 (1) Unter den Voraussetzungen des Abs 2 kann sich der Antragsteller auf Normen der lex fori im Gerichtsstaat wie ein Inländer berufen. Inländer ist im Sinn von Staatsangehöriger des Forumstaats zu verstehen, da Ausgangspunkt des Abs 2, ebenso wie in Art 12 EGV/Art 18 AEUV, die Staatsangehörigkeit ist. 20 (2) Betroffen sind also Zuständigkeiten der lex fori, die an die inländische Staatsangehörigkeit des Antragstellers, aber auch solche, die an eine gemeinsame, insbesondere an eine frühere gemeinsame Staatsangehörigkeit anknüpfen, die nach Art 2 nicht relevant ist. Diese Anknüpfung muss nicht ausdrücklich sein. Insbesondere im Rahmen von forum conveniens-Bestimmungen, die dem Gericht bei enger Verbindung zum Forumstaat Ermessen hinsichtlich der Inanspruchnahme der Zuständigkeit ein23

AA Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 18; Zöller /Geimer Rn 2; Geimer/Schütze/Dilger Rn 6.

24

IE wie hier AnwKommBGB /Gruber Rn 6; aA Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 18.

25

So aber MünchKommZPO /Gottwald Rn 4.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 1 . Ehescheidung, Trennung und Ungültigerklärung

Art 7 Brüssel IIa-VO 21-24

räumen, kommt die Beachtlichkeit der Staatsangehörigkeit zum Forumstaat als Abwägungsgesichtspunkt in Betracht; auch insoweit bedarf es dann der Gleichstellung. 26 (3) Der Antragsteller kann sich nur im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts auf 21 die „in diesem Staat geltenden Zuständigkeitsvorschriften“ berufen; Forumstaat und Aufenthaltsstaat des Antragstellers müssen also übereinstimmen. Diese ausdrückliche Einschränkung ist notwendig, weil sonst – soweit die lex fori nicht nach Abs 1 iVm Art 3-5 oder Art 6 gesperrt ist – eine Universalzuständigkeit all jener Mitgliedstaaten für Anträge von Mitgliedstaatenbürgern geschaffen würde, die solche Zuständigkeiten vorsehen.27 (4) Angehörige des Forumstaats können sich – soweit die lex fori anwendbar bleibt – 22 auf solche Normen weiterhin berufen, auch wenn sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Heimat- und Forumstaat haben. Die einschränkende Anforderung an den gewöhnlichen Aufenthalt gilt nur für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats haben. b) Einzelfälle Zuständigkeiten, die auf die Staatsangehörigkeit des Antragstellers, ggf auch in Verbin- 23 dung mit dessen inländischem Wohnsitz oder Aufenthalt, abstellen,28 finden sich in Bulgarien,29 Deutschland,30 Frankreich und Luxemburg,31 Griechenland,32 Österreich,33 Spanien34 und Schweden.35 Auch Bestimmungen, die dem Gericht oder einer Behörde Ermessen bei der Annahme der Zuständigkeit geben, fallen unter Abs 2, soweit die Staatsangehörigkeit Kriterium der Abwägung oder objektive Voraussetzung der Ermessensausübung36 ist. Hingegen unterfallen Bestimmungen, die isoliert an die Staatsangehörigkeit des Antrags- 24 gegners anknüpfen,37 nicht Abs 2. Wird an eine gemeinsame Staatsangehörigkeit angeknüpft,38 so dehnt Abs 2 eine solche Zuständigkeit auf EU-Bürger gleicher Staatsange26

27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37

38

Vormals § 8 des finnischen Gesetzes Nr 379/1929 idF v 1987, aufgehoben durch Gesetz vom 13.12. 2001 Nr 1227; vgl Borrás-Bericht Nr 47. Vgl oben Rn 18. Vgl auch Art 3 Fn 6. Art 7 IPRG. § 98 Abs 1 Nr 1 FamFG. Jeweils Art 14 cc. Art 612 KPD. § 76 Abs 2 JN. Art 22 LOPJ. 3. Kap § 2 Gesetz 1904:26. Schweden: 3. Kap § 2 Nr 6 Gesetz 1904:26. Auch, soweit die Zuständigkeit parteirollenneutral und alternativ an die Staatsangehörigkeit anknüpft (Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Österreich, Portugal), spielt die Staatsangehörigkeit des Antragsgegners für Abs 2 keine Rolle. ZB Spanien: Art 22 LOPJ.

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Art 7 Brüssel IIa-VO 25

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

hörigkeit bei gewöhnlichem Aufenthalt des Antragstellers im jeweiligen Mitgliedstaat aus. 39 Anknüpfungen an den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers, die unabhängig von dessen Staatsangehörigkeit sind oder dessen Staatenlosigkeit voraussetzen, sind entgegen der Nennung im Borrás-Bericht40 nicht von Abs 2 erfasst. Insoweit besteht kein Gleichstellungsbedarf, weil solche Bestimmungen ohnehin auch für (EU-)Ausländer gelten, soweit die lex fori nicht durch Art 3 ff der VO verdrängt ist. Dasselbe gilt für domicile-Anknüpfungen,41 die, obgleich sie jurisdiktionell die Staatsangehörigkeit substituieren, nicht nach der Staatsangehörigkeit unterscheiden. 42 IV.

Reformbestrebung: Autonome „Restzuständigkeiten“

25 Der derzeit gescheiterte Reformvorschlag (Brüssel IIa-ÄndE)43 nimmt sich auch des Problems an, das sich daraus ergibt, dass mit Überlassung der Restzuständigkeiten an die jeweiligen leges fori das Bestehen einer Restzuständigkeit von der Regelungsfreude oder Lückenhaftigkeit des nationalen Rechts abhängt. Mit der Schaffung autonomer „Restzuständigkeiten“, die, da nicht mehr der lex fori entstammend, als Auffangzuständigkeiten bezeichnet werden sollten, soll ein neu gefasster Art 7 die Verweisung auf die lex fori entbehrlich machen. Diese Zuständigkeiten sollen nur bei Scheitern des Katalogs in Art 3 sowie des Art 4 und 5 eingreifen, also nicht den alternativ gefassten Katalog des Art 3 ergänzen. Hilfsweise zuständig würden danach die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Ehegatten für mindestens drei Jahre gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hatten, sowie die Gerichte des Heimat- bzw domicileStaates auch nur eines der Ehegatten. Abgesehen von der unklaren Formulierung des Aufenthaltskriteriums44 ist dem Ziel einer einheitlichen Regelung von Auffangzuständigkeiten, vor allem aber der Berücksichtigung des Interesses an einer Heimatstaatszuständigkeit, grundsätzlich zuzustimmen. 45

39

40 41 42

43 44

45

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Vor spanischen Gerichten kann sich also ein deutscher Antragsteller mit spanischem gewöhnlichem Aufenthalt für einen Scheidungsantrag gegen seinen deutschen Ehegatten mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Drittstaat (sonst Art 6!) auf Art 22 Alt 1 LOPJ berufen, nicht aber für einen Scheidungsantrag gegen einen französischen Ehegatten, denn die gemeinsame EU-Bürgerschaft begründet keine gemeinsame Staatsangehörigkeit. Er kann sich allerdings auf die ebenfalls auf EU-Bürger zu erweiternde Zuständigkeit nach Art 22 Alt 2 LOPJ berufen, für die bei gewöhnlichem Aufenthalt des Klägers in Spanien dessen spanische Staatsangehörigkeit genügt. Borrás-Bericht Nr 47 nennt ua § 606a Abs 1 Nr 3 und 4 ZPO aF. Vgl Art 3 Fn 6. Deshalb kann sich zB ein Antragsteller mit einem französischen domicile of origin nicht etwa vor irischen Gerichten auf eine Gleichstellung mit einem Antragsteller irischen Domizils berufen. Europäische Kommission, 17.7.2006, COM (2006) 399; dazu Einl Rn 44 ff. Der Vorschlag spricht von „gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt“ statt von gewöhnlichem Aufenthalt im selben Mitgliedstaat. Im Einzelnen Rauscher FS Kerameus Band 1 (2009) 1113, 1127 f; zum Reformvorschlag insoweit auch Salerno Riv dir int priv proc 2007, 63, 80.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 8 Brüssel IIa-VO 1

Abschnitt 2 Elterliche Verantwortung Artikel 8

Allgemeine Zuständigkeit (1) Für Entscheidungen, die die elterliche Verantwortung betreffen, sind die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dem das Kind zum Zeitpunkt der Antragstellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. (2) Absatz 1 findet vorbehaltlich der Artikel 9, 10 und 12 Anwendung. I. Verhältnis zu MSA und KSÜ 1. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung nach Art 60, 61 . . . . . . . . .

III. Sonstige Zuständigkeiten –

1 3

Übersicht (Abs 2) 1. Verhältnis zu Art 9, 10, 12 . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu Art 13, 15 . . . . . . . . . . . . . .

15 19

IV. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

II. Allgemeine Zuständigkeit –

Gewöhnlicher Aufenthalt (Abs 1) 1. Grundregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

Verhältnis zu MSA und KSÜ

1.

Kritik

6 9 11

Die wesentlichste strukturelle Änderung der VO gegenüber der Brüssel II-VO besteht 1 in der Einbeziehung aller Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung iSd Art 1 Abs 1 lit b. Schon die Einbeziehung der Zuständigkeit für Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung1 im Zusammenhang mit Ehesachen in die Brüssel II-VO löste Abgrenzungsfragen zu dem in einigen Mitgliedstaaten geltenden Haager MSA v 5.10.1961 und dem erst in wenigen Mitgliedstaaten geltenden Haager KSÜ v 19.10.1996 aus. Dass neben dem KSÜ eine eigenständige Lösung gesucht wurde,2 ist für die Praxis nicht unproblematisch, die in unterschiedlichen Konstellationen von Kindes- und Elternaufenthalt die Lösung in unterschiedlichen Rechtsinstrumenten zu suchen hat.3 Mit der Einbeziehung aller Sorgerechtssachen tritt die neue VO insoweit „die Flucht

1 2 3

Zum Begriff Art 1 Rn 21 ff. Kritisch Hau FamRZ 2000, 1338. Eine erste Beispielsammlung gibt Puszkajler IPRax 2001, 82 f.

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Art 8 Brüssel IIa-VO 2, 3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

nach vorn“4 an, zumal auch die in Art 4 Brüssel II-VO noch klar normierte Zurückhaltung gegenüber dem Geltungsbereich des HKindEntfÜbk aufgegeben und in Art 10, 11 ein Binnensystem der Rückgabe in Kindesentführungsfällen errichtet wird. 2 Das einzige Argument für eine europäische Insellösung könnte in der Langwierigkeit und der immer ungewissen Reichweite der Inkraftsetzung Haager Übereinkommen gesehen werden.5 Abgesehen davon, dass dieses Argument wenig glaubwürdig wirkt, nachdem die Kommission den Mitgliedstaaten Steine bei der Zeichnung in den Weg gelegt hatte,6 hätte es außer einer wait-and-see-Haltung7 durchaus auch Alternativen gegeben. So hätte etwa eine Übernahme des KSÜ im Verhältnis der Mitgliedstaaten auch durch eine schlichte Inkorporierung mittels einer einzigen Verweisungsnorm erfolgen können, was nicht zuletzt das Ansehen des Übereinkommens gestärkt und die Zeichnungsfreude auch dritter Staaten bestärkt hätte. Der gewählte Ansatz der Kommission ist gekennzeichnet von dem Bemühen, im Detail Verbesserungen gegenüber dem KSÜ zu erreichen, was jedenfalls die Zersplitterung der Instrumente und ein streckenweise rührendes Bemühen um Eigenständigkeit zur Folge hat. Dass die VO die sorgerechtlichen Zuständigkeiten eng am KSÜ zu orientieren versucht, ist ein schwacher Trost. Soweit sie sich am KSÜ orientiert, ist sie überflüssig, soweit sie abweicht, schafft sie Unsicherheit. Überdies kommt es im Detail zu Konflikten, da die VO, anders als MSA und KSÜ, keine kollisionsrechtlichen Regelungen enthält.8 Der einzige Punkt, an dem die engere Verbundenheit der Mitgliedstaaten für eine eigenständige Lösung genutzt wird, ist die in Art 11 Abs 7, 8 gefundene Lösung für Kindesentführungsfälle; diese Lösung nutzt die übergeordnete Macht der EG, sich über den ordre public des Verbringungsstaats eines Kindes hinwegzusetzen, die im völkervertraglichen Gleichordnungsverhältnis des KSÜ und des HKindEntfÜbk nicht besteht; ob dies politisch klug ist, steh auf einem anderen Blatt. 2.

Abgrenzung nach Art 60, 61

3 Formal ist die Abgrenzung zu MSA und KSÜ durch Art 60 lit a und 61 geregelt. Die VO geht in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten dem MSA vor (Art 60). Wann dieses Verhältnis berührt ist, erscheint nicht völlig eindeutig, zumal aus einem Umkehrschluss zu Art 61 deutlich wird, dass dieser Vorrang auch dann gilt, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat des MSA hat, der nicht Mitgliedstaat ist. Über das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten geht gleichwohl die Bestimmung der Internationalen Zuständigkeit hinaus, wenn ein dritter Vertragsstaat nach Art 1 MSA primär zuständig ist, so dass insoweit das MSA Vorrang haben

4 5 6 7 8

124

Helms FamRZ 2002, 1594; Staudinger /Spellenberg (2005) Vorbem Art 8 ff Rn 1. Zustimmend Hausmann EuLF 2000/01, 277. Vgl Einl Rn 22. So wohl Staudinger /Spellenberg (2005) Vorbem zu Art 8 ff Rn 1. Dazu unten Rn 21.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 8 Brüssel IIa-VO 4-7

muss.9 Nur im Anerkennungsbereich ist die VO auch dann (auf Entscheidungen aus Mitgliedstaaten) anwendbar, wenn das Kind nicht in einem Mitgliedstaat gewöhnlichen Aufenthalt hat.10 Im Verhältnis zum KSÜ hat Art 61 die Zielsetzung verstärkt, keinen offenen Konflikt 4 mit dem KSÜ heraufzubeschwören.11 Nach Art 52 Abs 1 KSÜ sind Vertragsstaaten des KSÜ Vereinbarungen untereinander in Bezug auf Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem dieser Vertragsstaaten gestattet, während „im Verhältnis“ zu anderen Vertragsstaaten das KSÜ unberührt bleibt. Dies greift Art 61 auf und beschränkt die VO auf Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat.12 Soweit Art 14 den Rückgriff auf das nationale Recht gestattet, sind auch MSA und 5 KSÜ anzuwenden,13 auch wenn das Kind in einem Mitgliedstaat Aufenthalt hat. Dies wird jedoch selten der Fall sein, weil bei gewöhnlichem Aufenthalt des Kindes in einem Mitgliedstaat immer aus Art 8 eine Zuständigkeit folgt. Das Verhältnis der Übereinkommen zur lex fori bestimmt sich insoweit ausschließlich nach den Abgrenzungsregeln zu den Übereinkommen. II.

Allgemeine Zuständigkeit – Gewöhnlicher Aufenthalt (Abs 1)

1.

Grundregel

Abs 1 übernimmt das inzwischen bewährte Prinzip des Art 1 MSA und Art 5 Abs 1 6 KSÜ: Für Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung, also im sachlichen Anwendungsbereich von Art 1 Abs 1 lit b, sind die Gerichte des Mitgliedstaates des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zuständig. Die Anknüpfung ist kindzentriert, sie ermöglicht ein schnelles Eingreifen, reduziert die Belastungen des Kindes durch das Verfahren und sichert Beweisnähe ebenso wie Nähe zu Institutionen der Kinderund Jugendhilfe.14 Abs 1 bestimmt nur die internationale Zuständigkeit. Die örtliche Zuständigkeit muss 7 sich lege fori ergeben, wobei nach den hergebrachten Grundsätzen kein Mitgliedstaat die internationale Zuständigkeit wegen Fehlens der örtlichen verweigern darf. Im deutschen Recht gilt für isolierte Kindschaftssachen § 152 Abs 2-4 FamFG, für Kindschaftssachen im Verbund §§ 152 Abs 1, 153 FamFG. 9

10 11 12 13 14

Weitergehend für Vorrang des MSA Siehr FS Schwab (2005) 1267, 1270, der trotz gewöhnlichem Aufenthalt des Kindes in einem Mitgliedstaat schon bei Staatsangehörigkeit des Kindes zu einem MSA-Staat, der nicht Mitgliedstaat ist, den Vorrang des MSA annimmt, dazu Art 60, 61 Rn 3; daher wäre in OLG Oldenburg FamRZ 2007, 1827 bei gewöhnlichem Aufenthalt des Kindes in der Türkei nicht zunächst Art 8, sondern sogleich das MSA anzuwenden gewesen. Näher Art 60, 61 Rn 6. Vgl Borrás-Bericht Nr 36, wo auf Art 52 II KSÜ Bezug genommen wird. Was schon zum Brüssel II-Übereinkommen angestrebt war: Borrás-Bericht Nr 36. Puszkajler IPRax 2000, 83; aA Jayme/Kohler IPRax 2000, 457. Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 242.

Thomas Rauscher

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Art 8 Brüssel IIa-VO 8-10

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

8 Die Staatsangehörigkeit des Kindes spielt, wie unter dem KSÜ und anders als nach Art 3 MSA, keine Rolle,15 eine Öffnung zur Berücksichtigung der Staatsangehörigkeit als Bindungsfaktor ergibt sich jedoch mittelbar aus Art 12 Abs 1 bei Sorgerechtsentscheidungen im Zusammenhang mit einer Ehesache sowie ausdrücklich aus Art 12 Abs 3 unabhängig von diesem Zusammenhang. 2.

Zeitpunkt

9 a) Maßgeblich für die Bestimmung der Zuständigkeit ist der gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt der Antragstellung. Abs 1 statuiert also ausdrücklich den Grundsatz der perpetuatio fori internationalis.16 Dies weicht vom Verständnis in MSA17 und KSÜ ab,18 was man durchaus kritisch sehen kann, weil wesentliche Effekte, wie die Nähe des Gerichts und der Systeme der Kinder- und Jugendhilfe zum Kind bei Wegzug im Verfahren verloren gehen.19 Immerhin schafft dies die Grundlage für eine Zuständigkeitszuordnung, die insbesondere bei Kindesentführung nach Einleitung eines Verfahrens zur elterlichen Verantwortung keine Zweifel am Fortbestand der Aufenthaltszuständigkeit entstehen lässt. Der Einleitung eines Verfahrens im neuen Aufenthaltsstaat, mag dort gewöhnlicher oder schlichter Aufenthalt bestehen, steht jedenfalls Art 19 Abs 2 entgegen. 20 Maßgeblich sind insbesondere auch für weitere Instanzen im ursprünglichen gewöhnlichen Aufenthaltsstaat die Aufenthaltsverhältnisse bei Einleitung des erstinstanzlichen Verfahrens.21 Der verfahrensrechtlich maßgebliche Zeitpunkt der Antragstellung ist entsprechend Art 16 zu bestimmen. 22 10 b) Fraglich ist, ob Abs 1 auch dem Entstehen der Aufenthaltszuständigkeit während einem bereits anhängigen Verfahren entgegensteht, was bei formal wortlautorientiertem Verständnis nahe läge. Gleichwohl wäre es wenig sinnvoll, wenn ein Gericht in dem Mitgliedstaat, in dem das Kind im Entscheidungszeitpunkt gewöhnlichen Aufenthalt hat, sich mit Blick auf die Verhältnisse bei Antragstellung für unzuständig erklärt. Aufenthaltszuständigkeit kann also noch im laufenden Verfahren entstehen.23 In einem solchen Fall ist jedoch in Ansehung von Art 19 Abs 2 der Vorrang des erstangerufenen Gerichts nur insoweit gerechtfertigt, als dieses Gericht bereits in dem Zeitpunkt zuständig gewesen sein muss, in dem das zweite Gericht 15 16

17

18

19 20 21 22 23

126

Rausch FuR 2005, 53, 56. Hof ’s-Hertogenbosch NIPR 2007, 365, 366; Rb ’s-Gravenhage NIPR 2006, 281; Rathjen FF 2007, 27, 32; Solomon FamRZ 2004, 1409, 1411; Rauscher EuLF 2005, I-37, 39; Geimer/Schütze/Dilger Rn 4. BGH IPRax 2003, 145; Hof ’s-Hertogenbosch NIPR 2007, 365, 367; dazu Bauer IPRax 2003, 135, 137; einschränkend OGH ZfRV 1994, 158: Zeitpunkt erstinstanzlicher Entscheidung. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 1; Geimer/Schütze/Dilger Rn 4; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 5; Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 55. Vgl einerseits Busch IPRax 2003, 221; andererseits Coester-Waltjen FamRZ 2004, 281. AnwKommBGB /Gruber Rn 2. Hof ’s-Gravenhage NIPR 2007, 362, 363. RB Groningen NIPR 2008, 49. MünchKomm/Gottwald Rn 3; Solomon IPRax 2004, 1409, 1411; Rauscher EuLF 2005 I-37, 39; aA Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 5.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 8 Brüssel IIa-VO 11

angerufen wurde. Wurde hingegen die Zuständigkeit des erstangerufenen Gerichts erst durch den Erwerb des gewöhnlichen Aufenthalts begründet, nachdem bereits das zweite Gericht angerufen war, so hat das erstangerufene Gericht seine Zuständigkeit abzulehnen.24 3.

Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts

Der gewöhnliche Aufenthalt ist grundsätzlich als autonomes Konzept des europäi- 11 schen Rechts zu verstehen und unabhängig von nationalem Recht25 zu bestimmen. 26 Dennoch sollte sich, schon aus Gründen der Kontinuität einer Begriffsbildung, die sich insbesondere in den neuen Mitgliedstaaten erst verfestigen muss,27 der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts unter Art 8 nicht von dem zum MSA entwickelten und im KSÜ übernommenen Begriff entfernen. 28 Grundsätzlich nicht anders, als für die Aufenthaltsbestimmung von Erwachsenen (insbesondere in Art 3 für die Ehegatten),29 ist darunter der Ort zu verstehen, an dem das Kind seinen Lebensmittelpunkt30 hat, also sozial und familiär integriert ist. Hierfür sind insbesondere die Dauer, die Regelmäßigkeit, die Umstände des Aufenthalts, aber auch die Gründe für den Aufenthalt bzw Umzug abzuwägen;31 damit kommt mittelbar dem Willen eines oder mehrerer Sorgeberechtigter Bedeutung zu, weil der Wille auf die Gründe einer Aufenthaltsverlegung einwirkt und damit den Aufenthalt auch alsbald nach einem Umzug, insbesondere ohne Ablauf einer bestimmten Aufenthaltsdauer,32 als dauerhaft oder auch als nur vorübergehend33 ausweisen kann. Hierbei ist jedoch der Wille nur ein Kriterium und immer eine Gesamtschau der Lebensverhältnisse erforderlich. 34 Der EuGH35 misst überdies der Staatsangehörigkeit des Kindes Bedeutung zu, was, entgegen der verbreiteten europhil genährten Ansicht, die Staatsangehörigkeit sei in Europa kollisionsrechtlich bedeutungslos, Zustimmung verdient: Soziale Integration hängt selbstverständlich auch von die Sozialisation erleichternden oder erschwerenden Faktoren ab

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Solomon IPRax 2004, 1409, 1411; Rauscher EuLF 2005 I-37, 39. Das auch vor dem Hintergrund von MSA und KSÜ noch erstaunliche Ergebnisse hervorbringt, vgl Holl IPRax 2000, 238, 239 zur Haltung des House of Lords, den gewöhnlichen Aufenthalt des Minderjährigen ähnlich dem dependent domicile zu bestimmen. EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 847; Kommission, Leitfaden 12; Looschelders JR 2006, 45, 46; Völker jurisPR-FamR 3/2006 Anm 5; Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 54. Hierzu instruktiv Júdova YB PIL 2007, 471 zur Rezeption des Begriffs in der Slovakei. OLG München IPRspr 2005 Nr 198; Looschelders JR 2006, 45, 46. Dazu Art 3 Rn 21 ff. BGH FamRZ 2008, 45, 46. EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 847; Rauscher LMK 2009, 282910. OLG München IPRspr 2005 Nr 198. BGH FamRZ 2008, 45, 46: Aufenthalt in Österreich zur Vermeidung der Schulpflicht berührt nicht den gewöhnlichen Aufenthalt. Vgl die eingehende Abwägung bei 8-monatigem Aufenthalt im Heimatstaat der allein sorgeberechtigten Mutter: Hof ’s-Gravenhage NIPR 2006, 264, 265. EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 847.

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Art 8 Brüssel IIa-VO 12-14

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

und ebenso wie die Sprache ist auch die Staatsangehörigkeit – und die Nationalität – ein solcher Faktor; in der Heimat integriert man sich auch als Europäer leichter. 12 Für die Aufenthaltsbestimmung von Kindern wird, anders als für Erwachsene, insbesondere das Problem der Aufenthaltsverlegung gegen den Willen eines Sorgeberechtigten („Kindesentführung“) relevant, das die Diskussion um den Aufenthaltsbegriff in Art 1 MSA wesentlich geprägt hat. Da dem gewöhnlichen Aufenthalt ein am Kind orientiertes faktisches Konzept zu Grunde liegt, gibt es keinen vom Sorgeberechtigten abgeleiteten, in solchen Fällen stabilisierend wirkenden, gewöhnlichen Aufenthalt. 36 Auch insoweit sollte eine autonome Auslegung die zu Art 1 MSA entwickelten und zu Art 5 KSÜ fortzuschreibenden Grundsätze aufgreifen. 37 Durch Kindesentführung als solche wird der gewöhnliche Aufenthalt nicht verändert; andererseits hindert der bloße entgegenstehende Wille des (anderen) Sorgeberechtigten nicht die faktische Integration. 13 Es dürfte sich jedoch empfehlen, die ursprünglich in der Rechtsprechung entwickelte „6-Monats-Regel“, wonach gewöhnlicher Aufenthalt in solchen Fällen nicht vor Ablauf von sechs Monaten erworben wird,38 in Anlehnung an Art 12 Abs 1 Haager Kindesentführungsübereinkommen zu einer 12-Monats-Regel auszubauen;39 da Art 10 lit b sublit (i) die Jahresfrist als wesentliches Kriterium des Erhalts der Zuständigkeit in Entführungsfällen aus dem HKindEntfÜbk aufnimmt, erschiene es höchst konstruktiv, von einem Verlust des gewöhnlichen Aufenthalts nach 6 Monaten auszugehen und Art 10 als eine Norm zu verstehen, die perpetuatio jurisdictionis trotz Verlust der Voraussetzungen des Art 8 anordnet. Zwanglos lässt sich Art 10 lit b sublit (i) dahingehend verstehen, dass vor Ablauf von 12 Monaten gegen den Willen eines Sorgeberechtigten sich der gewöhnliche Aufenthalt nicht verlagert. 40 14 Zugleich macht Art 10 aber auch deutlich, dass die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht Voraussetzung eines gewöhnlichen Aufenthalts ist. Gewöhnlicher Aufenthalt am Verbringungsort kann auch bei rechtswidriger Verbringung des Kindes entstehen41 und begründet dort dann auch die internationale Zuständigkeit nach Abs 1. Verhindert werden kann diese Wirkung nur dadurch, dass im ursprünglichen Aufenthaltsstaat ein Sorgerechtsantrag, ggf auch ein Rückgabeantrag, gestellt wird, der dann über Art 19 Abs 2 im Rahmen desselben Anspruchs die Inanspruchnahme der neuen Zuständigkeit blockiert.

36

RB Harlem NIPR 2008, 51; Looschelders JR 2006, 45, 46.

37

AnwKommBGB /Gruber Rn 5; näher Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 3 ff; vgl auch OLG München 30.6.2005 IPRspr 2005 Nr 198. Dazu Bauer IPRax 2002, 181. Vgl OLG Hamm NJW-RR 1997, 6; OLG Stuttgart FamRZ 1997, 52; MünchKomm/Gottwald Rn 6; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 12. Vgl Rb Alkmaar NIPR 2008, 142; Rb Roermond NIPR 2008, 308. AnwKommBGB /Gruber Rn 3.

38 39

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 8 Brüssel IIa-VO 15-19

III. Sonstige Zuständigkeiten – Übersicht (Abs 2)

1.

Verhältnis zu Art 9, 10, 12

Art 8 Abs 1 findet vorbehaltlich der Art 9, 10 und 12 Anwendung (Abs 2). Diese Be- 15 stimmungen sehen Zuständigkeiten von Gerichten in anderen Mitgliedstaaten als dem Aufenthaltsstaat des Kindes vor, die nicht hinter dem Aufenthaltsprinzip zurücktreten, sondern die Aufenthaltszuständigkeit verdrängen bzw neben sie treten. Vorrang gegenüber Art 8 Abs 1 beansprucht die perpetuatio jurisdictionis nach Art 9 16 Abs 1 („abweichend von Art 8“); das danach befristet weiter für die Abänderung einer Umgangsentscheidung zuständige Gericht ist vorbehaltlich des Art 9 Abs 2 statt den Gerichten des neuen Aufenthaltsstaates zuständig. Vorrangig gegenüber Art 8 ist auch Art 10. Fraglich ist allerdings, ob Art 10 im Fall 17 der Kindesentführung nur das Fortbestehen der Zuständigkeit der Gerichte des bisherigen Aufenthalts-Mitgliedstaates gegen einen Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts („... gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat erlangt hat und ...“) schützt oder ob Art 10 auch die Entstehung einer Zuständigkeit nach Art 8 Abs 1 in dem Verbringungsstaat, in dem das Kind gewöhnlichen Aufenthalt erlangt hat, so lange verhindert. Das Problem wird erheblich reduziert, wenn man in Entführungsfällen den gewöhnlichen Aufenthalt erst nach zwölf Monaten übergehen lässt, weil dann in den meisten Fällen die Voraussetzungen nach Art 10 lit b alsbald nach Erwerb eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts gegeben sind oder der Erwerb eines solchen durch entgegentretende Maßnahmen verhindert wird. Hingegen treten die Zuständigkeiten nach Art 12 neben die Zuständigkeit nach 18 Abs 1. Sowohl die Zuständigkeit des mit der Ehesache befassten Gerichts nach Art 12 Abs 1, 2 als auch die Zuständigkeit nach Art 12 Abs 3 in sonstigen Sorgerechtsverfahren verdrängt nicht die Zuständigkeit der Aufenthaltsgerichte nach Abs 1.42 Insoweit sind die Gerichte beider Mitgliedstaaten zuständig und der Vorrang bestimmt sich lediglich nach Art 19 Abs 2.43 Art 12 kann aber auch dann eingreifen, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Nicht-Mitgliedstaat hat und sich aus Art 8 deshalb in keinem Mitgliedstaat eine Zuständigkeit ergibt. 44 2.

Verhältnis zu Art 13, 15

Nicht in Abs 2 bezeichnet ist das Verhältnis von Abs 1 zu Art 13 und 15. Die Zustän- 19 digkeit aufgrund schlichtem Aufenthalt (Anwesenheit) nach Art 13 ist subsidiär gegenüber Art 8 Abs 1 und 12, denn sie setzt voraus, dass sich der gewöhnliche Aufenthalt nicht bestimmen lässt und eine Zuständigkeit nach Art 12 nicht besteht.

42

AA AG Steinfurt 8.1.2008 (10 F 9/07) juris.

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Ausdrücklich aA AG Steinfurt 8.1.2008 (10 F 9/07) juris. HR NIPR 2007, 140, 141.

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Thomas Rauscher

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Art 8 Brüssel IIa-VO 20-23

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

20 Art 15 hingegen setzt die anderweitige, insbesondere aus Art 8 Abs 1 begründete Zuständigkeit eines Gerichts voraus, das sich nur auf Grundlage seiner an sich gegebenen Zuständigkeit gleichwohl als nicht geeignet zur Entscheidung der Sorgerechtssache ansieht. IV.

Anwendbares Recht

21 Konflikte, ja ein Rückschritt in der Sache, ergeben sich, weil die VO im Gegensatz zu MSA und KSÜ eine kollisionsrechtliche Regelung unterlässt. 45 Der in Art 2 MSA erprobte und in Art 15 KSÜ durch Aufgabe des Heimatrechtsvorbehalts (Art 3 MSA) noch verstärkte Gleichlauf von internationaler Zuständigkeit und anwendbarem Recht wird jedenfalls auf formaler Ebene aufgegeben. 22 Da die VO über Art 60, 61 nur zuständigkeitsrechtlich das MSA und das KSÜ verdrängt,46 und Art 62 Abs 1 ausdrücklich die Geltung der Übereinkommen für andere Rechtsgebiete betont, sollte außer Zweifel stehen, dass bei Aufenthalt des Kindes in einem Mitgliedstaat die Kollisionsregeln von MSA und KSÜ nicht durch die VO verdrängt sind.47 Dies sagt aber noch nichts aus über den positiven Geltungswillen der beiden Übereinkommen. Hier aber besteht ein Problem: Sowohl Art 2 MSA als auch Art 15 KSÜ sehen für die Schutzmaßnahme die Anwendung der lex fori ausdrücklich nur bei Wahrnehmung der Zuständigkeiten aus den Übereinkommen selbst vor. Eine davon unabhängige Kollisionsnorm für die Bestimmung des Sorgeberechtigten enthält nur Art 16 KSÜ, während Art 3 MSA nach hM keine allgemeine Kollisionsregel bestimmt. 23 Man kann nun versuchen, MSA und KSÜ einen Grundsatz der Anknüpfung von Sorgerecht und Sorgeregelung – unabhängig von der Zuständigkeit – an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zu entnehmen.48 Das ist jedoch nur im Rahmen der zuständigkeitsrechtlichen Grundanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt richtig. Für die Sorgemaßnahme berufen die Übereinkommen die jeweilige lex fori, was im Rahmen der Hilfszuständigkeiten zu ganz anderen Ergebnissen führt als das Aufenthaltsprinzip49 und überdies zeigt, dass den Übereinkommen im Zweifel die – Schnelligkeit garantierende – Anwendung der lex fori wichtiger ist als das Prinzip der Aufenthaltsanknüpfung im IPR.50 Lediglich Art 16 KSÜ hängt nicht von einer Regelungszuständigkeit ab und kann daher als Kollisionsnorm eingreifen, auch wenn die VO

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46 47 48

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Womit nicht einer weiteren Entwicklung im bisherigen Stil, also Übernahme der KSÜ-Lösung mit Kompromiss-Modifikationen, das Wort geredet sein soll. Vgl Jayme/Kohler IPRax 2000, 457; Puszkajler IPRax 2001, 82. So Puszkajler IPRax 2001, 82; AnwKommBGB /Gruber Rn 7. So Puszkajler IPRax 2001, 82; AnwKommBGB /Gruber Rn 8 f; Geimer/Schütze/Dilger Rn 17; Zöller / Geimer Rn 13; Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 216. Weshalb es auch vor deutschen Gerichten nur eine unvollkommene Lösung ist, Art 21 EGBGB als Sachnormverweisung zu verstehen, so wohl Puszkajler IPRax 2001, 82. Geimer/Schütze/Dilger vor Art 8 Rn 17, der letztlich dennoch immer die lex fori anwenden will.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 8 Brüssel IIa-VO, 24, 25 Art 9 Brüssel IIa-VO

hinsichtlich der Zuständigkeit vorgeht. Art 16 KSÜ regelt aber nicht das auf die Sorgerechtsmaßnahme anwendbare Recht und kann auch nicht analog herangezogen werden. Diese lex-fori-Anknüpfung ist aber nur auf der Grundlage der zuvor angeordneten Zu- 24 ständigkeiten sinnvoll; Art 2 MSA und Art 15 KSÜ wählen nicht blind eine beliebige lex fori, sondern sehen die lex fori des vom Übereinkommen für zuständig gehaltenen Gerichts. Insbesondere im Fall des Art 12 ist ein formaler Gleichlauf des nach Art 15 KSÜ anwendbaren Rechts mit der Zuständigkeit nach der Verordnung kaum vorstellbar, da Art 12 auf die Interessen der Ehegatten zugeschnitten ist.51 Damit müsste nationales IPR über die Anknüpfung der Sorgerechtsmaßnahme unter 25 der VO entscheiden.52 Diese Störung des durch MSA und KSÜ erreichten Gleichlaufs von Zuständigkeit und anwendbarem Recht, verbunden mit dem Nebeneinander von nationalem IPR und völkervertraglichem IPR (in Nicht-VO-Fällen) ist gewiss ein Unding.53 Lässt sie sich schon nicht ganz vermeiden, so scheint es doch sinnvoll, sie zu reduzieren, soweit ein Gericht, das nach der VO zuständig ist, auch nach dem – jeweils abhängig vom Anwendungsbereich – MSA oder KSÜ zuständig wäre. In solchen Fällen lässt sich nämlich den Übereinkommen durchaus die Aussage zur Anwendung der lex fori vor dem Hintergrund der eigenen Zuständigkeitswertung entnehmen.54 Soweit jedoch die VO neue Zuständigkeiten schafft, ist das anwendbare Recht lege fori zu bestimmen.

Artikel 9

Aufrechterhaltung der Zuständigkeit des früheren gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes (1) Beim rechtmäßigen Umzug eines Kindes von einem Mitgliedstaat in einen anderen, durch den es dort einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erlangt, verbleibt abweichend von Artikel 8 die Zuständigkeit für eine Änderung einer vor dem Umzug des Kindes in diesem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung über das Umgangsrecht während einer Dauer von drei Monaten nach dem Umzug bei den Gerichten des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes, wenn sich der laut der Entscheidung über das Umgangsrecht umgangsberechtigte Elternteil weiterhin gewöhnlich in dem Mitgliedstaat des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes aufhält. (2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der umgangsberechtigte Elternteil im Sinne des Absatzes 1 die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes dadurch anerkannt hat, dass er sich an Verfahren vor diesen Gerichten beteiligt, ohne ihre Zuständigkeit anzufechten. 51 52 53 54

Looschelders JR 2006, 45, 48. So Jayme/Kohler IPRax 2000, 454, 457; ebenso noch Vorauflage Art 3 Rn 3. Pirrung FS Jayme (2005) 701, 707. Schulz FPR 2004, 299, 301: jedenfalls in diesen Fällen; Rauscher EuLF 2005 I-37, 39: nur in diesen Fällen.

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Art 9 Brüssel IIa-VO 1, 2

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

I. Perpetuatio jurisdictionis für Umgangsentscheidungen 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtmäßiger Umzug (Abs 1). . . . . . . . 3. Umgangsentscheidung, umgangsberechtigter Elternteil . . . . . . . 4. Gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zuständigkeit der bisherigen Aufenthaltsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Zuständigkeit der Gerichte am

1 5 9

neuen Aufenthaltsort 1. Umgangsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Für sonstige Sorgerechtssachen. . . . . . . 3. Aufgrund rügeloser Anerkennung (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . .

19 21 22

12 16

I.

Perpetuatio jurisdictionis für Umgangsentscheidungen

1.

Zweck

1 Die – im KSÜ nicht enthaltene – Sonderregelung bestimmt eine fortdauernde Zuständigkeit ohne das Erfordernis einer bei Aufenthaltswechsel bestehenden Anhängigkeit, also eine perpetuatio jurisdictionis der (ehemaligen) Aufenthaltsgerichte zur Änderung der von ihnen erlassenen Umgangsentscheidungen. Die zugrundeliegende Idee erscheint plausibel: Hat das Kind erst kürzlich seinen gewöhnlichen Aufenthalt verlegt, so erscheint das Gericht, welches die Umgangsentscheidung getroffen hat, dem Kind am nächsten; es wird, ohne am Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts zu rühren, Kontinuität angestrebt.1 Überdies soll der Träger der elterlichen Verantwortung, der wegen des Umzugs des Kindes nun nicht mehr in der bisherigen Weise den Umgang ausüben kann, sofern er in dem Staat des bisherigen Kindesaufenthaltes verbleibt, auch dort die Anpassung der Umgangsregelung erreichen können.2 Dergestalt bedeutet Art 9 auch eine Kompensation für die Schutzlücke, die entsteht, weil der Umgangsberechtigte sich bei rechtmäßiger Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts dieser Verlegung an sich nicht nach dem HKindEntfÜbk widersetzen kann.3 2 Die Bestimmung hat allerdings einen eher beschränkten Anwendungsbereich und wirft Auslegungsfragen auf, die früh erkannt,4 aber nicht wirklich ausgeräumt sind. Die im Lauf des Verfahrens erfolgte Kürzung der Übergangsperiode von sechs5 auf drei Monate macht es nun noch weniger wahrscheinlich, dass innerhalb dieser kurzen, schon mit dem Umzug laufenden Frist überhaupt ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts stattfindet. Immerhin stellt die Bestimmung innerhalb dieser kurzen Frist die Zuständigkeit außer Streit,6 was für den Umgangsberechtigten theoretisch von Vorteil ist. 1 2 3 4 5 6

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So Verordnungsvorschlag Europäische Kommission, 17.5.2002, COM (2002) 222/2, 9 f. Kommission, Leitfaden 17. OLG Koblenz NJW 2008, 238, 240. Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 21.3.2003, 7729/03. Vorschlag Art 11. IE ebenso Looschelders JR 2006, 45, 46: extensive Auslegung.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 9 Brüssel IIa-VO 3- 6

Mittelbar könnte die Norm, was sie ausdrücklich nicht will, sogar die Definition des 3 gewöhnlichen Aufenthalts dahingehend beeinflussen, dass ein rechtmäßiger Umzug eines Kindes womöglich regelmäßig sogleich einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Überdies ist die Norm vor dem Hintergrund der typischen Umgangsstreitigkeit aus 4 Anlass eines Auslandsumzuges des allein Sorgeberechtigten mit dem Kind einigermaßen praxisfremd: Wenn das Umgangsrecht des zurückbleibenden Elternteils betroffen ist – und nur dann ist die Norm sinnvoll – wird in aller Regel gerade über die Frage gestritten, ob der Sorgeberechtigte mit dem Kind auswandern durfte oder nicht. Hierauf gibt Art 2 Nr 11 keine autonome Antwort;7 maßgeblich ist vielmehr die sich aus dem maßgeblichen Sorgerechtsstatut ergebende Befugnis. Das formale Aufenthaltsbestimmungsrecht berechtigt mit Rücksicht auf das Umgangsrecht nicht zwangsläufig zu einer einseitig beschlossenen Auswanderung. Solchermaßen wird ein wesentlicher lege causae zu behandelnder materieller Streitpunkt in dem Verfahren, das Art 9 erleichtern soll, zur Voraussetzung seiner Anwendung. Dadurch wird Art 9 eine Lösung für Fälle, in denen die Lage so kompliziert ist, dass man nicht raten kann, auf Art 9 zu vertrauen. 8 2.

Rechtmäßiger Umzug (Abs 1)

a) Abs 1 ist nur anzuwenden bei rechtmäßigem Umzug des Kindes. Ob der Umzug, 5 der im Regelfall durch einen alleinigen Sorgerechtsinhaber im engeren Sinn veranlasst sein wird, rechtmäßig ist, entscheidet das nach dem IPR der lex fori bestimmte Sorgerechtsstatut.9 Eine autonome Auslegung ist nur insoweit möglich, als „rechtmäßig“ offenbar die Antithese zu „widerrechtlichem Verbringen“ (Art 2 Nr 11) ist, das in Art 10, 11 geregelt wird. Nur stellt ihrerseits die Definition der Widerrechtlichkeit auf die Verletzung des Sorgerechts, das ua kraft Gesetzes besteht, also wiederum auf die sorgerechtliche lex causae, ab. Wurde über die Berechtigung zum Umzug durch ein Gericht entschieden, so kann sich die Rechtmäßigkeit aus dieser Entscheidung ergeben, wobei es, wiederum im Umkehrschluss aus Art 2 Nr 11, darauf ankommt, ob diese Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ergangen oder zumindest dort anerkennungsfähig ist. Damit aber kann die Rechtmäßigkeit zum Kernproblem der Zuständigkeit werden: 6 Hat der Umgangsberechtigte dem Umzug zugestimmt, so wird in aller Regel die Rechtsmäßigkeit außer Frage stehen. Hat er aber, und dies sind die praktisch relevanten Fälle, nicht zugestimmt, so kann er die Zuständigkeit nach Art 9 Abs 1 nur dann in Anspruch nehmen, wenn nach dem maßgeblichen Sorgerechtsstatut der auswandernde Elternteil allein über den Umzug bestimmen durfte. Erlaubt das anwendbare Recht auch dem allein Sorgeberechtigten die Auswanderung mit dem Kind ohne 7 8 9

Dazu Art 2 Rn 25. Sogleich Rn 7. Kommission, Leitfaden 17; vgl OLG Koblenz NJW 2008, 238; Hof ’s-Hertogenbosch NIPR 2006, 402, 403.

Thomas Rauscher

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Art 9 Brüssel IIa-VO 7-10

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Rücksichtnahme auf den Umgang mit dem anderen Elternteil nicht, so steht die Zuständigkeit auf der Kippe: Ordnet das Sorgerecht die verletzte Rücksichtnahmepflicht als Auswanderungshindernis ein, so liegt eine „Verletzung“ iSd Art 2 Nr 11 vor, die Auswanderung wird widerrechtlich, Art 9 ist unanwendbar. Zugleich muss dann aber das System der Art 10, 11 eingreifen, denn ein tertium würde das ohnehin schwierige System der Zuständigkeiten nur weiter belasten. Behandelt das Sorgerecht die Rücksichtnahme auf das Umgangsrecht nur als einen regelungsbedürftigen Umstand anlässlich der (an sich legalen) Auswanderung, so kann gerade diese geforderte Regelung Gegenstand eines Verfahrens sein, das im Gerichtsstand des Art 9 Abs 1 stattfindet. 7 Da nach Ablauf der in Art 10 genannten Fristen der Umgangsberechtigte ggf auch nicht mehr mit Erfolg nach Art 10 vorgehen kann, muss er, da die Legalität einer Auswanderung mit dem Kind gerne durch den Instanzenzug ausgestritten wird, womöglich zweigleisig nach Art 9 und 10 vorgehen. Am besten ist ihm freilich zu raten, ein Verfahren anhängig zu machen, sobald er von Auswanderungsplänen erfährt; damit sichert der Antragsteller die perpetuatio fori nach Art 8 Abs 1 und ist auf Art 9 nicht angewiesen. 8 b) Ist der Umzug widerrechtlich (Art 2 Rn 26), so kommt es innerhalb der ersten drei Monate nach dem Umzug ohnehin nicht zu einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts. In diesem Fall bleiben also die Gerichte am bisherigen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ohnehin über Art 8 Abs 1 zuständig. Einer a fortiori begründeten Anwendung von Art 9 Abs 110 bedarf es also nicht. Zugleich muss nach dem HKindEntfÜbk iVm Art 10 f vorgegangen werden.11 3.

Umgangsentscheidung, umgangsberechtigter Elternteil

9 a) Abs 1 findet nur Anwendung, wenn bereits eine Umgangsentscheidung eines Gerichts im bisherigen Aufenthaltsstaat des Kindes ergangen ist. Diese Entscheidung muss vor dem Umzug ergangen sein, dh Abs 1 gilt nicht für Umgangsentscheidungen, die aufgrund der perpetuatio fori nach Art 8 Abs 1 trotz des Umzugs und unbeschadet einer damit ggf ausgelösten Verlagerung des Aufenthalts noch ergehen können. Diese Beschränkung ist sachgerecht, denn in einem noch nicht abgeschlossenen Verfahren kann ohnehin der Umzug als neuer Gesichtspunkt berücksichtigt werden.12 Wann die Entscheidung ergangen ist, entscheidet die lex fori. Nach dem Zweck der Regelung kommt nicht Art 9 Abs 1, sondern die perpetuatio fori nach Art 8 Abs 1 zum Tragen, wenn das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist und der Gesichtspunkt der Umgangsregelung im laufenden Verfahren noch Berücksichtigung finden kann, was zB bei einer reinen Rechtsprüfung der Entscheidung nicht mehr der Fall sein muss. 10 b) Abs 1 gilt nur für das Umgangsrecht eines umgangsberechtigten Elternteils. Möglicherweise wurde übersehen, dass auch andere Personen nach dem maßgeblichen 10 11 12

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So AnwKommBGB /Gruber Rn 5. AnwKommBGB /Gruber Rn 5. Rauscher EuLF 2005, I-37, 39.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 9 Brüssel IIa-VO 11-13

Sorgerechtsstatut umgangsberechtigt sein können (vgl § 1685 BGB) und die Motivation der Norm auch auf diese Fälle zutreffen würde. Meist wird in diesen Fällen sogar erheblich eindeutiger feststellbar sein, dass der Umzug (mit den Eltern) an sich rechtmäßig war. Gleichwohl kommt angesichts des eindeutigen Wortlauts eine analoge Anwendung auf Umgangsentscheidungen zugunsten Dritter schwerlich in Betracht.13 c) Der umgangsberechtigte Elternteil muss sich in dem bisherigen Aufenthaltsstaat 11 des Kindes weiterhin gewöhnlich aufhalten. Das bedeutet nach dem Zweck der Regelung einerseits, dass der Umgangsberechtigte nach dem Umzug des Kindes in diesem Staat verbleibt; da es sonst nach der der Norm zugrundeliegenden Vorstellung nicht zu der vorausgesetzten Situation der Erschwerung des Umgangsrechts kommen würde. Der Elternteil muss aber auch schon vorher in diesem Staat gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben.14 Beides ist nicht ohne weiteres einsichtig, weil die originäre Zuständigkeit der Gerichte nach Art 8 Abs 1 auch nicht davon abhängt, wo der Antragsteller seinen Aufenthalt hat und überdies die Umgangserschwerung primär durch den Umzug des Kindes, nicht durch die vorherige Internationalität des Umgangs bedingt ist.15 4.

Umzug, Gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes

a) Abs 1 setzt einen Umzug voraus, durch den das Kind einen neuen gewöhnlichen 12 Aufenthalt begründet. Abs 1 bedeutet damit eine Ausnahme zu Art 8, greift also nur dann ein, wenn die Gerichte des bisherigen Aufenthaltsstaates nicht ohnehin noch nach Art 8 Abs 1 zuständig sind. Der Umzug muss also nach dem Wortlaut der Bestimmung innerhalb der Frist von drei Monaten, für die Art 9 Abs 1 ohnehin nur gilt, bereits zu einer Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes geführt haben.16 Auch wenn bei legalem Umzug häufig am Zuzugsort alsbald ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet wird, erscheint es nicht sinnvoll, die Begründung des neuen gewöhnlichen Aufenthalts als Tatbestandsmerkmal des Abs 1 positiv zu prüfen.17 Art 9 ermöglicht es gerade, in einer Übergangsphase dahingestellt zu lassen, ob das Kind noch gewöhnlichen Aufenthalt im bisherigen Aufenthaltsstaat hat (dann Art 8), oder ob es nach Aufgabe des alten gewöhnlichen Aufenthalts am neuen Aufenthaltsort bereits einen gewöhnlichen – oder mangels Dauerhaftigkeit nur einen schlichten – Aufenthalt begründet hat.18 Abs 1 gilt aber nur dann, wenn die bisherige Umgangsregelung auf die Zuständigkeit 13 nach Art 8 Abs 1 gestützt war, das Kind also bisher gewöhnlichen Aufenthalt im Ge-

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Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 57. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1412. Lebt zB das Kind mit der Mutter in Traunstein, der Vater in Salzburg, so wäre bei einem Umzug der Mutter mit dem Kind nach Finnland eine fortgesetzte Zuständigkeit deutscher Gerichte ebenso notwendig, wie wenn der Vater in Freilassing gelebt hätte. Kommission, Leitfaden 17 f; Looschelders JR 2006, 45, 46; Gruber IPRax 2005, 293, 297. So aber wohl Looschelders JR 2006, 45, 46. Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 245; Geimer/Schütze/Dilger Rn 6.

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Art 9 Brüssel IIa-VO 14-17

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

richtsstaat hatte. Hingegen ist Abs 1 nicht auf Entscheidungen anzuwenden, die (nur) in einer Zuständigkeit nach Art 12, 13 oder 15 ergangen sind. 14 Erforderlich ist außerdem, dass der neue Aufenthaltsstaat ein Mitgliedstaat ist. Die fortdauernde Zuständigkeit nach Abs 1 kann nicht unilateral beansprucht werden, sondern bedeutet eine vorübergehende partielle Verdrängung der Aufenthaltszuständigkeit, die im Verhältnis zu Drittstaaten, welche dem MSA oder KSÜ angehören, nicht vorgesehen ist.19 15 b) Erkennbarkeit des Umzuges ist für den Lauf der Dreimonatsfrist nicht erforderlich; auch wenn die Bestimmung grundsätzlich dem Schutz des Umgangs des im bisherigen Aufenthaltsstaat verbliebenen Elternteils mit dem Kind dient, kann die perpetuatio jurisdictionis bereits abgelaufen sein, ehe dieser Elternteil von dem Umzug erfährt. Der Begriff „Umzug“ ist in Abs 1 als „Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts“ und deshalb faktisch zu verstehen.20 5.

Zuständigkeit der bisherigen Aufenthaltsgerichte

16 a) Als Rechtsfolge bleiben die Gerichte des bisherigen Aufenthaltsstaates zur Abänderung der in diesem Mitgliedstaat erlassenen Umgangsregelung zuständig. 21 Auch Abs 1 bestimmt nur über die internationale Zuständigkeit. Es ist also nicht zwingend das die frühere Entscheidung erlassende Gericht zuständig. Bei Fehlen einer örtlichen Zuständigkeit lege fori empfiehlt es sich jedoch, den Gedanken des Abs 1 auf die örtliche Zuständigkeit zu übertragen, also das die zu ändernde Entscheidung erlassende Gericht als örtlich zuständig anzusehen, statt auf die Hilfsregel der örtlichen Zuständigkeit der Hauptstadtgerichte auszuweichen. Eine Verweisung nach Art 15 ist auch im Anwendungsbereich des Art 9 Abs 1 möglich. 22 17 b) Diese Zuständigkeit besteht nur während der Dauer von drei Monaten. Die Frist beginnt mit dem Umzug des Kindes, also zu einem rein tatsächlichen und von Aufenthaltswertungen nicht beeinflussten Zeitpunkt. Nach dem Wortlaut kann fraglich sein, ob die Zuständigkeit entfällt, wenn die Entscheidung über die Abänderung nicht innerhalb der Frist ergeht. Nach dem Sinn der Norm und im Kontext zum Prinzip der perpetuatio fori aus Art 8 Abs 1 ist jedoch auch hier auf die Anrufung des Gerichts aus Art 16 abzustellen: Ruft der Umgangsberechtigte die Gerichte des bisherigen Aufenthaltsstaates des Kindes innerhalb der Dreimonatsfrist an, so bleiben diese auch über diese Frist hinaus im laufenden Verfahren zuständig. 23

19 20 21

22 23

136

Geimer/Schütze/Dilger Rn 7. Hof ’s-Hertogenbosch NIPR 2006, 402, 403. OLG Koblenz NJW 2008, 238, 240; Hof ’s-Hertogenbosch NIPR 2007, 153, 154; Rb Roermond NIPR 2008, 308; Rb ’s-Gravenhage NIPR 2007, 35 AnwKommBGB /Gruber Rn 6. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1412; Rauscher EuLF 2005 I-37, 39; Geimer/Schütze/Dilger Rn 12; aA Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 57.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 9 Brüssel IIa-VO 18-21

c) Für andere Entscheidungen in Angelegenheiten der elterlichen Verantwortung 18 ergibt sich aus Art 9 Abs 1 keine Zuständigkeit. In Betracht kommt jedoch die Inanspruchnahme einer Zuständigkeit aus Art 12 Abs 3. II.

Zuständigkeit der Gerichte am neuen Aufenthaltsort

1.

Umgangsregelung

Die Gerichte des Mitgliedstaates des neuen gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes 19 sind für Umgangsregelungen zuständig, wenn im bisherigen Aufenthaltsstaat noch keine Regelung ergangen war oder wenn innerhalb der Frist des Abs 1 dort keine Änderung beantragt wird. Hingegen sind sie vor Fristablauf nicht zuständig für die Änderung einer Entschei- 20 dung iSd Abs 1. 24 Insbesondere kann nicht der mit dem Kind umziehende Elternteil durch einen eilig gestellten Antrag (zB auf Ausschluss des Umgangsrechts) die Sperre des Art 19 Abs 2 herbeiführen. Beantragt jedoch der Umgangsberechtigte die Änderung innerhalb dieser Frist, im neuen Aufenthaltsstaat, so ist nicht dessen Zuständigkeit gesperrt, sondern es gilt Abs 2.25 2.

Für sonstige Sorgerechtssachen

Für sonstige Sorgerechtssachen sind die Gerichte des neuen Aufenthaltsstaates zu- 21 ständig. Hierdurch ergibt sich jedoch ein unbemerkter Konflikt zu Art 19 Abs 2. Wird ein nach Abs 1 zuständiges Gericht wegen der Änderung der Umgangsregelung angerufen, ein Gericht im neuen Aufenthaltsstaat aber wegen der Regelung der elterlichen Sorge für dasselbe Kind, so handelt es sich nach allgemeiner Ansicht um denselben Anspruch iSd Art 19 Abs 2. 26 Damit aber würde das erste der beiden Verfahren, welches es auch ist, das zweite sperren, denn der Anspruchsbegriff des Art 19 Abs 2 differenziert nicht zwischen Umgangs- und sonstigen Sorgerechtsregelungen und kann auch nicht wegen Art 9 modifiziert werden. Andererseits kann schwerlich gewollt sein, dass ein nach Art 9 beim bisherigen Aufenthaltsgericht anhängiger Antrag auf Änderung des Umgangsrechts einen Sorgerechtsantrag bei dem neuen Aufenthaltsgericht sperrt. 27 Dasselbe gilt, folgt man der Ansicht im Leitfaden der Komission,28 für einen Sorgerechtsantrag im neuen Aufenthaltsstaat, der die Änderung der Umgangsentscheidung zunächst verhindern würde. Art 19 Abs 2 ist nur dann sinnvoll, wenn das zuerst angerufene Gericht eine umfassende Zuständigkeit für Sorgerechtsverfahren besitzt; wendet man hingegen in diesen Konstellationen Art 19 Abs 2 an, so gäbe es, solange das erste Verfahren anhängig ist, kein Gericht, das über die jeweils andere Materie (Sorgerecht, Umgang) entscheiden kann. Nach dem Zweck des Art 9 24 25 26 27 28

Kommission, Leitfaden 17. Dazu unten Rn 22. Dazu Art 19 Rn 40. So aber ausdrücklich gegen die hier vertretene Ansicht Zöller /Geimer Rn 7. Soeben Rn 20.

Thomas Rauscher

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Art 9 Brüssel IIa-VO, 22 Art 10 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

ist daher eine teleologische Reduktion von Art 19 Abs 2 geboten: Unabhängig davon, welches Gericht das erstangerufene ist, kann das nach Art 9 zuständige Gericht über die Änderung der Umgangsregelung und das nach Art 8 zuständige am neuen gewöhnlichen Aufenthalt über das Sorgerecht entscheiden. Beteiligte Gerichte werden allerdings gut daran tun, eine Lösung über Art 15 zu suchen. 3.

Aufgrund rügeloser Anerkennung (Abs 2)

22 Eine Zuständigkeit der nach Art 8 Abs 1 zuständigen Gerichte des Mitgliedstaates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts kann jedoch nach Abs 2 auch vor Fristablauf hinsichtlich der Abänderung von Umgangsregelungen begründet werden, wenn der Umgangsberechtigte die Zuständigkeit dadurch anerkennt, dass er sich an dem Verfahren vor diesen Gerichten beteiligt. Dies ist der Fall, wenn der Antrag von dem anderen Elternteil oder einem Dritten (zB Behörde oder Kind) ausgeht und der Umgangsberechtigte sich beteiligt, ohne die Zuständigkeit „anzufechten“, womit offenbar „rügen“ iSd Art 24 Brüssel I-VO29 gemeint ist. Erst recht muss dies jedoch gelten, wenn der Umgangsberechtigte selbst einen Antrag auf (geänderte) Regelung des Umgangsrechts bei diesen Gerichten stellt. 30

Artikel 10

Zuständigkeit in Fällen von Kindesentführung Bei widerrechtlichem Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes bleiben die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, so lange zuständig, bis das Kind einen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat erlangt hat und a) jede sorgeberechtigte Person, Behörde oder sonstige Stelle dem Verbringen oder Zurückhalten zugestimmt hat oder b) das Kind sich in diesem anderen Mitgliedstaat mindestens ein Jahr aufgehalten hat, nachdem die sorgeberechtigte Person, Behörde oder sonstige Stelle seinen Aufenthaltsort kannte oder hätte kennen müssen und sich das Kind in seiner neuen Umgebung eingelebt hat, sofern eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist: i) Innerhalb eines Jahres, nachdem der Sorgeberechtigte den Aufenthaltsort des Kindes kannte oder hätte kennen müssen, wurde kein Antrag auf Rückgabe des Kindes bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaates gestellt, in den das Kind verbracht wurde oder in dem es zurückgehalten wird; ii) ein von dem Sorgeberechtigten gestellter Antrag auf Rückgabe wurde zurückgezogen, und innerhalb der in Ziffer i) genannten Frist wurde kein neuer Antrag gestellt; iii) ein Verfahren vor dem Gericht des Mitgliedstaates, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wurde gemäß Artikel 11 Absatz 7 abgeschlossen; 29 30

138

Rauscher EuLF 2005, I-37, 39. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1412; Rauscher EuLF 2005, I-37, 39.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 10 Brüssel IIa-VO 1, 2

iv) von den Gerichten des Mitgliedstaates, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wurde eine Sorgerechtsentscheidung erlassen, in der die Rückgabe des Kindes nicht angeordnet wird. I. Konzeption der Art 10, 11 1. Brüssel II-VO: Vorrang des HKindEntfÜbk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Suche nach integriertem System . . . . 3. Regelungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Räumlicher Anwendungsbereich, Verhältnis zu KSÜ und HKindEntfÜbk . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

1 2 4

II. Zuständigkeitswechsel bei wider-

rechtlichem Verbringen 1. Systematik a) Fixierung der Zuständigkeit des bisherigen Aufenthaltsstaates („A-Mitgliedstaat“) . . . . . . . . . . . . . . . b) Verdrängung der Zuständigkeit des Verbringungsstaates („B-Mitgliedstaat“) . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zuständigkeit für Rückgabeanträge . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

2. Zuständigkeitswechsel aufgrund Zustimmung (lit a) a) Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustimmung jeder sorgeberechtigten Person etc. . . . . . 3. Zuständigkeitswechsel aufgrund qualifizierter Voraussetzungen (lit b) a) Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Parallelvoraussetzungen zu Art 7 Abs 1 lit b KSÜ . . . . . . . . . . . . . c) Stellung bzw Behandlung eines Rückgabeantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erwerb eines gewöhnlichen Aufenthalts nach Rückgabeentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14 16

21 22 25

33

9 III. Widerrechtlichkeitsbescheinigung

12

(§ 41 IntFamRVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

Konzeption der Art 10, 11

1.

Brüssel II-VO: Vorrang des HKindEntfÜbk

36

Art 4 Brüssel II-VO bestimmte noch den Vorrang des HKindEntfÜbk im Verhältnis 1 zur VO. Diese beschränkte sich auf die Regelung von Zuständigkeiten und war nur faktisch verzahnt mit dem Übereinkommen, das die Rückgabe eines widerrechtlich verbrachten Kindes regelte, ohne seinerseits über die Zuständigkeit für Sorgerechtsregelungen zu befinden. Die Brüssel IIa-VO versucht nun, das Nebeneinander eines zuständigkeitsrechtlichen Instruments mit dem HKindEntfÜbk, das auch zwischen KSÜ und HKindEntfÜbk besteht, in ein integriertes System zu überführen, in dem gleichermaßen die Zuständigkeit für die Sorgerechtsentscheidung wie auch der Mechanismus der Rückgabe geregelt ist. 2.

Suche nach integriertem System

Die hierbei im Verordnungsgebungsverfahren aufgetretenen Probleme waren be- 2 trächtlich, nicht nur, weil der Anspruch, zwischen den Mitgliedstaaten ein besseres Modell bereitzustellen, nahezu zwangsläufig die Akzeptanz des HKindEntfÜbk schwäThomas Rauscher

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Art 10 Brüssel IIa-VO 3, 4

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

chen muss, weshalb einige Delegationen gemeinschaftsspezifische Bestimmungen ablehnten.1 Vor allem musste auch im Verhältnis der Mitgliedstaaten das in Art 13 HKindEntfÜbk lokalisierte Problem beachtet werden, dass der Besitzkehransatz des HKindEntfÜbk seine Grenze beim Kindeswohl, insbesondere bei Grundrechten des Kindes, finden muss. Der dem Vorschlag einer Integration der Sorgerechtsentscheidungen in die Brüssel II-VO vorangehende Vorschlag der Kommission für eine eigenständige Sorgerechts-VO2 wäre zwar ganz im Sinne jener Autoren gewesen, die sich die Kindesrückgabe eher mobiliarsachenrechtlich vorstellen,3 sie wäre nur gewiss aus deutscher Sicht massiven verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt gewesen, weil Rückgabe nicht vor Kindeswohl, Menschenwürde und Persönlichkeitsrecht gehen kann.4 3 Der ursprüngliche Vorschlag,5 ein das HKindEntfÜbk zwischen den Mitgliedstaaten vollständig ersetzendes System zu schaffen, wurde im Verfahren durch die Zielsetzung abgelöst, VO-autonom nur die Regelung gescheiterter Rückgabeverlangen zu erfassen.6 Diese Zielsetzung wurde zur „Schlüsselfrage“,7 zu der geraume Zeit keine Einigung zu erzielen war. Das zentrale Problem bestand – erwartungsgemäß – in einer angemessenen Lösung des Übergangs der Zuständigkeit auf den neuen Aufenthaltsstaat, für den das Jahresfristmodell des Art 12 HKindEntfÜbk und das Duldungsmodell des Art 7 KSÜ, aber auch die rigide Position des weitgehenden Ausschlusses des Zuständigkeitsübergangs unter Sanktionsgesichtspunkten zur Diskussion standen. 3.

Regelungsprinzip

4 Die nun in Art 10, 11 realisierte Fassung, für deren Erzielung der Ratsvorsitz mehrfach den deus ex machina geben musste, beruht hinsichtlich der Zuständigkeit (Art 10) weitgehend auf dem Modell des Art 7 KSÜ,8 im Vergleich zu dem allerdings das Gewicht der Zuständigkeit der Gerichte des bisherigen Aufenthaltsstaats verstärkt wurde. Hinsichtlich der Regelung der Rückgabeanordnung (Art 11) wurde hingegen ein Modell der Ergänzung von Art 12 ff HKindEntfÜbk gewählt. 9 Zwar mag es merkwür1

2

3

4 5

6 7

8 9

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Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 26.11.2002, 14733/02, 8; Rauscher EuLF 2005 I-37, 39. Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, Europäische Kommission, 6.9. 2001, COM (2001) 505. Vgl die unter Kindeswohlgesichtspunkten verfehlte Kritik von Siehr IPRax 2002, 199 an einer Entscheidung des OLG Rostock IPrax 2002, 218 zu Art 13 HKindEntfÜbk. Winkler v Mohrenfels IPRax 2002, 372, 374. Art 21 ff des Vorschlags Europäische Kommission, 17.5.2002, COM (2002) 222/2; vgl dazu Winkler v Mohrenfels IPRax 2002, 372, 375. Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 26.11.2002, 14733/02, 8. Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 26.11.2002, 14733/02, 3; vgl zum Kompromisscharakter der in der VO realisierten Lösung auch Solomon FamRZ 2004, 1409, 1416. So erstmals Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 28.10.2002, 13436/02, Art 11a. Dazu Art 11 Rn 1 ff.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 10 Brüssel IIa-VO 5-7

dig erscheinen, dass eine Kindesentführung zwischen den Mitgliedstaaten nach dem Modell eines völkervertraglichen Übereinkommens sanktioniert wird, während innerhalb eines Mitgliedstaates eine solche Entführung – oft über größere Distanz – womöglich sanktionslos bleibt.10 Das ist jedoch die Konsequenz aus dem für eine EG-Regelung notwendigen Binnenmarktbezug: EG-Recht mag sich für die Entführung eines Kindes von Freilassing nach Salzburg interessieren, nicht aber für eine Entführung von Freilassing nach Flensburg. 4.

Räumlicher Anwendungsbereich, Verhältnis zu KSÜ und HKindEntfÜbk

a) Der räumliche Anwendungsbereich von Art 10 ist in doppelter Weise gegen die 5 Haager Übereinkommen abzugrenzen. Zum einen gilt Art 10 (gegenüber Art 7 KSÜ) wegen Art 61 nur, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hat. Bei Entführung eines Kindes aus einem Mitgliedstaat in einen Drittstaat gilt Art 10 damit nicht,11 wobei es nicht darauf ankommt, ob der Drittstaat Vertragsstaat des KSÜ ist. Solange das Kind dort noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, geht zwar die VO dem KSÜ vor, Art 10 ist aber nicht anwendbar, weil sich die Zuständigkeit der Gerichte im bisherigen Aufenthaltsstaat noch aus Art 8 Abs 1 ergibt und Art 10 erst eingreift, wenn sich der gewöhnliche Aufenthalt verlagert hat. Dann aber entfällt nach Art 61 der Vorrang der VO, es gilt damit Art 7 KSÜ. b) Schwieriger gestaltet sich das Verhältnis von Art 10 zum HKindEntfÜbk. Prima 6 facie hat es den Anschein, als gelte Art 10 unbeschadet der Angehörigkeit beider beteiligter Staaten zum HKindEntfÜbk, denn nur Art 11 befasst sich unmittelbar mit dem Rückgabeantrag nach Art 12 ff HKindEntfÜbk. Gleichwohl ist durch eine geringfügige Abweichung des Art 10 lit b von Art 7 Abs 1 lit b KSÜ eine Verzahnung mit dem HKindEntfÜbk entstanden. Während Art 7 Abs 1 lit b KSÜ formuliert „und kein ... Antrag auf Rückgabe mehr anhängig ist“, heißt es in Art 10 lit b sublit (i) „kein Antrag auf Rückgabe des Kindes bei den zuständigen Behörden des Mitgliedstaates ... in den das Kind verbracht wurde“. Die VO setzt damit voraus, dass ein solcher Antrag überhaupt bei den Behörden dieses Mitgliedstaates gestellt werden kann. Zwar gilt das HKindEntfÜbk in allen Mitgliedstaaten, jedoch ist es auf Minderjährige nach Vollendung des 16. Lebensjahres nicht anwendbar.12 Vor diesem Hintergrund bietet sich wohl einerseits die Lösung an, Art 10 lit b sublit 7 (i) teleologisch zu korrigieren und auch einen Rückgabeantrag vor den Gerichten eines sonst zuständigen Mitgliedstaates genügen zu lassen,13 wenn die Gerichte des in sublit (i) genannten Mitgliedstaates nicht zuständig sind.14 Die andere denkbare Lö-

10 11 12 13 14

So Siehr FS Schwab (2005) 1267, 1276. Rb ’s-Gravenhage NIPR 2008, 509, 510; AnwKommBGB /Gruber Rn 10. Rieck NJW 2008, 182, 183. Ebenso Zöller /Geimer Rn 5. Dazu unten Rn 27.

Thomas Rauscher

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Art 10 Brüssel IIa-VO 8, 9

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sung, Art 10 nur anzuwenden, wenn das Kind nicht das 16. Lebensjahr vollendet hat, würde zu Lücken führen, die von Art 10 nicht intendiert scheinen.15 II.

Zuständigkeitswechsel bei widerrechtlichem Verbringen

1.

Systematik

a)

Fixierung der Zuständigkeit des bisherigen Aufenthaltsstaates („A-Mitgliedstaat“) 8 Art 10 regelt die Voraussetzungen, unter denen im Fall des widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens eines Kindes (zum Begriff Art 2 Nr 11) die nach Art 8 Abs 1 begründete Zuständigkeit bei den Gerichten des Mitgliedstaates des (früheren) gewöhnlichen Aufenthalts (im Folgenden „A-Mitgliedstaat“)16 verbleibt.17 Die mit nicht unbedeutenden Abweichungen an Art 7 KSÜ orientierte Regelung geht von den – unstreitigen – Prinzipien aus, dass die widerrechtliche Verlagerung des Aufenthalts weder sogleich zu einem Zuständigkeitswechsel führt, noch die Widerrechtlichkeit einem solchen Zuständigkeitswechsel auf Dauer entgegenstehen kann. Dabei betont die Lösung der VO das Bewahren der bisherigen Zuständigkeit erheblich deutlicher als dies Art 7 KSÜ tut,18 was zwar das Gerechtigkeitsgefühl derer befriedigen mag, die vor allem das Prinzip betonen, der Entführer dürfe keinen Nutzen aus seinem Tun ziehen, aber nicht unbedingt dem Interesse des Kindes an einer letztlich klaren Lage dient. Die Voraussetzungen des Erhalts der Zuständigkeit sind alternativ in lit a und lit b geregelt.19 b) Verdrängung der Zuständigkeit des Verbringungsstaates („B-Mitgliedstaat“) 9 Nicht ausdrücklich von Art 10 geregelt ist hingegen die Zuständigkeit der Gerichte des Staates, in den das Kind verbracht wurde (im folgenden „B-Mitgliedstaat“). Das Kind kann dort gewöhnlichen Aufenthalt erlangen, was je nach vertretener Ansicht nach sechs oder zwölf Monaten der Integration der Fall ist, ohne dass Art 7 KSÜ, Art 12 HKindEntfÜbk daran etwas ändern würden.20 Auch Art 10 ändert daran nichts, wie insbesondere daran zu erkennen ist, dass Art 10 S 1 zusätzlich zu dem gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat die weiteren Tatbestandsmerkmale in lit a oder lit b fordert. Dann aber könnte sich eine internationale Zuständigkeit der Gerichte des B-Mitgliedstaates aus Art 8 Abs 1 ergeben, so dass im 15

16 17 18 19 20

142

AA Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 59, der darauf abstellt, dass die Rückführung über 16-Jähriger auch nach dem KSÜ nicht sollte verlangt werden können. Vgl das Schema in: Kommission, Leitfaden 39. Rb ’s-Gravenhage NIPR 2008, 29, 30. AnwKommBGB /Gruber Rn 3. Dazu unten Rn 14 ff. Ob Art 12 HKindEntfÜbk und Art 7 KSÜ die Frist bis zum Erwerb eines gewöhnlichen Aufenthalts beeinflussen, ist weiter strittig, vgl Kropholler FS Jayme (2004) 471, 473 f.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 10 Brüssel IIa-VO 10-13

Verhältnis der beiden Mitgliedstaaten die erste Anrufung iSd Art 16, 19 zu entscheiden hätte. Die historische Auslegung der Norm ergibt allerdings recht deutlich, dass mit Art 10 10 nicht nur die Fortdauer der Zuständigkeit, sondern der Übergang der Aufenthaltszuständigkeit geregelt werden sollte. 21 Gerade die Verschärfungen gegenüber Art 7 KSÜ stehen unter dem Vorzeichen, dass einige Mitgliedstaaten noch engere Voraussetzungen für den Übergang der Zuständigkeit wünschten.22 Dieser Auslegung steht der Wortlaut jedenfalls nicht entgegen, dessen erster Satz durchaus so verstanden werden kann, dass jeweils nur daran gedacht war, die Gerichte eines Mitgliedstaates als zuständig anzusehen. Daher ist davon auszugehen, dass Art 10 gegenüber einer neu entstehenden Zuständigkeit im B-Mitgliedstaat aus Art 8 Abs 1 Vorrang hat.23 Wird ein Gericht in diesem Mitgliedstaat angerufen, so hat es deshalb auch nicht nach Art 19 Abs 2 auszusetzen, sondern sich nach Art 17 für unzuständig zu erklären. Dies kann allerdings nicht gelten, wenn das Kind in einen KSÜ-Vertragsstaat entführt wurde, der nicht Mitgliedstaat ist, da Art 10 nicht geeignet ist, Art 7 KSÜ zu verdrängen. 24 Keinen Vorrang kann Art 10 hingegen im Verhältnis zu Art 12 beanspruchen. Hat 11 ein Ehegatte ein gemeinsames Kind widerrechtlich in seinen Heimatstaat verbracht und stellt dort nach sechs Monaten Scheidungsantrag (Art 3 lit a Str 6), so kann sich eine Zuständigkeit aus Art 12 ergeben, die allerdings in der neuen Fassung die Anerkennung der Zuständigkeit iSd Art 12 Abs 1 lit b voraussetzt. Daher ist in der Praxis darauf zu achten, dass nicht durch eine ausdrückliche Einlassung auf einen Sorgerechtsantrag im Scheidungsverfahren die Sperrwirkung des Art 10 eingebüßt wird. c) Zuständigkeit für Rückgabeanträge Art 10 gilt jedoch nicht für Rückgabeanträge nach Art 12 ff HKindEntfÜbk, die 12 Art 11 unterfallen. Insoweit bleibt es bei der von Art 12 ff HKindEntfÜbk vorgesehenen Zuständigkeit der Gerichte des B-Mitgliedstaates, die im Übrigen nicht vom gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, sondern von seiner schlichten Anwesenheit abhängt. Andernfalls würde das von Art 10 lit b sublit (i) zur Vorlage genommene System nicht funktionieren. Dieser Vorrang gilt nicht, wenn das Kind das 16. Lebensjahr vollendet hat,25 so dass für 13 Rückgabeanträge, die 16- und 17jährige betreffen, die Gerichte des früheren Aufenthaltsstaates gemäß Art 10 zuständig bleiben. 26 21 22 23

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Staudinger /Spellenberg (2005) Art 11 Rn 6; Geimer/Schütze/Dilger Rn 4; Zöller /Geimer Rn 9. Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 26.11.2002, 14733/02, 8. AnwKommBGB /Gruber Rn 2; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 6; Geimer/Schütze/Dilger Rn 4; Rausch FuR 2005, 53, 57; Looschelders JR 2006, 45, 49. Texeira de Sousa FamRZ 2005, 1612, 1614 verweist zutreffend auf Art 61 lit a sowie Art 52 Abs 2 KSÜ; hingegen bleibt es beim Vorrang des Art 10 (gegenüber der lex fori), wenn das Kind in einen Nichtmitgliedstaat entführt wurde, der dem KSÜ nicht angehört. Rieck NJW 2008, 182, 183. Rausch FuR 2005, 53, 57.

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Art 10 Brüssel IIa-VO 14-19

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B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Zuständigkeitswechsel aufgrund Zustimmung (lit a)

a) Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts 14 Grundvoraussetzung beider Alternativen des Art 10 ist, dass das Kind in einem anderen Mitgliedstaat gewöhnlichen Aufenthalt erlangt hat. Diese Formulierung ist vor dem Hintergrund der Formulierung als eine Norm der Erhaltung der bisherigen Aufenthaltszuständigkeit des A-Mitgliedstaates zu verstehen. Hat das Kind in diesem Staat noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so besteht dort auch die internationale Zuständigkeit aus Art 8 Abs 1. Art 10 greift also logisch betrachtet erst ein, wenn der gewöhnliche Aufenthalt im Herkunftsstaat trotz der rechtswidrigen Verbringung verloren gegangen ist. 27 15 Zu einem Übergang der Zuständigkeit auf die Gerichte des B-Mitgliedstaates kann es freilich nach Art 10 nur kommen, wenn das Kind dort, nicht in irgendeinem anderen Mitgliedstaat, seinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Art 10 geht also von einem Verhältnis zwischen nur zwei Mitgliedstaaten aus. 28 b) Zustimmung jeder sorgeberechtigten Person etc 16 (1) In der ersten Alternative bedarf es sodann lediglich einer weiteren Voraussetzung, um die Zuständigkeit auf die Gerichte des B-Mitgliedstaates übergehen zu lassen. Es muss jede sorgeberechtigte Person, Behörde oder sonstige Stelle dem Verbringen oder Zurückhalten zugestimmt haben. 17 (2) Für die Bestimmung des wörtlich aus Art 7 Abs 1 lit a KSÜ übernommenen Personenkreises wirkt zumindest irritierend, dass die VO nicht auf Art 2 Nr 8 („Träger der elterlichen Verantwortung“) rekurriert. Abgesehen davon, dass vorangestellte Definitionen sich nur lohnen, wenn man sie im weiteren Text auch benutzt, stellt sich die Frage, ob mit „sorgeberechtigter Person etc“ etwas anderes gemeint sein könnte. 18 Zweifelsfrei bezieht sich „sorgeberechtigt“ sowohl auf „Person“, als auch auf „Behörde und sonstige Stelle“, so dass der Begriffskreis in lit a personell nicht weiter ist als in Art 2 Nr 8: Es bedarf nur der Zustimmung sorgeberechtigter Behörden, also zB eines Jugendamtes, das Amtsvormund ist, nicht aber sonstiger Behörden, die lediglich Aufsichtsfunktionen haben. 19 Weniger klar erscheint, ob der Begriff „sorgeberechtigt“ den gesamten Bereich der elterlichen Verantwortung abdeckt oder nur das Sorgerecht im engeren Sinn, einschließlich des Aufenthaltsbestimmungsrechts, umfasst. Das Problem betrifft vor allem das Umgangsrecht, das ohne weiteres Teil der elterlichen Verantwortung ist, so dass auch der Umgangsberechtigte dem in Art 2 Nr 8 beschriebenen Personenkreis angehört. Dies kann, trotz der zweifelhaften Formulierung „sorgeberechtigt“, auch in lit a nicht anders sein: Verbringt der allein sorgeberechtigte Elternteil widerrechtlich das Kind, so impliziert bereits die Bewertung als widerrechtlich, dass damit ein lege causae 27 28

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Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 59. Vgl auch das Schema in: Kommission, Leitfaden 41.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 10 Brüssel IIa-VO 20-22

bestehender Teil der elterlichen Verantwortung verletzt ist. Nach dem Sinn der Regelung kann dann aber nur ein Übergang der Zuständigkeit stattfinden, wenn auch der Inhaber dieses Teils der elterlichen Verantwortung, also der Umgangsberechtigte, zustimmt. 29 (3) Zustimmung bedeutet, wie sich im Umkehrschluss aus lit b ergibt, ein Verhal- 20 ten, das als konsentierende Willenserklärung zu verstehen ist. Bloßes Untätigbleiben genügt nicht, auch wenn die betreffende sorgeberechtigte Person von der Verbringung Kenntnis hatte und vernünftigerweise Schritte zur Rückgabe hätte unternehmen sollen. Schweigen bedeutet nur dann Zustimmung, wenn nach Treu und Glauben Widerspruch erforderlich gewesen wäre. Verlässt ein Elternteil mit dem Kind die gemeinsame Wohnung der Familie ohne Wissen des anderen Elternteils und erfährt dieser später hiervon, so wird regelmäßig Schweigen keine Zustimmung bedeuten. Lässt ein Elternteil anlässlich der Trennung hingegen auf Nachfrage widerstandslos das Kind mit dem trennungswilligen Elternteil gehen, so kann dieses Schweigen Zustimmung bedeuten, sofern nicht anschließend durch Einleitung von Rückgabebemühungen erkennbar gemacht wird, dass andere Motive, zB Verhinderung von Streit vor dem Kind, maßgeblich waren. Hingegen wird man von Behörden zu erwarten haben, dass sie in Kenntnis der Verbringung eine positive Aussage zu ihrer Haltung treffen. Schweigen wird hier eher als Zustimmung zu werten sein. 3.

Zuständigkeitswechsel aufgrund qualifizierter Voraussetzungen (lit b)

a) Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts Auch die zweite Alternative eines Wechsels der Zuständigkeit setzt voraus, dass der 21 gewöhnliche Aufenthalt des Kindes sich vom A-Mitgliedstaat in den B-Mitgliedstaat verlagert hat.30 In dieser Alternative kommt diesem Tatbestandsmerkmal jedoch geringe Bedeutung zu, da die weiteren Voraussetzungen bereits einen mindestens einjährigen Aufenthalt im B-Mitgliedstaat fordern. Prüft man in diesem Fall den gewöhnlichen Aufenthalt skrutinös, so gerät man leicht in die Untiefe der Frage, ob einjährige Integration auch nach rechtswidriger Verbringung einen gewöhnlichen Aufenthalt indiziert oder ob Art 7 Abs 1 lit b KSÜ, dem hier lit b nachgebildet ist, dies unter weitere Bedingungen stellt. Sei dem wie dem sei: Die Gerichte des neuen Mitgliedstaates erwerben im Fall der lit b regelmäßig die Zuständigkeit, wenn die unter lit b genannten Voraussetzungen vorliegen, weil jedenfalls dann auch von einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts auszugehen ist. 31 b) Parallelvoraussetzungen zu Art 7 Abs 1 lit b KSÜ (1) Lit b folgt nur teilweise dem Modell des Art 7 Abs 1 lit b KSÜ und ist in seiner 22 Struktur nicht leicht zu verstehen. Der Unterschied zu Art 7 KSÜ besteht insbeson29 30 31

Ebenso MünchKommZPO /Gottwald Rn 6. Oben Rn 14 f. Rauscher EuLF 2005 I-37, 39.

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Art 10 Brüssel IIa-VO 23, 24

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

dere nicht darin, dass in sublit (i) bis (iv) weitere alternative Anforderungen gestellt würden,32 was die Norm eindeutig als Verschärfung gegenüber Art 7 Abs 1 lit b KSÜ ausweisen würde. Vielmehr wurde das in Art 7 Abs 1 lit b KSÜ völlig klare Tatbestandsmerkmal, dass kein während des Integrationsjahres gestellter Rückgabeantrag mehr anhängig sein darf, in sublit (i) bis (iv) in Alternativen zerlegt. Da alternative Voraussetzungen nun aber nach den Regeln elementarer Logik eine Erleichterung der Voraussetzungen bedeuten,33 ist es nicht leicht festzustellen, ob dies insgesamt schärfere oder leichtere Voraussetzungen sind.34 Klar erscheint zunächst nur die Übernahme zweier Voraussetzungen aus Art 7 Abs 1 lit b. 23 (2) Zum einen muss das Kind sich im B-Mitgliedstaat mindestens ein Jahr aufgehalten haben und sich in die neue Umgebung35 eingelebt haben.36 Ersteres bedeutet nicht notwendig ständige Präsenz, so dass zB ein Urlaub mit dem entführenden Elternteil in einem Drittstaat die Frist nicht unterbrechen wird. „Einleben“ ist ebenso zu verstehen wie die für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts erforderliche faktische Integration. 37 Der Fristbeginn kann jedoch später liegen als der für die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts, da die Jahresfrist erst zu laufen beginnt, sobald die zweite Voraussetzung38 gegeben ist. 24 (3) Zum anderen muss die sorgeberechtigte Person, Behörde oder sonstige Stelle den Aufenthaltsort des Kindes kennen oder sie hätte ihn kennen müssen. Erst diese (präsumtive) Kenntnis löst überdies die Jahresfrist aus. Solange seit Kenntnis kein Jahr verstrichen ist, kann die Zuständigkeit nicht übergehen. 39 Entgegen dem Wortlaut („die“) bezieht sich auch diese Regelung auf jede sorgeberechtigte Person, deren Anteil an der elterlichen Verantwortung betroffen ist. Es kann also die Kenntnis mehrerer Personen, Behörden etc erforderlich sein. Beide Stufen der Kenntnis sind autonom auszulegen, wobei Kenntnis im üblichen Sinn als positives Wissen der wesentlichen Umstände des Aufenthaltsortes40 zu ver-

32 33

34 35

36 37 38 39

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So aber AnwKommBGB /Gruber Rn 5. Die Erfüllungsmenge der Bedingungen A oder B oder C ist immer größer oder gleich der Erfüllungsmenge A. Dazu unten Rn 25. Die Abweichung zu dem im KSÜ verwendeten Begriff „Umfeld“ gehört zu jenen Abgrenzungsbemühungen, die man schlicht nicht verstehen mag. Die Begriffsvielfalt bei mehrsprachig aufgelegten internationalen Instrumenten ist schlimm genug; hier könnten es die Justizminister der deutschsprachigen Mitgliedstaaten als eine wichtige Aufgabe sehen, auf begriffliche Präzision zu achten, anstatt Begriffsumfelder der redaktionellen Beliebigkeit zu überlassen. BGHZ 163, 248, 259 f; Hof ’s-Hertogenbosch NIPR 2007, 148, 153. AA Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 61. Sogleich Rn 24. Hof ’s-Gravenhage NIPR 2006, 265, 266.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 10 Brüssel IIa-VO 25-27

stehen ist, Kennenmüssen im Sinn des sich der möglichen Kenntnisnahme grob fahrlässigen Verschließens. Detektivische Nachforschungen sind hingegen nicht gefordert. c) Stellung bzw Behandlung eines Rückgabeantrags Sublit (i) bis (iv) ersetzen das in Art 7 Abs 1 lit b KSÜ enthaltene Nicht-Mehr-An- 25 hängig-Sein eines Rückgabeantrags durch vier Alternativen, die sich nicht nur auf die bloße Anhängigkeit beziehen, sondern im Fall der Erledigung eines solchen Antrags die Zuständigkeit nur dann auf den B-Mitgliedstaat übergehen lassen, wenn der Antrag in einer bestimmten Weise erledigt wurde. Daraus folgt letztlich auch, dass die VO gegenüber der Lösung des KSÜ eine Verschärfung darstellt, weil die vier genannten Alternativen nur einen Teil der in der Einheitslösung des KSÜ enthaltenen möglichen Verfahrensausgänge umfassen. 41 (1) Immer vorbehaltlich der vorgenannten Tatbestandsmerkmale der lit b42 geht die 26 Zuständigkeit danach auf die Gerichte des B-Mitgliedstaates über, wenn während eines Jahres nach (präsumtiver) Kenntnis der Sorgeberechtigte keinen Rückgabeantrag bei den zuständigen Behörden des B-Mitgliedstaates gestellt hat (sublit (i)).43 Dies entspricht zwar weitgehend Art 7 Abs 1 lit b KSÜ, jedoch mit dem oben (Rn 6) angesprochenen gravierenden Unterschied, dass die VO, jedenfalls nach ihrem Wortlaut, nur einen bei Behörden des B-Mitgliedstaates gestellten Rückgabeantrag zur Verhinderung der Verlagerung der Zuständigkeit genügen lässt. Wird hingegen im A-Mitgliedstaat ein Antrag gestellt, weil im B-Mitgliedstaat das HKindEntfÜbk nicht gilt oder das Kind das 16. Lebensjahr vollendet hat und deshalb dort keine Zuständigkeit besteht,44 so scheint dieser Antrag für Zwecke des Art 10 ins Leere zu gehen. Die Folge wäre absurd: Zwar blieben die nach Art 8 Abs 1 für den Rückgabeantrag zuständigen Gerichte des A-Mitgliedstaates weiter in perpetuatio fori zuständig, für weitere sorgeund umgangsrechtliche Regelungen würde sich aber die Zuständigkeit auf den B-Mitgliedstaat verlagern, gleichzeitig aber während des anhängigen Rückgabeverfahrens die Zuständigkeit der Gerichte im B-Mitgliedstaat nach Art 19 Abs 2 gesperrt. Um dies zu vermeiden, sollte sublit (i) teleologisch korrigiert werden: Offenkundig 27 war man bei der Suche nach einem Kompromiss so sehr auf das Verhältnis zum HKindEntfÜbk fixiert, dass dessen Geltung blindlings unterstellt wurde. Hingegen war schwerlich beabsichtigt, die materielle Reichweite des Art 7 KSÜ in diesem entscheidenden Punkt einzuschränken: Wenn der in seinem Sorgerecht Verletzte vor den zuständigen Gerichten die Rückgabe betreibt, geht die Zuständigkeit nicht nach sublit (i) über, auch wenn das Verfahren ausnahmsweise im A-Mitgliedstaat stattfinden muss. 40

41 42 43 44

„Bei den Großeltern in Italien“ dürfte genügen, auch wenn der exakte Ort der Unterbringung nicht bekannt ist. Vgl AnwKommBGB /Gruber Rn 7. Insbesondere Einleben des Kindes: BGHZ 163, 248, 259 f. BGHZ 163, 248, 259 f. Oben Rn 13.

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Art 10 Brüssel IIa-VO 28-30

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

28 (2) So lange der rechtzeitig gestellte Rückgabeantrag anhängig ist, bleibt die Zuständigkeit der Gerichte im bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsstaat bestehen.45 Die Zuständigkeit geht über, wenn ein solcher Antrag zurückgezogen wurde (sublit (ii)). Eine erneute Stellung des Antrags ist innerhalb der in sublit (i) genannten Jahresfrist möglich und verhindert dann ebenso den Übergang der Zuständigkeit wie die ursprüngliche Antragstellung. Wird hingegen der Rückgabeantrag erst nach Ablauf der Jahresfrist (erneut oder erstmalig) gestellt, so hindert der Rückgabeantrag als solcher nicht den Übergang der Zuständigkeit, selbst wenn der Rückgabeantrag letztlich begründet sein mag. 46 29 (3) Der Abschluss des Rückgabeverfahrens führt hingegen, anders als unter Art 7 Abs 1 KSÜ, nicht ohne weiteres zum Übergang der Zuständigkeit auf die Gerichte des B-Mitgliedstaates. Dieser Übergang findet vielmehr nur dann statt (sublit (iii)), wenn die Gerichte des A-Mitgliedstaates das Verfahren nach Art 11 Abs 7 abgeschlossen haben. Das verhindert im Fall der Ablehnung des Rückgabeantrags im B-Mitgliedstaat den Übergang der Zuständigkeit auf dessen Gerichte im Übrigen, solange nicht das in Art 11 Abs 7 geregelte Verfahren der Aufforderung zur Einreichung eines Antrags im A-Mitgliedstaat erfolglos (Art 11 Abs 7 S 2) abgeschlossen ist. Hierdurch wird das Prinzip des letzten Wortes der Gerichte des A-Mitgliedstaates47 für Art 10 übernommen, worin die eigentliche Abweichung vom Modell des Art 7 Abs 1 lit b KSÜ liegt. 48 Auch49 diese Alternative ist offensichtlich auf die Anhängigkeit eines Rückgabeverfahrens nach Art 12 ff HKindEntfÜbk und damit auf dessen Anwendbarkeit im B-Mitgliedstaat zugeschnitten. Sind für das Rückgabeverfahren ausnahmsweise die Gerichte des A-Mitgliedstaates zuständig, so passt sublit (iii) nicht. Ein solches Verfahren wird nie über Art 11 Abs 7 enden. Die Lösung findet sich insoweit in der entsprechenden Anwendung von sublit (iv). Auch ein Abschluss eines im A-Mitgliedstaat anhängigen Rückgabeverfahrens führt nicht per se zum Übergang der Zuständigkeit; nur wenn dieses Verfahren mit einer Entscheidung endet, welche „die Rückgabe des Kindes nicht anordnet“, tritt diese Wirkung ein. Ordnet hingegen ein zuständiges Gericht im A-Mitgliedstaat die Rückgabe an, so greift keine der in sublit (i) bis (iv) genannten Alternativen; die Zuständigkeit verbleibt damit auch für weitere Entscheidungen bei den Gerichten des A-Mitgliedstaates. 30 (4) Die Zuständigkeit geht schließlich auf die Gerichte des B-Mitgliedstaates über, wenn die Gerichte des A-Mitgliedstaates auf rechtzeitigen Antrag eine Entscheidung erlassen haben, in der die Rückgabe des Kindes nicht angeordnet wurde (sublit (iv)). Diese Bestimmung zielt primär auf das Verfahren nach Art 11 Abs 7, 8 ab,50 das den Gerichten des A-Mitgliedstaates auch im Fall der Ablehnung der Rückgabe durch Ge45 46 47 48 49 50

148

Rb Maastricht NIPR 2008, 57, 58. Hof ’s-Hertogenbosch NIPR 2007, 148, 153. Dazu Art 11 Rn 1. AnwKommBGB /Gruber Rn 7. Vgl oben Rn 26. AnwKommBGB /Gruber Rn 8.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 10 Brüssel IIa-VO 31-35

richte des B-Mitgliedstaates den Entscheidungsvorrang gibt und dieser Entscheidung die Anerkennung und Vollstreckung sichert. Gleichwohl greift diese Alternative auch ein, wenn nur die Gerichte des A-Mitgliedstaates für den Rückgabeantrag zuständig waren und über diesen nicht stattgebend entschieden haben.51 Aus welchen Gründen dem Antrag nicht stattgegeben wurde, ist unerheblich. Erfasst 31 sind sowohl Fälle der Abweisung in der Sache als auch Prozessentscheidungen, insbesondere eine Abweisung mangels Zuständigkeit. Insbesondere in letzterem Fall kann der Antragsteller den Übergang der Zuständigkeit noch verhindern, wenn er binnen Jahresfrist einen Antrag nach sublit (i) bei den zuständigen Behörden des B-Mitgliedstaates stellt. Im Umkehrschluss ergibt sich aus sublit (iv), dass im Fall einer dem rechtzeitigen 32 Rückgabeantrag stattgebenden Entscheidung der Gerichte des A-Mitgliedstaates ein Übergang der Zuständigkeit nicht stattfindet. Die Gerichte des A-Mitgliedstaates bleiben weiter zuständig auch für weitergehende Sorgerechtsentscheidungen. d) Erwerb eines gewöhnlichen Aufenthalts nach Rückgabeentscheidung Nicht in Art 10 geregelt ist die Frage, für welche Dauer eine die Rückgabe anordnende 33 Entscheidung iSd Art 11 Abs 8 die Zuständigkeit der Gerichte im B-Mitgliedstaat ausschließt. Dieses Problem stellt sich unter dem KSÜ nicht, da mit dem erfolglosen Abschluss des Verfahrens nach dem HKindEntfÜbk der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes im B-Mitgliedstaat bzw seine zuständigkeitsbegründende Wirkung nicht mehr in Zweifel steht. Art 10 lit b sublit (iv) ist hingegen im Umkehrschluss zu entnehmen, dass zunächst der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes (im B-Mitgliedstaat) und die Zuständigkeit (im A-Mitgliedstaat) auseinanderfällt. Die Konzeption der Art 10, 11 geht dahin, dieses Auseinanderfallen durch Vollstreckung der in Art 11 Abs 8 bezeichneten Entscheidung gemäß Art 40, 42 zu bereinigen. Wird diese Vollstreckung jedoch nicht durchgeführt, was angesichts der Betroffenheit 34 des ordre public des B-Mitgliedstaates höchst wahrscheinlich ist, so führt Art 10, seinem Wortlaut nach angewendet, zu einem dauernden Auseinanderfallen von gewöhnlichem Aufenthalt und Zuständigkeit, dies noch angereichert durch den unerfreulichen Umstand, dass Entscheidungen des A-Mitgliedstaates, solange dessen Gerichte nicht „nachgeben“, im B-Mitgliedstaat letztlich nicht vollstreckt werden. An dieser Stelle zeigt sich, dass das Art 10, 11 Abs 8 zugrundeliegende Bestreben, den „Entführer“ nicht zu belohnen, ggf an der Absurdität der Lage scheitert, weil „Recht“ und „Unrecht“ gerade nicht mehr eindeutig lokalisierbar sind. In solchen Situationen das Auseinanderfallen von gewöhnlichem Aufenthalt und Zu- 35 ständigkeit auf Dauer zu konservieren, wäre schlichte Rechthaberei. Auch wenn Art 10 lit b eine Absage an die normative Kraft des Faktischen sein will, wird man sich dieser Kraft zu beugen haben, wenn nach der in Art 11 Abs 8 genannten Ent-

51

Vgl oben Rn 29.

Thomas Rauscher

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Art 10 Brüssel IIa-VO, 36, 37 B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Art 11 Brüssel IIa-VO Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

scheidung52 das Kind weitere 12 Monate in dem B-Mitgliedstaat verbleibt, sich also die Voraussetzungen des Erwerbs eines gewöhnlichen Aufenthalts ein weiteres Mal vollenden. Gelingt in diesem Zeitraum die Vollstreckung der Rückgabeentscheidung nicht, so werden die Gerichte des B-Mitgliedstaates entgegen des Art 10 gemäß Art 8 Abs 1 zuständig. III. Widerrechtlichkeitsbescheinigung (§ 41 IntFamRVG)

36 Da die VO, anders als Art 60 lit e dies vermuten lässt, das HKindEntfÜbk nicht verdrängt, sondern nur ergänzt,53 kann auch im Anwendungsbereich der VO ein Antrag nach § 41 IntFamRVG, Art 15 HKindEntfÜbk auf Feststellung der Widerrechtlichkeit des Verbringens gestellt werden. Dieses Verfahren betrifft die Situation der Verbringung aus Deutschland heraus, also Fälle, in denen Deutschland der A-Mitgliedstaat ist und in einem B-Mitgliedstaat, der Vertragsstaat des HKindEntfÜbk ist, ein Rückgabeverfahren nach Art 12 ff HKindEntfÜbk anhängig ist. 37 § 41 IntFamRVG sollte analog anzuwenden sein auf Fälle, in denen ein Rückgabeverfahren in einem anderen Mitgliedstaat anhängig ist, der nicht dem HKindEntfÜbk angehört,54 gleichwohl aber eine Zuständigkeit beansprucht – wozu Art 13 Abs 1 (Nichtfeststellbarkeit des gewöhnlichen Aufenthalts) eine Möglichkeit bietet.

Artikel 11

Rückgabe des Kindes (1) Beantragt eine sorgeberechtigte Person, Behörde oder sonstige Stelle bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaates eine Entscheidung auf der Grundlage des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (nachstehend „Haager Übereinkommen von 1980“ genannt), um die Rückgabe eines Kindes zu erwirken, das widerrechtlich in einen anderen als den Mitgliedstaat verbracht wurde oder dort zurückgehalten wird, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, so gelten die Absätze 2 bis 8. (2) Bei Anwendung der Artikel 12 und 13 des Haager Übereinkommens von 1980 ist sicherzustellen, dass das Kind die Möglichkeit hat, während des Verfahrens gehört zu werden, sofern dies nicht aufgrund seines Alters oder seines Reifegrads unangebracht erscheint. (3) Das Gericht, bei dem die Rückgabe eines Kindes nach Absatz 1 beantragt wird, befasst sich mit gebotener Eile mit dem Antrag und bedient sich dabei der zügigsten Verfahren des nationalen Rechts.

52

53 54

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Für deren Erlass selbstverständlich der ursprüngliche Aufenthaltsstaat zuständig ist: MünchKomm/ Gottwald Rn 8. Dazu Art 11 Rn 1 ff. Zur Problematik oben Rn 6.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

(4)

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(8)

Art 11 Brüssel IIa-VO

Unbeschadet des Unterabsatzes 1 erlässt das Gericht seine Anordnung spätestens sechs Wochen nach seiner Befassung mit dem Antrag, es sei denn, dass dies aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht möglich ist. Ein Gericht kann die Rückgabe eines Kindes aufgrund des Artikels 13 Buchstabe b) des Haager Übereinkommens von 1980 nicht verweigern, wenn nachgewiesen ist, dass angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr zu gewährleisten. Ein Gericht kann die Rückgabe eines Kindes nicht verweigern, wenn der Person, die die Rückgabe des Kindes beantragt hat, nicht die Gelegenheit gegeben wurde, gehört zu werden. Hat ein Gericht entschieden, die Rückgabe des Kindes gemäß Artikel 13 des Haager Übereinkommens von 1980 abzulehnen, so muss es nach dem nationalen Recht dem zuständigen Gericht oder der Zentralen Behörde des Mitgliedstaates, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, unverzüglich entweder direkt oder über seine Zentrale Behörde eine Abschrift der gerichtlichen Entscheidung, die Rückgabe abzulehnen, und die entsprechenden Unterlagen, insbesondere eine Niederschrift der Anhörung, übermitteln. Alle genannten Unterlagen müssen dem Gericht binnen einem Monat ab dem Datum der Entscheidung, die Rückgabe abzulehnen, vorgelegt werden. Sofern die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, nicht bereits von einer der Parteien befasst wurden, muss das Gericht oder die Zentrale Behörde, das/ die die Mitteilung gemäß Absatz 6 erhält, die Parteien hiervon unterrichten und sie einladen, binnen drei Monaten ab Zustellung der Mitteilung Anträge gemäß dem nationalen Recht beim Gericht einzureichen, damit das Gericht die Frage des Sorgerechts prüfen kann. Unbeschadet der in dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitsregeln schließt das Gericht den Fall ab, wenn innerhalb dieser Frist keine Anträge bei dem Gericht eingegangen sind. Ungeachtet einer nach Artikel 13 des Haager Übereinkommens von 1980 ergangenen Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes verweigert wird, ist eine spätere Entscheidung, mit der die Rückgabe des Kindes angeordnet wird und die von einem nach dieser Verordnung zuständigen Gericht erlassen wird, im Einklang mit Kapitel III Abschnitt 4 vollstreckbar, um die Rückgabe des Kindes sicherzustellen.

I. Verhältnis zu Art 13 HKindEntfÜbk 1. „Letztes Wort“ der Gerichte des früheren Aufenthaltsstaates . . . . . . . . . . 2. Motivationsversuch – Problem der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Formaler Vorrang vor dem HKindEntfÜbk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mittelbare Beeinflussung des persönlichen Anwendungsbereichs . . 5. Anwendungsbereich (Abs 1). . . . . . . . .

Thomas Rauscher

II. Verfahrensmaßgaben

1 3 5 8 9

1. Anhörung des Kindes (Abs 2) . . . . . . . 2. Beschleunigung (Abs 3) a) Eilgebot und Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Deutsches Verfahrensrecht . . . . . . .

11 14 16

III. Regelungen zur

Rückgabe-Verweigerung 1. Art 13 lit b HKindEntfÜbk (Abs 4) 2. Rechtliches Gehör des RückgabeAntragstellers (Abs 5) . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Verfahren bei

Rückgabe-Verweigerung 1. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übermittlung an das Gericht des ursprünglichen Aufenthalts (Abs 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidung durch das Gericht im A-Mitgliedstaat (Abs 7)

29

33

a) Aufforderung zur Einreichung eines Antrags, Frist . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensweise bei bereits anhängiger Sorgerechtssache . . . . . c) Verfahren vor dem Gericht des A-Mitgliedstaates . . . . . . . . . . . . . 4. Vollstreckbarkeit einer späteren Rückgabeanordnung trotz Rückgabe-Verweigerung (Abs 8) . . . . .

I.

Verhältnis zu Art 13 HKindEntfÜbk

1.

„Letztes Wort“ der Gerichte des früheren Aufenthaltsstaates

38 49 50

56

1 Hinsichtlich des Rückgabeverfahrens (Art 11) ist als Ergebnis eines, die neue VO ersichtlich mehrfach an den Rand des Scheiterns bringenden Ringens,1 nun ein Modell implementiert, das von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des HKindEntfÜbk ausgeht, dabei aber die Faktizität der Nicht-Rückgabe-Entscheidung nach Art 13 HKindEntfÜbk durch eine weitere Wendung des Verfahrens letztlich beseitigt. Die Gerichte des Verbringungsstaates („B-Mitgliedstaat“) können zwar nach Art 13 HKindEntfÜbk die Rückgabe des Kindes ablehnen; dies löst jedoch das Verfahren nach Art 11 Abs 6 und 7 aus, das dem Gericht des ehemaligen Aufenthaltsstaates („A-Mitgliedstaat“) die Entscheidungshoheit über die Sorgerechtsregelung zurückgibt. Dessen Entscheidung ist letztlich nach Art 11 Abs 8 vollstreckbar und überwindet ggf auch die Verweigerung der Rückgabe nach Art 13 HKindEntfÜbk durch den B-Mitgliedstaat (Rn 29 ff).2 2 Die übrigen Regeln des Art 11 (Abs 2 bis 5) sind eher technischer Natur (Rn 11 ff, 22 ff). 2.

Motivationsversuch – Problem der Vollstreckung

3 Letztlich ist damit die langwierige Entwicklung der VO bei einer Lösung angelangt, die trotz des Effekts, das HKindEntfÜbk durch eine als besser dargestellte EU-Lösung zu desavouieren, einigermaßen plausibel gemacht werden kann: Als wesentliches Motiv der Übertragung des „letzten Wortes“ an die Gerichte des A-Mitgliedstaates lässt sich das wechselseitige Vertrauen in die Rechtspflege ansehen, das im Verhältnis zu bloßen Vertragsstaaten des Haager Übk so nicht vorauszusetzen ist. 4 Problematisch wird die Regelung allerdings im Kontext der Art 40 ff. Art 13 HKindEntfÜbk hat sich in den letzten Jahren als eine Norm erwiesen, die dem Grundrechtsschutz dient und dem ordre public jedenfalls nahe steht. Da Entscheidungen über die 1 2

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Zur Entstehungsgeschichte auch Art 10 Rn 1 ff. Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 62.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 11 Brüssel IIa-VO 5-7

Rückgabe von Kindern, zu denen die Entscheidung nach Art 11 Abs 7 regelmäßig gehören wird, gemäß Art 42 im Bescheinigungsverfahren, also ohne Vollstreckungsklauselverfahren im B-Mitgliedstaat vollstreckbar sind, hat der B-Mitgliedstaat auch auf der Vollstreckungsebene keine Möglichkeit mehr, seinen ordre public zur Geltung zu bringen. Ob dafür das postulierte wechselseitige Vertrauen eine genügende Basis bietet, ist jedoch weniger ein Problem des Art 11 als der Art 40 ff. 3 3.

Formaler Vorrang vor dem HKindEntfÜbk

Der Vorrang der VO gegenüber dem HKindEntfÜbk bestimmt sich nach Art 60 lit e, 5 Art 62 Abs 1 und dem unklaren Art 62 Abs 2. Grundsätzlich beansprucht die VO nun auch gegenüber dem HKindEntfÜbk Vorrang im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten. Dass die für das KSÜ geltende weitere Einschränkung auf Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat (Art 61) insoweit nicht gilt, spielt keine Rolle. Ohne (vorherigen) gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat kann ein widerrechtliches Verbringen nicht das Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten betreffen. Der Geltungsvorbehalt des Art 62 Abs 1 bedeutet für das HKindEntfÜbk eine unerfreuliche Aufsplitterung. So ist fraglich, ob die Zentralen Behörden nach der VO (Art 53 ff) oder die Zentralen Behörden nach dem HKindEntfÜbk (Art 6 ff) für Ermittlungen im Zusammenhang mit dem widerrechtlichen Verbringen eines Kindes zwischen Mitgliedstaaten einzuschalten sind; dass alle Mitgliedstaaten hier dieselben Behörden benennen werden, ist nicht sichergestellt. In seinen Kernbestimmungen zum Rückgabeverfahren bleibt das HKindEntfÜbk, mo- 6 difiziert durch Art 11 der VO, anwendbar. Grundsätzlich anzuwenden sind die Bestimmungen über den Rückgabeantrag (Art 12 ff HKindEntfÜbk), also der materielle Kern des Übereinkommens. Insbesondere gilt auch Art 13 HKindEntfÜbk im Verhältnis der Mitgliedstaaten, wie sich aus Art 11 Abs 2 ausdrücklich ergibt. Art 11 erweist sich also letztlich als eine Reihe von zusätzlichen Regelungen, die freilich den Charakter der Entscheidung, mit der die Rückgabe abgelehnt wird, massiv verändern. Regelungstechnisch klarer wäre deshalb eine Konkurrenzregel gewesen, die statt des grundsätzlichen Vorrangs der VO die grundsätzliche Geltung des HKindEntfÜbk „vorbehaltlich der in Art 11 getroffenen Sonderregelungen“ angeordnet hätte, wie es Erwägungsgrund 17 letztlich auch zum Ausdruck bringt. 4 Auch aus Sicht des HKindEntfÜbk fügt sich damit Art 11, zumindest regelungstech- 7 nisch, als eine multilaterale Begrenzung der Beschränkung der Rückgabe nach dem Übereinkommen ein, weil solche Begrenzungen nach Art 36 HKindEntfÜbk zulässig sind.5

3 4

5

Vgl Art 40 Rn 1 ff. Ebenso Solomon FamRZ 2004, 1409, 1416; Kommission, Leitfaden 42: „werden die Vorschriften des Übereinkommens ergänzt durch Artikel 11 Absätze 1 bis 5 der Verordnung“. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1416.

Thomas Rauscher

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Art 11 Brüssel IIa-VO 8-11

4.

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Mittelbare Beeinflussung des persönlichen Anwendungsbereichs

8 Die VO, die eine Definition des Begriffes „Kind“ vermissen lässt, setzt sich nicht mit der Frage auseinander, bis zu welcher Altersgrenze Art 11 Anwendung findet. Geht man von einem aus dem KSÜ übernommenen Kindesbegriff der VO aus, so gilt diese grundsätzlich für Minderjährige bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres.6 Hiervon abzuweichen besteht zwar für den im Prinzip an Art 7 KSÜ ausgerichteten Art 10 kein Anlass. Anders verhält es sich hingegen mit Art 11, der nur vor dem Hintergrund eines Verfahrens nach Art 12 ff HKindEntfÜbk anwendbar ist. Da dieses Übereinkommen nach seinem Art 4 nur für unter 16jährige Minderjährige gilt, kann auch Art 11 nur bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres Anwendung finden.7 5.

Anwendungsbereich (Abs 1)

9 Gemäß Abs 1 ist Art 11 nur anzuwenden, wenn ein Kind von einem A-Mitgliedstaat in einen B-Mitgliedstaat widerrechtlich verbracht wurde und in dem B-Mitgliedstaat ein Rückgabeantrag nach Art 12 ff HKindEntfÜbk gestellt wird. Art 11 gilt damit einerseits nur dann, wenn beide beteiligten Staaten Mitgliedstaaten der VO sind. 10 Die Frage, wie im Verhältnis zu Mitgliedstaaten zu verfahren ist, die nicht dem HKindEntfÜbk angehören, stellt sich für Art 11 anders als für Art 10.8 Während Art 10 nur auf das Rückgabeverfahren rekurriert und dabei wohl eher versehentlich den Blick auf das Verfahren nach Art 12 ff HKindEntfÜbk verengt, ist Art 11 eine Bestimmung, die mit dem Rückgabeverfahren nach Art 12 ff HKindEntfÜbk steht und fällt, was Abs 1 klarstellt. Die gesamte Regelung ist ohne ein solches Verfahren sinnlos. Daher ist Art 11 nur anzuwenden, wenn beide beteiligten Mitgliedstaaten dem HKindEntfÜbk angehören, wenn also ein Verfahren nach dem Übereinkommen stattfinden kann. II.

Verfahrensmaßgaben

1.

Anhörung des Kindes (Abs 2)

11 Das HKindEntfÜbk sieht die Beteiligung des Kindes nicht ausdrücklich vor, sondern überlässt dies der lex fori. Aus Art 8 EMRK dürfte sich allerdings ein autonomes Anhörungsgebot ergeben. 9 Abs 2 schreibt ausdrücklich die Anhörung des Kindes während des Verfahrens nach Art 12 ff HKindEntfÜbk vor, betont damit das Grundrecht aus Art 24 Grundrechtecharta10 und bereinigt zwischen den Mitgliedstaaten Unklarheit.11 6 7 8 9

10

154

Art 1 Rn 24. Rausch FuR 2005, 53, 57; Zöller /Geimer Rn 1; Geimer/Schütze/Dilger Rn 2. Art 10 Rn 6f, 26f, 29. Strittig, dazu Schulz FamRZ 2003, 336, 342; dies FamRZ 2003, 1351, 1352; OLG Stuttgart FamRZ 2000, 374. Rieck NJW 2008, 182, 184.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 11 Brüssel IIa-VO 12-15

Erforderlich ist die Anhörung durch das mit dem Rückgabeantrag befasste Gericht des B-Mitgliedstaates, das sich insbesondere vor dem Hintergrund dieser Anhörung den nach Art 13 Abs 2 HKindEntfÜbk erforderlichen Eindruck von Willen und Reife des Kindes bilden soll.12 Dies entspricht einerseits der grundsätzlichen Betonung des Gewichts der Anhörung 12 des Kindes für die VO (Erwägungsgrund 19), andererseits widerspräche eine positive Regelung der Kindesanhörung der im Übrigen von der VO geübten Zurückhaltung dahingehend, die Anhörung an sich der lex fori zu überlassen. Abs 2 belässt es vor diesem Hintergrund bei einer Maßregel, die sich hinsichtlich der Ausgestaltung an das Recht der Mitgliedstaaten richtet. Aus Abs 2 ist insbesondere keine bestimmte Art der Anhörung abzuleiten; auch muss die Anhörung nicht unmittelbar durch das Gericht erfolgen, sondern kann lege fori auf eine Behörde übertragen werden.13 Ausdrücklich zugelassen ist nach Abs 2 ein Absehen von der Anhörung, wenn dies 13 nach dem Alter und dem Reifegrad des Kindes unangebracht ist. Nicht zulässig ist hingegen das Absehen von Anhörung wegen Eilbedürftigkeit, zumal gerade erst durch die Anhörung das Gericht Umstände erfahren kann, die einen Ablehnungsgrund darstellen.14 2.

Beschleunigung (Abs 3)

a) Eilgebot und Frist Abs 3 dient der Beschleunigung des Verfahrens. Neben einem allgemeinen Beschleu- 14 nigungsgebot, welches das Gericht zu gebotener Eile auffordert, ist zudem das zügigste Verfahren des nationalen Rechts anzuwenden.15 Letzteres ist freilich mehr als Aufforderung an den nationalen Gesetzgeber zu verstehen, weil das an Recht und Gesetz gebundene Gericht allenfalls unter mehreren verfügbaren Verfahrensweisen auswählen kann, was aber selten der Fall sein wird. Ergänzend bestimmt Abs 3 S 2 eine Frist von sechs Wochen für den Erlass der Ent- 15 scheidung des Gerichts, wobei auch das Absetzen der schriftlichen Entscheidungsgründe von dieser Frist erfasst ist.16 Die Frist beginnt mit der Befassung des Gerichts, was, unabhängig von Art 16, im Sinn des Antragseingangs zu verstehen ist. Die Frist darf nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände überschritten werden, was insbesondere als Konkretisierung des Begriffs der gebotenen Eile verstanden werden sollte. Die Vollstreckung der Entscheidung ist von der 6-wöchigen Frist nicht erfasst, wohl aber von dem grundsätzlichen Beschleunigungsgebot;17 insoweit ist freilich 11 12 13 14 15 16 17

AnwKommBGB /Gruber Rn 2. Vgl die Gegenüberstellung in Kommission, Leitfaden 45. Kommission, Leitfaden 54; Schulz FamRZ 2003, 1351, 1352; Rauscher EuLF 2005, I-37, 39. Rauscher EuLF 2005 I-37, 43. Vigreux v Michel EuLF 2006 II 63 (App Civil Divison, 2006). Vigreux v Michel EuLF 2006 II 63 (App Civil Divison, 2006). Gruber FamRZ 2005, 1603, 1605; ders FPR 2008, 214, 216.

Thomas Rauscher

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Art 11 Brüssel IIa-VO 16-18

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Rechtsstaatlichkeit und Beschleunigung abzuwägen, wie dies zu Recht auch der Gesetzgeber des IntFamRVG18 getan hat. b) Deutsches Verfahrensrecht 16 (1) Im deutschen Verfahrensrecht ist Abs 3 durch § 38 IntFamRVG umgesetzt,19 dessen Abs 1 eine vorrangige Behandlung in allen Rechtszügen verlangt und eine Aussetzung untersagt, wobei eine Aussetzung nach Art 12 HKindEntfÜbk nicht ausgeschlossen ist. 20 Die Regelung ist im Gesetzgebungsverfahren nicht ohne Kritik geblieben. Der Bundesrat21 wies zurecht darauf hin, dass der in § 38 Abs 1 IntFamRVG zum Ausdruck kommende „Vorrang“ dazu führen könnte, dass die Gerichte sich mit anderen eilbedürftigen Verfahren (Gewaltschutzsachen, Genehmigungen) solange nicht befassen dürften, ehe alle Herausgabeverfahren entschieden sind. Der hiergegen erhobene Einwand,22 die Anordnung bloßer Eilbedürftigkeit bringe die sich aus der VO ergebende Pflicht zur Anwendung des zügigsten Verfahrens nicht ausreichend zum Ausdruck, wird von Abs 3 nicht gedeckt: Abs 3 verlangt von keinem Mitgliedstaat, neue Verfahren mit absolutem Vorrang zu kreieren. Gerichte werden gleichwohl nun nicht alles stehen und liegen lassen, größtmögliche Beschleunigung nach bestem Wissen und Gewissen sollte genügen. Insoweit kann Abs 3 durchaus eine positive Wirkung auch auf das bislang nicht immer beschleunigte Umgangsverfahren in Binnensachverhalten haben, dem erst in jüngerer Zeit durch die Entwicklung der Untätigkeitsbeschwerde die gebotene Beschleunigung eingegeben wird. Nun dürfte es darum gehen, das rechte Maß zwischen gehöriger Kindeswohlprüfung und Beschleunigung zur Vermeidung von Entfremdung zu suchen. 17 Die Einhaltung der sechswöchigen Frist wird in § 38 Abs 1 S 2 IntFamRVG durch die – eigentlich selbstverständliche – Bestimmung flankiert, die das Gericht auffordert, alle erforderlichen Maßnahmen zur Beschleunigung zu treffen. Dafür kommen insbesondere eine entsprechende Terminierung und Fristsetzungen an die Beteiligten in Betracht. Nicht recht ersichtlich ist, wie die im Entwurf des IntFamRVG genannten23 einstweiligen Maßnahmen zur Sicherung des Aufenthaltsortes des Kindes das Verfahren beschleunigen sollen. Meist werden diese – dem Rechtsfrieden durchaus dienlichen – Maßnahmen eher der Partei willkommen sein, die das Verfahren verzögern möchte. 18 (2) Wesentlicher als Appelle an die Gerichte ist für die Erreichung des Beschleunigungsziels die Frage, wie zu verfahren ist, wenn Beteiligte nicht mitwirken. Dass durch Rechtsvorschriften wie § 38 Abs 3 IntFamRVG überzeugte Verfahrensverschlepper, die die Zeit wegen Entfremdung des Kindes zu einem anderen Elternteil für sich arbei-

18 19 20 21 22 23

156

Dazu Rn 21. Dazu Gruber FamRZ 2005, 1603, 1605. BT-Drs 15/3981, 27. BT-Drs 15/3981, 34. BT-Drs 15/3981, 36. BT-Drs 15/3981, 27.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 11 Brüssel IIa-VO 19-22

ten sehen, in die Schranken gewiesen werden könnten, wird der Gesetzgeber kaum glauben. Zentrale Bedeutung kommt daher der Ausgestaltung des Verfahrens bei Mitwirkungs- 19 verweigerung zu. Insoweit gibt einerseits § 38 Abs 2 IntFamRVG einen, wenn auch nur klarstellenden,24 Hinweis: Das Gericht prüft in jeder Lage des Verfahrens, ob das Recht zum persönlichen Umgang gewährleistet werden kann. Es muss ggf auch mit einstweiligen Maßnahmen dieses Recht sicherstellen, um Entfremdung zu vermeiden und damit den Hauptzweck einer Verfahrensverzögerung zu vereiteln. Wird ein Gericht nicht in gebotener Weise beschleunigt tätig, so kann effizient nur 20 mit einer Untätigkeitsbeschwerde reagiert werden. Insoweit dürfte die in Abs 3 S 2 bestimmte Frist von sechs Wochen ein Maß sein, das auch im Rahmen der Untätigkeitsbeschwerde zu beachten ist. (3) Angesichts der in der Kommission angedachten Alternativen zur Beschleuni- 21 gung des Verfahrens in Ansehung des Instanzenzuges25 hat der deutsche Gesetzgeber zu Recht in § 40 IntFamRVG die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens über die Beschleunigung gestellt. Gegen die Rückgabeentscheidung findet der Rechtsbehelf der Beschwerde nach §§ 58 ff FamFG statt, wobei §§ 65 Abs 2, 68 Abs 4, 69 Abs 1 Hs 2 nicht anzuwenden sind (§ 40 Abs 2 S 1 IntFamRVG). Eine weitere Beschwerde findet nicht statt. Beschwerdeberechtigt sind nur die in § 40 Abs 2 IntFamRVG genannten Beteiligten. Die Rückgabeentscheidung ist zudem erst mit Rechtskraft wirksam (§ 40 Abs 1 IntFamRVG) und vollziehbar,26 kann also weder nach Art 28 ff noch nach Art 42 vorher vollstreckt werden. Von der Anordnung sofortiger Wirksamkeit (§ 40 Abs 3 S 1 IntFamRVG27) sollte angesichts der Bedeutung für das Kindeswohl zurückhaltend Gebrauch gemacht werden; keinesfalls kann dies ein Instrument sein, um den rechtsstaatlich nicht hinnehmbaren Beschleunigungserwartungen im Leitfaden der Kommission zu gehorchen. Der Erwartung, die sechswöchige Frist auch im Instanzenzug einzuhalten, wird damit im Wesentlichen durch § 40 Abs 3 IntFamRVG entsprochen, der dem Beschwerdegericht die unverzügliche Prüfung der Möglichkeit einer sofortigen Vollziehung aufgibt. III. Regelungen zur Rückgabe-Verweigerung

1.

Art 13 lit b HKindEntfÜbk (Abs 4)

a) Abs 4 beschränkt den in Art 13 lit b HKindEntfÜbk vorgesehenen Grund der 22 Verweigerung der Rückgabe durch den B-Mitgliedstaat, wenn die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind 24

BT-Drs 15/3981, 28.

25

Kommission, Leitfaden 44: Ausschluss von Rechtsmitteln, sofortige Vollstreckbarkeit trotz Rechtsmitteln, sonstige Beschleunigungsmaßnahmen. Geimer/Schütze/Dilger Rn 11; Gruber FamRZ 2005, 1603, 1605 f. Dazu Gruber FamRZ 2005, 1603, 1605 f.

26 27

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Art 11 Brüssel IIa-VO 23-25

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

verbunden ist. Abs 4 schließt eine Berufung auf diesen Ablehnungsgrund aus, wenn nachgewiesen ist, dass im A-Mitgliedstaat angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr zu gewährleisten. Die Idee der Bestimmung ist es, eine Ablehnung der Rückgabe immer dann zu verbieten, wenn eine durch die Rückgabe verursachte Kindeswohlgefährdung durch Maßnahmen, zu denen sich die Behörden des A-Mitgliedstaates bindend verpflichten,28 verhindert wird.29 Dies umfasst nicht nur Fälle, in denen sich ein Elternteil der Rückgabe widersetzt, sondern erlaubt auch eine angemessene Berücksichtigung des Kindeswillens,30 der ebenfalls am Kindeswohl zu messen ist. 23 b) Freilich besteht das Problem, dass die Kindeswohlgefährdung nur selten unmittelbare Folge der Rückgabe (etwa an einen gewalttätigen Elternteil31) ist,32 sondern dass die Gefährdung sich mittelbar aus der Trennung von einem entführenden Elternteil ergibt. 33 Der Schwerpunkt der unter Abs 4 anzustrebenden Maßnahmen muss daher in der Ermöglichung des Kontakts zu allen Sorge- und Umgangsberechtigten liegen. 24 Solche Maßnahmen können damit insbesondere in durchsetzbaren gerichtlichen Umgangsregelungen34 und sonstigen gerichtlichen Anordnungen zur Sicherung des Kindeswohls35 im A-Mitgliedstaat, aber auch darin bestehen, dass der Antragsteller Verpflichtungen eingeht, die im anglo-amerikanischen Verfahren als undertakings bekannt sind und dort gegenüber dem Gericht eingegangen werden, im deutschen Verfahren nur zwischen den Parteien, zB in Form der (auch nach Art 28 ff vollstreckbaren) protokollierten Umgangsvereinbarung, möglich sind.36 Zu denken ist auch an informelle Kontaktaufnahmen, durch die das Gericht des B-Mitgliedstaates auf Wohlverhalten der Behörden des A-Mitgliedstaates hinwirkt, so dass das dem Entführer die Rückkehr mit dem Kind ermöglicht wird, zB durch die Aufhebung eines Haftbefehls. 37 Eher wird freilich die Rücknahme eines Strafantrags durch den Antragsteller, sofern eine Strafverfolgung nur auf Antrag erfolgt, erreichbar sein. 25 Das Gericht im B-Mitgliedstaat sollte sich bei konkret vorgetragenen Befürchtungen in Ansehung des Kindeswohls nicht auf den Standpunkt stellen, eine Einflussnahme 28 29 30 31 32

33 34 35 36 37

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Rieck NJW 2008, 182, 184. Kommission, Leitfaden 42 f. Looschelders JR 2006, 45, 50. Vgl dazu CA Versailles EuLF 2006, II-124: Möglich, wenn keine Gewalt gegen das Kind geübt wurde. Ob in einem solchen Fall tatsächlich die Unterbringung des Kindes im A-Mitgliedstaat unter Trennung von dem gewalttätigen Elternteil und zugleich Trennung von dem im B-Mitgliedstaat lebenden anderen Elternteil kindeswohlkonform ist (vgl Schulz FamRZ 2003, 1351, 1352; AnwKommBGB / Gruber Rn 5), muss doch ernsthaft bezweifelt werden. Eingehend zu Fallgruppen Bucher FS Kropholler (2008) 263 ff; vgl auch Balloff FPR 2004, 309 ff. OLG Naumburg FamRZ 2007, 1586. CA Versailles EuLF 2006 II 124. Schulz FamRZ 2003, 13651, 1352; Mäsch FamRZ 2003, 1069; AnwKommBGB /Gruber Rn 5. AnwKommBGB /Gruber Rn 5.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 11 Brüssel IIa-VO 26-28

zur Beruhigung solcher Bedenken führe zu einer dem Gericht im B-Mitgliedstaat nicht zustehenden Vorwegnahme der Beurteilung des Sorgerechts;38 Abs 4 gibt dem Gericht des B-Mitgliedstaates durchaus die Option, anzuregen, durch welche sorgerechtlichen Maßnahmen Bedenken des Kindeswohls genügt werden kann. c) Abs 4 überlässt die Beurteilung, ob die Maßnahmen im A-Mitgliedstaat ausrei- 26 chen, um die Gefährdung des Kindes auszuschließen, den Gerichten des B-Mitgliedstaates. 39 Weder ist Art 13 lit b HKindEntfÜbk suspendiert, noch können die Gerichte des A-Mitgliedstaates an dieser Stelle der Prüfung eingreifen. Eine Verweigerung der Rückgabe trotz aus Sicht der Gerichte des A-Mitgliedstaates angemessener Maßnahmen beschwört allerdings die Gefahr einer gegenläufigen Entscheidung nach Abs 6 bis 8 herauf, wo dann letztlich die Gerichte des A-Mitgliedstaates das letzte Wort haben. Hierin kann man durchaus einen Widerspruch erkennen, weil die in Abs 4 anerkannte Beurteilungsprärogative des B-Mitgliedstaates (dessen Gericht die aktuelle Situation des Kindes kennt) letztlich der zuständigkeitsrechtlichen Prinzipientreue hintanstellt. Andererseits kommt es darauf an, wie überzeugend die Gerichte des B-Mitgliedstaates ihre Ablehnung begründen, um ggf im A-Mitgliedstaat eine entsprechende Entscheidung herbeizuführen. d) Andere Rückgabeversagungsgründe beschränkt Abs 4 nicht. Insbesondere wird 27 deshalb erörtert, ob sich die Gerichte des B-Mitgliedstaates statt auf Art 13 lit b auf ihren ordre public gemäß Art 20 HKindEntfÜbk berufen können oder ob dies als Umgehung von Abs 4 ausscheidet. 40 Dabei handelt es sich wohl um ein Scheinproblem: Zwar kann die Gefährdung des Kindeswohls den ordre public des B-Mitgliedstaates betreffen. Jedoch wird eine aus dessen Sicht angemessene Vorkehrung zum Schutz des Kindes iSd Abs 4, die eine Rückgabeverweigerung nach Art 13 lit b HKindEntfÜbk ausschließt, zugleich auch die konkrete Betroffenheit des ordre public beseitigen; umgekehrt wird, wenn der ordre public weiter betroffen ist, die Vorkehrung kaum angemessen sein.41 2.

Rechtliches Gehör des Rückgabe-Antragstellers (Abs 5)

Abs 5 ist systematisch eher der Verfahrensgestaltung als, wie sein Wortlaut nahelegt, 28 den Rückgabe-Versagungsgründen zuzuordnen. Will das Gericht die Rückgabe verweigern, so muss dem Antragsteller, der die Rückgabe des Kindes beantragt hat, vorher rechtliches Gehör gewährt werden. Dies bedeutet insbesondere, dass der Antragsteller zu Einwendungen, die der Antragsgegner oder das Kind gegen den Antrag vorgebracht 38

39 40 41

Unklar OLG Brandenburg 22.9.2006 (15 UF 189/06) juris: Wenn die Mutter nicht bereit sei das Kind zurück nach Frankreich zu begleiten, stelle es eine Maßnahme nach Abs 4 dar, die Kinder in die Obhut des Vaters zu geben. Das Gericht wollte hingegen wohl zum Ausdruck bringen, dass es keine Bedenken in Ansehung des Kindeswohls hege, weil der Vater sorgegeeignet sei; das hat dann aber nichts mit Abs 4 zu tun. Rauscher EuLF 2005 I-37, 44. So Solomon FamRZ 2004, 1409, 1417. Rauscher EuLF 2005 I-37, 44.

Thomas Rauscher

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Art 11 Brüssel IIa-VO 29-31

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

haben, zu hören ist. Der Umstand, dass er bereits als Antragsteller beteiligt war, kann nicht genügen, weil sonst die Regelung offenbar nutzlos wäre. IV.

Verfahren bei Rückgabe-Verweigerung

1.

Systematik

29 a) Abs 6 bis 8 stellen die wesentliche Ausnahme von Art 12 ff HKindEntfÜbk dar. Während unter dem HKindEntfÜbk eine die Rückgabe des Kindes ablehnende Entscheidung der Gerichte des B-Mitgliedstaates de facto das letzte Wort spricht, dem auch Art 7 Abs 1 lit b KSÜ sich beugt und nach Beendigung des Verfahrens die Zuständigkeit übergehen lässt, soll nach der Konzeption der VO das letzte Wort in der Sorgerechtssache trotz Ablehnung der Herausgabe durch die Gerichte des B-Mitgliedstaates bei den Gerichten des A-Mitgliedstaates bleiben. 30 Dies wird dadurch erreicht, dass die Gerichte des A-Mitgliedstaates von einer solchen Entscheidung zwingend in Kenntnis gesetzt werden (Abs 6), die Parteien sodann aufgefordert werden, dort Anträge zu stellen (Abs 7) und eine spätere Rückgabeentscheidung der nach Art 10 weiter zuständigen Gerichte im A-Mitgliedstaat auch hinsichtlich der Vollstreckung eine Nicht-Rückgabeentscheidung überwindet (Abs 8).42 Dieses Instrumentarium dürfte sich bei Rückgabe-Verweigerungsentscheidungen zwischen Mitgliedstaaten zur Regel entwickeln,43 weil der durch die Verbringung des Kindes verletzte Elternteil selten darauf verzichten dürfte, einen Antrag nach Abs 7 zu stellen. 31 b) Fraglich ist, ob das System des Art 11 Abs 6 bis 8 nur für die Ablehnung der Rückgabe nach Art 13 HKindEntfÜbk, auf den allein sich Abs 6 bezieht, oder auch für andere Ablehnungsgründe gilt. Eine wortlautentsprechend enge Anwendung44 würde es insbesondere dem Gericht im B-Mitgliedstaat ermöglichen, eine Ablehnung der Rückgabe aus Kindeswohlgründen auf den ordre public (Art 20) zu stützen. Fraglich ist auch, ob eine Ablehnung im Fall des Art 12 Abs 2 Alt 2 HKindEntfÜbk nach Abs 6 bis 8 zu behandeln ist. Dabei geht es selbstredend nicht primär um die Mitteilungspflicht nach Abs 6, deren Ausweitung weitgehend unproblematisch wäre und die allenfalls das Einfallstor für die verbreitet vertretene Analogie ist. 45 Wenn man Abs 6 entsprechend anwendet, bedeutet dies letztlich, den Gerichten des A-Mitgliedstaates auch das letzte Wort iSd Abs 8 gegenüber dem ordre public des B-Mitgliedstaates zuzumessen.

42 43

44 45

160

Schulz FS Kropholler (2008) 435, 442. Vigreux v Michel EuLF 2006 II 63 (App Civil Divison, 2006): „Of course the judge recognised that his refusal of the return order would inevitably trigger the very significant new procedures introduced by Article 11 (6)-(8).“ Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 69. Vgl Rieck NJW 2008, 182, 184; Zöller /Geimer Art 11 Rn 12; MünchKomm/Gottwald Rn 12; Geimer/ Schütze/Dilger Rn 20; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 11 Brüssel IIa-VO 32

Dem naheliegenden Argument, die Situation bei Ablehnung nach Art 12 Abs 2 oder 32 Art 20 sei interessenidentisch46 und eine Umgehung der Abs 6 bis 8 könne nur dadurch vermieden werden, indem Abs 6 bis 8 auf jede Ablehnung der Rückgabe nach Art 13 ff HKindEntfÜbk Anwendung finden,47 stehen Bedenken vor allem deshalb entgegen, weil der ordre public des B-Mitgliedstaates im Vollstreckungsverfahren nach Art 42 ff nicht mehr ausreichend geschützt wird; der B-Mitgliedstaat müsste, um eine empfindliche Desavouierung seiner Gerichte und Unglaubwürdigkeit gegenüber dem Rechtssuchenden48 zu vermeiden, sich verordnungswidrig verhalten. Gegen eine Erstreckung auf eine Ablehnung der Rückgabe nach Art 20 HKindEntfÜbk spricht auch, dass Art 11 Abs 4 nur in den „einfachen“ Ablehnungsgrund des Art 13 lit b eingreift. Zudem erscheint es höchst zweifelhaft, Abs 6 ff, die ihrem Wortlaut nach nur Art 13 HKindEntfÜbk betreffen und offenbar ohne einen Gedanken an Art 20 HKindEntfÜbk konzipiert sind, die Intention zu unterstellen, den Mitgliedstaaten de facto die Berufung auf den ordre public-Vorbehalt abzuschneiden. 49 Während man davon ausgehen mag, dass das Kindeswohl nach und nach in allen Mitgliedstaaten gleiche Beachtung findet, wird kaum der ordre public eines Mitgliedstaates durch die Gerichte eines anderen Mitgliedstaates gewahrt werden. Im Ergebnis ist also das Verfahren nach Abs 6 ff nur anzuwenden, wenn das Gericht des B-Mitgliedstaates aus Gründen entscheidet, die von Art 13 HKindEntfÜbk erfasst sind. Eine Berufung auf den ordre public kann insoweit die Anwendung der Abs 6 bis 8 nicht vermeiden. Anders verhält es sich mit nicht unmittelbar mit dem Kindeswohl verknüpften ordre public-Entscheidungen.50 Ähnliches gilt für die Ablehnung im Fall des Art 12 Abs 2 HKindEntfÜbk. Entscheidet das Gericht im B-Mitgliedstaat bei einem iSd Art 12 Abs 2 HKindEntfÜbk späten Antrag wegen der Integration des Kindes gegen die Rückgabe, so bewegt es sich meist bereits innerhalb der nach Art 10 lit b sublit (i) mangels Antrags binnen eines Jahres übergegangenen Zuständigkeit, sofern nicht ausnahmsweise zwischen dem Beginn der Jahresfrist nach Art 12 Abs 1 HKindEntfÜbk (Verbringen) und der nach Art 10 lit b sublit (i) (Kenntnis) ein größerer Zeitraum liegt. Ist aber die Zuständigkeit bereits nach Art 10 übergegangen, so besteht kein Raum mehr für eine Rückgabe der Zuständigkeit über Abs 7 an das Gericht im A-Mitgliedstaat. Das zeigt, dass Fälle des Art 12 Abs 2 HKindEntfÜbk durchaus folgerichtig nicht von Abs 6 bis 8 erfasst sind.51 46

47 48

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50

51

Zöller /Geimer Art 11 Rn 12; MünchKomm/Gottwald Rn 12; Geimer/Schütze/Dilger Rn 20; Thomas/ Putzo/Hüßtege Rn 7. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1417; Rauscher EuLF 2005, I-37, 44. Wie soll ein Richter oder Rechtsanwalt einem Elternteil erklären, dass die Gerichte seines Heimatund/oder Aufenthaltsstaates ihm unter Verwendung der stärksten Waffe, die die Rechtsordnung ausländischem Zivilrecht entgegensetzen kann, Recht gegeben hat, dies aber „wegen Europa“ nichts hilft. Deshalb geht auch das Argument fehl, das die erweiterte Anwendung gerade darauf stützt, Art 20 HKindEntfÜbk sei nicht bedacht worden, so AnwKommBGB /Gruber Rn 8. ZB auf Diskriminierung eines Elternteils (nichtehelicher Vater) beruhende Sorgerechts- oder Umgangsregelung im A-Mitgliedstaat. AA AnwKommBGB /Gruber Rn 8.

Thomas Rauscher

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Art 11 Brüssel IIa-VO 33-38

2.

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Übermittlung an das Gericht des ursprünglichen Aufenthalts (Abs 6)

33 a) Hat das Gericht im B-Mitgliedstaat nach Art 13 HKindEntfÜbk die Rückgabe abgelehnt, so muss es diese Entscheidung dem zuständigen Gericht oder der Zentralen Behörde im A-Mitgliedstaat („in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte“) unverzüglich übermitteln. Ein Ermessen besteht, anders als dies der 18. Erwägungsgrund vermuten lässt („sollte“), nicht. 34 Die Übermittlung kann unmittelbar an ein Gericht erfolgen, das im A-Mitgliedstaat bereits vorher mit der Sache befasst war, aber auch an das Gericht, das nach Einschätzung des Gerichts im B-Mitgliedstaat innerhalb des A-Mitgliedstaates örtlich zuständig ist.52 Das Gericht kann aber auch unmittelbar an die Zentrale Behörde (Art 53) des A-Mitgliedstaates übermitteln. 35 b) Zu übermitteln ist eine Abschrift der Entscheidung sowie „die entsprechenden Unterlagen“. Neben den ausdrücklich bezeichneten Niederschriften von Anhörungen ist damit gemeint, dass der Richter nach Ermessen Abschriften der Unterlagen seiner Verfahrensakte übermitteln soll, aus denen sich die wesentlichen Entscheidungsgrundlagen ergeben. Dazu gehören insbesondere auch Stellungnahmen von Jugendämtern.53 36 Für die Übermittlung bestimmt Abs 6 eine Frist von einem Monat ab dem Datum der Entscheidung. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung nach der lex fori. Zur Wahrung der Frist ist Zugang beim Gericht des A-Mitgliedstaates erforderlich, eine Versäumung der Frist ist allerdings sanktionslos und steht bei Inanspruchnahme Zentraler Behörden noch nicht einmal im Einflussbereich des übermittlungspflichtigen Gerichts. 37 c) Zur Übermittlung nach Abs 6 bestimmt § 39 IntFamRVG ergänzend, dass bei unmittelbarer Übermittlung an das Gericht oder die Zentrale Behörde im Ausland (also im A-Mitgliedstaat) der deutschen Zentralen Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art 7 HKindEntfÜbk eine Abschrift zu übersenden ist. 3.

Entscheidung durch das Gericht im A-Mitgliedstaat (Abs 7)

a) Aufforderung zur Einreichung eines Antrags, Frist 38 (1) Sofern die Gerichte des A-Mitgliedstaates nicht bereits von einer der Parteien mit der Sorgerechtssache befasst sind, sieht Abs 7 eine Art Aufgebotsverfahren vor. Dies gilt auch, wenn bei diesem Gericht ein Verfahren von Amts wegen (zB auf An-

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53

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Kommission, Leitfaden 47 verweist auf den Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen, der dem engagierten Richter durchaus helfen kann, das zuständige Gericht im A-Mitgliedstaat zu ermitteln: http://europa.eu.int/comm/justice_home/judicialatlascivil/html/index_de.htm. Kommission, Leitfaden 47.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 11 Brüssel IIa-VO 39- 43

regung des Jugendamts) anhängig ist, weil auch dieses Verfahren aufgrund der Systematik des Abs 7 enden kann. Das Gericht oder die Zentrale Behörde des A-Mitgliedstaates haben nach Eingang der 39 Mitteilung gemäß Abs 6 die Parteien hiervon zu unterrichten. Ein Ermessen, wie dies die Formulierung des 18. Erwägungsgrundes vermuten lässt („sollte“), besteht nicht. Da die Zentrale Behörde schwerlich Kenntnis davon haben wird, ob bei dem zuständigen Gericht ein Verfahren anhängig ist, wird der regelmäßige Weg der Übermittlung nach Abs 6 und der Mitteilung nach Abs 7 letztlich über das örtlich zuständige Gericht im A-Mitgliedstaat laufen müssen. Welche Adressaten die Zentrale Behörde sonst noch unterrichtet, beurteilt sich lege fori, Abs 6 trifft insoweit keine Einschränkungen.54 Wer als Partei iSd Abs 7 zu unterrichten ist, erscheint zumindest aus deutscher Sicht 40 nicht klar, da es sich bei Sorgerechtsverfahren um Verfahren der FG handelt. Partei dürften deshalb alle materiell Beteiligten sein sowie jedenfalls die formell Beteiligten des Rückgabeverfahrens im B-Mitgliedstaat. Auch an den dort obsiegenden Antragsgegner ist die Mitteilung nach Abs 7 zu richten, da auch er ggf im A-Mitgliedstaat tätig werden muss, um eine die erreichte Nichtherausgabe flankierende Sorgerechtsentscheidung zu erlangen. (2) Zusammen mit der Übermittlung sind die Parteien aufzufordern,55 binnen einer 41 Frist von drei Monaten ab Zustellung der Mitteilung Anträge bei Gericht einzureichen. Die Mitteilung nach Abs 7 ist also aufgrund autonomer Regelung zuzustellen, wobei die Zustellung innerhalb des A-Mitgliedstaates dessen lex fori unterliegt, Zustellungen zwischen den Mitgliedstaaten hingegen der EG-ZustVO 2000 bzw seit dem 13.11.2008 der EG-ZustVO 2007 unterliegen. Im Übrigen bestimmt sich die Gestaltung der Fristsetzung nach der lex fori; insbesondere die Erforderlichkeit eines Hinweises auf die (erheblichen) Rechtsfolgen der Fristversäumnis ist nicht autonom geregelt, obgleich sich dessen Notwendigkeit aufdrängt. (3) Wird innerhalb der Frist von drei Monaten ein die elterliche Verantwortung be- 42 treffender Antrag gestellt, so entscheidet das Gericht im A-Mitgliedstaat innerhalb seiner auf Art 10 beruhenden Zuständigkeit, die jedenfalls nicht bereits durch den ablehnenden Beschluss im B-Mitgliedstaat wegen Art 10 lit b sublit (iii), (iv) beendet wurde.56 Wird innerhalb der Frist kein Antrag gestellt, so „schließt das Gericht den Fall ab“ 43 (Abs 7 S 2). Dies gilt nach Abs 7 S 2 unbeschadet der Zuständigkeiten. Diese Wendung ist unklar; sie kann bedeuten, dass die in der VO festgelegten Zuständigkeiten 54 55

56

Erwägungsgrund 18. Der verwendete Begriff „einladen“ mag höflich gemeint sein, wird aber den Parteien kaum deutlich machen, dass das Spiel um das Sorgerecht abgepfiffen wird, wenn der Einladung niemand Folge leistet. „Aufforderung mit Fristsetzung“ trifft das Wesen des Vorgangs erheblich besser. Dazu unten Rn 50 ff.

Thomas Rauscher

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Art 11 Brüssel IIa-VO 44- 46

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

nicht berührt sind,57 sie kann aber auch bedeuten, dass das Gericht nach Abs 7 seine Zuständigkeit verliert.58 Folgt man dem letztgenannten Verständnis, so würde eine Einleitung eines Sorgerechtsverfahrens von Amts wegen oder auch auf späteren Antrag nicht mehr in Betracht kommen, selbst dann nicht, wenn das Gericht noch nach Art 8 Abs 1 zuständig wäre. Selbst ein von Amts wegen bereits früher eingeleitetes Verfahren wäre mangels eines Antrags nach Abs 7 abzuschließen. Hieraus ergeben sich Zuständigkeitsspannungen, auf die noch einzugehen ist.59 44 „Abschließen“ ist lege fori ggf unterschiedlich danach zu beurteilen, ob bereits ein Amtsverfahren anhängig war oder das Gericht nur im Wege der Abs 6, 7 tätig geworden ist. Eine förmliche Entscheidung ist nicht erforderlich. 45 Fraglich ist zudem, ob die Dreimonatsfrist eine Ausschlussfrist ist oder ein nach Fristablauf, aber vor Verfahrensabschluss eingehender Antrag den Abschluss des Verfahrens noch hindern kann. Im Interesse der Rechtsklarheit sollte die Frist als Ausschlussfrist behandelt werden, um die doch erhebliche Abweichung zum Verfahren nach Art 12 ff HKindEntfÜbk in berechenbare Bahnen zu lenken, soweit Abs 7 S 2 iVm Art 10 lit b sublit (iii) die Zuständigkeit der Gerichte des A-Mitgliedstaates konserviert. Ohnehin ist es misslich, dass Art 10 lit b sublit (iii) den Übergang der Zuständigkeit an den durchaus nur gerichtsintern erkennbaren Abschluss des Verfahrens nach Abs 7 S 2 anknüpft; eine Anbindung an den Fristablauf wäre der Rechtssicherheit erheblich zuträglicher gewesen.60 46 (4) Versteht man Abs 7 S 2 als endgültige Beendigung jeder Befassung der Gerichte des A-Mitgliedstaates, so entsteht eine Zuständigkeitslücke, falls das Kind noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt im B-Mitgliedstaat hat: Wird der Rückgabeantrag alsbald nach dem rechtswidrigen Verbringen gestellt und in gebotener Eile entschieden, so ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass das Kind noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt im B-Mitgliedstaat begründet hat. In diesem Fall sind die Gerichte des A-Mitgliedstaates nach Art 8 Abs 1 zuständig und verlieren diese Zuständigkeit auch nicht über Abs 2 S 2 nach Art 10 lit b sublit (iii), denn Art 10 beruht auf der Grundvoraussetzung, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt bereits im B-Mitgliedstaat hat. In diesem Fall muss es möglich bleiben, auch nach Ablauf der Dreimonatsfrist ein Verfahren vor diesen Gerichten einzuleiten, solange nicht die Voraussetzungen des Wegfalls der Zuständigkeit nach Art 10 eingetreten sind.61 Ein Gericht des A-Mitgliedstaates kann in dieser Phase nicht an einer Entscheidung von Amts wegen gehindert sein, wenn die lex causae eine solche vorsieht. Abs 7 S 2 ist also vor dem 57 58 59 60

61

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Rauscher EuLF 2005, I-37, 44. So sieht es anscheinend die Kommission, Leitfaden 41 (Flussdiagramm Mitte). Unten Rn 46. Hier zeigt sich ein durchaus ernstzunehmendes Problem: Die Methodik, im Rat über Kompromisse zu verhandeln, bei denen es natürlich um Prinzipien und nicht um legislative Details geht, führt gerade bei solchen Normen aus der letzten Minute dazu, dass im Detail schiere Unachtsamkeit herrscht. Rom wurde auch nicht an einem Tag errichtet, und Europa ist ein Stückchen größer! Rauscher EuLF 2005, I-37, 44.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 11 Brüssel IIa-VO 47-51

Hintergrund der ratio des Art 10 einschränkend auszulegen: Abs 7 S 2 hindert das Gericht des A-Mitgliedstaates lediglich daran, von Amts wegen die Wirkungen des Art 10 lit b sublit (iii) zu vereiteln oder hinauszuzögern. Solange dieses Gericht jedoch noch nach Art 8 Abs 1 zuständig ist, besteht kein Grund, ihm ein Tätigwerden zu verbieten, zumal die Gerichte des B-Mitgliedstaates allenfalls aufgrund von Art 13 eingreifen können. (5) Probleme in anderer Richtung können sich in dem – eher unwahrscheinlichen – 47 Fall ergeben, dass die Zuständigkeit bereits nach Art 10 lit a (Zustimmung) auf die Gerichte des B-Mitgliedstaates übergegangen ist. Auch diese Möglichkeit wurde bei der Konzeption des ganz auf Art 10 lit b zugeschnittenen Verfahrens nicht bedacht, obgleich es durchaus vorstellbar ist, dass der Antragsteller im Rückgabeverfahren den Rückgabeantrag mit einem Sorgerechtsantrag verbindet und dafür die Zuständigkeit der Gerichte im B-Mitgliedstaat anerkennt. Dieser Übergang stünde nach dem Wortlaut der Durchführung des Verfahrens nach 48 Abs 6, 7 nicht entgegen. Stellt nun aber innerhalb der Frist des Abs 7 eine Partei einen Antrag, so fehlt es dem Gericht im A-Mitgliedstaat an der Zuständigkeit. Abs 7 ist keine Zuständigkeitsregelung und verschafft auch den Gerichten des A-Mitgliedstaates keine Zuständigkeit. Der Konzeption nach soll sich diese aus Art 10 ergeben, weil Art 10 lit b sublit (iii) den Zuständigkeitsübergang verhindert. Im Fall von Art 10 lit a ist jedoch die Zuständigkeit der Gerichte im A-Mitgliedstaat bereits vorher beendet. Daher kann insoweit Abs 7 insgesamt nur einschränkend ausgelegt werden: Erkennt das Gericht im A-Mitgliedstaat, dass ihm für eine Entscheidung die Zuständigkeit fehlen würde, so unterlässt es die Aufforderung an die Parteien. b) Verfahrensweise bei bereits anhängiger Sorgerechtssache Ist bei Eingang der Übermittlung nach Abs 6 das Gericht im A-Mitgliedstaat von ei- 49 ner der Parteien (nicht von Amts wegen) mit der elterlichen Verantwortung befasst, so bedarf es keiner Unterrichtung der Parteien und keiner Aufforderung oder Fristsetzung. A fortiori darf aber aus Abs 6 geschlossen werden, dass ein solches Verfahren erst recht im A-Mitgliedstaat seinen Fortgang nimmt. c) Verfahren vor dem Gericht des A-Mitgliedstaates (1) Ist bei dem Gericht im A-Mitgliedstaat bereits ein Verfahren anhängig oder wird 50 es innerhalb der Frist des Abs 7 anhängig gemacht, so entscheidet dieses Gericht in vollem Umfang über die Sorgerechtssache.62 Seine Zuständigkeit beruht auf Art 8 Abs 1 oder auf Art 10, da im Fall der lit b nun erst eine Entscheidung iSv Art 10 lit b sublit (iv) zum Übergang der Zuständigkeit führen kann und bei Zuständigkeitsübergang nach Art 10 lit a schon das Verfahren nach Abs 7 abzubrechen ist.63 (2) Das zuständige Gericht im A-Mitgliedstaat hat nun den Fall insbesondere unter 51 Beachtung der zu der Entscheidung des Gerichts im B-Mitgliedstaat führenden Unter62 63

Kommission, Leitfaden 47. Oben Rn 48.

Thomas Rauscher

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Art 11 Brüssel IIa-VO 52-56

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

lagen und Erwägungen zu entscheiden. Ob sich die hochgesteckte Erwartung, dass die beiden Richter formlos miteinander kommunizieren sollten,64 erfüllen wird, ist fraglich. Immerhin wird deutlich, dass sich die Gerichte nicht, wie in verhärteten Fällen unter dem HKindEntfÜbk, als Parteigänger des Elternteils ihrer Nationalität gerieren sollten und dass auch die Bestätigung einer Art 13 HKindEntfÜbk-Entscheidung der Gerichte im B-Mitgliedstaat zu den offen zu erwägenden Optionen gehört. 52 Abs 7 ist also keine Bestimmung, mit der Vergeltung für die Entführung geübt wird, sondern lediglich die Grundlage dafür, dass das Gericht über das Sorgerecht entscheidet, das nach dem Zuständigkeitssystem der VO dazu berufen ist, ohne dass ihm die normative Kraft der äußerst faktisch wirkenden Nicht-Rückgabe-Entscheidung im Weg steht. 53 (3) Das Gericht hat hierbei erneut den Beteiligten und dem Kind Gehör zu gewähren. Insbesondere für das rechtliche Gehör des sich häufig noch im B-Mitgliedstaat aufhaltenden und ggf im A-Mitgliedstaat sogar strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzten „Entführers“ ist Sorge zu tragen. Hierzu kann sich das Gericht der Wege der EGBeweis-VO bedienen,65 es kann aber auch darauf hinwirken, dass die Strafverfolgungsbehörden des A-Mitgliedstaates „sicheres Geleit“ zusagen.66 54 (4) Entscheidet das Gericht im A-Mitgliedstaat im Einklang mit dem Gericht des B-Mitgliedstaates, so führt dies unter den Voraussetzungen von Art 10 im Hinblick auf dessen lit b sublit (iv) zum Übergang der Zuständigkeit für spätere Entscheidungen auf die Gerichte des B-Mitgliedstaates.67 Hingegen berührt theoretisch eine solche Entscheidung nicht die Zuständigkeit nach Art 8 Abs 1, die auch in diesem Fall solange bei den Gerichten des A-Mitgliedstaates bleibt, bis das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im B-Mitgliedstaat hat, was allerdings im Fall einer den Verbleib bestätigenden Entscheidung beider betroffenen Staaten regelmäßig sehr schnell der Fall sein wird, weil damit die Illegalität der Verbringung für die Zukunft entfällt. 55 (5) Entscheidet das Gericht des A-Mitgliedstaates, dass das Kind zurückzugeben ist, so gilt für die Vollstreckung Abs 8.68 4.

Vollstreckbarkeit einer späteren Rückgabeanordnung trotz Rückgabe-Verweigerung (Abs 8)

56 a) Abs 8 löst den Konflikt durch widersprechende Entscheidungen im B-Mitgliedstaat nach Art 13 HKindEntfÜbk und im A-Mitgliedstaat aufgrund von Abs 7 auf der Ebene der Vollstreckung zugunsten eines Vorrangs der Entscheidung aus dem A-Mit64

65 66 67 68

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Kommission, Leitfaden 48: „Wenn die beiden Richter sich in einer gemeinsamen Sprache verständigen können ...“ Kommission, Leitfaden 49. Kommission, Leitfaden 49. Kommission, Leitfaden 49. Dazu Rn 56 ff.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 11 Brüssel IIa-VO 57-59

gliedstaat. Ungeachtet der nach Art 13 HKindEntfÜbk ergangenen, die Rückgabe ablehnenden Entscheidung ist die die Rückgabe anordnende Entscheidung aus dem A-Mitgliedstaat in allen Mitgliedstaaten zu vollstrecken. Dies gilt insbesondere auch im B-Mitgliedstaat. b) Abs 8 erwähnt im Zusammenhang der Vollstreckung das Verfahren nach dem 57 Kapitel III Abschnitt 4. Dieser Hinweis auf das Bescheinigungsverfahren (für Rückgabeentscheidungen nach Art 42 ff) ist nicht im Sinn einer Rechtsfolgenverweisung zu verstehen. Zum einen erfolgt die Vollstreckung nur dann nach Art 42 ff, wenn die Entscheidung tatbestandlich von diesen Bestimmungen erfasst ist, insbesondere also nur in ihrem die Rückgabe anordnenden,69 ggf den Umgang regelnden Teil und nicht hinsichtlich weitergehender Sorgerechtsregelungen, und die dort genannten Kautelen im Verfahren vor dem Gericht des A-Mitgliedstaates eingehalten wurden.70 Zum anderen bleibt es dem aus der Entscheidung Berechtigten unbenommen, wie sonst auch, die Vollstreckung nach dem Vollstreckungsklauselmodell der Art 28 ff zu betreiben. c) Immerhin zeigt sich an dieser Stelle eines der gravierenden Probleme der VO im 58 Zusammenspiel ihrer beiden bedeutsamsten Novitäten. Die Überwindung der Entscheidung der Gerichte des B-Mitgliedstaates nach Abs 7, 8 und die gleichzeitig geschaffene Möglichkeit der Vollstreckung im Bescheinigungsverfahren nach Art 42 ff gibt den von Art 20 HKindEntfÜbk noch perfekt geschützten ordre public des B-Mitgliedstaates preis. Hier zeigt sich, dass eine analoge Anwendung von Abs 6 bis 8 auf alle Ablehnungsentscheidungen gemäß Art 20 HKindEntfÜbk nicht in Betracht kommen kann.71 Schon die Überantwortung des am Kindeswohl orientierten ordre public an die Gerichte des A-Mitgliedstaates ist bedenklich; dass andere Gründe des ordre public des B-Mitgliedstaates im Verfahren nach Abs 7 angemessene Beachtung finden würden, wäre reine Illusion. d) Eine Vollstreckung nach Art 28 ff wird durch Abs 8 zwar nicht ausgeschlossen; 59 in dem B-Mitgliedstaat, wo sich das Kind befindet und deshalb die Vollstreckung am ehesten von Interesse ist, wird eine Vollstreckbarerklärung auch nicht zwingend an Art 23 lit e scheitern, weil die dortige Entscheidung nach Art 12 ff HKindEntfÜbk eine frühere Entscheidung ist. Haben sich die Verhältnisse seit dieser Entscheidung nicht geändert, kann jedoch im Vollstreckbarerklärungsverfahren die Versagung der Anerkennung auf den ordre public des B-Mitgliedstaates gestützt werden.

69 70 71

Geimer/Schütze/Dilger Rn 19. Kommission, Leitfaden 48; Rauscher EuLF 2005, I-37, 44. Vgl oben Rn 32.

Thomas Rauscher

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Art 12 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Artikel 12

Vereinbarung über die Zuständigkeit (1) Die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem nach Artikel 3 über einen Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe zu entscheiden ist, sind für alle Entscheidungen zuständig, die die mit diesem Antrag verbundene elterliche Verantwortung betreffen, wenn a) zumindest einer der Ehegatten die elterliche Verantwortung für das Kind hat und b) die Zuständigkeit der betreffenden Gerichte von den Ehegatten oder von den Trägern der elterlichen Verantwortung zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ausdrücklich oder auf andere eindeutige Weise anerkannt wurde und im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht. (2) Die Zuständigkeit gemäß Absatz 1 endet, a) sobald die stattgebende oder abweisende Entscheidung über den Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe rechtskräftig geworden ist, b) oder in den Fällen, in denen zu dem unter Buchstabe a) genannten Zeitpunkt noch ein Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung anhängig ist, sobald die Entscheidung in diesem Verfahren rechtskräftig geworden ist, c) oder sobald die unter den Buchstaben a) und b) genannten Verfahren aus einem anderen Grund beendet worden sind. (3) Die Gerichte eines Mitgliedstaates sind ebenfalls zuständig in Bezug auf die elterliche Verantwortung in anderen als den in Absatz 1 genannten Verfahren, wenn a) eine wesentliche Bindung des Kindes zu diesem Mitgliedstaat besteht, insbesondere weil einer der Träger der elterlichen Verantwortung in diesem Mitgliedstaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder das Kind die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaates besitzt, und b) alle Parteien des Verfahrens zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts die Zuständigkeit ausdrücklich oder auf andere eindeutige Weise anerkannt haben und die Zuständigkeit in Einklang mit dem Wohl des Kindes steht. (4) Hat das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat, der nicht Vertragspartei des Haager Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern ist, so ist davon auszugehen, dass die auf diesen Artikel gestützte Zuständigkeit insbesondere dann in Einklang mit dem Wohl des Kindes steht, wenn sich ein Verfahren in dem betreffenden Drittstaat als unmöglich erweist. I. Konzept im Vergleich zu Art 3 Brüssel II-VO, Verhältnis zu MSA und KSÜ 1. „Vereinbarung“ der Zuständigkeit . . . . 2. Verhältnis zu MSA und KSÜ . . . . . . . . .

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II. Internationale Annexzuständigkeit

1 3

für Sorgerechtssachen (Abs 1) 1. Anwendungsbereich a) Örtliche Zuständigkeit, Verbund b) Erfasste Sorgerechtssachen . . . . . . . .

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung c) Anhängigkeit einer Ehesache. . . . . d) Konkurrierende Zuständigkeit . . . 2. Voraussetzungen der Zuständigkeit nach Abs 1 a) Annexzuständigkeit nur unter weiteren Voraussetzungen . . . . . . . . . b) Ein Ehegatte hat die elterliche Verantwortung (Abs 1 lit a) . . . . . . c) Anerkennung der Zuständigkeit (Abs 1 lit b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kindeswohl, insbesondere Abs 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Art 12 Brüssel IIa-VO 1, 2 7 10

2. Perpetuatio fori für anhängige Sorgesache (lit b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Beendigungsgründe (lit c) . . 4. Zuständigkeit für neue Sorgesache . . .

12

IV. Sonstige Bindungszuständigkeit (Abs 3) 1. Konzeption, Anwendungsbereich a) Ausgangspunkt: Bindung des Kindes . . . . . . . . . . . . . . . b) In anderen als Eheverfahren . . . . . . c) Verhältnis zu Art 8 ff, MSA und KSÜ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen a) Wesentliche Bindung des Kindes (lit a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennung der Zuständigkeit (lit b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wohl des Kindes (lit b, Abs 4) . . .

15 18 25

III. Beendigung / Fortdauer der

Annexzuständigkeit (Abs 2) 1. Keine perpetuatio jurisdictionis für neue Sorgesache (lit a) . . . . . . . . . . . . . . .

28

31 34 36

38 39 41

44 45 46

I.

Konzept im Vergleich zu Art 3 Brüssel II-VO, Verhältnis zu MSA und KSÜ

1.

„Vereinbarung“ der Zuständigkeit

a) Die Bezeichnung der Zuständigkeit für die Regelung der elterlichen Verantwor- 1 tung im Zusammenhang mit einer Ehesache ist neu, obgleich die Konzeption von Art 12 Abs 1, 2 weitgehend aus Art 3 Abs 2, 3 Brüssel II-VO übernommen wurde.1 Die Bezeichnung ist unpassend gewählt; es handelt sich nicht um ein System der vorherigen Gerichtsstandsvereinbarung, das gerade einer Sorgerechtssache höchst unangemessen wäre. Allenfalls rechtfertigt das ua enthaltene voluntative Element der Anerkennung (Abs 1 lit b) eine Parallele zur rügelosen Einlassung. 2 b) Im Vergleich zu Art 3 Brüssel II-VO ergeben sich zwei wesentliche Änderun- 2 gen, deren eine auf dem neuen Anwendungsbereich der VO beruht. Art 3 Abs 1 Brüssel II-VO ist entfallen, weil sich die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, nun für alle Verfahren der elterlichen Verantwortung aus Art 8 Abs 1 ergibt, so dass es einer gesonderten Regelung für die Entscheidung zusammen mit einer Ehesache nicht bedarf. Art 12 Abs 3, die zweite Abweichung von Art 3 Brüssel II-VO, bedeutet hingegen eine Erweiterung auf sonstige Verfahren der elterlichen Sorge, wobei an die Stelle des

1 2

Pabst LA Rauscher (2005) 115, 121. Vgl Coester-Waltjen FS Heldrich (2005) 549, 559.

Thomas Rauscher

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Art 12 Brüssel IIa-VO 3, 4

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Zusammenhangs zur Ehesache die Bindung des Kindes an einen Mitgliedstaat tritt (Abs 3 lit a). 2.

Verhältnis zu MSA und KSÜ

3 a) Da weder Abs 1 noch Abs 3 einen gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes in einem Mitgliedstaat voraussetzen,3 ja gemäß Abs 4 bei Aufenthalt in Drittstaaten sogar das Kindeswohl besonders für die Inanspruchnahme dieser Zuständigkeiten sprechen kann, gelten Abs 1 und Abs 3 grundsätzlich auch bei gewöhnlichem Aufenthalt des Kindes in einem MSA-Vertragsstaat, der nicht Mitgliedstaat ist. 4 Im Verhältnis zum MSA ist jedoch auch die Reichweite des in Art 60 lit a bestimmten Vorrangs der VO gegenüber dem MSA zu beachten.5 Dieser Vorrang gilt nur im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten. Ist ein Mitgliedstaat Vertragsstaat des MSA und hat das Kind gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Vertragsstaat, der nicht Mitgliedstaat ist, so überschreitet die Frage der Zuständigkeit eindeutig das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten. Da das MSA, anders als Art 10 KSÜ, keine Annexzuständigkeit erlaubt, bedeutet ein Gebrauchmachen von Art 12 Abs 1 einen klaren Verstoß gegen die völkervertraglichen Bindungen aus dem MSA.6 Die Inanspruchnahme von Art 12 Abs 3 ist nur in dem Maß mit dem MSA zu vereinbaren, in dem ohnehin Art 4 ff von der Aufenthaltszuständigkeit abweichende Zuständigkeiten vorsehen. Letztlich ist Art 12 Abs 3 nichts anderes als eine verschämt formulierte Heimatstaatszuständigkeit, so dass Art 4 MSA hier ohnehin hilft. 4 b) Hat das Kind gewöhnlichen Aufenthalt in einem KSÜ-Vertragsstaat, der nicht Mitgliedstaat ist, so folgt der Vorrang des KSÜ eindeutig aus Art 61 lit a. Die Annexzuständigkeit im Scheidungsverfahren bestimmt sich dann auch vor den Gerichten von Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Ehesachenzuständigkeit nach der VO gemäß Art 10 KSÜ.7 Art 10 KSÜ schafft nun aber keine Annexzuständigkeit, sondern lässt eine solche nur in den dort beschriebenen Grenzen zu, wenn die lex fori sie vorsieht. Das lässt daran denken, Art 12 Abs 1 als eine solche Bestimmung der lex fori zu verstehen, um in dem von Art 10 KSÜ gestatteten Rahmen zu einer Annexzuständigkeit auch in jenen Mitgliedstaaten zu gelangen, die sie lege fori nicht vorsehen.8 Dem dürfte allerdings der klare Wortlaut des Art 61 lit a entgegenstehen, der den Vorrang des KSÜ gerade nicht auf Fälle beschränkt, in denen das KSÜ abweichende Regeln trifft. Für selbstständige Sorgerechtssachen gilt der Vorrang des KSÜ (gegenüber Art 12 Abs 3) ohnehin.

3

HR NIPR 2007, 140, 141; obiter auch Rb Haarlem NIPR 2008, 53, 54.

4

Solomon FamRZ 2004, 1409, 1415 in Abgrenzung zur Rechtslage nach Art 3 Abs 2 Brüssel II-VO. Rb Maastricht NIPR 2006, 35, 36. Ebenso wohl Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 60. Schulz FPR 2004, 299, 300; Teixeira des Sousa FamRZ 2005, 1612, 1615, der zutreffend auf die von Art 52 Abs 2, 3 KSÜ ausgehende Bindung hinweist. So Solomon FamRZ 2004, 1409, 1415.

5 6 7

8

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 12 Brüssel IIa-VO 5-7

II.

Internationale Annexzuständigkeit für Sorgerechtssachen (Abs 1)

1.

Anwendungsbereich

a) Örtliche Zuständigkeit, Verbund Art 12 regelt nur die internationale Zuständigkeit. Abs 1 schafft eine Annexzuständig- 5 keit9, aber keine Verbundzuständigkeit für die elterliche Verantwortung, bestimmt also nicht die Zuständigkeit des Gerichts der Ehesache,10 sondern überlässt die Bestimmung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit der lex fori.11 Soweit diese einen Verbund vorsieht, ist Abs 1, wie bisher schon völkervertragliche Zuständigkeitsregeln, eine Bestimmung, welche die internationale Folgesachenzuständigkeit auch im Verbund regelt, also der „internationalen Verbundzuständigkeit“ nach § 98 Abs 2 FamFG vorgeht. b) Erfasste Sorgerechtssachen Abs 2 bestimmt die internationale Zuständigkeit nicht für den gesamten, nun umfas- 6 send in Art 1 Abs 1 lit b beschriebenen sachlichen Anwendungsbereich der elterlichen Verantwortung. Erfasst sind nur Verfahren, welche die Regelung der elterlichen Verantwortung in Verbindung mit dem Antrag in der Ehesache betreffen. Dies geht über den bisherigen Anwendungsbereich des Art 3 Abs 2 Brüssel II-VO insofern hinaus, als nicht zwingend ein gemeinsames Kind12 der Ehegatten betroffen sein muss, auch wenn diese Beschränkung unter der Brüssel II-VO nicht aus Art 3 Abs 2 ersichtlich war,13 sondern aus dem noch enger beschränkten sachlichen Anwendungsbereich des Art 1 Abs 1 lit b Brüssel II-VO. Erfasst sind daher alle Verfahren, die in zeitlichem Zusammenhang, nicht notwendig gleichzeitig, zur Ehesache eingeleitet werden und die das sorgerechtliche Verhältnis der Ehegatten zu dem Kind betreffen. Nicht notwendig ist, dass es sich lege fori um Verbundsachen handelt oder dass lege causae die Ehescheidung (und nicht schon die Trennung14) das die Sorgerechtsregelung indizierende Kriterium ist.15 So gehören auch Umgangsregelungen mit einem Stiefkind (Kind nur eines der Ehegatten) in den Anwendungsbereich, nicht jedoch die Regelung des Umgangs der Großeltern mit dem Kind der Ehegatten.16 c) Anhängigkeit einer Ehesache Erforderlich ist, dass eine Ehesache (iSd Art 1 Abs 1 lit a) bereits anhängig ist; nicht 7 genügend ist die potentielle Ehesachen-Zuständigkeit der Gerichte des jeweiligen Mitgliedstaates.17 Trotz des nicht ganz eindeutigen Wortlauts („zu entscheiden ist“) 9 10 11 12 13

14 15 16 17

Hau FamRZ 2000, 1338; Zöller /Geimer Art 3 Rn 1; MünchKommZPO /Gottwald Rn 1. Borrás-Bericht Nr 37. Geimer/Schütze/Dilger Rn 7. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 54; Pabst LA Rauscher (2005) 115, 121. Daher wohl nehmen unveränderte Übernahme an: MünchKommZPO /Gottwald Rn 1; AnwKomm BGB /Gruber Rn 3; Geimer/Schütze/Dilger Rn 25. Auch Verfahren nach § 1671 BGB fallen unter Art 12 Abs 1. AnwKommBGB /Gruber Rn 3. Geimer/Schütze/Dilger Rn 18; aA Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 56. Hausmann EuLF 2000/01, 278; Hau FamRZ 2000, 1338.

Thomas Rauscher

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Art 12 Brüssel IIa-VO 8-11

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

folgt dies eindeutig aus dem Zweck einer Annexzuständigkeit sowie der Regelung in Abs 2, wonach mit Abschluss des Verfahrens in der Ehesache die Zuständigkeit endet. 8 Hingegen bedeutet die Bezugnahme auf die Zuständigkeit nach Art 3 keine Einschränkung des Anwendungsbereichs innerhalb der Ehesachen-Zuständigkeiten nach der VO. Die Annahme, eine Zuständigkeit aus Art 4 begründe nicht die Annexzuständigkeit,18 beruht auf einem Missverständnis: Da im Rahmen von Art 4 der Hauptantrag im Hinblick auf die Verweisung auf Art 3 eine Ehesache betreffen muss,19 löst schon dieser Hauptantrag die Annexzuständigkeit nach Abs 1 aus. Die Nichterwähnung von Art 5 in Art 12 sollte nach dem Zweck der Regelung ebenfalls nicht dazu führen, eine Annexzuständigkeit im Fall der Umwandlung einer Trennung in eine Ehescheidung abzulehnen.20 Die Interessenlage ist vollständig identisch und die Zuständigkeit des Art 5 erweist sich als eine perpetuatio jurisdictionis des ehemals nach Art 3 zuständigen Gerichts. 9 Erforderlich ist jedoch, dass die Ehesachenzuständigkeit überhaupt aufgrund der VO besteht. Beruht sie hingegen im Anwendungsbereich des Art 7 auf der lex fori, so ergibt sich aus Art 12 keine Annexzuständigkeit. 21 d) Konkurrierende Zuständigkeit 10 Art 12 Abs 1 und 3 begründen Wahlgerichtsstände. Insbesondere begründet auch Abs 1 keine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte in dem Mitgliedstaat der anhängigen Ehesache. Auch während der Anhängigkeit einer Ehesache bleiben insbesondere die Gerichte im Aufenthalts-Mitgliedstaat des Kindes zuständig; ein dort früher angerufenes Gericht geht den nach Art 12 Abs 1 zuständigen Gerichten gemäß Art 19 vor. 22 Andererseits kann aber auch das Gericht der Ehesache im Staat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes seine internationale Zuständigkeit für die Sorgerechtsregelung auf Art 8 stützen; der weitergehenden Voraussetzungen des Art 12 bedarf es dann nicht.23 11 Besteht keine Zuständigkeit nach Art 12, so bestimmt sich erst recht die internationale Zuständigkeit nach den übrigen Bestimmungen der VO, soweit diese nicht durch das KSÜ verdrängt ist (Art 61 lit a).

18 19 20 21

22 23

172

So Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 57. Anders unter der Brüssel II-VO! So Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 57. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 11; Gruber IPRax 2005, 293, 298; Geimer/Schütze/Dilger Rn 13; aA Coester-Waltjen FS Lorenz (2004) 305, 306. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 58. Unzutreffend AG Steinfurt 8.1.2008 (10 F 9/07) juris.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

2.

Art 12 Brüssel IIa-VO 12-15

Voraussetzungen der Zuständigkeit nach Abs 1

a) Annexzuständigkeit nur unter weiteren Voraussetzungen (1) Die Annexzuständigkeit nach Abs 2 tritt, anders als zB nach § 152 Abs 1 Fam- 12 FG, nicht per se durch die Anhängigkeit der Ehesache ein,24 sondern hängt von drei weiteren, kumulativ festzustellenden Voraussetzungen ab. Diese Kriterien lehnen sich an Art 10 KSÜ an,25 was allerdings erst dadurch erreichbar war, dass EU-Mitgliedstaaten schon im Vorfeld des Übereinkommens Brüssel II anlässlich der Haager Konferenz 1996 erheblichen Druck ausgeübt hatten, eine solche Regelung im KSÜ zu implementieren. 26 Der in Art 10 Abs 1 lit a KSÜ geforderte gewöhnliche Aufenthalt eines Elternteils im 13 Gerichtsstaat ist jedoch in der VO durch die in Art 3 zur Grundlage der Ehesachenzuständigkeit gemachte Bindung ersetzt. Beide Regelungen streben einen Kompromiss an zwischen dem grundsätzlichen Vorrang der Aufenthaltszuständigkeit in der Sorgesache und der Tendenz zu einer Entscheidungskonzentration mit der Ehesache. (2) Diese Voraussetzungen sind grundsätzlich für jede Sorgerechtssache getrennt 14 festzustellen. Hierbei ist jedoch der Art 19 Abs 2 zugrundeliegende Antragsbegriff zu beachten, weil sonst eine im Annex anhängige Sorgerechtssache eine anderweitige Zuständigkeit nach Art 19 Abs 2 sperren würde, obgleich sie im Gerichtsstand des Abs 1 nicht anhängig gemacht werden kann. Daher können die Voraussetzungen zwischen den Ehegatten für jedes einzelne Kind grundsätzlich nur einheitlich festgestellt werden. Insbesondere kann keine Trennung zwischen einem Sorgerechtsantrag und einem Umgangsantrag, die dasselbe Kind betreffen, erfolgen. 27 Da Dritte betreffende Anträge ohnehin nicht von Abs 1 erfasst werden, bedeutet dies faktisch, dass nur für verschiedene Kinder getrennt die Annexzuständigkeit zu prüfen ist. b) Ein Ehegatte hat die elterliche Verantwortung (Abs 1 lit a) (1) Erste Voraussetzung ist, dass die elterliche Verantwortung einem Ehegatten al- 15 lein oder beiden Ehegatten gemeinsam zusteht. Die Zuständigkeit für die Ehesache berührt die Sorgesache nicht ausreichend, wenn die elterliche Verantwortung Dritten zusteht. Wegen dieser ratio ist „elterliche Verantwortung ... hat“ enger zu verstehen als „elterliche Verantwortung ... betreffen“ bei der Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs in Art 1 Abs 1 lit b. Während in den sachlichen Anwendungsbereich auch Verfahren fallen, welche den Umgang der Eltern mit dem Kind betreffen,28 kann es zur Zuständigkeitsbegründung nicht genügen, wenn wenigstens einem 24 25 26 27

28

Rb Maastricht NIPR 2008, 57, 58. Borrás-Bericht Nr 38. Jänterä-Jareborg YB PIL 1999, 11. Unzutreffend AG Lahr IPRax 2004, 1042, 1043 mit dem haarsträubenden Ergebnis, dass über konkurrierende Sorgerechtsanträge im Annex entschieden wird, einem das Sorgerecht anstrebenden Elternteil jedoch gestattet wird, sodann durch Verweigerung der Zustimmung den Umgangsantrag des anderen Ehegatten aus dem Verfahren auszusperren. Dazu Art 1 Rn 27 ff.

Thomas Rauscher

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Art 12 Brüssel IIa-VO 16-20

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Ehegatten ein Umgang mit dem Kind zusteht. Hier bedeutet elterliche Verantwortung vielmehr elterliche Sorge im engen Sinn umfassender Sorgeberechtigung, so dass insbesondere auch der Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts schadet. 29 16 (2) Wem die elterliche Verantwortung zusteht, ist eine materiellrechtliche Vorfrage, die nach dem vom maßgeblichen IPR berufenen nationalen Familienrecht zu klären ist. Im Anwendungsbereich des KSÜ bestimmt sich dies nach Art 16 Abs 1 KSÜ, nur im Anwendungsbereich des MSA und im völkervertraglich ungeregelten Bereich nach dem IPR der lex fori. 30 17 Liegt eine frühere Sorgerechtsregelung durch ein ausländisches Gericht vor, so entscheidet über deren Anerkennung im jeweiligen räumlichen und zeitlichen (Art 64) Anwendungsbereich die VO, Art 7 MSA, Art 23 KSÜ oder die lex fori, in Deutschland also §§ 108, 109 FamFG. 31 c) Anerkennung der Zuständigkeit (Abs 1 lit b) 18 (1) Zweite Voraussetzung ist die Anerkennung der Zuständigkeit der Gerichte des Staates der Ehesache durch beide Ehegatten. Ein Ehegatte ist also hinsichtlich der Ehesache im Rahmen des Art 3 der Zuständigkeit unterworfen, kann aber ggf die Zuständigkeit in der Sorgesache blockieren. 32 Da in diesem Fall nach Art 14 auch nicht mehr auf Restzuständigkeiten zurückgegriffen werden kann, stört dies insbesondere das deutsche Verbundverfahren erheblich, was aber ein Nachteil ist, den die VO mit Art 10 KSÜ teilt. Eine Ersetzung der Anerkennung, insbesondere wenn das Gericht die Zuständigkeit für kindeswohldienlich hält, ist nicht vorgesehen. 33 19 Erforderlich ist auch die Anerkennung durch Dritte, die Träger elterlicher Verantwortung sind. Insoweit gilt die Definition in Art 2 Nr 8, so dass zwar Pfleger oder Behörden, denen (neben wenigstens einem Elternteil)34 Teile der elterlichen Verantwortung (zB das Aufenthaltsbestimmungsrecht) übertragen sind, die Zuständigkeit anerkennen müssen, nicht aber umgangsberechtigte Personen, die nicht Eltern sind. 20 Umstritten ist, ob es für die beidseitige Anerkennung einer ausdrücklichen oder konkludenten Erklärung35 bedarf, oder ob es genügt, wenn sich beide Ehegatten auf das Verfahren in der Sorgerechtssache einlassen. 36

29 30 31 32

33 34 35 36

174

AnwKommBGB /Gruber Rn 6. Vgl zur kollisionsrechtlichen Geltung von MSA und KSÜ oben Rn 3 f. Vor dem 1.9.2009 § 16a FGG aF: Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 4. Bauer IPRax 2002, 181; allerdings nicht selektiv für Teile der ein Kind betreffenden Regelung, so aber AG Lahr IPRax 2004, 1042. Bauer IPRax 2002, 181. Geimer/Schütze/Dilger Rn 18. AnwKommBGB /Gruber Rn 7; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 5. AG Leverkusen FamRZ 2003, 1569, 1571; Vogel MDR 2000, 1048; ähnlich OLG Nürnberg FamRZ 2004, 278, 280.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 12 Brüssel IIa-VO 21-23

Während unter Art 3 Abs 2 Brüssel II-VO mangels jedes Hinweises im Text eine rü- 21 gelose Einlassung noch hinreichend erscheinen konnte,37 muss nunmehr aus der eindeutig verschärfenden Wortwahl „ausdrücklich oder auf eine andere Weise eindeutig“ geschlossen werden, dass bloße Einlassung nicht mehr genügt,38 auch wenn die im Kommissionsvorschlag (dort Art 12 Abs 4)39 enthaltene eindeutige Klarstellung nicht übernommen wurde. Erforderlich ist also entweder eine ausdrückliche Zustimmung oder ein Verhalten im Prozess,40 aus dem positiv auf das Einverständnis41 mit der Entscheidung des Gerichts auch und gerade in der Sorgerechtssache zu schließen ist. Aktives Verhandeln zum Sorge- oder Umgangsrecht kann insoweit durchaus weiterhin genügen, nicht aber eine prozessual gleichwohl als Einlassung in der Sache zu wertende schlichte Ablehnung eines Antrags der Gegenseite. Nicht genügend ist auch das bloße Nichtbestreiten der Zuständigkeit. 42 Prozesshandlung43 ist die Anerkennung hingegen weiterhin nicht. Die Anerkennung 22 kann insbesondere auch auf einer vorprozessualen Vereinbarung zwischen den Ehegatten beruhen, die vom Antragsteller in das Verfahren eingeführt wird. Auf dieser Konzeption dürfte Abs 1 lit b sogar beruhen, da die Bestimmung nach ihrem Wortlaut von einer im Zeitpunkt44 der Anrufung bereits vorliegenden Anerkennung ausgeht. (2) An der Anerkennung fehlt es insbesondere, wenn ein Ehegatte ausdrücklich der 23 Zuständigkeit des Gerichts der Ehesache in Ansehung der Sorgerechtsregelung entgegentritt45 oder ein selbstständiges Sorgeverfahren in einem anderen zuständigen Staat anhängig macht. 46 Vor Anhängigkeit der Ehesache anhängige Sorgeverfahren in einem Mitgliedstaat stehen ohnehin nach Art 19 Abs 2 einer Entscheidung im Annexgerichtsstand entgegen. Aber auch ein Sorgerechtsantrag, der nach Anhängigkeit der Ehesache in einem anderen Mitgliedstaat von einem der Ehegatten gestellt wird,

37 38

39 40

41 42

43 44 45 46

Hiergegen zutreffend BGHZ 163, 248, 263. AnwKommBGB /Gruber Rn 7; Geimer/Schütze/Dilger Rn 21; MünchKommZPO /Gottwald Rn 4; Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 75; Coester-Waltjen FS Heldrich (2005) 549, 560; dies FamRZ 2005, 241, 242; Rauscher EuLF 2005 I-37, 40; schon zu Art 3 Brüssel II-VO: BGHZ 163, 248, 263; erst recht nicht die Einlassung auf die Ehesache: CA Lyon EuLF 2008, II-26=2008, I-62. Europäische Kommission, 17.5.2002, COM (2002) 222/2. BGHZ 163, 248, 263 stellt zutreffend bereits zu Art 3 Brüssel-VO auf das gesamte Verhalten im Prozess ab; eher formelhaft hingegen Rb Alkmaar NIPR 2008, 299; Rb ’s-Gravenhage NIPR 2007, 33; Rb ’s-Gravenhage NIPR 2007, 31, 32. Pabst LA Rauscher (2005) 115, 126. AA AG Steinfurt 8.1.2008 (10 F 9/07) juris, das diese zu weit gehende Sicht vertritt, um die unzutreffende Prämisse zu kompensieren, Art 12 gehe Art 8 vor und regele die Sorgerechtszuständigkeit im Verbund abschließend. Rausch FuR 2005, 53, 58. Dazu noch Rn 24. Rb ’s-Gravenhage NIPR 2007, 159, 161; CA Lyon EuLF 2008, II-26=2008, I-62. So schon zu Art 3 Brüssel II-VO: BGHZ 163, 248, 263.

Thomas Rauscher

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Art 12 Brüssel IIa-VO 24, 25

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

schließt dessen Anerkennung der Zuständigkeit iSv Abs 1 lit b aus, sofern sich dieser Ehegatte bis dahin im Eheverfahren nicht im Sinn einer Anerkennung verhalten hat. 24 (3) Fraglich ist, zu welchem Zeitpunkt die Anerkennung vorliegen muss. Nach dem Wortlaut des Abs 1 lit b wäre auf den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts abzustellen. Sowohl die Natur der Anerkennung als Tatbestandsmerkmal einer Zuständigkeitsregel als auch der Zweck der Norm sprechen jedoch dafür, auch eine spätere Anerkennung im Verfahren genügen zu lassen. Es wäre nicht sinnvoll, müsste der Antrag durch Zwischenentscheidung abgewiesen werden, um, da die Anerkennung vorliegt, sogleich erneut gestellt zu werden. 47 Nicht genügend ist hingegen eine Anerkennung, die im Vorfeld des Eheverfahrens, insbesondere im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung, erzielt wurde, sofern sie im Zeitpunkt der Anrufung (Art 16)48 des Gerichts in der Sorgesache widerrufen ist. 49 Hingegen berührt nach diesem Zeitpunkt ein Widerruf der Anerkennung die Annexzuständigkeit nicht mehr. d) Kindeswohl, insbesondere Abs 4 25 (1) Dritte Voraussetzung ist, dass die Zuständigkeit im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht.50 Das erscheint problematisch, weil das Kindeswohl als zentraler Rechtsbegriff der materiellen Sorgeentscheidung hierdurch bereits in die Zuständigkeitsprüfung gezogen wird.51 Da Art 12 keine Kriterien nennt, an denen das Kindeswohl in dieser verfahrensrechtlichen Konstellation zu messen ist, bedarf es einer autonom vorzunehmenden Ausfüllung.52 Das Kriterium korrespondiert hier auf verfahrensrechtlicher Ebene mit dem Erfordernis der Anerkennung der Zuständigkeit durch die Ehegatten: Während Erwachsene über die Interessentauglichkeit disponieren können, entscheidet für das Kind nicht primär dessen Wille, sondern dessen Wohl. Damit sollten auch weitgehend die Kriterien der Prüfung klar sein: Es geht nicht um die materielle Kindeswohlgerechtheit der Regelung, sondern um die Sicherstellung eines dem Kindeswohl entsprechenden Verfahrens, um die Vermeidung eines kindeswohlwidrigen forum non conveniens. Die Orientierung an Zuständigkeitsgesichtspunkten53 der hier geforderten Kindeswohlprüfung wird nunmehr durch Abs 4 in der Richtung bestätigt, dass es unbeschadet aller weiteren Kriterien regelmäßig im Interesse des Kindeswohls liegt, dass überhaupt ein geordnetes Verfahren stattfindet. 47

48 49 50

51 52 53

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Solomon FamRZ 2004, 1409, 1413; AnwKommBGB /Gruber Rn 14; MünchKommZPO /Gottwald Rn 10; Geimer/Schütze/Dilger Rn 22; Zöller /Geimer Rn 12; Pabst LA Rauscher (2005) 115, 127 f; Rauscher EuLF 2005, I-37, 40; aA Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 12; Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB zu C 75. AnwKommBGB /Gruber Rn 14. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1413; Pabst LA Rauscher (2005) 115, 128. Es erscheint freilich durchaus denkbar, dass Gerichte die Fälle des Art 12 als Einladung verstehen, sich für zuständig zu erklären, wenn das Kind etwa die Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaats besitzt, aber weit entfernt lebt, vgl de Boer FJR 2005, 222, 226. Vogel MDR 2000, 1048. Dutta FS Kropholler (2008) 281, 285. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 22; AnwKommBGB /Gruber Rn 8; Looschelders JR 2006, 45, 47; eingehend Dutta FS Kropholler (2008) 281, 288 ff.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 12 Brüssel IIa-VO 26, 27

Das Kindeswohl ist berührt, wenn das Kind zu einer erforderlichen persönlichen Anhö- 26 rung unnötig weit anreisen muss,54 erst recht, wenn die Anhörung eines kleinen Kindes mittels eines Dolmetschers stattfinden müsste, die das Kind belastet und (deshalb) keinen Aufschluss verspricht;55 oder wenn die Beteiligung Dritter im Interesse des Kindes, insbesondere von Jugendbehörden, wegen räumlicher Entfernung dem Gericht keinen ausreichenden Aufschluss zu geben vermag.56 Da es sich in der Situation des Abs 1 um Konstellationen handelt, in denen, von der Wertung des Art 2 MSA bzw 5 Abs 1 KSÜ ausgehend, eigentlich die Gerichte des Aufenthaltsstaates zuständig sein sollten,57 sind, wie im Fall des Art 4 MSA,58 andererseits auch die Chancen abzuwägen, dass es dort zu einer dem Kindeswohl entsprechenden Entscheidung kommt. Auch hier geht es nicht primär um das Ergebnis, sondern um die Nähe zum Sachverhalt,59 da von den Gerichten aller Mitgliedstaaten keine per se kindeswohlwidrigen Entscheidungen zu erwarten sind, auch wenn eine stille Bevorzugung des diesem Staat angehörenden Elternteils bestehen mag. Hingegen wird das Gericht seine eigene Entscheidungseignung naturgemäß kaum in Zweifel ziehen.60 (2) Zu berücksichtigen ist aber – was Abs 4 nun ausdrücklich klarstellt – die vorhan- 27 dene oder fehlende Bereitschaft der Aufenthaltsbehörden zum Tätigwerden. Liegt der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in einem Drittstaat, der nicht Vertragsstaat des KSÜ ist (wobei auch Vertragsstaaten des MSA einbezogen werden sollten), so besteht danach sogar eine Regelvermutung dafür, dass die Zuständigkeit im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht, wenn sich ein Verfahren in dem Drittstaat als unmöglich erweist.61 Auch jenseits der erwiesenen Unmöglichkeit des Verfahrens wird es Fälle geben, in denen alle anderen Erschwernisse gering wiegen gegenüber der Wahrscheinlichkeit, dass der Aufenthaltsstaat sich um die Sorgerechtssache nicht angemessen kümmert.62 Schon das Einverständnis beider Ehegatten mit der Zuständigkeit wird bei solchen, sich meist sehr entfernt aufhaltenden Kindern häufig ein Indiz dafür sein, dass man den Gerichten des Aufenthaltsstaates keine Lösung zutraut.63 Für das Kindesinteresse an der Annexzuständigkeit kann auch eine besondere Sachkunde der Gerichte im Staat der anhängigen Ehesache sprechen, zumal letztlich oft dasselbe Gericht mit Ehe- und Sorgesache befasst sein wird.

54 55 56 57

58 59 60 61 62

63

Looschelders JR 2006, 45, 47. Ebenso AnwKommBGB /Gruber Rn 8; Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 243. Ähnlich Vogel MDR 2000, 1048. Von der eigentlich vorrangigen Aufenthaltszuständigkeit geht auch aus: Dutta FS Kropholler (2008) 281, 292 ff. Dazu BGH FamRZ 1997, 1070. Looschelders JR 2006, 45, 47; Dutta FS Kropholler (2008) 281, 291 ff. Coester-Waltjen FS Heldrich (2005) 549, 560; vgl lapidar AG Leverkusen FamRZ 2003, 1569, 1570. Zu Zweifeln im Hinblick auf unterschiedliche Textfassungen Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 243. Zurückhaltender insoweit Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 243, Kinder aus Drittstaaten könnten mangels umfassender Interessenabwägung diskriminiert werden. Rauscher EuLF 2005, I-37, 41.

Thomas Rauscher

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Art 12 Brüssel IIa-VO 28-31

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

III. Beendigung / Fortdauer der Annexzuständigkeit (Abs 2)

1.

Keine perpetuatio jurisdictionis für neue Sorgesache (lit a)

28 a) Abs 2 verwirklicht das Prinzip der Annexzuständigkeit zur Ehesache; die internationale Zuständigkeit für die Sorgerechtssache endet grundsätzlich, sobald die Entscheidung in der Ehesache rechtskräftig geworden ist. Die Bestimmung ist Art 10 Abs 2 KSÜ nachgebildet.64 Eine perpetuatio jurisdictionis, also der Erhalt der internationalen Zuständigkeit im Staat der abgeschlossenen Ehesache im Hinblick auf eine noch ausstehende Regelung der elterlichen Verantwortung, wurde nicht vorgesehen.65 29 Aus Abs 2 lit b folgt jedoch, dass die Grundregel in lit a nur für Sorgerechtsverfahren gilt, die erst nach Beendigung der Ehesachen anhängig gemacht werden. Es ist also zwischen neuen Verfahren, für die Art 12 Abs 1 keine Zuständigkeit mehr begründet, und alten Verfahren, die nach Abs 2 lit b zu beurteilen sind, zu unterscheiden. 30 b) Die Beendigung der Zuständigkeit nach Abs 1 tritt mit Rechtskraft der Ehesachenentscheidung ein. Wie entschieden wurde, ist ohne Bedeutung; alle stattgebenden und abweisenden Urteile, Sach- und Prozessurteile, die das Verfahren rechtskräftig abschließen, wirken in derselben Weise. Der Begriff der Rechtskraft als solcher lässt sich autonom bestimmen; die Entscheidung ist rechtskräftig, wenn gegen sie kein ordentlicher Rechtsbehelf mehr möglich ist. Wann das der Fall ist und welche Rechtsbehelfe gegen die Entscheidung stattfinden, bestimmt dagegen die lex fori. 2.

Perpetuatio fori für anhängige Sorgesache (lit b)

31 a) Für eine im Zeitpunkt der Rechtskraft der Ehesachenentscheidung bereits anhängige Sorgerechtssache bestätigt lit b in einem bestimmten Fall das Prinzip der perpetuatio fori, ohne es im Übrigen zu verdrängen.66 Die Zuständigkeit endet in einem solchen Fall erst mit rechtskräftigem Abschluss der Sorgerechtssache selbst.67 Voraussetzung ist, dass in dem in lit a genannten Zeitpunkt ein Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung anhängig war. Da auch an dieser Stelle die Anhängigkeit die Funktion hat, den für die perpetuatio fori maßgeblichen Zeitpunkt zu markieren, ist sie

64 65 66

67

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Borrás-Bericht Nr 39. Borrás-Bericht Nr 39; Jänterä-Jareborg YB PIL 1999, 13; Bauer IPRax 2003, 135, 139. Die perpetuatio fori liegt als allgemeines Prinzip schon Brüssel I zugrunde (Schack RabelsZ 65 (2001) 624) und wird durch Art 12 Abs 2 lit b im Prinzip bestätigt, AG Leverkusen FamRZ 2003, 1569, 1570; AnwKommBGB /Gruber Rn 10; zu Art 12 Brüssel IIa-VO auch Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 70, anders Rn 68 f zu Art 3 Abs 1 Brüssel II-VO, der allerdings übersieht, dass sich Art 8 gerade entgegen dem KSÜ für perpetuatio fori bei Aufenthaltsverlegung des Kindes entscheidet; aA Bauer IPRax 2003, 135, 139; hingegen hat Art 12 Abs 2 lit a mit der perpetuatio fori nichts zu tun (anders Hau FamRZ 2000, 1340 Fn 79), denn dort geht es um die Ablehnung einer perpetuatio jurisdictionis, die von einem konkret bereits in Anspruch genommenen forum gerade unabhängig wäre. AG Leverkusen FamRZ 2003, 1569, 1570.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 12 Brüssel IIa-VO 32-37

aus denselben Gründen wie die Bestimmung der sonstigen zuständigkeitsbegründenden Tatsachen autonom entsprechend Art 16 auszufüllen.68 Ob die Sorgerechtssache im Verbund anhängig war, also als selbstständige Folgesache 32 anhängig bleibt, oder ob sie schon immer als selbstständiges Verfahren anhängig war, hängt ohnehin nur von der Gestaltung der jeweiligen lex fori ab und spielt für die Fortdauer der Zuständigkeit keine Rolle. b) Nach dem Wortlaut von Abs 2 lit b endet die Zuständigkeit insgesamt erst mit 33 rechtskräftigem Abschluss des anhängigen Verfahrens. Daraus könnte zu folgern sein, dass diese fortdauernde Zuständigkeit nicht nur das jeweilige Verfahren erfasst, sondern auch andere Verfahren über die elterliche Verantwortung ermöglicht. Aus dem Zweck der Regelung ist jedoch zu folgern, dass es sich um einen echten Fall der perpetuatio fori handelt, die Zuständigkeit also nur für das jeweilige Verfahren fortdauert. Ob innerhalb dieses Verfahrens eine Antragsänderung oder -erweiterung möglich ist (zB ein Übergang von einer Umgangs- zu einer Sorgeregelung), entscheidet die jeweilige lex fori. 3.

Sonstige Beendigungsgründe (lit c)

Lit c ist eine Auffangbestimmung für andere Formen der Verfahrensbeendigung, die 34 jedoch die prinzipielle Unterscheidung zwischen der Beendigung der Zuständigkeit (lit a) und der perpetuatio fori (lit b) beibehält. Ersetzt wird also nur das Tatbestandsmerkmal der Beendigung durch rechtskräftige Entscheidung; die Rechtsfolgen nach Abs 2 lit a und b treten auch ein, wenn das Verfahren zB durch Antragsrücknahme oder Tod69 endet oder wenn nach der betreffenden Verfahrensordnung eine Löschung des Verfahrens wegen längerfristigen Nichtbetreibens erfolgt. Die Rechtsfolgen bleiben dieselben wie im Fall der rechtskräftigen Entscheidung; be- 35 trifft die Verfahrensbeendigung die Ehesache, so bleibt die Zuständigkeit nur für eine bereits anhängige Sorgesache bestehen, betrifft sie anschließend die Sorgesache, so endet die perpetuierte Zuständigkeit. 4.

Zuständigkeit für neue Sorgesache

Die internationale Zuständigkeit für einen Antrag betreffend die elterliche Verant- 36 wortung, der nach den in Abs 2 genannten Zeitpunkten anhängig wird, unterfällt nicht mehr Abs 1. Das gilt auch dann, wenn das Gericht mit Anträgen zur Vollstreckung einer unter Abs 1 fallenden Sorgerechtsregelung befasst wird.70 Die Zuständigkeit beurteilt sich im räumlichen Anwendungsbereich der VO nach den 37 übrigen Bestimmungen der Art 8 ff. Hat das Kind gewöhnlichen Aufenthalt in einem 68 69 70

Ebenso Hau FamRZ 2000, 1340; AnwKommBGB /Gruber Rn 10. Borrás-Bericht Nr 39; AnwKommBGB /Gruber Rn 11. Re A (a Child) [2004] 1 All ER 912 (High Court, Family Division).

Thomas Rauscher

179

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Art 12 Brüssel IIa-VO 38- 40

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

KSÜ-Vertragsstaat, der nicht Mitgliedstaat ist, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach dem der VO dann vorrangigen (Art 61 lit a) KSÜ. IV.

Sonstige Bindungszuständigkeit (Abs 3)

1.

Konzeption, Anwendungsbereich

a) Ausgangspunkt: Bindung des Kindes 38 Abs 3 begründet ein neues, weder im KSÜ noch in der Brüssel II-VO vorgesehenes Konzept der „Zuständigkeitsvereinbarung“ außerhalb der in Abs 1 behandelten Eheverfahren. Auch für Abs 3 gilt, dass das konsensuale Element nur einen Teilaspekt ausmacht, zumal nicht, wie dort, ein anderes Verfahren, sondern das Kindeswohl in Gestalt der Bindung des Kindes an einen Mitgliedstaat sogar der die Zuständigkeit auslösende Anlass ist. Abs 3 dient der Ausdehnung der Zuständigkeiten in Sorgerechtssachen über nicht im Gerichtsstaat lebende Kinder, sofern eine enge Beziehung des Kindes zum Gerichtsstaat besteht.71 Bemerkenswert erscheint, dass durch Abs 3 die Idee der Heimatzuständigkeit (Art 4 MSA) in der VO stärkere Bedeutung erhält als unter dem KSÜ, wo die Heimatgerichte nur im konsultativen Verfahren nach Art 9 KSÜ einen Fall übernehmen können. b) In anderen als Eheverfahren 39 Die Bestimmung gilt „in anderen als den in Abs 1 genannten Verfahren“. Dabei ist nicht an Verfahren gedacht, welche nicht in den Anwendungsbereich der VO fallen;72 gemeint sind nach dem klaren Wortlaut Verfahren über die elterliche Verantwortung (Art 1 Abs 1 lit b, Überschrift Abschnitt 2), die nicht in einer anhängigen Ehesache (Abs 1) entschieden werden. Für die Inanspruchnahme einer Zuständigkeit im Eheverfahren hat dies jedoch keine beschränkende Wirkung: Das mit der Ehesache befasste Gericht wird keinen Anlass haben, sich auf Abs 3 zu stützen, da es als Anknüpfungspunkt auf die Anhängigkeit der Ehesache (Abs 1) zugreifen kann und die in Abs 3 lit a genannten Bindungen ohne weiteres in die Kindeswohlabwägung im Rahmen des Abs 1 einzustellen sind. 40 Fraglich ist hingegen, ob die Gerichte eines anderen Mitgliedstaates während der Anhängigkeit einer Ehesache die Zuständigkeit des Abs 3 in Anspruch nehmen können. Der Wortlaut steht dem wohl nicht entgegen, da eine Sorgerechtsentscheidung, die parallel zur Ehesache ergeht, nicht in dem Eheverfahren ergeht. Auch der Zweck der Regelung spricht nicht für eine Einschränkung des Abs 3. Es mag durchaus vorkommen, dass zB die Gerichte des Heimatstaates des Kindes besser über die Sorgerechtssache entscheiden können, als die Gerichte des Staates, in dem – aus Sicht des Kindes zufällig – die Ehesache anhängig ist.

71 72

180

Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 61. Geimer/Schütze/Dilger Rn 29; aA anscheinend Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 61: Adoption, Vaterschaftsfeststellung.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 12 Brüssel IIa-VO 41- 45

c) Verhältnis zu Art 8 ff, MSA und KSÜ Die Berufung auf die Zuständigkeit nach Abs 3 ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass 41 das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat, auch wenn in solchen Fällen selten die Anerkennung der Zuständigkeit seitens des mit dem Kind in einem anderen Mitgliedstaat lebenden Elternteils zu erlangen sein wird.73 Gewöhnlicher Aufenthalt in einem Vertragsstaat des MSA oder des KSÜ schließt die 42 Anwendung nach dem Wortlaut des Abs 3 nicht aus, wenngleich insoweit die völkerrechtliche Bindung der Mitgliedstaaten zu wahren ist74 und bei gewöhnlichem Aufenthalt in einem KSÜ-Vertragsstaat Art 61 lit a den Vorrang des KSÜ bestimmt.75 Im Rahmen der zu treffenden Kindeswohlabwägung ist jedoch auch für Abs 3 die 43 Möglichkeit der Entscheidung im Aufenthaltsstaat sowie die Vermeidung eines Konflikts mit Entscheidungen eines MSA- bzw KSÜ-Aufenthaltsstaates zu berücksichtigen.76 2.

Voraussetzungen

a) Wesentliche Bindung des Kindes (lit a) Abs 3 knüpft an eine wesentliche Bindung des Kindes zum Gerichtsstaat an, die – als 44 Regelbeispiel – vermittelt werden kann durch den gewöhnlichen Aufenthalt eines Trägers der elterlichen Verantwortung oder die Staatsangehörigkeit des Kindes.77 Dies mag Gerichte des Heimatstaates in Versuchung führen, eine Zuständigkeit anzunehmen, auch wenn sonstige Bindungen des Kindes zu diesem Staat kaum bestehen,78 was aber nicht grundsätzlich gegen die Qualität der Staatsangehörigkeit als Bindungsindiz spricht. Diese Kriterien sind nicht ausschließlich,79 andere Kriterien, wie etwa die Staatsangehörigkeit der Eltern, werden aber eher kumulative Beachtung finden. Wenn etwa alle Beteiligten dieselbe Staatsangehörigkeit haben und die Familie berufsbedingt in einem anderen Mitgliedstaat lebt, so wird durchaus der Heimatstaat nach Art 12 Abs 3 entscheiden können. b) Anerkennung der Zuständigkeit (lit b) Die Anerkennung der Zuständigkeit muss in diesem Fall nur von allen Beteiligten des 45 Verfahrens zum Ausdruck gebracht werden, was ein engerer Personenkreis sein kann als in Abs 1.80 Aus Gründen der Praktikabilität wird man insoweit nur auf formell Be-

73 74 75 76 77 78 79 80

Rauscher EuLF 2005, I-37, 41. Oben Rn 3. Dazu oben Rn 4. Rauscher EuLF 2005, I-37, 41. Trib Brindisi Giur It 2006 438, 441. Kritisch de Boer NILR 2002, 329. AnwKommBGB /Gruber Rn 13. ZB nur der eine Regelung begehrende Elternteil: Trib Brindisi Giur It 2006 438, 441; Rb Maastricht NIPR 2006, 35, 36.

Thomas Rauscher

181

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Art 12 Brüssel IIa-VO, 46 Art 13 Brüssel IIa-VO, 1

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

teiligte abstellen können. Im Übrigen gelten für die Anerkennung dieselben Grundsätze wie zu Abs 1.81 c) Wohl des Kindes (lit b, Abs 4) 46 Auch für Abs 3 muss die Inanspruchnahme der Zuständigkeit im Einklang mit dem Wohl des Kindes stehen. Insoweit gelten grundsätzlich dieselben Erwägungen wie zu Abs 1,82 jedoch wird noch seltener das Kindeswohl einer Entscheidung entgegenstehen, weil schon die Feststellung der wesentlichen Bindung des Kindes das Kindeswohl beeinflusst. Abs 483 gilt auch für Abs 3.

Artikel 13

Zuständigkeit aufgrund der Anwesenheit des Kindes (1) Kann der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nicht festgestellt werden und kann die Zuständigkeit nicht gemäß Artikel 12 bestimmt werden, so sind die Gerichte des Mitgliedstaates zuständig, in dem sich das Kind befindet. (2) Absatz 1 gilt auch für Kinder, die Flüchtlinge oder, aufgrund von Unruhen in ihrem Land, ihres Landes Vertriebene sind. I. Umfang der Subsidiarität als Auffangregelung 1. Abweichung von Art 7 KSÜ . . . . . . . . . 2. Intention des Entwurfs . . . . . . . . . . . . . . . 3. Praktikable Lösungswege . . . . . . . . . . . . .

II. Anwesenheitszuständigkeit (Abs 1)

1 2 3

1. Fehlender gewöhnlicher Aufenthalt 2. Verhältnis zum KSÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 11

III. Anwendung auf Flüchtlinge/

Vertriebene (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

Umfang der Subsidiarität als Auffangregelung

1.

Abweichung von Art 7 KSÜ

12

1 Art 13 entspricht dem Rechtsgedanken des Art 6 KSÜ, weicht aber nicht ganz unwesentlich von dem Vorbild ab, auch wenn man auf den ersten Blick meinen möchte, lediglich die Reihung der Absätze des Art 7 KSÜ sei vertauscht.1 Die in Art 13 Abs 1 normierte subsidiäre Zuständigkeit greift erst ein, wenn nicht nur die Allgemeine Zuständigkeit nach Art 8 scheitert, sondern auch keine Zuständigkeit nach Art 12 feststellbar ist. Was logische Konsequenz der Einbettung der Annexzuständigkeit als positive Regelung in der VO, im Gegensatz zur bloßen Öffnungsklausel des Art 10 KSÜ, zu sein scheint, erweist sich allerdings als Problem: Woher soll ein Gericht im Aufenthaltsstaat eines Kindes, dessen gewöhnlicher Aufenthalt nicht ermittelbar ist, die 81 82 83 1

182

Oben Rn 18 ff. Oben Rn 25 f. Oben Rn 27. AnwKommBGB /Gruber Rn 1; vgl auch noch Rauscher EuLF 2005, I-37, 41.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 13 Brüssel IIa-VO 2- 4

weissagerische Fähigkeit nehmen, der es bedarf, um zu beurteilen, ob in einem anhängigen Scheidungsverfahren alle Sorgerechtsinhaber der Annexzuständigkeit (Art 12 Abs 1) zustimmen werden und das dortige Gericht diese sodann für kindeswohldienlich hält.2 Wie gar sollte dieses Gericht die noch stärker auf die Beurteilung eines anderen Gerichts zugeschnittenen Voraussetzungen des Art 12 Abs 3 voraussehen? Dies alles in einer Situation (Nichtfeststellbarkeit eines gewöhnlichen Aufenthalts, Flucht, Vertreibung), die gemeinhin schnelles Handeln verlangt. 2.

Intention des Entwurfs

Die Materialien geben wenig Aufschluss darüber, ob dies bedacht wurde. Obgleich 2 Art 12 und 13 im Wesentlichen unverändert aus dem ersten Verordnungsvorschlag3 stammen, hilft auch die dortige Begründung nicht weiter; vielmehr findet sich Widersprüchliches: Einerseits heißt es dort „kann der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes nicht bestimmt werden, geht die Zuständigkeit nach Absatz 1 automatisch auf den Mitgliedstaat über, in dem sich das Kind befindet“, was exakt der Methodik von Art 7 KSÜ entspräche. Andererseits schließt sich die Feststellung an, dieser Artikel enthalte „eine gegenüber den vorstehenden Artikeln subsidiäre Zuständigkeitsregelung“, was im Schrifttum4 dahingehend verstanden wird, Art 13 trete nicht nur gegenüber Art 12, sondern gegenüber Art 8 bis 12 zurück. Tatsächlich dürfte den Entwurfsverfassern hier das Problembewusstsein gefehlt haben. 3.

Praktikable Lösungswege

a) Der Nachrang von Art 13 gegenüber Art 8 ist selbstverständlich. Art 13 Abs 1 3 schafft nur bei Fehlen eines Allgemeinen Gerichtsstands nach Art 8 einen Ersatzgerichtsstand. b) Auch ein Nachrang von Art 13 gegenüber Art 9 und 10, der im Normtext kei- 4 nen Anhalt findet, erscheint durchaus erwägenswert.5 Soweit Unklarheit über den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes anlässlich eines Aufenthaltswechsels eintritt, sind Art 9, vor allem aber Art 10 Spezialregelungen, die einer Hilfsanknüpfung, die auf der Nichtfeststellbarkeit beruht, insoweit vorgehen, wie sie eine Lösung bereithalten. Insbesondere kann sich nicht das Gericht des B-Mitgliedstaates im Fall des Art 10 auf Art 13 berufen, wenn unklar ist, ob der gewöhnliche Aufenthalt bereits im Mitgliedstaat B oder noch im Mitgliedstaat A liegt, Art 10 aber unbeschadet dessen die Gerichte des A-Mitgliedstaates als zuständig bezeichnet.

2 3

4 5

Vgl auch Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 243. Europäische Kommission, 17.5.2002, COM (2002) 222/2; auch der um Erläuterungen sonst nicht verlegene Leitfaden der Kommission 22 ist insoweit sehr lapidar: „Kann ... und Art 12 nicht angewandt werden ...“ AnwKommBGB /Gruber Rn 2. Ohne nähere Begründung für Nachrang ggü Art 8-12: Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1; Zöller /Geimer Rn 1.

Thomas Rauscher

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Art 13 Brüssel IIa-VO 5- 8

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

5 c) Der ausdrücklich in Art 13 Abs 1 normierte Nachrang gegenüber Art 12 bedarf hingegen einer erheblichen teleologischen Einschränkung,6 soll die Anwendung von Art 13 nicht von unsicheren Prognosen belastet werden. Die einfachste Lösung des Problems dürfte darin bestehen, bei Verfahren, denen ein Antrag einer Partei zugrunde liegt, die nach Art 12 Abs 1 oder nach Art 12 Abs 3 eine andere Zuständigkeit anerkennen müsste, davon auszugehen, dass diese Partei die Anerkennung nicht abgeben würde.7 Will ein Gericht in der Zuständigkeit nach Art 13 von Amts wegen tätig werden, so lässt sich zwar diese Prognose nicht treffen. In aller Regel wird aber im Falle der Untätigkeit das Kindeswohl gefährdet sein, so dass das Gericht Art 13 zunächst umgehen und sich für Eilmaßnahmen auf Art 20 stützen kann.8 6 In den verbleibenden Fällen bietet es sich jedenfalls hinsichtlich der Zuständigkeit nach Art 12 Abs 1 an, dass das Gericht im Gerichtsstand des Art 13, sofern bereits eine Ehesache anderwärts anhängig ist, vor einem weiteren Tätigwerden die Ehegatten unter Fristsetzung zur Stellungnahme auffordert, ob im dortigen Verfahren eine Sorgerechtsregelung angestrebt wird. Ist dies der Fall, wird man freilich dem Gericht im Gerichtsstand des Art 13 die Prognose überlassen müssen, ob Kindeswohldienlichkeit vorläge. 7 Hingegen ist der Vorrang von Art 12 Abs 3 schlechterdings nicht praktikabel. Man kann nicht von dem unter Art 13 angerufenen Gericht erwarten, dass es bei den in Art 12 Abs 3 beispielhaft genannten Gerichten (Heimatstaat des Kindes etc) deren Bereitschaft abfragt, in der Sache tätig zu werden. Kommt das nach Art 13 angerufene Gericht allerdings von sich aus zu der Erkenntnis, dass die Gerichte eines der in Art 13 Abs 2 genannten Mitgliedstaaten entscheiden sollten, weil dies dem Kindeswohl besser entspricht, so kann das Gericht den Weg der Verweisung nach Art 15 wählen. 8 d) Die spätere Anrufung eines nach Art 12 zuständigen Gerichts kann jedenfalls nicht die Zuständigkeit des früher angerufenen Gerichts im Gerichtsstand des Art 13 wieder beseitigen. 9 Vielmehr gilt auch in diesem Verhältnis Art 19. Hat das Gericht im Gerichtsstand des Art 13 allerdings seine Zuständigkeit noch nicht abschließend bejaht, so wird es angesichts der Anrufung eines – dann konkret bestimmbaren – Gerichts iSd Art 12 dort Nachfrage halten können, ob dieses Gericht die Voraussetzungen des Art 12 Abs 1 oder 3 als gegeben ansieht. Der Beschleunigung des Verfahrens dient dies alles freilich nicht.

6 7 8 9

184

AA Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 84. So iE Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 243; vgl auch Geimer/Schütze/Dilger Rn 5. Busch/Rölke FamRZ 2004, 1338, 1341; MünchKommZPO /Gottwald Rn 4 f. AA Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 84.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

II.

Anwesenheitszuständigkeit (Abs 1)

1.

Fehlender gewöhnlicher Aufenthalt

Art 13 Brüssel IIa-VO 9-13

Abgesehen von dem schwierig zu beurteilenden Vorrang des Art 1210 setzt Abs 1 le- 9 diglich voraus, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes nicht feststellbar ist. Das ist der Fall, wenn das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, aber auch dann, wenn anlässlich eines Ortswechsels nicht klar ist, in welchem von zwei Mitgliedstaaten das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zuständig sind in diesem Fall die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem sich das Kind 10 befindet, der schlichte Aufenthalt ersetzt also zuständigkeitsbegründend den fehlenden gewöhnlichen Aufenthalt. 2.

Verhältnis zum KSÜ

Eher akademischer Natur ist wohl die Frage, ob Art 13 oder Art 6 KSÜ anzuwenden 11 ist, wenn unklar ist, ob das Kind in einem von zwei KSÜ-Vertragsstaaten, die nicht Mitgliedstaaten sind, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. In einem solchen Fall dürfte nach Art 61 lit a Art 6 KSÜ den Vorrang haben, da jedenfalls feststeht, dass das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hat.11 III. Anwendung auf Flüchtlinge/Vertriebene (Abs 2)

Abs 1 gilt entsprechend für Kinder, die Flüchtlinge oder aufgrund von „Unruhen in 12 ihrem Land“ Vertriebene sind. Der Begriff des Flüchtlings sollte dem der Genfer Konvention entsprechen. Schwieriger erscheint es, der mit Art 6 Abs 1 KSÜ übereinstimmenden, gleichwohl eher dem natürlichen Sprachgebrauch entnommenen Beschreibung der zweiten Gruppe einen juristischen Inhalt zu geben. Auch wenn das Possessivpronomen eher an die Staatsangehörigkeit denken lässt, dürfte das Land des bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes gemeint sein. Nicht deutlich wird allerdings aus Abs 2, dass diese Zuständigkeit nur so lange gelten 13 kann, bis das Kind einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt erworben hat. Der Umstand der Vertreibung wird keineswegs dadurch beendet, dass das Kind im Zufluchtstaat gewöhnlichen Aufenthalt erlangt. Gleichwohl besteht dann kein Bedürfnis mehr für die Anwendung des Art 13 Abs 2, sollte sich das Kind vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat befinden.

10 11

Oben Rn 1 ff. Die bloße Existenz des Problems zeigt aber, dass es nicht gut ist, zu viele Rechtsinstrumente zu kumulieren.

Thomas Rauscher

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Art 14 Brüssel IIa-VO 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Artikel 14

Restzuständigkeit Soweit sich aus den Artikeln 8 bis 13 keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaates ergibt, bestimmt sich die Zuständigkeit in jedem Mitgliedstaat nach dem Recht dieses Staates. I. Anwendungsbereich der VO 1. Strukturunterschied zu Art 6, 7 . . . . . . 2. Identität von Geltungsbereich und ausschließlichem Geltungsbereich . . . 3. Abgrenzung gegen MSA und KSÜ . . .

I.

Anwendungsbereich der VO

1.

Strukturunterschied zu Art 6, 7

II. Restzuständigkeiten lege fori

1

1. Unklarheiten durch Art 12 . . . . . . . . . . 2. Subsidiäre Anwendung der lex fori . .

5 7

2 3

1 Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich der Zuständigkeitsregeln für Verfahren der elterlichen Verantwortung erscheint erheblich klarer als der für Ehesachen. Während Art 6 und 7, jedenfalls nach ihrem Wortlaut, in Ehesachen eine Grauzone zwischen ausschließlicher Anwendung der VO und hilfsweiser Anwendung der lex fori schaffen, die der EuGH dergestalt füllt, dass Art 6 bedeutungslos wird,1 gibt es im System der Art 8 bis 13 keine solche Grauzone. 2.

Identität von Geltungsbereich und ausschließlichem Geltungsbereich

2 Vor diesem Hintergrund ist Art 14 trotz seiner sprachlichen Ähnlichkeit mit Art 7 nicht strukturgleich. 2 Da in Art 8 ff eine Art 7 entsprechende Norm zur positiven Bestimmung des ausschließlichen Anwendungsbereichs der VO fehlt, lässt sich aus Art 14 ohne weiteres der Umkehrschluss ziehen, dass das System der Sorgerechtszuständigkeiten der VO der lex fori immer dann ausschließlich anwendbar ist, wenn es eine Zuständigkeit in irgendeinem Mitgliedstaat bereithält. 3 Dieser Schluss fällt umso leichter, als er dem Charakter des KSÜ als loi uniforme entspricht und das KSÜ als der – gelegentlich ein wenig verleugnete – Pate der Art 8 ff gelten darf. 3.

Abgrenzung gegen MSA und KSÜ

3 a) Art 13 regelt nicht den Vorrang der VO gegenüber dem KSÜ. 4 Dieses Verhältnis bestimmt sich nach Art 61 lit a. Insbesondere dürfte es faktisch ausgeschlossen sein, dass die VO dem KSÜ vorgeht, aber keine Zuständigkeit bereitstellt, so dass über 1 2 3

4

186

Dazu Art 6 Rn 1 ff. Geimer/Schütze/Dilger Rn 1; aA AnwKommBGB /Gruber Rn 1; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1. AnwKommBGB /Gruber Rn 1; Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 244; Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 86. AA anscheinend AnwKommBGB /Gruber Rn 1: „ergänzende Verweisung auf das KSÜ ...“

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 14 Brüssel IIa-VO 4- 6

Art 14 das KSÜ als lex fori anzuwenden wäre, denn Art 61 lit a ist deckungsgleich mit Art 8 Abs 1: Die VO geht dem KSÜ vor, wenn das Kind gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hat und in diesem Fall sind jedenfalls die Gerichte dieses Mitgliedstaates zuständig.5 Der gravierende Fehler in der Konzeption von Art 6, der dazu führen kann, dass kein Gericht in einem Mitgliedstaat zuständig ist, die Zuständigkeiten der VO aber dennoch ausschließlich sind, wiederholt sich hier also nicht. b) Auch im Verhältnis zum MSA kann es zu einer solchen mittelbaren Anwen- 4 dung nicht kommen. Zwar geht nach Art 60 lit a die VO dem MSA grundsätzlich vor, jedoch nur „im Verhältnis der Mitgliedstaaten“. Hat das Kind gewöhnlichen Aufenthalt in einem MSA-Vertragsstaat, der nicht Mitgliedstaat ist, so besteht dieser Vorrang jedenfalls zuständigkeitsrechtlich nicht. Da das MSA nach seinem Art 13 Abs 1 aber nur anwendbar ist, wenn das Kind gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat, gibt es nur vier Alternativen: Gewöhnlicher Aufenthalt in einem Mitgliedstaat, dann Vorrang der VO, aber auch Zuständigkeit aus Art 8; gewöhnlicher Aufenthalt in einem sonstigen MSA-Vertragsstaat, dann kein Vorrang der VO; gewöhnlicher Aufenthalt in einem Drittstaat, dann ohnehin keine Anwendbarkeit des MSA; kein (feststellbarer) gewöhnlicher Aufenthalt, dann Art 13, also Vorrang der VO. II.

Restzuständigkeiten lege fori

1.

Unklarheiten durch Art 12

Trotz des theoretisch klaren (implizit ausschließlichen) Anwendungsbereichs der VO 5 ergeben sich wegen der von Beurteilungen des Gerichts und Erklärungen der Sorgeberechtigten abhängigen Zuständigkeiten aus Art 12 dieselben Anwendungsprobleme wie für Art 13.6 Ein Gericht eines Mitgliedstaates, das über Art 14 seine lex fori anwenden will, müsste vorher einschätzen, ob ein anderes Gericht die Tatbestandsvoraussetzungen des Art 12 Abs 1 oder 3 zu erfüllen bereit ist. Die Problematik ist ebenso zu lösen wie unter Art 13.7 Ist das angerufene Gericht selbst möglicherweise nach Art 12 zuständig, so ergibt 6 sich zwar kein Beurteilungsproblem, weil das Gericht selbst entscheidet, ob Art 12 eingreift oder ob die Zuständigkeit lege fori zu bestimmen ist. Merkwürdig kann auch dieser Fall ausgehen, wenn etwa ein deutsches Gericht eine „Heimatstaatszuständigkeit“ für ein deutsches Kind, das in einem Drittstaat lebt, nach Art 12 Abs 3 mangels Kindeswohldienlichkeit ablehnt, sich sodann aber nach Art 14 iVm § 99 Abs 1 Nr 1 FamFG als zuständig ansehen muss, weil die lex fori die Zuständigkeit nicht von einer Kindeswohlprüfung abhängig macht. 8

5 6 7 8

So auch Teixeira de Sousa FamRZ 2005, 1612, 1615. Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 244; dazu Art 13 Rn 1 ff. Dazu Art 13 Rn 5 ff. Zutreffend Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 244.

Thomas Rauscher

187

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Art 14 Brüssel IIa-VO, 7 Art 15 Brüssel IIa-VO

2.

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Subsidiäre Anwendung der lex fori

7 Ein Rückgriff auf die lex fori ist nur möglich, wenn sich aus der VO keine Sorgerechtszuständigkeit in irgendeinem Mitgliedstaat ergibt. Insbesondere kommen damit für Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat haben (Art 8), die Zuständigkeiten der lex fori nicht zur Anwendung. Hat das Kind gewöhnlichen Aufenthalt in einem Nicht-Mitgliedstaat, so geht aus Sicht der lex fori ggf auch das MSA bzw das KSÜ vor. Aus Sicht deutscher Gerichte kommt also die lex fori ohnehin nur in Betracht, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Nicht-Mitgliedstaat und Nicht-MSA-Staat (künftig auch Nicht-KSÜ-Staat) hat.9 Selbst dann kann aber die lex fori durch Art 9, 10, 12 oder 13 verdrängt sein.

Artikel 15

Verweisung an ein Gericht, das den Fall besser beurteilen kann (1) In Ausnahmefällen und sofern dies dem Wohl des Kindes entspricht, kann das Gericht eines Mitgliedstaates, das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, in dem Fall, dass seines Erachtens ein Gericht eines anderen Mitgliedstaates, zu dem das Kind eine besondere Bindung hat, den Fall oder einen bestimmten Teil des Falls besser beurteilen kann, a) die Prüfung des Falls oder des betreffenden Teils des Falls aussetzen und die Parteien einladen, beim Gericht dieses anderen Mitgliedstaates einen Antrag gemäß Absatz 4 zu stellen, oder b) ein Gericht eines anderen Mitgliedstaates ersuchen, sich gemäß Absatz 5 für zuständig zu erklären. (2) Absatz 1 findet Anwendung a) auf Antrag einer der Parteien oder b) von Amts wegen oder c) auf Antrag des Gerichts eines anderen Mitgliedstaates, zu dem das Kind eine besondere Bindung gemäß Absatz 3 hat. Die Verweisung von Amts wegen oder auf Antrag des Gerichts eines anderen Mitgliedstaates erfolgt jedoch nur, wenn mindestens eine der Parteien ihr zustimmt. (3) Es wird davon ausgegangen, dass das Kind eine besondere Bindung im Sinne des Absatzes 1 zu dem Mitgliedstaat hat, wenn a) nach Anrufung des Gerichts im Sinne des Absatzes 1 das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat erworben hat oder b) das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte oder c) das Kind die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaates besitzt oder d) ein Träger der elterlichen Verantwortung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hat oder e) die Streitsache Maßnahmen zum Schutz des Kindes im Zusammenhang mit der Verwaltung oder der Erhaltung des Vermögens des Kindes oder der Verfügung über dieses Vermögen betrifft und sich dieses Vermögen im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaates befindet. 9

188

Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 244; Teixeira de Sousa FamRZ 2005, 1612, 1615.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 15 Brüssel IIa-VO 1

(4) Das Gericht des Mitgliedstaates, das für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, setzt eine Frist, innerhalb deren die Gerichte des anderen Mitgliedstaates gemäß Absatz 1 angerufen werden müssen. Werden die Gerichte innerhalb dieser Frist nicht angerufen, so ist das befasste Gericht weiterhin nach den Artikeln 8 bis 14 zuständig. (5) Diese Gerichte dieses anderen Mitgliedstaates können sich, wenn dies aufgrund der besonderen Umstände des Falls dem Wohl des Kindes entspricht, innerhalb von sechs Wochen nach ihrer Anrufung gemäß Absatz 1 Buchstabe a) oder b) für zuständig erklären. In diesem Fall erklärt sich das zuerst angerufene Gericht für unzuständig. Anderenfalls ist das zuerst angerufene Gericht weiterhin nach den Artikeln 8 bis 14 zuständig. (6) Die Gerichte arbeiten für die Zwecke dieses Artikels entweder direkt oder über die nach Artikel 53 bestimmten Zentralen Behörden zusammen. I. Verweisung an ein forum conveniens – Struktur (Abs 1) 1. Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regel-/Ausnahmeverhältnis im Unterschied zu Art 8 KSÜ . . . . . . . . . . .

III. Verfahrensalternativen –

1 3

II. Materielle Voraussetzungen (Abs 1, 3)

1. Zuständiges Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besondere Bindung des Kindes (Abs 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kindeswohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Voraussetzungen (Abs 2) 1. Verfahrensalternativen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19 21 23

IV. Verfahrensablauf (Abs 4-6)

5 7 8 18

1. Frist zur Anrufung (Abs 4 S 1) . . . . . . . 2. Anrufung der Gerichte des anderen Mitgliedstaates (Abs 4 S 1). . . . . . . . . . . 3. Keine Anrufung (Abs 4 S 2) . . . . . . . . . 4. Zuständigerklärung des Gerichts im anderen Mitgliedstaat (Abs 5 S 1, 2) 5. Rückfall der Zuständigkeit (Abs 5 S 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zusammenarbeit (Abs 6) . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

Verweisung an ein forum conveniens – Struktur (Abs 1)

1.

Konzeption

25 28 32 34 37 38 39

a) Art 15 erlaubt es einem nach Art 8 ff zuständigen Gericht „in Ausnahmefällen“ 1 ein an sich unzuständiges Gericht mit der Sorgerechtssache zu befassen. Dem liegt zwar die anglo-amerikanische Lehre des forum non conveniens zugrunde;1 das System des Art 15 erlaubt jedoch nicht eine einseitige Zuständigkeitsablehnung oder eine Verweisung,2 sondern sieht einen kooperativen Zuständigkeitstransfer vor, der neben der Einschätzung des eigentlich zuständigen Gerichts von der Zustimmung wenigstens einer Partei (Abs 2 S 2) und der Annahmebereitschaft der Gerichte des anderen Mitgliedstaates abhängt (Abs 5). Andererseits gibt es durch die angestrebte Kooperation 1 2

Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 1; AnwKommBGB /Gruber Rn 1. Schulz FS Kropholler (2008) 435, 436; Klinkhammer FamRBInt 2006, 88, 90.

Thomas Rauscher

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Art 15 Brüssel IIa-VO 2-5

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

der Gerichte erheblich weitere informelle Möglichkeiten, die der Erprobung in der Praxis bedürfen.3 2 b) Die Initiative zu einem solchen Zuständigkeitstransfer kann nicht nur von dem Ursprungsgericht ausgehen, sondern auch von einer Partei oder von dem Gericht eines anderen Mitgliedstaates. Insofern überschneidet sich die Regelung mit Art 12 Abs 3, der ebenfalls Gerichten, die sich aufgrund besonderer Bindung des Kindes zur Entscheidung berufen sehen, die Annahme einer Zuständigkeit erlaubt. Während jedoch Art 12 Abs 3 eine einseitige Beurteilung erlaubt, andererseits aber zu anderen Zuständigkeiten im Verhältnis des Art 19 steht, ermöglicht Art 15 (ausschließlich) einen Transfer des bereits anhängigen Verfahrens. 2.

Regel-/Ausnahmeverhältnis im Unterschied zu Art 8 KSÜ

3 Die Regelung entspricht dem Grundgedanken des Art 8 KSÜ und nimmt in Abs 2 lit c auch den Gedanken des Art 9 KSÜ (Initiative der Gerichte eines anderen Mitgliedstaates) auf. Obgleich die Mechanismen stärker durchnormiert sind, ist Art 15 letztlich nicht weniger ergebnisoffen als Art 8, 9 KSÜ es sind.4 Auch Art 8 Abs 4 und 9 Abs 3 KSÜ gehen davon aus, dass am Ende der einseitig ausgelösten Konsultation die Gerichte eines der beiden Staaten definitiv zuständig sind. 4 Art 15 unterscheidet sich jedoch, jedenfalls in der äußerlichen Struktur, in einem wesentlichen Aspekt von dem Vorbild. Während Art 7 Abs 2 den Kreis der Mitgliedstaaten, die um Übernahme des Verfahrens ersucht werden können, durch einen Katalog beschränkt, der allerdings eine Generalklausel enthält (Art 7 Abs 2 lit d KSÜ), stellt Art 15 Abs 3 eine Regelvermutung dafür auf, dass bei Vorliegen eines Tatbestands aus einem gegenüber Art 7 Abs 2 sogar weiteren Katalog die für einen Zuständigkeitstransfer erforderliche besondere Bindung vorliegt.5 Dies könnte in der Praxis dazu führen, dass der in Abs 1 bezeichnete Ausnahmefall vor dem Hintergrund des Art 3 als Regel verstanden wird. Eine solche Handhabung sollte vermieden werden, um die Rechtssicherheit nicht zu gefährden und nicht unnötig Verfahren zu verzögern. Selbst wenn bei extensiver Handhabung das Verfahren häufig an das ursprünglich zuständige Gericht zurückfällt (Abs 4, 5), kostet dies erhebliche Zeit. II.

Materielle Voraussetzungen (Abs 1, 3)

1.

Zuständiges Gericht

5 Ein zuständiges Gericht kann den Fall nach Art 15 unter Beachtung der drei nachfolgenden Kriterien (Rn 7 bis 18) verweisen. Die Bestimmung beschränkt sich nicht auf Gerichte, die nach der VO zuständig sind. Sie gilt nach ihrem systematischen 3 4 5

190

Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 245. So aber Europäische Kommission, 17.5.2002, COM (2002) 222/2 zu Art 15. Die Kommission versteht hingegen Art 15 Abs 3 als abschließenden Katalog, was durchaus der hier vertretenen Intention entspräche, dazu Kommission, Leitfaden 27 (Ablaufdiagramm).

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 15 Brüssel IIa-VO 6- 9

Standort und der ausdrücklichen Nennung in Abs 4 und 5 auch, wenn sich die Zuständigkeit des Gerichts aus der lex fori ergibt (Art 14). Dies eröffnet insbesondere die Verweisung, wenn das Kind in keinem Mitgliedstaat gewöhnlichen Aufenthalt hat, das angerufene Gericht lege fori zuständig wäre und sonst keine Möglichkeit hätte, ein potentiell nach Art 12 Abs 3 zuständiges Gericht ins Spiel zu bringen. Ist das Gericht hingegen nicht zuständig, so kann es nicht nach Art 15 verfahren, son- 6 dern muss sich nach Art 17 für unzuständig erklären. Wo sodann ein Antrag gestellt wird, kann das unzuständige Gericht nicht beeinflussen. 2.

Ausnahmefall

Es muss sich um einen Ausnahmefall handeln.6 Art 15 ist insbesondere kein Instru- 7 ment, um regelmäßig bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts nach Anrufung des Gerichts die perpetuatio fori zu durchbrechen. Das nach Art 8 angerufene Gericht bleibt grundsätzlich zuständig, der in Abs 3 lit a genannte Fall begründet ausnahmsweise die Verweisung.7 3.

Besondere Bindung des Kindes (Abs 3)

a) Es muss eine besondere Bindung des Kindes zu einem anderen Mitgliedstaat be- 8 stehen. Eine solche Bindung wird nach dem Wortlaut des Abs 3 in den dort genannten Fällen vermutet. 8 Vor dem Hintergrund von Art 8 Abs 2 KSÜ dürfte es jedoch naheliegen, dass insoweit entweder ein redaktionelles Missverständnis vorliegt9 oder doch die Vermutungswirkung aufgrund der nachfolgenden Kindeswohlprüfung erheblich zu relativieren ist. In anderen als den in Abs 3 genannten Fällen wird, auch wenn Abs 3 formal nur Regelbeispiele nennt,10 eine Verweisung kaum in Betracht kommen,11 weil dort nicht genannte Kriterien regelmäßig keine zuständigkeitsrechtlich relevante Bindung in einem System vermitteln, das auf gewöhnlichem Aufenthalt und Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterien beruht. Die in Abs 3 genannten Fälle geben andererseits keineswegs regelmäßig Anlass zu einer Verweisung. Insbesondere wirkt bereits auf dieser Stufe der Prüfung die Beurteilung, dass das andere 9 Gericht den Fall besser beurteilen kann, als ein Filter.

6 7 8 9

10 11

Vgl auch Erwägungsgrund 15. Kommission, Leitfaden 24. AnwKommBGB /Gruber Rn 5; Rausch FuR 2005, 53, 58. Die Kommission betrachtet Abs 3 offenbar als abschließend, dazu Kommission, Leitfaden 27: „Hat das Kind eine der in Artikel 15 Absatz 3 aufgeführten besonderen Beziehungen? NEIN Keine Verweisung möglich“. So AnwKommBGB /Gruber Rn 5; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2; MünchKommZPO /Gottwald Rn 6. Ebenso Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 89.

Thomas Rauscher

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Art 15 Brüssel IIa-VO 10-17

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

10 Art 15 erlaubt auch eine teilweise Verweisung (Abs 1 lit a), wenn nur bestimmte abtrennbare Aspekte besser in einem anderen Staat entschieden werden können.12 Von dieser Möglichkeit wird zur Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen eher zurückhaltend Gebrauch zu machen sein. 11 b) Im Einzelnen handelt es sich um folgende Fallsituationen, in denen jeweils das angerufene Gericht – ggf sogar aus Art 8 allgemein – zuständig ist, aber ein anderes Gericht für geeigneter hält: 12 – lit a: Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes wurde nach Anrufung des Gerichts im Staat A in den Staat B verlagert, das ursprünglich allgemein zuständige Gericht (Art 8) behält die Zuständigkeit (perpetuatio fori), kann aber verweisen. 13 – lit b: Das angerufene Gericht verweist an die Gerichte des Mitgliedstaates eines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes, was wohl nur sinnvoll ist, wenn es sich um den letzten früheren gewöhnlichen Aufenthalt handelt.13 Erst recht wird man eine besondere Bindung zum Mitgliedstaat des aktuellen gewöhnlichen Aufenthalts annehmen dürfen; wenn also das angerufene Gericht nicht nach Art 8, sondern nach einer anderen Bestimmung zuständig ist, kommt ebenfalls eine Verweisung in Betracht. 14 – lit c: Das Kind besitzt die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaates, wobei bei Mehrstaatigkeit des Kindes die Verweisung zwar nicht von einer Effektivitätsprüfung abhängt,14 die Qualität der Bindung an den Heimatstaat aber ein Abwägungskriterium dafür ist, ob überhaupt eine Verweisung in Betracht kommt. 15 – lit d: Ein Träger der elterlichen Verantwortung hat gewöhnlichen Aufenthalt in dem Mitgliedstaat in den eine Verweisung erwogen wird, wobei in diesem Fall wohl ein weiterer enger Bezug des konkreten Streits zu diesem Mitgliedstaat hinzutreten muss (zB betreuter Umgang mit einem dort lebenden Elternteil). 16 – lit e: Die Sache hat Maßnahmen zum Schutz des Kindes im Zusammenhang mit Verwaltung oder Erhaltung des Kindesvermögens zum Gegenstand, das in einem anderen Mitgliedstaat belegen ist; hier ist die durch den gewöhnlichen Aufenthalt indizierte Nähe des Gerichts ggf von geringerer Bedeutung als die Sachnähe zu dem Vermögen, wobei die dem Wortlaut zu entnehmende Beschränkung auf „Streitsachen“ nicht angemessen erscheint. Gerade auch Amtsverfahren, denen meist eine Anregung einer Jugendbehörde zugrunde liegt, die sich tendenziell wohl eher an „ihre“ Gerichte wenden wird, können hier in Betracht kommen. 17 c) Nicht anwendbar ist hingegen Art 15, wenn das Kind iSd Art 2 Nr 11 widerrechtlich in einen anderen Mitgliedstaat verbracht oder dort zurückgehalten wurde. Eine Entscheidung der in diesem Fall gemäß Art 10 weiter zuständigen Gerichte des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts, wonach die Gerichte des Verbringungsstaats besser in der Lage seien, den Fall zu beurteilen,15 desavouiert die von Art 11 vorgesehene Verfahrensweise und zugleich die Zielsetzung des KindEntÜbk, eine Rückgabe 12 13 14 15

192

Kommission, Leitfaden 24. Geimer/Schütze/Dilger Rn 8. Geimer/Schütze/Dilger Rn 9. Ohne Nennung des Gerichts berichtet von Schulz FS Kropholler (2008) 435, 439.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 15 Brüssel IIa-VO 18-21

und eine Entscheidung durch die bisherigen Aufenthaltsgerichte zu erreichen. Art 10, 11 stehen somit einer Verfahrensweise nach Art 15 entgegen.16 4.

Kindeswohl

Das Gericht muss zudem zu der Überzeugung gelangen,17 dass eine Entscheidung durch 18 das Gericht in dem anderen Mitgliedstaat dem Kindeswohl entspricht. Die Beurteilung des Kindeswohls hat hier eine ähnliche Funktion wie in Art 12 Abs 1 und Abs 3;18 es geht also vorwiegend um verfahrensrechtliche Aspekte des Kindeswohls.19 Gleichwohl gibt es Zusammenhänge zwischen der Bindungsprüfung und der Kindeswohlprüfung; eine nicht nur formale Sachnähe des Gerichts, an das verwiesen werden soll, spricht durchaus auch für die Kindeswohldienlichkeit. III. Verfahrensalternativen – Voraussetzungen (Abs 2)

1.

Verfahrensalternativen

Das ursprünglich zuständige Gericht hat zwei Verfahrensalternativen zur Wahl. Es 19 kann entweder das Verfahren aussetzen und die Parteien einladen, beim Gericht des anderen Mitgliedstaates einen Antrag zu stellen, auf den Abs 4 Anwendung findet. Diese Verfahrensweise empfiehlt sich insbesondere in streitigen Verfahren und Antragssachen (Abs 1 lit a). Das Gericht kann aber auch unmittelbar ein Gericht eines anderen Mitgliedstaates 20 ersuchen, den Fall zu übernehmen und damit an Abs 4 vorbei unmittelbar zu dessen Entscheidung nach Abs 5 gelangen. Diese Verfahrensweise empfiehlt sich für Amtsverfahren (Abs 1 lit b). 2.

Initiative

Die Initiative zum Verfahren nach Abs 1 kann nach Abs 2 sowohl von den Parteien 21 (Antrag, Abs 2 lit a) als auch vom ursprünglichen Gericht (von Amts wegen, Abs 2 lit b), aber auch von einem Gericht eines in Abs 3 genannten Mitgliedstaates ausgehen. Selbst wenn man ausnahmsweise eine Verweisung in einen nicht in Abs 3 genannten Staat zuließe,20 kann die Initiative nach dem insoweit zweckentsprechenden Wortlaut des Abs 2 lit c nur aus den in Abs 3 genannten Staaten kommen.

16

17 18 19 20

Zutreffend Schulz FS Kropholler (2008) 435, 440 ff; nicht eindeutig Hof ’s-Hertogenbosch NIPR 2007, 153, 154, der den Verweisungsantrag in einem Fall des ohne Zustimmung des anderen Elternteils erfolgten Umzuges von NL nach D aus Sachgründen ablehnt. Kommission, Leitfaden 24. Eingehend Dutta FS Kropholler (2008) 281, 284 ff. Art 12 Rn 25 ff. Strittig, oben Rn 8.

Thomas Rauscher

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Art 15 Brüssel IIa-VO 22-26

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

22 Da Abs 2 auf Abs 1 in seiner Gesamtheit verweist, umfasst dies auch das Verfahren nach Abs 1 lit b. Eine Partei kann also auch beantragen, unmittelbar ein Gericht im anderen Mitgliedstaat um Übernahme zu ersuchen. 3.

Zustimmung

23 Abs 2 S 2 verlangt jedoch jedenfalls die Zustimmung mindestens einer Partei, wenn die Initiative zu der Verweisung von einem Gericht ausgeht. Die Zustimmung muss (und wird häufig) nicht von dem Antragsteller herrühren. Auch die Zustimmung des Antragsgegners, dem das andere Gericht angenehmer sein mag, genügt. 24 Auch dies gilt nach dem Wortlaut sowohl für das Verfahren nach Abs 1 lit a als auch für Abs 1 lit b. Das führt wiederum zu Problemen, die angesichts der kontradiktorisch ausgerichteten Regelung nicht bedacht wurden, wenn es in dem Verfahren formell Beteiligte überhaupt gibt. Die Verweisung eines Amtsverfahrens in einem Stadium, in dem es (noch) keine formellen Beteiligten gibt,21 ist danach entweder nicht möglich, oder sie müsste ohne die Zustimmung nach Abs 2 S 2 stattfinden. Letztere Auslegung erscheint vorzugswürdig, zumal jedenfalls aus deutscher Sicht nichts dagegen spricht, wenn ein Gericht das Bedürfnis zu einem Tätigwerden von Amts wegen als nicht mehr gegeben ansieht, sobald ein besser geeignetes Gericht in einem anderen Mitgliedstaat tätig wird. Gibt es hingegen bereits formell Beteiligte, so hat auch im Amtsverfahren das Zustimmungserfordernis Sinn, weil das Verfahren nicht zwischen den Gerichten verschoben werden soll, ohne dass dies wenigstens einer Seite recht ist. 22 IV.

Verfahrensablauf (Abs 4-6)

1.

Frist zur Anrufung (Abs 4 S 1)

25 a) Das ursprünglich zuständige Gericht, sofern es sich für das Verfahren nach Abs 1 lit a entschieden hat, setzt den Beteiligten („Parteien“) eine Frist, innerhalb derer die Gerichte des anderen Mitgliedstaates angerufen werden müssen. Die in Abs 4 enthaltene Bezugnahme auf Abs 1 stellt lediglich klar, dass es sich um den bestimmten anderen Mitgliedstaat handelt, von dem in Abs 1 die Rede ist. Eine autonome Regelung der Fristdauer fehlt, ein Rückgriff auf die lex fori wird regelmäßig auf keine entsprechende Fristbestimmung treffen. Das Gericht muss also nach Ermessen entscheiden. Regelmäßig wird die Beschleunigungsbedürftigkeit von Sorgerechtssachen keine Fristen von mehr als einem Monat23 erlauben. 26 b) In dieser Aufforderung mit Fristsetzung muss nach dem Wortlaut des Abs 4 kein bestimmtes Gericht bezeichnet werden. Es erscheint jedoch sinnvoll, wenn das verweisungswillige Gericht den Parteien insoweit durch Bezeichnung eines Gerichts die 21 22 23

194

Was MünchKommZPO /Gottwald Rn 4 für unwahrscheinlich hält. So auch MünchKommZPO /Gottwald Rn 4. AnwKommBGB /Gruber Rn 2; vgl aber Rb ’s-Gravenhage NIPR 2008, 151: 3-monatige Frist durch Trib Montepulciano zur Anrufung niederländischer Gerichte.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

Art 15 Brüssel IIa-VO 27-30

Suche abnimmt,24 Abs 1 lit a („beim Gericht“) geht davon wohl sogar aus. Womöglich handelt es sich bei Abs 4 und 5 vor dem Hintergrund des Abs 1 lit a sogar um bloße Redaktionsversehen. 25 Schwierigkeiten ergeben sich allerdings, wenn lege fori in dem anderen Mitgliedstaat 27 kein Gericht örtlich zuständig ist, was nicht selten der Fall sein wird, da die Bindungskriterien des Abs 3 nicht notwendig in der Verfahrensordnung auch zuständigkeitsbegründend wirken. Schon aus diesem Grund wird das verweisungswillige Gericht nicht umhin kommen, sich mit der Zuständigkeitsfrage zu befassen, denn die Notwendigkeit einer Entscheidung durch ein hilfszuständiges Gericht der Hauptstadt kann sogar die Kindeswohlprüfung beeinflussen. Sinnvoll erscheint es auch, schon in dieser Phase die Verweisung mit dem konkreten anderen Gericht abzustimmen.26 Mit dem Versenden von Akten27 ist es nicht getan, da die „Verweisung“ nach Art 15 Abs 1 lit a, Abs 4 der Mitwirkung der Parteien und des anderen Gerichts bedarf und zudem nicht bindet. 2.

Anrufung der Gerichte des anderen Mitgliedstaates (Abs 4 S 1)

a) Nach der Konzeption der Regelung als Zuständigkeitstransfer für eine bereits an- 28 hängige Sache kann, unabhängig von der Beteiligtenrolle im bisherigen Verfahren, offenbar jede Partei, also jeder formell Beteiligte, die Gerichte des anderen Mitgliedstaates anrufen. Handelt es sich zB um ein Antragsverfahren, in dem der Antragsgegner bisher nur einen Abweisungsantrag gestellt hat, kann auch der Antragsgegner diese Anrufung bewirken, ohne dass er materiell von seinem bloßen Abweisungsantrag abweichen muss. b) Spätestens an dieser Stelle ist die Frage nach der örtlichen Zuständigkeit in dem 29 Mitgliedstaat, an dessen Gerichte verwiesen werden soll, nicht mehr zu umgehen. Die VO schafft hier ein Problem, da sowohl Abs 4 als auch Abs 5 nur auf „Gerichte des anderen Mitgliedstaates“ abstellen, obgleich Abs 1 lit a von einem Gericht im Singular spricht. Damit kann jedoch schwerlich gemeint sein, dass die VO es der Initiative der Partei, die die Anrufung bewirken will, überlässt, welches Gericht zuständig sein soll. Handhabbar wird die Regelung, auch mit Blick auf die insoweit sehr viel präzisere Fassung von Art 8 KSÜ („die Behörde eines anderen Vertragsstaates“) nur durch eine einschränkende Auslegung nach Fallgruppen: – Hat das ursprünglich befasste Gericht ein bestimmtes Gericht im anderen Mit- 30 gliedstaat bezeichnet, so können sich die Parteien nur an dieses Gericht wenden. Ist dieses Gericht lege fori unzuständig, so muss es dies in seiner Entscheidung nach Abs 5 berücksichtigen. Die Bezeichnung kann schwerlich die Gerichte des anderen Mitgliedstaates binden oder die dortige Zuständigkeitsordnung überwinden. 24

25 26 27

So offenbar auch Kommission, Leitfaden 26, wo davon ausgegangen wird, dass das verweisungswillige Gericht selbst oder über die Zentralen Behörden ein zuständiges Gericht ermittelt. Dazu noch unten Rn 17. Kommission, Leitfaden 26. Die Breuer FPR 2005, 74, 79 vorschlägt.

Thomas Rauscher

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Art 15 Brüssel IIa-VO 31-36

31

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

– Hat das ursprünglich befasste Gericht kein Gericht des anderen Mitgliedstaates bezeichnet,28 so können sich die Parteien an jedes lege fori örtlich zuständige Gericht dieses Staates wenden. 3.

Keine Anrufung (Abs 4 S 2)

32 Erfolgt innerhalb der gesetzten Frist keine Anrufung nach Abs 4, so verbleibt die Zuständigkeit bei dem ursprünglich zuständigen Gericht (Abs 4 S 2); dessen Verweisungsbestrebungen sind gescheitert und bleiben für die Zuständigkeit folgenlos. Dies gilt auch, wenn die Verweisung auf einem Antrag des Gerichts des anderen Mitgliedstaates (Abs 2 lit c) beruht, eine Partei zugestimmt hat, sodann aber nicht nach Abs 4 dieses Gericht von einer Partei angerufen wird. Die Zustimmung bindet die Partei nicht, das übernahmewillige Gericht kann nicht von Amts wegen übernehmen. 33 Bei Verweisung nach Abs 1 lit b bedarf es hingegen keiner Anrufung, sofern nur die nach Abs 2 S 2 erforderliche Zustimmung vorliegt. 4.

Zuständigerklärung des Gerichts im anderen Mitgliedstaat (Abs 5 S 1, 2)

34 Das nach Abs 4 angerufene Gericht29 kann sich innerhalb von sechs Wochen nach seiner Anrufung für zuständig erklären. Dies gilt sowohl, wenn über Abs 1 lit b das Ersuchen unmittelbar von dem ursprünglichen Gericht eingeht, als auch bei Anrufung nach Abs 4. In beiden Fällen beginnt die Frist mit Zugang, Art 16 spielt hier keine Rolle. Es prüft hierzu erneut die Kindeswohldienlichkeit nach denselben Maßstäben wie das ursprünglich zuständige Gericht. 30 35 Fraglich ist, ob das Verfahren nach Art 15 einem nach seinem innerstaatlichen Recht örtlich unzuständigen Gericht die autonom europarechtlich begründete Befugnis verleiht, einen Fall nach Abs 5 zu übernehmen. Dies dürfte abzulehnen sein, da die VO durchgehend in die örtliche Zuständigkeit nicht eingreift. Das Gericht hat aber die Möglichkeit, den Fall lege fori innerstaatlich an ein zuständiges Gericht zu verweisen. 31 Dass eine Weiterverweisung nach Art 15 nicht zulässig ist,32 steht dem nicht entgegen. Die Unzulässigkeit der Weiterverweisung soll nur eine Verzögerung durch mehrfache Anwendung des Prozedere nach Art 15 vermeiden, nicht aber eine regelmäßig formell ablaufende Verweisung an ein lege fori örtlich zuständiges Gericht. 36 Erklärt sich das Gericht für zuständig, so geht damit die Zuständigkeit über; das ursprünglich angerufene Gericht erklärt sich für unzuständig, verfährt also wie im Fall des Art 17. 28 29 30 31 32

196

Was eine reine Abschiebeentscheidung wäre, die den Parteien nicht wirklich hilft! An dieser Stelle ist die Verwendung des Plural in Abs 5 offenbar unsinnig. Hierzu Rb ’s-Gravenhage NIPR 2008, 151 f. MünchKommZPO /Gottwald Rn 17. Erwägungsgrund 13; ebenso: Geimer/Schütze/Dilger Rn 21; Zöller /Geimer Rn 10; MünchKommZPO / Gottwald Rn 17.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 2 . Elterliche Verantwortung

5.

Art 15 Brüssel IIa-VO 37- 40

Rückfall der Zuständigkeit (Abs 5 S 3)

Entscheidet das Gericht in dem anderen Mitgliedstaat nicht innerhalb der Frist von 37 sechs Wochen oder erklärt es sich für nicht zuständig, so verbleibt die Zuständigkeit wiederum bei dem ursprünglich zuständigen Gericht (Abs 5 S 3). 6.

Zusammenarbeit (Abs 6)

Die Effizienz der Verweisungsmöglichkeit hängt entscheidend davon ab, dass die Ge- 38 richte keine isolierten Entscheidungen treffen, sondern kooperieren. Abs 6, der eine Zusammenarbeit direkt oder über die Zentralen Behörden nach Art 53 vorsieht, gibt nur einen schwachen Ausdruck der Erwartungen, die insbesondere die Kommission hierzu hat. Pragmatische Wege33 der Zusammenarbeit, der Übermittlung von Dokumenten und der Absprache (Sprachkenntnis vorausgesetzt) vor förmlicher Behandlung nach Abs 1 lit a bzw b sind gewiss nicht mit dem nationalen Verfahrensrecht der Verweisung zu bewältigen. Die Versuchung mag groß sein, nach einem Blick in das hierzu schweigende IntFamRVG die Abgabe- und Verweisungsvorschriften des FamFG (§§ 3, 4 FamFG) zu analogisieren. 34 Das aber würde dem Verfahren nach Art 15 gewiss nicht gerecht. 7.

Rechtsmittel

Gegen die Entscheidung nach Abs 5 S 2, mit der sich das an sich zuständige Gericht 39 für unzuständig erklärt, sind die lege fori vorgesehenen Rechtsbehelfe statthaft. Im deutschen Verfahrensrecht war vor dem 1.9.2009 zu differenzieren: Mit der einfachen Beschwerde zum OLG (§ 19 Abs 1 FGG aF) waren die Instanz nicht beendende Zwischenentscheidungen anzugreifen; mit der befristeten Beschwerde sowie der (Zulassungs-)35 Rechtsbeschwerde nach § 621e aF ZPO hingegen die das Verfahren abschließenden Endentscheidungen. In die erste Kategorie fiel das Ersuchen nach Abs 1, 5, mit dem das abgebende Gericht die Verweisung einleitet, weil es einerseits das Verfahren nicht abschließt, andererseits aber bereits in nicht unerheblicher Weise in die Rechtssphäre der Beteiligten eingreift;36 die Rechtsbeschwerde nach § 621e Abs 2 aF ZPO war nicht statthaft. 37 Hingegen waren § 621e Abs 1 und Abs 2 aF ZPO anwendbar auf die Unzuständigerklärung nach Abs 5 S 2.38 Nunmehr findet gegen die Endentscheidung, mit der das abgebende Gericht sich für 40 unzuständig erklärt, die (nach § 63 FamFG befristete) Beschwerde nach § 58 Abs 1 FamFG statt sowie nach § 70 FamFG die (Zulassungs-)Rechtsbeschwerde. Das Ersu33 34 35 36 37 38

Kommission, Leitfaden 20. Vgl Breuer FPR 2005, 74, 79, betreffend noch die der ZPO. BGH FamRZ 2008, 1168, 1169. KG NJW 2006, 3503; Roth IPRax 2009, 56, 57; wohl auch BGH FamRZ 2008, 1168, 1169. BGH FamRZ 2008, 1168; Roth IPRax 2009, 56, 57. Klinkhammer FamRBInt 2006, 88, 91; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 9; Schulz FS Kropholler (2008) 435, 447; Roth IPRax 2009, 56, 57; aA KG NJW 2006, 3503, das auch insoweit § 19 FGG aF anwendet.

Thomas Rauscher

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Art 16 Brüssel IIa-VO 1

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

chen nach Abs 1, 5 ist nicht mehr selbstständig anfechtbar und kann nur zusammen mit der Unzuständigerklärung angefochten werden. § 28 IntFamRVG gilt nicht für diese Entscheidung.39 Auch die Ablehnung des Antrags einer Partei nach Abs 2 S 1 lit a kann nicht selbstständig angefochten werden.40

Abschnitt 3 Gemeinsame Bestimmungen Artikel 16

Anrufung eines Gerichts (1) Ein Gericht gilt als angerufen a) zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht wurde, vorausgesetzt, dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Antragsgegner zu bewirken, oder b) falls die Zustellung an den Antragsgegner vor Einreichung des Schriftstücks bei Gericht zu bewirken ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem die für die Zustellung verantwortliche Stelle das Schriftstück erhalten hat, vorausgesetzt, dass der Antragsteller es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um das Schriftstück bei Gericht einzureichen. I. Autonome Bestimmung des Zeitpunkts der Anrufung des Gerichts 1. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorverlagerung auf die Anhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verzögerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Anhängigkeit im Fall eines

1

vorgeschalteten Versöhnungsverfahrens in Ehesachen . . . . . . . . . . . . . . .

9

3 6

I.

Autonome Bestimmung des Zeitpunkts der Anrufung des Gerichts

1.

Geltungsbereich

1 Art 16 – ohne Änderung übernommen aus Art 11 Abs 4 Brüssel II-VO und aus eher scheinsystematischen Gründen von dem in Art 19 übernommenen Rest der Bestimmung getrennt – gehört zu den wenigen gemeinsamen Bestimmungen für Ehesachen (Art 1 Abs 1 lit a) und Sorgerechtssachen (Art 1 Abs 1 lit b). 39

BGH FamRZ 2008, 1168; Roth IPRax 2009, 56, 58

40

Klinkhammer FamRBInt 2006, 88, 91; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 9.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 16 Brüssel IIa-VO 2-5

Die Bestimmung entfaltet ihre wesentliche Funktion im Zusammenhang mit der Re- 2 gelung zur Beachtung fremder Rechtshängigkeit (Art 19) und damit in Ehesachen, weil sich in Sorgerechtssachen gemäß Art 8 ff nur selten konkurrierende Zuständigkeiten ergeben. Auf die Einleitung von Sorgerechtssachen durch Antrag ist Art 16 jedoch ohne weiteres anwendbar. Wird eine Sorgerechtssache hingegen von Amts wegen eingeleitet, so ist bezüglich des Zeitpunkts der Anrufung des Gerichts auf den der erstmaligen aktenkundigen Befassung des Gerichts abzustellen.1 2.

Vorverlagerung auf die Anhängigkeit

Art 16 enthält eine autonome Begriffsbildung der für das Prioritätsprinzip (Art 19) 3 maßgeblichen Anrufung2 und entspricht mit Ausnahme der verfahrensgemäßen Bezeichnung der Parteien als Antragsteller und Antragsgegner wörtlich dem Art 30 Brüssel I-VO. Insoweit ergeben sich keine grundsätzlichen Besonderheiten, so dass auf die Kommentierung zu Art 30 Brüssel I-VO verwiesen werden kann. Anrufung des Gerichts iSd VO tritt in Staaten, deren Prozessrecht als ersten Schritt 4 der Verfahrenseinleitung die Einreichung bei Gericht vorsieht,3 gemäß lit a bereits in dem Zeitpunkt ein, in dem das nach Maßgabe der jeweiligen lex fori verfahrenseinleitende Schriftstück4 bei Gericht eingereicht wird,5 sofern der Antragsteller es nicht versäumt, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks zu bewirken. Welche Maßnahmen dies sind, entscheidet die lex fori6 unter Einschluss der für die Zustellung maßgeblichen europarechtlichen oder völkervertraglichen Regelungen; so trägt der Antragsteller das Risiko, dass der Antragsgegner die Zustellung mangels Übersetzung gemäß Art 8 EG-ZustVO 2007 verweigert und damit, sofern nicht – in gebotener Frist7 – eine rückwirkende Heilung stattfindet,8 die Rechtshängigkeitssperre entfällt. 9 Ob nach der lex fori hingegen die Zustellung der Rechtshängigkeit nachfolgt oder erst 5 mit Zustellung Rechtshängigkeit eintritt, spielt angesichts der autonomen Definition keine Rolle.10 Ist nach dem nationalen Prozessrecht nicht die Einreichung bei Gericht, sondern die Zustellung nach der jeweiligen lex fori der erste Schritt zur Verfahrenseinleitung, so gilt lit b: Rechtshängigkeit tritt bereits mit Einreichung bei der für die Zustellung verant1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

AnwKommBGB /Gruber Rn 7. Cass Bull Civ 2006 no 375. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 7. Cass Bul Civ 2006 no 374; cass Bul Civ 2006 no 375: im französischen Recht dépòt de la requète. KG NJW-RR 2005, 881. Gruber FamRZ 2000, 1129, 1133; AnwKommBGB /Gruber Rn 3. Dazu Rn 6 ff. EuGH Rs C-443/03 (Leffler/Berlin Chemie AG) NJW 2006, 491. Hof ’s-Gravenhage NIPR 2006, 30. KG FamRZ 2005, 1685, KG FamRZ 2005, 1687.

Thomas Rauscher

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Art 16 Brüssel IIa-VO 6- 8

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

wortlichen Stelle ein, wobei wiederum der Antragsteller in der Folge die lege fori erforderlichen Maßnahmen zur Einreichung bei Gericht treffen muss. 3.

Verzögerungen

6 Probleme im Fall einer verzögerten Erfüllung der nach lit a oder lit b dem Antragsteller obliegenden Mitwirkung ergeben sich, weil in beiden Varianten die Anrufung des Gerichts bereits vor Zustellung eintritt,11 die lex fori darüber entscheiden soll, welche Maßnahmen der Antragsteller zu treffen hat, die lex fori aber nicht zwangsläufig für diese Maßnahmen auch Fristen bereithält; denn lege fori bewirkt die bloße Einreichung häufig (wie etwa im deutschen Recht) noch keine Rechtshängigkeitssperre. Aus der autonomen Wirkung der Einreichung ergibt sich dann die Frage, in welcher Frist der Antragsteller die von ihm geforderten Handlungen vorzunehmen hat, um die bereits eingetretenen Wirkungen der Anrufung des Gerichts nicht zu verlieren. 7 Insoweit ist zu differenzieren: Bestimmt die lex fori eine Frist, binnen derer die weiteren Schritte, also die Zustellung (lit a) oder die Einreichung (lit b), zu veranlassen sind, so muss der Antragsteller diese Frist wahren, kann sie aber auch ausschöpfen; von ihm ist insbesondere nicht unverzügliches Handeln zu erwarten, wenn ihm das anwendbare Prozessrecht eine bestimmte Frist lässt.12 8 Sieht hingegen die lex fori keine Frist vor, weil sie der Einreichung noch keine Sperrwirkung zumisst, so ist die in Art 16 enthaltene autonome Regelung ergänzend dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller die weiteren Schritte ohne schuldhaftes Zögern einleitet.13 Nur so lässt sich vermeiden, dass der Antragsteller „auf Vorrat“ einen Gerichtsstand sperrt, etwa um sich diesen während Verhandlungen über eine Scheidungsvereinbarung zu sichern. Durch diese Differenzierung löst sich auch die Frage, ob der Antragsteller zulässigerweise eine zustellungsfähige Adresse nachreichen kann, ohne den Zeitpunkt der Anrufung zu verlagern.14 Er kann dies, solange er innerhalb der lege fori bestehenden Fristen handelt oder bei Fehlen solcher Fristen keine Verzögerung verschuldet.15 Weist der Adressat die Zustellung unter Art 8 EG-ZustVO 2007 mangels Übersetzung zurück und besteht nach Abs 3 die Möglichkeit der Heilung durch Nachreichung einer Übersetzung, so erscheint nach Art 8 Abs 3 S 3 EGZustVO 2007 eine Frist nationalen Rechts bereits durch die erstmalige Zustellung gewahrt. Mit Rücksicht auf den Zweck der vorliegenden Regelung ist jedoch zusätzlich zu fordern, dass der Antragsteller alles seinerseits Erforderliche tut, damit diese Übersetzung, wenn schon nicht mehr binnen der zunächst laufenden Frist, so doch unverzüglich nach Kenntnis von der Zurückweisung zugestellt wird. 11 12 13 14 15

200

Gruber IPRax 2005, 293, 296. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 12. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 15; Pabst Rn 538. Bejahend AnwKommBGB /Gruber Rn 5. Zur Frage, ob vor deutschen Gerichten die Nennung der Anschrift des früheren Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners genügt vgl KG NJW-RR 2005, 881, zitiert bei Gruber IPRax 2005, 293, 296 Fn 42.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

II.

Art 16 Brüssel IIa-VO 9-11

Anhängigkeit im Fall eines vorgeschalteten Versöhnungsverfahrens in Ehesachen

1. Eine eheverfahrensrechtliche Besonderheit ergibt sich, wenn die Verfahrensord- 9 nung eines zuständigen Gerichts ein Versöhnungsverfahren vorsieht, das Verfahrensrecht also nicht nur – wie üblich – eine eheerhaltende Tendenz der Verfahrensführung im Scheidungsprozess fordert, sondern dem eigentlichen streitigen Scheidungsprozess einen formellen Versöhnungsversuch verfahrensrechtlich voranstellt.16 Ein solches Verfahren löst nicht als solches die Sperrwirkung des Art 19 aus.17 Fraglich ist jedoch, ob das Gericht für das intendierte nachfolgende Ehescheidungsverfahren bereits mit Einleitung des Versöhnungsverfahrens als angerufen iSd Art 16 anzusehen ist. 2. Das Ziel, einen Wettlauf um den Gerichtsstand zu verhindern, spricht nur auf 10 den ersten Blick dafür, schon mit Anhängigkeit des Versöhnungsverfahrens den Scheidungsantrag als anhängig anzusehen.18 Zwar ist die in Art 16 und in Art 30 Brüssel I-VO geschaffene autonome Konzeption der Anhängigkeit gerade vor dem Hintergrund entstanden, dass Art 21 EuGVÜ Wettläufe um die Rechtshängigkeit ausgelöst hatte. Während es jedoch insoweit um einen autonomen Ausgleich angesichts unterschiedlicher nationaler Rechtshängigkeitskonzepte ging, hat das Problem des Versöhnungsverfahrens seine Wurzel in einer spezifischen eheerhaltenden Ausgestaltung des Scheidungsverfahrens und lässt sich nicht danach entscheiden, auf welchem Weg schnellstmöglich die Sperrwirkung des Art 19 ausgelöst wird. 3. Unzutreffend wäre es aber auch, Ehescheidung und Versöhnungsverfahren nur 11 wegen ihrer unterschiedlichen Zielsetzung nie iSd Art 16 als Einheit zu sehen.19 Zutreffend erscheint es vielmehr, die Frage aus dem prozessualen Zusammenhang zwischen Versöhnungsverfahren und Scheidungsverfahren in der jeweiligen lex fori zu lösen: Ist das Versöhnungsverfahren integraler Bestandteil des Scheidungsverfahrens, so ist das Gericht für das Scheidungsverfahren bereits im Zeitpunkt der Einleitung des Versöhnungsverfahrens angerufen iSd Art 16.20 Ist seine Durchführung hingegen Verfahrensvoraussetzung für die Einleitung eines Scheidungsverfahrens, so ist die Situation nicht anders zu beurteilen als im Verhältnis zwischen einem lege causae als Scheidungsvoraussetzung geforderten Ehetrennungsverfahren oder einem notwendigen Getrenntleben und der Ehescheidung. Was immer die Stellung des Scheidungsantrags verzögert, kann zwar Wettläufe um einen scheidungsfreundlicheren Gerichtsstand auslösen; das allein kann aber eine Vorverlegung des Anhängigkeitszeitpunkts nicht begründen. 16

17 18 19 20

Vgl den romanischen Versöhnungsversuch Italien Art 4 legge 898/1970; Frankreich Art 251 ff cc; Luxemburg Art 238 cc; Portugal Art 1774 cc; vgl auch im englischen Recht das information meeting sec 8 (2) FLA 1996. Dazu Art 19 Rn 22. So aber Boele-Woelki ZfRV 2001, 126. So aber MünchKommZPO /Gottwald Art 19 Rn 2; Zöller /Geimer Art 19 Rn 6. Cass Bull Civ 2006 no 374 («une étape obligatoire et préalable») ; Gruber FamRZ 2000, 1134; Thomas/ Putzo/Hüßtege Art 19 Rn 3; AnwKommBGB /Gruber Rn 7; Geimer/Schütze/Dilger Art 19 Rn 17.

Thomas Rauscher

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Art 16 Brüssel IIa-VO, 12 Art 17 Brüssel IIa-VO, 1, 2

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

12 4. Hingegen kann die Anhängigkeit einstweiliger Regelungen, insbesondere von Familiensachen während des (faktischen) Getrenntlebens, vor Anhängigkeit eines Eheverfahrens den Zeitpunkt der Anhängigkeit einer später eingeleiteten Ehesache nicht vorverlagern. 21

Artikel 17

Prüfung der Zuständigkeit Das Gericht eines Mitgliedstaats hat sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären, wenn es in einer Sache angerufen wird, für die es nach dieser Verordnung keine Zuständigkeit hat und für die das Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund dieser Verordnung zuständig ist. I. Abgrenzung zu Art 25 Brüssel I-VO 1. Sicherung von Zuständigkeiten der VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleich zu Art 25 Brüssel I-VO a) Unterschiede im System der ausschließlichen Zuständigkeit . . . . b) Von Art 17 erfasste Zuständigkeitskonkurrenzen. . . . . . . c) Keine rügelose Einlassung . . . . . . . . .

II. Zuständigkeitsprüfung

1

3

1. Eigene Unzuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit des Gerichts eines anderen Mitgliedstaates . . . . . . . . . . . . . . 3. Prüfung „von Amts wegen“; Rechtsmittelinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unzuständigerklärung . . . . . . . . . . . . . . . .

7 10 14 19

4 6

I.

Abgrenzung zu Art 25 Brüssel I-VO

1.

Sicherung von Zuständigkeiten der VO

1 a) Die Bestimmung – wortgleich aus Art 9 Brüssel II-VO übernommen – dient, wie Art 25 Brüssel I-VO, der Sicherung des Systems der Zuständigkeiten der VO. Der Anreiz, das Zuständigkeitssystem der VO durch Anrufung eines unzuständigen Gerichts zu umgehen, dürfte bei Ehe- und Kindschaftssachen größer sein als im (allgemeinen) Zivilprozess, weil die Wahl des Forums wegen erheblicher Unterschiede im IPR und im materiellen Recht starken Einfluss auf die materiellen Erfolgsaussichten hat. Die angeordnete Zuständigkeitsprüfung von Amts wegen entzieht nicht nur dem Antragsteller, sondern grundsätzlich auch den im Eheverfahren kooperationsbereiten Parteien die Disposition über das Zuständigkeitssystem. 2 b) Die Verfasser der VO wollten durch Art 17 das Zuständigkeitssystem der VO vor Umgehungsversuchen angesichts der Sensibilität der innerstaatlichen Eherechtsordnungen schützen.1 Dieses Bestreben ist allerdings nur dann legitim, wenn man die Prämisse setzt, ein Zuständigkeitssystem entworfen zu haben, das der berechtigten Sensi21 1

202

Hof ’s-Gravenhage NIPR 2006, 30. Borrás-Bericht Nr 49.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 17 Brüssel IIa-VO 3- 6

bilität der Rechtsunterworfenen und den gewachsenen historischen und rechtspolitischen Entscheidungen der Rechtssysteme gerecht wird. Dass es hieran mangelt, wurde bereits erörtert. 2 Art 17 verteidigt damit ein selbst recht unsensibles Zuständigkeitssystem auch gegen durchaus berechtigte Umgehungsversuche. 2.

Vergleich zu Art 25 Brüssel I-VO

a) Unterschiede im System der ausschließlichen Zuständigkeit Die Prämissen, vor denen Art 17 zu verstehen ist, unterscheiden sich deutlich von de- 3 nen des Art 25 Brüssel I-VO. Art 17 spricht, anders als Art 25 Brüssel I-VO, nicht von „ausschließlicher“ Zuständigkeit. Das beruht auf der unterschiedlichen Struktur der beiden Zuständigkeitssysteme. Die VO enthält einerseits im Gegensatz zur Brüssel I-VO kein System allgemeiner und besonderer Zuständigkeiten, denen bestimmte streitgegenstandsabhängige ausschließliche Zuständigkeiten (Art 22 Brüssel I-VO) gegenüberstehen. Die Ausschließlichkeit der Art 3 bis 5 ist nicht streitgegenstandsabhängig, sondern gemäß Art 6 situationsbezogen und besteht darüber hinaus nach der vom EuGH bestätigten Ansicht3 sogar immer dann, wenn sich eine Zuständigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ergibt; die Ausschließlichkeit der Art 8 bis 13 folgt, ebenso situationsbezogen, aus dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Während andererseits die Brüssel I-VO das Phänomen alternativer ausschließlicher Zuständigkeiten allenfalls als Kuriosum kennt, sind die Zuständigkeiten des Art 3 im Verhältnis zueinander grundsätzlich alternativ und bleiben es auch, soweit sie den Rang (im Verhältnis zu lex fori) ausschließlicher Zuständigkeiten einnehmen. b) Von Art 17 erfasste Zuständigkeitskonkurrenzen (1) Innerhalb der VO gibt es also keinen Konflikt zwischen ausschließlichen und 4 sonstigen Zuständigkeiten, den Art 17 zu lösen hätte. Es gilt nicht, für ein und denselben Streitgegenstand allgemeine Zuständigkeiten durch ausschließliche zu verdrängen, sondern lediglich, das Verhältnis zwischen zuständigen und unzuständigen Gerichten zu bestimmen. Im Binnensystem der VO bestimmt Art 17 damit nur, wie ein unzuständiges Gericht zu verfahren hat. Das Verhältnis zwischen alternativen Zuständigkeiten wird hingegen durch das Prioritätsprinzip des Art 19 bestimmt, auch wenn diese Zuständigkeiten alternativ-ausschließlich sind. (2) Art 17 wirkt jedoch auch auf das Außenverhältnis zur lex fori ein. Insoweit be- 5 steht die Möglichkeit, dass Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nach der VO ausschließlich zuständig sind. c) Keine rügelose Einlassung Die VO sieht keine Zuständigkeitsbegründung durch rügelose Einlassung vor; die 6 durch Art 3 Abs 1 lit a 4. Strich geschaffene Zuständigkeit bei gemeinsamem Schei2 3

Art 3 Rn 3 ff, 28 ff, 39 f. Art 6 Rn 11.

Thomas Rauscher

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Art 17 Brüssel IIa-VO 7- 9

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

dungsantrag mag funktionell an rügelose Einlassung erinnern, ist aber inhaltlich etwas anderes: Gemeinsamer Antrag bedeutet Einverständnis mit dem materiellen Antrag, rügelose Einlassung bedeutet (nur) Unterwerfung unter die Zuständigkeit. Da diese Unterwerfung nicht zugelassen ist, wird eine amtswegige Prüfung der Zuständigkeit immer, nicht nur im Verhältnis zu ausschließlichen Zuständigkeiten, geboten sein. II.

Zuständigkeitsprüfung

1.

Eigene Unzuständigkeit

7 Art 17 setzt voraus, dass das angerufene Gericht nach der Verordnung keine Zuständigkeit hat. Fraglich ist, wie das Kriterium „nach dieser VO“ zu verstehen ist. Für die Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals spielt eine wesentliche Rolle, in welcher Weise die Abgrenzung zwischen den Zuständigkeiten der VO und den Restzuständigkeiten der lex fori (Art 7) zu bestimmen ist. Verstünde man Art 6 als eine sinnvoll gedachte Bestimmung, die abschließend den ausschließlichen Anwendungsbereich der VO beschreibt und darüber hinaus den Rückgriff auf die lex fori erlaubt,4 so könnte eine Zuständigkeit „nach dieser VO“ nicht im Sinn eines Verweises auf Art 3 bis 5, 8 bis 13 verstanden werden: Einem Gericht, das seine Zuständigkeit zulässigerweise auf die lex fori stützt, kann vernünftigerweise keine Klageabweisung abverlangt werden. 8 Der EuGH5 hat hingegen Art 17 als Grundlage der Auslegung des Art 6 herangezogen: Das Bestehen einer Zuständigkeit in (irgend-)einem anderen Mitgliedstaat bei gleichzeitigem Fehlen der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nach Art 3 bis 5, 8 bis 13 schließt danach – für Ehesachen über Art 6 hinausgehend – den Rückgriff auf die Restzuständigkeiten lege fori (Art 7) aus. Dies impliziert ein Verständnis des Art 17, wonach ein Gericht zu prüfen hat, ob es nach den genannten Zuständigkeitsnormen dieser VO zuständig ist; fehlt es hieran, so ist in einem weiteren Schritt die Zuständigkeit der Gerichte aller anderen Mitgliedstaaten, wiederum anhand der genannten Zuständigkeitsnormen der Verordnung, zu beurteilen. Besteht danach in auch nur einem anderen Mitgliedstaat eine Zuständigkeit, so greift Art 17 ein, das angerufene Gericht hat sich also für unzuständig zu erklären.6 9 Gleichwohl besteht auch bei dieser Auslegung des Verhältnisses von Art 17 zu Art 6, 7 eine Zuständigkeit „nach dieser VO“, wenn das angerufene Gericht sich im Rahmen des Art 7 auf die Restzuständigkeiten der lex fori stützt, was nach vorstehender Ansicht des EuGH freilich seltener der Fall ist. Sind die Gerichte keines Mitgliedstaates nach Art 3 ff, 8 ff zuständig, so greift Art 17 für ein nach Art 7 iVm seiner lex fori zuständiges Gericht schon deshalb nicht ein, weil es „nach dieser Verordnung“ Zuständigkeit beanspruchen darf.

4 5 6

204

So Vorauflage Rn 7. EuGH Rs C-68/07 (Sundelind Lopez/Lopez) IPRax 2008, 257, dazu Art 6 Rn 11. So schon Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 1 f; Spellenberg FS Geimer (2002) 1278; Geimer/Schütze/ Dilger Rn 5; Zöller /Geimer Rn 4 f.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

2.

Art 17 Brüssel IIa-VO 10-15

Zuständigkeit des Gerichts eines anderen Mitgliedstaates

a) Als weitere Anwendungsvoraussetzung muss die Zuständigkeit eines Gerichts ei- 10 nes anderen Mitgliedstaats aufgrund der VO bestehen. „Aufgrund dieser VO“ ist jedenfalls dahingehend zu verstehen, dass sich die Zuständigkeit aus den Art 3 bis 5, 8 bis 13 ergibt, denn Art 17 schützt nur die nach der VO bestehenden Zuständigkeiten und befasst sich nicht mit der Konkurrenz zulässigerweise in Anspruch genommener Zuständigkeiten lege fori vor den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten. b) Entgegen dem Wortlaut genügt es, dass aufgrund der VO die internationale Zu- 11 ständigkeit in wenigstens einem anderen Mitgliedstaat besteht. Für die Bereitstellung einer örtlichen Zuständigkeit muss jeder Mitgliedstaat unter der VO selbst sorgen. c) Besteht in keinem anderen Mitgliedstaat eine Zuständigkeit aufgrund der VO, 12 so ist Art 17 wiederum7 nicht einschlägig, auch wenn sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem des angerufenen Gerichts eine Restzuständigkeit nach Art 7 iVm der dortigen lex fori ergeben sollte. Ist das angerufene Gericht selbst nach Art 7 iVm seiner lex fori zuständig, so nimmt das Verfahren seinen Fortgang, die Konkurrenz zwischen den Gerichten mehrerer lege fori zuständiger Mitgliedstaaten bestimmt sich jedoch nach Art 19 und nicht nach der lex fori. d) Zuständigkeitsbegründend wirkt Art 17 dagegen nicht.8 Besteht in keinem an- 13 deren Mitgliedstaat eine Zuständigkeit nach der VO, fehlt es aber dem angerufenen Gericht selbst an der Zuständigkeit aufgrund der VO einschließlich der Restzuständigkeiten lege fori, so lässt sich nicht etwa im Umkehrschluss aus Art 17 folgern, dass das Gericht dem Verfahren Fortgang geben darf. Art 17 ist vielmehr auch auf diesen Fall nicht zugeschnitten und nicht anwendbar. Die Verfahrensweise wegen der eigenen Unzuständigkeit bestimmt sich insoweit nicht nach Art 17, sondern nach der lex fori des angerufenen Gerichts. 9 3.

Prüfung „von Amts wegen“; Rechtsmittelinstanz

a) Die Prüfung der eigenen Zuständigkeit setzt voraus, dass das Gericht überhaupt 14 eine Zuständigkeit in der Ehe- oder Sorgesache beansprucht, also in der Hauptsache hierüber entscheidet. Stellt sich eine Art 1 unterfallende Materie nur als Vorfrage, so ist kein Gericht gehindert, diese Frage inzident zu entscheiden, wozu es keine Zuständigkeit in der Sache benötigt.10 b) Die Zuständigkeitsprüfung erfolgt von Amts wegen; was darunter zu verstehen 15 ist, sagt Art 17 nicht. Fraglich ist, ob lediglich eine Prüfung von Amts wegen iSd § 253 ZPO oder überdies die Feststellung der Tatsachen im Wege der Amtsermittlung (§ 26 7 8 9 10

Zur Nichtanwendbarkeit bei eigener Restzuständigkeit vgl Rn 9. Insoweit zutreffend Spellenberg FS Geimer (2002) 1278. Geimer/Schütze/Dilger Rn 5; MünchKommZPO /Gottwald Rn 3. Das dürfte der Borrás-Bericht Nr 49 mit „in der Nebensache anrufen“ meinen.

Thomas Rauscher

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Art 17 Brüssel IIa-VO 16-18

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

FamFG) gemeint ist.11 Auch wenn eine autonome Auslegung des Prüfungsmaßstabs im letzteren Sinn das Ziel der Bestimmung fördern könnte, die Ausnutzung des alternativen Charakters der Zuständigkeiten nach Art 3 zu vermeiden,12 ist kein anderer Maßstab anzulegen als zu Art 25 Abs 1 Brüssel I-VO;13 damit ist nur die Prüfung der für die Zuständigkeit behaupteten Tatsachen von Amts wegen, jedoch keine Amtsermittlung geboten.14 16 Nicht unumstritten ist, ob hierfür die Entwicklung autonomer Grundsätze möglich ist, die denen deutschen Rechts vergleichbar sind,15 oder ob mangels eines autonomen Begriffsbildes auf die jeweilige lex fori zurückzugreifen ist.16 Zutreffend dürfte sein, dass gewisse Grundlinien der amtswegigen Prüfung aus dem Zweck der Regelung heraus autonom feststellbar sind, im Detail jedoch auf die lex fori zurückgegriffen werden muss: Grundsätzlich trägt der Antragsteller die materielle Beweislast für seinen zuständigkeitsbegründenden Vortrag.17 Auch unbestrittener Parteivortrag bindet das Gericht jedoch nicht, die Zuständigkeit muss erwiesen sein. Welchen Grad der Überzeugung das Gericht hierbei erreichen muss, entscheidet die lex fori. Das Gericht hat Zweifeln nachzugehen, die Parteien zur Beibringung von Beweisen aufzufordern und ggf selbst Freibeweis zu erheben, wobei dann die Beweismethoden nur lege fori bestimmt werden können. 17 Vor dem Hintergrund der möglichen Doppelfunktionalität des gewöhnlichen Aufenthalts für die Zuständigkeit und für den Nachweis eines materiell erforderlichen Getrenntlebens sollte allerdings der Parteivortrag hierzu zuständigkeitsrechtlich nicht kritischer hinterfragt werden als hinsichtlich der substantielleren Scheidungsvoraussetzung gemäß §§ 1565 Abs 2, 1566, 1567 BGB (Getrenntleben). Das Gericht kann es für Zuständigkeitszwecke gleichwohl nicht bei einer Schlüssigkeitsprüfung bewenden lassen. Ist etwa die Dauer des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers in einem anderen Mitgliedstaat als dem des früheren gemeinsamen ehelichen gewöhnlichen Aufenthalts schlüssig behauptet, so kann nicht der Umstand, dass diese Behauptung auch für § 1566 Abs 1 BGB relevant werden kann, die Prüfungsintensität in Ansehung der Zuständigkeit reduzieren, zumal nicht feststeht, aus welchem materiellem Scheidungsgrund oder Nachweistatbestand die Ehe von dem nur nach schlüssiger Behauptung zuständigen Gericht geschieden wird. Womöglich erweist sich die potentiell doppelfunktionelle Tatsache materiell als nicht entscheidungserheblich. 18 c) Art 17 gilt auch im Verfahren der Beschwerde und Rechtsbeschwerde. §§ 65 Abs 4, 72 Abs 2 FamFG stehen einer Abweisung der Klage als unzulässig aus zwei Gründen nicht entgegen. Zum einen betrifft Art 17 die internationale (Un-)Zustän11 12 13 14 15 16 17

206

Zweifelnd Spellenberg FS Geimer (2002) 1277. Borrás-Bericht Nr 49. MünchKommZPO /Gottwald Rn 1; dazu Rauscher /Mankowski Art 25 Brüssel I-VO Rn 5 f. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 5; MünchKommZPO /Gottwald Rn 1. Vgl Schlosser-Bericht zum Brüsseler Übereinkommen Nr 22. So Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 5. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 5.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 17 Brüssel IIa-VO, 19 Art 18 Brüssel IIa-VO

digkeit, für die §§ 65 Abs 4, 72 Abs 2 FamFG, ebenso wie §§ 513 Abs 2, 545 Abs 2 ZPO, nicht gelten. Zum zweiten handelt es sich bei Art 17 um Europarecht, das den die Prüfungsbefugnis einschränkenden Bestimmungen der ZPO vorgeht; dass die VO von einer Prüfung im Instanzenzug ausgeht, folgt mittelbar auch aus Art 68 Abs 1 EGV, wonach nur die letzte Instanz vorlegen konnte.18 4.

Unzuständigerklärung

Die Rechtsfolge der Unzuständigerklärung ist ebenso zu verstehen wie in Art 25 Abs 1 19 Brüssel I-VO. Es ist also die nach dem jeweiligen nationalen Verfahrensrecht vorgesehene Prozessentscheidung zur Verfahrensbeendigung im Fall der Unzuständigkeit zu treffen; vor deutschen Gerichten ist der Antrag als unzulässig abzuweisen. Eine Verweisung zwischen den Mitgliedstaaten ist hingegen nicht aufgrund von Art 1719, sondern nur nach Maßgabe von Art 15 in Sorgerechtssachen möglich.

Artikel 18

Prüfung der Zulässigkeit (1) Lässt sich ein Antragsgegner, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem Mitgliedstaat hat, in dem das Verfahren eingeleitet wurde, auf das Verfahren nicht ein, so hat das zuständige Gericht das Verfahren so lange auszusetzen, bis festgestellt ist, dass es dem Antragsgegner möglich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, dass er sich verteidigen konnte, oder dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden. (2) Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000* findet statt Absatz 1 Anwendung, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe jener Verordnung von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu übermitteln war. (3) Sind die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000** nicht anwendbar, so gilt Artikel 15 des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe des genannten Übereinkommens ins Ausland zu übermitteln war. I. Parallele zu Art 26 Brüssel I-VO . . . . .

1

II. Korrekturbedarf im räumlich-

persönlichen Anwendungsbereich . . . . .

4

III. Verfahren bei Nichteinlassung des

Antragsgegners (Abs 1) 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussetzung des Verfahrens – Fortgang des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . .

8 12

18

Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 8; nunmehr aber vgl Einl Rn 38. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 9. * Gemäß Art 25 Abs 2 iVm Anhang III EG-ZustVO 2007 ist diese Verweisung zu lesen als „Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007“. ** Nunmehr „Verordnung (EG) Nr. 1393/2007“ (Art 25 Abs 2 iVm Anhang III EG-ZustVO 2007). 19

Thomas Rauscher

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Art 18 Brüssel IIa-VO 1-5

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

IV. Verfahren nach EG-ZustVO oder

Haager Übereinkommen (Abs 2, 3) . . . 1. Zustellung zwischen Mitgliedstaaten (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

19 20

2. Zustellung zwischen (sonstigen) Vertragsstaaten des Haager Zustellungsübereinkommens (Abs 3) 3. Verbleibende Fallkonstellationen für Abs 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21 22

Parallele zu Art 26 Brüssel I-VO

1 1. Art 18 – mit inhaltlich unbedeutenden Retuschen und Straffungen im Wortlaut aus Art 10 Brüssel II-VO übernommen – beruht auf Art 26 Brüssel I-VO. Während jedoch Art 26 Brüssel I-VO zwei Regelungsziele verfolgt, greift Art 18 nur die Regelung in Art 26 Abs 2, 3 und 4 Brüssel I-VO auf, die dem Schutz des rechtlichen Gehörs des Beklagten/Antragsgegners dient und zugleich sicherstellen soll, dass die Anerkennung der späteren Entscheidung nicht an Art 22 lit b bzw Art 23 lit c scheitert.1 2 Dass in Art 18 prima facie nur eine Art 26 Abs 1 Hs 2 Brüssel I-VO entsprechende Regelung fehlt, beruht darauf, dass die in Art 26 Abs 1 Hs 1 enthaltene Beschreibung der Verfahrenssituation für die gesamte Bestimmung gilt, also in Art 18 Abs 1 – der regelungstechnisch Art 26 Abs 2 Brüssel I-VO entspricht – eingefügt werden musste. 3 2. Eine Art 26 Abs 1 Brüssel I-VO entsprechende Regelung fehlt hingegen nicht. Die Verpflichtung des Gerichts, bei Unzuständigkeit die Klage abzuweisen, ist vielmehr Regelungsinhalt des Art 17. 2 Dort ist allerdings die Pflicht zur Antragsabweisung wegen Unzuständigkeit ohne die zusätzliche Voraussetzung aus Art 26 Abs 1 Brüssel I-VO statuiert, weil die VO keine rügelose Einlassung kennt, also die Zuständigkeit immer von Amts wegen zu prüfen ist und nicht nur bei Säumnis des Antragsgegners. II.

Korrekturbedarf im räumlich-persönlichen Anwendungsbereich

4 1. Im Gegensatz zu Art 26 Abs 2 Brüssel I-VO, der, mit Rücksicht auf Art 26 Abs 1, auf Fälle bezogen wird, in denen der Beklagte seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat,3 ist die vorliegende Bestimmung nach dem Wortlaut des Abs 1, an den sich die hM anschließt, anzuwenden, wenn der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Gerichtsstaat hat.4 Anders als zu Art 26 Brüssel I-VO muss der gewöhnliche Aufenthalt damit nicht in einem anderen Mitgliedstaat bestehen. 5 2. Diese Auslegung setzt freilich voraus, dass Art 18 primär als Schutz des Antragsgegners gegen das Risiko einer Zustellung bei Verschiedenheit seines gewöhnlichen Aufenthaltsstaates vom Gerichtsstaat zu verstehen ist.5 Dies kann durchaus zweifel1 2 3 4 5

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Geimer/Schütze/Dilger Rn 1; Vogel MDR 2000, 1048. Borrás-Bericht Nr 51; vgl Art 9 Rn 18. Kropholler Art 26 Brüssel I-VO Rn 6 mit Nachw. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 4; Geimer/Schütze/Dilger Rn 2; MünchKommZPO /Gottwald Rn 2. So Geimer/Schütze/Dilger Rn 3; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 4.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 18 Brüssel IIa-VO 6, 7

haft sein, denn Art 18 dient auch der Vermeidung von Situationen, in denen die Entscheidung nach Art 22 lit b, 23 lit c nicht anerkennungsfähig wäre, ist also auch anerkennungsorientiert. Vor diesem Hintergrund wäre es geboten, in dieser VO, die zu Recht neben dem gewöhnlichen Aufenthalt auch der Staatsangehörigkeit als Zuständigkeitskriterium Raum gibt, auch die Anerkennungsfähigkeit im Heimatstaat zu sichern und einen Abs 1 entsprechenden Schutz auch ausländischen Antragsgegnern mit gewöhnlichem Aufenthalt im Gerichtsstaat zu gewähren. Gleichwohl dürfte eine Auslegung, die Abs 1 auf diese naheliegende Anerkennungssituation bezieht, nicht mehr mit dem Wortlaut der Regelung zu vereinbaren sein.6 3. Selbst bei einem rein zuständigkeitsrechtlichen Verständnis ist freilich der ge- 6 wöhnliche Aufenthalt des Antragsgegners kein unbedingt geeignetes Kriterium, um das Zustellungsrisiko zu beschreiben, denn das Zustellungsrisiko ergibt sich nicht nur dann, wenn am gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners im Ausland zugestellt wird oder wenn eine Inlandszustellung bei ausländischem gewöhnlichem Aufenthalt erfolgt. Die in Abs 2 und Abs 3 verwiesenen Regelungen in Art 19 EGZustVO 20077 und Art 15 HZÜ gehen insofern zu Recht weiter: Sie stellen nicht auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Zustellungsadressaten ab, sondern nur auf die Übermittlung zum Zweck der Zustellung in einen anderen Mitglied- bzw Vertragsstaat. Hieraus ergibt sich zum einen die Frage, ob der Rechtsgedanke aus Art 19 EG-ZustVO 2007 und Art 15 HZÜ auch für Abs 1 nutzbar zu machen ist. Dies ist zu bejahen;8 der Antragsgegner als Zustellungsadressat ist auch in Anwendung nationalen Zustellungsrechts schutzwürdig, wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, an ihn jedoch im Ausland zugestellt wird. Bei der Fassung des Abs 1 wurde offenbar irrig unterstellt, die Zustellung finde immer am gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners statt,9 so dass der scheinbar eindeutige Wortlaut nicht gegen eine solche erweiternde Auslegung spricht. 4. Klärungsbedürftig ist vor demselben Hintergrund zum anderen auch die Frage, ob 7 der in Abs 1 beschriebene Anwendungsbereich den der in Abs 2 und Abs 3 verwiesenen Bestimmungen überlagert und verändert. Dies ist zu verneinen:10 Abs 2 und Abs 3 stellen den gebotenen Vorrang der dort verwiesenen Bestimmungen gegenüber der Auffangregel des Abs 1 sicher. Dieser Vorrang besteht jedoch unabhängig vom gewöhnlichen Aufenthalt des Zustellungsadressaten immer schon dann, wenn eine Zustellung in einen anderen Mitglied- oder Vertragsstaat erfolgt. Für Abs 2 und Abs 3 kann es also auf den gewöhnlichen Aufenthalt nicht ankommen, weil sonst systemwidrig (EGZustellVO als lex specialis) oder völkerrechtswidrig (Außenvorrang des HZÜ) den verwiesenen Bestimmungen der ihnen eigene Anwendungsbereich beschränkt würde. 6 7

8 9 10

Weshalb die hier in der Vorauflage Rn 5 vertretene Ansicht aufgegeben wird. In wenig glücklicher Anpassungstechnik wurde die Verweisung in Abs 2 nicht auf die neue Verordnung (EG-ZustVO 2007) umgestellt, sondern eine pauschale Verweisung-Umleitungsregelung in Art 25 Abs 2 iVm Anhang III EG-ZustVO 2007 getroffen. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 4, 5 nimmt dies nur für den Anwendungsbereich von Abs 2, 3 an. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 4. IE ebenso Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 5.

Thomas Rauscher

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Art 18 Brüssel IIa-VO 8-11

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

III. Verfahren bei Nichteinlassung des Antragsgegners (Abs 1)

1.

Voraussetzungen

8 a) Abs 1 regelt die Reaktion des aufgrund der VO zur Entscheidung zuständigen Gerichts im Erkenntnisverfahren im Fall der Nichteinlassung des Antragsgegners. Diese ist wie zu Art 26 Brüssel I-VO in autonomer Auslegung zu beurteilen. Nichteinlassung liegt nur vor, wenn sich der Antragsgegner weder selbst noch durch einen von ihm beauftragten11 Bevollmächtigten am Verfahren beteiligt. Der bloße Verzicht auf eine Einlassung zur Sache genügt nicht. Eine Beteiligung zum Zweck der Rüge der Zuständigkeit bedeutet nicht Nichteinlassung; die Bestimmung soll verhindern, dass das Verfahren fortschreitet, ohne dass der Antragsgegner Kenntnis von dessen Einleitung hat. Deshalb darf andererseits eine Meldung des Antragsgegners im Verfahren, die nur dem Zweck dient, darauf hinzuweisen, dass er von dem Verfahren zu spät Kenntnis nehmen konnte und deshalb keine ausreichende Verteidigungsmöglichkeit hatte, nicht als Einlassung gewertet werden.12 9 b) Die Bestimmung greift jedenfalls dann ein, wenn der Antragsgegner keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gerichtsstaat hat. Wird zum Zweck der Zustellung ein Schriftstück grenzüberschreitend übermittelt, so betrifft Abs 1 nur die Fälle, in denen Abs 2 oder 3 nicht eingreifen, somit Fälle der Übermittlung in einen Nicht-Mitglied- oder Vertragsstaat. In dieser Fallgruppe kommt es wegen der hier vertretenen teleologischen Erweiterung13 nicht auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners an. 10 Abs 1 gilt zudem bei einer Inlandszustellung, sei sie fiktiv oder an einen (letzten) Wohnsitz des Antragsgegners im Gerichtsstaat bewirkt, der aber keinen gewöhnlichen Aufenthalt (mehr) begründet, jedoch nur, sofern der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Aufenthaltsstaat Mitgliedstaat der EG-ZustVO oder Vertragsstaat des HZÜ ist, da Abs 2 und Abs 3 im Einklang mit den verwiesenen Instrumenten eine grenzüberschreitende Übermittlung erfordern. Keine Anwendung findet Abs 1 auf (fiktive) Inlandszustellung bei inländischem oder ungeklärtem gewöhnlichem Aufenthalt. 11 c) In Sorgerechtssachen ist die Bestimmung nach ihrem Wortlaut ebenfalls nur auf Zustellungen an den Antragsgegner anzuwenden. Damit ergibt sich, misst man die Regelung an dem Zweck, die Anerkennungsversagung nach Art 23 lit c zu vermeiden, eine Lücke. Art 23 lit c versagt zutreffend die Anerkennung nicht nur bei dort beschriebener Betroffenheit des Antragsgegners, sondern auch bei sonstigen Personen, an die rechtzeitig hätte zugestellt werden müssen. Insbesondere in Amtsverfahren, in denen ein formeller Antragsgegner fehlt, können mehrere potentielle Träger der elter11 12 13

210

EuGH Rs C-78/95 Hendrikman/Magenta EuGHE 1996 I 4943. Kropholler Art 34 Brüssel I-VO Rn 27; AnwKommBGB /Gruber Rn 2; Geimer/Schütze/Dilger Rn 2. Vgl Rn 6.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 18 Brüssel IIa-VO 12-15

lichen Sorge im Sinn von Art 23 lit c betroffen sein. Obgleich Art 18 im Vergleich zu Art 10 Brüssel II-VO just an dieser Stelle sprachlich geglättet wurde und der „Antragsgegner“ an die Stelle der „Person“ getreten ist, sollte eine analoge Anwendung auf andere materiell Beteiligte als den Antragsgegner nicht ausscheiden; die Änderung ist rein sprachlich motiviert und steht einer Analogie nicht entgegen. Hingegen würde eine analoge Anwendung auf die Beteiligung des Kindes (vgl Art 23 lit b) die Grenzen der Lückenfüllung sprengen, da die Kindesinteressen anders gelagert sind als die sonstiger Beteiligter und nicht durch formalisierte Beteiligungssicherung, die Art 18 bietet, geschützt werden können. 2.

Aussetzung des Verfahrens – Fortgang des Verfahrens

a) Das Gericht hat das Verfahren von Amts wegen auszusetzen. Ein Ermessen be- 12 steht nicht. Im Gegensatz zu Art 19 Abs 1 führt diese Aussetzung nicht zu einem vorübergehenden Stillstand des Verfahrens. Ziel der Aussetzung ist es, Feststellungen über die Kenntnisnahmemöglichkeit hinsichtlich des verfahrenseinleitenden oder eines gleichwertigen Schriftstücks zu treffen, so dass das Gericht verfahrensfördernd tätig bleibt, Verfahrenshandlungen zu Lasten des Antragsgegners aber nicht stattfinden können. Das Verfahren nimmt seinen Fortgang, wenn diese Feststellungen zur Überzeugung des Gerichts getroffen sind. b) Die für die Betrachtung der Zustellung ex post aus dem Blickwinkel des Anerken- 13 nungsverfahrens in Art 22 lit b und 23 lit c übernommenen Lockerungen der Ordnungsgemäßheit der Zustellung im Vergleich zu Art 27 Nr 2 EuGVÜ haben für die im Ausgangsverfahren zu treffenden Feststellungen keine unmittelbare Bedeutung. Abs 1 stellt, wie schon Art 20 Abs 2 EuGVÜ und Art 26 Abs 2 Brüssel I-VO, auf die Möglichkeit des Antragsgegners ab, das Schriftstück zu empfangen, nicht aber auf die formale Ordnungsgemäßheit der Zustellung. Gleichwohl wird das Gericht ohne formal ordnungsgemäße Zustellung nicht annehmen können, alle erforderlichen Maßnahmen getroffen zu haben.14 Zudem kann die formale Ordnungsgemäßheit der Zustellung nach der lex fori eine zu- 14 sätzliche Voraussetzung für den Erlass einer Versäumnisentscheidung sein, die durch Abs 1 nicht verdrängt wird. c) Der Begriff verfahrenseinleitendes Schriftstück ist wie zu Art 26 Brüssel I-VO 15 autonom zu verstehen. Es handelt sich um die nach dem Verfahrensrecht der lex fori vorgesehene Urkunde, durch deren Zustellung der Antragsgegner erstmals von dem Verfahren Kenntnis erlangt und die die wesentlichen Elemente des Rechtsstreits (Parteien, Antrag) bezeichnet.15 In isolierten Sorgerechtssachen kann auch die Ladung ei14 15

Unten Rn 18. EuGH Rs C-172/91 Sonntag/Weidmann EuGHE 1993 I 1963; vgl im Übrigen Rauscher/Staudinger zu Art 26 Abs 2 Brüssel I-VO.

Thomas Rauscher

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Art 18 Brüssel IIa-VO 16-19

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

nes materiell Beteiligten durch das von Amts wegen tätig gewordene Gericht als verfahrenseinleitendes Schriftstück verstanden werden. 16 Gleichwertige Schriftstücke sind solche, durch die während des Verfahrens der Antragsteller von wesentlichen Änderungen des Verfahrensgegenstandes Kenntnis erlangt, zB ein im laufenden Ehescheidungsverfahren gestellter Sorgerechtsantrag.16 Hingegen erfasst Abs 1 sonstige im Laufe des Verfahrens zuzustellende Schriftstücke nicht. 17 d) Die Rechtzeitigkeit des Zugangs des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ist ebenfalls autonom zu beurteilen; Ladungs- und Einlassungsfristen der lex fori setzen hierfür allenfalls Mindeststandards. Maßgeblich ist, wie zu Art 26 Abs 2 Brüssel I-VO17 und für die Beurteilung im Anerkennungsstadium (Art 22 lit b, 23 lit c), dass der Antragsgegner nach den Umständen des Einzelfalls genügend Zeit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zur Verfügung hatte. Ist das Schriftstück durch ordnungsgemäße Zustellung zugegangen, kommt es für die Bestimmung des erforderlichen Zeitraums auf diesen Zeitpunkt an, auch wenn die tatsächliche Kenntnisnahme später erfolgt ist. Ist hingegen die Zustellung ohne Zugang bewirkt oder ist die Zustellung erkennbar fehlerhaft, so kommt es für die Beurteilung auf den Zeitpunkt an, in dem der Antragsgegner tatsächlich Kenntnis nehmen konnte. 18 e) Abs 1 lässt auch die Feststellung genügen, dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind. Das Ausbleiben des Zugangsnachweises blockiert nicht auf Dauer den Fortgang des Verfahrens. Das Gericht muss insbesondere nicht positiv feststellen, dass der Antragsgegner das Schriftstück zur Kenntnis genommen hat, es genügt die Feststellung positiver Indizien, aus denen auf die Kenntnisnahmemöglichkeit zu schließen ist. In diesem Zusammenhang kommt der formalen Ordnungsgemäßheit der Zustellung Bedeutung zu. Einerseits begründet formale Ordnungsgemäßheit allein nicht die Feststellung, alle erforderlichen Maßnahmen getroffen zu haben. Es bedarf insbesondere bei öffentlichen Zustellungen flankierender Maßnahmen zur Sicherung der Kenntnisnahme (Übersendung an – letzte – bekannte Auslandsanschrift etc). Andererseits kann ohne positiven Nachweis des Zugangs eine (persönliche) Zustellung, die bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge zur Kenntnisnahme führt, die aber nicht ordnungsgemäß erfolgt ist, nicht genügen. Alle erforderlichen Maßnahmen können erst dann getroffen sein, wenn das Gericht eine formal ordnungsgemäße Zustellung unternommen hat. IV.

Verfahren nach ZustellungsVO oder Haager Übereinkommen (Abs 2, 3)

19 Der Anwendungsbereich des Abs 1 ist deutlich eingeschränkt durch den Vorrang der entsprechenden Verfahrensregeln im Fall der Säumnis des Beklagten im Anwendungsbereich der in Abs 2 und 3 genannten Rechtsinstrumente.

16 17

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AnwKommBGB /Gruber Rn 4. Vgl Rauscher/Staudinger Art 26 Brüssel I-VO.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 18 Brüssel IIa-VO, 20-22 Art 19 Brüssel IIa-VO

Zwischen den Mitgliedstaaten unterliegt die Zustellung seit dem 31.5.2001 der EGZustVO 2000, die mit Wirkung vom 13.11.2008 durch die EG-ZustVO 200718 abgelöst wurde. Internationale Zustellungen zwischen Vertragsstaaten, die nicht beide Mitgliedstaaten der EG-ZustVO sind, bestimmen sich nach dem Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965 (HZÜ).19 Beide Rechtsinstrumente enthalten Bestimmungen über das Verfahren bis zum Nachweis der erfolgten EG-Zustellung, hinter die Abs 1 zurücktritt. 1.

Zustellung zwischen Mitgliedstaaten (Abs 2)

Ist die Zustellung in einen Mitgliedstaat zu bewirken, so gilt die EG-ZustellVO-a, die 20 denselben Kreis von Mitgliedstaaten aufweist wie die vorliegende VO. In diesem Fall ist Art 19 EG-ZustVO 2007 anzuwenden,20 der neben einem Art 10 Abs 1 ähnlichem Verfahren eine formalisierte Verfahrensweise im Fall des Nichteintreffens eines Zustellungsnachweises erlaubt (Art 19 Abs 2 EG-ZustVO 2007).21 Die Verweisung in Abs 2 ist gemäß Art 25 Abs 2 EG-ZustVO 2007 auf Art 19 EG-ZustVO 2007, der Art 19 EG-ZustVO 2000 entspricht, zu beziehen. 2.

Zustellung zwischen (sonstigen) Vertragsstaaten des Haager Zustellungsübereinkommens (Abs 3)

Erfolgt die Zustellung in einen Vertragsstaat des HZÜ, der nicht Mitgliedstaat ist, und 21 ist der Gerichtsstaat ebenfalls Vertragsstaat des HZÜ, so unterliegt die Zustellung dem HZÜ. Das Verfahren im Fall der Nichteinlassung des Antragsgegners beurteilt sich dann nach Art 15 HZÜ, der Abs 1 verdrängt. 22 Insbesondere gilt Art 15 HZÜ, wenn an den Antragsgegner in Dänemark zuzustellen ist. 3.

Verbleibende Fallkonstellationen für Abs 1 22

Zum verbleibenden Anwendungsbereich des Abs 1 vgl oben Rn 9 f.

Artikel 19

Rechtshängigkeit und abhängige Verfahren (1) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Anträge auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe zwischen denselben Parteien gestellt, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist.

18 19 20 21 22

Vgl Rauscher/Heiderhoff EG-ZustVO 2007. BGBl 1977 II 1453. Borrás-Bericht Nr 51; Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 571 f. Vgl Rauscher/Heiderhoff Art 19 EG-ZustVO 2007 Rn 15 ff. Näher zu Art 15 HZÜ bei Art 26 Abs 4 Brüssel I-VO.

Thomas Rauscher

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Art 19 Brüssel IIa-VO 1

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

(2) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren bezüglich der elterlichen Verantwortung für ein Kind wegen desselben Anspruchs anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist. (3) Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig. In diesem Fall kann der Antragsteller, der den Antrag bei dem später angerufenen Gericht gestellt hat, diesen Antrag dem zuerst angerufenen Gericht vorlegen. I. Erweiterung der Sperrwirkung im Vergleich zu Art 27, 28 Brüssel I-VO 1. Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkurrenzsituationen . . . . . . . . . . . . . . . 3. Lösung – Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Konsequenzen für Verbundverfahren

III. Aussetzung bei konkurrierenden

1 7 10 13

II. Aussetzung bei konkurrierenden

Ehesachen (Abs 1) 1. Voraussetzungen a) Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Parteiidentität – keine Anspruchsidentität . . . . . . . . . c) Anhängigkeit verschiedener Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abweichung zwischen Rechtshängigkeitssperre und Rechtskraft . . . . . . . . . . 4. Insbesondere: Ehetrennung und Ehescheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Verfahren zur elterlichen Verantwortung (Abs 2) 1. Voraussetzungen a) Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Identität der Person des Kindes, Anspruchsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 38 44

IV. Unzuständigerklärung durch das

15 17 20 25 27

spätere Gericht (Abs 3) 1. Feststehen der Zuständigkeit des Erstgerichts (Abs 3 S 1) . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorlegung des Antrags beim Erstgericht (Abs 3 S 2) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahren bei Unzuständigkeit oder nach Abweisung durch das Erstgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Späteres Verfahren im Zweitstaat . . . .

45 50

56 59

32

I.

Erweiterung der Sperrwirkung im Vergleich zu Art 27, 28 Brüssel I-VO

1.

Prinzipien

1 a) Die Bestimmung beruht auf Art 11 Abs 1 bis 31 Brüssel II-VO und unterscheidet nunmehr einen nur für Ehesachen geltenden Tatbestand (Abs 1) und einen nur für Sorgerechtsverfahren geltenden (Abs 2). Inhaltlich ergeben sich dadurch jedoch keine Änderungen,2 da Art 11 Abs 1 und Abs 2 Brüssel II-VO für Ehesachen vollständig in Abs 1 aufgehen.

1 2

214

Art 11 Abs 4 Brüssel II-VO wurde in Art 16 übernommen. Kommission, Leitfaden 61.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 19 Brüssel IIa-VO 2-7

Die Bestimmung geht zurück auf die Behandlung anderweitiger Rechtshängigkeit in 2 Art 21, 22 EuGVÜ /Art 27, 28 Brüssel I-VO. Das auf der Tatbestands- und Rechtsfolgenseite flexible Konzept der in Zusammenhang stehenden Verfahren in Art 28 Brüssel I-VO schien den Verfassern schon wegen möglicher Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Zusammenhangs hier hingegen nicht geeignet. 3 b) Übernommen wurde hingegen das Prioritätsprinzip4 und damit die kontinentale 3 Lösung der Rechtshängigkeitsproblematik. Dieses Prinzip wurde auf nicht gegenstandsidentische Verfahren ausgedehnt. Die in Art 11 Abs 4 Brüssel II-VO aus Art 30 Brüssel I-VO übernommene autonome Bestimmung der Anhängigkeit findet sich hingegen nun in Art 16. Die Suche nach dem sachnäheren Gericht, die sich aus Sicht des common law anbietet 4 und für die bei Ehesachen durchaus mehr spräche als bei allgemeinen Zivilsachen, wäre in der Praxis schwerer handhabbar gewesen. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob das zweitangerufene Gericht (ebenfalls) zuständig ist5 oder sich für besser geeignet hält, die Sache zu entscheiden. Für Sorgerechtssachen ist hingegen Abs 2 überlagert durch die auf dem Prinzip des 5 forum non conveniens beruhende neue Regelung in Art 15; nach Art 15 kann auch das erstangerufene Gericht einvernehmlich an das zweitangerufene verweisen. Auf eine Anerkennungsprognose verzichtet die VO ebenso wie Brüssel I,6 was sinn- 6 voll ist, da die VO in Art 21 ff die Anerkennung sicherstellt. Allerdings würde der Verzicht auf die Anerkennungsprognose nur dann gänzlich stimmig sein, wenn die Rechtshängigkeitssperre auch in ihrer Reichweite auf die Anerkennungswirkungen und damit auf die Rechtskraft abgestimmt ist. Die an sich kluge Idee der Anerkennungsprognose, nämlich danach zu fragen, ob das Ergebnis des ausländischen Verfahrens dereinst überhaupt zum Rechtskraft-Konflikt führen kann, sollte man durchaus im Auge behalten, auch wenn die formelle Grundlage der Anerkennung im Anwendungsbereich der VO gesichert ist.7 2.

Konkurrenzsituationen

a) Die Entwicklung der Regelung stand unter dem Eindruck konkurrierender Ehe- 7 verfahren in verschiedenen Staaten, deren Verhinderung ein bedeutendes Ziel der VO ist,8 das in Art 19 Abs 1 jedoch entschieden überspannt wird. 3 4 5 6

7 8

Borrás-Bericht Nr 52. Borrás-Bericht Nr 53; Hausmann EuLF 2000/01, 346. Rb ’s-Hertogenbosch NIPR 2008, 303, 304. MünchKommZPO /Gottwald Rn 2; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1; Zöller /Geimer Rn 2; Gruber FamRZ 2000, 1132; Hau FamRZ 2000, 1339. Näher unten Rn 27 ff. Hau FamRZ 2000, 1339; Boele-Woelki ZfRV 2001, 126.

Thomas Rauscher

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Art 19 Brüssel IIa-VO 8-11

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

8 b) Dabei werden in dieser Frage die Unterschiede der berührten einzelstaatlichen Rechtsordnungen besonders relevant. Die Struktur der materiellen Eherechtsordnungen schafft nicht nur unterschiedliche Scheidungsgründe, die im innerstaatlichen Recht als unterschiedliche Streitgegenstände behandelt werden mögen. Sie führt auch zu Konflikten zwischen Ehescheidung, Eheaufhebung und Ehetrennung und berührt damit den Streitgegenstand selbst dann, wenn man ihn europäisch-autonom lediglich aus der Funktion des Rechtsinstituts und nicht aus seiner dogmatischen Grundlegung bestimmen wollte. Die Ehetrennung ist nur vereinzelt bekannt und dient (nur) teilweise als zwingende Vorstufe der Zerrüttungsscheidung. Ein solcher Zusammenhang lässt sich auch bei weiter funktioneller Sicht nicht als derselbe Streitgegenstand ansehen. Die Eheaufhebung ist in den meisten Rechtsordnungen als Reaktion auf Eheschließungsmängel vorgesehen, teils mit Wirkung ex tunc, teils ex nunc,9 während die Ehescheidung auf ein Scheitern der wirksam geschlossenen Ehe reagiert. Schweden und Finnland sehen hingegen nur noch die Ehescheidung vor, was die Frage aufwarf, ob ein Eheaufhebungsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat nicht wegen weiterreichender Folgen Vorrang gegenüber einer auf Eheschließungsmängel gestützten Scheidung haben sollte.10 9 c) Hinzu kommt, dass die Fixierung eines Gerichtsstands durch eine Partei über die prozessualen Interessen hinaus, die schon in Anwendung der Art 21, 22 EuGVÜ deutlich wurden, die Kollisionsrechtsanwendung und damit das Scheidungs- und Aufhebungsstatut beeinflusst. Mit der Rechtshängigkeitssperre wird nicht nur der Zugriff auf ein bequemer erreichbares, schnelleres oder kostengünstigeres Verfahren blockiert. Es kann auch der Zugriff auf bestimmte Scheidungsgründe oder auf eine alsbaldige Scheidung blockiert werden. 3.

Lösung – Kritik

10 a) Die gewählte Lösung erreicht auf ebenso einfache11 wie radikale Weise das Ziel, konkurrierende Verfahren zu verhindern. In Ehesachen blockiert das erste eingeleitete Verfahren jedes weitere nicht nur bei Identität des Anspruchs, sondern auch bei verschiedenen eherechtlichen Ansprüchen zwischen denselben Parteien (Abs 1). Nur für – selbstständige und unselbstständige – Verfahren über die elterliche Verantwortung bleibt es bei dem Erfordernis einer Anspruchsidentität (Abs 2). 11 b) Die zunächst12 überwiegend unkritische Zustimmung zu diesem mühsam erzielten Kompromiss beruht einerseits auf der konsequenten Erreichung des Ziels, konkurrierende Verfahren zu vermeiden.13 Andererseits erscheint manchen dadurch auch lückenlos das Dilemma unterschiedlicher materieller Rechtsbehelfe bei Ehemängeln 9

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Um einen Eindruck von den Gestaltungsmöglichkeiten zu gewinnen, genügt schon die Befassung mit der durch das EheSchlRG 1998 in Deutschland bewirkten grundlegenden Neuorientierung. Jänterä-Järeborg YB PIL 1999, 17. Boele-Woelki ZfRV 2001, 126. Vgl nun AnwKommBGB /Gruber Rn 27 ff.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 19 Brüssel IIa-VO 12, 13

und -konflikten gelöst.14 Nur vereinzelt findet sich unter dem Eindruck der Auswirkungen, die diese Lösung auf die Prozessökonomie15 hat, zurückhaltende Kritik.16 c) Tatsächlich kann die Lösung nur als ein rechtsstaatlich zweifelhafter Kompro- 12 miss bewertet werden, der eine bekannte europäische Methodik perfektioniert: Die Suche nach dem status quo minus, auf den sich die Mitgliedstaaten angesichts gravierender Unterschiede der materiellen Rechtsordnungen verständigen konnten, wird als ein Sieg Europas betrachtet, weil der Weg zu einem erstrebten Rechtsinstrument geebnet wurde. Die Regelung trägt aber nicht wirklich den Unterschieden der Rechtsordnungen Rechnung,17 sondern kapituliert vor der Vielfalt. Den Preis zahlt der Rechtssuchende. So ist es nicht nur prozessökonomisch betrachtet Unsinn, wenn ein Ehescheidungsantrag wegen der Anhängigkeit eines nicht zielidentischen Ehetrennungsverfahrens abgewiesen werden muss, nach Abschluss des Ehetrennungsverfahrens der Ehescheidungsantrag jedoch alsbald wieder gestellt werden kann, ohne dass die ausgesprochene Ehetrennung für das neue Verfahren irgendeine materielle Bedeutung hätte.18 Die Regelung bietet auch Parteien, die eine Scheidung ablehnen, Anreiz, durch nicht zielführende Verfahren die Ehescheidung zu verschleppen. Dem anderen Ehegatten wird effizienter Rechtsschutz verweigert, weil ein Gericht mit der Ehe befasst ist, ohne dass vor diesem Gericht der begehrte Rechtsschutz erreichbar ist. Zutreffend wird gesehen, dass die in ihrer Reichweite ohnehin unklare Antragsverlagerung nach Abs 3 S 2 nichts hilft, wenn das erstbefasste Gericht nach seinem IPR zu einer Rechtsordnung gelangt, die dem verlagerten Antrag nicht stattgibt.19 4.

Konsequenzen für Verbundverfahren

Nur vereinzelt wird auch gesehen, dass der im Vergleich zu Brüssel I deutlich geänder- 13 te Maßstab der Rechtshängigkeitssperre drei Kategorien schafft, die zu unterschiedlichen Auswirkungen auf die Ehesache und Folgesachen führen. Die Ehesache unterliegt Abs 1, die Sorgesache Abs 2 und für Unterhaltssachen gelten Art 27, 28 Brüssel I-VO.20 Zwar bedurfte es angesichts der extremen Ausweitung der Art 27 Brüssel I-VO entsprechenden Verfahrensweise auf alle Ehesachen iSd Art 1 Abs 1 lit a verordnungsintern keiner Zusammenhangsregelung iSd Art 28 Brüssel I-VO. Die Anwendungsbereiche beider Verordnungen treffen sich aber im Verbundverfahren und erzeugen dort Spannungen. 13

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Nur diesen Aspekt beachtet das Lob von Boele-Woelki ZfRV 2001, 126; Hau FamRZ 2000, 1339. Der Gedanke, dass in einer Staatenmehrheit auch selbstregelnde Kräfte den Unsinn konkurrierender Scheidungsverfahren eliminieren können, ist Europa offenbar fremd. Sturlèse JClP (G) 2001, 245. Dazu näher unten Rn 32 ff. Gruber FamRZ 2000, 1134 bezeichnet den offenen Widerspruch zwischen der Reichweite der Rechtshängigkeitssperre und der Rechtskraftwirkung als „gewöhnungsbedürftige Neuerung“. So Borrás-Bericht Nr 54. Im Einzelnen unten Rn 27 ff. Hausmann EuLF 2000/01, 347; näher unten Rn 50 ff. Zöller /Geimer Rn 1.

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Art 19 Brüssel IIa-VO 14-19

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

14 Dass im Übrigen, insbesondere für den güterrechtlichen Ausgleich bis zur Verwirklichung von Brüssel III die lex fori über die Rechtshängigkeitssperre entscheidet, ist einer nur graduell voranschreitenden Integration der Zuständigkeitssysteme immanent. Dass es aber im Wege der Integration Ziel sein sollte, neue Spannungen zwischen Ehe- und Folgesachen zu vermeiden, wurde offenbar nicht erkannt. Auch dies ist Folge einer Rechtsentwicklung, die nicht systematisch denkt, sondern vom politisch Machbaren dominiert ist. II.

Aussetzung bei konkurrierenden Ehesachen (Abs 1)

1.

Voraussetzungen

a) Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten 15 Art 19 regelt in Abs 1 und Abs 2 nur das Verhältnis zwischen den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten. Über den innerstaatlichen Rechtshängigkeitskonflikt entscheidet weiterhin die lex fori. Ebenso bestimmt die lex fori, ob die Anhängigkeit in einem Drittstaat gegenüber einem inländischen Verfahren zu beachten ist, auch wenn sich die eigene Zuständigkeit aus der VO ergibt. 21 16 Voraussetzung ist damit, dass ein Antrag im materiellen Anwendungsbereich der VO (Art 1) bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten gestellt ist. Ob der konkurrierende Antrag auch intertemporal dem Zuständigkeitssystem der VO unterliegen, das Gericht also nach deren Inkrafttreten angerufen sein muss, betrifft die intertemporale Anwendung der VO gemäß Art 64.22 b) Parteiidentität – keine Anspruchsidentität 17 (1) Abs 1 setzt – wie Art 27 Brüssel I-VO – Identität der betroffenen Ehe und der Parteien voraus. Maßgeblich ist jeweils die Personenidentität der Verfahrensbeteiligten, auf die Parteirolle kommt es nicht an. 18 (2) Anders als Abs 2 verlangt Abs 1 keine Identität des Anspruchs. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut und seiner Herkunft aus Art 11 Abs 2 Brüssel II-VO gilt Abs 1 auch für Verfahren, die nicht denselben Anspruch betreffen. Nicht erforderlich ist auch – anders als für Art 28 Brüssel I-VO – ein Zusammenhang der Verfahren, der es notwendig machen würde, widersprechende Entscheidungen zu vermeiden. Ein solcher Zusammenhang ist nach dem Wortlaut nicht zu prüfen, was ausweislich der Materialien auch so gewollt ist23 und damit schwerlich einer korrigierenden Auslegung zugänglich ist. Es wird vielmehr von der Konzeption der Regelung her ohne Rücksicht auf den Streitgegenstand ein Zusammenhang fingiert. 19 Vom hier vertretenen kritischen Standpunkt24 ist die in Art 19 Abs 1 noch nicht einmal mehr theoretisch verwurzelte Abgrenzung zwischen gegenstandsidentischen und 21

HR NIPR 2007, 132, 134; Hof ’s-Gravenhage NIPR 2008, 28, 29; Dilger Rn 348.

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Dazu Art 64 Rn 20 ff. Borrás-Bericht Nr 54.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 19 Brüssel IIa-VO 20-23

nicht gegenstandsidentischen Ehesachen allerdings durchaus von Interesse, weil sie Wege aufzeigen kann, den Konflikt zwischen der Unterschiedlichkeit der Rechtsordnungen und den Parteiinteressen de lege ferenda sinnvoller zu lösen. 25 c) Anhängigkeit verschiedener Anträge (1) Erfasst sind alle der VO unterfallenden Arten von Ehesachen iSd Art 1 Abs 1 20 lit a. Im Verhältnis der in den Anwendungsbereich der VO fallenden Ehesachen entfaltet Abs 1 Sperrwirkung unabhängig vom Gegenstand des Verfahrens, gilt also im Verhältnis von Ehetrennung,26 Ehescheidung, Eheaufhebung und Feststellungsanträgen27 unbeschadet des jeweiligen Antragsziels. 28 (2) Anträge auf Regelungen in anderen Familiensachen, insbesondere im Zusam- 21 menhang mit dem Getrenntleben, fallen unabhängig davon, ob es sich um endgültige oder einstweilige Regelungen handelt, nicht unter Abs 1, weil sie nicht auf die in Abs 1 genannten Materien gerichtet sind.29 Insbesondere sind (einstweilige) Maßnahmen zur Ermöglichung des Getrenntlebens auch nicht „Anträge auf Trennung“ iSd Abs 1. Versöhnungsverfahren sind als solche aus demselben Grund nicht von Abs 1 erfasst. 22 Ihre Einleitung als Vorschaltverfahren kann allerdings bereits die Ehesache anhängig machen und damit Art 19 Abs 1 auslösen. Dies ist aber keine Frage der Sperrwirkung des Versöhnungsverfahrens, sondern ein Problem der im jeweiligen Prozessrecht geregelten Anhängigkeit derselben Ehesache.30 (3) Abs 1 ist nur so lange anwendbar, wie ein konkurrierendes Verfahren vor einem 23 Gericht in einem anderen Mitgliedstaat noch anhängig ist. Ist in dem anderen Mitgliedstaat eine rechtskräftige Entscheidung ergangen, so beurteilt das Gericht, bei dem eine iSv Abs 1 konkurrierende Sache anhängig ist, das Verhältnis zu dem anderen Verfahren nicht mehr nach Art 19, sondern nach Art 21 ff, insbesondere nach Art 22 24 25

26 27

28 29 30

Oben Rn 12. Dazu 1. Auflage Art 11 Rn 13 bis 16: Im Verhältnis verschiedener Scheidungstatbestände läge jedenfalls Identität vor; auch Eheaufhebungsanträge, jedenfalls soweit sie ex nunc wirken, lassen sich im weiten Identitätsverständnis, das der EuGH zu Art 21 EuGVÜ entwickelt hat, als gegenstandsidentisch zur Ehescheidung ansehen. Hingegen ist eine Ehetrennung auch nach diesem Verständnis nicht gegenstandsidentisch zur Ehescheidung; ihre Einbeziehung in Abs 1 führt zu den bereits angesprochenen misslichen Manipulationsmöglichkeiten; eingehend und mit teilweise anderem Ergebnis Dilger Rn 330 ff. OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 1043: früherer Ehetrennungsantrag sperrt Ehescheidungsantrag. AnwKommBGB /Gruber Rn 10; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 3; MünchKommZPO /Gottwald Rn 2; aA Dilger Rn 336, der – Rn 131 ff – Feststellungsklagen nicht vom Anwendungsbereich der VO erfasst sieht; Geimer/Schütze/Dilger Rn 14; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 3; Hausmann EuLF 2000/01 345, 346. Gruber FamRZ 2000, 1134. Rb Maastricht NIPR 2008, 57. IE ebenso Gruber FamRZ 2000, 1129, 1132; Dilger Rn 337.

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Art 19 Brüssel IIa-VO 24-27

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

lit a, c, d. So kann ein nach Rechtskraft der Ehescheidung in einem anderen Mitgliedstaat noch anhängiges Ehetrennungsverfahren nur dann Fortgang nehmen, wenn die Ehescheidung nicht anerkennungsfähig ist. 31 24 Endet die Anhängigkeit durch Prozesshandlung (Antragsrücknahme) oder Prozessurteil, so entfällt die Konkurrenzsituation iSd Art 19 ebenfalls, ohne dass an ihre Stelle ein Anerkennungskonflikt tritt. Das Verfahren vor dem später angerufenen Gericht bleibt unberührt. 2.

Rechtsfolge

25 Abs 1 – ebenso Abs 2 – schreibt iVm Abs 332 eine zweistufige Verfahrensweise vor, die nicht nur den positiven Kompetenzkonflikt, sondern auch einen negativen Kompetenzkonflikt vermeidet, der entstehen könnte, wenn das später angerufene Gericht den Antrag endgültig abweisen würde, ehe feststeht, dass das früher angerufene Gericht zuständig ist. Das später angerufene Gericht hat deshalb zunächst sein Verfahren auszusetzen, um die Entscheidung über dessen Zuständigkeit dem erstangerufenen Gericht zu überlassen. 33 Die Beurteilung, ob das Gericht das später angerufene ist, erfolgt gemäß Art 16,34 wobei jedes Gericht in seiner Entscheidung selbstständig ist; auch wenn das Gericht des anderen Mitgliedstaats, bei dem ein konkurrierendes Verfahren anhängig ist, sich bereits als das erstangerufene erklärt hat, bindet diese Beurteilung das andere Gericht nicht,35 selbst wenn dies dazu führt, dass beide Verfahren ihren Fortgang nehmen; insbesondere ist Abs 3 insoweit nicht einschlägig, da dort nur die Entscheidungsprärogative des (feststehend) erstangerufenen Gerichts hinsichtlich seiner im Übrigen bestehenden Zuständigkeit geregelt ist. 26 Die Aussetzung erfolgt sodann von Amts wegen, Ermessen besteht nicht. Obgleich kein Antrag erforderlich ist, hat jedoch das Gericht nicht von Amts wegen die Anhängigkeit von Parallelverfahren zu ermitteln. Hinweise auf konkurrierende Verfahren werden sich also in aller Regel nur aus dem Parteivortrag ergeben, was die faktische Möglichkeit eröffnet, einverständlich die Rechtsfolge des Abs 1 zu vermeiden. 3.

Abweichung zwischen Rechtshängigkeitssperre und Rechtskraft

27 a) Die von Abs 1 ohne Rücksicht auf Zusammenhang und Zielidentität angeordnete Sperrwirkung führt dazu, dass vermehrt Anträge blockiert werden, die mit dem vor dem ersten Gericht schwebenden Antrag weder lege fori noch nach dem vom EuGH zu Art 21 EuGVÜ entwickelten weiten autonomen Streitgegenstandsbegriff (sog „Kernpunkttheorie“) identisch sind. Abs 1 setzt sich jedoch nicht in der Reichweite 31

DT v FL [2007] I.L.PR 20 (Irish High Court 2007).

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Dazu unten Rn 45 ff. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 5 f; Gruber FamRZ 2000, 1133: vor deutschen Gerichten analog § 148 ZPO. Cass Bull Civ 2006 no 375, noch zu Art 11 Brüssel II-VO. Cass Bull Civ 2006 no 374.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 19 Brüssel IIa-VO 28, 29

der materiellen Rechtskraft der späteren Entscheidung fort. Die Rechtskraftwirkungen bestimmen sich weiterhin nach der lex fori des entscheidenden (also des zuerst angerufenen) Gerichts. 36 Da die durch die Anhängigkeit bewirkte Sperre mit formeller Rechtskraft der Entscheidung des erstangerufenen Gerichts endet, kann das später angerufene Gericht ab diesem Zeitpunkt das ausgesetzte Verfahren fortsetzen,37 soweit es noch nicht nach Abs 3 entschieden hat und soweit nicht die materielle Rechtskraft der anzuerkennenden Entscheidung des Erstgerichts als res judicata entgegensteht. 38 Insbesondere kann ein durch ein Trennungsverfahren blockiertes ausgesetztes Scheidungsverfahren wieder aufgenommen werden, wenn das Erstgericht im Endurteil seine Zuständigkeit bejaht, aber nur die Ehetrennung ausspricht; das gilt – mangels Anerkennungsfähigkeit abweisender Urteile – selbst dann, wenn zugleich ein im Erstverfahren gestellter Hauptantrag auf Ehescheidung abgewiesen wird. b) Dieses allgemein konstatierte Phänomen ist nicht nur eine „gewöhnungsbedürf- 28 tige Neuerung“,39 sondern zeigt, dass den Verfassern der VO mit Art 19 Abs 1 ein grandioser Fehlgriff unterlaufen ist: Abs 1 verfehlt sowohl teleologisch als auch rechtssystematisch die Aufgabe einer Rechtshängigkeitsnorm. Solche Normen dienen, wie gerade Art 21, 22 EuGVÜ zeigen, der Verhinderung von Anerkennungskonflikten: Soweit Entscheidungen in Vorausschau auf das Anerkennungsstadium die Gefahr von Widersprüchen heraufbeschwören, wird bereits im Stadium des Verfahrens Parallelität verhindert. Da aber die Reichweite der anzuerkennenden Wirkungen einer Entscheidung durch ihre Rechtskraft lege fori bestimmt wird, ist das Rechtshängigkeitsproblem systematisch nichts anderes als ein antizipiertes Rechtskraftproblem. Will man für Rechtshängigkeitskonflikte eine autonome Lösung schaffen, so muss diese, um alle realistisch denkbaren Konflikte der leges forum zu erfassen, zwangsläufig etwas weiter geraten als die Rechtskraftwirkungen in einzelnen Mitgliedstaaten. Art 22 EuGVÜ / Art 28 Brüssel I-VO gibt hierfür ein gutes Beispiel. Sie darf sich aber nicht bewußt von dem Blickwinkel der Rechtskraftwirkung lösen, will sie nicht Gefahr laufen, zum Instrument ungezielter Rechtsschutzverweigerung zu werden. c) Vor diesem Hintergrund ist es nicht verständlich, dass gerade eine VO zu einer 29 Materie, die geringes Konfliktpotential im Anerkennungsstadium bietet, eine so weit gehende Loslösung der Rechtshängigkeitswirkungen von den Rechtskraftwirkungen wählt. Da Art 21 ff aus gutem Grund nur stattgebende Entscheidungen in die Anerkennungspflicht einbeziehen, kann es a priori nur zum Konflikt zwischen Entscheidungen kommen, die eine Ehescheidung, Ehetrennung oder Eheaufhebung aussprechen. Entscheidungen, die ex tunc die Ehe auflösen oder als nicht bestehend feststellen, wären anspruchsidentisch; ebenso, als zweite Gruppe, Entscheidungen, die dies ex nunc bewirken und als dritte Gruppe solche, die nur die Rechte und Pflichten lockern, aber den Status nicht berühren. Zwischen diesen drei Gruppen hingegen besteht ein 36 37 38

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Gruber FamRZ 2000, 1129, 1134; Hausmann EuLF 2000/01, 347. Gruber FamRZ 2000, 1129, 1135. Gruber FamRZ 2000, 1129, 1134; Hausmann EuLF 2000/01, 347; MünchKommZPO /Gottwald Rn 2; AnwKommBGB /Gruber Rn 28. Gruber FamRZ 2000, 1129, 1134; deutlich kritischer nun AnwKommBGB /Gruber Rn 27 ff.

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Art 19 Brüssel IIa-VO 30-33

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

natürliches Rangverhältnis, das eine Entscheidung im Verhältnis zu einer anderen als weitergehend, nicht aber als widersprechend erscheinen lässt. 30 Was die nicht statusrechtlichen Folgen angeht, sind diese von der VO ohnehin nicht erfasst. Gerade der Konflikt zwischen Trennungsunterhalt und nachehelichem Unterhalt zeigt, dass dort zwar Widerspruchspotential besteht, das aber mit Art 28 Brüssel I-VO gut zu bewältigen ist. 31 De lege ferenda sollte dieser Missstand beseitigt und die Rechtshängigkeitssperre auf ein mit der Rechtskraft kompatibles Maß zurückgenommen werden. Die Reduzierung von Abs 1 auf Verfahren, welche denselben Anspruch betreffen, würde das Problem lösen. Das Übel widersprechender Scheidungsaussprüche wäre auch durch eine streitgegenstandsorientierte Regelung beseitigt. 4.

Insbesondere: Ehetrennung und Ehescheidung

32 a) Die wenig sinnvolle Rechtslage wird besonders am Verhältnis von Ehescheidung und Ehetrennung deutlich:40 Macht ein Ehegatte etwa in Italien einen Antrag auf separazione giudiziale anhängig und der andere Ehegatte einen Scheidungsantrag in Deutschland,41 so zwingt Abs 1 den deutschen Richter zur Aussetzung.42 Bejaht das italienische Gericht seine Zuständigkeit, ist vor dem deutschen Gericht nach Abs 3 zu verfahren. In dieser Situation kommen nur zwei Entscheidungen des italienischen Gerichts in Betracht. Entweder ist nach italienischem IPR italienisches Recht anzuwenden; dann wird das Gericht in aller Regel dem Trennungsantrag stattgeben. Abs 3 S 2 hilft dem in Deutschland an Abs 1 gescheiterten Ehegatten nicht, denn die Ehetrennung ist nach italienischem Recht nicht nur ein Minus, sondern eine notwendige materiellrechtliche Vorstufe zur Zerrüttungsscheidung. Der Scheidungsantrag ist also ohne jede Konzentrationswirkung schlicht blockiert. 33 Gelangt das Gericht hingegen zur Anwendung deutschen Rechts als Scheidungsstatut, so ist der Antrag abzuweisen, weil deutsches Recht keine Ehetrennung kennt. In diesem Fall kann Abs 3 S 2 dem an Abs 1 gescheiterten Ehegatten helfen; zwar wird ein italienisches Gericht § 1565 Abs 1 BGB bei nur einjähriger faktischer Trennung nicht mehr als ordre-public-widrig ansehen, wahrscheinlich aber erheblich strengere Anforderungen an den Nachweis des Getrenntlebens (§ 1565 Abs 2 BGB) stellen. Der Scheidungsantrag gelangt also in diesem relativ günstigen Fall an ein Gericht, das ausländisches Recht anwenden muss, statt von einem Gericht entschieden zu werden, das seine materielle lex fori anwendet.

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S zu Grundrechtsbedenken und möglichen Verstößen Pabst Rn 618 ff. Hausmann EuLF 2000/01, 346; vgl auch Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 554; MünchKommZPO /Gottwald Rn 2; Siehr in: Reichelt/Rechberger (Hrsg), Europäisches Kollisionsrecht (2004) 113, 125. OLG Zweibrücken FamRZ 2006, 1043: Ehetrennungsantrag in Polen.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 19 Brüssel IIa-VO 34-36

Ist aber in beiden Fällen das Verfahren vor dem italienischen Gericht ohne Scheidungsausspruch beendet, steht es mangels anerkennungsfähiger Rechtskraftwirkungen dem an Abs 1 gescheiterten Ehegatten frei, sogleich in Deutschland erneut Scheidung zu beantragen. 43 b) Erneut sieht sich der Rechtsanwender vor einer Situation, die dadurch entstan- 34 den ist, dass der Glaube an die einigende Kraft von Verordnungen die Wirklichkeit überholt hat. Wie schon zu Art 344 zeigt sich, dass die Realität divergierender Kollisionsrechte, materieller Scheidungsrechte und Verfassungsverständnisse von Scheidungsfreiheit und Eheschutz nicht durch Verfahrensregeln überwunden werden kann, die vor diesen Divergenzen kapitulieren oder sie ignorieren. Abs 1 bringt in dem geschilderten Fall keinen Gewinn an Prozessökonomie und ver- 35 meidet keine Anerkennungsprobleme, da es in Rechtskraft erwachsende Widersprüchlichkeiten hier ohnehin nicht hätte geben können. Abs 1 ist aber in der Hand eines Ehegatten, der die Scheidung ablehnt, ein Instrument, um durch einen Ehetrennungsantrag eine Ehescheidung für eine Weile zu blockieren. Je langwieriger die Rechtspflege des erstangerufenen Gerichts agiert, um so erfolgreicher ist diese Strategie. Am Ende ist nichts gewonnen, es beginnt ein neues Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat, der Streit der Ehegatten wird lediglich kostenträchtig perpetuiert. Wieder fehlt es, wie schon zu Art 3, an einem die Scheidung ermöglichenden Instrument des ordre public, der zwar in Art 22 lit a anerkennungsfeindlich instrumentalisiert werden kann, nicht aber scheidungsfreundlich. Es setzt sich für eine oft nicht eben kleine Weile das scheidungsfeindlichere Recht durch. Kann das wirklich gewollt sein? Wurde nicht bedacht, dass es Folgen für die Integration Europas haben muss, wenn schon die Aufenthaltnahme in einem anderen Mitgliedstaat eine Ehe auf Jahre hinaus unscheidbar machen kann? c) Die Praxis wird Wege finden, um zahlungskräftigen scheidungswilligen Antrag- 36 stellern, die sich für eine gewisse Zeit eine Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts leisten können, um § 109 Abs 1 Nr 1 iVm § 97 Abs 1 Nr 4 FamFG zu genügen, den Weg zu einer nach § 107, 109 FamFG anerkennungsfähigen Scheidung in einem auch ex parte scheidungsbereiten Drittstaat zu ebnen. An einem Rechtskraftwiderspruch iSd § 109 Abs 1 Nr 3 FamFG wird in diesen Fällen die Anerkennung nicht scheitern – es gibt ja zwischen Trennungs- und Scheidungsurteil keinen.

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Noch bedenklicher ist die Situation bei einem Trennungsverfahren nach niederländischem Recht, weil nach Ausspruch der Trennung nur noch eine Umwandlung nach Ablauf von drei Jahren (Art 1:179 BW), aber keine selbstständige Zerrüttungsscheidung mehr möglich ist (Art 1:150 BW), so dass auch nach erfolgreichem Abschluss des Trennungsverfahrens eine Ehescheidung gesperrt bleibt, wenn sich nicht eine Zuständigkeit findet, in der die Ehescheidung einem anderen Statut unterliegt. Dort Rn 6 ff.

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Art 19 Brüssel IIa-VO 37- 40

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III. Aussetzung bei konkurrierenden Verfahren zur

elterlichen Verantwortung (Abs 2) 1.

Voraussetzungen

a) Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten 37 Abs 2 setzt wie Abs 1 die Anhängigkeit bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten voraus. Im Verhältnis zu Drittstaaten gehen der lex fori ggf die Konfliktregeln in Art 13 KSÜ vor. Im Verhältnis zu MSA-Mitgliedstaaten kann es hingegen zu Parallelverfahren, insbesondere gestützt auf Art 1 und 4 MSA, kommen. b) Identität der Person des Kindes, Anspruchsidentität 38 (1) Parteiidentität ist in Sorgerechtssachen nicht Voraussetzung. Erforderlich ist, dass es sich um Verfahren handelt, welche die elterliche Verantwortung für dasselbe Kind betreffen. Identität kann unter Parteigesichtspunkten also ausnahmsweise auch dann bestehen, wenn in verschiedenen Verfahren unterschiedliche Personen formell beteiligt sind bzw das Verfahren eingeleitet haben. ZB hat ein vom Kind eingeleitetes Umgangsverfahren denselben Gegenstand wie ein von einem Elternteil eingeleitetes, jedenfalls dann, wenn der Umgang mit demselben Elternteil betroffen ist. Sind die Parteien identisch, streiten insbesondere die Eltern über die elterliche Verantwortung zu einem Kind, so wird regelmäßig die Identität gegeben sein,45 es sei denn, es könnte beiden Anträgen stattgegeben werden, ohne dass ein Konflikt entsteht.46 39 (2) Erforderlich ist, anders als bei Abs 1, zusätzlich Anspruchsidentität. Auszugehen ist von der durch den EuGH schon zu Art 21 EuGVÜ entwickelten autonomen Ausfüllung des Anspruchsbegriffs. 47 Derselbe Anspruch liegt also vor, wenn die Grundlage beider Verfahren die gleiche ist; nicht erforderlich ist hingegen Identität im Klageantrag und im Klagegrund. Der EuGH48 bezieht in den Gegenstand, der die Grundlage des Anspruchs bildet, auch den Zweck des Antrags ein. 40 Denselben Anspruch betreffen damit verschiedene Verfahren zur elterlichen Verantwortung bezüglich desselben Kindes auch dann, wenn Gegenstand die elterliche Sorge und/oder eine Umgangsregelung ist. Das gilt auch, wenn ein Amtsverfahren mit einem Antragsverfahren konkurriert. 49 Hingegen ist ein Verfahren, das die Unterbringung in einer Pflegefamilie zum Gegenstand hat, mit einem von einem Elternteil angestrengten Umgangsverfahren nicht gegenstandsidentisch.50 Anträge zu verschie-

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AnwKommBGB /Gruber Rn 13. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 33; denkbar wären konkurrierende Anträge auf Regelung des Umgangs mit verschiedenen Großeltern, sofern nicht die Umgangshäufigkeit zu einer Interdependenz der Anträge führt. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 4; Hausmann EuLF 2000/01, 346; Gruber FamRZ 2000, 1129, 1131. EuGH Rs 144/86 Gubisch/Palumbo EuGHE 1987, 4861. Gruber FamRZ 2000, 1129, 1134; AnwKommBGB /Gruber Rn 13. OLG München 30.6.2005 (4 UF 233/05) juris.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 19 Brüssel IIa-VO 41- 43

denen Kindern haben hingegen immer unterschiedliche Ansprüche zum Gegenstand. (3) Identität einer Ehesache mit einem Verfahren zur elterlichen Verantwortung be- 41 steht dagegen nicht.51 Allerdings kann Identität zwischen einem isolierten Sorgerechtsverfahren und einem im Verbund mit einer Ehesache anhängig gemachten Sorgerechtsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat bestehen, die hinsichtlich der Sorgerechtsverfahren nach Abs 2 zu behandeln ist. Da nach Art 8 für Entscheidungen über die elterliche Verantwortung auch bei Anhängigkeit einer Ehesache die Gerichte des gewöhnlichen Aufenthaltsstaates zuständig sind / bleiben und nach Art 12 eine Verbundzuständigkeit – anders als nach Art 3 Abs 1 Brüssel II-VO52 – nicht mehr automatisch, sondern nur bei Einverständnis der Ehegatten bzw Eltern eintritt, hat ein früher eingeleitetes isoliertes Sorgerechtsverfahren jedoch nach Art 11 Abs 2 Vorrang.53 Schwierigkeiten in Anwendung von Art 19 Abs 2 können sich gleichwohl weiterhin 42 ergeben, wenn sich die Zuständigkeit eines Gerichts für die zunächst selbstständige Sorgerechtssache nur aus Art 12 ergibt, also erst entsteht, nachdem die Ehesache eingeleitet wurde. In solchen Fällen kann es auch unter der neuen VO an der Anwendbarkeit der VO gefehlt haben (Kind in einem Drittstaat); jedenfalls kann hier nicht für die Anrufung des Gerichts iSd Art 16 auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung in der Ehesache abgestellt werden, wenn erst diese Anrufung eine Zuständigkeit für die Sorgerechtssache geschaffen hat.54 Das zweitangerufene Gericht hat sich der Prüfung der Zuständigkeit des erstangerufenen Gerichts zu enthalten, muss also formal entscheiden, welches Gericht iSd Art 16 „zuerst angerufen“ ist. Jedoch muss das formal erstangerufene Gericht in diesem Fall seine erst später entstandene Zuständigkeit ablehnen.55 Der Zweck des Art 19 wird damit nicht verletzt,56 denn der Antragsteller, der im falschen Gerichtsstand schneller ist, kann nicht auf seinen Vorrang vertrauen.57 (4) Anträge auf (einstweilige) Regelungen stehen dem Hauptsacheverfahren in ei- 43 nem anderen Mitgliedstaat nicht entgegen. Sie sind schon wegen ihrer Vorläufigkeit mit Hauptsacheverfahren nicht nach Abs 2 anspruchsidentisch.58

51

52 53 54

55 56 57

58

So die Vorinstanz zu Cass Riv dir int priv proc 2007, 198; die Frage ist im italienischen Prozessrecht danach nicht rekursfähig. Dazu OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 287. Anders unter Art 3 Abs 1 Brüssel II-VO, vgl Frank FamRZ 2005, 289. So noch zu Art 3 Abs 2 Brüssel II-VO OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 287; hiergegen schon unter Art 3 Brüssel II-VO Gruber IPRax 2004, 507, 508. So letztlich OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 287. So aber Gruber IPRax 2004, 507, 508. Vgl auch Art 3 Rn 42 für den Fall des erst im anhängigen Verfahren erworbenen gewöhnlichen Aufenthalts in Ehesachen, ebenso Art 8 Rn 9 in Sorgerechtssachen. Rb Maastricht NIPR 2007, 381, 282; Gruber FamRZ 2000, 1129, 1134.

Thomas Rauscher

225

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Art 19 Brüssel IIa-VO 44- 47

2.

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Rechtsfolge

44 Die Rechtsfolge des Abs 2 ist identisch zu der des Abs 1;59 das später angerufene Gericht setzt das Verfahren aus und verfährt ggf nach Abs 3 weiter. Eine Anregung an die Parteien, das Verfahren vor dem erstangerufenen Gericht durchzuführen,60 ist nicht vorgesehen; da das zweitangerufene Gericht die Zuständigkeit des erstangerufenen nicht zu beurteilen hat, kann es in diesem Stadium des Verfahrens insbesondere nicht die Verfahrensweise nach Abs 3 S 2 anregen. IV.

Unzuständigerklärung durch das spätere Gericht (Abs 3)

1.

Feststehen der Zuständigkeit des Erstgerichts (Abs 3 S 1)

45 a) Abs 3 regelt den zweiten Schritt des Verfahrens vor dem zweitangerufenen Gericht, das nach Abs 1 oder Abs 2 das Verfahren ausgesetzt hat, zu Art 27 Abs 2 Brüssel I-VO entsprechend. Sobald feststeht, dass das erstangerufene Gericht die Zuständigkeit annimmt, besteht kein Risiko eines negativen Kompetenzkonflikts mehr, so dass der beim zweitangerufenen Gericht anhängige Antrag abgewiesen werden kann. 46 b) Die Zuständigkeit des erstangerufenen Gerichts steht fest, wenn hierüber formell rechtskräftig durch das erstangerufene Gericht entschieden ist; dies kann durch Zwischenurteil über die Zulässigkeit oder auch erst durch Endurteil zusammen mit der Hauptsacheentscheidung erfolgen. Zu einem früheren Zeitpunkt bestünde noch das Risiko eines späteren Prozessurteils mangels Zuständigkeit.61 Die Prüfung der Zuständigkeit obliegt allein dem erstangerufenen Gericht; ob es seine Zuständigkeit nach der VO oder (zutreffend oder nicht) lege fori bejaht, ist aus Sicht des zweitangerufenen Gerichts ohne Bedeutung62 und kann von dort aus nicht korrigiert werden. 47 c) Als Rechtsfolge erklärt sich das zweitangerufene Gericht zugunsten des zuerst angerufenen für unzuständig.63 Dies ist, wie zu Art 27 Abs 2 Brüssel I-VO, nicht als eine gerichtete Verfahrensentscheidung im Sinn einer Verweisung zu verstehen, sondern beschreibt lediglich den Hintergrund der Unzuständigerklärung. Es ist also der lege fori für den Fall der Unzuständigkeit vorgesehene Entscheidungstypus zu erlassen. Die Unzuständigerklärung bezieht sich nur auf die Ehesache selbst. Sieht das nationale Recht für Folgesachen eine Zuständigkeit zur Führung als isolierte Familiensachen vor, so ist ebenfalls nach nationalem Recht zu entscheiden, wie sich die Führung des Scheidungsverfahrens vor dem erstangerufenen Gericht auf die Führung der Folgesachen vor dem zweitangerufenen Gericht auswirkt.64 Dies gilt jedoch nicht für Ehegatten- oder Kindesunterhalt als Folgesache, da insoweit die Rechtshängigkeitsregeln in 59 60 61 62 63 64

226

Oben Rn 25 f. So Rb Maastricht NIPR 2007, 258, 259. Gruber FamRZ 2000, 1129, 1133; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 6. Dilger Rn 347. OLG Hamm NJW-Spezial 2005, 443. OLG Hamm NJW-Spezial 2005, 443 noch zu § 626 Abs 2 aF ZPO.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 19 Brüssel IIa-VO 48-50

Art 27 ff Brüssel I-VO anwendbar sind. Gleichwohl kann es auch insoweit zu einer Weiterführung kommen, wenn die Unterhaltssache vor dem in der Ehesache erstangerufenen Gericht noch nicht anhängig war. d) Auch diese Entscheidung ergeht von Amts wegen. Das zweitangerufene Gericht 48 hat grundsätzlich kein Ermessen. Dass der abzuweisende Antrag vor dem zuerst angerufenen Gericht aus kollisionsrechtlichen Gründen absehbar erfolglos sein wird, so dass auch eine Verlagerung nach Abs 3 S 2 nichts hilft, hindert die Unzuständigerklärung ebenso wenig wie es die vorgelagerte Aussetzung hindert.65 Das Dilemma, ein Verfahren zu beenden, obgleich im konkurrierenden Verfahren das Rechtsschutzziel nicht erreichbar ist,66 findet in Abs 3 S 1 seinen konsequenten, wenngleich nicht sinnhaften Abschluss. Eine überlange Verfahrensdauer oder Prozessverschleppung vor dem erstangerufe- 49 nen Gericht hindert die Abweisung nur dann, wenn dadurch in rechtsstaatswidriger Weise, insbesondere unter Verstoß gegen Art 6 Abs 1 EMRK, der Rechtsschutz des Antragstellers vor dem Zweitgericht beschnitten wird.67 Angesichts der erheblichen persönlichen Betroffenheit in Statussachen sollte dies erheblich früher anzunehmen sein als in Fällen der Verschleppung schuldrechtlicher Ansprüche, insbesondere solange diese nicht existentielle Ausmaße annehmen. Hiergegen das Postulat der „Gleichwertigkeit der Rechtspflege“ anzuführen,68 ist bestenfalls eine petitio principii. Wenn das Gericht eines Mitgliedstaates effektiven Rechtsschutz in concreto nicht vermittelt, helfen europäische Glaubensbekenntnisse nicht weiter.69 Ein gegenüber Art 12 EMRK verfeinertes, an Art 6 Abs 1 GG orientiertes und zu Art 9 EU-Grundrechtecharta zu entwickelndes Grundrechtsverständnis70 hätte vor allem das Interesse an einer Wiederverheiratung, insbesondere bei Geburt eines Kindes aus einer neuen Beziehung, zu berücksichtigen.71 2.

Vorlegung des Antrags beim Erstgericht (Abs 3 S 2)

a) Abs 3 S 2 erlaubt dem Antragsteller, der den Antrag bei dem später angerufenen 50 Gericht gestellt hat, diesen Antrag dem Erstgericht vorzulegen. Dies setzt jedenfalls voraus, dass das zweitangerufene Gericht bereits gemäß Abs 3 S 1 entschieden, also den Antrag als unzulässig abgewiesen hat;72 das entspricht nicht nur dem systematischen Zusammenhang zwischen Abs 3 S 1 und 2, sondern vermeidet auch eine doppelte Rechtshängigkeit identischer Anträge.

65 66 67 68 69 70 71 72

Borrás-Bericht Nr 57. Dazu oben Rn 32 ff. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 6; im Einzelnen Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 25; Dilger Rn 355 f. Vgl Dilger Rn 355. S daher den Änderungsvorschlag bei Pabst Rn 634. Vgl dazu Art 3 Rn 9. Letztlich zustimmend auch Dilger Rn 356. Borrás-Bericht Nr 55; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7; krit dazu Pabst Rn 616 f.

Thomas Rauscher

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Art 19 Brüssel IIa-VO 51-54

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

51 b) Diese Verlagerung des Antrags an das erstangerufene Gericht ist keine Verweisung, sie erfolgt nicht durch das zweitangerufene Gericht, sondern steht im Belieben des dort abgewiesenen Antragstellers. 52 Ob diese Vorschrift im Übrigen lediglich die Selbstverständlichkeit bestätigt, dass der Antrag durch ein Prozessurteil nicht verbraucht ist, oder ob Abs 3 S 2 über Zulässigkeitsvoraussetzungen vor dem Erstgericht hinweghilft, ist unklar. 53 c) Abs 3 S 2 begründet nicht die Zuständigkeit des erstangerufenen Gerichts für den verlagerten Antrag.73 Die Bestimmung ist insbesondere systematisch nicht den Zuständigkeitsregeln zugeordnet.74 Die Zuständigkeit ist also gemäß Art 1 bis 7 bzw Art 8 bis 13 zu beurteilen, sie wird sich jedoch für Anträge in Ehesachen zumindest aus Art 5 (Gegenantrag) ergeben, nachdem das Gericht seine Zuständigkeit für den Hauptantrag bereits formell rechtskräftig (Abs 3 S 1) bejaht hat.75 Für Verfahren zur elterlichen Verantwortung (vgl Abs 2) kann es jedoch durchaus an der Zuständigkeit des Erstgerichts fehlen. 54 d) Ob Abs 3 S 2 die im allgemeinen lege fori zu beurteilenden übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen verdrängt, insbesondere Fristen und Präklusionsregeln überwindet oder gar die Antragsverlagerung noch während der Anhängigkeit in einer höheren Instanz eröffnet, ist strittig.76 Teils wird Abs 3 S 2 keinerlei derartige Bedeutung beigemessen.77 Nach den Materialien78 soll hingegen Abs 3 S 2 jederzeit anwendbar sein, selbst wenn einer Anwendung von Art 5 die Versäumung von Fristen entgegenstünde. Das legt die Annahme nahe, dass die Verfasser der Bestimmung mehr als eine deklaratorische Wirkung beigeben wollten. Ohne Bruch mit der lex fori lässt sich aber eine umfassende Verdrängung von Zulässigkeitsregeln dergestalt, dass die Zulässigkeit vor dem zweitbefassten Gericht bei Verlagerung des Antrags konserviert wird,79 nicht verwirklichen. Insbesondere erscheint es nicht sinnvoll, über Abs 3 S 2 die Zulässigkeit in einer höheren Instanz zu eröffnen,80 die sich lege fori nicht mehr sachgerecht mit dem Antrag befassen kann. Andererseits kann Abs 3 S 2 ein zweckentsprechender, mit dem Wortlaut kompatibler Sinn dahingehend gegeben werden, dass solche Bestimmungen der

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76 77 78 79 80

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Staudinger/Spellenberg (2005) Rn 26; Hausmann EuLF 2000/01, 347; Geimer/Schütze/Dilger Rn 40; aA Schack RabelsZ 65 (2001) 615, 626. Borrás-Bericht Nr 55. Gruber FamRZ 2000, 1129, 1134; Hausmann EuLF 2000/01, 347; unklar Borrás-Bericht Nr 55; der Gegenantrag kann allerdings angesichts einer anderen Kollisionsrechtsanwendung beim Erstgericht unbegründet sein. Unentschieden Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7. Vogel MDR 2000, 1049. Borrás-Bericht Nr 55. So Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 26. So aber Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 26.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 19 Brüssel IIa-VO 55-57

lex fori dem verlagerten Antrag nicht entgegengehalten werden können, die lediglich seine spätere Geltendmachung betreffen. Das schließt neben Fristen81 auch Verspätungsvorschriften ein,82 was freilich einander übel wollenden Parteien ein neues Betätigungsfeld für unsinnige Prozessverschleppung, in diesem Fall en revanche, eröffnet. e) Kaum zweifelhaft dürfte sein, dass eine kollisions- oder materiellrechtliche Bin- 55 dung des erstangerufenen Gerichts nicht besteht. Zwar wäre es ein höchst interessanter Gedanke, das durch Abs 1 ausgelöste Dilemma widerstreitender Trennungs- und Scheidungsanträge83 dadurch zu lösen, dass das Erstgericht an die kollisionsrechtliche Beurteilung des Falles nach der lex fori des Zweitgerichts gebunden und damit eine potentielle Begründetheit des (weitergehenden) Antrags vor dem später angerufenen Gericht konserviert würde. 84 Dieser gleichermaßen scheidungsfreundliche Integrationsschritt, mit dem Prozesskonzentration ohne Rechtsverweigerung erreichbar wäre, lässt sich jedoch de lege lata nicht durch Auslegung des Abs 3 S 2 vollziehen. 85 Abs 3 S 2 ist also regelmäßig kein Instrument, um eine Blockade durch Anhängigmachen eines Antrags mit einem weniger weit gehenden Anspruch zu verhindern;86 die Antragsverlagerung ist in der Praxis nur sinnvoll, wenn der Antrag vor dem erstangerufenen Gericht Erfolgsaussicht hat.87 3.

Verfahren bei Unzuständigkeit oder nach Abweisung durch das Erstgericht

a) Erklärt sich das erstangerufene Gericht formell rechtskräftig für unzuständig, so 56 endet die Sperrwirkung nach Abs 1 bzw Abs 2. Das zweitangerufene Gericht hat von Amts wegen sein Verfahren fortzusetzen. 88 b) Dasselbe gilt, wenn das erstangerufene Gericht sich zwar für zuständig erklärt, 57 aber den Antrag als unbegründet abweist. Insbesondere in Fällen, in denen die Entscheidung über die Zuständigkeit erst mit der Endentscheidung getroffen wird, ist in diesem Fall kein Raum für eine Unzuständigerklärung des zweitangerufenen Gerichts nach Abs 3 S 1. Die abweisende Entscheidung ist nicht nach Art 21 ff anzuerkennen und steht daher der Fortführung des Verfahrens vor dem zweitangerufenen Gericht nicht entgegen. 89

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Gruber FamRZ 2000, 1129, 1134; Hausmann EuLF 2000/01, 347; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 26. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 26; wohl auch Borrás-Bericht Nr 55. Dazu oben Rn 32 ff. Vgl dazu Ancel/Watt Rev crit dip 2001, 430. Geimer/Schütze/Dilger Rn 42. Anders Gruber FamRZ 2000, 1129, 1134; zutreffend nunmehr AnwKommBGB /Gruber Rn 26. Hausmann EuLF 2000/01, 347. Gruber FamRZ 2000, 1129, 1135; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 9. Gruber FamRZ 2000, 1135; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 9.

Thomas Rauscher

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Art 19 Brüssel IIa-VO, 58, 59 B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Art 20 Brüssel IIa-VO Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

58 Hatte die Sperrwirkung weiter gereicht als die Rechtskraft einer stattgebenden Entscheidung vor dem erstangerufenen Gericht, so ist ebenfalls eine Fortsetzung des zweiten Verfahrens möglich. 90 4.

Späteres Verfahren im Zweitstaat

59 Einem späteren erneuten Verfahren vor dem später angerufenen Gericht steht die Sperrwirkung der Abs 1, 2 nicht entgegen, wenn das Verfahren vor dem erstangerufenen Gericht rechtskräftig abgeschlossen ist. Liegt eine anerkennungsfähige stattgebende Entscheidung des erstangerufenen Gerichts vor, so steht diese nur in den Grenzen ihrer Rechtskraft einem weiteren Verfahren entgegen. 91

Artikel 20

Einstweilige Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen (1) Die Gerichte eines Mitgliedstaats können in dringenden Fällen ungeachtet der Bestimmungen dieser Verordnung die nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich Schutzmaßnahmen in Bezug auf in diesem Staat befindliche Personen oder Vermögensgegenstände auch dann anordnen, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache gemäß dieser Verordnung ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist. (2) Die zur Durchführung des Absatzes 1 ergriffenen Maßnahmen treten außer Kraft, wenn das Gericht des Mitgliedstaats, das gemäß dieser Verordnung für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig ist, die Maßnahmen getroffen hat, die es für angemessen hält. I. Einstweilige Maßnahmen – Reichweite 1. Abweichungen von Art 31 Brüssel I-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einstweilige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . 3. Bezug zum Anwendungsbereich der VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dringlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Räumliche Wirkungsbeschränkung –

Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 5 9 15

II. Zuständigkeit der

Nicht-Hauptsachegerichte (Abs 1) 1. Zuständigkeiten lege fori . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu völkervertraglichen Übereinkommen und anderem EG-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einschränkung auf Personen und Güter im Gerichtsstaat . . . . . . . . . . . . . . .

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23

IV. Zuständigkeit und Vorrang der

Hauptsachegerichte (Abs 2) 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorrang des mit der Hauptsache befassten Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Außerkrafttreten (Abs 2) . . . . . . . . . . . . 4. Information des Hauptsachegerichts

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Dazu oben Rn 27. Borrás-Bericht Nr 57; Gruber FamRZ 2000, 1134; dazu oben Rn 27.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

I.

Einstweilige Maßnahmen – Reichweite

1.

Abweichungen von Art 31 Brüssel I-VO

Art 20 Brüssel IIa-VO 1-5

a) Art 20 – dessen Abs 1 aus Art 12 Brüssel II-VO übernommen wurde – entspricht 1 in seiner Funktion Art 31 Brüssel I-VO, der unverändert aus Art 24 EuGVÜ übernommen wurde. Die (ausschließlichen) Zuständigkeiten nach der VO sollen ausdrücklich den lege fori vorgesehenen vorläufigen Eilmaßnahmen nicht entgegenstehen. Bei Schaffung von Art 12 Brüssel II-VO (nun Abs 1) wurde von Innovationen zur Be- 2 reinigung der Auslegungsprobleme zu Art 24 EuGVÜ Abstand genommen;1 gleichwohl unterscheidet sich die vorliegende Regelung in zwei Aspekten ausdrücklich von Art 31 Brüssel I-VO. Aufgrund einiger sybillinischer Passagen im Bericht von Borrás2 werden zudem deutlich von Art 31 Brüssel I-VO abweichende Auslegungen vertreten. b) Art 20 Abs 1 beschränkt sich ausdrücklich auf dringende Fälle.3 Dieser Unter- 3 schied im Wortlaut dürfte allerdings nicht als weitere Einschränkung gegenüber Art 31 Brüssel I-VO zu verstehen sein, sondern eher gewährleisten, dass die Reichweite in etwa mit der dortigen übereinstimmt. 4 c) Unklar ist auch die Auswirkung der ausdrücklichen Beschränkung auf Personen 4 und Güter im Gerichtsstaat. Ausweislich des Berichts5 ist diese Einschränkung als Kompensation für eine dort vermutete Weite des Maßnahmenkatalogs gedacht. Während die Maßnahmen nach Art 31 Brüssel I-VO extraterritorial wirken, aber unstrittig nur Materien betreffen, die in den Anwendungsbereich der Brüssel I-VO fallen, soll Art 20 Abs 1 die extraterritoriale Wirkung beschränken, aber vielfältige Maßnahmen ermöglichen, die nicht notwendig in den Anwendungsbereich der VO fallen. Ob diese einigermaßen rätselhafte Interpretation im Bericht zutrifft, erscheint sowohl hinsichtlich der materiellen Reichweite6 als auch hinsichtlich der räumlichen Wirkung7 zweifelhaft. 2.

Einstweilige Maßnahmen

a) Der Begriff der einstweiligen Maßnahmen unter Einschluss von Sicherungsmaß- 5 nahmen ist autonom zu bestimmen, wobei ergänzend auf die Rechtsprechung zu Art 24 EuGVÜ zurückgegriffen werden kann.8 Art 20 bestimmt autonom lediglich 1 2 3 4 5 6 7 8

Borrás-Bericht Nr 58. Ancel/Watt Rev crit dip 2001, 427. Borrás-Bericht Nr 58; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2; Kennett ICLQ 48 (1999) 470. Näher unten Rn 15. Borrás-Bericht Nr 58. Unten Rn 9 ff. Unten Rn 23 ff. Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 579.

Thomas Rauscher

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Art 20 Brüssel IIa-VO 6- 9

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

drei den Anwendungsbereich beschränkende kumulative Anforderungen, die an eine solche Maßnahme zu stellen sind, um sie unter Art 20 anordnen zu können. Danach müssen die Maßnahmen dringend sein, Personen oder Vermögensgegenstände in dem Staat betreffen, in dem das Gericht seinen Sitz hat und sie müssen vorübergehender Art sein. 9 6 Einstweilig sind alle Maßnahmen, die dem Antragsteller nur einen vorläufigen Rechtsschutz gewähren sollen.10 Dies setzt freilich dem Katalog von einstweiligen Maßnahmen im nationalen Recht der Mitgliedstaaten keine engen Grenzen. Der EuGH hat unter Brüssel I den Begriff insoweit eingeschränkt, als eine Maßnahme, die bereits auf die vorläufige Erbringung einer Leistung gerichtet ist, nur dann unter Art 24 EuGVÜ fällt, wenn die Rückzahlung für den Fall des Obsiegens des Verpflichteten in der Hauptsache gesichert ist.11 Soweit solche Maßnahmen im Anwendungsbereich des Art 20 überhaupt vorstellbar sind,12 ist diese Einschränkung zu übernehmen. 7 Im Anwendungsbereich von Art 20 misst der EuGH der vorübergehenden Art der Maßnahme eigenständige tatbestandliche Bedeutung bei. Da sich die Art der Maßnahme jeweils aus dem nationalen Recht ergibt,13 muss sich auch ihre Bindungswirkung und damit ihre vorübergehende Natur unmittelbar aus dem angewendeten nationalen Recht ergeben.14 Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass die Maßnahme von vornherein zeitlich begrenzt ist,15 solange sie nur ihrer Natur nach keine endgültige, insbesondere unumkehrbare, Regelung darstellt. Insbesondere ergibt sich aus Abs 2, dass die Beendigung einer – auch unbefristeten einstweiligen Maßnahme – durch eine Regelung seitens des in der Hauptsache zuständigen Gerichts immer möglich ist. 8 b) Art 20 schafft hingegen selbst keine autonomen Typen von einstweiligen Maßnahmen16 und auch keine autonome Maßnahmenzuständigkeit. Die Bestimmung stellt nicht sicher, dass Eilmaßnahmen überhaupt getroffen werden können. Ihrem Zweck entsprechend verweist die Regelung für die Art der jeweiligen Maßnahmen auf die lex fori.17 3.

Bezug zum Anwendungsbereich der VO

9 a) Unstrittig betrifft Art 20 nur Maßnahmen, die aus Anlass eines in den Anwendungsbereich der VO fallenden Verfahrens getroffen werden können, also Maßnahmen im Zusammenhang mit Ehe- und Kindschaftssachen.18 Nicht erforderlich ist je9 10 11 12 13 14 15 16 17

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EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 843. Kropholler Art 31 Brüssel I-VO Rn 5. EuGH Rs C-99/96 Mietz/Intership EuZW 1999, 727. Dazu unten Rn 9 ff. Sogleich Rn 8. EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 843. Unklar insoweit EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 843. EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 843. Borrás-Bericht Nr 59; MünchKommZPO /Gottwald Rn 6; Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 579.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 20 Brüssel IIa-VO 10-12

doch, dass ein solches Verfahren bereits anhängig ist. Art 20 erlaubt einen Rückgriff auf die lex fori erst recht dann, wenn nur Gerichte eines anderen Mitgliedstaates in der Hauptsache zuständig wären, aber noch nicht angerufen wurden. b) Fraglich ist hingegen, ob auch der Gegenstand der einstweiligen Maßnahme in 10 den Anwendungsbereich der VO fallen muss. Da der Bericht19 einen wesentlichen Unterschied zu Brüssel I darin erkennen will, dass Art 20 vielfältige Maßnahmen, die auch Güter betreffen,20 erfasse, wird teilweise im Schrifttum vertreten, Art 20 gelte auch für sonstige Maßnahmen, die selbst nicht unter Art 1 fallen. 21 Dem ist nicht zu folgen: (1) Ohne große Bedeutung ist die Frage der Einbeziehung sonstiger Maßnahmen, so- 11 weit es um das Zuständigkeitssystem der VO geht: Art 20 eröffnet jedenfalls die Möglichkeit, dass einstweilige Maßnahmen, die in den Anwendungsbereich des Art 1 fallen, auch von dem lege fori zuständigen Gericht getroffen werden können. Maßnahmen, die nicht in den Anwendungsbereich der VO fallen, werden hingegen ohnehin lege fori oder nach anderen internationalen oder europäischen Zuständigkeitssystemen getroffen. 22 Dass dies auch für einstweilige Maßnahmen gilt, ist selbstverständlich. Art 20 lässt sich insoweit allenfalls als Klarstellung verstehen, dass solche Maßnahmen auch nach Einleitung eines Verfahrens iSd Art 1 zulässig bleiben. Hingegen kann eine Zuständigkeit für einstweilige Regelungen in Ehegüterrechts- und Unterhaltssachen nicht auf Art 20 gestützt werden.23 (2) Unhaltbar wäre hingegen eine Ausdehnung des Anerkennungssystems der VO 12 auf Maßnahmen in von der VO sachlich nicht erfassten Materien, mit der sich die dem Borrás-Bericht folgende Meinung nicht befasst. 24 Art 20 gibt nach seinem Wortlaut nicht den geringsten Anhalt dafür, dass die Bestimmung entgegen jeder systematischen Auslegung eines sachlich-gegenständlich beschränkten internationalen Rechtsinstruments über die Materien der VO hinausreichen sollte. Art 31 Brüssel I-VO ist selbstverständlich auf die sachlich erfassten Materien beschränkt.25 Ein Anerkennungszwang hinsichtlich einstweiliger Maßnahmen in nicht von der VO erfass18 19 20 21 22

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MünchKommZPO /Gottwald Rn 5. Borrás-Bericht Nr 59. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 7. Zöller /Geimer Rn 1; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 7; Spellenberg FS Beys (2003) 1583 ff. ÖstOGH (1 Ob 140/02y) ZfRV 2003, 73 (Leitsatz); Ancel/Watt Rev crit dip 2001, 427; AnwKomm BGB /Gruber Rn 3; unklar Rb Maastricht NIPR 2004, 37, wo die Zuständigkeit in der nach Abschluss der Ehesache nicht mehr in den Anwendungsbereich der Brüssel II-VO fallenden Umgangssache wegen Art 12 Brüssel II-VO (wie Art 20 Brüssel IIa-VO) auf niederländisches Recht gestützt wird. Vgl Hof Amsterdam NIPR 2007, 245: Keine Zuständigkeit aus Art 20 für vermögensrechtliche Regelung. Sumampouw FS Siehr (2000) 739; zweifelnd Boele-Woelki ZfRV 2001, 126 mit Nachw; zutreffend auch Dilger Rn 301 ff. EuGH Rs 25/81 W/H IPRax 1983, 77.

Thomas Rauscher

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Art 20 Brüssel IIa-VO 13, 14

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

ten Materien würde das Anliegen der VO und ihre Kompetenzgrundlage sprengen. Überdies käme es zu unvertretbaren Konflikten mit Brüssel I26 und der geplanten Brüssel III-VO. Die eher vagen Bemerkungen im Bericht sprechen nicht für die Gegenansicht, weil die Dimension der Anerkennung dort nicht gesehen und die Frage nur aus Sicht des Zuständigkeitssystems erörtert wurde. 13 (3) Art 20 erlaubt also positiv – abgesehen von seiner klarstellenden Funktion im Zuständigkeitssystem – nur für solche Maßnahmen eine Zuständigkeit lege fori, die sonst in den Anwendungsbereich des Art 1 fallen würden und unterstellt solche Maßnahmen auch den Art 21 ff. 27 Der Anwendungsbereich ist damit eher gering. Einstweilige Maßnahmen im Bereich von Art 1 Abs 1 lit a dürften selten sein. Erfasst sind neben einer formalen Gestattung des Getrenntlebens jedoch auch Regelungen, die zum Zweck der Herbeiführung des Getrenntlebens oder der Sicherung eines getrenntlebenden Ehegatten ergehen, ohne über den Status selbst bereits zu entscheiden.28 Im Anwendungsbereich von Art 1 Abs 1 lit b sind alle Sorgemaßnahmen erfasst, die noch nicht abschließend die elterliche Verantwortung einschließlich des Umgangs regeln. 14 (4) Hingegen erfasst Art 20 nicht einstweilige Unterhaltsmaßnahmen. 29 Da diese Materie in den Anwendungsbereich von Brüssel I fällt, ist Art 31 Brüssel I-VO als speziellere Regelung anzuwenden, so dass zwar ebenfalls aufgrund von Zuständigkeiten lege fori entschieden werden kann, aber weder eine zusätzliche Prüfung der Dringlichkeit noch die Anwesenheit des Unterhaltsberechtigten oder -verpflichteten im Gerichtsstaat erforderlich ist. 30 Nicht erfasst sind auch einstweilige Regelungen von Vermögensbeziehungen zwischen den Ehegatten; soweit diese im Sinn von Art 1 Abs 2 Nr 1 Brüssel I-VO ehegüterrechtlicher Natur sind, bestimmt ohnehin die lex fori über die Zuständigkeit.

26 27 28

29

30

234

Sogleich Rn 14. Geimer/Schütze/Dilger Rn 11ff, 14 ff; Zöller /Geimer Rn 2 ff. Hof ’s-Gravenhage NIPR 2007, 250, 251: Vorläufige Regelung der ehelichen Wohnung. Aus deutscher Sicht sind insbesondere Regelungen erfasst nach §§ 2 f GewSchG (BGBl 2001 I 3513), aber auch nach § 1361b BGB, der gerade in der Neufassung durch das GewSchG nicht mehr nur als eine Folgesache zur Nutzungsregelung im Sinn einer Vorverlagerung der Regelungen der HausratsVO zu verstehen ist, sondern als ein Instrument zum persönlichen Schutz eines getrennt lebenden Ehegatten. Nicht erfasst ist dagegen § 1361a BGB, weil insoweit der vermögensrechtliche Aspekt überwiegt: Geimer/Schütze/Dilger Rn 16; aA MünchKommZPO /Gottwald Rn 5; Spellenberg FS Beys (2003) 1583, 1593. Wermuth v Wermuth [2003] 1 WLR 942, wo allerdings eine enge Auslegung von Art 12 Abs 1 Brüssel II-VO an der Frage der Vorläufigkeit einer Unterhaltsregelung festgemacht wird; Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 580; Staudinger /Spellenberg (2004) Rn 18; MünchKommZPO /Gottwald Rn 5; Zöller /Geimer Rn 5. Vgl zu diesen formalen Abweichungen zwischen Art 20 und Art 31 Brüssel I-VO oben Rn 3, 4.

Januar 2010

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

4.

Art 20 Brüssel IIa-VO 15-17

Dringlichkeit

a) Die nach dem Wortlaut ausdrücklich geforderte Beschränkung auf dringende 15 Fälle wird zwar gelegentlich als Unterschied zu Art 31 Brüssel I-VO betont,31 die Bedeutung dieses Kriteriums ist jedoch nicht klar. Am ehesten bietet sich ein Verständnis an, das die Dringlichkeit als zusätzliches autonomes Tatbestandsmerkmal einbringt,32 wenn lege fori ein Eilbedürfnis nicht explizit gefordert ist. Während nämlich einstweiligen Maßnahmen im allgemeinen Zivilprozess regelmäßig tatbestandlich die Dringlichkeit immanent ist, könnten in Status- und Sorgeverfahren durchaus Maßnahmen zur vorübergehenden Regelung, insbesondere während des Getrenntlebens, in Betracht kommen, die nicht per se dringlich sind. b) Für Sorgemaßnahmen stimmt nach der Ausdehnung der VO auch auf selbststän- 16 dige Verfahren der elterlichen Verantwortung der Dringlichkeitsbegriff in Art 20 mit dem in Art 9 MSA /Art 11 Abs 1 KSÜ überein, da immer der für diese Bestimmungen typische Konflikt zwischen einem eigentlich zuständigen Gericht und einem zu schnellem Handeln berufenen Gericht besteht. Ehe sich das Gericht auf Art 20 stützt, ist jedoch zu prüfen, ob ggf eine eigene Zuständigkeit nach Art 8 ff besteht, insbesondere aus Art 13 Abs 2. Dringlichkeit besteht danach jedenfalls dann, wenn eine konkrete Gefährdung des Kindeswohls gegeben ist.33 Keine Dringlichkeit besteht für eine vorläufige Sorgerechtsregelung, wenn die Gefahr für das Kindeswohl in anderer Weise, zB durch eine vorläufige Regelung des Kindesunterhalts,34 abgewehrt werden kann. Im Fall einer widerrechtlichen Verbringung oder des Zurückhaltens eines Kindes ist überdies zu beachten, dass das von Art 10, 11 vorgegebene Zuständigkeitssystem nicht unnötig durch sorgerechtliche einstweilige Maßnahmen des Staates, in den das Kind verbracht wurde, gestört wird. 35 II.

Zuständigkeit der Nicht-Hauptsachegerichte (Abs 1)

1.

Zuständigkeiten lege fori

Art 20 schafft keine eigenständige Zuständigkeit, sondern gestattet für die einstweilige 17 Maßnahme die Inanspruchnahme von Zuständigkeiten außerhalb der VO, auch wenn in der Hauptsache die Zuständigkeiten der VO ausschließlich sind. Dies sind regelmäßig die nach der lex fori vorgesehenen Zuständigkeiten. 36 Unerheblich ist, ob ein Verfahren iSd Art 1 bereits anhängig ist oder lediglich eine potentiell bestehende an-

31 32 33 34 35 36

Borrás-Bericht Nr 59; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2; Kennett ICLQ 48 (1999) 470. So auch EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 843 Vgl Rb Groningen NIPR 2008, 49: Gefahr für die Entwicklung des Kindes. Rb ’s-Gravenhage NIPR 2006, 281, 282. Vgl Rb ’s-Gravenhage NIPR 2006, 281, 282. Borrás-Bericht Nr 59; MünchKommZPO /Gottwald Rn 1; Geimer/Schütze/Dilger Rn 1; AnwKomm BGB /Gruber Rn 10; aA Staudinger/Pirrung Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 113; Andrae IPRax 2006, 82, 85.

Thomas Rauscher

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Art 20 Brüssel IIa-VO 18-21

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

derweitige ausschließliche Zuständigkeit überwunden werden muss; Art 20 gilt auch für Eilmaßnahmen neben einem anderweitig anhängigen Hauptsacheverfahren. Art 20 verdrängt jedoch nicht das Zuständigkeitssystem der VO. Selbstverständlich kann auch ein nach Art 3 bis 5, 8 bis 13 zuständiges Gericht einstweilige Maßnahmen erlassen. 37 2.

Verhältnis zu völkervertraglichen Übereinkommen und anderem EG-Recht

18 Art 20 beeinflusst nicht das Verhältnis zwischen nationalem Recht und anderen Rechtsinstrumenten. Soweit die lex fori durch völkervertragliche Übereinkommen, insbesondere das MSA und das KSÜ, verdrängt ist, kann auch im Rahmen des Art 20 die Zuständigkeit nicht auf nationale Vorschriften gestützt werden. Hält sich das Kind in einem Vertragsstaat auf, der nicht Mitgliedstaat ist, so können auch einstweilige Maßnahmen (die dann räumlich nur das Kindesvermögen betreffen können38) nicht auf Art 20, sondern nur auf das MSA bzw das KSÜ gestützt werden.39 19 Zudem betrifft Art 20, wie die VO insgesamt, nicht das auf die einstweilige Maßnahme anwendbare Recht, das sich insbesondere aus den Kollisionsnormen des MSA bzw des KSÜ ergeben kann.40 20 Ebenso wenig verändert Art 20 das Verhältnis zwischen lex fori und anderen Rechtsinstrumenten des EG-Rechts. Schon aus diesem Grund könnte, selbst wenn man der hier vertretenen Beschreibung des Anwendungsbereichs41 nicht folgt, die Zuständigkeit für einstweilige Unterhaltsmaßnahmen nur über Art 31 Brüssel I-VO lege fori beurteilt werden. 3.

Einschränkung auf Personen und Güter im Gerichtsstaat

21 a) Die durch Art 20 zugelassene Zuständigkeit beschränkt sich auf Personen und Güter, die sich im Staat des Gerichts befinden, vor dem die einstweilige Maßnahme begehrt wird. Diese Beschränkung gilt selbstverständlich nur für solche Maßnahmen, für die eine Zuständigkeit lege fori erst durch Art 20 eröffnet wird.42 Für Maßnahmen, die sachlich nicht der VO unterfallen, wirkt Art 20 nicht zuständigkeitsbegrenzend. Insoweit stellt Art 20 allenfalls klar, dass auch für einstweilige Maßnahmen nicht das Zuständigkeitssystem der VO gilt. 43

37 38 39 40 41 42 43

236

Dilger Rn 291; näher unten Rn 25 ff. Vgl Rn 21. Andrae IPRax 2006, 82, 85. Hof Arnhem NIPR 2008, 498, 499. Oben Rn 11 ff. Hof ’s-Hertogenbosch NIPR 2006, 402, 403 f. Dazu oben Rn 11.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 20 Brüssel IIa-VO 22-24

b) Soweit Art 20 eine positive Wirkung entfaltet, begrenzt diese Einschränkung Zu- 22 ständigkeiten, die eine vorläufige Regelung von Statusverhältnissen oder Sorgeverhältnissen auch dann ermöglichen, wenn sich im Zeitpunkt der Maßnahme die betroffenen Personen oder Güter nicht im Entscheidungsstaat befinden. Für Sorgemaßnahmen ist dazu grundsätzlich auf die Person des Kindes abzustellen, für ein einstweiliges Umgangsverbot sollte es aber genügen, wenn der Adressat des Verbots sich im Gerichtsstaat aufhält. Einstweilige Maßnahmen zwischen den Ehegatten sind nur möglich, wenn sich wenigstens ein Ehegatte im Gerichtsstaat aufhält oder eine unmittelbar betroffene Sache (zB die eheliche Wohnung) dort belegen ist. III. Räumliche Wirkungsbeschränkung – Anerkennung

Teilweise wird aus der Beschränkung der Zuständigkeit44 auf Personen und Güter im Ent- 23 scheidungsstaat eine territoriale Wirkungsbeschränkung der Maßnahme auf den Gerichtsstaat gefolgert. 45 Auch dieser Meinung liegt zwar eine Äußerung im Bericht46 zugrunde, sie findet aber in der Bestimmung selbst keine Stütze. Auch die Rechtsprechung des EuGH zur einschränkenden Inanspruchnahme der Zuständigkeit aus Art 24 EuGVÜ47 verlangt zwar einen ursprünglichen Bezug zum Staat der Maßnahme, beschränkt aber nicht deren Wirkung. Allenfalls wird faktisch die Frage der Anerkennung seltener auftreten, weil sich die Wirkung einer Maßnahme solange überwiegend im Entscheidungsstaat entfaltet, wie die betroffene Person oder Sache sich dort befindet. 48 Im Übrigen entfalten unter Art 20 ergangene Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten Wirkung und sind nach Art 21 ff, Umgangsregelungen ggf auch nach Art 40 ff, anzuerkennen.49 Auf die Anerkennung von Eilmaßnahmen ist jedoch die einschränkende Rechtspre- 24 chung des EuGH zu Art 24 ff EuGVÜ50 zu übertragen, wonach einstweilige Maßnahmen nicht einzubeziehen sind, die auf einseitigen Antrag ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners ergehen.51 Dass in Sorgerechtssachen Maßnahmen ggf aus Gründen des Kindeswohls ohne vorherige Anhörung ergehen, spricht nicht dafür, sie in das Anerkennungssystem der VO einzubeziehen, sofern nur die Gewährung rechtlichen Gehörs nachgeholt wird.52 Insoweit gilt nunmehr das an das KSÜ angelehnte System 44 45

46 47

48 49

50 51 52

Dazu soeben Rn 22. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 6; Zöller /Geimer Rn 13; Geimer/Schütze/Dilger Rn 23, der dies allerdings als völlig unbefriedigend zu Lasten des Antragstellers erkennt, Rn 24. Borrás-Bericht Nr 59. EuGH Rs C-391/95 Van Uden/Deco-Line EuGHE 1998 I 7091; EuGH Rs C-99/96 Mietz/Intership EuZW 1999, 727. So MünchKommZPO /Gottwald Rn 3. Vgl Boele-Woelki ZfRV 2001, 126 mit Nachw; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 51; MünchKommZPO /Gottwald Rn 10; Helms FamRZ 2001, 257, 260; Hausmann EuLF 2000/01, 348; aA Dilger Rn 309 ff, 315; Zöller /Geimer Rn 13; Geimer/Schütze/Dilger Rn 23; AnwKommBGB /Gruber Rn 4. Seit EuGH Rs 125/79 Denilauler/Couchet Frères EuGHE 1980, 1553. AnwKommBGB /Gruber Rn 5. So aber Helms FamRZ 2001, 257, 261.

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Art 20 Brüssel IIa-VO 25-28

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

der Art 8 ff, das nicht durch die Anerkennung von einseitigen Eilmaßnahmen ausgehebelt werden darf. IV.

Zuständigkeit und Vorrang der Hauptsachegerichte (Abs 2)

1.

Zuständigkeit

25 Grundsätzlich berührt Art 20 nicht die Zuständigkeit der nach Art 3 ff zuständigen Gerichte auch für vorläufige Maßnahmen und Eilmaßnahmen. Deshalb gilt für diese Gerichte auch nicht die in Abs 1 bestimmte Einschränkung im Hinblick auf Personen und Vermögensgegenstände im Gerichtsstaat.53 2.

Vorrang des mit der Hauptsache befassten Gerichts

26 Ist bereits ein anderes zuständiges Gericht in der Hauptsache befasst, so soll dies nach verbreiteter Ansicht die Zuständigkeit der sonstigen nach Art 3 ff zuständigen Gerichte hinsichtlich einstweiliger Maßnahmen nicht berühren.54 Dies dürfte jedoch nur mit der wesentlichen Einschränkung richtig sein, dass sich nach – gemäß Art 16 zu beurteilender – Anrufung eines zuständigen Gerichts die Zuständigkeit anderer nach Art 3 ff zuständiger Gerichte nur noch auf eine analoge Anwendung von Art 20 stützen kann. Diese Gerichte sind nämlich im Übrigen gehalten, gemäß Art 19 zu verfahren. Hat das später angerufene Gericht gemäß Art 19 das Verfahren auszusetzen, so ist es gerade nicht mehr aktuell hauptsachezuständig und kann daher schwerlich seine Zuständigkeit für einstweilige Maßnahmen auf die durch Art 19 zweitrangig gewordene Zuständigkeit stützen. Andererseits wäre es verfehlt, die durch Art 19 zurückgedrängte Zuständigkeit geringer wiegen zu lassen als eine lege fori bestehende; daher ist Abs 1 entsprechend anzuwenden. Das zweitangerufene Gericht kann nur noch dringliche Maßnahmen mit dem in Abs 1 genannten räumlich eingeschränkten Bezug treffen. 3.

Außerkrafttreten (Abs 2)

27 a) Anders als Art 12 Brüssel II-VO enthält Abs 2 nun zudem eine autonome Regelung der Geltungsdauer einer unter Art 20 getroffenen einstweiligen Maßnahme. Schon unter Art 12 entsprach es überwiegender Ansicht, dass einstweilige Maßnahmen durch eine Entscheidung des mit der Hauptsache befassten Gerichts hinfällig werden. 28 b) Nach Abs 2 tritt eine unter Abs 1 getroffene Maßnahme außer Kraft, wenn das in der Hauptsache zuständige Gericht die seiner Einschätzung nach erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.

53 54

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AnwKommBGB /Gruber Rn 6. AnwKommBGB /Gruber Rn 6; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 34, jeweils mit Nachw.

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Kapitel II . Zuständigkeit Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 20 Brüssel IIa-VO 29, 30

Dies setzt nicht voraus, dass bereits in der Hauptsache entschieden wurde. Auch eine (abweichende) einstweilige Maßnahme des in der Hauptsache befassten Gerichts löst die Wirkung des Abs 2 aus. Andererseits wird die unter Abs 1 getroffene Maßnahme nur dann hinfällig, wenn und soweit das in der Hauptsache befasste Gericht ausdrücklich eine Entscheidung trifft, welche den Gegenstand der einstweiligen Maßnahme zum Inhalt hat.55 Eine Hauptsacheentscheidung, die sich inhaltlich nicht mit dem Gegenstand der einstweiligen Maßnahme befasst,56 berührt die Maßnahme nur dann, wenn sie lege fori schon kraft Gesetzes bis zum Erlass der Hauptsacheentscheidung gilt oder ausdrücklich bis dahin befristet ist. c)

Auch für Abs 2 ist zwischen Maßnahmen im sachlichen Anwendungsbereich der 29

VO und anderen Maßnahmen zu unterscheiden – was an dieser Stelle auch die Gegen-

ansicht57 nicht verkennt.58 Einstweilige Maßnahmen, für die Art 20 nur klarstellend die Zuständigkeit lege fori bestätigt, sind durch die Hauptsacheentscheidung der nach Art 3 ff zuständigen Gerichte in der Statussache nicht unmittelbar berührt. Ob die Hauptsacheentscheidung mittelbar die einstweilige Maßnahme berührt, insbesondere ob sie mit Rechtskraft der Ehescheidung außer Kraft tritt oder es einer Aufhebung oder Änderung bedarf, entscheidet die lex fori.59 4.

Information des Hauptsachegerichts

Nicht ausdrücklich geregelt ist in Art 20, in welcher Weise sichergestellt werden 30 kann, dass das in der Hauptsache zuständige Gericht von dem Fürsorgebedürfnis erfährt. Diese Frage ist insbesondere dann dringlich, wenn die unter Art 20 getroffene Maßnahme von vornherein befristet ist oder wenn die Maßnahme dadurch ihre Durchführbarkeit einbüßt, dass die betroffene Person, insbesondere ein von einer sorgerechtlichen einstweilige Maßnahme betroffenes Kind, das Gebiet des anordnenden Staates verlässt. Eine Abgabe oder Verweisung sieht insoweit die VO nicht vor; ein Vorgehen nach Art 15 ist nicht zielführend, da die Verweisung von einem in der Hauptsache zuständigen Gericht ausgehen muss, also das Bedürfnis einer Verweisung durch das nur nach Art 20 für einstweilige Maßnahmen zuständige Gericht gerade nicht erfasst ist. Jedoch wird es regelmäßig dann, wenn die einstweilige Maßnahme nach Art, Umfang oder Geltungsbereich nicht mehr genügt, der Schutz des Kindeswohls erfordern, dass das anordnende Gericht die in der Hauptsache zuständigen Gerichte direkt oder durch Einschaltung der Zentralen Behörden (Art 53) von dem Fürsorgebedürfnis in Kenntnis setzt.60

55 56

57 58 59 60

Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 47; unklar Borrás-Bericht Nr 59 aE; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 6. ZB ein Scheidungsbeschluss, der nach einstweiliger Umgangsregelung keine (anderen) Maßnahmen zur elterlichen Verantwortung trifft. Oben Rn 10. Vgl insbesondere Borrás-Bericht Nr 59 aE. Borrás-Bericht Nr 59. EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 843.

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Art 21 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Kapitel III Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 Anerkennung Artikel 21

Anerkennung einer Entscheidung (1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. (2) Unbeschadet des Absatzes 3 bedarf es insbesondere keines besonderen Verfahrens für die Beschreibung in den Personenstandsbüchern eines Mitgliedstaats auf der Grundlage einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung über Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe, gegen die nach dem Recht dieses Mitgliedstaats keine weiteren Rechtsbehelfe eingelegt werden können. (3) Unbeschadet des Abschnitts 4 kann jede Partei, die ein Interesse hat, gemäß den Verfahren des Abschnitts 2 eine Entscheidung über die Anerkennung oder Nichtanerkennung der Entscheidung beantragen. Das örtlich zuständige Gericht, das in der Liste aufgeführt ist, die jeder Mitgliedstaat der Kommission gemäß Artikel 68 mitteilt, wird durch das nationale Recht des Mitgliedstaats bestimmt, in dem der Antrag auf Anerkennung oder Nichtanerkennung gestellt wird. (4) Ist in einem Rechtsstreit vor einem Gericht eines Mitgliedstaats die Frage der Anerkennung einer Entscheidung als Vorfrage zu klären, so kann dieses Gericht hierüber befinden. I. Anwendungsbereich des Anerkennungssystems der Brüssel IIa-VO 1. Änderung der Normsystematik im Vergleich zur Brüssel II-VO . . . . . . . . . . . 1 2. Sachlicher, räumlicher, zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3. Verhältnis zu anderem Europarecht, Staatsverträgen und nationalem Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 II. Anerkennung ohne besonderes Verfahren

1. Grundsatz der Anerkennung . . . . . . . . . 2. Anerkennung als Wirkungserstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kein Anerkennungsverfahren (Abs 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

240

4. Inzidentanerkennung bei Vorfrage (Abs 4) a) Inzidente Vorfragenentscheidung . . . . . . . . . . . . b) Zwischenfeststellungsurteil . . . . . . . . 5. Anerkennung zum Zweck der Beischreibung in Personenstandsbüchern (Abs 2) a) Inzidentanerkennung . . . . . . . . . . . . . b) Inzidentanerkennung durch Behörden in sonstigen Fällen . . . . .

19 22

25 30

12 II. Anerkennungsfeststellungs-

13 15

verfahren (Abs 3) 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Antragsberechtigung, insbesondere besonderes Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensfragen (Abs 3 S 2) . . . . . . . .

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 21 Brüssel IIa-VO 1, 3

I.

Anwendungsbereich des Anerkennungssystems der Brüssel IIa-VO

1.

Änderung der Normsystematik im Vergleich zur Brüssel II-VO

Art 21 entspricht mit einigen redaktionellen Änderungen sowie der Erweiterung um 1 Abs 3 S 2 dem Art 14 Brüssel II-VO. Die in Art 13 Abs 1 Brüssel II-VO enthaltene Definition der Entscheidung ist nunmehr in Art 2 Nr 4 enthalten. Diese Einordnung in die einleitenden Definitionen ist insofern unpassend, weil der Entscheidungsbegriff auch dort keineswegs generell für die gesamte Verordnung, sondern lediglich mit Bezug auf die ergangene Entscheidung, also für den Regelungsbereich der Anerkennung definiert ist. Inhaltlich ergeben sich dadurch für das Anerkennungssystem keine Änderungen.1 Art 13 Abs 2 Brüssel II-VO, betreffend die Kostenfestsetzung und die Vollstreckung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses, wurde nach Art 492 übernommen. Art 13 Abs 3 Brüssel II-VO, betreffend die Gleichstellung öffentlicher Urkunden, entspricht nunmehr Art 46.3 2.

Sachlicher, räumlicher, zeitlicher Anwendungsbereich

a) Das Anerkennungssystem der VO ist dem der Brüssel I-VO /EuGVÜ nachgebil- 2 det. Der sachliche Anwendungsbereich der VO stimmt für das Anerkennungssystem mit dem des Art 1 Abs 1 überein. Es sind Entscheidungen in Ehesachen (Art 1 lit a)4 unter Einschluß eines ggf erfolgten Verschuldensausspruchs,5 jedoch nicht antragsabweisende, also statuserhaltende Entscheidungen,6 sowie Entscheidungen über die elterliche Verantwortung (Art 1 Abs 1 lit b)7 anzuerkennen. Einstweilige Maßnahmen nach Art 20 unterfallen mit Einschränkungen8 dem System der Art 21 ff. Folgesachenentscheidungen mit Ausnahme von Entscheidungen über die elterliche 3 Verantwortung unterfallen, auch wenn sie im Verbund mit der Ehesache ergangen sind, nicht der Anerkennung nach Art 21 ff. 9 Ihre Anerkennung unterliegt nicht der VO; sie sind entweder nach den Bestimmungen von Brüssel I oder ggf lege fori anzuer-

1 2 3 4 5

6 7 8 9

Vgl dazu Art 2 Rn 5 ff. Siehe dort. Siehe dort. Dazu Art 1 Rn 1 ff. MünchKommZPO /Gottwald Rn 2; Staudinger /Spellenberg (2004) Rn 61; Geimer/Schütze/Dilger Rn 5; Zöller /Geimer Rn 1; aA Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem Art 21 Rn 1. Nicht anerkannt werden hingegen an den Verschuldensausspruch anknüpfende Folgesachen, die nicht in den Anwendungsbereich der VO fallen: Art 1 Rn 19. Dazu Art 2 Rn 10. Dazu Art 1 Rn 20 ff. Dazu Art 20 Rn 24. Helms FamRZ 2001, 257, 258; Hausmann EuLF 2000/01, 348.

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Art 21 Brüssel IIa-VO 4-9

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

kennen.10 Es gibt aber weiterhin keine Anerkennung einer Scheidungsfolgenentscheidung ohne Anerkennung der Ehescheidung: Soweit über eine Scheidungsfolge entschieden wurde, kann eine solche Entscheidung nur anerkannt werden, wenn das zugrundeliegende Scheidungsurteil (insoweit ggf nach der VO) anerkennungsfähig ist.11 4 b) Räumlich unterliegen der Anerkennung nach der VO nur Entscheidungen, die in einem Mitgliedstaat (Art 2 Nr 3)12 erlassen wurden (Abs 1). Nicht nach §§ 21 ff anerkennungsfähig sind hingegen Entscheidungen aus Drittstaaten. Dies gilt auch dann, wenn diese Entscheidungen in einem Mitgliedstaat (lege fori) anerkannt wurden; ein Doppel-Exequatur ist auf der Grundlage von §§ 21 ff nicht möglich.13 5 c) Zeitlich sind Entscheidungen erfasst, die in einem seit dem Anwendungsbeginn der Brüssel IIa-VO am 1.3.2005 eingeleiteten Verfahren ergangen sind (Art 64 Abs 1, Art 72).14 6 Da die VO die Brüssel II-VO ersetzt, musste dafür Sorge getragen werden, dass die Anerkennungsfähigkeit von Entscheidungen nicht beeinträchtigt wird, die in einem seit dem Anwendungsbeginn der Brüssel II-VO am 1.3.2001 eingeleiteten Verfahren nach Beginn der Anwendung der Verordnung am 1.3.2005 ergehen. Diese werden ebenfalls nach Kapitel III der VO (also Brüssel IIa) anerkannt und vollstreckt, sofern das Gericht aufgrund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel IIa-VO, der Brüssel II-VO oder einem zwischen Ursprungsmitgliedstaat und Anerkennungsmitgliedstaat geltenden Übereinkommen übereinstimmen (Art 64 Abs 2). 7 Für Altverfahren bleibt es gemäß Art 64 Abs 4 bei der schon in Art 42 Abs 1 Brüssel II-VO enthaltenen Regelung: Seit dem 1.3.2001 erlassene Entscheidungen in früher eingeleiteten Verfahren sind nur unter den Voraussetzungen des Art 64 Abs 4 von Art 21 ff erfasst, also wenn das Gericht aufgrund von Zuständigkeitsbestimmungen zuständig war, die mit denen der Brüssel IIa-VO, der Brüssel II-VO oder eines Abkommens zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem Anerkennungs- und Vollstreckungsmitgliedstaat übereinstimmen. 8 Vor dem 1.3.2001 erlassene Entscheidungen sind nicht nach der VO anzuerkennen. 3.

Verhältnis zu anderem Europarecht, Staatsverträgen und nationalem Recht

9 a) Das Verhältnis zu anderen europarechtlichen Instrumenten, insbesondere zur Brüssel I-VO, bestimmt sich aus den jeweiligen sachlichen Anwendungsbereichen, da diese überschneidungsfrei angelegt sind. Insbesondere unterliegen Entscheidungen 10 11 12 13 14

242

Borrás-Bericht Nr 64. Vgl BGHZ 64, 19. Art 2 Rn 4. AnwKommBGB /Andrae Rn 3. Näher bei Art 64.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 21 Brüssel IIa-VO 10-12

aus Mitgliedstaaten in Unterhaltssachen (auch im Verbundurteil) weiterhin der Anerkennung nach Art 32 ff Brüssel I-VO.15 b) Art 21 ff gehen in ihrem Anwendungsbereich nach Maßgabe der Art 60, 61 den 10 dort genannten völkervertraglichen Übereinkommen vor. Bilaterale oder multilaterale Übereinkünfte zur Ergänzung der VO kommen im Bereich der Anerkennung und Vollstreckung nicht in Betracht;16 Art 39 Abs 2 Brüssel II-VO, der hier Abweichungen untersagte, wurde nicht in die Brüssel IIa-VO übernommen, dies jedoch vor dem Hintergrund, dass die Brüssel IIa-VO schon kein Pendant zu der Regelung in Art 39 Abs 1 kennt, also bilaterale Durchführungsvereinbarungen nicht vorsieht. Außerhalb des Anwendungsbereichs der VO gehen weiterhin Anerkennungsregeln in völkervertraglichen Übereinkommen der lex fori vor, es gelten also insbesondere Art 7 MSA / Art 23 ff KSÜ für Sorgeregelungen aus Vertrags- aber Nicht-Mitgliedstaaten, die nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der VO fallen. c)

Die Anerkennung nach der nationalen lex fori ist im Anwendungsbereich der 11

VO ebenfalls verdrängt. Da die VO durchweg die Anerkennung im Vergleich zu den

nationalen Anerkennungsregelungen erleichtert, stellt sich die im völkervertraglichen Bereich diskutierte Frage des hilfsweisen Rückgriffs auf die lex fori nicht. Die Anerkennung erschwerende Bestimmungen der lex fori sind jedenfalls ausgeschlossen, insbesondere gelten nicht § 109 Abs 1 Nr 1 FamFG17 und § 107 FamFG.18 II.

Anerkennung ohne besonderes Verfahren

1.

Grundsatz der Anerkennung

Abs 1 beschreibt wie Art 33 Abs 1 Brüssel I-VO die Anerkennung von Entscheidun- 12 gen (Begriff des Art 2 Nr 4) aus Mitgliedstaaten als Grundsatz,19 die Nichtanerkennung als Ausnahme, deren Voraussetzungen Art 22 ff bestimmen. Das Anerkennungssystem soll auf dem Grundsatz gegenseitigen Vertrauens aufbauen, weshalb Gründe für die Nichtanerkennung auf das notwendige Minimum beschränkt werden.20 Nicht erfasst sind Entscheidungen in Ehesachen, die einen statusändernden Antrag abweisen.21 Die formelle Rechtskraft der Entscheidung ist, mit Ausnahme der Anerkennung

15

16 17

18

19 20 21

Für dänische Entscheidungen gilt die Brüssel I-VO im zeitlichen Anwendungsbereich des Anwendungsübereinkommens, sonst das EuGVÜ; für Entscheidungen aus Lugano-Staaten, die nicht Mitgliedstaaten sind, Art 25 ff Luganer Übereinkommen. Zöller /Geimer Rn 3; Geimer/Schütze/Dilger Rn 5; aA Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem Art 21 Rn 3. Vgl Art 22 Rn 6; auch § 109 Abs 1 Nr 2 ff FamFG gelten nicht, sind jedoch inhaltsähnlich als Anerkennungshindernisse in Art 22 enthalten. Helms FamRZ 2001, 261; Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem Art 21 Rn 4 jeweils noch zur Vorgängernorm Art 7 § 1 FamRÄndG. Thomas/Putzo/Hüßtege Art 21 Rn 1; MünchKommZPO /Gottwald Rn 1. Erwägungsgrund 21. Dazu Art 2 Rn 10.

Thomas Rauscher

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Art 21 Brüssel IIa-VO 13-15

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

zur Beischreibung in Personenstandsbücher (Abs 2), nicht erforderlich. 22 Ist jedoch ein ordentlicher Rechtsbehelf gegen die anzuerkennende Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat eingelegt, so besteht nach Art 27 die Möglichkeit zur Aussetzung des Verfahrens. 2.

Anerkennung als Wirkungserstreckung

13 Anerkennung bedeutet wie in Art 26 EuGVÜ, Art 33 Brüssel I-VO die Erstreckung der Wirkungen, die der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat (Art 2 Nr 5) zukommen, auf den Anerkennungsstaat. 23 Das umfasst die materiellen Rechtskraftwirkungen, die Gestaltungswirkungen, die bei Ehesachenentscheidungen zentrale Bedeutung haben, und ggf Tatbestandswirkungen, soweit die Entscheidung solche erzeugt. Soweit die Entscheidung einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, werden die Vollstreckungswirkungen nicht von der Anerkennung erfasst, sondern erst im Verfahren nach Art 28 ff verliehen,24 sofern es sich nicht um Umgangsentscheidungen handelt, die ggf nach Art 40 ff vollstreckbar sind. 14 Die Anerkennung von Sorgerechtsentscheidungen hindert nicht deren Abänderung, da Sorgerechtsentscheidungen grundsätzlich der Abänderung nach dem Maßstab des Kindeswohls unterliegen. 3.

Kein Anerkennungsverfahren (Abs 1)

15 a) Abs 1 verbietet nach nationalem Recht angeordnete obligatorische Delibationsoder Anerkennungsverfahren. 25 Die Anerkennung erfolgt, ohne dass es der Verleihung solcher Wirkungen durch eine Entscheidung im Anerkennungsstaat bedarf. 26 Dies entspricht formal dem bewährten Vorbild von Art 26 Abs 1 EuGVÜ. Soweit es sich jedoch bei den von der VO erfassten Entscheidungen (Ehesachen) um solche handelt, die als Gestaltungsurteile einer Vollstreckung nicht bedürfen, hatte das Anerkennungsverfahren bisher eine ähnliche Funktion wie das Exequaturverfahren bei Leistungsurteilen. 27 Der Verzicht auf eine formalisierte Überprüfung ist daher für viele Mitgliedstaaten ein Novum28 und bedeutet einen nicht geringen Einschnitt in die Prüfungsdichte bei der Anerkennung von Statusurteilen. 29

22 23 24 25 26 27 28

29

244

Dazu Art 2 Rn 15. MünchKommZPO /Gottwald Rn 1. MünchKommZPO /Gottwald Rn 5. Thomas/Putzo/Hüßtege Art 21 Rn 2. Cass EuLF 2007 II-31, 32: „Il riconoscimento, dunque, è automatico“. Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 586. Jänterä-Jareborg YB PIL 1999, 20: Geltung dieses Prinzips schon bisher zwischen den nordischen Staaten aufgrund Konvention vom 6. 2. 1931; Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 586: Inzidentanerkennung im nationalen belgischen Recht; Sturlèse JClP (G) 2001, 246: Inzidentanerkennung im nationalen französischen Recht. Helms FamRZ 2001, 261.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 21 Brüssel IIa-VO 16-19

Hingegen ist die Anerkennung ohne weiteres Verfahren in Sorgerechtssachen aus 16 Art 7 MSA bekannt und entspricht auch Art 23 KSÜ. b) Für die Anerkennung von Ehesachenurteilen aus Mitgliedstaaten in Deutsch- 17 land entfällt dadurch das Anerkennungsmonopol der Landesjustizverwaltung nach § 107 FamFG (bis 31.8.2008 Art 7 § 1 FamRÄndG). Dieses Verfahren ist nur noch auf Entscheidungen aus Dänemark und Nicht-EU-Staaten anzuwenden.30 Das durch die Monopolisierung bisher vermiedene Risiko widersprechender Beurteilung der Anerkennung eines ausländischen Ehesachenurteils durch verschiedene mit Folgeentscheidungen befasste deutsche Gerichte wird unter der VO maßgeblich gemindert durch den Wegfall der Zuständigkeitsprüfung im Anerkennungsstadium; wo nicht mehr zu prüfen ist, können sich auch keine divergierenden Beurteilungen ergeben. Dieses Risiko wird hingegen nicht schon durch die Vereinheitlichung der Zuständigkeiten in Art 3 ff als solche beseitigt,31 denn deren Anwendung ist eher verstärkt fehleranfällig als die lege fori anzustellende spiegelbildliche Zuständigkeitsprüfung nach § 109 Abs 1 Nr 1 FamFG. c) Das im Einzelfall verbleibende Bedürfnis nach Klarheit der Statusverhältnisse 18 wird durch das Verfahren nach Abs 332 zufriedengestellt. 33 Hingegen ist eine freiwillige Inanspruchnahme des Verfahrens nach § 107 FamFG, das gegenüber einem familiengerichtlichen Feststellungsverfahren nach Abs 3 kostengünstiger wäre, nicht vorgesehen. 34 4.

Inzidentanerkennung bei Vorfrage (Abs 4)

a) Inzidente Vorfragenentscheidung (1) Das Verbot der obligatorischen Anerkennungsentscheidung (Abs 1)35 impliziert 19 das Prinzip der Inzidentanerkennung. Abs 4 bestätigt nach dem Vorbild von Art 26 Brüssel I-VO jedenfalls die Kompetenz eines Gerichts, vor dem die anzuerkennende Entscheidung als Vorfrage auftritt, inzident über die Anerkennung zu entscheiden. 36 Insoweit hat Abs 4 allenfalls klarstellende Natur; ist ein obligatorisches Anerkennungsverfahren nicht vorgesehen, so ist es nicht nur aus Einfachheitsgründen ratsam, das in der Hauptsache entscheidende Gericht mit der Kompetenz zur inzidenten Anerkennung auszustatten;37 es gibt schlechthin keine andere Möglichkeit, denn jede Zuweisung an ein anderes Gericht oder eine Behörde liefe auf eine durch Abs 1 verbotene Institutionalisierung hinaus.

30 31 32 33 34 35 36 37

Helms FamRZ 2001, 263; Vogel MDR 2000, 1049; Hohloch FFE 2001, 50. So Vogel MDR 2000, 1049. Unten Rn 31 ff. Helms FamRZ 2001, 261. Geimer/Schütze/Dilger Rn 23 zu Art 7 § 1 FamRÄndG aF. Oben Rn 15 ff. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 13; MünchKommZPO /Gottwald Rn 13; Vogel MDR 2000, 1049. So Borrás-Bericht Nr 66.

Thomas Rauscher

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Art 21 Brüssel IIa-VO 20-24

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

20 Als Vorfrage in diesem Sinn tritt die Entscheidung auf, wenn nach einer Ehesachenentscheidung in einem Mitgliedstaat im Inland eine Folgesache anhängig gemacht wird, wenn die entgegenstehende Rechtskraft bei Anhängigmachen eines erneuten gleichartigen Antrags zu prüfen ist,38 aber auch, wenn die Abänderung einer Sorgerechtsentscheidung im Inland beantragt wird. 21 (2) Eine solche inzidente Entscheidung erwächst in Deutschland nicht in Rechtskraft,39 auch dann nicht, wenn eine Entscheidung über eine Folgesache aus Gründen materiellrechtlicher Logik die Auflösung der Ehe voraussetzt. Anders verhält es sich, wenn nach dem Recht des jeweiligen Anerkennungs-Mitgliedstaates auch die Urteilsgründe (der auf der Inzidentanerkennung beruhenden Hauptsacheentscheidung) in Rechtskraft erwachsen. b) Zwischenfeststellungsurteil 22 Fraglich ist, ob über die bloße inzidente Anerkennungsprüfung hinaus das mit der Hauptsache gemäß Abs 4 befasste Gericht auf entsprechenden Antrag einer Partei auch im Weg der Zwischenfeststellung (§§ 113 Abs 1 FamFG, 256 Abs 2 ZPO) eine inter partes wirkende rechtskräftige Entscheidung über die durch eine anzuerkennende Entscheidung bewirkte Statusänderung herbeiführen kann. Da es sich bei beiden fraglos um ein Rechtsverhältnis iSd § 256 Abs 2 ZPO handelt, also § 256 Abs 2 ZPO tatbestandlich eingreift, stellt sich lediglich die Frage, ob Art 21 einem Zwischenfeststellungsantrag entgegenstünde. 23 Das ist zu verneinen. Zwar sieht Abs 3 ein formalisiertes fakultatives Feststellungsverfahren vor. Nach dem in Abs 1 niedergelegten Prinzip sollte es sich hierbei aber nicht um die einzige Möglichkeit der rechtskräftigen Feststellung der Anerkennungsfähigkeit handeln.40 Zudem realisiert sich das im Borrás-Bericht hervorgehobene Vereinfachungsargument41 erst hier, soweit nach dem jeweiligen Verfahrensrecht Zwischenfeststellungen nur bei Tenorierung in Rechtskraft erwachsen: Es ist im Interesse der Prozessökonomie ratsam, das Bedürfnis nach rechtskräftiger Feststellung der Anerkennung nicht zwingend auf ein isoliertes Verfahren zu verlagern, wenn ohnehin bereits ein Gericht im Anerkennungsstaat – inzident – mit dieser Frage befasst war und seine Entscheidung ohne weiteren Aufwand lediglich explizit zu machen hat.42 24 Die ausschließliche Zuständigkeit der Familiengerichte für Entscheidungen in Ehesachen (§ 121 FamFG) begrenzt jedoch die Möglichkeit des Zwischenfeststellungsantrags auf Verfahren vor Familiengerichten. 43 Tritt die Anerkennungsfähigkeit zB als Vorfrage in

38 39 40

41 42 43

246

Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 13. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 13; wohl auch Vogel MDR 2000, 1049. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7; MünchKommZPO /Gottwald Rn 14; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 62; Staudinger /Spellenberg (2004) Rn 81; Hausmann EuLF 2000/01, 351; Vogel MDR 2000, 1049. Borrrás-Bericht Nr 66. IE ebenso Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 13; Vogel MDR 2000, 1049. Helms FamRZ 2001, 257.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 21 Brüssel IIa-VO 25-28

einem Pflichtteilsprozess zwischen einem Ehegatten und den Erben des anderen Ehegatten auf, so ist ein Zwischenfeststellungsantrag unzulässig. 5.

Anerkennung zum Zweck der Beischreibung in Personenstandsbüchern (Abs 2)

a) Inzidentanerkennung (1) Abs 2 legt ausdrücklich das Prinzip der Inzidentanerkennung auch zum Zweck 25 der Beischreibung des durch eine Ehesachenentscheidung geänderten Status in Personenstandsbüchern fest und erweitert damit die Kompetenz des Abs 4 auf Personenstandsbehörden. Die Bestimmung war einerseits äußerst umstritten, weil die Anerkennung ohne gerichtliche Mitwirkung erfolgt. 44 Andererseits handelt es sich um eine der spürbarsten Verbesserungen für die Betroffenen. Die Dokumentation der in einem anderen Mitgliedstaat erfolgten Ehesachenentscheidung in Personenstandsbüchern des Heimat- oder Wohnsitzstaates dürfte der häufigste Fall eines Anerkennungsbedürfnisses sein und ist Ausdruck einer freien Verkehrsfähigkeit von Ehesachenurteilen. 45 (2) Die Anerkennung erfolgt also für Zwecke der Eintragung in Personenstands- 26 bücher im standesamtlichen Verfahren. Die Prüfung obliegt dem Standesbeamten. Eine gerichtliche Klärung kann in diesem Fall in den Verfahren nach § 45 Abs 1 bzw Abs 2 PStG stattfinden. 46 (3) Erforderlich ist jedoch ausdrücklich (Abs 2 aE) die formelle Rechtskraft der 27 Entscheidung.47 Diese Einschränkung ist der Verlässlichkeit des Personenstandswesens geschuldet; Änderungen von Personenstandsbüchern aufgrund noch nicht unanfechtbarer Entscheidungen wären unsinnig. Der Nachweis der formellen Rechtskraft wird durch Vorlage der Bescheinigung gemäß Art 39, Anhang I erbracht, soweit dort im Formblatt Ziff 748 „1. nein“ angekreuzt ist. 49 (4) Erzeugt die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat materielle Wirkungen (ins- 28 besondere gegenüber Dritten) erst nach Eintragung in Personenstandsbücher, so ist dies auf der Ebene der Reichweite der Anerkennung, also für die Wirkungserstreckung beachtlich.50 Ohne eine solche konstitutiv erforderliche Eintragung hat die Entscheidung noch keine anerkennungsfähigen Gestaltungswirkungen.51

44 45 46 47 48

49

50 51

Borrás-Bericht Nr 63. Vgl Borrás-Bericht Nr 63. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 6. Borrás-Bericht Nr 63. „7. Können gegen die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats weitere Rechtsbehelfe eingelegt werden?“ De Vareilles-Sommières Gaz Pal 1999, 2027; eingehend zum Umgang mit diesem Formblatt durch den Standesbeamten: Sturm StAZ 2002, 193; vgl auch Art 39 Rn 1 ff. Dazu oben Rn 13; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 43. MünchKommZPO /Gottwald Rn 5; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 28.

Thomas Rauscher

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Art 21 Brüssel IIa-VO 29-31

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

29 Fraglich ist aber, ob es als Voraussetzung der Anerkennung in einem anderen Mitgliedstaat in solchen Fällen zunächst der Eintragung in Personenstandsbücher des Ursprungsmitgliedstaates bedarf, oder ob die formell rechtskräftige, mangels Eintragung noch wirkungslose Entscheidung als Substrat der Beischreibung inzident anerkannt werden kann, dadurch die Eintragung in einem anderen Mitgliedstaat ermöglicht wird und diese Eintragung der Entscheidung Statuswirkungen verleiht. Da es sich hierbei um ein Substitutionsproblem (der Eintragung als Tatbestandselement der Gestaltungswirkungen) handelt, muss zunächst aus Sicht der lex fori des Ursprungsmitgliedstaats geklärt werden, ob das Eintragungserfordernis auch in einem ausländischen Personenstandsregister erfüllt werden kann. Ist dies nicht der Fall, so kommt eine Anerkennung zum Zweck der Eintragung nicht in Betracht. Erlaubt hingegen die lex fori die Substitution, so sollte die Eintragung nicht daran scheitern, dass das Recht des Anerkennungsstaates, zB das deutsche Recht, dieserart konstitutive Personenstandseintragungen nicht kennt. Das deutsche Personenstandsverfahren kann vielmehr eine solche Eintragung unschwer bewältigen, weil die Rechtsfolgen der Eintragung lege fori des Ursprungsmitgliedstaates kraft Gesetzes eintreten und keine verfahrensrechtliche Anpassung verlangen. b) Inzidentanerkennung durch Behörden in sonstigen Fällen 30 Nicht geregelt ist die Kompetenz zur Inzidentanerkennung von Personenstandsbehörden und sonstigen Behörden in anderen Fällen. Da das Prinzip der Inzidentanerkennung nach Abs 1 auch in diesen Fällen gilt und Abs 2 für den Sonderfall der Anerkennung zum Zweck der Beischreibung die Kompetenz der Personenstandsbehörde bestätigt, besteht kein Grund, die Prüfung der Anerkennungsfähigkeit im übrigen Gerichten vorzubehalten. Über die in von Abs 2 und Abs 4 genannten Fälle hinaus sind also Behörden zur Inzidentanerkennung auch befugt, wenn kein Fall der Beischreibung vorliegt. Insbesondere prüft der Standesbeamte,52 bei dem eine Partei der ausländischen Entscheidung unter Vorlage eines Scheidungsurteils eine anderweitige Eheschließung beantragt,53 die Anerkennungsfähigkeit inzident. II.

Anerkennungsfeststellungsverfahren (Abs 3)

1.

Bedeutung

31 a) Abs 3 schafft ein Anerkennungsfeststellungsverfahren für Entscheidungen iSd Art 1 Abs lit a und lit b, also für Ehesachen und Sorgerechtsentscheidungen.54 Die Regelung entspricht grundsätzlich Art 33 Abs 2 Brüssel I-VO, macht aber ausdrücklich deutlich, dass in dem isolierten Verfahren sowohl die Feststellung der Anerkennungsfähigkeit als auch die der Anerkennungsunfähigkeit begehrt werden kann. Die Bestimmung schafft autonom, also unabhängig vom Vorhandensein eines entsprechenden Rechtsbehelfs im jeweiligen nationalen Verfahrensrecht, die Möglichkeit eines isolierten Feststellungsverfahrens betreffend die Anerkennungsfähigkeit oder -unfähigkeit, 52 53 54

248

Zur Eintragung in Personenstandsbücher Rn 25 ff. Die Entscheidung ist auch zum Zweck der Wiederheirat anzuerkennen: Sturlèse JClP (G) 2001, 246. Geimer/Schütze/Dilger Rn 38.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 21 Brüssel IIa-VO 32, 33

wobei ein Antrag auf Feststellung der Anerkennungsunfähigkeit nicht davon abhängt, dass die Gegenseite vorher die Anerkennungsfähigkeit betrieben hat.55 b) Das Verfahren ist nur „unbeschadet des Abschnitts 4“ statthaft. Entscheidun- 32 gen, die nach Art 40 ff der unmittelbaren Vollstreckung aufgrund Bescheinigung unterliegen, sind nicht grundsätzlich vom Anwendungsbereich des Abs 3 ausgenommen.56 Ein positiver Anerkennungsfeststellungsantrag wird in diesen Fällen kaum vorkommen, da das Ziel der Vollstreckbarkeit hierdurch nicht erreicht wird; jedenfalls stehen Art 40 ff nicht der Inanspruchnahme des Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach Art 28 ff entgegen.57 Konflikte ergeben sich hingegen, wenn man mit dem EuGH58 für Entscheidungen, für die eine Bescheinigung nach Art 41, 42 möglich ist, aber noch nicht erteilt wurde, einen negativen Feststellungsantrag nach Abs 3 nicht als ausgeschlossen ansieht. Prima facie erscheint zwar die Ansicht des EuGH plausibel, das negative Feststellungsverfahren nach Abs 3 könne betrieben werden, so lange keine Bescheinigung nach Art 41, 42 ausgestellt ist. Im Ergebnis kommt es dann jedoch zu einem Entscheidungskonflikt, wenn im Vollstreckungsmitgliedstaat die Anerkennungsunfähigkeit festgestellt wurde und sodann, bzw während Anhängigkeit des negativen Feststellungsverfahrens die Bescheinigung im Ursprungsmitgliedstaat ausgestellt wird,59 weshalb der EuGH das Verhältnis zwischen Abs 3 einerseits und Art 40 ff andererseits leider nicht klar im Sinn eines Vorrangs der Art 40 ff beantwortet.60 c) Das Verfahren, das in Art 26 EuGVÜ (Art 33 Abs 2 Brüssel I-VO) als alternative 33 Lösung für nicht der Vollstreckung zugängliche Entscheidungen geschaffen wurde, erlangt wohl für die VO eine größere praktische Bedeutung, weil insbesondere statusgestaltende Entscheidungen nie der Vollstreckung bedürfen. Wegen der erheblichen rechtlichen Breitenwirkung einer die Ehe auflösenden Entscheidung wird zudem häufig ein Interesse an der Klärung der Anerkennungsfähigkeit bestehen. Strittig ist insoweit allerdings, ob das Verfahren nach Abs 3 geeignet ist, eine inter omnes wirkende Klärung zu erreichen; überwiegend wird vertreten, die Anerkennungsfeststellung wirke nur inter partes.61 Aus Art 33 Abs 2 Brüssel I-VO lässt sich dies jedoch nicht begründen, weil die der Brüssel I-VO unterfallenden Entscheidungen als solche nur inter partes wirken, also weder durch die Inzidentanerkennung, noch durch die Anerkennungsfeststellung weitergehende Wirkungen erlangen können. Hingegen wirken Statusentscheidungen schon als solche inter omnes, eine Wirkung, welche die Anerkennung ihnen belässt. Das Verfahren nach Abs 3 stellt aber nicht mehr und 55 56 57 58 59 60 61

EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2977. EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2977; Schulz FamRZ 2008, 1732, 1734. Dazu Art 40 Rn 18. EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2977; aA zuvor Geimer/Schütze/Paraschas Rn 38. Dazu Art 40 Rn 19 f. Diesen Fall übersieht wohl Rieck NJW 2008, 2958, 2960. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 89; Zöller /Geimer Rn 14, 26; Helms FamRZ 2001, 257, 261; Schack RabelsZ 65 (2001) 615, 629; Hausmann EuLF 2000/01, 345, 351; ähnlich MünchKommZPO /Gottwald Rn 7: Deklaratorische Feststellung.

Thomas Rauscher

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Art 21 Brüssel IIa-VO 34-36

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

nicht weniger fest als eben die Wirkungen, welche auch die Inzidentanerkennung einer Entscheidung beimisst.62 Im Übrigen würde gerade bei Entscheidungen in Ehesachen der Zweck des Abs 3 völlig verfehlt, wenn sich ein Dritter (zB der neue Verlobte als Zeuge in einem Strafverfahren) nicht auf die Anerkennungsfeststellung berufen könnte.63 2.

Antragsberechtigung, insbesondere besonderes Interesse

34 a) Antragsberechtigt sind nicht nur die Parteien des Ausgangsverfahrens.64 Die Antragsberechtigung setzt vielmehr ein besonderes Interesse der antragstellenden Partei voraus. Dieses Interesse ist allerdings bei Ehesachenentscheidungen für die betroffenen Ehegatten in aller Regel großzügig zu bejahen,65 sofern der Antragsteller eine nicht nur hypothetische Beziehung zu dem Mitgliedstaat hat, in dem die Feststellung begehrt wird. Es ist sicher zu bejahen, wenn die Gefahr besteht, dass verschiedene Gerichte und Behörden in dem betreffenden Staat unterschiedlich inzident zur Anerkennungsfähigkeit entscheiden könnten oder zwischen den Ehegatten Streit über die Anerkennungsfähigkeit besteht.66 Es muss aber auch genügen, wenn ein Ehegatte selbst Zweifel an der Anerkennungsfähigkeit hat und in einem anderen Mitgliedstaat erneut heiraten will; die Möglichkeit der Inzidentklärung durch den Standesbeamten und der gerichtlichen Entscheidung nach § 45 Abs 2 PStG erfüllt nicht den Zweck einer vorsorglichen Klärung. 35 b) Dritte bedürfen hingegen eines konkreten besonderen Interesses im Einzelfall. Im Allgemeinen wird ein solches Interesse nur zu bejahen sein, wenn sich eine mögliche Auswirkung der Anerkennungsfähigkeit auf Rechtspositionen des Antragstellers verdichtet hat. Kinder sind daher zB zwar antragsberechtigt, soweit die Entscheidung Einfluss auf ihre familienrechtliche Stellung haben kann; als Erben sind sie hingegen grundsätzlich nicht im Hinblick auf eine potentielle Erbenstellung, sondern erst nach Eintritt des Erbfalls antragsberechtigt, es sei denn, die Wirksamkeit eines erbrechtlichen Rechtsgeschäfts (Erbvertrag, Testament) hängt von der Anerkennung der Entscheidung ab. Der Verlobte eines der früheren Ehegatten ist mit Rücksicht auf die Klärung der Eheschließungsvoraussetzungen ebenfalls antragsberechtigt. 36 c) Für ein Antragsrecht von Behörden fehlt es an einem Bedürfnis, soweit die Behörde befugt und verpflichtet ist, über die Anerkennungsfähigkeit zu entscheiden. Insbesondere kommt dem Standesbeamten kein Antragsrecht zu.67 Insoweit ist es Sache des maßgeblichen Verfahrensrechts, ggf Rechtsbehelfe bereitzustellen, die es dem mit

62

IE ebenso Geimer/Schütze/Paraschas Rn 53.

63

Andrae ERA-Forum 2003, 28, 39. Helms FamRZ 2001, 261; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7. Helms FamRZ 2001, 261. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7. MünchKommZPO /Gottwald Rn 9; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 41 f; Staudinger /Spellenberg (2004) Rn 85; aA Helms FamRZ 2001, 257, 261: Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7.

64 65 66 67

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Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 21 Brüssel IIa-VO 37- 40

der Frage befassten Amtsträger ermöglichen, bei Zweifeln eine gerichtliche (zB § 45 Abs 1 PStG) oder aufsichtsbehördliche Entscheidung herbeizuführen. Nimmt hingegen die Behörde die Rolle eines Antragstellers in einem anderweitigen 37 Verfahren (zB die Verwaltungsbehörde nach § 1316 Abs 3 BGB) oder eines Beteiligten (zB Jugendamt) ein, so kommt ein Antragsrecht in Betracht.68 Das besondere Interesse liegt vor, wenn die Anerkennungsfähigkeit eine entscheidungserhebliche und zweifelhafte Vorfrage in einem von der Behörde angestrengten oder konkret geplanten Verfahren darstellt. 3.

Verfahrensfragen (Abs 3 S 2)

a) Es gelten für das Verfahren die Bestimmungen über das Vollstreckbarerklä- 38 rungsverfahren aufgrund Verweisung auf den Abschnitt 2 des III. Kapitels (Art 28 bis 36). Das örtlich zuständige Gericht wird aufgrund des neu eingefügten Abs 3 S 2 – in der 39 Brüssel II-VO noch im Zusammenhang mit dem Vollstreckungsverfahren in Art 22 Abs 3 geregelt – durch die lex fori des Staates bestimmt, in dem die Anerkennung oder Nichtanerkennung beantragt wird. Dieses Gericht ist in der Liste anzuführen, die jeder Mitgliedstaat gemäß Art 68 der Kommission mitzuteilen hat. In Deutschland bestimmt sich die – ausschließliche – örtliche Zuständigkeit nach § 10 IntFamRVG (s Gesetzesanhang).69 Sachlich zuständig ist ebenfalls nach § 10 IntFamRVG das Familiengericht und zwar (§ 12 Abs 1 IntFamRVG) für jeden OLG-Bezirk das Familiengericht, in dessen Bezirk das OLG seinen Sitz hat, im Bezirk des KG das FamG Pankow/Weißensee (§ 12 Abs 2 IntFamRVG). Zuständig ist in subsidiärer Ordnung das zentralisierte Familiengericht, in dessen Zuständigkeitsbereich zum Zeitpunkt der Antragstellung 1. die Person, gegen die sich der Antrag richtet, oder das Kind, auf das sich die Entscheidung bezieht, sich gewöhnlich aufhält oder 2. bei Fehlen einer Zuständigkeit nach Nr 1 das Interesse an der Feststellung hervortritt oder das Bedürfnis der Fürsorge besteht, 3. sonst das im Bezirk des KG zur Entscheidung berufene Gericht. b) Die Einleitung eines Verfahrens nach Abs 3, § 10 IntFamRVG führt ungeachtet 40 des § 137 Abs 1, 3 FamFG zu einer obligatorischen Konzentration aller dasselbe Kind betreffenden Familiensachen nach § 151 Abs 1 Nr 1 bis 3 FamFG einschließlich von Verfügungen nach §§ 35, 89 bis 94 FamFG70 bei dem für die Anerkennung nach Abs 3 zuständigen Gericht, es sei denn, der Antrag ist offensichtlich unzulässig (§ 13 Abs 1 68 69 70

Borrás-Bericht Nr 65; MünchKommZPO /Gottwald Rn 9. Dazu Gruber FamRZ 2005, 1603, 1604. Das gesondert geregelte Ordnungsmittelverfahren nach § 44 IntFamRVG ist durch die Übernahme der Vollstreckung durch Ordnungsmittel in § 89 FamFG auch für innerstaatliche Vollstreckungsfälle überflüssig geworden; die Vollstreckung erfolgt nunmehr einheitlich nach §§ 88 bis 94 FamFG, BTDrs 16/6308, 762.

Thomas Rauscher

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Art 21 Brüssel IIa-VO 41, 42

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

IntFamRVG). Der Bezugnahme auf „dasselbe Kind“ ist zu entnehmen, dass eine solche Zuständigkeitskonzentration nur eintritt, wenn der Anerkennungsantrag nach Abs 3 eine Sorgerechtssache betrifft oder mit betrifft. Hierdurch soll das für die Anerkennung zuständige Gericht in die Lage versetzt werden, eine ausländische Sorgerechtsentscheidung zu ergänzen oder anzupassen.71 41 Eine fakultative Konzentration ermöglicht § 13 Abs 2 IntFamRVG, wonach bei dem mit der Anerkennung befassten zentralisierten FamG auch eine andere Familiensache nach § 151 Abs 1 Nr 1 bis 3 FamFG anhängig gemacht werden kann, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ein Elternteil aber in einem anderen Mitgliedstaat72 hat. Diese fakultative Konzentration gilt jedoch nur für die Anhängigmachung und erlaubt nicht die Abgabe auf einseitigen Antrag.73 § 13 Abs 3 S 1 IntFamRVG bestimmt im Fall des § 13 Abs 1 IntFamRVG die Abgabe der anderweit anhängigen Familiensache an das mit der Anerkennung befasste Gericht, § 13 Abs 3 S 2 IntFamRVG erlaubt eine solche Abgabe in einer Situation des § 13 Abs 2 IntFamRVG auf übereinstimmenden Antrag. 42 Auf das Verfahren74 sind gemäß § 32 IntFamRVG die Bestimmungen über die Zulassung der Zwangsvollstreckung im ersten Rechtszug, im Beschwerdeverfahren und im Rechtsbeschwerdeverfahren (§§ 16 bis 31 IntFamRVG) entsprechend anzuwenden.75 Es gelten damit die bei den Art 28 bis 36 im Einzelnen erörterten Verfahrensvorschriften des IntFamRVG (sinngemäß) auch im Verfahren nach Art 21 Abs 3. Im Übrigen gelten gemäß § 14 IntFamRVG für das Verfahren die Bestimmungen des FamFG in Ehesachen und in Kindschaftssachen. Einstweilige Anordnungen innerhalb dieses Verfahrens bestimmen sich nach § 15 IntFamRVG iVm Abschnitt 4 des 1. Buches FamFG. Anwaltszwang besteht im ersten Rechtszug nicht (§ 18 Abs 2 IntFamRVG iVm § 130 Abs 1 FamFG).76 Die Kosten für das Anerkennungsverfahren ergeben sich aus dem Kostenverzeichnis Anlage zu § 2 Abs 2 FamGKG; an Gerichtsgebühren werden für die Anerkennung im erstinstanzlichen Verfahren einheitlich 200 J (Nr 1710 Kostenverzeichnis), in der Rechtsmittelinstanz 300 J (Nr 1720 Kostenverzeichnis) erhoben.77

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BT-Drs 15/3981, 23.

72

Bzw Vertragsstaat des KSÜ oder des HKindEntfÜbk. BT-Drs 15/3981, 23. Dazu Gruber FamRZ 2005, 1603, 1607. AnwKommBGB /Andrae Rn 23. AnwKommBGB /Andrae Rn 35. Zur Übernahme aus § 51 intFamRVG aF: BT-Drs 16/6308, 762.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 22 Brüssel IIa-VO 1, 2

Artikel 22

Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung über eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe Eine Entscheidung, die die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe betrifft, wird nicht anerkannt, a) wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widerspricht; b) wenn dem Antragsgegner, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, es wird festgestellt, dass er mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist; c) wenn die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist; oder d) wenn die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung beantragt wird. I. Struktur der Anerkennungsversagungsgründe 1. Änderung gegenüber Brüssel II; Wegfall von Art 16 Brüssel II-VO . . . 2. Anlehnung an Brüssel I . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeit, IPR und materielle Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3 5

II. Anerkennungsversagungsgründe

(Ehesachenentscheidungen) 1. Ordre public (lit a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

2. Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (lit b) a) Nichteinlassung des Antragsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 b) Überprüfung der Zustellung . . . . . . . 14 c) Einverständnis des Antragsgegners mit der Ehescheidung . . . . . . . . . . . . . 19 3. Unvereinbarkeit mit Entscheidung im Anerkennungsstaat (lit c) . . . . . . . . 21 4. Unvereinbarkeit mit Entscheidung in anderem Mitgliedstaat oder Drittstaat (lit d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

I.

Struktur der Anerkennungsversagungsgründe

1.

Änderung gegenüber Brüssel II; Wegfall von Art 16 Brüssel II-VO

a) Die Anerkennungsversagungsgründe in Art 15 Abs 1 (Ehesachen) und Abs 2 1 (elterliche Verantwortung) Brüssel II-VO wurden nunmehr auf Art 22 und Art 23 verteilt. Mit Ausnahme der neuen lit g in Art 23 sind hiermit keine inhaltlichen Änderungen verbunden. b) Ersatzlos entfallen ist jedoch der Anerkennungsversagungsgrund in Art 16 Brüs- 2 sel II-VO, wonach ein Gericht eines Mitgliedstaats die Anerkennung versagen durfte, wenn in den Fällen der Restzuständigkeiten (jetzt Art 7) die zur Anerkennung stehenThomas Rauscher

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Art 22 Brüssel IIa-VO 3-5

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

de Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat nur auf in der VO nicht genannte Zuständigkeitskriterien gestützt werden konnte und die Anerkennung einer Übereinkunft zwischen dem Anerkennungsstaat und einem Drittstaat widersprochen hätte. Eine ausdrückliche Anregung der deutschen Delegation,1 eine solche Bestimmung aufzunehmen, war erfolglos, ohne dass die Gründe hierfür aus den Materialien erkennbar sind. Dies erweitert die Anerkennungspflicht und zwingt Mitgliedstaaten ggf gegenüber Drittstaaten vertragsbrüchig zu werden.2 2.

Anlehnung an Brüssel I

3 a) Art 22 und 23 stellen nach dem Vorbild von Art 27 EuGVÜ und Art 34 Brüssel I-VO getrennt für Ehesachen und Sorgesachen die Gründe zusammen, aus denen die Anerkennung versagt werden kann. Die Gründe, aus denen die Anerkennung zu versagen ist, sind in Art 22 und 23 abschließend aufgezählt, soweit nicht Art 24 ff ausnahmsweise eine weitergehende Prüfung erlauben. Sie sind andererseits zwingender Natur; liegt ein Anerkennungsversagungsgrund vor, so kann die Anerkennung nicht nur versagt werden, sie ist zu versagen. 3 Sämtliche Anerkennungsversagungsgründe sind von Amts wegen zu prüfen; einer Rüge durch eine Partei bedarf es nicht. 4 b) Auch der auf eine bipolare Parteistellung ausgelegte Katalog in Art 22 entspricht nicht völlig dem in Art 34 Brüssel I-VO, was dazu führen kann, dass für Folgesachen (insbesondere Unterhalt) andere Regeln gelten als für die Ehesache selbst:4 Die im Vergleich zu Art 27 Nr 2 EuGVÜ in Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO geänderte Behandlung des rechtlichen Gehörs im Stadium der Verfahrenseinleitung wird in lit b in wiederum abweichender Weise erfasst: Statt der formalen Rechtsmittelobliegenheit stellt lit b auf das materielle Einverständnis des Antragsgegners ab („es sei denn, es wird festgestellt, dass er mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist“), was angesichts der Interessenlage im Statusverfahren durchaus gerechtfertigt ist. 3.

Zuständigkeit, IPR und materielle Rechtsanwendung

5 Weitere Bestimmungen zum Überprüfungsumfang hinsichtlich der anzuerkennenden Entscheidung enthalten Art 24 ff. Die Zuständigkeit des Gerichts im Ursprungsmitgliedstaat wird nicht überprüft (Art 24). Eine Art 35 Abs 1 Brüssel I-VO entsprechende Bestimmung wäre nicht sinnvoll, weil die VO keine verordnungsintern ausschließlichen Zuständigkeiten enthält.

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Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 21.3.2003, 7730/03, 5. Zum Zweck und zur Reichweite des Art 16 Brüssel II-VO vgl 1. Auflage Art 16 Rn 1 ff. Borrás-Bericht Nr 67; eine andere Frage ist, dass insbesondere der Anerkennungsversagungsgrund des ordre public-Verstoßes einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Kritisch daher Zöller /Geimer Rn 4.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 22 Brüssel IIa-VO 6- 8

Eine materielle Prüfung findet ebenfalls nicht statt (Art 26); insbesondere auch keine 6 Prüfung am Maßstab des Scheidungs- und Eheaufhebungsstandards des Anerkennungsstaates oder des nach dessen Recht anwendbaren Rechts (Art 25). Das entspricht dem Wegfall des Statusvorbehalts aus Art 27 Nr 4 EuGVÜ sowohl in Art 34 Brüssel I-VO als auch in dieser VO und stimmt überein mit dem in dieser VO eingeleiteten Einstieg in die wechselseitige Anerkennung von Familien- und Erbsachen. Art 25 beeinflusst sogar den Anerkennungsversagungsgrund des ordre public (Art 22 lit a), weil die Bestimmung klarstellen soll,5 dass aus den dort genannten Gründen grundsätzlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des ordre public die Anerkennung versagt werden darf. II.

Anerkennungsversagungsgründe (Ehesachenentscheidungen)

1.

Ordre public (lit a)

(a) Obgleich der ordre public als Anerkennungsversagungsgrund im EuGVÜ eine be- 7 scheidene Rolle spielte, wird seine Notwendigkeit weiterhin bejaht; insbesondere in Anwendung des materiellen Rechts eines Drittstaates durch Gerichte eines Mitgliedstaates mit weniger dichter ordre-public-Kontrolle kann es selbst dann noch zu Verstößen kommen, wenn dereinst eine Orientierung des eigenen Rechts der Mitgliedstaaten an einheitlichen Verfassungsmaßstäben Wirklichkeit sein sollte. Umso mehr gilt dies für Statussachen, weil insoweit die Sensibilität in Bezug auf Grundprinzipien6 und die Divergenz der materiellen Rechtsordnungen größer ist. (b) Die Struktur der Prüfung entspricht der bei Art 34 Nr 1 Brüssel I-VO.7 Es kann 8 also sowohl der materielle als auch der verfahrensrechtliche ordre public verletzt sein. Ein Anerkennungsversagungsgrund ergibt sich nur bei offensichtlichen Verstößen gegen elementare Grundprinzipien. Der Begriff des ordre public ist zwar autonom auszulegen. 8 Inhaltlich ist jedoch nicht ein europäischer ordre public maßgeblich, sondern der des jeweiligen Anerkennungsstaates. Verletzungen des Zuständigkeitssystems oder der Unterschiede im anzuwendenden Recht als solche verletzen mit Rücksicht auf Art 24, 25 nicht den ordre public.9 Grundsätzlich kann deshalb die Nichtanerkennung nicht auf unterschiedliche Maßstäbe bei Trennungsfristen oder Intensität der Zerrüttungsprüfung gestützt werden;10 Art 24 dient ausdrücklich dem Ziel, ein Scheitern der Urteilsfreizügigkeit an der unterschiedlichen Sicht zulässiger Scheidungsgründe zu vermeiden.11 Das schließt es aber nicht aus, dass ein eher scheidungsunfreundlicher Mitgliedstaat einer extrem großzügig gewährten Scheidung, zB einer reinen Konsen-

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Borrás-Bericht Nr 69. Borrás-Bericht Nr 69. Vgl Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO; Hausmann EuLF 2000/01, 349. EuGH Rs C-7/98 Krombach/Bamberski IPRax 2000, 406; Hausmann EuLF 2000/01, 349. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1. AnwKommBGB /Andrae Rn 4. Borrás-Bericht Nr 69.

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Art 22 Brüssel IIa-VO 9-12

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

sualscheidung ohne Zerrüttungsprüfung, zulässigerweise die Anerkennung versagt. Wie sich maltesische Gerichte nach dem Wirksamwerden des Beitritts insoweit verhalten werden, muss sich zeigen. 9 (c) Aus deutscher Sicht als Anerkennungsstaat dürfte der materielle ordre public kaum je verletzt sein. Da das materielle deutsche Scheidungsrecht zu den liberaleren in Europa gehört und das unüberprüfte einverständliche Behaupten des nicht formalisierten Trennungsjahres (§ 1565 Abs 2 BGB) vor deutschen Familiengerichten eher die Regel ist, stößt sich der deutsche ordre public auch nicht an reinen Konsensualscheidungen. Insoweit kann auf die Rechtsprechung zu § 328 Abs 1 Nr 4 aF ZPO (nun § 109 Abs 1 Nr 4 FamFG) zurückgegriffen werden. Die im Rahmen von Art 6 EGBGB häufiger problematischen Fälle einseitiger rechtsgeschäftlicher Scheidungen fallen nicht in den Anwendungsbereich der VO. 10 Der deutsche ordre public wird viel eher dadurch berührt sein, dass unter der VO die Zuständigkeit deutscher Gerichte zur Scheidung gescheiterter Ehen deutscher Staatsangehöriger empfindlich eingeschränkt wurde. Diesen positiven ordre public, der die Sicherstellung einer Zuständigkeit und der Anwendung deutschen Rechts erfordern würde, kann die klassisch auf den negativen, also abwehrenden, ordre public zugeschnittene Bestimmung nicht schützen.12 11 (d) Auch der deutsche verfahrensrechtliche ordre public dürfte hinsichtlich von Ehesachenentscheidungen in typischen Fällen nicht sensibler sein als der anderer Mitgliedstaaten, da die Verfahrenseinleitung als der Kern des rechtlichen Gehörs durch lit b geregelt ist und das deutsche Verfahren weder eine Formalisierung der Trennung noch Versöhnungsversuche zwingend als eheerhaltende verfahrensrechtliche Momente vorsieht. Die ersatzlose Streichung von § 630 aF ZPO aus Anlass der Überleitung in das FamFG ist ein weiteres Indiz dafür, dass der deutsche verfahrensrechtliche ordre public wenig Raum für zwingende eheerhaltende Verfahrensweisen bietet. 2.

Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (lit b)

a) Nichteinlassung des Antragsgegners 12 Verspätete oder mangelhafte Zustellung kann der Anerkennung nur entgegenstehen, wenn sich der Antragsgegner nicht auf das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat eingelassen hat, also eine Versäumnisentscheidung vorliegt. Einlassung ist jedes Verhalten, durch das der Antragsgegner zu erkennen gibt, dass er von dem Verfahren Kenntnis hat und die Möglichkeit zur Verteidigung hatte. Hat sich der Antragsgegner nur zu dem Zweck eingelassen, die mangelnde Verteidigungsmöglichkeit zu rügen, fehlt es hingegen an der Anerkennungsfähigkeit. Einer Rüge durch den Antragsgegner im Anerkennungsstadium bedarf es nicht;13 der Versagungsgrund ist, wie alle Versagungsgründe, von Amts wegen zu prüfen.

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Dazu im Einzelnen Art 3 Rn 28. Art 22 lit b entspricht insoweit Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO und weicht von § 328 Abs 1 Nr 2 ZPO ab.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 22 Brüssel IIa-VO 13-16

Geschützt wird wie in Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO14 die Gewährung rechtlichen Gehörs 13 im Stadium der Verfahrenseinleitung; spätere Verletzungen des rechtlichen Gehörs sind ggf durch lit a (ordre public) zu erfassen. b) Überprüfung der Zustellung (1) Zentrales Kriterium ist die rechtzeitige, eine Verteidigung ermöglichende Zu- 14 stellung. Verfahrenseinleitendes Schriftstück ist wie zu Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO jenes Schriftstück, durch das der Antragsgegner erstmals von dem Verfahren Kenntnis erlangen soll.15 (2) Die Änderung der Prüfungsdichte hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit der Zu- 15 stellung, die in lit b und Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO im Vergleich zu Art 27 Nr 2 EuGVÜ eingetreten ist, gibt Anlass zu Fragen. Nachdem der EuGH16 zu Art 27 Nr 2 EuGVÜ kumulativ die Ordnungsgemäßheit und die Rechtzeitigkeit der Zustellung gefordert hatte, soll mit der Neufassung unstreitig erreicht werden, dass bloße Formfehler der Zustellung nicht per se zur Anerkennungsversagung führen.17 Daraus ist jedoch nicht zu folgern, es komme generell auf die Ordnungsgemäßheit der Zustellung nicht mehr an.18 Gerade nachdem die Zustellung zwischen den Mitgliedstaaten durch die EGZustVO 2000, seit 13.11.2008 EG-ZustVO 2007 erheblich vereinfacht wurde und auch die eine Zustellung mittels Übersendung durch die Post bisher ablehnenden Staaten in diesen Zustellungsweg eingebunden werden,19 kann es nicht Ziel des EG-Anerkennungsrechts sein, Anreize zum Verlassen geregelter Bahnen des Zustellungsrechts zu geben. Lit b spricht ausdrücklich von „zugestellt“ und meint damit nicht nur eine irgend geartete, wenn nur rechtzeitige Kenntnisgabe. 20 Gerade wenn man die an der förmlichen Haltung des EuGH geübte Kritik beim Wort nimmt, kann es nur darum gehen, die Anerkennung nicht wegen bloßer Formverstöße zu versagen, nicht aber Fälle der offenbaren Nicht-Zustellung zu dulden. Die Bestimmung ist vielmehr zweckentsprechend, also mit Blick auf die Sicherung der 16 Verteidigungsmöglichkeit bei Tolerierung „bloßer“ Formfehler zu verstehen: Voraussetzung der Anerkennung bleibt grundsätzlich, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Antragsgegner nach den maßgeblichen Bestimmungen, seit Inkrafttreten der EG-ZustVO nach dieser, zugestellt wurde. Sind dabei Mängel unterlaufen, so indiziert das zwar weiterhin einen Anerkennungsversagungsgrund, hindert aber die Aner-

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Vgl Rauscher/Leible Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO. Vgl Rauscher/Leible Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO. EuGH Rs 166/80 Klomps/Michel EuGHE 1981, 1593; EuGH Rs C-305/88 Lancray/Peters EuGHE 1990 I 2725. Hausmann EuLF 2000/01, 349. Geimer IPRax 2001, 73; Schack RabelsZ 65 (2001) 615, 627. Siehe Rauscher/Heiderhoff Art 14 EG-Zustell-VO Rn 6 ff. Ebenso Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 22 f.

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Art 22 Brüssel IIa-VO 17-20

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

kennung nicht, sofern der Mangel nicht die rechtzeitige Kenntnisnahme und damit die Verteidigungsmöglichkeit behindert hat.21 17 (3) Prüfungsschwerpunkt ist die rechtzeitige Zustellung zur Ermöglichung der Verteidigung. Erforderlich ist ein nach den Umständen autonom zu bestimmender Zeitraum zur ausreichenden Vorbereitung der Verteidigung, der auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme folgt. 22 Die Beurteilung der erforderlichen Frist orientiert sich, wie schon zu Art 27 Nr 2 EuGVÜ, nicht an Fristbestimmungen des nationalen Rechts im Ursprungs- oder Anerkennungsstaat. 18 Eine ordnungsgemäße Zustellung indiziert hierbei die Möglichkeit der Kenntnisnahme im Zeitpunkt der Zustellung; eines Nachweises tatsächlich erfolgter Kenntnisnahme bedarf es nicht, es sei denn, dass die Umstände der Zustellung (zB öffentliche Zustellung) eine Kenntnisnahme unwahrscheinlich erscheinen lassen. Eine nicht ordnungsgemäße Zustellung indiziert hingegen das Fehlen der Kenntnisnahmemöglichkeit, wenn der Zustellungsmangel geeignet war, die Verteidigungsmöglichkeit zu behindern. Das ist offenbar der Fall, wenn das Schriftstück nicht in einer der nach Art 8 EG-ZustVO 2000 bzw EG-ZustVO 200723 zulässigen Sprachen zugestellt wurde. 24 Aber auch dann, wenn die Zustellung in einer Weise erfolgte, der nicht die in den nationalen Bestimmungen gemäß Art 14 Abs 2 EG-ZustVO oder in der nun autonom geregelten Form des Art 14 EG-ZustVO verkörperte Warnfunktion zukommt, wird die Verteidigungsmöglichkeit beschränkt. ZB muss ein deutscher Antragsgegner, der sich an der Zustellung mit Einschreiben/Rückschein orientieren darf, eine „Zustellung“ per einfachem Brief nicht ernst nehmen. c) Einverständnis des Antragsgegners mit der Ehescheidung 19 (1) Anders als Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO erfasst lit b das Phänomen der Rechtsbehelfsobliegenheit. Zu Recht verliert der Antragsgegner den Schutz der lit b nicht schon dann, wenn er gegen die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat keinen Rechtsbehelf eingelegt hat; Passivität gegenüber einer Ehesachenentscheidung kann vielfältige Gründe haben, signalisiert nicht notwendig Zustimmung25 und kann nicht zur Grundlage des verwirkungsähnlichen Verlusts des Schutzes rechtlichen Gehörs gemacht werden. 20 (2) Der Anerkennungsversagungsgrund greift nur dann nicht ein, wenn der Antragsgegner die Entscheidung in der Sache akzeptiert, wenn er mit ihr eindeutig einverstanden ist. Das Gericht hat also nicht von Amts wegen die Anerkennung zu

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Wie hier auch: Thomas/Putzo/Hüßtege Art 21 Rn 2; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 36 ff; Geimer/ Schütze/Paraschas Rn 17. Vgl EuGH Rs 166/80 Klomps/Michel EuGHE 1981, 1593; im Einzelnen Rauscher/Leible Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO. Anwendbar seit dem 13.11.2008. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2. Helms FamRZ 2001, 264.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 22 Brüssel IIa-VO 21-23

versagen, obwohl auch der Antragsgegner mit dem materiellen Ergebnis der Statusentscheidung einverstanden ist. Das setzt ein Verhalten voraus, aus dem sich eindeutig ergibt, dass der Antragsgegner die Entscheidung akzeptiert;26 es liegt zB vor, wenn er bereits Schritte im Hinblick auf eine erneute Eheschließung unternommen hat oder wenn er aus der Statusentscheidung Rechtsfolgen (Unterhalt, Versorgungsausgleich) herleiten will. 27 Hingegen ist, wie sich aus dem Unterschied der Fassung zu Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO und deren Motiv28 ergibt, die Unterlassung eines Rechtsmittels im Ursprungsmitgliedstaat nicht in diesem Sinn als Einverständnis zu werten. 29 3.

Unvereinbarkeit mit Entscheidung im Anerkennungsstaat (lit c)

a) Lit c entspricht Art 34 Nr 3 Brüssel I-VO. 30 Unvereinbarkeit mit einer Entschei- 21 dung in dem Staat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, steht der Anerkennung entgegen, unabhängig davon, welche Entscheidung früher ergangen ist oder welches Verfahren früher eingeleitet wurde. 31 Die widersprechende Entscheidung aus dem Anerkennungsstaat muss nicht in den Anwendungsbereich der VO fallen. Fällt sie in den Anwendungsbereich der VO, so muss sie nicht notwendiger Weise in anderen Mitgliedstaaten anerkennungsfähig sein. Voraussetzung der Anerkennungsversagung nach lit c ist die Identität der Parteien in 22 beiden Verfahren, während in sachlicher Hinsicht nicht Übereinstimmung des Streitgegenstandes, sondern eine autonom zu bestimmende32 Unvereinbarkeit erforderlich ist. Grundsätzlich liegt dann Unvereinbarkeit vor, wenn die anzuerkennende Entscheidung eine statusrechtliche Wirkung hat, die vor dem Hintergrund der im Anerkennungsstaat vorhandenen Entscheidung nicht (mehr) eintreten kann.33 b) Unvereinbarkeit liegt vor, wenn im Anerkennungsstaat eine die Ehe auflösende 23 Entscheidung ausgesprochen wurde, während die anzuerkennende Entscheidung nur eine Ehetrennung verfügt. Umgekehrt steht eine Ehetrennung im Anerkennungsstaat nicht der Anerkennung einer die Ehe auflösenden Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat entgegen,34 auch wenn das Ehetrennungsurteil nach dem angewandten materiellen Recht für einen gewissen Zeitraum eine Umwandlung in eine Ehescheidung blockieren würde; denn die Scheidung einer getrennten Ehe führt autonom ge-

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Borrás-Bericht Nr 70. Borrás-Bericht Nr 70; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2. Soeben Rn 19. Helms FamRZ 2001, 264; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2; MünchKommZPO /Gottwald Rn 8; Geimer/ Schütze/Paraschas Rn 68; Staudinger /Spellenber(2004) Rn 68; aA Zöller /Geimer Rn 5. Vgl auch Rauscher/Leible Art 34 Nr 3 Brüssel I-VO. Borrás-Bericht Nr 71. Geimer/Schütze/Dilger Rn 40. Ähnlich AnwKommBGB /Andrae Rn 16. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 78; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 41; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 3; aA MünchKommZPO /Gottwald Rn 12.

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Art 22 Brüssel IIa-VO 24-26

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

sehen nicht zu Unvereinbarkeit und erweist sich allenfalls als nicht zu prüfende Missachtung einer materiellrechtlichen Sperre der Umwandlung. Es setzt sich also einheitlich die am weitesten gehende Statusentscheidung durch.35 24 Ehescheidung und Nichtigerklärung ex tunc sind miteinander nicht deshalb unvereinbar, weil sie auf verschiedene Zeitpunkte wirken.36 Ist im Anerkennungsstaat die Ehe ex tunc für nichtig erklärt, so kann eine ex nunc wirkende Ehescheidung oder Eheaufhebung jedoch nicht mehr anerkannt werden, weil sie das Bestehen einer Ehe voraussetzt. Hingegen käme trotz einer Ehescheidung im Anerkennungsstaat die Anerkennung der weitergehenden Nichtigerklärung ex tunc in Betracht. Ebenso wie im Verhältnis von Eheaufhebung und Ehescheidung,37 das selbst unter dem engeren deutschen Streitgegenstandsbegriff durchaus problematisch ist,38 sollte jedoch im autonomen Verständnis wegen der rechtsvergleichend austauschbaren Funktion jede die Ehe auflösende oder ihre Nichtexistenz begründende Entscheidung als anerkennungshindernd unvereinbar iSd lit c angesehen werden.39 Dies sollte dann auch im Verhältnis zu einer die ex lege bestehende Nichtigkeit feststellenden Entscheidung gelten. 25 Die Ehescheidung aussprechende Entscheidungen untereinander sind nach dem hier vertretenen Verständnis unvereinbar, weil eine aufgelöste Ehe nicht nochmals aufgelöst werden kann.40 Deshalb kann auch eine spätere Verschuldensscheidung nicht anerkannt werden, wenn eine vorherige (Zerrüttungs-)Scheidung entgegensteht, was ggf zu hinkenden Scheidungsfolgen führt. 26 c) Strittig ist, ob auch eine antragsabweisende Entscheidung, soweit sie in Rechtskraft erwächst, unvereinbar mit der Anerkennung einer Entscheidung sein kann, die auf denselben Tatbestand gestützt, einem entsprechenden Antrag stattgibt. Das Argument, Art 2 Nr 4 beschreibe den Entscheidungsbegriff auch insoweit,41 überzeugt nicht, denn die den Konflikt auslösende Entscheidung muss nicht einmal in den Anwendungsbereich der VO fallen, um so weniger in den des Art 2 Nr 4. Schwerer wiegt, dass die antragsabweisende Entscheidung in anderen Mitgliedstaaten nicht nach Art 21 ff anerkennungsfähig wäre, so dass es zu hinkenden Statusverhältnissen käme.

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Borrás-Bericht Nr 71; Geimer/Schütze/Dilger Rn 41. So aber Andrae ERA-Forum 2003, 28, 40. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 81 entscheidet insoweit ohne Begründung für Vereinbarkeit einer späteren Aufhebung mit einer Scheidung, was der BGH (BGHZ 133, 227) selbst im deutschen Recht mit seinem engeren Streitgegenstandsbegriff nicht so sieht. Dazu Staudinger /Rauscher (2004) Vorbem zu §§ 1564 ff Rn 69 ff. MünchKommZPO /Gottwald Rn 13; aA Staudinger /Spellenberg (2004) Rn 81 spätere Aufhebung sei mit früherer Scheidung vereinbar und beseitige diese. In Betracht zu ziehen ist jedoch die partielle Anerkennung, soweit die anzuerkennende Entscheidung der anderweitigen Eheauflösung andere Wirkungen beimisst; dieses Phänomen ist ebenfalls im deutschen Recht bekannt: BGHZ 133, 227. IE ebenso Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 81. Kohler NJW 2001, 13; Andrae ERA-Forum 2003, 28, 43.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 22 Brüssel IIa-VO 27-29

Gleichwohl ist der Ansicht, die auf abweisende Entscheidungen lit c nicht anwenden 27 will,42 nicht zu folgen. 43 Die Möglichkeit hinkender Statusverhältnisse entsteht im Fall des lit c durch den absoluten Vorrang der inländischen Entscheidung, der der Autorität inländischer Entscheidungen im Anerkennungsstaat geschuldet ist, aber hinkende Rechtsverhältnisse hinnimmt. Dass die abweisende Entscheidung nicht nach Art 21 ff in anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen ist, bedeutet im Übrigen nicht, dass sie überhaupt nicht anerkannt würde; dies hängt von der lex fori ab. Es wäre jedenfalls im Ergebnis nicht hinnehmbar, wenn zB eine rechtskräftige Abweisung eines auf die Behauptung der Bigamie gestützten Eheaufhebungsantrags einer Entscheidung aus einem Mitgliedstaat im Wege der Anerkennung weichen müsste, welche die Ehe aus eben diesem Grund aufhebt. Hingegen wird das von der hM zutreffend gesehene Problem hinkender Statusverhältnisse im Fall der Ehescheidung in aller Regel dadurch zu lösen sein, dass ein späteres Scheidungsverfahren unter Geltung des Zerrüttungsprinzips meist einen anderen Scheidungsgrund44 betrifft und deshalb zu einer früheren Abweisung nicht unvereinbar ist. Scheidungstourismus wird also nur gebremst,45 soweit der Scheidungsgrund durch die Antragsabweisung verbraucht ist. Zu einer Abweisung mangels Scheidungsgrundes oder mangels Scheidbarkeit im An- 28 erkennungsstaat nach Erlass eines stattgebenden Scheidungsurteils /-beschlusses in einem Mitgliedstaat dürfte es aber nicht kommen, weil das Zweitgericht schon die Vorfrage der bestehenden Ehe unter Berücksichtigung der nach Art 21 ff anzuerkennenden Ehescheidung verneinen, also den Scheidungsantrag mangels Ehe abweisen muss. Die Gefahr, ein in einem Mitgliedstaat geschiedener Ehegatte könnte diese Entscheidung nachträglich in einem scheidungsfeindlicheren Staat obsolet machen, besteht also nur hypothetisch. d) Entscheidungen, welche das Bestehen der Ehe voraussetzen, insbesondere sol- 29 che zu Ehewirkungen (zB Trennungsunterhalt), hindern nicht die Anerkennung einer Entscheidung, welche die als existent vorausgesetzte Ehe aufhebt oder als nicht bestehend feststellt. Das ist vom Streitgegenstandsverständnis des deutschen Rechts allerdings leichter begründbar als aus dem Blickwinkel des autonomen Unvereinbarkeitsbegriffs. Keine Probleme ergeben sich, wenn das anzuerkennende Scheidungsurteil dem das Bestehen der Ehe voraussetzenden Unterhaltsurteil nachfolgt, weil sich keine logische Unvereinbarkeit ergibt, wenn eine zunächst wirksame Ehe später endet. Hingegen lässt sich der Widerspruch zu einer auf Trennungsunterhalt lautenden Entschei-

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Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 3; Zöller /Geimer Rn 7; Kohler NJW 2001, 13. Wie hier: Helms FamRZ 2001, 265; Hausmann EuLF 2000/01, 350; MünchKommZPO /Gottwald Rn 10; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 34 ff. Scheitern aufgrund der Fortentwicklung der Umstände, Scheiternsvermutung aufgrund zwischenzeitlichem Ablauf von Vermutungsfristen. Dieses Ziel betont Hausmann EuLF 2000/01, 350.

Thomas Rauscher

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Art 22 Brüssel IIa-VO 30, 31

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

dung kaum leugnen, wenn diese einen Zeitraum betrifft, in dem die Ehe bereits in einem Mitgliedstaat geschieden war. Nur sollte dieser Fall wiederum schon durch die zutreffende Behandlung der Vorfrage vermeidbar sein.46 Kommt es dennoch zu einem Konflikt in dieser Reihung, muss sich letztlich die Statusentscheidung gegenüber der Unterhaltsentscheidung durchsetzen. Ob dies jedoch rückwirkend geschieht oder erst von dem Zeitpunkt, in dem die Anerkennungsfähigkeit (zB durch Vollstreckungsabwehrklage) geltend gemacht wird, muss das nationale Recht des Staates entscheiden, dessen Gerichte die Unterhaltsentscheidung erlassen haben. 4.

Unvereinbarkeit mit Entscheidung in anderem Mitgliedstaat oder Drittstaat (lit d)

30 a) Konflikte der anzuerkennenden Entscheidung mit Entscheidungen aus Drittstaaten oder anderen Mitgliedstaaten zwischen denselben Parteien regelt lit d nach dem Muster von Art 34 Nr 4 Brüssel I-VO. 47 Insoweit gilt der Prioritätsgrundsatz;48 der Anerkennung steht nur eine Entscheidung entgegen, die früher als die anzuerkennende Entscheidung erlassen wurde. Dadurch wird vermieden, dass im Anerkennungsstaat prozessual überholte Entscheidungen, bei deren Erlass – vorbehaltlich unterschiedlicher Anerkennungsregeln im Urteilsstaat – die frühere Entscheidung hätte beachtet werden müssen, anzuerkennen sind.49 31 b) Der Anerkennung kann eine Entscheidung nur entgegenstehen, wenn sie ihrerseits anerkennungsfähig ist. Unerheblich ist dabei, ob es sich um eine nach der VO, nach anderem EG-Recht, Völkerverträgen oder der lex fori anzuerkennende Entscheidung handelt.50 (Frühere) Entscheidungen aus einem Drittstaat, die der formalisierten Anerkennung nach § 107 FamFG bedürfen, stehen der Anerkennung iSd lit d erst nach formeller Anerkennung entgegen. Jedoch ist das Verfahren, in dem die Anerkennungsfähigkeit der späteren Entscheidung aus einem Mitgliedstaat nach Art 21 ff zu beurteilen ist, ggf auszusetzen, wenn eine Partei das Verfahren nach § 107 FamFG einzuleiten wünscht. Anderenfalls käme es zu Widersprüchen, wenn die Anerkennungsfähigkeit der späteren Mitgliedstaats-Entscheidung bejaht wird und anschließend auch die frühere Drittstaats-Entscheidung anerkannt wird. Art 27 steht der Aussetzung nicht entgegen, weil die Bestimmung nicht abschließend ist.

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Vgl oben Rn 26: Eine durch anzuerkennendes Urteil geschiedene Ehe kann nicht mehr Grundlage eines auf Trennungsunterhalt lautenden Urteils sein. Vgl Rauscher/Leible Art 34 Nr 4 Brüssel I-VO; beide Normen stellen im Vergleich zu Art 27 Nr 5 EuGVÜ klar, dass das zugrundegelegte Prioritätsprinzip auch im Verhältnis zu Mitgliedstaaten-Entscheidungen gilt. MünchKommZPO /Gottwald Art 23 Rn 14. Vgl aber Borrás-Bericht Nr 71; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 4, die dies als Ziel der Regelung ansehen. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 4.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 22 Brüssel IIa-VO, 32 Art 23 Brüssel IIa-VO

c) Ähnlich wie zu lit c51 kann auch eine lege fori anerkennungsfähige abweisende 32 Entscheidung der Anerkennung einer späteren stattgebenden Entscheidung entgegenstehen.52 Zwar geht es insoweit nicht um die Achtung der Autorität einer im Anerkennungsstaat ergangenen Entscheidung. Es erscheint aber aus Sicht des Anerkennungsstaates ebenso wie der Beteiligten nicht sinnvoll, eine Entscheidung anzuerkennen, die sich später in Widerspruch zu einer im Anerkennungsstaat rechtskräftigen Feststellung der Rechtslage setzt. Wie zu lit c betrifft dies vor allem Fälle der Abweisung eines Eheaufhebungsbegehrens, während die Abweisung eines Scheidungsantrags den Scheidungsgrund einer späteren Zerrüttung ohnehin nicht verbraucht.

Artikel 23

Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung über die elterliche Verantwortung Eine Entscheidung über die elterliche Verantwortung wird nicht anerkannt, a) wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie beantragt wird, offensichtlich widerspricht, wobei das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist; b) wenn die Entscheidung – ausgenommen in dringenden Fällen – ergangen ist, ohne dass das Kind die Möglichkeit hatte, gehört zu werden, und damit wesentliche verfahrensrechtliche Grundsätze des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung beantragt wird, verletzt werden; c) wenn der betreffenden Person, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass sie sich verteidigen konnte, es sei denn, es wird festgestellt, dass sie mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist; d) wenn eine Person dies mit der Begründung beantragt, dass die Entscheidung in ihre elterliche Verantwortung eingreift, falls die Entscheidung ergangen ist, ohne dass diese Person die Möglichkeit hatte, gehört zu werden; e) wenn die Entscheidung mit einer späteren Entscheidung über die elterliche Verantwortung unvereinbar ist, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist; f) wenn die Entscheidung mit einer späteren Entscheidung über die elterliche Verantwortung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in dem Drittstaat, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, ergangen ist, sofern die spätere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung beantragt wird; oder g) wenn das Verfahren des Artikels 56 nicht eingehalten wurde.

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Oben Rn 26. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 44, 46.

Thomas Rauscher

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Art 23 Brüssel IIa-VO 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

I. Struktur der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Anerkennungsversagungsgründe

1. Ordre public (lit a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliches Gehör des Kindes (lit b). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (lit c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtliches Gehör von Inhabern der elterlichen Verantwortung (lit d) . . . .

I.

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5. Unvereinbarkeit mit späterer Entscheidung im Anerkennungsstaat (lit e) . . . . . . . . . . . . 6. Unvereinbarkeit mit späterer Entscheidung im KindesAufenthaltsstaat (lit f). . . . . . . . . . . . . . . . 7. Nichteinhaltung des Verfahrens nach Art 56 (lit g) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Struktur der Regelung

1 Art 23 ist parallel zu Art 22 gestaltet1 und entspricht Art 15 Abs 2 Brüssel II-VO, der noch die Anerkennungsversagungsgründe für beide Anwendungsbereiche der VO getrennt nach zwei Absätzen umfasste. Inhaltlich hat sich gegenüber Art 15 Abs 2 lediglich eine Erweiterung des Katalogs in lit g ergeben. Neben das Anerkennungs- und Vollstreckungssystem der Art 21, 23 ff, Art 28 ff tritt jedoch für Umgangsentscheidungen, die grundsätzlich auch in den Anwendungsbereich des Art 23 fallen, zusätzlich das System der unmittelbaren Vollstreckung nach Art 40 ff. 2 Die Bestimmung gilt für die Anerkennung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung, unabhängig davon, ob hierüber im Zusammenhang mit einer Ehesache oder selbstständig entschieden wurde; auch die Anerkennung einer Sorge- oder Umgangsregelung im Verbundurteil unterliegt also Art 23. Die Anerkennungsversagungsgründe sind sowohl im Rahmen des (positiven oder negativen) Anerkennungsfeststellungsverfahrens (Art 21 Abs 3) als auch inzident im Rahmen der Vollstreckbarerklärung (Art 28 ff) zu prüfen.2 Hingegen sind sie auf die nach Art 40 ff vollstreckbaren Entscheidungen nicht anzuwenden. 3 Der Katalog der Versagungsgründe in Sorgerechtssachen unterscheidet sich wegen der erforderlichen Beachtung des Kindeswohls und der Betroffenheit Dritter sowie in Anlehnung an Art 23 KSÜ3 vor allem hinsichtlich des rechtlichen Gehörs von dem in Ehesachen. Maßgeblich ist die Gewährung des rechtlichen Gehörs in einem Umfang, der die Wahrung des Kindeswohls sicherstellt, was in dem auf ein streitiges Parteiverhältnis zugeschnittenen Art 22 ohne extensive Inanspruchnahme des ordre public nicht gewährleistet wäre.

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Zur Anlehnung an das Modell der Brüssel I-VO siehe Art 22 Rn 3 f. Insoweit unklar Weber NJW 2005, 3043, 3047. Borrás-Bericht Nr 67.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

II.

Anerkennungsversagungsgründe

1.

Ordre public (lit a)

Art 23 Brüssel IIa-VO 4, 5

a) Lit a entspricht vollständig Art 23 Abs 2 lit d KSÜ4 und unterscheidet sich von 4 Art 22 lit a durch die Nennung des Kindeswohls als Kriterium der Prüfung des ordre public. Dies bedeutet nicht, dass das Kindeswohl als Anerkennungsversagungsgrund neben den ordre public tritt. Weder ist das Kindeswohl kumulativ erst nach Feststellung eines ordre public-Verstoßes zu prüfen,5 noch ist das Kindeswohl ein alternativer Anerkennungsversagungsgrund, der eine Prüfung der Entscheidung in der Sache eröffnen würde.6 Die Regelung stellt vielmehr klar, dass das Kindeswohl innerhalb der Prüfung des ordre public das zentrale Kriterium ist.7 Wie die Ausfüllung des ordre public obliegt dabei auch die Bewertung des Kindeswohls dem Recht des Staates, in dem die Entscheidung zur Anerkennung steht.8 b) Teilweise wird eine restriktive Anwendung des ordre public wegen Kindeswohl- 5 verstößen angemahnt.9 Dem ist zuzugeben, dass auch gegenüber Sorgerechtsentscheidungen der ordre-public-Vorbehalt auf „offensichtliche“ Verstöße gegen grundlegende Prinzipien zu beschränken ist. Nun ist aber das Kindeswohl an sich ein solches grundlegendes Prinzip, so dass eine Relativierung nur bei der Offensichtlichkeit ansetzen könnte. Zwar steht außer Frage, dass eine Anerkennung nur scheitern kann, wenn im konkreten Fall eine realistische kindeswohlgünstigere Entscheidungsalternative besteht. Auch mögen gewisse Abstriche von der aus Sicht des Anerkennungsstaates optimalen verfahrensrechtlichen Verwirklichung des Kindeswohls hinzunehmen sein,10 zumal insoweit die Sicherstellung des rechtlichen Gehörs des Kindes das zentrale und in lit b gesondert erfasste Anliegen ist. Es geht aber schwerlich an, im Rahmen der Anerkennung nach der VO zwischen ausländischen Kindern und solchen, die dem Anerkennungsstaat angehören, zu differenzieren. Ein hoher Kindeswohlstandard muss eines der vorrangigen Ziele eines EG-einheitlichen Grundrechtsverständnisses sein. Deshalb wäre es kurzsichtig, würden Mitgliedstaaten, die ein hohes Maß an Sensibilisierung und Grundrechtsschutz zugunsten des Kindeswohls erreicht haben, die Verkehrsfähigkeit von Urteilen über die Wahrung dieses Niveaus und die Entwicklung eines vergleichbaren EG-Niveaus stellen. Insbesondere wenn einzelne Mitgliedstaaten auf der Ebene des Entscheidungs-ordre public kindeswohlwidrige Sorgerechtsnormen aus drittstaatlichem Recht noch nicht abzuwehren bereit sind, hat eine eher extensive 4 5 6 7

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Borrás-Bericht Nr 73; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Albers Art 15 Rn 14. So aber Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1. AnwKommBGB /Andrae Rn 2. Vogel MDR 2000, 1050; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 13; MünchKommZPO /Gottwald Rn 2; Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 123. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1. Vgl Helms FamRZ 2001, 263; wie hier: Geimer/Schütze/Paraschas Rn 14 Vgl Helms FamRZ 2001, 263; zur Anerkennungsversagung bei Unterbleiben der gebotenen Einholung eines psychologischen Gutachtens EuGMR DAVorm 2000, 681; ebenso Geimer/Schütze/Dilger Rn 14.

Thomas Rauscher

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Art 23 Brüssel IIa-VO 6- 9

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Durchsetzung eines hohen Schutzniveaus im Anerkennungs-ordre public eine zukunftsweisende Funktion. 6 c) Zumindest für die Anerkennung der Entscheidung im gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Kindes ist die Frage von geringer praktischer Bedeutung. Da, abgesehen von Art 9, eine Zuständigkeit zur Abänderung der Entscheidung hier regelmäßig gemäß Art 8 besteht und eine Anerkennung der Abänderung nicht entgegensteht, ist es wenig fruchtbar, um die Anerkennungsfähigkeit zu streiten. Im Zweifel ist eine eigene Entscheidung der (neuen) Aufenthaltsgerichte vorzugswürdig, weil sie Klarheit schafft und sich uneingeschränkt am eigenen Kindeswohlverständnis orientieren kann. 2.

Rechtliches Gehör des Kindes (lit b)

7 a) Lit b ist ohne Parallele in Art 22 und entspricht Art 23 Abs 2 lit b KSÜ. Die Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber dem Kind ist zu Recht als das zentrale Gebot der Verwirklichung des Kindeswohls im Verfahren aus dem verfahrensrechtlichen ordre public ausgegliedert.11 Die Bestimmung stellt grundsätzlich nicht auf die Erforderlichkeit der Anhörung des Kindes in einer der beteiligten Rechtsordnungen ab, sondern geht in Anlehnung an Art 12 des UN-Kinderrechteübereinkommens vom 20. 11. 198912 von der Anhörung des Kindes als Regel aus. Dies wird im Erwägungsgrund Nr 19 betont, wobei dort auch klargestellt ist, dass insoweit keine autonome Ausgestaltung, also auch kein Mindeststandard, der Anhörung erfolgt. Eine autonome Ausnahme von diesem Grundsatz bestimmt lit b nur für dringende Fälle.13 Die in Art 41 Abs 2 lit c für den Fall des Umgangstitels enthaltene autonome Einschränkung der Erforderlichkeit der Anhörung ist hingegen auf Art 23 lit b nicht zu übertragen.14 8 b) Das Recht des Anerkennungsstaates wird deshalb letztlich zum Maßstab der Anerkennungsversagung,15 weil lit b zusätzlich eine Verletzung wesentlicher verfahrensrechtlicher Grundsätze dieses Staates fordert. Es wird also das Unterbleiben des autonom als erforderlich vorausgesetzten rechtlichen Gehörs nur dadurch zum Anerkennungsversagungsgrund, dass ein dem ordre-public-Gedanken ähnliches Element in Bezug auf den Staat, in dem die Anerkennung beantragt wird, hinzutritt. Dies ermöglicht es dem Anerkennungsstaat, auch dann die Anerkennung zu versagen, wenn zwar nicht gegen Anhörungsbestimmungen im Ursprungsmitgliedstaat verstoßen wurde, aber, zB bei jüngeren Kindern, die nicht überall anzuhören sind, gegen wesentliche Grundsätze des eigenen Rechts.16 9 c) Für die Anerkennung in Deutschland ist damit Art 103 Abs 1 GG und die Konkretisierung in § 159 FamFG der Maßstab.17 Diese Bestimmung ist in ihrer Gesamtheit 11 12 13 14 15 16

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MünchKommZPO /Gottwald Rn 3. BGBl 1992 II 122. Dazu Schlauß FPR 2006, 228, 230. Vgl OLG Schleswig FamRZ 2008, 1761, 1762. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1; MünchKommZPO /Gottwald Rn 3. Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 248.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 23 Brüssel IIa-VO 10-13

wesentlicher Verfahrensgrundsatz und kann deshalb nicht unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit relativiert werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob § 159 FamFG den Umfang des dem Kind nach Art 12 Abs 2 UN-KinderrechteÜbk zu gewährenden rechtlichen Gehörs ausschöpft. Es wäre aber angesichts der dezidierten Orientierung von lit b am Niveau dieses Art 12 nicht dienlich, wollte man die vergleichbar hohe aus § 159 FamFG fließende Garantie relativieren,18 um die Anerkennung von Entscheidungen zu erreichen, die dieses Niveau (noch) verfehlen. Die Anbindung des Anerkennungsversagungsgrundes an wesentliche Verfahrensgrundsätze des Anerkennungsstaates dient nicht der Absenkung des erwarteten Schutzniveaus, sondern soll nur vermeiden, dass ein Mitgliedstaat an die anzuerkennende Entscheidung eine höhere Messlatte anlegt als an eigene Verfahren. 3.

Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (lit c)

a) Lit c ist Art 22 lit b nachgebildet. Die Zustellung und ihre Rechtzeitigkeit sind 10 in gleicher Weise zu beurteilen wie dort.19 Fraglich ist jedoch, wer die „betreffende Person“ ist, an die das verfahrenseinleitende 11 Schriftstück zuzustellen ist. Diese schillernde Bezeichnung versucht, sich von dem kontradiktorischen Grundmuster des Art 22 lit b zu lösen. Wie aus der dem Schutz Dritter als materiell Verfahrensbeteiligte dienenden Bestimmung in Art 23 lit d zu folgern ist, sind diese in lit c nicht gemeint. Auch das Kind ist, obwohl dies nach dem Wortlaut vorstellbar wäre, nicht gemeint, weil dessen rechtliches Gehör in lit b behandelt wird. Die Bestimmung auf formell Verfahrensbeteiligte zu beschränken,20 verbietet sich je- 12 doch,21 weil die fehlende Zustellung in diesem Fall die formale Beteiligung verhindern, also zur Nichtanwendung der Bestimmung führen könnte. Eine systematisch sinnvolle Funktion zwischen Art 23 lit b und d bei gleichzeitiger 13 Berücksichtigung des in lit c enthaltenen Rests eines kontradiktorischen Vorverständnisses erhält die Bestimmung, wenn man als „betreffende Person“ jeden Elternteil (als potentiell formell zu Beteiligenden) versteht, soweit er nicht selbst das Sorgeverfahren durch einen eigenen Antrag in Gang gesetzt hat. Die Rolle in dem Eheverfahren, aus dessen Anlass die elterliche Verantwortung geregelt wird, ist dagegen unerheblich. Hat das Gericht von Amts wegen die Regelung der elterlichen Verantwortung eingeleitet, so unterfällt nicht nur die erste Zustellung an einen Elternteil lit c, denn diese 17

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Noch zu § 50 b FGG aF: OLG Schleswig FamRZ 2008, 1761, 1762; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2; MünchKommZPO /Gottwald Rn 3; Helms FamRZ 2001, 263; AnwKommBGB /Andrae Rn 4; aA Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 124. In dieser Richtung jedoch Schlauß FPR 2006, 228, 229. Art 22 Rn 12 ff. So Wagner IPRax 2001, 78; AnwKommBGB /Andrae Rn 5; MünchKommZPO /Gottwald Rn 5; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 22. Hk-ZPO /Dörner Rn 4.

Thomas Rauscher

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Art 23 Brüssel IIa-VO 14-16

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Zustellung wirkt nicht für und gegen den anderen. Vielmehr ist beiden Elternteilen rechtliches Gehör zu gewähren, so dass die Anerkennung schon scheitert, wenn nur an einen Elternteil nicht in geeigneter Weise rechtzeitig zugestellt wurde. 14 b) Die ebenfalls Art 22 lit b nachgebildete Ausnahme eindeutigen Einverständnisses der betreffenden Person umfasst Handlungen, die materielles Einverständnis signalisieren, insbesondere die Mitwirkung an der Durchführung der getroffenen Sorgerechtsentscheidung (zB Umgangsregelung). Allerdings ist jeweils zu prüfen, ob die Mitwirkung (zB Herausgabe des Kindes) ohne Zwang tatsächlich Einverständnis bedeutet oder lediglich erfolgt ist, um dem Kind die Belastung einer Vollstreckung der Entscheidung zu ersparen. Verbringung in einen anderen Staat, die häufig der Anerkennungsproblematik vorausgehen wird, ist ein eindeutiges Signal des fehlenden Einverständnisses. 15 Für Sorgerechtsentscheidungen kommt aber durchaus auch der Frage Bedeutung zu, ob der Betreffende im Ursprungsmitgliedstaat ein zulässiges Rechtsmittel eingelegt oder unterlassen hat. Während Passivität in Ansehung der eigenen Ehesache psychisch unterschiedlich motiviert sein kann, kann von einem Elternteil, der mit einer Entscheidung in der Sorgesache nicht einverstanden ist, durchaus die Einlegung eines Rechtsmittels erwartet werden.22 4.

Rechtliches Gehör von Inhabern der elterlichen Verantwortung (lit d)

16 a) Lit d ist ohne Parallele in Art 22 und Art 23 Abs 2 lit c KSÜ nachgebildet. Geschützt wird ohne Rückgriff auf die Anhörungsstandards im Ursprungs- oder Anerkennungsstaat23 das rechtliche Gehör jeder Person, die vorträgt, dass die Entscheidung in ihre elterliche Verantwortung eingreift. Die Bestimmung gilt nicht nur für die Verfahrenseinleitung, setzt aber andererseits keine Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks voraus. Dieser Anerkennungsversagungsgrund setzt als einziger nach seinem Wortlaut einen Antrag24 des Betroffenen voraus, was jedoch untechnisch zu verstehen ist; erforderlich ist, dass der Drittbetroffene sich im Anerkennungsstadium meldet und die Verletzung seines Gehörs einwendet. Aus eigener Anschauung wird das Gericht ohnehin von dem Dritten nicht wissen; es genügt aber auch nicht, dass ein Elternteil oder eine Behörde (Jugendamt) die Verletzung des rechtlichen Gehörs des Dritten in das Anerkennungsverfahren einführt. Der Betreffende kann also über die Beachtung seines rechtlichen Gehörs disponieren;25 gleichwohl kann die Verletzung noch unter dem Gesichtspunkt des ordre public zur Nichtanerkennung führen, wenn die unterlassene Anhörung zum Wohl des Kindes zwingend erforderlich gewesen wäre. 22

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Insoweit zweifelnd MünchKommZPO /Gottwald Rn 6; hingegen ohne Empfinden für die Unterschiedlichkeit der Motivationslage: Zöller /Geimer Art 22 Rn 5; wie hier: Hk-ZPO /Dörner Rn 4. Erwägend Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 126; aA Geimer/Schütze/Paraschas Rn 26 (Ursprungsstaat); AnwKommBGB /Andrae Rn 6 (Anerkennungsstaat). Vogel MDR 2000, 1050. AnwKommBGB /Andrae Rn 6.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 23 Brüssel IIa-VO 17-22

b) Zweifel, ob die Bestimmung einen Anwendungsbereich habe, haben sich für die 17 Brüssel IIa-VO erledigt, weil der Anwendungsbereich nun auch Sorgerechtsentscheidungen ohne Konnex zu einer Ehesache erfasst. 26 Erfasst sind damit Fälle, in denen die elterliche Sorge für ein Kind zwischen den Eltern 18 geregelt wird und hierbei in die aufgrund einer früheren Entscheidung einem Dritten (Vormund, Jugendamt) zustehende elterliche Sorge eingegriffen wird. 27 Gleiches gilt, wenn einem Dritten das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Verantwortung zusteht. Da in Anwendung der VO auch der Umgang des Kindes mit jedem Elternteil geregelt werden kann, können sich auch insoweit Eingriffe ergeben. Auch der Umgang mit Dritten fällt nun in den Anwendungsbereich der VO, so dass mittelbar und unmittelbar in Umgangsrechte Dritter (Geschwister, Großeltern) eingegriffen sein kann. Zu bedenken ist immer, dass die unterlassene Gewährung rechtlichen Gehörs als sol- 19 che zur Nichtanerkennung führt. Nicht notwendig ist, dass es aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse zu einer anderen Entscheidung hätte kommen müssen. 5.

Unvereinbarkeit mit späterer Entscheidung im Anerkennungsstaat (lit e)

a) Lit e lehnt sich an Art 22 lit c an und hat im KSÜ keine Parallele. Eine Entschei- 20 dung betreffend die elterliche Verantwortung, die im Anerkennungsstaat ergangen ist, steht der Anerkennung (nur) entgegen, wenn sie später als die anzuerkennende Entscheidung ergangen ist. Nicht erforderlich ist, dass die Entscheidung zwischen denselben Parteien oder Beteiligten ergangen ist; nicht erforderlich ist auch, dass die Entscheidung unmittelbar die elterliche Verantwortung regelt. Es genügt, wenn sie mittelbar die Voraussetzungen der elterlichen Verantwortung berührt, wie zB eine Abstammungsentscheidung auf Anfechtung der Vaterschaft, die der elterlichen Sorge des Ehemannes der Mutter die Grundlage entzieht. 28 Dass lit e nun von einer Entscheidung „über“ die elterliche Verantwortung spricht, während Art 15 Abs 2 lit e Brüssel II-VO das Wort „betreffend“ verwendete, kann nicht als strikte Einschränkung auf konkurrierende Entscheidungen des in Art 1 Abs 1 lit b beschriebenen Typs verstanden werden.29 Die Regelung versucht in nicht ganz geglückter Anlehung an das KSÜ das Problem 21 widerstreitender Entscheidungen zu regeln, das sich aber angesichts der Dynamik der am Kindeswohl orientierten Sorgerechtsentscheidung nicht in gleicher Weise formalisiert abhandeln lässt wie für Ehesachen oder gar unter der Brüssel I-VO: b) Die Beschränkung des Vorrangs auf spätere Entscheidungen erscheint plausibel, 22 wenn man annimmt, dass eine frühere Entscheidung eigentlich bei Erlass der anzuer26 27 28 29

Zur Problematik unter der Brüssel II-VO vgl Vorauflage Art 15 Rn 30. MünchKommZPO /Gottwald Rn 8. Borrás-Bericht Nr 73. So implizit auch AnwKommBGB /Andrae Rn 8.

Thomas Rauscher

269

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Art 23 Brüssel IIa-VO 23, 24

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

kennenden Regelung der elterlichen Verantwortung hätte berücksichtigt werden müssen.30 Diese Prämisse ist aber nur richtig, wenn die frühere Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat der nun zur Anerkennung stehenden Sorgerechtsentscheidung anzuerkennen ist, was selbst im Geltungsbereich der VO nach autonomem Recht zu beurteilen sein kann, sei es, dass die ältere Entscheidung intertemporal noch nicht unter die VO fällt, insbesondere aber, weil Abstammungsentscheidungen nicht unter die VO fallen. Damit impliziert lit e ein keineswegs selbstverständliches Posterioritätsprinzip. Ist die frühere Entscheidung aus dem Anerkennungsstaat eine Sorgerechtsentscheidung, so fügt sich dieses Prinzip stimmig in das Zuständigkeitssystem der Art 8 ff. Rechtfertigung findet es in der grundsätzlichen Abänderbarkeit von Sorgerechtsentscheidungen, die rebus sic stantibus ergehen. 23 Ist die frühere Entscheidung dagegen eine Statusentscheidung, so ist das Posterioritätsprinzip unsinnig: Es drängt sich auf, dass zB eine Sorgerechtsentscheidung aus Anlass der Ehescheidung, die eine vorherige erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft des Ehemannes ignoriert, in dem Staat, in dem über die Anfechtung entschieden wurde, in aller Regel31 nicht anerkannt werden kann. Da lit e dies nicht erkennt, muss auf den ordre public (lit a) abgestellt werden. 24 c) Welche späteren Entscheidungen aus dem Anerkennungsstaat der Anerkennung der Sorgerechtsentscheidung entgegenstehen können, ist strittig. Teils wird angenommen, es könne sich nur um die im Borrás-Bericht32 beispielhaft erwähnten Statusentscheidungen, aber nicht um Sorgerechtsentscheidungen handeln. Begründet wird dies damit, dass eine solche Sorgerechtsentscheidung die Anerkennungsverpflichtung aus Art 21 verletzt hätte und deshalb selbst in einem wiederaufnahmeähnlichen Verfahren aufzuheben sei. 33 Dieses Verständnis ist unzutreffend: Lit e schreibt mit dem Vorrang der im Anerkennungsstaat ergangenen späteren Entscheidung vielmehr den Posterioritätsgrundsatz fort, den die Bestimmung im Verhältnis zu früheren Entscheidungen voraussetzt. Dieser Grundsatz gilt also gerade für Sorgerechtsentscheidungen.34 Formal kann man dies als Ausdehnung des in Art 23 Abs 2 lit e KSÜ für Entscheidungen aus dem Nichtvertragsstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes niedergelegten Grundsatzes rechtfertigen; materiell erscheint es plausibel, bei der jeweils jüngeren Entscheidung die größere Aktualität in Ansehung des Kindeswohls zu vermuten.35 Gleichwohl stört erheblich, dass die VO nun selbst in ihrem erweiterten An30 31

32 33 34

270

Borrás-Bericht Nr 73. Vorstellbar ist, dass eine Verletzung des ordre public ausscheidet, wenn zum Ehemann der Mutter eine soziale Vaterbeziehung besteht und dieser deshalb als Vormund bestellt werden könnte, so dass die Anerkennung einer ihm die elterliche Sorge übertragenden Entscheidung nicht konkret ordre publicwidrig wäre. Nr 73; vgl auch Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 5. Schlosser2 Art 15 Brüssel II-VO Rn 5. So auch Helms FamRZ 2001, 266; Wagner IPRax 2001, 78; Hausmann EuLF 2000/01, 350; MünchKommZPO /Gottwald Rn 9; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 34.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 23 Brüssel IIa-VO 25, 26

wendungsbereich das Verhältnis zwischen Sorgeregelungen durch ein stereotypes Prinzip beschreibt, ohne die erhebliche Bedeutung des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes auch nur in Erwägung zu ziehen. Hätte man sich gefragt, warum Art 23 Abs 2 KSÜ keine vergleichbare Bestimmung enthält,36 so wäre aufgefallen, dass sich für den Aufenthaltsstaat des Kindes wegen der sich aus Art 5 Abs 2 KSÜ ergebenden Abänderungsbefugnis das Anerkennungsproblem erledigt, jedoch für andere Staaten der Vorrang nicht ohne weiteres gerechtfertigt ist. Hier zeigt sich ein weiteres Mal, dass die Regelung von Sorgeentscheidungen getrost dem KSÜ hätte überlassen werden sollen und der Versuch der Einbettung in ein im Prinzip für streitige Verfahren konzipiertes System zwangsläufig Brüche verursacht. 6.

Unvereinbarkeit mit späterer Entscheidung im Kindes-Aufenthaltsstaat (lit f)

a) Lit f steht parallel zu Art 22 lit d, findet aber vor allem eine Stütze in Art 23 25 Abs 2 lit e KSÜ. Die Regelung überträgt das in lit e normierte Posterioritätsprinzip auf Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung, die später in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland ergangen sind. Die selbstverständlich erforderliche Anerkennungsfähigkeit dieser späteren Entscheidung ergibt sich bei Mitgliedstaaten nun aus der VO; bei Drittstaaten ist sie nach MSA, KSÜ oder lex fori zu beurteilen. 37 b) Fraglich ist, auf welche Entscheidungen die weitere Voraussetzung zu beziehen 26 ist, dass das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Entscheidungsstaat der späteren, also anerkennungshindernden Entscheidung gehabt haben muss. Grammatikalisch sind die Worte „in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat“ wohl nur auf „Drittstaat“ bezogen. 38 Eine spätere anerkennungsfähige Entscheidung aus einem Mitgliedstaat hindert demnach immer die Anerkennung, eine anerkennungsfähige Entscheidung aus einem Drittstaat nur dann, wenn das Kind dort bei Erlass der Entscheidung seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Auf den ersten Blick erscheint dies merkwürdig. Während das Anerkennungshindernis im Verhältnis zum Drittstaat-Aufenthaltsstaat des Kindes Art 23 Abs 2 lit e KSÜ entspricht, fehlt dort ein entsprechendes Anerkennungshindernis bei Entscheidungen aus Vertragsstaaten. Trotzdem widerspricht lit f insoweit nicht Art 23 KSÜ, denn dort ergibt sich aus der Anerkennung von zwei aufeinander folgenden Entscheidungen aus Vertragsstaaten (jeweils Art 23 Abs 1 KSÜ) implizit der Vorrang der späteren Entscheidung, auch wenn sie nicht aus dem Aufenthaltsstaat stammt. Abs 2 lit e schreibt also insoweit nur den Posterioritäts35 36

37 38

Wagner IPRax 2001, 78. Es ist unverständlich, warum die Verfasser von Brüssel II sich insoweit am Schema des Abs 1 orientiert haben, ohne die Sinnhaftigkeit vor dem Hintergrund des sonst durchaus ins Kalkül gezogenen Art 23 Abs 2 KSÜ zu hinterfragen. Ausweislich des Borrás-Berichts, der das neben dem Problem liegende Beispiel der Statussache vorträgt, wurde anscheinend die Problematik noch nicht einmal erkannt. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 6. MünchKommZPO /Gottwald Rn 10; Hk-ZPO /Dörner Rn 7; aA Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 6; Geimer/ Schütze/Paraschas Rn 37; unentschieden AnwKommBGB /Andrae Rn 9.

Thomas Rauscher

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Art 23 Brüssel IIa-VO, 27, 28 B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Art 24 Brüssel IIa-VO, 1 Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

grundsatz fest und ist in der hier vertretenen grammatikalischen Auslegung insoweit auch gemessen an Art 23 KSÜ plausibel. 7.

Nichteinhaltung des Verfahrens nach Art 56 (lit g)

27 Die neu aufgenommene lit g erlaubt die Anerkennungsversagung, wenn das Verfahren nach Art 56 nicht eingehalten wurde. Dieses Verfahren ist Teil der Regeln über die Zusammenarbeit der zentralen Behörden bei Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (Kapitel IV) und betrifft die Abstimmung zwischen den Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten, wenn das Gericht eines Mitgliedstaates ein Kind in einem Heim oder einer Pflegefamilie in einem anderen Mitgliedstaat unterbringen möchte. 28 Insbesondere kann die Anerkennung der mit einer solchen Unterbringung verbundenen Sorgerechtsentscheidung nach lit g versagt werden; anderenfalls könnte ein Gericht eines Mitgliedstaates ohne die nach Art 56 Abs 2 erforderliche Zustimmung einem anderen Mitgliedstaat eine Unterbringung praktisch oktroyieren.

Artikel 24

Verbot der Nachprüfung der Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats Die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats darf nicht überprüft werden. Die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung gemäß Artikel 22 Buchstabe a) und Artikel 23 Buchstabe a) darf sich nicht auf die Zuständigkeitsvorschriften der Artikel 3 bis 14 erstrecken.

I.

Normzweck – Vergleich zu Art 35 Brüssel I-VO

1 Die Bestimmung ist mit den erforderlichen redaktionellen Anpassungen an Art 22, 23 dem Art 17 Brüssel II-VO entnommen und entspricht Art 35 Abs 3 Brüssel I-VO.1 Sie stellt klar, dass die Zuständigkeit des Gerichts, das die Entscheidung erlassen hat, nicht nachgeprüft werden darf. Hintergrund des Verzichts auf die im autonomen Anerkennungsrecht übliche Zuständigkeitsprüfung ist, wie schon in Art 28 Abs 3 EuGVÜ, die Vereinheitlichung des Zuständigkeitssystems. Zuständigkeitsverstöße gegen Art 3 bis 14 können auch nicht zur Ablehnung wegen Verstoßes gegen den ordre public führen (S 2). Im Rahmen der VO ist das Verbot der Zuständigkeitsprüfung mit Ausnahme von Art 17 umfassend. Da VO-intern keine ausschließlichen Gerichtsstände mit fakultativen konkurrieren, besteht auch keine Art 35 Abs 1 Brüssel I-VO entsprechende Ausnahme.

1

272

Vgl Rauscher/Leible Art 35 Abs 3 Brüssel I-VO.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

II.

Art 24 Brüssel IIa-VO 2- 4

Einzelheiten

1. Die Anerkennung einer Entscheidung aus einem Mitgliedstaat kann nicht an ei- 2 ner unzutreffenden Annahme der Zuständigkeit scheitern. Eine Prüfung der Zuständigkeit des Erstgerichts findet im Anerkennungsstadium nicht statt (S 1). Das gilt gleichermaßen, wenn das Erstgericht seine Zuständigkeit auf Art 3 ff gestützt hat, als auch dann, wenn es die Zuständigkeit lege fori beurteilt hat. Auch Fehler bei der Anwendung von Art 6, 7 und 14, insbesondere die Annahme einer auf die lex fori gestützten Zuständigkeit, obwohl die Zuständigkeiten der VO (nach Art 6 oder darüber hinaus) ausschließlich gewesen wären,2 sind unbeachtlich,3 selbst wenn das Gericht des Ursprungsmitgliedstaates zu Unrecht eine exorbitante Zuständigkeit angewendet hat.4 2. Satz 2 verbietet grundsätzlich auch den Rückgriff auf den ordre public (Art 22 3 lit a, Art 23 lit a) als Anerkennungshindernis bei Verstößen gegen das Zuständigkeitssystem der VO. Ein Verstoß gegen den ordre public kann jedoch vorliegen, wenn zur unzutreffenden Annahme der Zuständigkeit weitere Umstände hinzutreten, insbesondere Rechtsbeugung durch das Erstgericht oder betrügerisches Erschleichen der Zuständigkeit,5 die für sich den ordre public verletzen.6 Es ist aber auch dann immer im Einzelfall zu prüfen, ob der ordre public verletzt ist. Haben zB Ehegatten einverständlich durch unzutreffende Angaben zum gewöhnlichen Aufenthalt die Zuständigkeit erschlichen und widersetzt sich keiner der Ehegatten der Anerkennung, so ist der Verstoß nicht anders zu beurteilen als einverständlich unzutreffender Vortrag zum Ablauf einer Mindesttrennungsfrist; ein Verstoß gegen den ordre public liegt dann nicht vor. 3. Mittelbar führt dies zu einer erweiterten Obliegenheit des Antragsgegners, Zu- 4 ständigkeitsmängel im Ausgangsverfahren zu rügen.7 Obwohl eine rügelose Einlassung im Rahmen der VO nicht möglich ist, also ein unzuständiges Gericht auch ohne Rüge unzuständig bleibt, ist der Mangel im Anerkennungsstadium unerheblich.

2

3 4 5

6 7

Zöller /Geimer Rn 18; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 5; MünchKommZPO /Gottwald Rn 2; aA Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 3, das Verbot der Nachprüfung wirke sich nur zu Lasten von Drittstaatenangehörigen aus. Helms FamRZ 2001, 262; AnwKommBGB /Andrae Rn 1. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 2. Vgl auch die zum Übereinkommen von Irland abgegebene Erklärung, die in der VO nicht mehr berücksichtigt ist, wonach sich Irland vorbehalten hatte, die Anerkennung zu verweigern, wenn eine Partei oder die Parteien vorsätzlich das Gericht über Voraussetzungen der Zuständigkeit getäuscht haben; dazu Jänterä-Jareborg YB PIL 1999, 22. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 7. MünchKommZPO /Gottwald Rn 3.

Thomas Rauscher

273

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Art 25 Brüssel IIa-VO 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Artikel 25

Unterschiede beim anzuwendenden Recht Die Anerkennung einer Entscheidung darf nicht deshalb abgelehnt werden, weil eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem die Anerkennung beantragt wird, unter Zugrundelegung desselben Sachverhalts nicht zulässig wäre.

I.

Normzweck

1 1. Die Bestimmung – abgesehen von einer das Verständnis erschwerenden Kürzung wortgleich aus Art 18 Brüssel II-VO übernommen – geht zurück auf Art 17 des Übereinkommens Brüssel II und hat zwei Funktionen. Ursprünglich ging es darum, Bedenken von Mitgliedstaaten gerecht zu werden, deren Familienrecht liberalere Scheidungsvorschriften enthält als das Recht anderer Mitgliedstaaten. Insoweit ist die Regelung im Zusammenhang mit Art 22 lit a zu sehen;1 sie verbietet eine extensive Anwendung des ordre public.2 2 2. Da schon in Vorbereitung des Übereinkommens das Wort „innerstaatlich“ gestrichen wurde, erhält die Bestimmung eine zweite Funktion: Sie stellt klar, dass die Nichtanerkennung auch nicht darauf gestützt werden kann, dass ein aus Sicht des Internationalen Privatrechts des Anerkennungsstaates unzutreffendes Recht angewendet wurde. 3 Der Verzicht auf einen Kollisionsrechtsvorbehalt in Statussachen ist keineswegs selbstverständlich, wie insbesondere der statusrechtliche Vorfragenvorbehalt zeigt, der noch in Art 27 Nr 4 EuGVÜ enthalten war. Die Gründe für jenen Anerkennungsvorbehalt sind längst nicht ausgeräumt. 4 Trotz einer zunehmenden Privatisierung der Ehemodelle in allen europäischen Rechtsordnungen konvergieren die Scheidungsrechtsordnungen keinesfalls so stark, dass die kollisionsrechtliche Frage ohne Interesse wäre. Der ordre public ist heute zwar weniger durch staatliche Interessen am Ehemodell betroffen; dafür tritt der individuelle Grundrechtsschutz sowohl in Gestalt des Eheschutzes als auch der Scheidungsfreiheit in den Vordergrund. Der Verzicht auf den Rechtsanwendungsvorbehalt lässt sich also nur damit erklären, dass angesichts der Divergenz der Kollisionsrechte5 eine andere Lösung nicht möglich gewesen wäre, ohne das Ziel der Verkehrsfähigkeit von Scheidungsurteilen erheblich zu gefährden und das Tor zur révision au fond aufzustoßen. II.

Keine Anerkennungsversagung wegen Rechtsunterschieden

3 1. Die Bestimmung betrifft nur Entscheidungen in Ehesachen (Art 1 Abs 1 lit a). Das ist in der Fassung durch die Brüssel IIa-VO zwar nicht mehr ausdrücklich im ersten 1 2 3 4 5

274

Borrás-Bericht Nr 76. Borrás-Bericht Nr 76; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1; MünchKommZPO /Gottwald Rn 1. Borrás-Bericht Nr 76; Zöller /Geimer Rn 1; MünchKommZPO /Gottwald Rn 1. Kohler in: Mansel (Hrsg), Vergemeinschaftung des Europäischen Kollisionsrechts (2001) 44. Kohler vorige Fn.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 25 Brüssel IIa-VO 4- 6

Halbsatz festgehalten,6 ergibt sich jedoch implizit aus dem zweiten Halbsatz: Die Anerkennung einer Sorgerechtsentscheidung kann also zB durchaus darauf gestützt werden, dass der Status des Kindes als Vorfrage der Sorgerechtsregelung unzutreffend beurteilt wurde. 2. Die Anerkennung einer Ehesachenentscheidung darf nicht abgelehnt werden, 4 weil im Anerkennungsstaat eine vergleichbare Entscheidung (Ehescheidung, Eheaufhebung, Ehetrennung) nicht oder noch nicht zulässig gewesen wäre. Ausgeschlossen ist insbesondere eine Berufung auf unterschiedliche Mindesttrennungsfristen und Scheidungsgründe oder die Versagung der Anerkennung von einverständlichen Scheidungen.7 Ausgeschlossen ist theoretisch aber auch die Berufung auf die gänzliche Unzulässigkeit der Ehescheidung. Der materielle ordre public des Anerkennungsstaates ist jedoch durch Art 25 nicht 5 völlig verdrängt;8 deshalb muss davon ausgegangen werden, dass in aus Sicht des Anerkennungsstaats schwerwiegenden Fällen die Anerkennung durchaus an materiellen Rechtsunterschieden scheitern kann. Wie die Gerichte von tendenziell scheidungsunfreundlicheren Mitgliedstaaten etwa zu Konsensualscheidungen ohne Scheiternsnachweis und ohne Trennungsfrist9 unter Beteiligung ihrer Staatsangehörigen stehen werden, bleibt abzuwarten. Auch Malta, das eine Scheidung noch nicht vorsieht, wird sich zu positionieren haben. Insbesondere kann der ordre public trotz Art 25 Scheidungsaussprüchen entgegengehalten werden, die im Ursprungsmitgliedstaat in Anwendung des Rechts von Drittstaaten10 ergangen sind. Filtert insbesondere der Ursprungsmitgliedstaat gleichberechtigungswidrige Scheidungsgründe einer kollisionsrechtlich berufenen ausländischen Rechtsordnung nicht über seinen ordre public, so muss dies der Anerkennungsstaat tun. 3. Die Anerkennung darf auch nicht wegen einer abweichenden Kollisionsrechts- 6 anwendung versagt werden, wobei auch unerheblich ist, ob das Ursprungsgericht sein IPR zutreffend angewendet hat. Dies gilt nicht nur für die Rechtsanwendung in der Hauptfrage, sondern betrifft auch Vorfragen, insbesondere auch die Beurteilung von Statusverhältnissen. So kann die Anerkennung einer Eheaufhebung wegen Bigamie nicht ohne weiteres versagt werden, weil das Ursprungsgericht aus Sicht des Anerkennungsstaates unzutreffend das Bestehen einer anderweitigen Ehe eines Ehegatten angenommen hat. Gleichwohl sollte auch hier der ordre public nicht völlig verdrängt sein. Wenn im Beispielsfall die erste Ehe schon vor Eingehung der vermeintlich bigamischen Ehe im Anerkennungsstaat (oder dort anerkennungsfähig) geschieden war, 6

7 8

9

10

Art 18 Brüssel II-VO lautete: „Die Anerkennung einer Entscheidung, die die Ehescheidung ... betrifft, ...“ Helms FamRZ 2001, 263; Hausmann EuLF 2000/01, 349. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 3, 7 ff; aA Andrae ERA-Forum 2003, 28, 40; einschränkend Geimer/Schütze/Paraschas Rn 6. Wie die spanische Neuregelung aus 2005 zeigt, kann sich insoweit der rechtspolitische Wind schnell drehen. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 8.

Thomas Rauscher

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Art 26 Brüssel IIa-VO 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

liegt kein Fall des Art 22 lit c vor, weil die Ehescheidung nicht zwischen denselben Parteien wie die spätere Eheaufhebung erfolgte. Trotzdem muss der inländische ordre public der Anerkennung entgegengesetzt werden können. Problematisch sind auch Fälle, in denen das Gericht des Ursprungsmitgliedstaates eine Privateheschließung im Anerkennungsstaat, die dieser als Nichtehe betrachtet, als wirksam ansieht und deshalb eine anschließend dort wirksam geschlossene Ehe wegen Bigamie aufhebt.11

Artikel 26

Ausschluss einer Nachprüfung in der Sache Die Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.

I.

Keine Nachprüfung in der Sache

1 Die Bestimmung – wortgleich zu Art 19 Brüssel II-VO – übernimmt das herkömmliche, nicht nur in Art 36 Brüssel I-VO, sondern schon unter § 328 ZPO geltende Verbot der révision au fond. Erst dieses Verbot sichert die Ausschließlichkeit der Anerkennungsversagungsgründe und damit letztlich den Zweck jeder Anerkennung, eine erneute Entscheidung über die Tatsachen und die Rechtsanwendung zu vermeiden.1 Den für die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen wichtigsten Fall des Verbots der Überprüfung von Scheidungs-, Aufhebungs- und Trennungsgründen regelt bereits Art 25. Während Art 25 unmittelbar auch den ordre public-Vorbehalt (Art 22 lit a) beschränkt, steht das Verbot der révision au fond in Art 26 jedoch nicht der Versagung der Anerkennung wegen Verletzung des materiellen ordre public entgegen. 2 II.

Änderung von Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung

2 1. Die Bestimmung gilt – anders als Art 25 – auch für Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung. Das Verbot der rückwirkenden Überprüfung der sachlichen Richtigkeit der Entscheidung steht aber nicht einer Änderung der Entscheidung durch die Gerichte des Anerkennungsstaates entgegen. 3 3 2. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob und in welchem Maß eine Bindung der Gerichte des Anerkennungsstaates (vorbehaltlich deren Zuständigkeit) an die ohne Sachprüfung anzuerkennende Entscheidung besteht. 11

1 2 3

276

Dieser Fall kann sich leicht ereignen, weil nicht nur Deutschland die Eheschließung im Inland nur in Ortsform erlaubt, Eheschließungen im Ausland aber auch in der Geschäftsform als wirksam ansieht. Nimmt zB ein österreichisches Gericht eine in Deutschland privat geschlossene Ehe zweier Marokkaner zum Anlass, die nachfolgend vor einem deutschen Standesbeamten geschlossene Ehe des marokkanischen Ehemannes mit einer Deutschen aufzuheben, so kann diese Entscheidung schwerlich mit dem deutschen ordre public vereinbar sein. Borrás-Bericht Nr 77. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 3. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 4.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 26 Brüssel IIa-VO, 4-6 Art 27 Brüssel IIa-VO

a) Selbstverständlich erscheint, dass aufgrund geänderter Umstände4 eine Sor- 4 gerechtsentscheidung geändert werden kann; das ergibt sich schon aus der kontinuierlichen Wirkung von Sorgerechtsentscheidungen, die immer nur rebus sic stantibus verstanden werden können. b) Fraglich bleibt aber, ob auch eine Abänderung der Entscheidung aufgrund einer 5 abweichenden Beurteilung der Kindeswohldienlichkeit ohne Änderung der vom Ursprungsgericht festgestellten Tatsachen möglich ist. Eine rigide, an zivilprozessualem Denken orientierte Haltung, welche die Gerichte im Anerkennungsstaat an die von der anzuerkennenden Entscheidung gesetzten Prämissen binden will, wird dem Problem nicht gerecht. Die Kindeswohldienlichkeit der Entscheidung ist selbst Teil des dynamischen Prozesses, dem eine Sorgerechtsentscheidung unterliegt. Wenn etwa § 1696 BGB dem Familiengericht aufträgt, seine eigene Entscheidung zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist, so bedeutet das nicht notwendig eine Änderung der zugrundeliegenden Tatsachen, sondern kann auch eine geänderte Beurteilung der Reaktion des Kindes auf die Verhältnisse erfassen. Die Änderungsschwelle5 bestimmen, anders als zB bei Unterhaltsentscheidungen, nicht formal geänderte Tatsachen, sondern der Ausgleich zwischen dem Bedürfnis des Kindes nach Kontinuität und der Tendenz zu einer jeweils optimierten Verwirklichung des Kindeswohls. Eine anzuerkennende Entscheidung kann insoweit selbstverständlich nicht stärker binden. Richtig erscheint es, die Auslegung von Art 26 an Art 27 KSÜ zu orientieren:6 Die 6 Gerichte im Anerkennungsstaat sind zwar gehindert, die anzuerkennende Entscheidung besserwisserisch zu korrigieren. Wenn jedoch die anzuerkennende Entscheidung nicht mehr dem Wohl des Kindes gerecht wird, ist sie abzuändern,7 einerlei, ob sich die Tatsachen oder nur deren Beurteilung geändert haben. Jede andere Lösung würde im Übrigen nur zu Begründungsakrobatik nötigen, mit der sich zB neue gutachterliche Feststellungen zum Verhalten des Kindes unschwer als geänderte Tatsachen interpretieren lassen.

Artikel 27

Aussetzung des Verfahrens (1) Das Gericht eines Mitgliedstaats, vor dem die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung beantragt wird, kann das Verfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt wurde.

4

5 6 7

Borrás-Bericht Nr 78; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1; MünchKommZPO /Gottwald Rn 2; AnwKomm BGB /Andrae Rn 1. Im Einzelnen dazu Staudinger /Coester (2000) § 1696 BGB Rn 42 ff. MünchKommZPO /Gottwald Rn 2. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 4; wohl auch Geimer/Schütze/Paraschas Rn 7; ausdrücklich zu Art 27 KSÜ Siehr RabelsZ 62 (1998) 494.

Thomas Rauscher

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Art 27 Brüssel IIa-VO 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

(2) Das Gericht eines Mitgliedstaats, bei dem die Anerkennung einer in Irland oder im Vereinigten Königreich ergangenen Entscheidung beantragt wird, kann das Verfahren aussetzen, wenn die Vollstreckung der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat wegen der Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweilen eingestellt ist.

I.

Normzweck

1 Die Bestimmung – wortgleich aus Art 20 Brüssel II-VO übernommen – entspricht Art 37 Brüssel I-VO.1 Sie ist in Zusammenhang mit dem Grundsatz der automatischen Anerkennung (Art 21) zu sehen,2 sowie dem Umstand, dass nur für die Beischreibung in Personenstandsbüchern die formelle Rechtskraft der Entscheidung Voraussetzung ist. Die Möglichkeit, das Verfahren vor dem Gericht, vor dem die Anerkennung der Entscheidung beantragt wird, auszusetzen, reduziert die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Besonders in Statussachen, deren Gestaltungswirkung einer Vollstreckung nicht bedarf, wäre es misslich, würden aus einer Entscheidung, die womöglich alsbald im Ursprungsmitgliedstaat aufgehoben wird, rechtliche Folgerungen gezogen. 3 Zumeist werden aber die Gestaltungswirkungen einer Statusentscheidung ohnehin bereits lege fori nicht vor formeller Rechtskraft eintreten. 4 II.

Aussetzung des Verfahrens (Abs 1)

1.

Anwendungsbereich

2 a) Art 27 ist in allen Verfahren anwendbar, welche im Rahmen der Art 21 ff die Anerkennung einer Entscheidung aus einem Mitgliedstaat zum Gegenstand haben. Die Bestimmung gilt also sowohl im Feststellungsverfahren nach Art 21 Abs 35 als auch in Verfahren, die von der inzidenten Anerkennung abhängen;6 in diesem Fall ist nicht nur die inzidente Anerkennung, sondern das Verfahren insgesamt auszusetzen, das von der Anerkennung abhängt.7 In Vollstreckbarerklärungsverfahren gilt nicht Art 27, sondern Art 35. 3 b) Ist eine Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat (mangels Rechtskraft oder personenstandsrechtlicher Eintragung) noch nicht wirksam, so fehlt es bereits an anerkennungsfähigen Wirkungen. In diesem Fall bedürfte es nicht der Aussetzung, um die vorschnelle Herleitung von Folgerungen aus der anzuerkennenden Entscheidung zu vermeiden. Es kann aber sinnvoll sein, Art 27 in solchen Fällen dennoch anzuwenden, wenn die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Andernfalls müsste mangels anerken-

1 2 3 4 5 6 7

278

Vgl Rauscher/Leible Art 37 Brüssel I-VO. Borrás-Bericht Nr 79. MünchKommZPO /Gottwald Rn 1. MünchKommZPO /Gottwald Rn 2. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 3; iE auch MünchKomm/Gottwald Rn 1. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 2. AnwKommBGB /Andrae Rn 1.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 1 . Anerkennung

Art 27 Brüssel IIa-VO 4-7

nungsfähiger Wirkungen das Verfahren durch Abweisung beendet und nach Eintritt der formellen Rechtskraft ein neues Verfahren eingeleitet werden. Fehlt zur Wirksamkeit nur eine personenstandsrechtliche Eintragung, so kommt hingegen keine Aussetzung nach Art 27 in Betracht; eine Aussetzung nach § 148 ZPO ist jedoch möglich. 2.

Voraussetzungen

a) Im Ursprungsmitgliedstaat muss ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt sein. 4 Nach der vom EuGH zu Art 30, 38 EuGVÜ geprägten autonomen Definition handelt es sich um einen Rechtsbehelf, der zur Aufhebung oder Abänderung der Entscheidung führen kann und für dessen Einlegung im Urteilsstaat eine gesetzliche Frist bestimmt ist. 8 Zweifelhaft erscheint allerdings, ob im Rahmen von Art 27 die Befristung des Rechtsbehelfs vorauszusetzen ist. Im Gegensatz zu den vollstreckungsrechtlichen Aussetzungsbestimmungen führt hier nicht schon das Bestehen, sondern erst die Einlegung zur Aussetzung. Insbesondere im Bereich der Sorgerechtsentscheidungen kommen unbefristete Rechtsbehelfe häufiger vor; ihre Einlegung kann in gleicher Weise das Risiko von Widersprüchen heraufbeschwören. 9 b) Wann der Rechtsbehelf eingelegt ist, entscheidet das Recht des Ursprungsmit- 5 gliedstaates. Art 16 gilt nicht entsprechend. Ist über den Rechtsbehelf rechtskräftig entschieden, so ist Art 27 nicht mehr anzuwenden. c) Rechtsfolge ist die Aussetzung des Verfahrens. Eines Antrags bedarf es hierzu 6 nicht.10 Das Gericht hat jedoch Ermessen; abzuwägen sind die Folgen der durch die Aussetzung bedingten Verfahrensverzögerung gegen die Risiken widersprechender Entscheidungen, die Art 27 vermeiden soll. Bei Statusentscheidungen ist, sofern diese überhaupt schon vor Rechtskraft wirken, im Regelfall auszusetzen. Bei Sorgerechtsentscheidungen ist neben der dem Kindeswohl oft nicht zumutbaren Aussetzung eine Anerkennung mit nachfolgender Abänderung zu erwägen, sofern hierzu eine Zuständigkeit besteht. Ist über den Rechtsbehelf entschieden und hiergegen kein weiterer Rechtsbehelf eingelegt, so ist das Verfahren wieder aufzunehmen. Im Übrigen gilt für die verfahrensrechtliche Durchführung der Aussetzung § 21 FamFG entsprechend. III. Entscheidung aus Irland oder UK (Abs 2)

Abs 2 soll Besonderheiten der innerstaatlichen Regelungen in Irland und dem UK 7 Rechnung tragen11 und entspricht Art 20 Abs 2 Brüssel II-VO sowie Art 37 Abs 2 Brüssel I-VO.12 8 9 10 11 12

EuGH Rs 43/77 Industrial Diamond Supplies/Riva EuGHE 1977, 2175. IE ebenso Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 9. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 4. Borrás-Bericht Nr 79. Vgl Rauscher/Leible Art 37 Abs 2 Brüssel I-VO.

Thomas Rauscher

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Art 28 Brüssel IIa-VO 1

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Abschnitt 2 Antrag auf Vollstreckbarerklärung

Artikel 28

Vollstreckbare Entscheidungen (1) Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen über die elterliche Verantwortung für ein Kind, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar sind und die zugestellt worden sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag einer berechtigten Partei für vollstreckbar erklärt wurden. (2) Im Vereinigten Königreich wird eine derartige Entscheidung jedoch in England und Wales, in Schottland oder in Nordirland erst vollstreckt, wenn sie auf Antrag einer berechtigten Partei zur Vollstreckung in dem betreffenden Teil des Vereinigten Königreichs registriert worden ist. I. Modell des Vollstreckbarerklärungsverfahrens 1. Erforderlichkeit des Exequaturverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik der Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung a) Exequatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Voraussetzungen der

1

4 7

Vollstreckbarerklärung 1. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . 3. Zustellung der Entscheidung . . . . . . . . . 4. Verfahren im übrigen – IntFamRVG 5. Vollstreckung im UK (Abs 2) . . . . . . . .

15 16 19 22 27

II. Sachlicher Anwendungsbereich

1. Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kostenentscheidungen (in Ehesachen). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8 14

I.

Modell des Vollstreckbarerklärungsverfahrens1

1.

Erforderlichkeit des Exequaturverfahrens

1 Art 28 bis 36 – weitgehend wortgleich zu Art 21 bis 29 Brüssel II-VO – übernehmen für den Bereich der einer Vollstreckung bedürftigen Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung das grundsätzlich aus Brüssel I bekannte Modell der Exequaturentscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat. Diese Entscheidung setzt die (inzi-

1

280

Eingehend Schulte-Bunert FamRZ 2007, 1608.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 2 . Antrag auf Vollstreckbarerklärung

Art 28 Brüssel IIa-VO 2- 6

dente) Anerkennungsprüfung nach Art 21 ff voraus, die, anders als für die Brüssel IIVO, hier auch erstinstanzlich beibehalten wurde (Art 31 Abs 2). Ehesachen als Statussachen bedürfen (außer im Kostenpunkt) hingegen keiner Voll- 2 streckung,2 weshalb insoweit mit dem Anerkennungsprinzip (Art 21ff) die unmittelbare Wirkungserstreckung erreicht ist. Eine unmittelbare Erstreckung der Vollstreckungswirkungen in Überwindung des Exe- 3 quaturprinzips sieht die VO nunmehr unter den in Art 40 ff bestimmten Voraussetzungen für Umgangsentscheidungen und Entscheidungen über die Kindesherausgabe vor. Dieses an der EG-VollstrTitelVO orientierte Verfahren verzichtet auf die Prüfung von Anerkennungsvoraussetzungen, insbesondere auf den Anerkennungsversagungsgrund des ordre public (Art 23 lit a). So sehr eine Beschleunigung der Vollstreckung von Umgangstiteln zu begrüßen ist, so bedenklich ist doch, dass angesichts erheblich divergierender Beurteilung im materiellen Recht und im Verfassungsverständnis diese Abkehr vom Exequaturprinzip vollzogen wurde. 3 2.

Systematik der Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung

a) Exequatur Art 28 ff gestalten den für alle Mitgliedstaaten einheitlichen Rahmen eines Exequa- 4 turverfahrens, das im jeweiligen Vollstreckungsmitgliedstaat (zum Begriff Art 2 Nr 5) durchzuführen ist. Das Verfahren der Art 28 ff übernimmt – mit der Materie geschuldeten Abweichun- 5 gen4 – die Konzeption der Art 31 ff EuGVÜ und weicht daher deutlich von Art 38 ff Brüssel I-VO ab. Insbesondere verzichtet die VO nicht auf das Erfordernis der vorherigen Zustellung (vgl Art 28 Abs 1, Art 31 Abs 1 EuGVÜ, andererseits Art 38 Abs 1 Brüssel I-VO) und sieht nach dem Vorbild des Art 34 EuGVÜ eine Prüfung der Anerkennungsversagungsgründe vor (Art 31 Abs 2), die Art 41 Brüssel I-VO in das Rechtsbehelfsverfahren verlagert. Die Anerkennung der Entscheidung bleibt also in diesem Verfahren eine Vorfrage,5 die nach Art 21 ff zu beurteilen ist. Außerdem fehlt es an einer Art 47 Brüssel I-VO entsprechenden Bestimmung; eine 6 Inanspruchnahme einstweiliger Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen zur Durchsetzung einer anerkennungsfähigen Entscheidung ohne Durchführung des Exequaturverfahrens ist nicht vorgesehen. Das mit der Vollstreckbarerklärung befasste Gericht 2 3 4

5

Staudinger /Spellenberg (2005) vor Art 28. Näher dazu Art 40 Rn 1 ff. ZB gibt es keine Entsprechung zu Art 39 EuGVÜ, weil eine Vollstreckung in Vermögenswerte bei Sorgerechtsentscheidungen ausscheidet. Unzutreffend Weber NJW 2005, 3043, 3047, der offenbar nur eine Geltendmachung in einem „Verfahren auf Nichtanerkennung“ annimmt; ein solches negatives Anerkennungsfeststellungsverfahren nach Art 21 Abs 3 kommt insbesondere für Entscheidungen in Betracht, die keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben.

Thomas Rauscher

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Art 28 Brüssel IIa-VO 7- 9

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

kann jedoch nach § 15 IntFamRVG iVm §§ 49 ff FamFG einstweilige Anordnungen treffen, um Gefahren von dem Kind abzuwenden und eine Beeinträchtigung der Interessen der Beteiligten zu vermeiden, insbesondere den Aufenthaltsort des Kindes zu sichern. b) Vollstreckung 7 Die Vollstreckungsmaßnahmen unterliegen dagegen dem innerstaatlichen Recht des jeweiligen Vollstreckungsmitgliedstaates.6 Näheres bestimmt Art 47. II.

Sachlicher Anwendungsbereich

1.

Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung

8 a) Nach Abs 1 bezieht sich Art 28 ausdrücklich auf die in einem Mitgliedstaat ergangenen, dort vollstreckbaren Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung für ein gemeinsames Kind. Zweifelsfrei betrifft die Bestimmung (positive und negative) Umgangsregelungen und Herausgabeanordnungen, die der Vollstreckung bedürfen.7 Hingegen wird im deutschen Schrifttum für Entscheidungen über die Zuweisung der elterlichen Sorge mangels eines vollstreckungsfähigen Inhalts die unmittelbare Geltung nach Art 21 angenommen. 8 Dies erscheint auf den ersten Blick in paralleler Wertung zu Art 32 und 38 Brüssel I-VO plausibel, führt jedoch zu Differenzen, wenn ein in einem Mitgliedstaat mit der elterlichen Sorge betrauter Elternteil das Kind (ohne Vollstreckungshilfe dortiger Behörden) aus der Obhut des vorher Sorgeberechtigten in einem anderen Mitgliedstaat ohne dessen Zustimmung in den Mitgliedstaat verbringt, dessen Gerichte ihm das Sorge- oder Aufenhaltsbestimmungsrecht übertragen haben. Eine solche, zB während der Ausübung des Umgangs mögliche, Form des Selbstvollzuges der Sorgerechtsübertragung erscheint nicht hinnehmbar, so dass auch in diesem Fall eine Vollstreckbarerklärung (oder eine förmliche Anerkennung nach Art 21 Abs 3) in dem Mitgliedstaat erforderlich ist, aus dem das Kind verbracht werden soll. 9 9 b) Hinsichtlich von Entscheidungen aus einem Mitgliedstaat verdrängen Art 28 ff das MSA (Art 60 lit a), das KSÜ (Art 61 lit b, auch wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem sonstigen KSÜ-Vertragsstaat hat) und das Luxemburger Europäische Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht etc10 (Art 60 lit d).11

6 7 8 9

10 11

282

Borrás-Bericht Nr 81; Hausmann EuLF 2000/01, 351. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 10. MünchKommZPO /Gottwald Rn 2; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 10. Cass EuLF 2007 II-31, 32 f: Übertragung der elterlichen Sorge in Italien rechtfertigt ohne Vollstreckbarerklärung nicht Abholung des Kindes aus Spanien. Zum Erfordernis der Vollstreckbarerklärung bei einer – in diesem Fall ggf korrespondierend ergehenden – Rückführungsentscheidung: Rn 12. Vom 20.5.1980, BGBl 1990 II 220. Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem Art 28-35 Rn 1.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 2 . Antrag auf Vollstreckbarerklärung

Art 28 Brüssel IIa-VO 10-15

c) Die Möglichkeit, eine Umgangs- oder Herausgabeentscheidung nach Art 40 ff 10 (unmittelbar) zu vollstrecken, schließt die Inanspruchnahme des Verfahrens nach Art 28 ff nicht aus. Der durch den Titel Begünstigte kann zwischen beiden Verfahren wählen (Art 40 Abs 2).12 d) Mit einer nach Art 28 ff vollstreckungsfähigen Entscheidung verbundene Ent- 11 scheidungen über sonstige kindschaftsrechtliche Folgesachen, insbesondere Entscheidungen über den Kindesunterhalt, sind von Art 28 ff nicht erfasst. Sie werden nach den jeweils auf sie anwendbaren im Vollstreckungsmitgliedstaat (im Verhältnis zum Ursprungsmitgliedstaat) geltenden Rechtsinstrumenten vollstreckt,13 für Unterhaltstitel gelten das EuGVÜ, die Brüssel I-VO, ggf das Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen.14 Für die Vollstreckung einer Entscheidung über die Rückführung eines Kindes ist auf- 12 grund der Erweiterung des Anwendungsbereichs der Brüssel IIa-VO nunmehr ebenfalls das Haager Kindesentführungsübereinkommen verdrängt (Art 60 lit e). Rückführungsentscheidungen eines Mitgliedstaates sind nach Art 28 ff zu vollstrecken. e) Öffentliche Urkunden und Prozessvergleiche in Sorgesachen mit vollstre- 13 ckungsfähigem Inhalt, zB vollstreckungsfähige Umgangsvereinbarungen, soweit sie lege causae zugelassen sind, unterliegen Art 28 ff gemäß Art 46. 2.

Kostenentscheidungen (in Ehesachen)

Entscheidungen in Ehesachen (Art 1 Abs 1 lit a) bedürfen in ihren Gestaltungswir- 14 kungen keiner Vollstreckung und sind deshalb in Art 28 nicht erwähnt. Zugehörige Kostenentscheidungen fallen jedoch gemäß Art 49 in den Anwendungsbereich des Kap III (mit Ausnahme des 4. Abschnitts) und damit auch der Vollstreckungsbestimmungen. Art 28 ff sind auf sie – jedenfalls entsprechend – anzuwenden.15 III. Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung

1.

Antrag

Die Vollstreckbarerklärung erfolgt auf Antrag einer berechtigten Partei.16 Berechtigt 15 sind jedenfalls jeder Elternteil und das Kind, sowie sonstige aus der Sorgerechtsentscheidung unmittelbar Berechtigte (zB Großeltern, denen ein Umgangsrecht zugesprochen wurde). Sofern das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates ein Antragsrecht vorsieht, können auch staatliche Stellen (Vormundschaftsbehörde, Staatsanwalt12 13 14 15

16

AnwKommBGB /Andrae Vorbem Art 28-36 Rn 1. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2. Vom 2.10.1973, BGBl 1986 II 826. Hausmann EuLF 2000/01, 351; Wagner IPRax 2001, 79; Thomas/Putzo/Hüßtege Vorbem Art 28-35 Rn 1; MünchKommZPO /Gottwald Rn 4; AnwKommBGB /Andrae Rn 1. Dazu Schulte-Bunert FamRZ 2007, 1608, 1610.

Thomas Rauscher

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Art 28 Brüssel IIa-VO 16-19

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

schaft, Jugendamt) die Vollstreckbarerklärung betreiben.17 Eine nähere autonome Ausgestaltung der Form des Antrags enthalten Art 30, 37, 39. 2.

Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat

16 a) Voraussetzung der Vollstreckbarerklärung ist die Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat. Erforderlich ist wie zu Art 31 Abs 1 EuGVÜ nur die abstrakte Vollstreckbarkeit in formeller Hinsicht, nicht aber das Vorliegen der konkreten Vollstreckungsvoraussetzungen nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates; hierüber entscheidet vielmehr das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates.18 Erforderlich ist damit aber insbesondere, dass Entscheidungen dieser Art im Ursprungsmitgliedstaat generell vollstreckbar sind, was für Umgangsregelungen durchaus nicht zwingend gewährleistet ist. Ein Verbot der Vollstreckung von Umgangsentscheidungen betrifft nicht nur die konkrete Durchführbarkeit einer Vollstreckung, sondern bedeutet eine Grundsatzwertung, die auf die Qualität der Entscheidung durchschlägt, ihr also ggf die Vollstreckbarkeit als solche entzieht. Hingegen ist die ebenso bedeutsame Frage, ob eine Vollstreckung auch Gewaltanwendung gegenüber dem Kind (Wegnahme) erlaubt, eine Frage der Durchführung der Vollstreckung und daher ohnehin dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates überlassen. 17 b) Vorläufige Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ist grundsätzlich genügend.19 Auch Rechtskraft der Entscheidung ist nicht Voraussetzung der Vollstreckbarerklärung. Zu erwägen ist jedoch vor Eintritt der formellen Rechtskraft eine Aussetzung des Verfahrens nach Art 35. 18 c) Der Nachweis der Vollstreckbarkeit wird gemäß Art 37 Abs 1 lit b, 39 für Sorgerechtssachen durch das Formblatt Anhang II Ziff 9.1. erbracht („9.1.1. ja“). Das Formblatt Anhang I für Ehesachen enthält keine Angaben zur Vollstreckbarkeit einer Kostenentscheidung. 3.

Zustellung der Entscheidung

19 a) Im Gegensatz zu Art 38 Abs 1 Brüssel I-VO verzichtet Art 28 nicht auf die vorherige Zustellung der zu vollstreckenden Entscheidung. Der mit Art 38 Abs 1 Brüssel I-VO angestrebte Überraschungseffekt wäre der Vollstreckung von Sorgerechtsentscheidungen nicht angemessen. Der Zustellungsadressat ist nach dem Zweck der Bestimmung autonom zu bestimmen, nicht nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates.20 Sinn der Regelung ist es, demjenigen, gegen den sich die Vollstreckung richten soll, vor Vollstreckbarerklärung die Entscheidung zur Kenntnis zu bringen; der Verpflichtete muss die Möglichkeit haben, die Anordnung freiwillig zu erfüllen. 21 Deshalb 17 18 19 20 21

284

Borrás-Bericht Nr 80; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 3. EuGH Rs C-267/97 Coursier/Fortis Bank SA et al IPRax 2000, 18; AnwKommBGB /Andrae Rn 2. AnwKommBGB /Andrae Rn 2. Zöller /Geimer Rn 4; MünchKommZPO /Gottwald Rn 9; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 21. AnwKommBGB /Andrae Rn 3.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 2 . Antrag auf Vollstreckbarerklärung

Art 28 Brüssel IIa-VO 20-25

bedarf es jedenfalls der Zustellung an diese Person. Die Zustellung erfolgt zwischen den Mitgliedstaaten gemäß der EG-ZustVO 2007).22 b) Eine Nachholung der Zustellung ist ohne weiteres während des Vollstreckbar- 20 erklärungsverfahrens möglich, aber auch noch während eines Rechtsbehelfsverfahrens nach Art 33, sofern dem von der Vollstreckung Betroffenen eine ausreichende Zeit zwischen der Zustellung und der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen bleibt, um der Entscheidung freiwillig nachzukommen. 23 Hingegen ist eine Nachholung nach Abschluss des Vollstreckbarerklärungsverfahrens (analog § 750 Abs 1 ZPO) nicht mehr möglich,24 weil insoweit die autonome Regelung in Abs 1 abschließend ist. Der Nachweis der Zustellung wird gemäß Art 37 Abs 1 lit b, 39 durch das Formblatt 21 Anhang II Ziff 9.2. erbracht („9.2.1. ja“ mit Partei- und Datumsnachweis). 25 Wiederum fehlt es im Formblatt Anhang I für Ehesachen an einer entsprechenden Stelle. 4.

Verfahren im Übrigen – IntFamRVG26

Soweit das Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht in Art 29 ff geregelt ist, bestimmt 22 es sich nach dem innerstaatlichen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates, in Deutschland nach dem am 1.3.2005 in Kraft getretenen IntFamRVG (s Gesetzesanhang). Soweit dort keine speziellen Bestimmungen vorgesehen sind, gelten gemäß § 14 Int- 23 FamRVG in Ehesachen für die Vollstreckbarerklärung die Bestimmungen des FamFG entsprechend; im Übrigen entscheidet das Familiengericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach dem FamFG. Das IntFamRVG enthält spezielle Regelungen zur Zuständigkeit,27 der Antragstel- 24 lung,28 der Verfahrensgestaltung im Hinblick auf die Entscheidung29 und deren Aufhebung oder Änderung30 sowie dem Rechtszug. 31 Zudem regelt das IntFamRVG auch die Verfahrenskosten abweichend von den all- 25 gemeinen Bestimmungen. Auf die Verteilung der Verfahrenskosten ist § 81 FamFG, in Ehesachen § 788 ZPO entsprechend anzuwenden (§ 20 Abs 2 IntFamRVG). Wird 22 23

24 25 26 27 28 29 30 31

Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 5; MünchKommZPO /Gottwald Rn 9; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 20. EuGH Rs C-275/94 Roger van der Linden/Berufsgenossenschaft der Feinmechanik etc EuGHE 1996 I 1393. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 23; aA Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 5. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 5. Dazu Schulte-Bunert FamRZ 2007, 1608, 1612 ff. Dazu Art 29 Rn 5. Dazu Art 30 Rn 2. Dazu Art 31 Rn 2, Art 32 Rn 2 ff. Dazu Art 31 Rn 9. Dazu Art 33 Rn 1 ff, Art 34 Rn 4 ff.

Thomas Rauscher

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Art 28 Brüssel IIa-VO, 26, 27 B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Art 29 Brüssel IIa-VO, 1 Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

ein Antrag auf Vollstreckbarerklärung abgelehnt, gilt in Sorgerechtsverfahren ebenfalls § 81 FamFG, in Ehesachen sind die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen (§ 20 Abs 3 S 2 IntFamRVG). 26 Für die Gerichtskosten gelten die Bestimmungen des FamGKG; die Kostenbestimmungen in §§ 50 ff IntFamRVG wurden mit Wirkung vom 1.9.2009 durch das FGGRG aufgehoben. Für die Erteilung der Vollstreckungsklausel wird einheitlich eine Gebühr von 200 J im ersten Rechtszug erhoben, ebenso für eine Aufhebung oder Änderung (Kostenverzeichnis Nr 1710). Im Rechtsmittelverfahren in der Hauptsache wird eine Gebühr von 300 J erhoben (Kostenverzeichnis Nr 1720). 5.

Vollstreckung im UK (Abs 2)

27 Abs 2 entspricht Art 38 Abs 2 Brüssel I-VO32 und soll den Besonderheiten des innerstaatlichen Rechts im UK Rechnung tragen. 33

Artikel 29

Örtlich zuständiges Gericht (1) Ein Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist bei dem Gericht zu stellen, das in der Liste aufgeführt ist, die jeder Mitgliedstaat der Kommission gemäß Artikel 68 mitteilt. (2) Das örtlich zuständige Gericht wird durch den gewöhnlichen Aufenthalt der Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, oder durch den gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes, auf das sich der Antrag bezieht, bestimmt. Befindet sich keiner der in Unterabsatz 1 angegebenen Orte im Vollstreckungsmitgliedstaat, so wird das örtlich zuständige Gericht durch den Ort der Vollstreckung bestimmt.

I.

Sachliche Zuständigkeit (Abs 1)

1 1. Art 29 entspricht nahezu wortlautidentisch1 Art 22 Abs 1 und 2 Brüssel II-VO; Art 22 Abs 2 Brüssel II-VO (betreffend die Zuständigkeit im Verfahren nach Art 21 Abs 3, vormals Art 14 Abs 3 Brüssel II-VO) wurde zu Art 21 Abs 3 S 2. Wie Art 39 Brüssel I-VO legt die VO im Interesse der Offenkundigkeit für den Rechtssuchenden2 die sachliche und örtliche Zuständigkeit für alle Mitgliedstaaten autonom fest. Mit Rücksicht auf künftige Erweiterungen des Kreises der Mitgliedstaaten wird eine andere Methodik als in der Brüssel II-VO gewählt, wo die Gerichte im Anhang veröffentlicht wurden. Nunmehr erstellt die Kommission auf Mitteilung der Mitgliedstaaten eine Liste (Art 68), die sie im Amtsblatt oder sonst in geeigneter Weise veröffentlicht. 32 33 1

2

286

Vgl Rauscher/Mankowski Art 38 Abs 2 Brüssel I-VO. Borrás-Bericht Nr 81. Eine geringfügige Straffung wird durch die Verwendung des Begriffs „Vollstreckungsmitgliedstaat“ (Art 2 Nr 6) erreicht. Borrás-Bericht Nr 82, etwas emphatisch das Ziel „dem europäischen Bürger das Leben zu erleichtern“ betonend.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 2 . Antrag auf Vollstreckbarerklärung

Art 29 Brüssel IIa-VO 2-5

In Deutschland ist das Familiengericht sachlich zuständig (§ 12 Abs 1 IntFamRVG). II.

Örtliche Zuständigkeit (Abs 2)

1. Die örtliche Zuständigkeit wird alternativ durch den gewöhnlichen Aufenthalt 2 desjenigen bestimmt, gegen den sich die Vollstreckung richtet oder durch den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes (Abs 2 S 1). Subsidiär wird das örtlich zuständige Gericht durch den Ort der Vollstreckung bestimmt, wenn sich keiner der vorgenannten Aufenthaltsorte im Vollstreckungsmitgliedstaat befindet (Abs 2 S 2). Die Person, gegen die sich die Vollstreckung richtet, wird durch die formelle Gegen- 3 position im Vollstreckbarerklärungsverfahren bestimmt. Potentielle Vollstreckungsadressaten sind alle, denen die Entscheidung eine vollstreckungsfähige Verpflichtung auferlegt, mit Ausnahme des Antragstellers. Mit Rücksicht auf den eingeschränkten sachlichen Anwendungsbereich der VO wird es sich zumeist um Fälle der Regelung im Verhältnis zwischen den Ehegatten handeln, so dass ein Vollstreckungsadressat feststeht. Richtet sich jedoch zB der Antrag einer Behörde auf Vollstreckung einer beide Elternteile betreffenden Regelung, so sind beide potentielle Vollstreckungsadressaten. In einem solchen Fall kann der Antrag wahlweise am gewöhnlichen Aufenthalt jedes der Vollstreckungsadressaten gestellt werden, wenn die Entscheidung gegen beide vollstreckt werden soll. 2. Haben ausnahmsweise weder das Kind noch der Vollstreckungsadressat ihren ge- 4 wöhnlichen Aufenthalt im Vollstreckungsmitgliedstaat, so ist als Auffangregel (also subsidiär, nicht alternativ) das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Vollstreckung bewirkt werden soll (Abs 2 S 2). 3. Ausführungsregelungen zur Zuständigkeit finden sich in §§ 12 ff IntFamRVG. 5 § 10 IntFamRVG3 ist nicht auf das Verfahren nach Art 28 ff anzuwenden; dies folgt aus der autonomen Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit in Art 29 und ergibt sich im Übrigen aus dem klaren Wortlaut von § 10 IntFamRVG. Hingegen gilt die Zuständigkeitskonzentration gemäß § 12 IntFamRVG4 nach § 12 Abs 1 auch im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung nach der VO. Es entscheidet also jeweils das Familiengericht am Sitz des OLG, für den Bezirk des KG das FamG Pankow/Weißensee. Anwendbar ist auch die Zuständigkeitskonzentration für andere Familiensachen nach § 13 IntFamRVG.5

3 4 5

Dazu Art 21 Rn 39. Dazu Art 21 Rn 39. Dazu Art 21 Rn 40 f.

Thomas Rauscher

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Art 30 Brüssel IIa-VO 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Artikel 30

Verfahren (1) Für die Stellung des Antrags ist das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats maßgebend. (2) Der Antragsteller hat für die Zustellung im Bezirk des angerufenen Gerichts ein Wahldomizil zu begründen. Ist das Wahldomizil im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht vorgesehen, so hat der Antragsteller einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. (3) Dem Antrag sind die in den Artikeln 37 und 39 aufgeführten Urkunden beizufügen.

I.

Stellung des Antrags (Abs 1)

1 1. Die Bestimmung – ohne inhaltliche Änderungen aus Art 23 Brüssel II-VO übernommen – entspricht mit geringfügigen Änderungen Art 40 Brüssel I-VO.1 Das Verfahren der Vollstreckbarerklärung folgt weitgehend dem Schema des EuGVÜ. 2 Art 30 befasst sich mit der Antragstellung und der sonstigen Vorgehensweise seitens des Antragstellers. Grundsätzlich überlässt Abs 1 die Ausgestaltung der den Antrag betreffenden Bestimmungen der lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaates. Dies betrifft – vorbehaltlich Abs 3 – angesichts der Regelung der materiellen Voraussetzungen in Art 28 Abs 1, 31 die Formalien der Antragstellung, also Form, Inhalt, Sprache und (anwaltliche) Vertretung. 3 2 2.

Die Antragstellung vor deutschen Gerichten bestimmt sich nach § 16 IntFam-

RVG. Die Antragstellung erfolgt schriftlich oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle (§ 16 Abs 2 IntFamRVG). Bei Abfassung in einer fremden Sprache ist der Antrag nicht ohne weiteres unzulässig (§ 184 GVG); das Gericht kann jedoch dem Antragsteller aufgeben, eine Übersetzung mit Bestätigung einer in einem Mitgliedstaat der EU oder des EWR hierzu befugten Person beizubringen (§ 16 Abs 3 IntFamRVG). Eine § 4 Abs 4 AVAG (Titelabschriften) entsprechende Bestimmung enthält § 16 IntFamRVG nicht.

Anwaltszwang besteht auch für ein eine Ehesache betreffendes Kosten-Vollstreckungsverfahren nicht (§ 18 Abs 2 IntFamRVG, abweichend von § 130 Abs 1 FamFG). Für den Antrag auf Vollstreckbarerklärung einer Sorgerechtsentscheidung ergibt sich schon aus den Bestimmungen des FamFG (§ 14 Nr 2 IntFamRVG) kein Anwaltszwang. II.

Wahldomizil/Zustellungsbevollmächtigter des Antragstellers (Abs 2)

3 1. Abs 2 stellt sicher, dass Zustellungen an den Antragsteller im Vollstreckungsmitgliedstaat bewirkt werden können und Zustellungen in das Ausland vermieden werden. Dies erleichtert nicht nur die Mitteilung der Entscheidung an den Antragsteller (Art 32), sondern auch die Gewährung rechtlichen Gehörs aus Anlass der Einlegung eines Rechtsbehelfs durch den Vollstreckungsadressaten. 4 1 2 3 4

288

Vgl Rauscher/Mankowski Art 40 Brüssel I-VO. Borrás-Bericht Nr 85. Borrás-Bericht Nr 85. Borrás-Bericht Nr 86.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 2 . Antrag auf Vollstreckbarerklärung

Art 30 Brüssel IIa-VO, 4-6 Art 31 Brüssel IIa-VO

2. Zu diesem Zweck muss der Antragsteller nach dem Recht des Vollstreckungsmit- 4 gliedstaates5 dort ein Wahldomizil begründen (Abs 2 S 1). Sieht das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates, wie das deutsche Recht, dies nicht vor, so muss der Antragsteller einen Zustellungsbevollmächtigten im Vollstreckungsmitgliedstaat benennen (Abs 2 S 2). Vor deutschen Gerichten ist hierauf § 184 Abs 1 ZPO anzuwenden (§ 17 Abs 1 IntFamRVG). Der Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten bedarf es nicht, wenn der Antragsteller einen Verfahrensbevollmächtigten bestellt hat (§ 17 Abs 2 IntFamRVG). 3. Die Folgen der Verletzung dieser Verpflichtung sind nicht autonom geregelt; sie 5 bestimmen sich nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates. Vor deutschen Gerichten gilt § 17 Abs 1 IntFamRVG. Bis zur nachträglichen Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten können alle Zustellungen durch Aufgabe zur Post (§ 184 Abs 1 S 2, Abs 2 ZPO) bewirkt werden. Eine Zustellung im Ausland nach der EGZustellVO-a (VO (EG) Nr 1393/2007) bleibt jedoch möglich.6 III. Beizufügende Urkunden (Abs 3)

Abs 3 beschreibt autonom, welche Urkunden dem Antrag zum Nachweis der Aner- 6 kennungs- und Vollstreckungsvoraussetzungen beizufügen sind. Die Urkunden sind im Einzelnen in Art 37 und 39 aufgeführt.7 Die Vorlage der Urkunden kann im Rahmen von Art 38 nachgeholt werden.8 Die Folgen der Nichtvorlage ergeben sich nicht nach der lex fori, sondern autonom aus Art 38.9 Das Gericht kann insbesondere den Antrag als unzulässig abweisen, aber auch von der Vorlage einzelner Urkunden absehen oder sich mit anderen Nachweisen zufriedengeben.10

Artikel 31

Entscheidung des Gerichts (1) Das mit dem Antrag befasste Gericht erlässt seine Entscheidung ohne Verzug und ohne dass die Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, noch das Kind in diesem Abschnitt des Verfahrens Gelegenheit erhalten, eine Erklärung abzugeben. (2) Der Antrag darf nur aus einem der in den Artikeln 22, 23 und 24 aufgeführten Gründe abgelehnt werden. (3) Die Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.

5 6 7 8 9 10

EuGH Rs 198/85 Carron/Bundesrepublik Deutschland EuGHE 1986, 2437. AnwKommBGB /Gruber Rn 4. Vgl insbesondere Art 37 Rn 6 ff. Dazu Art 38 Rn 3 f. Borrás-Bericht Nr 87, 107. Borrás-Bericht Nr 107; vgl Art 38 Rn 5 ff.

Thomas Rauscher

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Art 31 Brüssel IIa-VO 1-3

I.

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Einseitiges, beschleunigtes Verfahren

1 1. Die Bestimmung – mit einer nicht unbedeutenden Änderung zum Gehör des Kindes aus Art 24 Brüssel II-VO übernommen – regelt die Verfahrensführung und die Prüfung der Entscheidung durch das Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaates. Sie entspricht Art 34 EuGVÜ und übernimmt damit nicht das Modell des Art 41 Brüssel I-VO, das die Prüfung der Anerkennungsversagungsgründe auf das Rechtsbehelfsverfahren verlagert. Das ist der Besonderheit von Sorgerechtsentscheidungen geschuldet, bei denen ein Überraschungseffekt nicht anstrebenswert ist und letztlich im Interesse des Kindeswohls eine angemessene Anerkennungsprüfung der Vollstreckung vorangehen muss. Dann aber ist es fraglich, warum Abs 1 das Verfahren im Übrigen ohne rechtliches Gehör des Vollstreckungsadressaten und in der Neufassung durch die Brüssel IIa-VO sogar ohne Gehör des Kindes gestaltet, damit einen Rechtsbehelf nach Art 33 im Interesse des Kindeswohls de facto zur Regel macht und das familiengerichtliche Verfahren als bloße Durchlaufstation entwertet. Einen eher fragwürdigen Sinn wird man darin zu sehen haben, dass ein Instanzenzug gewährt wird, um rechtsstaatlicher Kritik vorzubeugen, dieser aber durch Abkürzung der ersten Instanz verkürzt wird, um Verzögerungen entgegenzutreten.1 2 2. Das Verfahren ist gleichwohl in erster Instanz strikt einseitig gestaltet. Der Vollstreckungsadressat und das Kind werden nicht, auch nicht in Ausnahmefällen,2 gehört (Abs 1). Nur der Antragsteller erhält Gelegenheit sich zu äußern (§ 18 Abs 1 IntFamRVG), weshalb auch keine mündliche Verhandlung (§ 18 Abs 1 S 2 IntFamRVG), ggf aber eine mündliche Erörterung mit dem Antragsteller oder seinem Bevollmächtigten (§ 18 Abs 1 S 3 IntFamRVG) stattfindet. Der Anspruch des Vollstreckungsadressaten und des Kindes auf rechtliches Gehör soll dadurch gewahrt werden, dass ein Rechtsbehelf nach Art 33 Abs 1 eingelegt und dadurch ein streitiges Verfahren mit beiderseitigem rechtlichem Gehör erzwungen werden kann. Das setzt voraus, dass die nachfolgende Androhung und Festsetzung der nach § 44 IntFamRVG zu verhängenden Ordnungsmittel dem Vollstreckungsadressaten genügend Zeit für die Einleitung dieses Verfahrens gibt. 3 3 3. Überdies enthält Abs 1 ein an das Gericht gerichtetes Beschleunigungsgebot; die Entscheidung ergeht „ohne Verzug“. Auf die Benennung einer Frist hierfür wurde verzichtet, weil eine solche Frist für Gerichte unüblich ist und es an Sanktionen fehlen würde. Die Aufforderung zur Unverzüglichkeit soll jedoch verdeutlichen, dass das Exequatur auf der Grundlage des Vertrauens in die korrekte Anwendung der VO durch das Gericht des Ursprungsmitgliedstaates zu ergehen hat.4

1

2 3 4

290

Vgl Staudinger/Pirrung (2009) Vorbem Art 19 EGBGB Rn C 143, „verfassungsrechtlich ... letztlich wohl noch vertretbar“. Borrás-Bericht Nr 88. Zur Wirksamkeit der Vollstreckbarerklärung unten Rn 8. Borrás-Bericht Nr 88.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 2 . Antrag auf Vollstreckbarerklärung

II.

Art 31 Brüssel IIa-VO 4-7

Prüfungsumfang (Abs 2), keine révision au fond (Abs 3)

1. Abs 2 beschreibt den materiellen Prüfungsumfang im Exequaturverfahren. Ge- 4 messen an Art 41 Brüssel I-VO liegt die entscheidende Bedeutung nicht im Verbot der über Art 22, 23 und 24 hinausweisenden Prüfung, sondern in der Beibehaltung der Anerkennungsprüfung. Die Vollstreckungsklausel darf also (nur) aus Gründen versagt werden, die zur Versagung der Anerkennung der Entscheidung führen können, insbesondere, wenn Anerkennungsversagungsgründe nach Art 22 (Kostenentscheidung in Ehesachen) oder Art 23 (Sorgerechtssachen) vorliegen. Auf Zuständigkeitsmängel kann die Versagung, da Art 16 Brüssel II-VO entfallen ist, dem Wortlaut nach gemäß Art 24 gestützt werden, aus dem sich aber kein Anerkennungsversagungsgrund ergibt.5 Eine Nachprüfung in der Sache findet, wie schon Art 26 für die Anerkennung festlegt, nicht statt (Abs 3). 2. Da der Vollstreckungsadressat und das Kind nicht gehört werden, kommt nur 5 die Berücksichtigung solcher Anerkennungsversagungsgründe in Betracht, die zur Überzeugung des Gerichts feststehen. Eine Einschränkung auf Gründe, die im staatlichen Interesse liegen, findet nicht statt.6 Weder die einseitige Struktur noch das Beschleunigungsgebot hindern allerdings das Gericht im Einzelfall, im Wege des Freibeweises Hinweisen auf Anerkennungsversagungsgründe nachzugehen, insbesondere, wenn sich solche Hinweise aus einer Schutzschrift des Vollstreckungsadressaten, des Kindes oder einer Stellungnahme des Jugendamtes ergeben. Im Zweifel sollte allerdings, um den Beschleunigungszweck nicht zu gefährden, die Vollstreckungsklausel erteilt, die Prüfung auf das Rechtsbehelfsverfahren verlagert und zunächst mit Rücksicht auf das Kindeswohl Zurückhaltung bei den Vollstreckungsmaßnahmen geübt werden. 3. Der formelle Prüfungsumfang ist durch Abs 2 nicht berührt. Das Gericht prüft 6 also von Amts wegen die Anwendbarkeit der VO an sich, das Vorliegen einer den Voraussetzungen des Art 2 Nr 4 entsprechenden Entscheidung, deren Zustellung und Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat (Art 28), den Antrag (Art 30), insbesondere die Antragsberechtigung sowie die Nachweise nach Art 30 Abs 3 und Art 37, 39 sowie seine Zuständigkeit (Art 29).7 III. Erlass und Wirksamkeit der Entscheidung

1. Die Ausgestaltung der Entscheidung bestimmt sich nach der lex fori. In Deutsch- 7 land erfolgt die Vollstreckbarerklärung durch einen in der Regel keiner weiteren Begründung als des Hinweises auf die VO bedürftigen Beschluss und die vorgelegten Urkunden (§ 20 Abs 1 IntFamRVG). Auf Grund des Beschlusses erteilt der Urkunds5

6

7

Dieses schon in Art 24 Abs 2 Brüssel II-VO enthaltene Redaktionsversehen ist offenbar wegen einer rein schematischen Anpassung der Verweisungen nicht aufgefallen. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 7; aA Zöller /Geimer Rn 1 ohne Rücksicht auf die Besonderheit des Verfahrensgegenstandes. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 3; AnwKommBGB /Andrae Rn 3.

Thomas Rauscher

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Art 31 Brüssel IIa-VO, 8, 9 Art 32 Brüssel IIa-VO, 1, 2

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

beamte der Geschäftsstelle die Vollstreckungsklausel in Form des § 23 Abs 1 IntFamRVG mit der dort genannten Maßgabe zum Wortlaut. Ein ablehnender Beschluss ist zu begründen (§ 20 Abs 3 IntFamRVG). 8 2. Der Beschluss nach § 20 IntFamRVG wird erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft wirksam (§ 22 IntFamRVG), also nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs nach Art 33 oder nach dessen rechtskräftiger Erledigung. Nach Einlegung der Beschwerde nach Art 33 kann das OLG (Art 33, 68; § 24 Abs 1 IntFamRVG) die sofortige Wirksamkeit anordnen (§ 27 IntFamRVG), nach Einlegung der Rechtsbeschwerde (Art 34, 68 § 28 IntFamRVG) kann der BGH auf Antrag eine solche Anordnung aufheben oder sie erstmals treffen (§ 31 IntFamRVG). 9 Wird die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat aufgehoben oder abgeändert, so kann die verpflichtete Person dies im Vollstreckbarerklärungsverfahren nur bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss geltend machen. Sodann gilt § 34 IntFamRVG. Die Vollstreckbarerklärung wird auf Antrag durch das die Vollstreckungsklausel erteilende Familiengericht geändert oder aufgehoben. Im Fall eines Titels über die Erstattung von Verfahrenskosten gelten für die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln die §§ 769, 770 ZPO entsprechend, wobei die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel auch ohne Sicherheitsleistung zulässig ist (§ 34 Abs 5 IntFamRVG).

Artikel 32

Mitteilung der Entscheidung Die über den Antrag ergangene Entscheidung wird dem Antragsteller vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle unverzüglich in der Form mitgeteilt, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht.

I.

Mitteilung an den Antragsteller

1 1. Die Bestimmung – inhaltsgleich aus Art 25 Brüssel II-VO übernommen – regelt entsprechend Art 42 Abs 1 Brüssel I-VO die Mitteilung an den Antragsteller. Die Mitteilung erfolgt nach den Bestimmungen des Vollstreckungsmitgliedstaates, jedoch ist der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle autonom als das zuständige Organ bezeichnet. Insoweit entfaltet die Verpflichtung zur Begründung eines Wahldomizils bzw Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten (Art 30 Abs 2) Wirkung, weil die Mitteilung im Vollstreckungsmitgliedstaat erfolgen kann.1 2 2. Bei Vollstreckbarerklärung in Deutschland ist im Fall eines stattgebenden Beschlusses (§ 20 Abs 1 IntFamRVG) dem Antragsteller die mit der Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung erst dann zu übersenden, wenn der Klauselerteilungs-

1

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Borrás-Bericht Nr 90.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 2 . Antrag auf Vollstreckbarerklärung

Art 32 Brüssel IIa-VO, 3-5 Art 33 Brüssel IIa-VO

beschluss wirksam geworden ist (§ 21 Abs 2 S 2 IntFamRVG).2 Im Übrigen ist der Beschluss dem Antragsteller in beglaubigter Abschrift (§ 21 Abs 2 S 1 IntFamRVG) zu übersenden. II.

Mitteilung an den Vollstreckungsadressaten

1. Anders als Art 42 Abs 2 Brüssel I-VO enthält die VO keine Bestimmungen über 3 die Mitteilung an den Vollstreckungsadressaten. Die Mitteilung erfolgt daher lege fori. 2. Bei Erteilung der Vollstreckungsklausel in Deutschland sind im Fall eines statt- 4 gebenden Beschlusses eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses sowie eine beglaubigte Abschrift des noch nicht mit der Klausel versehenen Titels, ggf eine Übersetzung, sowie die in Bezug genommenen (§ 20 Abs 1 S 3 IntFamRVG), gemäß Art 30 Abs 3 mit dem Antrag vorzulegenden Urkunden von Amts wegen zuzustellen (§ 21 Abs 1 S 1 IntFamRVG). Ein ablehnender Beschluss ist formlos mitzuteilen (§ 21 Abs 1 S 2 IntFamRVG). III. Weitere Zustellungsempfänger

§ 21 Abs 3 IntFamRVG erweitert bei Vollstreckbarerklärung in Deutschland den Kreis 5 der Zustellungsadressaten. Außer dem Antragsteller und dem Vollstreckungsadressaten ist die Entscheidung nach Art 31 auch an den gesetzlichen Vertreter des Kindes, an den Verfahrensvertreter des Kindes, an das mindestens 14 Jahre alte Kind selbst, an einen im Verfahren formell nicht beteiligten Elternteil sowie an das Jugendamt zuzustellen. Erforderlich ist jeweils eine förmliche Zustellung. Handelt es sich bei der für vollstreckbar erklärten Maßnahme um eine Unterbringung, so ist auch an den Leiter der Einrichtung oder die Pflegefamilie zuzustellen (§ 21 Abs 4 IntFamRVG).

Artikel 33

Rechtsbehelf (1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann jede Partei einen Rechtsbehelf einlegen. (2) Der Rechtsbehelf wird bei dem Gericht eingelegt, das in der Liste aufgeführt ist, die jeder Mitgliedstaat der Kommission gemäß Artikel 68 mitteilt. (3) Über den Rechtsbehelf wird nach den Vorschriften entschieden, die für Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör maßgebend sind. (4) Wird der Rechtsbehelf von der Person eingelegt, die den Antrag auf Vollstreckbarerklärung gestellt hat, so wird die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, aufgefordert, sich auf das Verfahren einzulassen, das bei dem mit dem Rechtsbehelf befassten Gericht anhängig ist. Lässt sich die betreffende Person auf das Verfahren nicht ein, so gelten die Bestimmungen des Artikels 18.

2

Dazu Art 31 Rn 8.

Thomas Rauscher

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Art 33 Brüssel IIa-VO 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

(5) Der Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung ist innerhalb eines Monats nach ihrer Zustellung einzulegen. Hat die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Vollstreckbarerklärung erteilt worden ist, so beträgt die Frist für den Rechtsbehelf zwei Monate und beginnt mit dem Tag, an dem die Vollstreckbarerklärung ihr entweder persönlich oder in ihrer Wohnung zugestellt worden ist. Eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ist ausgeschlossen. I. Rechtsbehelf gegen die Entscheidung (Abs 1), Zuständigkeit (Abs 2) 1. Rechtsbehelf (Beschwerde) . . . . . . . . . . 2. Beschwerdeberechtigung . . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Kontradiktorisches Verfahren (Abs 3, 4)

1 2 5

II. Frist (Abs 5), Einlegung

der Beschwerde 1. Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1. Rechtliches Gehör für beide Parteien (Abs 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufforderung an den Zustellungsadressaten (Abs 4) . . . . . . .

15 16

IV. Entscheidung

6 13

1. Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Neu entstandene Einwendungen . . . . 3. Wirksamwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

Rechtsbehelf gegen die Entscheidung (Abs 1), Zuständigkeit (Abs 2)

1.

Rechtsbehelf (Beschwerde)

20 21 22

1 Die Bestimmung – inhaltlich identisch mit Art 26 Brüssel II-VO – orientiert sich weitgehend an Art 43 Brüssel I-VO. Sie fasst die Rechtsbehelfe beider Parteien gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung (Art 31) zusammen, die Bestimmung gilt also sowohl für stattgebende als auch für ablehnende Entscheidungen. Der autonom nicht näher bezeichnete Rechtsbehelf gegen die Erteilung der Vollstreckbarerklärung, der durch die einzelnen Mitgliedstaaten zusammen mit dem zuständigen Gericht im Listenverfahren nach Art 68 bezeichnet wird, ist nach Abs 5 befristet. Der Rechtsbehelf gegen ihre Versagung ist unbefristet. Vor deutschen Gerichten ist der Rechtsbehelf die befristete bzw unbefristete Beschwerde gemäß §§ 24 ff IntFamRVG. 2.

Beschwerdeberechtigung

2 a) Beschwerdeberechtigt ist jede Partei, wobei implizit vorausgesetzt ist, dass nur eine durch die Entscheidung beschwerte Partei berechtigt ist. Dies ist jedenfalls bei Verweigerung der Vollstreckbarerklärung der Antragsteller, bei Erteilung der Vollstreckungsadressat. 3 b) Fraglich ist, ob auch das Kind oder eine im Vollstreckungsmitgliedstaat zuständige Behörde Partei iSd Abs 1 und damit rechtsmittelbefugt sein kann. Hierfür wird verbreitet die Übereinstimmung der Auslegung des Kreises der Beschwerdeberechtig-

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 2 . Antrag auf Vollstreckbarerklärung

Art 33 Brüssel IIa-VO 4- 8

ten mit dem der Antragsberechtigten angeführt.1 Das trifft das Problem nicht völlig, denn die Beschwerdeberechtigung des Kindes oder der Behörde, die den Antrag gestellt haben, besteht bei Antragsabweisung zweifelsfrei aufgrund der formellen Beteiligung in erster Instanz. Mit Rücksicht auf die materielle Betroffenheit ist jedoch die Beschwerdeberechtigung des Kindes auch dann, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens in erster Instanz, – mit der vorgenannten Ansicht – zu bejahen, wenn es nicht Antragsteller war. 2 Dies muss umso mehr gelten, als dem Kind nun nach ausdrücklicher Fassung des Art 31 Abs 1 in erster Instanz kein Gehör gewährt wird. Die Beschwerdebefugnis einer antragsbefugten Behörde, die den Antrag nicht selbst 4 gestellt hatte, lässt sich hingegen nicht mit Hinweis auf die potentielle Antragsberechtigung bejahen. 3 Im Fall der Erteilung der Vollstreckbarerklärung würde sich zudem mangels Zustellung an die Behörde ein nicht hinnehmbares unbefristetes Beschwerderecht ergeben. 3.

Zuständigkeit

Die Zuständigkeit regelt Abs 2 autonom. Zuständig ist das in der Liste nach Art 68 5 bezeichnete Gericht, in Deutschland das (dem erstinstanzlich entscheidenden FamG übergeordnete) OLG (§ 24 Abs 1 IntFamRVG). Es entscheidet der Familiensenat, nicht der Einzelrichter; § 26 Abs 1 IntFamRVG spricht ausdrücklich von der Entscheidung durch den Senat. II.

Frist (Abs 5), Einlegung der Beschwerde

1.

Frist

a) Die Beschwerde gegen die Vollstreckbarerklärung ist nach Abs 5 befristet. Vor 6 deutschen Gerichten gilt § 24 Abs 3 IntFamRVG, die Frist beträgt einen bzw zwei Monate nach Zustellung bei gewöhnlichem Aufenthalt des Antragstellers im Inland bzw im Ausland. Die Fristen berechnen sich nach §§ 16 Abs 2 FamFG, 222 ZPO, 187 BGB. b) Die nach Abs 5 befristete Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustel- 7 lung (in Deutschland Notfrist, § 24 Abs 4 IntFamRVG) an den Beschwerdeführer einzulegen, wenn dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Vollstreckungsmitgliedstaat hat (Abs 5 S 1, § 24 Abs 3 Nr 1 IntFamRVG). c) Hat der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen 8 Mitgliedstaat (der VO, nicht der EU), so beträgt die Frist zwei Monate. Die Frist beginnt in diesem Fall – insoweit ist die Fassung in Abs 5 S 2 sprachlich eindeutiger als die in § 24 Abs 3 Nr 2 IntFamRVG – erst mit dem Tag, an dem die Vollstreckbarerklä1

2 3

Wagner IPRax 2001, 80; Hub NJW 2001, 3148; vgl Art 28 Rn 15; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1; Zöller /Geimer Rn 2; MünchKommZPO /Gottwald Rn 3. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 5; AnwKommBGB /Andrae Rn 3. IE wie hier Geimer/Schütze/Paraschas Rn 5.

Thomas Rauscher

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Art 33 Brüssel IIa-VO 9-14

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

rung der Partei persönlich oder (auch im Wege der Ersatzzustellung) in ihrer Wohnung zugestellt wurde (Abs 5 S 2). Die Zustellung hat in diesem Fall gemäß EG-ZustVO 2007 zu erfolgen. Eine andere Form der Bekanntgabe oder Zustellung löst die Rechtsbehelfsfrist nicht aus, der Rechtsbehelf ist dann mangels einer absoluten Frist unbefristet zulässig. 4 Eine Verlängerung der Frist ist nicht möglich, auch nicht im Fall weiter Entfernung (Abs 5 S 3, § 24 Abs 3 S 3 IntFamRVG). 9 d) Hat der Beschwerdeführer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat (einschließlich Dänemark), so würde das Verbot der Verlängerung nach Abs 5 S 3 nicht autonom zwingend eingreifen. Durch § 24 IntFamRVG wurde das an die Verhältnisse in Europa und in sonstigen Drittstaaten angepasste System nach § 50 Abs 2 S 4 AVAG aF5 durch eine einfache,6 aber nicht angemessene einheitliche Regelung ersetzt: Die nicht verlängerbare Zweimonatsfrist gilt für den Beschwerdeberechtigten bei Aufenthalt im Ausland, einerlei, ob es sich um einen Mitgliedstaat, einen EWRStaat oder Drittstaat handelt. Eine Fristverlängerung ist nicht möglich. 10 Die fristauslösende Zustellung unterliegt den zwischen dem Vollstreckungsmitgliedstaat und dem Aufenthaltsstaat geltenden völkervertraglichen Bestimmungen, insbesondere dem HZÜ, sonst dem autonomen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates, der die Zustellung veranlasst. 11 e) Für das Kind als Beschwerdeführer gelten dieselben Fristen vorbehaltlich wirksamer Zustellung, die vor deutschen Gerichten gemäß § 21 Abs 3 IntFamRVG zu erfolgen hat. Mangels Zustellung ist die Beschwerde des Kindes gegen die Erteilung der Vollstreckbarerklärung unbefristet. 12 f) Die Beschwerde gegen die Versagung der Vollstreckbarerklärung ist nach Art 33 unbefristet;7 seit dem 1.9.2009 dürfte gemäß § 14 IntFamRVG die neu geschaffene Befristung nach § 63 Abs 1 FamFG eingreifen, es sei denn, man betrachtet Art 33 auch bezüglich der Nichtregelung als abschließend; Art 33 dürfte jedoch nur für die dort ausdrücklich bezeichnete Beschwerde gegen die Vollstreckbarerklärung als abschließende autonome Regelung der Beschwerdefrist zu verstehen sein, so dass im Übrigen die lex fori gilt. 2.

Einlegung

13 Die Einlegung des Rechtsbehelfs ist im Übrigen nicht autonom geregelt; sie bestimmt sich nach dem Verfahrensrecht des Vollstreckungsmitgliedstaates. 14 In Deutschland ist die Beschwerde beim OLG (Beschwerdegericht) durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen (§ 24 Abs 1 4 5 6 7

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Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 9. Dazu 1. Auflage Rn 8. Vgl BT-Drs 15/3981, 25. Wagner IPRax 2001, 80.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 2 . Antrag auf Vollstreckbarerklärung

Art 33 Brüssel IIa-VO 15-19

S 2 IntFamRVG). Es besteht kein Anwaltszwang (§ 161 Abs 4 FamFG e contrario). Die Zulässigkeit der Beschwerde wird nicht dadurch berührt, dass sie beim Gericht des ersten Rechtszugs eingelegt wird (§ 24 Abs 2 IntFamRVG); diese Einlegung ist fristwahrend. III. Kontradiktorisches Verfahren (Abs 3, 4)

1.

Rechtliches Gehör für beide Parteien (Abs 3)

Der Rechtsbehelf nach Art 33 kompensiert die Einseitigkeit des Verfahrens nach 15 Art 31. Deshalb ist neben dem Antragsteller insbesondere auch dem Vollstreckungsadressaten rechtliches Gehör zu gewähren und autonom zwingend in einem kontradiktorischen Verfahren zu entscheiden (Abs 3). Dass auch dem Kind rechtliches Gehör zu geben ist, bestimmt Abs 3 nicht ausdrücklich; insoweit überlässt die VO im Einklang mit Erwägungsgrund Nr 19 die Ausgestaltung der lex fori. Jedenfalls gilt die Suspendierung des rechtlichen Gehörs des Kindes aus Art 31 Abs 1 nicht für das Rechtsbehelfsverfahren. Die weitere Ausgestaltung dieses Verfahrens überlässt Abs 3 dem innerstaatlichen Recht, es ist also nicht zwingend ein streitiges Verfahren oder eine mündliche Verhandlung vorgesehen.8 2.

Aufforderung an den Zustellungsadressaten (Abs 4)

a) Abs 4 weicht im Wortlaut von Art 43 Abs 4 Brüssel I-VO ab, trifft aber in der 16 Sache dieselbe Regelung. Ist der Rechtsbehelf durch den Antragsteller eingelegt, also erstinstanzlich die Vollstreckbarerklärung nicht wie beantragt bewilligt worden, so fehlt es im gesamten bisherigen Verfahren an einer Beteiligungsmöglichkeit des Vollstreckungsadressaten. Deshalb ist diese Partei durch das Rechtsbehelfsgericht aufzufordern, sich auf das Verfahren einzulassen (Abs 4 S 1), um ihr rechtliches Gehör in einer Tatsacheninstanz zu gewähren. 9 Hingegen ist im Fall der Erteilung der Vollstreckbarerklärung bereits durch die Zustel- 17 lung sichergestellt, dass der Vollstreckungsadressat Kenntnis erlangt und in die Lage versetzt wird, das Rechtsbehelfsverfahren einzuleiten. Abs 4 ist entsprechend anzuwenden, wenn die Erteilung abgelehnt wurde, hiergegen 18 jedoch nicht der Antragsteller, sondern das Kind Beschwerde einlegt, denn die Interessenlage auf Seiten des Vollstreckungsadressaten ist hier keine andere. b) Bei Nichteinlassung des Vollstreckungsadressaten ist nach dem Modell des 19 Art 18 zu verfahren, also wie im Fall der Nichteinlassung im Erkenntnisverfahren. Das Verfahren ist nach Art 18 Abs 1 bzw den entsprechenden in Art 18 Abs 2, 3 verwiesenen Bestimmungen auszusetzen, um die erforderlichen Feststellungen zu treffen, dass dem Vollstreckungsadressaten in gehöriger Weise die Aufforderung nach Abs 4 8 9

Borrás-Bericht Nr 92. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 4.

Thomas Rauscher

297

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Art 33 Brüssel IIa-VO, 20-22 B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Art 34 Brüssel IIa-VO Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

S 110 einschließlich des Antrags und der zur Verteidigung notwendigen Urkunden,11 insbesondere der zu vollstreckenden Entscheidung, zugestellt wurde. IV.

Entscheidung

1.

Prüfungsumfang

20 Es sind unabhängig von einer Rüge des Beschwerdeführers die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung und der Anerkennung der Entscheidung im selben Umfang zu prüfen, wie im erstinstanzlichen Verfahren (Art 31). Die zulässige Beschwerde des Antragstellers oder des die Vollstreckung erstrebenden Kindes ist also erfolgreich, wenn die Anerkennungs- und Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, die des Vollstreckungsadressaten oder des die Vollstreckung bekämpfenden Kindes, wenn es an einer der Voraussetzungen fehlt.12 2.

Neu entstandene Einwendungen

21 Die Behandlung von Einwendungen, die nach Erlass der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat entstanden sind, ist nicht autonom geregelt. Im deutschen Verfahren können nachträglich entstandene Einwendungen gegen den Anspruch selbst im Beschwerdeverfahren nur geltend gemacht werden, soweit Gegenstand ein Titel über die Erstattung von Verfahrenskosten ist (§ 25 IntFamRVG). 3.

Wirksamwerden

22 Der Beschluss wird erst mit seiner Rechtskraft wirksam, worauf im Beschluss hinzuweisen ist (§ 27 Abs 1 IntFamRVG). Das OLG kann jedoch in Verbindung mit der Entscheidung über die Beschwerde die sofortige Wirksamkeit anordnen (§ 27 Abs 2 IntFamRVG).

Artikel 34

Für den Rechtsbehelf zuständiges Gericht und Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsbehelf Die Entscheidung, die über den Rechtsbehelf ergangen ist, kann nur im Wege der Verfahren angefochten werden, die in der Liste genannt sind, die jeder Mitgliedstaat der Kommission gemäß Artikel 68 mitteilt.

10 11 12

298

MünchKommZPO /Gottwald Rn 7. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 4. Vgl Art 31 Rn 4 ff; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 11.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 2 . Antrag auf Vollstreckbarerklärung

I.

Art 34 Brüssel IIa-VO 1- 4

Autonome Festlegung der weiteren Rechtsbehelfe

1. Wie Art 44 Brüssel I-VO legt die – inhaltsgleich aus Art 27 Brüssel II-VO über- 1 nommene – Bestimmung abschließend die gegen die Rechtsbehelfsentscheidung nach Art 33 statthaften weiteren Rechtsbehelfe autonom fest. Sie finden nur nach Maßgabe der Bestimmung der Mitgliedstaaten im Listenverfahren nach Art 68 statt. Entgegen der Überschrift ist das zuständige Gericht nicht autonom bestimmt, dieses bezeichnet das jeweilige nationale Recht.1 Auch die weitere Ausgestaltung obliegt grundsätzlich der lex fori, soweit nicht – auch in Anlehnung an die Rechtsprechung zu Art 37 Abs 2 EuGVÜ – autonome Grundsätze herzuleiten sind. 2. Der Rechtsbehelf ist nur gegen Endentscheidungen iSd Art 33 zulässig. Zwi- 2 schenentscheidungen, verfahrensleitende Entscheidungen und die Aussetzung bzw Nichtaussetzung2 nach Art 35 können nicht mit dem Rechtsbehelf angegriffen werden.3 Fraglich ist, ob sich in Anlehnung an die Rechtsprechung zu Art 37 Abs 2 EuGVÜ4 eine Beschränkung der Rechtsmittelbefugnis auf die formell Beteiligten des Rechtsbehelfsverfahrens nach Art 33 herleiten lässt. Eine solche Beschränkung ist angesichts der materiellen Bestimmung der Betroffenheit in Sorgerechtssachen nicht zwingend, so dass das weitere Rechtsmittel im selben Umfang wie der Rechtsbehelf5 insbesondere dem nicht formell beteiligten Kind offenstehen muss. Zweifelhaft ist aber, ob einer im Interesse des Kindeswohls tätigen Behörde6 die weitere Rechtsbehelfsbefugnis eingeräumt werden kann, wenn der Behörde die Rechtsbehelfsentscheidung nicht zuzustellen ist und der weitere Rechtsbehelf fristgebunden ist.7 II.

Rechtsbeschwerde

1. Im deutschen Vollstreckbarerklärungsverfahren findet die Rechtsbeschwerde 3 statt. Es gelten §§ 28 bis 31 IntFamRVG, § 574 Abs 1 Nr 1, Abs 2 ZPO. Im Gegensatz zu der Verweisung in § 14 IntFamRVG, die nach dem FGG-RG nunmehr auf die Bestimmungen des FamFG gerichtet ist, wurden die ausdrücklichen Bezugnahmen der §§ 28 ff IntFamRVG auf die ZPO durch das FGG-RG nicht geändert. Über die Rechtsbeschwerde entscheidet der BGH (§ 28 IntFamRVG). Einer Zulassung 4 durch das OLG bedarf es nicht, weil die Rechtsbeschwerde kraft Gesetzes (Art 34, § 28 IntFamRVG) zulässig ist (§ 574 Abs 1 Nr 1 ZPO).

1 2 3 4 5 6 7

MünchKommZPO /Gottwald Rn 2. EuGH Rs C-432/93 Sisro/Ampersand Software BV EuGHE 1995, 2269. AnwKommBGB /Andrae Rn 1. EuGH Rs C-172/91 Volker Sonntag/Hans Waidmann et al EuGHE 1993, 1963. Dazu Art 33 Rn 3. AnwKommBGB /Andrae Rn 2. Vgl dazu Art 33 Rn 4.

Thomas Rauscher

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Art 34 Brüssel IIa-VO, 5, 6 Art 35 Brüssel IIa-VO, 1, 2

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

5 2. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 575 Abs 1 bis 4 ZPO einzulegen (§ 29 IntFamRVG).8 Wird die Abweichung von einer Entscheidung des EuGH gerügt, so ist dies zu bezeichnen (§ 29 S 2 IntFamRVG). 6 Der Prüfungsumfang ergibt sich aus § 30 Abs 1 IntFamRVG, umfasst also neben Bundesrecht das Recht der EG einschließlich der VO. Die örtliche Zuständigkeit wird im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geprüft (§ 30 Abs 1 S 2 IntFamRVG). Die internationale Zuständigkeit wird kaum ein Problem darstellen, da für die Vollstreckbarerklärung in Deutschland deutsche Gerichte immer zuständig sind.

Artikel 35

Aussetzung des Verfahrens (1) Das nach Artikel 33 oder Artikel 34 mit dem Rechtsbehelf befasste Gericht kann auf Antrag der Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, das Verfahren aussetzen, wenn im Ursprungsmitgliedstaat ein ordentlicher Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt wurde oder die Frist für einen solchen Rechtsbehelf noch nicht verstrichen ist. In letzterem Fall kann das Gericht eine Frist bestimmen, innerhalb deren der Rechtsbehelf einzulegen ist. (2) Ist die Entscheidung in Irland oder im Vereinigten Königreich ergangen, so gilt jeder im Ursprungsmitgliedstaat statthafte Rechtsbehelf als ordentlicher Rechtsbehelf im Sinne des Absatzes 1.

I.

Anwendbarkeit nur im Rechtsbehelfsverfahren

1 Wie Art 46 Brüssel I-VO erlaubt die – außer den verwiesenen Artikelbezeichnungen wörtlich aus Art 28 Brüssel II-VO übernommene – Bestimmung eine Aussetzung der Rechtsbehelfsverfahren (Art 33, 34) im Hinblick auf einen im Ursprungsmitgliedstaat anhängigen ordentlichen Rechtsbehelf. Eine Aussetzung durch das in erster Instanz (Art 28 ff) befasste Gericht ist hingegen im Hinblick auf das eingeschränkte rechtliche Gehör nicht zugelassen. II.

Voraussetzungen

2 1. Die Aussetzung erfolgt nur auf Antrag des Vollstreckungsadressaten (Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll). Der ursprüngliche Antragsteller ist auch dann nicht antragsbefugt, wenn er Rechtsbehelfsführer ist. Die Bestimmung sollte jedoch entsprechend angewendet werden, wenn das Kind Rechtsbehelfsführer ist und der Vollstreckbarerklärung entgegentritt. Der Zweck der Bestimmung, demjenigen, der sich der Vollstreckung widersetzt, einen im Ursprungsmitgliedstaat laufenden Rechtsbehelf nicht de facto zu beschneiden, greift auch insoweit ein.

8

300

Die früheren Sonderregelungen nach § 15 Abs 2, 3, 16 Abs 1, 3 AVAG, dazu 1. Auflage Rn 3, gehen in dieser Verweisung auf, BT-Drs 15/3981, 26.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 2 . Antrag auf Vollstreckbarerklärung

Art 35 Brüssel IIa-VO 3- 6

2. Wie Art 27 erlaubt Art 35 die Aussetzung, wenn im Ursprungsmitgliedstaat ein 3 ordentlicher Rechtsbehelf anhängig ist. Insoweit gelten dieselben Voraussetzungen wie bei Art 27.1 Wie dort genügt auch die erfolgte Einlegung eines unbefristeten ordentlichen Rechtsbehelfs. Für Entscheidungen aus Irland oder dem UK gilt darüber hinaus nach Abs 2 jeder statthafte Rechtsbehelf als ordentlicher. Ein ggf eingeschränktes Ziel des Rechtsbehelfs kann jedoch bei der Ermessensausübung hinsichtlich der Aussetzung einschränkend zu beachten sein. 3. Abs 1 S 1 lässt es darüber hinaus auch genügen, wenn die Frist für einen ordent- 4 lichen Rechtsbehelf noch nicht abgelaufen ist. Diese Alternative entspricht Art 46 Abs 1 Brüssel I-VO, was im Gegensatz zu Art 272 voraussetzt, dass der noch nicht eingelegte Rechtsbehelf befristet sein muss. Es genügt also zwar die Einlegung eines unbefristeten Rechtsbehelfs, nicht aber seine bloße Statthaftigkeit. Hingegen genügt bei befristeten Rechtsbehelfen sowohl deren Einlegung als auch deren Statthaftigkeit als Aussetzungsbasis. Wer im Ursprungsmitgliedstaat rechtsbehelfsbefugt ist, spielt keine Rolle; eine Aussetzung ist auch möglich, wenn die Entscheidung noch durch den Vollstreckungs-Antragsteller oder das Kind angefochten werden kann. 4. Abs 1 S 2 erlaubt dem Gericht bei im Ursprungsmitgliedstaat noch offener 5 Rechtsbehelfsfrist,3 den Beteiligten eine Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs zu setzen. Der fruchtlose Ablauf dieser Frist macht jedoch nicht die Einlegung des Rechtsbehelfs im Ursprungsmitgliedstaat unzulässig. Er wirkt sich lediglich auf die Ermessenausübung des mit dem Rechtsbehelf im Vollstreckbarerklärungsverfahren befassten Gerichts aus, das nach fruchtlosem Ablauf der Frist regelmäßig nicht mehr von der Aussetzungsbefugnis Gebrauch machen bzw ein ausgesetztes Verfahren wieder aufnehmen wird.4 III. Aussetzung

Das Gericht entscheidet bei Vorliegen der Voraussetzungen nach pflichtgemäßem Er- 6 messen über die Aussetzung; eine Verpflichtung zur Aussetzung besteht nicht.5 Mit Rücksicht auf das Ziel der Regelung, einen aussichtsreichen Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaat nicht de facto durch Vollstreckung zu vereiteln, sind die Erfolgsaussichten des ordentlichen Rechtsbehelfs zu berücksichtigen.6 Trifft das Beschwerdegericht die Entscheidung, ist hiergegen die Rechtsbeschwerde (Art 34, § 28 IntFamRVG) nicht statthaft, da es sich nicht um eine Entscheidung über den Rechtsbehelf iSd Art 34 handelt.7

1 2 3 4 5 6 7

Vgl Art 27 Rn 4 f. Vgl dagegen Art 27 Rn 4. Soeben Rn 4. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 9; Hk-ZPO /Dörner Rn 3. Borrás-Bericht Nr 94. Thomas/Putzo/Hüßtege Art 33 Rn 4; vgl auch Rauscher/Mankowski Art 46 Brüssel I-VO. AnwKommBGB /Andrae Rn 3.

Thomas Rauscher

301

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Art 35 Brüssel IIa-VO, 7, 8 Art 36 Brüssel IIa-VO, 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

7 Eine Aussetzung gegen Sicherheitsleistung ist im Gegensatz zu Art 46 Abs 3 Brüssel I-VO nicht vorgesehen, was für die Vollstreckung von Sorgerechtsentscheidungen plausibel ist, jedoch nicht für die Vollstreckung von Kostenentscheidungen.8 Diese offenbar wegen der Nichterwähnung dieser Entscheidungen in Art 28 Abs 1 entstandene Lücke erscheint planwidrig und kann durch analoge Anwendung von Art 46 Abs 3 Brüssel I-VO geschlossen werden. 9 8 Handelt es sich um die Vollstreckbarerklärung einer Sorgerechtsentscheidung, so kann das Gericht mit der Aussetzung eine einstweilige Anordnung nach § 15 IntFamRVG verbinden, um Gefahren von dem Kind oder Interessenbeeinträchtigungen abzuwenden, insbesondere um eine Veränderung des Aufenthalts des Kindes während der Dauer der Aussetzung zu verhindern. Die Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts hierzu beruht auf § 50 Abs 1 S 2 FamFG.10

Artikel 36

Teilvollstreckung (1) Ist mit der Entscheidung über mehrere geltend gemachte Ansprüche entschieden worden und kann die Entscheidung nicht in vollem Umfang zur Vollstreckung zugelassen werden, so lässt das Gericht sie für einen oder mehrere Ansprüche zu. (2) Der Antragsteller kann eine teilweise Vollstreckung beantragen.

I.

Teilvollstreckbarerklärung

1 1. Die – aus Art 29 Brüssel II-VO fast wortgleich übernommene – Bestimmung entspricht inhaltlich Art 48 Brüssel I-VO.1 Sie erlaubt bei Entscheidungen, die mehrere Ansprüche betreffen, eine teilweise Vollstreckbarerklärung. Abs 1 erfasst den Fall, dass der Antragsteller die Vollstreckbarerklärung der Entscheidung insgesamt beantragt, die Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung aber nur für einzelne Ansprüche vorliegen. Es soll nicht deshalb die Vollstreckbarerklärung insgesamt versagt werden; das Gericht erklärt in diesem Fall den Teil der Ansprüche für vollstreckbar, für den die Voraussetzungen vorliegen. 2 2. Abs 2 erlaubt dem Antragsteller von vornherein eine Beschränkung des Vollstreckbarerklärungsantrags auf einen Teil der titulierten Ansprüche. 3 3. Vor deutschen Gerichten ist in diesem Fall eine Teilvollstreckungsklausel (§ 23 Abs 2 IntFamRVG) zu erteilen.

8 9 10 1

302

Dazu Art 28 Rn 14. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 10; aA MünchKommZPO /Gottwald Rn 3. Vor dem 1.9.2009 §§ 621g, 620a Abs 4 ZPO: AnwKommBGB /Andrae Rn 4. Vgl auch Rauscher/Mankowski Art 48 Brüssel I-VO.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen für die Abschnitte 1 und 2

II.

Art 36 Brüssel IIa-VO, 4-6 Art 37 Brüssel IIa-VO

Verschiedene Ansprüche – Anwendungsfälle

1. Auch wenn der Begriff Anspruch wie sonst in der VO im Sinn eines autonomen 4 Streitgegenstandsbegriffs zu verstehen ist, ergibt sich für Sorgerechtsentscheidungen nur ein enger Anwendungsbereich. Betroffen sind jedenfalls Entscheidungen, die mehrere Kinder betreffen. 2. Die Bestimmung ist jedoch auch – jedenfalls entsprechend – anzuwenden, wenn 5 eine Sorgerechtsentscheidung sowohl die elterliche Sorge, ggf Aufenthaltsbestimmungsrechte, als auch den Umgang regelt und aus dieser Entscheidung mehrere Personen berechtigt und verpflichtet sind. Die Vollstreckbarerklärung einer solchen Entscheidung kann auf einzelne Personen und auf einzelne Regelungskomplexe beschränkt werden, zB auf die Vollstreckung einer Umgangsregelung gegenüber dem Inhaber der elterlichen Sorge oder auf die Vollstreckung einer Herausgabeanordnung zugunsten des Aufenthaltsbestimmungsberechtigten gegen denjenigen, der das Kind zurückhält. 3. Keine verschiedenen Ansprüche liegen dagegen vor, wenn innerhalb eines Re- 6 gelungskomplexes betreffend ein Kind unterschiedliche Einzelanordnungen getroffen werden, zB detaillierte Umgangsregelungen für Wochenenden, Ferien etc. Hier kommt nicht etwa eine Teilvollstreckung der Ferienregelung in Betracht mit der Begründung, die Wochenendregelung verstoße gegen das Kindeswohl. Die Gerichte des Vollstreckungsstaates können in diesem Fall nur die Entscheidung insgesamt für vollstreckbar erklären und vorbehaltlich ihrer Zuständigkeit nachfolgend abändern oder die Vollstreckung versagen und eine eigene Regelung treffen.

Abschnitt 3 Gemeinsame Bestimmungen für die Abschnitte 1 und 2 Artikel 37

Urkunden (1) Die Partei, die die Anerkennung oder Nichtanerkennung einer Entscheidung oder deren Vollstreckbarerklärung erwirken will, hat Folgendes vorzulegen: a) eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und b) die Bescheinigung nach Artikel 39. (2) Bei einer im Versäumnisverfahren ergangenen Entscheidung hat die Partei, die die Anerkennung einer Entscheidung oder deren Vollstreckbarerklärung erwirken will, ferner Folgendes vorzulegen:

Thomas Rauscher

303

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Art 37 Brüssel IIa-VO 1- 4

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

a) die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift der Urkunde, aus der sich ergibt, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück der Partei, die sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, zugestellt wurde, oder b) eine Urkunde, aus der hervorgeht, dass der Antragsgegner mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist.

I.

Autonome Bestimmung vorzulegender Urkunden, Reichweite

1 1. Die – mit inhaltlich nicht relevanten redaktionellen Änderungen aus Art 32 Brüssel II-VO übernommene – Bestimmung entspricht funktionell Art 53 Brüssel I-VO; sie bestimmt autonom die Urkunden, die im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren vorzulegen sind. 2 Obgleich die Vollstreckbarerklärung nach Art 28 Abs 1 anders als Art 38 Abs 1 Brüssel I-VO die Zustellung der zu vollstreckenden Entscheidung voraussetzt, verlangt Art 37 auf den ersten Blick ebenso wie Art 53 Brüssel I-VO keinen Zustellungsnachweis für die Entscheidung. Auch hat es den Anschein, als verzichte Art 37 Abs 1, der Art 53 Brüssel I-VO entspricht, auf den Nachweis der Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat. Tatsächlich sind jedoch beide Nachweise weiterhin für die Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen über die elterliche Verantwortung zu erbringen, allerdings in der vereinheitlichten und erleichterten Form der Bescheinigung gemäß Abs 1 lit b iVm Art 39 iVm Anhang II, dort Nr 9. 3 2. Die Regelung gilt gleichermaßen für die Anerkennung, Nichtanerkennung und Vollstreckbarerklärung (Abs 1 S 1). Erfasst sind nicht nur die formalen Verfahren1 zur Vollstreckbarerklärung nach Art 28 ff und zur Feststellung der Anerkennungsfähigkeit bzw -unfähigkeit nach Art 21 Abs 3. Die Urkunden sind ebenfalls in Verfahren vorzulegen, in denen gemäß Art 21 Abs 2 und Abs 4 inzident über die Anerkennung zu befinden ist. Das folgt einerseits aus dem Zweck, die Nachweise im Anerkennungsverfahren autonom zu standardisieren, andererseits aus dem Wortlaut des Abs 1 („die Anerkennung ... oder deren Vollstreckbarerklärung erwirken will2“), der sich nicht nur auf förmliche Anerkennungsverfahren, sondern auf den gesamten Anwendungsbereich des Art 21 bezieht. 4 3. Vorlageverpflichtet ist die Partei, welche die Anerkennung oder Nichtanerkennung erwirken will. Das ist im Fall der Anerkennung problemlos die Partei, die implizit oder förmlich die Anerkennung begehrt. Für die Nichtanerkennung ist dies nur im förmlichen Verfahren nach Art 21 Abs 3 der Antragsteller, der die Versagung der Anerkennung begehrt. Hingegen ist eine Partei, die im Rahmen der Inzident1 2

304

Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1. An der entsprechenden Stelle in Art 33 Abs 1 des Brüssel II-Übereinkommens heißt es dagegen „die Anerkennung ... beantragt oder anficht“, in Art 32 Abs 1 Brüssel II-VO hieß es „die Anerkennung ... anstrebt oder den Antrag auf Vollstreckbarerklärung stellt“. All dies macht die Auslegung nicht einfacher und den Text gleichwohl nicht wesentlich straffer.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen für die Abschnitte 1 und 2

Art 37 Brüssel IIa-VO 5-10

anerkennung der Anerkennung entgegentritt, nicht vorlagepflichtig; insoweit folgt die Vorlagepflicht der Beweisbelastung, die denjenigen trifft, der aus der Entscheidung Rechtsfolgen herleitet. Im Vollstreckbarerklärungsverfahren ist der Antragsteller immer durch seine förmliche 5 Rolle im Verfahren nach Art 28 ff bestimmt. II.

Grundsätzlich vorzulegende Urkunden (Abs 1)

1. Vorzulegen ist immer eine Ausfertigung der Entscheidung, keine bloße Kopie 6 oder Abschrift (Abs 1 lit a).3 2. Außerdem ist eine Bescheinigung nach Art 39 vorzulegen (Abs 1 lit b), also ab- 7 hängig davon, ob es sich um eine Entscheidung in einer Ehesache oder eine Entscheidung betreffend die elterliche Verantwortung handelt, die Bescheinigung nach dem Muster Anhang I oder Anhang II. 3. Eine Urkunde über die Bewilligung von Verfahrens- oder Prozesskostenhilfe 8 im Ursprungsmitgliedstaat, die das Übereinkommen noch eventualiter vorsah (dort Art 33 Abs 1 lit b), nennt Art 37 Abs 1 nicht. Der Nachweis dieses für Art 50 erforderlichen Umstandes wird durch die Bescheinigung nach Abs 1 lit b, Art 39, Anhang I (Nr 6) bzw II (Nr 8) geführt. 4. Wird die Anerkennung der Entscheidung zum Zweck der Eintragung in ein Per- 9 sonenstandsregister begehrt, so ist zum Nachweis der formellen Rechtskraft nach Art 21 Abs 2 keine eigenständige Urkunde erforderlich (anders noch Art 33 Abs 3 Übereinkommen Brüssel II). Auch dieser Nachweis wird durch die Urkunde nach Art 39 iVm Anhang I (Nr 7) erbracht. III. Vorzulegende Urkunden bei Versäumnisentscheidung (Abs 2)

1. Abs 2, der in der Brüssel I-VO keine Entsprechung findet,4 verlangt zusätzliche 10 urkundliche Nachweise, wenn die Entscheidung im Versäumnisverfahren ergangen ist. Hierunter fallen nicht nur technisch als solche bezeichnete Versäumnisentscheidungen. Der Begriff ist, was die Änderung der Formulierung in Abs 2 lit a nun verdeutlicht, in Anlehnung an die aufeinander bezogenen Bestimmungen in Art 18 Abs 1 und Art 22 lit b und 23 lit c autonom zu verstehen und erfasst alle Entscheidun3 4

MünchKommZPO /Gottwald Rn 2; vgl auch Rauscher/Staudinger Art 53 Abs 1 Brüssel I-VO. Das mag daran liegen, dass Art 34 Nr 2 letzter Hs Brüssel I-VO anders als Art 22 lit b, Art 23 lit c eine förmliche Rechtsbehelfsobliegenheit normiert. Gleichwohl ist Art 53 Brüssel I-VO nicht in gleicher Weise funktional auf die zugrundeliegende Struktur der Anerkennungshindernisse abgestimmt wie vorliegend Abs 2, der die Struktur von Art 22 lit b, Art 23 lit c zutreffend aufnimmt. Da nämlich Art 53 Abs 1 Brüssel I-VO auf den Nachweis der Zustellung der Entscheidung verzichtet, kann aus den nach Art 53 Brüssel I-VO vorzulegenden Urkunden nicht darauf geschlossen werden, dass der Beklagte einen zulässigen Rechtsbehelf nicht eingelegt hat.

Thomas Rauscher

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Art 37 Brüssel IIa-VO 11-15

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

gen, die in einem einseitigen Verfahren ergangen sind, ohne dass sich der Antragsgegner (Art 22 lit b) oder die betreffende Person (Art 23 lit c) auf das Verfahren eingelassen hat.5 Für Kostenfestsetzungsbeschlüsse, die auf ein streitiges Verfahren folgen, gilt Abs 2 jedoch nicht.6 11 2. Abs 2 nimmt inhaltlich den Anerkennungsversagungsgrund des Art 22 lit b, 23 lit c auf und zeichnet ihn durch den geforderten urkundlichen Nachweis nach.7 12 a) Gefordert wird grundsätzlich der Zustellungsnachweis für das verfahrenseinleitende Schriftstück (Abs 2 lit a) in Urschrift oder beglaubigter Abschrift. 8 Dies ermöglicht dem Richter im Anerkennungs-/Vollstreckungsmitgliedstaat, diesen Anerkennungsversagungsgrund zu prüfen. Die Rechtzeitigkeit der Zustellung ist jedoch nicht notwendig durch die Urkunde nachweisbar; insoweit prüft und beurteilt das Gericht selbst, ob eine ausreichende Verteidigungsmöglichkeit bestand. 9 13 Die Vorlage einer solchen Urkunde ist logischerweise auf Fälle beschränkt, in denen die Anerkennung/Vollstreckbarerklärung begehrt wird. Wird die förmliche Nichtanerkennung (Art 21 Abs 3) begehrt, so hat der Antragsteller selbstverständlich nicht urkundlich nachzuweisen, dass ordnungsgemäß an ihn zugestellt wurde.10 Er wird sich sogar häufig darauf berufen, dass es an einer Zustellung fehlt, was sodann die andere Partei durch Vorlage der Urkunde widerlegen kann. 14 b) Abs 2 lit b erlaubt ersatzweise an Stelle des Zustellungsnachweises die Vorlage einer Urkunde, aus der sich ergibt, dass der Antragsgegner mit der Entscheidung einverstanden war. 15 Dies greift sprachlich nur die Ausnahme zum Anerkennungsversagungsgrund in Art 22 lit b auf, bezieht sich also nach dem Wortlaut nur auf Ehesachen.11 Bei Fassung der Bestimmung könnte aber übersehen worden sein, dass diese Ausnahme zum Anerkennungsversagungsgrund der fehlenden rechtzeitigen Zustellung auch in Sorgesachen (Art 23 lit c) vorgesehen ist. In den Materialien zur gleichlautenden Bestimmung im Übereinkommen Brüssel II (dort Art 33 Abs 2 lit b) wird jedoch ausdrücklich angenommen, diese Regelung beziehe sich nur auf Ehesachen iSd Art 1 Abs 1 lit a,12 was die Verwendung des Wortes „Antragsgegner“ zu bestätigen scheint; denn Art 23 lit c spricht von der „betreffenden Person“. Für eine Einschränkung des urkundlichen Nachweises eines eindeutigen Einverständnisses auf Ehesachenentscheidungen spricht schließlich auch eine teleologische Auslegung: In Sorgesachen bedarf 5 6 7 8 9 10 11 12

306

In Art 32 Abs 2 lit a Brüssel II-VO hieß es noch „der säumigen Partei“. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 5. Borrás-Bericht Nr 104. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 2. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 6; Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 3. Borrás-Bericht Nr 104. AA Hk-ZPO /Dörner Rn 1; MünchKommZPO /Gottwald Rn 3. Borrás-Bericht Nr 104.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen für die Abschnitte 1 und 2

Art 37 Brüssel IIa-VO, 16 Art 38 Brüssel IIa-VO, 1

es wegen der Betroffenheit des Kindeswohls einer materiellen Feststellung eines solchen Einverständnisses; ein formal urkundlicher Nachweis kann nicht genügen. c) Zum Nachweis des Einverständnisses iSd Abs 2 lit b geeignete Urkunden sind 16 nicht abschließend bestimmt. In Betracht kommen öffentliche Urkunden, zB eine von einem Standesbeamten aufgenommene Anmeldung des Antragsgegners für eine erneute Eheschließung. Aber auch durch Privaturkunden,13 zB Briefe, kann der urkundliche Nachweis geführt werden, wobei Echtheit und Bewertung des Inhalts der freien Beweiswürdigung unterliegen und Zweifel zu Lasten des die Anerkennung Begehrenden gehen.14

Artikel 38

Fehlen von Urkunden (1) Werden die in Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe b) oder Absatz 2 aufgeführten Urkunden nicht vorgelegt, so kann das Gericht eine Frist setzen, innerhalb deren die Urkunden vorzulegen sind, oder sich mit gleichwertigen Urkunden begnügen oder von der Vorlage der Urkunden befreien, wenn es eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält. (2) Auf Verlangen des Gerichts ist eine Übersetzung der Urkunden vorzulegen. Die Übersetzung ist von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Person zu beglaubigen. I. Verfahren bei Fehlen von Urkunden (Abs 1) 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachfrist zur Urkundenvorlage . . . . . . 3. Annahme gleichwertiger Urkunden 4. Absehen von Vorlage . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Übersetzung von Urkunden (Abs 2)

1 3 5 7

1. Verlangen einer Übersetzung . . . . . . . . 2. Übersetzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

Verfahren bei Fehlen von Urkunden (Abs 1)

1.

Anwendungsbereich

8 10

a) Die Bestimmung entspricht mit rein redaktionellen Anpassungen Art 34 Brüssel 1 II-VO. Abs 1 bezieht sich nur auf die Urkunde nach Art 37 Abs 1 lit b iVm Art 39 und die Bescheinigung nach Art 37 Abs 2. Die Regelung schafft Erleichterungen in Bezug auf das Erfordernis der Vorlage der Urkunden zur Vermeidung unnötiger Förmlichkeiten, insbesondere aber für den Fall des Fehlens erforderlicher Urkunden. Sie entspricht Art 48 Abs 1 EuGVÜ und weicht von Art 55 Brüssel I-VO wegen des dort engeren Katalogs vorzulegender Urkunden ab.

13 14

Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7.

Thomas Rauscher

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Art 38 Brüssel IIa-VO 2- 6

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

2 b) Die Vorlage einer Ausfertigung der Entscheidung (Art 37 Abs 1 lit a) fällt hingegen nicht unter Art 38. Das schließt nicht aus, bei Fehlen dieser Urkunde auf Bestimmungen des nationalen Rechts zurückzugreifen, soweit dadurch nicht der Zweck der autonomen Regelung unterlaufen wird. Deshalb kann entsprechend §§ 139, 142 ZPO zur Vorlage eine Nachfrist gesetzt werden,1 weil dies den Zweck des Art 38 nicht konterkariert, auf die Vorlage hinzuwirken. Hingegen kommen keine Beweiserleichterungen in Betracht, weil sich aus der Nichtaufnahme von Art 37 Abs 1 lit a in Abs 1 klar ergibt, dass auf die Ausfertigung der Entscheidung nicht verzichtet werden kann.2 2.

Nachfrist zur Urkundenvorlage

3 a) Fehlen erforderliche Urkunden, so kann das Gericht dem Vorlageverpflichteten3 eine Nachfrist setzen (Abs 1 1. Alt). Die Nachfristsetzung ist vor einer Antragsabweisung nicht zwingend erforderlich. Die Ermessensausübung wird jedoch zur Nachfristsetzung tendieren, um dem Zweck der VO zu genügen, die Freizügigkeit von Urteilen zu gewährleisten. Andererseits wird das Gericht aber auch regelmäßig eine Nachfrist setzen, ehe es zu den nachfolgenden Beweiserleichterungen greift, um den Schutz des Vollstreckungsadressaten zu gewährleisten. Unsinnig wäre eine Nachfristsetzung in diesem Fall jedoch, wenn zur Überzeugung des Gerichts die Urkunde nicht vorgelegt werden kann (zB bei nachgewiesenem Verlust) und ein gleichwertiger Nachweis angeboten ist. 4 b) Die Dauer der Nachfrist ist ebenfalls nach Ermessen des Gerichts zu bemessen. Eine großzügige Bemessung ist empfehlenswert,4 weil sie die Freizügigkeit der Urteile fördert, ohne dass dem Vollstreckungsadressaten ein Nachteil geschieht. Eine Verlängerung nach § 16 Abs 2 FamFG iVm § 224 Abs 2 ZPO ist möglich.5 3.

Annahme gleichwertiger Urkunden

5 a) Das Gericht kann (ohne oder nach erfolgloser Nachfristsetzung) nach seinem Ermessen gleichwertige Urkunden zum Nachweis genügen lassen (Abs 1 2. Alt). Diese Vorgehensweise ist geboten, wenn die Beschaffung der Originalurkunde unmöglich ist oder unzumutbare Schwierigkeiten verursachen würde. Die ohnehin reduzierte Förmlichkeit der Art 32, 33 sollte aber nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass ohne Not Urkunden ähnlichen Inhalts akzeptiert werden. Den Vorlageverpflichteten trifft die Last darzutun, warum er (ggf nach Fristsetzung) die Urkunden nicht vorlegen kann. 6 b) Gleichwertig können Kopien sein, wenn die Übereinstimmung mit der Vorlage unbestritten ist, aber auch andere öffentliche Urkunden, die über die jeweils relevante 1 2 3 4 5

308

Vgl Kropholler Art 55 Brüssel I-VO Rn 1. Borrás-Bericht Nr 107. Art 37 Rn 4. MünchKommZPO /Gottwald Rn 2. MünchKommZPO /Gottwald Rn 2.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen für die Abschnitte 1 und 2

Art 38 Brüssel IIa-VO 7- 9

Anerkennungs- und Vollstreckungsvoraussetzung Beweis erbringen. Privaturkunden sind mit Zurückhaltung als gleichwertiger Nachweis zuzulassen; denkbar ist der Nachweis von für den Vollstreckungsadressaten nachteiligen Tatsachen (zB Zustellungszeitpunkt) durch eine nachweislich von diesem herrührende Urkunde. 4.

Absehen von Vorlage

Das Gericht kann auch gänzlich von der Vorlage einzelner Urkunden absehen (Abs 1 7 3. Alt). Das setzt jedoch materiell voraus, dass das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält, dass also die durch die fehlende Urkunde nachzuweisenden Tatsachen zur Überzeugung des Gerichts anderweitig nachgewiesen sind. Dabei sind die Interessen des Vollstreckungsadressaten, dessen Schutz das Erfordernis urkundlicher Nachweise dient, angemessen zu berücksichtigen. Das Absehen von der Vorlage kommt hauptsächlich in Fällen in Betracht, in denen die Urkunde vernichtet und keine gleichwertige Urkunde vorhanden ist. Es ist hingegen kein Mittel, um mit beliebigen Beweismitteln die Vollstreckungsvoraussetzungen festzustellen. II.

Übersetzung von Urkunden (Abs 2)

1.

Verlangen einer Übersetzung

a) Abs 2 entspricht Art 55 Abs 2 Brüssel I-VO.6 Das Gericht kann die Vorlage ei- 8 ner Übersetzung der vorzulegenden7 Urkunden verlangen (Abs 2 S 1). Abs 2 bezieht sich nicht nur auf die in Abs 1 genannten Urkunden, sondern auch auf die nach Art 37 Abs 1 lit a vorzulegende Ausfertigung, deren vollstreckungsfähigen Inhalt gemäß § 8 Abs 1 S 2 AVAG das Gericht in seinem Beschluss in deutscher Sprache wiederzugeben hat, weshalb häufig eine Übersetzung nötig sein wird. b) Das Gericht hat insoweit ein pflichtgemäß auszuübendes Ermessen; die Überset- 9 zung ist weder die Regel, noch kann der Vollstreckungsadressat sie mit Rücksicht auf die Gerichtssprache verlangen. Der Verzicht auf eine Regel-Übersetzung dient der mit der VO angestrebten Vereinfachung. 8 Das Ermessen ist hinsichtlich jeder einzelnen Urkunde gesondert auszuüben. Während das Verlangen nach einer Übersetzung regelmäßig ermessensrichtig ist, wenn nicht wenigstens ein Richter des Spruchkörpers die Urkundssprache ausreichend versteht, kann angesichts der schablonenmäßigen Formalisierung der Bescheinigung nach Art 39 auch ohne Sprachkenntnisse Verständnis erwartet werden, sofern nicht Zusätze angebracht wurden. Insbesondere der Name des Gerichts im Formblatt bedarf keiner Übersetzung.

6 7 8

Vgl Rauscher/Staudinger Art 55 Abs 2 Brüssel I-VO. MünchKommZPO /Gottwald Rn 3. Borrás-Bericht Nr 108.

Thomas Rauscher

309

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Art 38 Brüssel IIa-VO, 10 Art 39 Brüssel IIa-VO, 1

2.

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Übersetzer

10 Die Übersetzung ist von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Person zu beglaubigen. Nicht erforderlich ist, dass diese Befugnis vom Ursprungsmitgliedstaat9 oder vom Vollstreckungsmitgliedstaat verliehen wurde. Über die Erteilung der Befugnis entscheidet das Recht des Niederlassungsstaates der beglaubigenden Person. Die Befugnis muss sich auf die Berechtigung zur Übersetzung zwischen den betroffenen Sprachen zum Zweck der Vorlage bei Gericht beziehen. Es liegt jedoch auch im Ermessen, ob das Gericht eine beglaubigte Übersetzung verlangt oder eine unbeglaubigte genügen lässt.10 Die Funktion der Bestimmung ist eher darin zu sehen, dass die Beglaubigung nicht von einem Übersetzer aus dem Vollstreckungsmitgliedstaat stammen muss.

Artikel 39

Bescheinigung bei Entscheidungen in Ehesachen und bei Entscheidungen über die elterliche Verantwortung Das zuständige Gericht oder die Zuständige Behörde des Ursprungsmitgliedstaats stellt auf Antrag einer berechtigten Partei eine Bescheinigung unter Verwendung des Formblatts in Anhang I (Entscheidungen in Ehesachen) oder Anhang II (Entscheidungen über die elterliche Verantwortung) aus.

I.

Funktionsweise der weiteren Urkunden

1 Wie Art 54 Brüssel I-VO schafft die – bis auf die Normverweisung Art 33 Brüssel IIVO entsprechende – Bestimmung einheitliche Vordrucke, die das Gericht im Ursprungsmitgliedstaat in seiner Landessprache ausfüllt und die es dem Gericht im Anerkennungs- oder Vollstreckungsmitgliedstaat durch Gegenüberstellung mit dem entsprechenden Vordruck (in der eigenen Sprache) erlauben, deren Inhalt zu erfassen.1 Diese Methode der Standardisierung erleichtert2 fraglos die Prüfung weiterer Anerkennungs- und Vollstreckungsvoraussetzungen, die nur vermeintlich im Nachweiskatalog des Art 37 fehlen. 3 Sie birgt freilich auch die Gefahr einer allzu schematischen Abwicklung, zumal das Ausfüllen von Leerzeilen und das Ankreuzen von Standardfragen erheblich größere Fehlerrisiken beinhaltet als die Übermittlung diverser Urkunden an das Gericht im Zweitstaat. Immerhin waren es fehlerhafte formularmäßige Zustellungsnachweise, die unter Art 20 Abs 2 EuGVÜ Gerichte in Irrtum versetzt und unter Art 27 Nr 2 EuGVÜ sodann die Anerkennung gestört haben. Auch die bei Erteilung der Urkunden zu treffenden rechtlichen Wertungen können über das Maß dessen hinausgehen, was bei Erteilung eines Rechtskraftvermerks gefordert ist; ggf sind komplizierte Erwägungen zur Rechtskraft anzustellen (vgl Anhang I Ziff 7, 8). 9 10 1 2 3

310

Borrás-Bericht Nr 108. AnwKommBGB /Andrae Rn 3. Sturm StAZ 2002, 193: „Brüsseler Schablonen“. Vogel MDR 2000, 1050; Heß JZ 2001, 577. Dazu Art 37 Rn 2.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen für die Abschnitte 1 und 2

Art 39 Brüssel IIa-VO 2-7

Da Art 38 – zur Vermeidung von Formalismus4 – nur die Befreiung, nicht aber die Vor- 2 lage weiterer Nachweise bei Zweifeln vorsieht, bleibt nur zu hoffen, dass Europas Urkundsbeamte ihre Kreuzchen sorgfältig anbringen. II.

Ausstellung der Urkunden

1. Die Urkunden nach Art 39 werden auf Antrag einer berechtigten Partei aus- 3 gestellt. Eine Bescheinigung kann bei Entscheidungen in Ehesachen jedenfalls jeder Ehegatte verlangen. Als berechtigt wird man jedoch auch jeden anzusehen haben, der berechtigt wäre, ein Verfahren nach Art 21 Abs 3 einzuleiten,5 oder der Beteiligter eines Verfahrens ist, in dem die Anerkennungsfähigkeit der Statusentscheidung vorgreiflich ist. Bei Entscheidungen über die elterliche Verantwortung ist neben den Eltern auch das Kind, ggf eine Behörde nach Art 28 Abs 1 antragsberechtigt.6 Antragsberechtigung besteht nach dem Zweck der Regelung nur für nach der VO anerkennungsfähige Entscheidungen. Insbesondere sind Bescheinigungen nach Anlage I nicht für antragsabweisende Entscheidungen7 zu erteilen. 2. Die Zuständigkeit zur Erteilung der Urkunden bestimmt sich nach dem inner- 4 staatlichen Recht des Ursprungsmitgliedstaates; in Deutschland ist nach § 48 IntFamRVG der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges, bei Anhängigkeit bei einem höheren Gericht der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dieses Gerichts zuständig. 3. Bei Entscheidungen in Ehesachen ist die Urkunde auf Formblatt nach Anhang I, 5 bei Entscheidungen über die elterliche Verantwortung auf Formblatt nach Anhang II zu erteilen. Die Formblätter sind selbsterklärend. Das Formblatt Anhang I umfasst insbesondere Angaben zur Zustellung und zur Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat als den in Art 28 Abs 1 genannten Vollstreckungsvoraussetzungen. Das Formblatt nach Anhang II enthält nun für Umgangs- und Herausgabeentschei- 6 dungen auch Angaben zum Inhalt der Entscheidung.8 Häufig wird gleichwohl eine Übersetzung (Art 38 Abs 2) der vorzulegenden Entscheidung (Art 37 Abs 1 lit a) notwendig sein. Auch die Angabe zum Entscheidungsgegenstand im Formblatt Anhang I Nr 5.3. sollte 7 nicht voreilig zum Verzicht auf eine Übersetzung verleiten; es wäre fatal, wenn das Ursprungsgericht versehentlich für eine nach Art 21 nicht anerkennungsfähige antragsabweisende Entscheidung eine Bescheinigung erteilt und das Gericht im Anerken-

4 5 6 7 8

Vogel MDR 2000, 1051. Dazu Art 21 Rn 31 ff. Dazu Art 28 Rn 15. Dazu Art 22 Rn 26 f. Nicht so Anhang V Brüssel II-VO, vgl 1. Auflage Rn 4.

Thomas Rauscher

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Art 39 Brüssel IIa-VO, 8 Art 40 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

nungsstaat diese Entscheidung wegen eines Kreuzchens bei Nr 5.3.1. als Scheidungsausspruch einordnet. Überdies fehlt dort eine klare Einordnung der Eheaufhebung,9 so dass klarstellende Ergänzungen notwendig sind. 8 4. Übersehen wurde, dass Art 28 ff auch für die Vollstreckbarerklärung von Kostenentscheidungen in Ehesachen gelten, das für Ehesachenentscheidungen maßgebliche Formblatt aber nur auf die Anerkennung, nicht auf die Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen abgestimmt ist.10 Das Gericht im Zweitstaat kann also der Urkunde nach Anhang I nicht entnehmen, ob die Entscheidung zugestellt wurde und ob sie im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist. Da das zu erteilende Formblatt nach Anhang I in gepflegtem Formalismus auch die Angabe einer e-mail-Adresse des ausstellenden Gerichts vorsieht, kann das um Vollstreckbarerklärung ersuchte Gericht wenigstens Nachfrage halten, da übersehen wurde, dem Antragsteller einen Nachweis aufzuerlegen.

Abschnitt 4 Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen über das Umgangsrecht und bestimmter Entscheidungen, mit denen die Rückgabe des Kindes angeordnet wird Artikel 40

Anwendungsbereich (1) Dieser Abschnitt gilt für a) das Umgangsrecht und b) die Rückgabe eines Kindes infolge einer die Rückgabe des Kindes anordnenden Entscheidung gemäß Artikel 11 Absatz 8. (2) Der Träger der elterlichen Verantwortung kann ungeachtet der Bestimmungen dieses Abschnitts die Anerkennung und Vollstreckung nach Maßgabe der Abschnitte 1 und 2 dieses Kapitels beantragen.

9

10

312

Sie ist wohl eher als „Ehescheidung“ wegen der ex nunc eintretenden Wirkungen einzutragen, wenngleich systematisch wegen der Qualität der Aufhebungsgründe als Folgen von Eheschließungsmängeln die Eintragung als „Ungültigerklärung“ nicht fern liegt. Die Eile, mit der Rat und Kommission ihre Aktionspläne vorantreiben, fällt gerade bei Brüchen in einem perfektionistischen System auf. Angesichts der unübersehbaren Materialien erstaunt es, dass solche banalen Fehler, die schon zur Brüssel II-VO zu rügen waren, nicht erkannt und bereinigt wurden. Oder zählt hier mehr der große (?) politische Wurf als die mediokre Praxis?

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen I. System der unmittelbaren Vollstreckbarkeit 1. Historischer Hintergrund . . . . . . . . . . . . 2. Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschaltung des ordre public des Vollstreckungsstaates a) Eilbedürftigkeit der Vollstreckung von Umgangstiteln . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Art 40 Brüssel IIa-VO 1, 2 c) Sondersituation bei Rückgabetiteln nach Art 11 Abs 8 . . . . . . . . . . . . . . . . 8 d) Eingreifen des vollstreckungsrechtlichen ordre public . . . . . . . . . . 9 e) Abänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1 2

II. Anwendungsbereich (Abs 1) . . . . . . . . . .

4 6

1. Umgangsrecht (lit a) . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rückgabe eines Kindes (lit b) . . . . . . .

11 12 16

III. Verhältnis zur Anerkennung und

Vollstreckbarerklärung (Abs 2) . . . . . . .

I.

System der unmittelbaren Vollstreckbarkeit

1.

Historischer Hintergrund

18

Das in Art 40 bis 45 etablierte besondere System unmittelbarer Vollstreckung beruht 1 einerseits auf dem Maßnahmenprogramm in Umsetzung des Beschlusses der Ratskonferenz von Tampere,1 welches als Fernziel die Abschaffung des Exequaturverfahrens anstrebt.2 Andererseits beruht die unmittelbare Initiative zur Erleichterung der Vollstreckung von Umgangsentscheidungen auf einem Verordnungsvorschlag Frankreichs,3 der in der Novellierung der Brüssel II-VO zur Brüssel IIa-VO aufging. 4 Die in Kraft getretene Fassung geht im Wesentlichen auf den Kompromissvorschlag des Ratsvorsitzes vom 30.4.20035 zurück. 2.

Modell

a) Das neue Modell der Vollstreckbarkeit von Umgangsentscheidungen (Abs 1 lit a 2 iVm Art 41) und bestimmten Kindesrückgabeentscheidungen (Abs 1 lit b iVm Art 42) beruht auf einer Verlagerung von der bisherigen Verleihung der Vollstreckbarkeit durch eine Exequaturentscheidung des Vollstreckungsmitgliedstaates auf einen verstärkten Antragsgegnerschutz und eine Kontrolle des Ursprungsmitgliedstaates. Dieses Modell liegt in ähnlicher Weise für unbestrittene Forderungen in Zivil- und Handelssachen der EG-VollstrTitelVO6 zugrunde.

1

2

3 4 5 6

Dazu Erwägungsgrund Nr 23; Kohler FamRZ 2002, 709; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 2; AnwKomm BGB /Benicke Rn 1. Das Ziel wird auch im neuen Aktionsplan des Rates und der Kommission vom 12.8.2005, ABl EU 2005 C 198/1 Nr 4.3.(l) als Prüfungsgegenstand für die Jahre 2006-2010 genannt. ABl EG 2000 C 234/7; Heß IPRax 2000, 361; Bauer IPRax 2002, 179, 184 ff. Verordnungsvorschlag der Kommission KOM (2002) 222/2. Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 30.4.2003, 8281/03, dort Art 45 ff. Kommentiert unter Nr A.I.3.

Thomas Rauscher

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Art 40 Brüssel IIa-VO 3-5

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

3 b) Kernstück der Vollstreckbarkeit ist eine Bescheinigung, welche durch ein Gericht des Ursprungsmitgliedstaates erteilt wird, nachdem dieses Gericht die Einhaltung der in Art 41 Abs 2 bzw Art 42 Abs 2 genannten Verfahrensmodalitäten im Ausgangsverfahren geprüft hat. Dies soll sicherstellen, dass, mit Ausnahme des ordre public des Vollstreckungsmitgliedstaates, alle wesentlichen Anerkennungshindernisse nach Art 23 geprüft werden. Dies erfolgt allerdings aus Sicht des Ursprungsmitgliedstaates, dessen Gericht die Bescheinigung ausstellt. Weder findet gegen die Ausstellung dieser Bescheinigung ein Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaat statt, noch kann im Vollstreckungsmitgliedstaat die Anerkennung als Grundlage der aufgrund der Bescheinigung eintretenden Vollstreckbarkeit angefochten werden (Art 41 Abs 1, Art 42 Abs 1). Insbesondere kann der Vollstreckungsmitgliedstaat die Vollstreckung nicht wegen Verletzung seines ordre public oder wegen Verletzung des Kindeswohls ablehnen.7 3.

Ausschaltung des ordre public des Vollstreckungsstaates

a) Eilbedürftigkeit der Vollstreckung von Umgangstiteln 4 Der Verzicht auf das Exequatur beruht auf der Annahme ausreichenden gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, die mehr ein Postulat denn eine Beschreibung der bereits erreichten Realität ist. Gleichwohl kann die gegen die unmittelbare Vollstreckbarkeit im Rahmen der EG-VollstrTitelVO anzubringende Kritik, die vor allem den Verzicht auf eine Kontrolle am ordre public des Vollstreckungsmitgliedstaates betrifft,8 nicht ohne weiteres auf die vorliegende Regelung übertragen werden. 9 5 Für die unmittelbare Vollstreckung von Umgangstiteln spricht gewiss der Umstand, dass in Umgangsstreitigkeiten die Zeit gegen das Umgangsrecht arbeitet, weil zwischen dem Kind und dem Umgangselternteil Entfremdung eintreten kann. Gerade in internationalen Umgangsstreitigkeiten kann ein sich dem Umgang widersetzender Sorgeberechtigter durch Einlegung aller sich in beiden Staaten bietenden Rechtsbehelfe diesen Zeiteffekt für seine Interessen und nicht selten zum langfristigen Schaden des Kindeswohls nutzen. Hinzu kommt, dass Umgangstitel keine endgültige Veränderung sorgerechtlicher Verhältnisse bewirken, sondern ihrer Natur nach nur Besuchskontakte ermöglichen.10 Schließlich hat der EuGMR11 zu Recht den hohen Rang des Umgangsrechts im Rahmen des Art 8 EMRK hervorgehoben und damit die Zulässigkeit von Umgangsbeschränkungen entgegen mancher älteren nationalen Praxis auf eindeutige Fälle der Kindeswohlgefährdung begrenzt. Zur Frage, wann ein Umgang wegen Kindeswohlgefährdung eindeutig ausgeschlossen werden muss, dürfte jedenfalls in den Mitgliedstaaten durchaus Konsens und damit auch wechselseitiges Vertrauen bestehen. Das Risiko, durch schnelle Vollstreckung einer Umgangsentscheidung dem Kindeswohl zu schaden, ist also, an der Zahl hochstreitiger Umgangs7 8 9 10 11

314

Geimer/Schütze/Paraschas Rn 4. Rauscher/Rauscher/Pabst EG-VollstrTitelVO Art 5 Rn 10 ff. Auf diese Kritik bezieht sich Geimer/Schütze/Paraschas Rn 5. Rauscher EuLF 2005 I-37, I-45. NJW 2004, 3397 (Görgülü).

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 40 Brüssel IIa-VO 6, 7

sachen gemessen, erheblich geringer als das Risiko, einen kindeswohldienlichen Umgang mangels Vollstreckung so lange zu verzögern, bis Entfremdung eingetreten ist. b) Einzelprobleme aa) Bedenken bestehen gleichwohl im Detail. Die Sonderbehandlung von Umgangs- 6 entscheidungen löst diese ggf aus dem Kontext mit einer Sorgerechtsentscheidung heraus, die der Anerkennung nach Art 21 ff bedarf, und der deshalb auch der Einwand des ordre public – auch in Gestalt des Kindeswohls – entgegengesetzt werden kann.12 Das ist wohl aus technischen und sachlichen Gründen unvermeidbar, da Sorgerechtsregelungen als solche keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben und überdies wegen ihrer Dauerhaftigkeit nicht einem Eilsystem unterstellt werden sollten. Mündet die Sorgerechtsregelung in eine Herausgabeanordnung, so unterliegt diese nicht ohne weiteres Art 40 ff, da Abs 1 lit b nur Herausgabeanordnungen nach Art 11 Abs 8 einbezieht. Allerdings sind kaum Fälle vorstellbar, in denen die Vollstreckung einer Umgangsregelung aus Mitgliedstaat A auf eine Herausgabeanordnung aus Mitgliedstaat B trifft, die nicht unter Art 11 Abs 8 fällt. Hält sich das Kind nämlich bereits bei einem Elternteil im Staat A auf, so muss dieser Elternteil sich nicht auf eine Umgangsregelung berufen. Wird aber das Kind anlässlich des Umgangs im Mitgliedstaat A rechtswidrig zurückgehalten, greift das System des Art 11 ein, weshalb, selbst wenn der Mitgliedstaat A die Rückführung verweigert, eine Rückgabeanordnung der Gerichte des (bisherigen) Aufenthaltsmitgliedstaates B vorrangig (Art 11 Abs 8) und ebenfalls nach Art 40 ff vollstreckbar ist (Abs 1 lit b), was die Rückgabe des Kindes nach Vollstreckung eines Umgangstitels ebenso sichert wie zunächst das Umgangsrecht.13 bb) Die Verlagerung der Prüfung der einzuhaltenden verfahrensrechtlichen Stan- 7 dards auf den Ursprungsmitgliedstaat führt zwangsläufig dazu, dass das Recht dieses Staates auch abschließend darüber bestimmt, welche Standards einzuhalten sind. Das kann insbesondere bei Altersgrenzen für die Anhörung des Kindes, aber auch hinsichtlich der Anhörung Beteiligter zu Diskrepanzen führen,14 ohne dass der Vollstreckungsmitgliedstaat hier sein verfahrensrechtliches Niveau durchsetzen kann. Zudem erscheint es zumindest zweifelhaft, ob die reine Selbstkontrolle durch den die Entscheidung erlassenden Richter, der selbst die Bescheinigung ausstellt, mehr sein wird als eine leere Formalie. Hier bleibt zu hoffen, dass sich, auch unter dem Eindruck der Grundrechtsrelevanz einheitliche hohe Standards für das Ausgangsverfahren herausbilden. Da gerade die Wahrung von Mindeststandards im sensiblen Bereich der Anhörung des Kindes und Beteiligter in Art 41 Abs 2 lit b, c und Art 42 Abs 2 lit a, b zur Voraussetzung der Erteilung der Bescheinigung gemacht wurde, ist zu hoffen, dass sich hier schnell hohe autonome Standards entwickeln. Bedenklich ist freilich, dass die genannten autonomen Kriterien „weich“ formuliert sind. Es ist nicht ohne inneren Widerspruch, 12 13

14

Geimer/Schütze/Paraschas Rn 5. Rauscher EuLF 2005 I-37, I-45; Bedenken äußert insoweit Solomon FamRZ 2004, 1409, 1419; vgl auch Coester-Waltjen FS Geimer (2002) 139, 146 f. Coester-Waltjen FamRZ 2005, 241, 248; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 5.

Thomas Rauscher

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Art 40 Brüssel IIa-VO 8, 9

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

wenn sich die Verordnung hinsichtlich der Entscheidung über Altersgrenzen zur Anhörung des Kindes oder hinsichtlich der Frage, welche „Parteien“ betroffen sind, zurückhält, um Eingriffe in nationales Recht zu vermeiden, andererseits aber darauf vertraut werden soll, dass diese zentralen Fragen von allen Gerichten in der EG in gegenseitig akzeptabler Weise entschieden werden. c) Sondersituation bei Rückgabetiteln nach Art 11 Abs 8 8 Zusätzliche Probleme ergeben sich durch die Einbeziehung von auf Kindesherausgabe lautenden Titeln. Internationale Kindesherausgabe schafft regelmäßig vollendete Tatsachen, weil sie ihrer Natur nach nicht vorübergehend ist und solchen Titeln meist hochstreitige Fälle zugrunde liegen, in denen bisher nicht selten auch die Gerichte der jeweils beteiligten Staaten einem im jeweiligen Staat lebenden Elternteil den Rücken gestärkt haben. Hier geht es also durchaus oft um die endgültige Entscheidung des „Kampfes um das Kind“. Insoweit ist das System der Art 40 ff jedoch beschränkt auf Fälle des Art 11 Abs 8, also die Situation einer Kindesentführung, in der die Gerichte des Verbringungsstaates nach Art 13 HKindEntfÜbk die Rückgabe verweigert haben, der frühere Aufenthaltsstaat aber die Rückgabe angeordnet hat. Insoweit ist die Einbeziehung in das System der Art 40 ff die logische Konsequenz des Art 11 Abs 8, der, abweichend vom HKindEntfÜbk, den Gerichten des (früheren) Aufenthaltsstaates des Kindes das „letzte Wort“ gibt. Da in nicht wenigen Fällen des Art 13 HKindEntfÜbk die Gerichte des Verbringungsstaates bereits die Verweigerung der Rückführung auf ihren ordre public, jedenfalls aber auf eine schwerwiegende Betroffenheit des Kindeswohls stützen, würden diese Argumente auch wieder der Vollstreckbarerklärung einer nach Art 11 Abs 8 vorrangigen Entscheidung entgegenstehen. Man mag die vom System des HKindEntfÜbk abweichende Regelung des Art 11 Abs 8 durchaus kritisch sehen;15 beließe man es aber vor dem Hintergrund dieser Regelung beim Erfordernis des Exequatur, so liefe Art 11 Abs 8 absehbar leer. d) Eingreifen des vollstreckungsrechtlichen ordre public 9 Nicht ausgeschlossen wird ohnehin die Begrenzung, die das Vollstreckungsverfahren als solches in der öffentlichen Ordnung, insbesondere in den Grundrechten nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates findet. Dem lässt sich nicht der Zweck des Art 40 entgegensetzen,16 denn die beschleunigte Durchsetzung von Rückgabe- oder Umgangstiteln kann kein Selbstzweck sein, der sich über Grundrechte hinwegsetzt. Da die Vollstreckungsmaßnahmen auch im Rahmen der Vollstreckbarkeit nach Art 40 ff dem Recht dieses Staates unterliegen, entscheidet dieses Recht insbesondere auch über die (Un-)Zulässigkeit bestimmter Vollstreckungsmaßnahmen, insbesondere über die Anwendung vollstreckungsrechtlicher Gewalt gegen das Kind selbst.17 Auch Fälle, in denen durch die Zwangsvollstreckung das Leben des Kindes gefährdet ist (Sui-

15 16 17

316

Zutreffend Coster-Waltjen FamRZ 2005, 241, 247; Looschelders JR 2006, 45, 50. So aber Schulte-Bunert FamRZ 2007, 1608, 1609. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1419; Helms FamRZ 2002, 1602; Rauscher EuLF 2005 I-37, I-46.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 40 Brüssel IIa-VO 10-12

zidgefahr)18 müssen ggf auf dieser Ebene gelöst werden, nachdem der ordre public der Vollstreckbarkeit als solcher nicht mehr entgegengehalten werden kann.19 e) Abänderung Soweit der Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung vollstreckt werden soll, eine Ent- 10 scheidungszuständigkeit besitzt, was insbesondere im Fall der Vollstreckung eines Umgangstitels in einem neuen gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Kindes – vorbehaltlich des Art 9 – der Fall ist, bleibt die Möglichkeit der Abänderung der Umgangsentscheidung von der automatischen Vollstreckbarkeit unberührt. Eine Abänderung kann insbesondere erforderlich werden, wenn sich durch den Umzug des Kindes und/oder des Umgangsberechtigten die tatsächlichen Voraussetzungen der Umgangsausübung (Fahrzeiten etc) wesentlich verändert haben. Zur Auswirkung der Abänderung auf die Vollstreckbarkeit vgl Art 41 Rn 9. II.

Anwendungsbereich (Abs 1)

Die erleichterte Vollstreckbarkeit nach Art 40 ff bezieht sich ausschließlich auf die in 11 Abs 1 ausdrücklich genannten Titel. 20 1.

Umgangsrecht (lit a)

a) Für Titel, die ein Umgangsrecht gewähren, gelten Art 40 ff in jedem Fall, sofern 12 die weiteren Voraussetzungen des Art 41 erfüllt sind. Nicht erfasst sind hingegen Titel, die ein Begehren auf gerichtliche Regelung des Umgangs ablehnen; solche Titel sind nur nach Art 21 ff anerkennungsfähig. 21 Dies führt insbesondere dazu, dass ein das Umgangsrecht beschränkender, zugleich aber ein einschränkendes Umgangsrecht (zB begleiteten Umgang) regelnder Titel nur in seinem positiv regelnden Teil Art 40 ff unterliegt. Widerspricht etwa die ausgesprochene Umgangsbeschränkung dem ordre public des Vollstreckungsmitgliedstaates, so kann der Einschränkung dort die Anerkennung versagt werden. Dies kann allerdings nicht dazu führen, dass dem Titel ohne Bestehen einer Abänderungszuständigkeit der Gerichte des Vollstreckungsmitgliedstaates ein anderer Inhalt gegeben wird. Hat zB ein Gericht einen begleiteten Umgang geregelt, so kann zwar ein zuständiges Gericht in einem anderen Mitgliedstaat diese Entscheidung ggf abändern und einen unbegleiteten Umgang anordnen. Jedoch kann nicht im Wege der Nichtanerkennung der angeordneten Begleitung des Umgangs dieser Titel als unbeschränkter Umgangstitel nach Art 40 ff vollstreckt werden. Vollstreckbar ist vielmehr grundsätzlich das Umgangsrecht mit den vom Ursprungsgericht angeordneten Modalitäten. 22

18 19 20 21 22

Vgl BVerfG FamRZ 2005, 1657. Vgl auch Völker jurisPR-FamR 1/2006 Anm 1. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1419. Kommission, Leitfaden 32. Kommission, Leitfaden 33.

Thomas Rauscher

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Art 40 Brüssel IIa-VO 13-16

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

13 b) Der Begriff „Umgangsrecht“ ist in Art 2 Nr 10 legaldefiniert. 23 Vorrangiges Kriterium der Abgrenzung zwischen Umgangs- und sonstigen Sorgerechtsentscheidungen ist danach der vorübergehende Zeitraum, für den in dem Titel das Recht ausgesprochen ist, das Kind an einen anderen Ort als seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort zu verbringen. 24 Erweiternd zu dem engen Wortlaut des Art 2 Nr 10 dürfte auch der Umgang durch Fernkommunikation (Telefon, Brief, E-mail) in den Anwendungsbereich fallen. 25 Auch wenn Art 40 ff vor allem in Fällen Bedeutung erlangen werden, in denen ein Kind (mit dem Sorgeberechtigten) in einen anderen Mitgliedstaat verzogen ist und der Umgangsberechtigte im früheren Aufenthaltsstaat Umgang begehrt, ist die Internationalität der Umgangsausübung nicht notwendige Anwendungsvoraussetzung.26 Nach Art 40 ff vollstreckbar ist beispielsweise auch eine Umgangsregelung, die im bisherigen Aufenthaltsmitgliedstaat des Kindes und des Umgangsberechtigten ergangen ist, wenn alle Beteiligten ihren Aufenthalt in denselben anderen Mitgliedstaat verlegen. 14 c) Erfasst ist nicht nur das Umgangsrecht von Elternteilen, sondern auch das Umgangsrecht Dritter,27 zB des in § 1685 BGB beschriebenen Personenkreises,28 was mittelbar dazu führt, dass solche Umgangsrechte ohne weiteres auch in Mitgliedstaaten vollstreckbar sind, die sich materiell einer solchen Erweiterung des Kreises der Umgangsberechtigten bisher nicht angeschlossen haben.29 15 d) In welchem Verfahren die Umgangsregelung ergangen ist, ist für die Bestimmung des Anwendungsbereichs unerheblich. Insbesondere unterfallen Art 40 ff auch Umgangsentscheidungen im Versäumnisverfahren, für die jedoch die Prüfung der Mindestanforderungen an die Zustellung (Art 41 Abs 2 lit a) besondere Bedeutung hat.30 2.

Rückgabe eines Kindes (lit b)

16 a) Rückgabeanordnungen sind nur in dem Sonderfall des Art 11 Abs 8 erfasst. Nur ein Titel, der in einem Entführungsfall iSd Art 11 Abs 1 iVm dem HKindEntfÜbk im ursprünglichen Aufenthaltsstaat des Kindes ergangen ist, nachdem die Rückführung gemäß Art 13 HKindEntfÜbk durch Gerichte des Verbringungsstaates abgelehnt wurde, ist nach Art 40 ff vollstreckbar. 31 Insoweit stellt die Vollstreckung ohne das Erfordernis des Exequatur eine notwendige Ergänzung des Vorrangs solcher Titel nach Art 11 Abs 8 dar,32 denen anderenfalls regelmäßig der ordre public des Voll23 24 25 26 27 28 29 30

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Dazu Art 2 Rn 23, Art 1 Rn 26. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 10. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 10. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 10; anders wohl Rausch FuR 2005, 112, 115. Kommission, Leitfaden 32. AnwKommBGB /Benicke Rn 4. Deshalb noch gegen eine Einbeziehung KOM (2002) 222 zu Art 45. AnwKommBGB /Gruber Rn 5; anders noch der erste Kommissionsvorschlag KOM (2002) 222, dort Art 46 Abs 2 lit a. EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2974; OLG Celle FamRZ 2007, 1587, 1588. Oben Rn 8.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 40 Brüssel IIa-VO 17-19

streckungsmitgliedstaates, dessen Gerichte die Herausgabe mit qualifizierten Gründen verweigert haben, entgegengehalten würde. Nicht erforderlich ist jedoch, dass die Entscheidung im Verbringungsstaat, mit der die Rückgabe des Kindes versagt wird, rechtskräftig ist;33 die Vollstreckung der gegen die erstinstanzliche Entscheidung im B-Mitgliedstaat getroffenen Rückgabeanordnung des A-Mitgliedstaats wird durch den weiteren Verfahrensfortgang im B-Mitgliedstaat nicht mehr berührt. 34 b) Andere auf die Herausgabe des Kindes gerichtete Titel können hingegen nur 17 nach Art 21 ff, 28 ff vollstreckt werden.35 Dies gilt insbesondere auch für primäre Anordnungen der Herausgabe des Kindes, die mit einer das Sorgerecht oder Aufenthaltsbestimmungsrecht abändernden Entscheidung verbunden sind. Erst recht nicht in den Anwendungsbereich der Art 40 ff fallen Entscheidungen über die Verteilung des Sorgerechts, die ohnehin regelmäßig nicht vollstreckungsfähig sind, sondern nur der Anerkennung nach Art 21 ff unterliegen. III. Verhältnis zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung (Abs 2)

Die Möglichkeit einer Vollstreckung nach Art 40 ff steht der Vollstreckung nach 18 Art 28 ff nicht entgegen (Abs 2). Insbesondere kann der Antrag auf Vollstreckbarerklärung nicht wegen Fehlens eines Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen werden. Träger der elterlichen Verantwortung, zu denen insbesondere der aus dem Titel begünstigte Umgangsberechtigte gehört, haben also ein Wahlrecht36 zwischen den beiden Wegen der Erlangung der Vollstreckbarkeit. Dies gilt auch dann noch, wenn für den Titel bereits eine Bescheinigung nach Art 41 oder Art 42 erteilt wurde. Soweit Umgangsberechtigte, die nicht Eltern sind, in den in Art 2 Nr 8 legaldefinierten Begriff des „Trägers elterlicher Verantwortung“ nicht einbezogen sind,37 ist Abs 2 gleichwohl auch auf solche Umgangsberechtigte zu erstrecken. 38 Ein negativer Feststellungsantrag nach Art 21 Abs 3, der darauf abzielt, die Anerken- 19 nungsunfähigkeit der Entscheidung festzustellen, kann hingegen nur so lange gestellt werden, wie eine Bescheinigung nach Art 41 oder 42 noch nicht erteilt ist. 39 Nach Erteilung der Bescheinigung würde ein negativer Feststellungsantrag im Vollstreckungsmitgliedstaat zur Umgehung des Grundsatzes führen, dass gegen den bescheinigten und damit vollstreckbaren Titel ein Rechtsbehelf dort nicht stattfindet (Art 43 33 34 35 36

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39

EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2976; Schulz FamRZ 2008, 1732, 1733. EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2976; dazu Art 42 Rn 9. OLG Celle FamRZ 2007, 1587, 1588. EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2974; Gruber FamRZ 2005, 1603, 1607; Schulz FamRZ 2008, 1732, 1734. Dazu Art 2 Rn 24. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 12: Redaktionsversehen, da im ursprünglichen Entwurf solche umgangsberechtigten Personen von Art 40 ff insgesamt nicht erfasst waren, deren Umgangstitel also nur nach Art 28 ff vollstreckbar gewesen wären. EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2974; Schulz FamRZ 2008, 1732, 1734.

Thomas Rauscher

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Art 40 Brüssel IIa-VO, 20, 21 B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Art 41 Brüssel IIa-VO Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Abs 2). Wurde hingegen auf einen vor Erteilung der Bescheinigung im A-Mitgliedstaat gestellten negativen Feststellungsantrag die Anerkennungsunfähigkeit festgestellt, so ergibt sich ein Entscheidungskonflikt, wenn sodann noch die Bescheinigung nach Art 41 oder 42 erteilt wird: 20 In Fällen, in denen in einem Verfahren nach Art 11 die Rückgabe des Kindes im B-Mitgliedstaat verweigert wurde, der A-Mitgliedstaat nach Art 11 Abs 8 die Rückgabe anordnet und, noch ehe diese Entscheidung nach Art 42 bescheinigt wird, im B-Mitgliedstaat ein negatives Anerkennungsfeststellungsverfahren eingeleitet wird, muss sich nach dem Sinn und Zweck des Art 11 Abs 8 gleichwohl die sodann bescheinigte Entscheidung des A-Mitgliedstaats durchsetzen, auch wenn damit eine weitere Entscheidung des B-Mitgliedstaats desavouiert wird. Zweckentsprechender erschiene es in diesem Fall, entgegen der Ansicht des EuGH40 schon einen auf die Feststellung der Anerkennungsunfähigkeit gerichteten Antrag im B-Mitgliedstaat als unzulässig anzusehen, denn nach der Systematik des Art 11 Abs 6 bis 8 soll der B-Mitgliedstaat ersichtlich nicht befugt sein, die abschließende Entscheidung im A-Mitgliedstaat abzuwehren. 21 Nicht ebenso eindeutig ist die Situation der Umgangsentscheidung zu beurteilen, weil dieser kein Verfahren nach Art 11 vorausgeht, in dem Vor- und Nachrang eindeutig festgelegt sind. Die Ansicht des EuGH, bis zur Bescheinigung der Umgangsentscheidung im Ursprungsstaat sei auch ein negativer Anerkennungsfeststellungsantrag im potentiellen Vollstreckungsmitgliedstaat zulässig, würde obsolet, könnte der aus dem Umgangstitel Berechtigte dessen Vollstreckung immer noch über Art 40, 41 erreichen, auch wenn im Vollstreckungsmitgliedstaat ein negatives Anerkennungsfeststellungsurteil ergangen ist. Vielmehr schafft die negative Anerkennungsfeststellung ein Vollstreckungshindernis nach Art 47 Abs 2 S 2. In diesem Fall wird man den EuGH also so verstehen müssen, dass es zu einem Wettlauf der Beteiligten kommt, den ggf der Titelschuldner durch negative Anerkennungsfeststellung nach Art 21 Abs 3 abschließend gewinnen kann.

Artikel 41

Umgangsrecht (1) Eine in einem Mitgliedstaat ergangene vollstreckbare Entscheidung über das Umgangsrecht im Sinne des Artikels 40 Absatz 1 Buchstabe a), für die eine Bescheinigung nach Absatz 2 im Ursprungsmitgliedstaat ausgestellt wurde, wird in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und kann dort vollstreckt werden, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. Auch wenn das nationale Recht nicht vorsieht, dass eine Entscheidung über das Umgangsrecht ungeachtet der Einlegung eines Rechtsbehelfs von Rechts wegen vollstreckbar ist, kann das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats die Entscheidung für vollstreckbar erklären. 40

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EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2975.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 41 Brüssel IIa-VO

(2) Der Richter des Ursprungsmitgliedstaats stellt die Bescheinigung nach Absatz 1 unter Verwendung des Formblatts in Anhang III (Bescheinigung über das Umgangsrecht) nur aus, wenn a) im Fall eines Versäumnisverfahrens das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück der Partei, die sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass sie sich verteidigen konnte, oder wenn in Fällen, in denen bei der Zustellung des betreffenden Schriftstücks diese Bedingungen nicht eingehalten wurden, dennoch festgestellt wird, dass sie mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist; b) alle betroffenen Parteien Gelegenheit hatten, gehört zu werden, und c) das Kind die Möglichkeit hatte, gehört zu werden, sofern eine Anhörung nicht aufgrund seines Alters oder seines Reifegrads unangebracht erschien. Das Formblatt wird in der Sprache ausgefüllt, in der die Entscheidung abgefasst ist. (3) Betrifft das Umgangsrecht einen Fall, der bei der Verkündung der Entscheidung einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist, so wird die Bescheinigung von Amts wegen ausgestellt, sobald die Entscheidung vollstreckbar oder vorläufig vollstreckbar wird. Wird der Fall erst später zu einem Fall mit grenzüberschreitendem Bezug, so wird die Bescheinigung auf Antrag einer der Parteien ausgestellt. I. Unmittelbare Vollstreckbarkeit (Abs 1) 1. Vollstreckbarkeit aufgrund unanfechtbarer Bescheinigung (Abs 1 S 1) a) Vollstreckbarkeit ohne Exequatur b) Automatische Anerkennung . . . . . c) Keine Anfechtung der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Durchführung der Vollstreckung e) Abänderung der Entscheidung . . . f) Widersprechende Entscheidungen 2. Autonome Vollstreckbarerklärung unbeschadet nationalen Rechts (Abs 1 S 2) a) Autonome vorläufige Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inlandswirkung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Thomas Rauscher

II. Bescheinigung (Abs 2)

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11 12 14

1. Verfahren a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Form, Inhalt, Sprache . . . . . . . . . . . . . c) Keine Beteiligung des Vollstreckungsadressaten . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung (Abs 2 S 1 lit a bis c) a) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustellung in Versäumnisverfahren (Abs 2 lit a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anhörung betroffener Parteien (Abs 2 lit b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anhörung des Kindes (Abs 2 lit c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausstellung von Amts wegen/auf Antrag (Abs 3) a) Auslandsbezug im Zeitpunkt der Entscheidung (Abs 3 S 1) . . . . . . . . . b) Später eintretender grenzüberschreitender Bezug (Abs 3 S 2) . . .

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Art 41 Brüssel IIa-VO 1- 4

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

I.

Unmittelbare Vollstreckbarkeit (Abs 1)

1.

Vollstreckbarkeit aufgrund unanfechtbarer Bescheinigung (Abs 1 S 1)

a) Vollstreckbarkeit ohne Exequatur 1 Eine Entscheidung erlangt die Vollstreckbarkeit in allen Mitgliedstaaten aufgrund einer Bescheinigung des Ursprungsmitgliedstaats. Eine Entscheidung, für die eine solche Bescheinigung erteilt wurde, wird in allen Mitgliedstaaten anerkannt und kann vollstreckt werden. Die Vollstreckbarkeit umfasst den gesamten Inhalt der Entscheidung. Insbesondere sind grundsätzlich alle Details einer Umgangsregelung von der Vollstreckbarkeit erfasst1 und lassen sich nicht in ihrer Anerkennungs- und Vollstreckungsfähigkeit aufspalten. 2 Die Bescheinigung, deren Erteilung Abs 2 im Einzelnen regelt, ersetzt damit zum einen das im Anerkennungs- und Vollstreckungssystem des 1. und 2. Abschnitts (Art 21 ff) vom Vollstreckungsmitgliedstaat zu erteilende Exequatur,2 dessen es im Rahmen der Art 40 ff nicht mehr bedarf. Dies gilt jedoch ausschließlich für die in Art 40 ausdrücklich genannten Entscheidungen, alle anderen Entscheidungen im Anwendungsbereich der VO sind ausschließlich aufgrund eines Exequaturverfahrens nach Art 28 ff vollstreckbar. 3 Da die gesamte Exequaturprüfung durch das formelle Vorliegen der Bescheinigung ersetzt wird3 und diese die Vollstreckungsorgane des Vollstreckungsmitgliedstaates bindet, kommt der Ordnungsmäßigkeit der Bescheinigung erhebliche Bedeutung zu. Die Vollstreckung ist daher abzulehnen, wenn die Bescheinigung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht von dem zuständigen Richter erteilt wurde, aber auch, wenn sie lückenhaft oder unvollständig ausgefüllt ist und dadurch zu erkennen gibt, dass der Richter im Ursprungsmitgliedstaat die nach Abs 2 gebotene Prüfung nicht oder nicht mit der gehörigen Sorgfalt durchgeführt hat. b) Automatische Anerkennung 4 Die Bescheinigung ersetzt aber auch – unbeschadet der Möglichkeit einer negativen Anerkennungsfeststellung vor Ausstellung der Bescheinigung4 – die Anerkennungsprüfung. Im Rahmen eines Exequaturverfahrens, wo sie sonst implizit nach Art 21 ff durchgeführt wird, findet eine Anerkennungsprüfung nicht statt, da kein Exequaturverfahren stattfindet. Eine Anerkennungsprüfung findet aber auch nicht implizit in sonstigen Verfahren statt. Vielmehr statuiert Abs 1 S 1 die automatische Anerkennung in allen Mitgliedstaaten („wird ... anerkannt“).5 Im Vollstreckungsverfahren erlangt dies zwar keine eigenständige Bedeutung. Hat sich jedoch ein nach Art 8 ff zu-

1 2 3 4 5

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Kommission, Leitfaden 32. App Milano Riv dir int priv proc 2007, 739. AnwKommBGB /Benicke Rn 7. Dazu Art 40 Rn 18 f. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 1; Rauscher EuLF 2005 I-37, I-45; Solomon FamRZ 2004, 1409, 1418.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 41 Brüssel IIa-VO 5-7

ständiges Gericht eines anderen Mitgliedstaates mit dem Gegenstand der nach Abs 1 bestätigten Entscheidung erneut zu befassen, so hat es ebenfalls von deren Anerkennung auszugehen. Jede weitere Entscheidung ist damit als Abänderung dieser Entscheidung zu behandeln, die zwar in Umgangssachen regelmäßig möglich sein wird, aber ggf im materiellen Kindschaftsrecht von einschränkenden Voraussetzungen abhängig sein kann. Erhebliche Teile der Anerkennungsprüfung nach Art 23 gehen allerdings in den Kri- 5 terien für die Erteilung der Bescheinigung nach Abs 2 lit a bis c6 auf (Zustellung und Anhörungserfordernisse), bzw sind im eigentlichen Vollstreckungsverfahren durchzusetzen7 (insbesondere widersprechende Entscheidungen). Selbst der ordre public des Vollstreckungsmitgliedstaates erlangt im Vollstreckungsverfahren eine gewisse Bedeutung.8 c) Keine Anfechtung der Anerkennung Die ex lege eintretende Anerkennung kann weder im Ursprungs- noch im Vollstre- 6 ckungsmitgliedstaat angefochten werden. Insbesondere können daher die in Art 23 aufgeführten Anerkennungsversagungsgründe in einem Mitgliedstaat nicht der Vollstreckung der mit der Bescheinigung versehenen Entscheidung entgegengehalten werden.9 d) Durchführung der Vollstreckung Die Durchführung der Vollstreckung beurteilt sich auch im Anwendungsbereich der 7 Art 40 ff nach der lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaats (Art 47). In Deutschland bestimmt sich die Zuständigkeit für Vollstreckungsmaßnahmen für die Zwangsvollstreckung nach den Artikeln 41 und 42 gemäß § 10 IntFamRVG: Zuständig ist das Familiengericht, in dessen Zuständigkeitsbereich zum Zeitpunkt der Antragstellung 1. die Person, gegen die sich der Antrag richtet, oder das Kind, auf das sich die Entscheidung bezieht, sich gewöhnlich aufhält oder 2. bei Fehlen einer Zuständigkeit nach Nummer 1 das Interesse an der Feststellung hervortritt oder das Bedürfnis der Fürsorge besteht, 3. sonst das im Bezirk des Kammergerichts zur Entscheidung berufene Gericht. Die Zuständigkeitskonzentration gemäß §§ 12, 13 IntFamRVG10 erfasst auch diese Verfahren, so dass insbesondere im Bezirk jedes OLG nur ein Familiengericht nach § 12 IntFamRVG für solche Verfahren zuständig ist.

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Unten Rn 24 ff. Dazu unten Rn 7 f. Dazu Art 40 Rn 9. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 1; Rauscher EuLF 2005 I-37, I-45. Dazu Art 21 Rn 38 ff.

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B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

8 Im Rahmen der Vollstreckung nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates greift nicht nur ggf der vollstreckungsrechtliche ordre public ein.11 In Betracht kommen auch die lege fori statthaften Maßnahmen zur Einstellung der Zwangsvollstreckung. Da die VO, anders als Art 23 EG-VollstrTitelVO keine autonomen Bestimmungen zur Aussetzung der Zwangsvollstreckung bei Einlegung von Rechtsbehelfen einschließlich der Berichtigungsklage nach Art 43 Abs 1 enthält, ist auch insoweit die lex fori maßgeblich. Auch die Frage, ob bei Einlegung einer Beschwerde zum EuGMR ggf die Zwangsvollstreckung auszusetzen ist, bestimmt sich lege fori. e) Abänderung der Entscheidung 9 Einigkeit bestand offenbar zwischen den Delegationen im Rat, dass die Anerkennung und Vollstreckung einer inzwischen im Ursprungsmitgliedstaat abgeänderten Entscheidung auch nach Art 40 ff nicht möglich sein dürfe.12 Da die VO hierzu keine Regelung enthält, insbesondere Art 35 auf das Exequaturverfahren zugeschnitten ist und nicht auf das Verfahren nach Art 40 ff übertragbar ist, kann diesem Ziel nur im Rahmen des vom nationalen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates beherrschten (Art 47 Abs 1) Vollstreckungsverfahrens entsprochen werden. Der Vollstreckungsadressat ist also im Rahmen der gegen die Vollstreckung (nicht die Vollstreckbarkeit!) statthaften Rechtsbehelfe mit dem Vortrag zu hören, die Entscheidung sei inzwischen im Ursprungsmitgliedstaat, sei es im Instanzenzug, sei es in einem Abänderungsverfahren, geändert worden. Da § 44 IntFamRVG eine Regelung der gegen die Zwangsvollstreckung statthaften Rechtsbehelfe nicht enthält, dürfte nur eine entsprechende Anwendung der für die Vollstreckung von Umgangs- und Herausgabetiteln geltenden §§ 92 ff FamFG in Betracht kommen. f) Widersprechende Entscheidungen 10 Nicht durch die VO geklärt ist auch die Frage, in welchem Verhältnis die nach Abs 1 vollstreckbare Entscheidung zu widersprechenden Entscheidungen steht, die von Gerichten des Vollstreckungsmitgliedstaates erlassen wurden oder in diesem Staat anzuerkennen sind.13 Diese – im Exequaturverfahren nach Art 28 ff durch Art 23 lit e, f geklärte – Frage wurde seitens der Kommission in der Begründung zur ersten Vorschlagsfassung dahingehend angesprochen, eine Berufung auf Unvereinbarkeit iSd Art 23 lit e und f „sollte stets möglich sein“;14 diese Ansicht findet in Art 47 Abs 2 ihren Niederschlag,15 ohne dass allerdings Art 47 Abs 2 einen ausdrücklichen autonomen Rechtsbehelf zur verfahrensrechtlichen Bewältigung des Konflikts mit widersprechenden Entscheidungen bereitstellt.16 Es kann nur gefolgert werden, dass der Vorrang einer später ergangenen vollstreckbaren unvereinbaren Entscheidung im Sin11 12 13 14 15 16

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Dazu Art 40 Rn 9. Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 11.8.2003, 12006/03, 2. Zur Behandlung negativer Anerkennungsfeststellungsentscheidungen Art 40 Rn 19, 20. KOM (2002) 222, dort noch bezogen auf Art 44 des Entwurfs und Art 15 Abs 2 Brüssel II-VO. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1419. Vgl Art 47 Rn 7.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 41 Brüssel IIa-VO 11-13

ne von Art 23 lit e und f als selbstverständlich angesehen wurde, weil eine solche Entscheidung immer als Abänderungsentscheidung verstanden werden muss. In welcher Weise dieser Vorrang verfahrenstechnisch durchzusetzen ist, entscheidet wiederum17 die lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaates. 2.

Autonome Vollstreckbarerklärung unbeschadet nationalen Rechts (Abs 1 S 2)

a) Autonome vorläufige Vollstreckbarkeit Entscheidungen im Anwendungsbereich des Art 40 sind nicht notwendig vorläufig 11 vollstreckbar, solange gegen sie im Ursprungsmitgliedstaat Rechtsbehelfe noch zulässig oder bereits eingelegt sind. Abs 1 S 2 greift insoweit in das nationale Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaates ein und gestattet es unbeschadet dessen Regelungen dem Ursprungsgericht, die Entscheidung für vollstreckbar zu erklären. Ziel der Regelung ist es, eine Verzögerung der Vollstreckung durch dilatorische Rechtsbehelfe zu vermeiden.18 Die Bestimmung ermöglicht jedenfalls die Ausstellung der Bescheinigung nach Abs 2, bevor lege fori die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist.19 b) Inlandswirkung? Nach seinem Wortlaut bezieht sich Abs 1 S 2 jedoch auch auf die interne Rechtslage 12 im Ursprungsmitgliedstaat; da die Anwendung der Art 40 ff nicht per se von einem Auslandsbezug abhängt und ein bei Erlass der Entscheidung fehlender Auslandsbezug nur dazu führt, dass die Bescheinigung nicht von Amts wegen ausgestellt wird (Abs 3), eröffnet Abs 1 S 2 die Möglichkeit, auf Antrag einer Partei (Abs 3) die Bescheinigung auszustellen und zugleich eine vorläufige Vollstreckbarkeit mit Inlandswirkung anzuordnen, auch wenn diese lege fori nicht vorgesehen ist. Zwar hat das Gericht die Anordnung nach Abs 1 S 2 nur nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen; die entsprechenden Voraussetzungen können jedoch bei reinen Inlandsfällen ebenso vorliegen wie bei Auslandsbezug. Diese Konsequenz ist zwar höchst bedenklich, weil reinen Inlandsfällen gewiss der 13 Binnenmarktbezug fehlt und deshalb eine gemeinschaftsrechtliche Regelungskompetenz schwerlich besteht. Andererseits lässt sich kaum eine geeignete teleologische Reduktion der Norm nach objektiven Kriterien finden, die eine rein interne Auswirkung der Vollstreckbarerklärung vermeidet, zumal die Kommission den Auslandsbezug iSd Abs 3 recht großzügig gehandhabt sehen will. 20 Eine das nationale Verfahrensrecht auch ohne Auslandsbezug modifizierende Wirkung lässt sich also nur im Rahmen der Ermessensausübung des Gerichts vermeiden.

17 18 19 20

Vgl schon Rn 7. Kommission, Leitfaden 33. Vgl Geimer/Schütze/Paraschas Rn 2. Vgl Kommission, Leitfaden 34: Sitz des Gerichts nahe einer EG-Binnengrenze oder Staatsangehörigkeit eines Elternteils zu einem anderen Mitgliedstaat.

Thomas Rauscher

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Art 41 Brüssel IIa-VO 14-17

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

c) Ermessen 14 Das Gericht trifft die Entscheidung gemäß Abs 1 S 2 nach billigem Ermessen. Während die Bescheinigung gemäß Abs 2 bei Vorliegen der Voraussetzungen, die das Gericht lediglich zu beurteilen hat, erteilt werden muss, ist das Gericht auch auf Antrag nicht gehalten, die vorläufige Vollstreckbarkeit herzustellen. Entsprechend dem Normzweck kommt die Entscheidung insbesondere in Betracht, wenn durch einen Rechtsbehelf eine dem Kindeswohl abträgliche Verzögerung zu besorgen ist. In die Abwägung sind aber auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs einzubeziehen und nur bei absehbar geringer Erfolgsaussicht ist die vorläufige Vollstreckbarkeit herzustellen.21 II.

Bescheinigung (Abs 2)

1.

Verfahren

a) Zuständigkeit 15 aa) Die Bescheinigung stellt der Richter des Ursprungsmitgliedstaats aus. Diese Formulierung wirft zwei Streitfragen auf. Zum einen erscheint fraglich, ob die Verwendung des Begriffs „Richter“ im Sinn eines funktionalen Richterbegriffs zu verstehen ist, also eine Zuweisung lege fori an den Rechtspfleger bzw Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ausschließt. Auch wenn dafür der Vergleich zur ursprünglichen Vorschlagsfassung („Gericht im Ursprungsmitgliedstaat“)22 zu sprechen scheint,23 dürfte es doch einigermaßen gewagt sein, dem Europäischen Verordnungsgeber eine implizite funktionale Differenzierung zwischen dem Richter und dem Rechtspfleger zu unterstellen. Der Begriff ist in Art 2 Nr 2 legaldefiniert und schließt jeden Amtsträger ein, der lege fori entscheidungszuständig ist. Daraus lässt sich – unbeschadet der funktionalen Entscheidungszuständigkeit – folgern, dass die Bescheinigung von einem entscheidungszuständigen „Richter“ ausgestellt werden muss und diese Aufgabe nicht einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle übertragen werden kann.24 16 Zudem dürfte der Übergang vom „Gericht“ zum „Richter“ vor dem Hintergrund der sogleich zu erörternden zweiten Streitfrage zu verstehen sein. Folgt man zu jener Frage25 der hier vertretenen Ansicht, dass das die Entscheidung erlassende Gericht auch bestätigungszuständig ist, so erklärt sich die Verwendung des Begriffs „Richter“ zwanglos in dem Sinn, dass die Bestätigung durch den die Entscheidung erlassenden Spruchkörper und nicht lediglich durch irgendeinen Richter desselben Gerichts ergeht. 17 bb) Die zweite Streitfrage lautet, ob autonom zwingend nach dieser Regelung der erkennende Richter selbst die Bescheinigung ausstellt26 oder ob diese Funktion durch 21 22 23 24 25

326

Geimer/Schütze/Paraschas Rn 2. KOM (2002) 222/2 dort Art 46 Abs 2. So Geimer/Schütze/Paraschas Rn 10. Insoweit zutreffend Geimer/Schütze/Paraschas Rn 10. Sogleich Rn 17.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 41 Brüssel IIa-VO 18, 19

nationale Ausführungsgesetze auch auf einen anderen Richter im Ursprungsmitgliedstaat übertragen werden kann.27 Zwar scheint für die zweite Ansicht ein Vergleich mit Art 42 Abs 2 zu sprechen, der die Kompetenz für die Bescheinigung ausdrücklich dem Richter zuweist, der die Entscheidung iSd Art 40 Abs 1 lit b erlassen hat. Die Frage muss aber auch vor dem Hintergrund der Diskussion zum Parallelproblem in der EGVollstrTitelVO gesehen werden. Dort war zunächst die Bestätigung durch das Ursprungsgericht vorgeschlagen worden; mit Rücksicht auf Bedenken gegen die Qualität einer reinen Eigenkontrolle regelt nun aber Art 6 Abs 1 Hs 1 EG-VollstrTitelVO nur noch die Zuständigkeit zur Entgegennahme des Bestätigungsantrags und überlässt die Bestätigungszuständigkeit den nationalen Ausführungsgesetzen.28 Offenkundig hat ein solcher Tendenzwechsel im Rahmen der Art 40 ff nicht stattgefunden; sowohl Art 41 Abs 2 als auch Art 42 Abs 2 regeln weiter die Bescheinigungszuständigkeit, nicht bloß eine Entgegennahmezuständigkeit. Auch eine bewusste Differenzierung zwischen Art 41 Abs 2 und Art 42 Abs 2 liegt eher fern. Die unterschiedliche Formulierung geht auf den Ratsvermerk vom 30.4.200329 zurück und erweckt eher den Eindruck, als solle mit der Wendung in Art 42 Abs 2 angesichts der Beteiligung zweier Staaten im Verfahren nach Art 11 Abs 8 eine eindeutigere Kennzeichnung des zuständigen Gerichts erreicht werden, als dies mit der Verwendung des Wortes „Ursprungsmitgliedstaat“ möglich gewesen wäre. Die Annahme, der Formulierungsunterschied stelle eine bewusste differenzierende Lösung des Zuständigkeitsproblems dar, ist jedenfalls eine bloße Hypothese, die angesichts der klaren Lösung in der EG-VollstrTitelVO unwahrscheinlich ist. Im Ergebnis spricht also viel dafür, dass Art 41 Abs 2 und Art 42 Abs 2 die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts bestimmen, so wie dies auch in der EG-VollstrTitelVO vorgesehen war, dort aber aufgrund nachhaltiger Einwände geändert wurde. cc) Das deutsche IntFamRVG weist die Zuständigkeit gemäß § 48 Abs 2 beim Ge- 18 richt des ersten Rechtszugs dem Familienrichter zu, vor dem OLG und dem BGH dem Vorsitzenden des Senats für Familiensachen, also dem die Entscheidung erlassenden Spruchkörper des Gerichts. b) Form, Inhalt, Sprache aa) Die Bescheinigung ist auf dem Formblatt nach Anhang III zu dieser VO zu ertei- 19 len. Dadurch soll gewährleistet werden, dass das bestätigende Gericht die in Ziff 8 des Formblatts genannte Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat prüft, ggf nach Abs 1 S 2 herstellt und die in Abs 2 genannten Kautelen, deren Einhaltung es ausdrücklich bestätigt (Ziff 9 bis 11 des Formblatts), auch tatsächlich prüft.30 Die Kommission empfiehlt darüber hinaus, obgleich das Formblatt dies nicht vorsieht, auch eine Begründung aufzunehmen, wenn von der Einhaltung bestimmter Kautelen abgesehen wurde, insbesondere, wenn die Anhörung des Kindes untunlich erschien. 31 26 27 28 29 30 31

So Meyer-Götz/Noltemeier FPR 2004, 296, 299. So Geimer/Schütze/Paraschas Rn 11. Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (2004) Rn 72. Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 30.4.2003, 8281/03. Kommission, Leitfaden 33. Kommission, Leitfaden 33.

Thomas Rauscher

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Art 41 Brüssel IIa-VO 20-24

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Ist eine Umgangsregelung aus einer öffentlichen Urkunde oder Parteivereinbarung iSd Art 46 zu bestätigen, so bedarf es entsprechender Modifikationen des Formblatts, das nur auf gerichtliche Entscheidungen zugeschnitten ist. 32 20 bb) Formale Angaben zu den Beteiligten und deren Anschriften sollen den Vollstreckungsorganen des Vollstreckungsmitgliedstaates die Durchführung der Vollstreckung erleichtern. 33 Zudem sieht das Formblatt in Ziff 12 eine detaillierte Darstellung von Modalitäten des Umgangs vor, die das Ursprungsgericht angeordnet hat. 21 cc) Schwer erreichbar dürfte hingegen der weitere Zweck sein, der mit Formblättern im Anhang zu Verordnungen des EuZPR häufig verbunden ist, die Verständlichkeit unbeschadet der verwendeten Sprache. Auszustellen ist das Formblatt in der Sprache der zu vollstreckenden Entscheidung (Abs 2 S 2). Da die Vollstreckung einer Umgangsregelung ohne Kenntnis der angeordneten Modalitäten nicht möglich ist und diese, sowie eventuelle zusätzlich aufgenommene Begründungen34 Klartextmengen erfordern, die erheblich über die aus den bisherigen EuZPR-Formblättern bekannten hinausgehen, gewährleistet die Verwendung des Formblatts damit die Verständlichkeit in anderen Mitgliedstaaten nicht. 22 dd) Die Notwendigkeit einer Übersetzung in eine Amtssprache des Vollstreckungsmitgliedstaates ergibt sich aus Art 45 Abs 2.35 c) Keine Beteiligung des Vollstreckungsadressaten 23 Eine Beteiligung des Vollstreckungsadressaten, insbesondere dessen Anhörung, ist im Verfahren zur Erteilung der Bescheinigung nicht vorgesehen. Da die durch die Bescheinigung eintretende Anerkennungswirkung nicht anfechtbar ist (Abs 1 S 1) und auch im Ursprungsstaat nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen werden kann (Art 43 Abs 2), bleibt dem Vollstreckungsadressaten einzig die Möglichkeit, gegen Fehler bei Erteilung der Bescheinigung deren Berichtigung im Ursprungsstaat (Art 43 Abs 1) zu beantragen. 36 2.

Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung (Abs 2 S 1 lit a bis c)

a) Bedeutung 24 Kernstück der Ersetzung der Anerkennungsprüfung durch die Bescheinigung nach Abs 1 ist die nach Abs 2 S 1 lit a bis c anzustellende Prüfung seitens des Richters im Ursprungsmitgliedstaat. Die in lit a bis c genannten Kriterien sind inhaltlich Art 23 lit b, c und d nachgebildet, wenn auch der Prüfungsmaßstab aufgrund der Verlagerung der Prüfungskompetenz auf den Richter im Ursprungsmitgliedstaat auf das Recht dieses Staates verlagert ist.37 Hinzu kommt, dass die Versagungsgründe aus Art 23 lit e, f kei32 33 34 35 36

328

Geimer/Schütze/Paraschas Rn 13. Kommission, Leitfaden 33. Oben Rn 19. Dazu näher Art 45 Rn 9 ff. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 4; vgl im Einzelnen hierzu Art 43.

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Art 41 Brüssel IIa-VO 25, 26

neswegs entfallen, sondern im Vollstreckungsverfahren nach Maßgabe des Rechts des Vollstreckungsmitgliedstaates geltend zu machen sind.38 Problematisch ist vor diesem Hintergrund, sieht man vom weitgehenden Entfall einer ordre public-Kontrolle ab, nicht eine Reduzierung der Kontrollkriterien, sondern die Verlagerung auf das Ursprungsgericht, die eine bloße Selbstkontrolle darstellt. 39 b) Zustellung in Versäumnisverfahren (Abs 2 lit a) Abweichend vom ursprünglichen Kommissionsvorschlag kann auch für Versäumnis- 25 entscheidungen die Bescheinigung erteilt werden.40 Beruht die Umgangsentscheidung auf einem Versäumnisverfahren, so kann die Bescheinigung nur erteilt werden, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück der säumigen Partei rechtzeitig und in einer die Verteidigung ermöglichenden Weise zugestellt wurde oder wenn dennoch festgestellt wird, dass diese Partei mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist. Die Formulierung des Abs 2 lit a greift – in den wesentlichen Kriterien wörtlich – die Formulierung des Art 23 lit c auf, verfolgt denselben Zweck und ist deshalb in derselben Weise auszulegen. 41 Insoweit ist auch der Prüfungsmaßstab derselbe, weil die Art und Weise, in der die Zustellung zu erfolgen hatte, auch im Rahmen des Art 23 lit c nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates einschließlich EG-rechtlicher und völkerrechtlicher Regelungen zu beurteilen ist. Bewertungsunterschiede können sich gleichwohl deshalb ergeben, weil der Schwerpunkt der Prüfung nicht auf einer formalen Ordnungsgemäßheit liegt, sondern Wertungen (Rechtzeitigkeit, Verteidigungsmöglichkeit) erfordert. Der Ursprungsrichter wird, sofern er nicht über bemerkenswerte Dialektik verfügt, eher geneigt sein, die im Ursprungsmitgliedstaat übliche Praxis einer Zustellung für ausreichend zu halten als ein von außen auf diese Rechtsordnung blickender europäischer Jurist. c) Anhörung betroffener Parteien (Abs 2 lit b) aa) Der bescheinigende Richter hat weiter zu prüfen, ob „alle betroffenen Parteien“ 26 Gelegenheit hatten, gehört zu werden. Welche „Parteien“, was auch in diesem Kontext aus deutscher Sicht als „Beteiligte“ zu lesen ist, im Sinn dieser Regelung betroffen sind, entscheidet das Recht des Ursprungsmitgliedstaates. 42 Zwar soll dieses Kriterium den in Art 23 lit d enthaltenen Gedanken aufgreifen, wobei die Erwartung zugrunde lag, die Meinung eines Trägers elterlicher Verantwortung werde „normalerweise berücksichtigt“;43 diese Erwartung impliziert freilich den „Normalfall“. Gewiss wird man davon ausgehen dürfen, dass in ganz Europa miteinander verheiratete Eltern ver37

KOM (2002) 222 zum dortigen Art 44.

38

Dazu oben Rn 10. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1419. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 5. Im Einzelnen zu den Voraussetzungen der Zustellung Art 23 Rn 10 ff, zum eindeutigen Einverständnis Art 23 Rn 14. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 5. So KOM (2002) 222 zu Art 44 des ursprünglichen Verordnungsvorschlags.

39 40 41

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Art 41 Brüssel IIa-VO 27, 28

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schiedenen Geschlechts als sorgeberechtigt angesehen werden und deshalb auch anzuhören sind. Problematisch sind aber die Nicht-Normalfälle, deren es angesichts der hohen Dynamik, mit der sich Sorgerecht an veränderte gesellschaftliche Familienbilder anpasst, doch einige gibt. In solchen neueren Bereichen der Zuweisung elterlicher Verantwortung, insbesondere in Ansehung nicht mit der Mutter verheirateter Väter oder hinsichtlich einer Sorgeberechtigung gleichgeschlechtlicher Lebens- oder Ehepartner, ist keineswegs sichergestellt, dass das Ursprungsgericht auch nur das Bestehen einer solchen Sorgeberechtigung ebenso beurteilt wie der potentielle Vollstreckungsmitgliedstaat. 44 Da Umgangsregelungen auch das Umgangsrecht anderer Personen beschränken können, sind zudem Fälle möglich, in denen Umgangsberechtigte, die nicht Eltern sind, von einer Entscheidung betroffen sind, ohne dass sie angehört wurden. 27 bb) Die Modalitäten der Anhörung, denen im Ursprungsverfahren genügt sein muss, bestimmen sich ebenfalls nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates. Insbesondere enthält lit b keine autonomen Festlegungen zu Mitteilungen und Zustellungen an zunächst nicht formell am Verfahren beteiligte Personen. Nicht autonom erforderlich ist insbesondere, dass der Anzuhörende sich tatsächlich geäußert hat. Auch hier liegt Spannungspotential begründet, wenn es zB nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates genügt, dass einem Beteiligten vor einer Jugendbehörde oder durch einen Sachverständigen Gehör gewährt wird, während der Vollstreckungsmitgliedstaat Unmittelbarkeit erwarten würde. d) Anhörung des Kindes (Abs 2 lit c) 28 Voraussetzung der Erteilung der Bescheinigung ist schließlich, dass das Kind die Möglichkeit hatte, gehört zu werden, sofern eine Anhörung nicht aufgrund seines Alters oder seines Reifegrades unangebracht erschien. Die Bestimmung parallelisiert Art 23 lit b und trägt wiederum das Problem des unterschiedlichen Beurteilungsmaßstabes in sich. Vor dem Hintergrund der zu Art 23 lit b ersichtlich einhellig vertretenen und sich auch aus dem Wortlaut des Art 23 lit b ergebenden Ansicht, dass das Recht des Anerkennungsstaates im Rahmen der Anerkennungsprüfung den Maßstab für die Erforderlichkeit der Kindesanhörung setzt,45 erscheint es naheliegend, hier zu Abs 2 lit c die Beurteilung dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates zu überlassen. 46 Allerdings unterscheidet sich lit c im Wortlaut deutlich von Art 23 lit b und enthält durchaus materielle Kriterien, die als Ansatzpunkte für eine autonome Auslegung von 44

45 46

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So wird zB ein deutsches Gericht ohne Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung auch bei gemeinsamer italienischer Staatsangehörigkeit aller Beteiligten bei gewöhnlichem Aufenthalt des Kindes in Deutschland (Art 21 EGBGB) den nicht mit der Mutter verheirateten Vater, der nach italienischem Recht kraft Anerkennung sorgeberechtigt ist, nicht für sorgeberechtigt halten. Umgekehrt wird ein italienisches Gericht das „kleine Sorgerecht“ (§ 9 Abs 1 LPartG) des deutschen Lebenspartners eines italienischen Elternteils für dessen italienisches Kind nicht berücksichtigen, weil es die elterliche Sorge italienischem Heimatrecht des Kindes unterstellt (Art 36 it IPRG). Dazu Art 23 Rn 8. So Geimer/Schütze/Paraschas Rn 5.

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Art 41 Brüssel IIa-VO 29-31

Mindeststandards für eine Kindesanhörung dienen können. Der Regelung lässt sich zum einen entnehmen, dass die Anhörung nur ausnahmsweise unterbleiben kann, wobei auch die Kriterien für einen Verzicht auf Anhörung eindeutig auf Alter und Reife des Kindes beschränkt sind. Schließlich wird man lit c bei einer an Art 8 EMRK orientierten Auslegung entnehmen können, dass ein Anhörungsverzicht im Hinblick auf eine absolute Altersgrenze nur bei sehr kleinen Kindern zulässig sein dürfte. Es empfiehlt sich daher, die Maßstäbe zu lit c nicht dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates zu entnehmen, sondern eine qualitativ eher an hohen Standards orientierte autonome Auslegung zu suchen. Dies erfordert ggf den Mut des Richters, sein eigenes Verfahrensrecht als nicht mehr zeitgemäß zu erkennen, öffnet andererseits aber auch die Chance zu einer erheblich größeren Akzeptanz der Regelung. Gerade die Frage der Anhörung des Kindes – dessen Wille zu berücksichtigen ist, auch wenn er keineswegs das Maß des Kindeswohls darstellt – berührt im Hinblick auf das Persönlichkeitsrecht des Kindes durchaus einen ordre public-relevanten Bereich. 3.

Ausstellung von Amts wegen/auf Antrag (Abs 3)

a) Auslandsbezug im Zeitpunkt der Entscheidung (Abs 3 S 1) aa) Betrifft das Umgangsrecht bereits bei Verkündung der Entscheidung einen Fall 29 mit grenzüberschreitendem Bezug, so wird die Bescheinigung nach Abs 1 von Amts wegen ausgestellt, sobald die Entscheidung vollstreckbar oder vorläufig vollstreckbar ist (Abs 3 S 1). Die vorläufige Vollstreckbarkeit kann in diesem Fall das Gericht auch nach Abs 1 S 2 von Amts wegen herstellen. 47 Nach dem Wortlaut des Abs 3 S 1 muss der grenzüberschreitende Bezug bei Verkün- 30 dung der Entscheidung bestehen. Dies steht in einem gewissen Widerspruch zur Verwendung des Wortes „sobald“ hinsichtlich der Vollstreckbarkeit. Es fragt sich, ob die Bescheinigung auch dann von Amts wegen auszustellen ist, wenn die Entscheidung erst später vollstreckbar wird oder sogar dann, wenn der grenzüberschreitende Bezug noch nicht bei Verkündung, aber im Zeitpunkt des Eintritts der Vollstreckbarkeit vorlag. Ersteres legt der Wortlaut nahe, letzteres wäre dann konsequente Folge, da das Bedürfnis für die Bescheinigung in beiden Fällen in dem Zeitpunkt, in dem sie überhaupt erst erteilt werden kann, gleichermaßen vorliegt. Praktikabel ist beides kaum, denn das Gericht müsste, wenn es nicht von der Option des Abs 1 S 2 Gebrauch macht oder lege fori die vorläufige Vollstreckbarkeit anordnen kann, den Ablauf von Rechtsbehelfsfristen und den Gang von Rechtsmittelverfahren beobachten. Praxisnäher scheint deshalb eine Auslegung dahin, dass die Bescheinigung von Amts wegen nur dann erteilt wird, wenn bereits bei Verkündung der Entscheidung der grenzüberschreitende Bezug und die (vorläufige) Vollstreckbarkeit gegeben sind. bb) Wann ein grenzüberschreitender Bezug vorliegt, ist vor dem Hintergrund der 31 Erwägungen der Kommission in ihrem Leitfaden nicht unzweifelhaft. Fraglos besteht ein grenzüberschreitender Bezug, wenn der Umgangsberechtigte und das Kind in verschiedenen Mitgliedstaaten Wohnsitz haben und der Umgang grenzüberschreitend 47

Geimer/Schütze/Paraschas Rn 9.

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Art 41 Brüssel IIa-VO 32-35

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durchzuführen ist. Der Bezug ist aber auch dann zu bejahen, wenn der Umgang grenzüberschreitend in einem Nichtmitgliedstaat stattfinden muss, die Entscheidung aber nach der gegenwärtigen Wohnsitzkonstellation in einem anderen Mitgliedstaat als dem Entscheidungsstaat zu vollstrecken ist. 48 32 Fraglich ist hingegen, ob auch ein potentieller grenzüberschreitender Bezug genügt, insbesondere, wenn ein Elternteil den Umzug mit dem Kind plant,49 oder gar nur eine potentielle Möglichkeit für das Entstehen eines grenzüberschreitenden Bezuges besteht. Angesichts der Möglichkeit, die Bescheinigung später auf Antrag zu erteilen, sollte nicht einer Praxis das Wort geredet werden, die im Zweifel die Bescheinigung von Amts wegen erteilt, weil ein Umzug des Kindes ins Ausland theoretisch denkbar ist.50 Allenfalls, wenn sich konkrete Anhaltspunkte ergeben, dass die Herstellung eines grenzüberschreitenden Bezugs unmittelbar bevorsteht, wird das Gericht die Bescheinigung sogleich von Amts wegen erteilen. 33 Ein davon zu unterscheidender Aspekt ist, dass Gerichte unter dem Eindruck der Art 40 ff das Ausgangsverfahren vor allem in potentiell grenzüberschreitenden Fällen – also auch bei entferntem Auslandsbezug – vorsorglich so gestalten sollten, dass die Kriterien des Abs 2 eingehalten sind. b) Später eintretender grenzüberschreitender Bezug (Abs 3 S 2) 34 aa) Erlangt der Fall später grenzüberschreitenden Bezug, so wird die Bescheinigung auf Antrag ausgestellt. Antragsberechtigt sind alle Beteiligten. Einer zu breiten Antragsberechtigung kann entweder dadurch begegnet werden, dass ein Rechtsschutzinteresse an der Erteilung der Bescheinigung gefordert wird. Näher dürfte es liegen, hier den Begriff der „Parteien“ autonom enger zu fassen und als antragsberechtigt nur jene Beteiligten anzusehen, die unmittelbare Adressaten der Umgangsregelung sind. 35 bb) Der Maßstab des grenzüberschreitenden Bezuges ist in dieser Alternative nicht anders zu sehen als bei amtswegiger Ausstellung im Zeitpunkt der Verkündung der Entscheidung.51 Auch für die Antragsausstellung haben Erwägungen, großzügig Bescheinigungen auf Vorrat auszustellen,52 keinen Platz.

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ZB Umgangsregelung im deutschen Scheidungsurteil (beide Ehegatten Deutsche, also Zuständigkeit nach Art 3 Abs 2, Art 12 Abs 1), das Kind lebt mit der Mutter in Frankreich, der umgangsberechtigte Vater in den USA. Auch für diesen Fall eindeutig bejahend Kommission, Leitfaden 34. Unklar insoweit Kommission, Leitfaden 34, wo unter der Thematik des nichtbestehenden grenzüberschreitenden Bezugs sogar erwogen wird, ob der Richter schon deshalb regelmäßig die Bescheinigung ausstellen sollte, weil das Gericht nahe einer EG-Binnengrenze angesiedelt ist oder die Eltern verschiedene Staatsangehörigkeiten haben. Dies würde für ganz Oberbayern die Bescheinigung zur Regel machen. Oben Rn 31 f. So muss die Kommission, Leitfaden 34 jedoch verstanden werden.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 42 Brüssel IIa-VO

Artikel 42

Rückgabe des Kindes (1) Eine in einem Mitgliedstaat ergangene vollstreckbare Entscheidung über die Rückgabe des Kindes im Sinne des Artikels 40 Absatz 1 Buchstabe b), für die eine Bescheinigung nach Absatz 2 im Ursprungsmitgliedstaat ausgestellt wurde, wird in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und kann dort vollstreckt werden, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. Auch wenn das nationale Recht nicht vorsieht, dass eine in Artikel 11 Absatz 8 genannte Entscheidung über die Rückgabe des Kindes ungeachtet der Einlegung eines Rechtsbehelfs von Rechts wegen vollstreckbar ist, kann das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats die Entscheidung für vollstreckbar erklären. (2) Der Richter des Ursprungsmitgliedstaats, der die Entscheidung nach Artikel 40 Absatz 1 Buchstabe b) erlassen hat, stellt die Bescheinigung nach Absatz 1 nur aus, wenn a) das Kind die Möglichkeit hatte, gehört zu werden, sofern eine Anhörung nicht aufgrund seines Alters oder seines Reifegrads unangebracht erschien, b) die Parteien die Gelegenheit hatten, gehört zu werden, und c) das Gericht beim Erlass seiner Entscheidung die Gründe und Beweismittel berücksichtigt hat, die der nach Artikel 13 des Haager Übereinkommens von 1980 ergangenen Entscheidung zugrunde liegen. Ergreift das Gericht oder eine andere Behörde Maßnahmen, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr in den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts sicherzustellen, so sind diese Maßnahmen in der Bescheinigung anzugeben. Der Richter des Ursprungsmitgliedstaats stellt die Bescheinigung von Amts wegen unter Verwendung des Formblatts in Anhang IV (Bescheinigung über die Rückgabe des Kindes) aus. Das Formblatt wird in der Sprache ausgefüllt, in der die Entscheidung abgefasst ist. I. Unmittelbare Vollstreckbarkeit (Abs 1) . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollstreckbarkeit aufgrund unanfechtbarer Bescheinigung a) Unmittelbare Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchführung der Vollstreckung – ordre public . . . . . . . c) Abänderung der Entscheidung . . . d) Widersprechende Entscheidungen 2. Autonome Vollstreckbarkeit unbeschadet nationalen Rechts (Abs 1 S 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Thomas Rauscher

II. Bescheinigung (Abs 2)

1

2 4 6 7

10

1. Verfahren a) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Form, Inhalt, Sprache . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung (Abs 2 S 1 lit a bis c) a) Anhörungserfordernisse (lit a, b) b) keine Regelung für Versäumnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . c) Berücksichtigung der Gründe und Beweismittel der Entscheidung nach Art 13 HKindEntfÜbk . . . . . 3. Ausstellung von Amts wegen (Abs 2 S 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 12

14 15

16 17

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Art 42 Brüssel IIa-VO 1-5

I.

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Unmittelbare Vollstreckbarkeit (Abs 1)

1 Die Regelung für die unmittelbare Vollstreckung von Entscheidungen iSd Art 40 Abs 1 lit b stimmt in weiten Teilen mit Art 41, betreffend Umgangsentscheidungen iSd Art 40 Abs 1 lit a überein. Auf die Kommentierung zu Art 41 wird daher mit den nachfolgenden Besonderheiten Bezug genommen. 1.

Vollstreckbarkeit aufgrund unanfechtbarer Bescheinigung

a) Unmittelbare Anerkennung und Vollstreckung 2 Art 42 betrifft ausschließlich Entscheidungen, welche in den Anwendungsbereich von Art 40 Abs 1 lit b fallen, also die Rückgabe eines Kindes anordnen, nachdem im Verbringungsstaat die Rückgabe, gestützt auf Art 13 HKindEntfÜbk, abgelehnt wurde.1 Eine Entscheidung über die Rückgabe des Kindes, die als Entscheidung der Gerichte des ursprünglichen Aufenthaltsstaates (A-Mitgliedstaat) gegen eine auf Art 13 HKindEntfÜbk gestützte Nichtrückgabe-Entscheidung der Gerichte des Verbringungsstaates (B-Mitgliedstaat) gemäß Art 11 Abs 8 ergangen ist,2 hat Vorrang gegenüber der Nichtrückgabe-Entscheidung. Dieser Vorrang liegt der vollstreckungsrechtlichen Begünstigung solcher Entscheidungen zugrunde, die nach Abs 1 in allen anderen Mitgliedstaaten unmittelbar und ohne Anerkennungsprüfung anzuerkennen und ohne Exequaturverfahren zu vollstrecken sind, sofern sie nur von einer Bescheinigung iSd Art 42 begleitet sind.3 Andere auf Herausgabe eines Kindes lautende Entscheidungen sind hingegen nicht von Art 42 erfasst. 3 Im Übrigen gelten die Ausführungen zur unmittelbaren Vollstreckung von Umgangsentscheidungen nach Art 41.4 b) Durchführung der Vollstreckung – ordre public 4 Die Durchführung der Vollstreckung unterliegt auch in diesem Fall dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. 5 Wie im Fall des Art 41 besteht grundsätzlich kein Rechtsbehelf gegen die Bescheinigung bzw die mit Bescheinigung versehene Entscheidung im B-Mitgliedstaat. Dessen Behörden können nur die Vollstreckbarkeit feststellen.6 Da auch der ordre public dieses Staates der Vollstreckung als solcher nicht als Anerkennungshindernis entgegengesetzt werden kann, wird gerade für Kindesherausgabe-Entscheidungen nach Art 11 Abs 8 der Anwendung des vollstreckungsrechtlichen ordre public erhebliche Bedeutung zukommen. 5 Während man für Umgangsregelungen (Art 41) davon ausgehen darf, dass Ablehnung und Skepsis eines Elternteils, bei dem das Kind lebt, oder auch die – nicht selten erst 1 2 3 4 5 6

334

EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2977; OLG Celle FamRZ 2007, 1587, 1588. Dazu Art 40 Rn 16f. EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2974. Art 41 Rn 1-6. Dazu Art 41 Rn 7. EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2976; Schulz FamRZ 2008, 1732, 1734.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 42 Brüssel IIa-VO 6- 8

vor diesem Hintergrund gewachsene – Ablehnung des Kindes eher selten ein Maß annehmen, in dem die Vollstreckung das Kind in eine ausweglose Lage bringt, ist die Situation des Art 11 Abs 8 nahezu regelmäßig durch extreme Verhärtungen gekennzeichnet. Ein Elternteil, der ein Kind entführt oder zurückgehalten hat, der ein Verfahren nach dem HKindEntfÜbk durchgestanden und in diesem Verfahren die Gerichte des B-Mitgliedstaates davon überzeugt hat, dass die Rückgabe des Kindes so schwer dessen Wohl verletzen würde, dass der ordre public dieses Staates sich widersetzt, wird sich von Vollstreckungsmaßnahmen unterhalb der Ebene unmittelbarer Gewaltanwendung kaum beeindrucken lassen. Auch den Behörden dieses Staates wird eine einigermaßen gespaltene Haltung abverlangt, wenn sie eine Entscheidung durchsetzen sollen, die nach einer rechtskräftigen inländischen Entscheidung den internen ordre public verletzt. So richtig es sein mag, wenn Art 11 Abs 8 versucht, auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten das Missbehagen darüber aufzulösen, dass der „Entführer“ siegt, so ist doch absehbar, dass die Vollstreckungsorgane des B-Mitgliedstaates nicht selten auf den vollstreckungsrechtlichen ordre public zugreifen, zumal die Anwendung unmittelbarer Gewalt gegen das herauszugebende Kind mit oder ohne entsprechendes gesetzliches Verbot tabu sein muss und die Grenzziehung zwischen der – formal irrelevanten – Beurteilung der Rückführung als ordre public-widrig und der Einschätzung der Anwendung eines Ordnungs- oder Zwangsmittels als rechtsstaatlich unzulässigen Eingriff keineswegs randscharf möglich ist. c) Abänderung der Entscheidung Eine Abänderung der Entscheidung in dem nach Art 11 Abs 8, Art 10, Art 8 weiter- 6 hin zuständigen A-Mitgliedstaat ist in gleicher Weise zu berücksichtigen wie bei der Vollstreckung von Umgangsentscheidungen.7 d) Widersprechende Entscheidungen Für die Behandlung widersprechender Entscheidungen ist Art 11 Abs 8 vorrangig. Ei- 7 ne Zuständigkeit der Gerichte des B-Mitgliedstaates zur Abänderung der Herausgabeanordnung sollte sich danach nicht ergeben. Der von Art 11 Abs 8 angeordnete Vorrang hat freilich nicht Ewigkeitscharakter. Zwar erwerben die Gerichte des B-Mitgliedstaates gemäß Art 10 regelmäßig keine Aufenthaltszuständigkeit, wenn eine solche Entscheidung ergeht (Art 10 lit b iv e contrario). Behält das Kind jedoch nach Erlass der Rückgabeentscheidung weitere 12 Monate Aufenthalt im Verbringungsstaat bei, so kann auch die Konstruktion der Art 10, 11 nicht verhindern, dass dort ein gewöhnlicher Aufenthalt entsteht und damit die Gerichte dieses Staates nach Art 8 zuständig werden. 8 Dasselbe gilt, wenn das Kind in einen weiteren Mitgliedstaat (C-Mitgliedstaat) ver- 8 bracht wird. Auch dort ist die Entscheidung aus dem A-Mitgliedstaat unmittelbar vollstreckbar. Auch die Gerichte des C-Mitgliedstaats erlangen jedoch Zuständigkeit nach Art 8 Abs 1, wenn das Kind dort einen gewöhnlichen Aufenthalt erlangt, ehe die Entscheidung des A-Mitgliedstaates vollstreckt ist. Für ein weiteres Rückführungs7 8

Art 41 Rn 9. Vgl Art 10 Rn 9.

Thomas Rauscher

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Art 42 Brüssel IIa-VO 9-11

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

verfahren, also die erneute Anwendung des Art 10, besteht regelmäßig kein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Entscheidung des A-Mitgliedstaates auch im C-Mitgliedstaat vollstreckbar ist und das Scheitern der Vollstreckung am vollstreckungsrechtlichen ordre public auch nicht durch eine weitere Entscheidung überwunden würde. 9 Hingegen wirkt sich der weitere Verfahrensfortgang des Rückgabeverfahrens im B-Mitgliedstaat, in dem erstinstanzlich die Rückgabe versagt wurde, nicht auf die Erteilung und Wirksamkeit der Bescheinigung aus. Auch wenn die Versagung der Rückgabe des Kindes durch Gerichte des B-Mitgliedstaats ausgesetzt, abgeändert oder aufgehoben wurde oder sonst nicht rechtskräftig geworden ist, bleibt die hiergegen ergangene Rückgabeentscheidung des A-Mitgliedstaates nach Art 40, 42 vollstreckbar und eine erteilte Bescheinigung wirksam, solange das Kind nicht tatsächlich zurückgegeben wurde.9 Damit wird verhindert, dass durch weitere Verfahrensschritte im Vollstreckungsmitgliedstaat die Effizienz der Rückgabeentscheidung beeinträchtigt wird. 2.

Autonome Vollstreckbarkeit unbeschadet nationalen Rechts (Abs 1 S 2)

10 Für die im Ermessen des Gerichts stehende Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit gilt formal nichts anderes als im Rahmen von Art 41 Abs 1 S 2.10 Die Möglichkeit einer vorläufigen Vollstreckbarerklärung nach Abs 1 S 2 sollte auch hier nicht regelmäßig in Anspruch genommen werden. Gerade wegen der schwerwiegenden Konsequenzen der Vollstreckung der Rückführungsentscheidung muss das erstinstanzliche Gericht die mögliche Aufhebung seiner Entscheidung im Rechtsmittelzug sorgsam in Erwägung ziehen. Es dient letztlich dem europäischen Gedanken auch nicht, wenn die Rückführung des Kindes überbeschleunigt wird und die Folgen in unzureichender Weise in Verfahren vor dem EuGMR beseitigt werden müssen. Eine Inlandswirkung der autonomen vorläufigen Vollstreckbarerklärung wird sich regelmäßig nicht ergeben, da im Fall des Art 42 das Problem gerade darin besteht, dass sich das Kind nicht im A-Mitgliedstaat befindet. II.

Bescheinigung (Abs 2)

1.

Verfahren

a) Zuständigkeit 11 Für Art 42 ist, anders als für Art 4111, zweifelsfrei, dass die Bescheinigung durch den Spruchkörper im Ursprungsmitgliedstaat ausgestellt wird, der die Entscheidung erlassen hat.12 Dies folgt hier eindeutig aus dem Wortlaut des Abs 2 S 1. Im Übrigen gilt auch für Abs 2, dass der Begriff „Richter“ keine funktionale Beschränkung der Bestimmungen der lex fori beinhaltet, jedoch die Ausstellung nur einem entscheidungszustän9 10 11 12

336

EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2976. Art 41 Rn 11 ff. Dazu Art 41 Rn 15 ff. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 8.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 42 Brüssel IIa-VO 12-15

digen Amtsträger, nicht einem Urkundsbeamten übertragen werden kann.13 § 48 IntFamRVG14 gilt auch für die Bescheinigung nach Art 42. b) Form, Inhalt, Sprache Die Bescheinigung ist auf dem Formblatt nach Anhang IV zu dieser VO zu erteilen. 12 Abs 2 S 2 iVm Ziff 14 des Formblatts erfordert insbesondere Angaben dazu, ob und welche Maßnahmen im A-Mitgliedstaat ergriffen wurden, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr sicherzustellen. Eine Erstreckung auf öffentliche Urkunden oder Parteivereinbarungen kommt hier 13 nicht in Betracht, da Art 11 Abs 8 eine gerichtliche Entscheidung voraussetzt. Gestattet das Recht des Ursprungsmitgliedstaates den Eltern des Kindes die konsensuale Ausgestaltung der Modalitäten auf Grund einer grundsätzlich gehaltenen gerichtlichen Rückgabeentscheidung, so ist diese Vereinbarung nur insoweit nach Art 40, 42 vollstreckbar, wie das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats die Ausgestaltung in seinen Willen aufgenommen hat.15 Im Übrigen gelten die Ausführungen zu Art 41 Abs 2 entsprechend.16 Der Vollstreckungsadressat wird auch in diesem Verfahren nicht beteiligt.17 2.

Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung (Abs 2 S 1 lit a bis c)

a) Anhörungserfordernisse (lit a, b) Für die Anhörung des Kindes18 und der Beteiligten gilt grundsätzlich dasselbe wie im 14 Fall des Art 41.19 Allerdings ist der Kreis der anzuhörenden Beteiligten enger, was auch im Wortlaut erkennbar wird: Während Art 41 Abs 2 lit b „alle betroffenen Parteien“ nennt, bezieht sich Art 42 Abs 2 lit b auf „die Parteien“. Dies beruht darauf, dass die vollstreckbare Entscheidung aufgrund ihrer Vorgeschichte, insbesondere des nach dem HKindEntfÜbk geführten Rückgabeverfahrens, bereits einen definierten Beteiligtenkreis voraussetzt. Im Regelfall werden nur der die Rückgabe Fordernde und der „Entführer“ Parteien iSd lit b sein. b) Keine Regelung für Versäumnisverfahren Eine Art 41 Abs 2 lit a entsprechende Bestimmung fehlt, ohne dass ersichtlich ist, wa- 15 rum anlässlich der erst als Folge des Kompromisses zu Art 10, 11 erfolgten Einbeziehung dieses Falles in Art 40 ff auf eine solche Regelung verzichtet wurde. Das Prozedere nach Art 10 Abs 7 stellt jedenfalls nicht sicher, dass der nicht-antragstellende

13 14 15 16 17 18 19

Dazu Art 41 Rn 15; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 8. Art 41 Rn 18. App Milano Riv dir int priv proc 2007, 739. Art 41 Rn 19 bis 22. Dazu Art 41 Rn 23. EuGH Rs C-195/08 (Inga Rinau) NJW 2008, 2973, 2975. Dazu Art 41 Rn 26 bis 28.

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Art 42 Brüssel IIa-VO 16, 17

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Beteiligte von dem Verfahren Kenntnis erlangt, denn die Unterrichtungspflicht erstreckt sich nicht auf den durch den anderen Beteiligten gestellten Antrag. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass Säumnisentscheidungen ohne Prüfung der Zustellung, insbesondere an einen mit dem Kind im B-Mitgliedstaat sich aufhaltenden Beteiligten, nach Abs 2 bescheinigt werden dürfen. Das Erfordernis, alle Beteiligten von dem Verfahren in Kenntnis zu setzen, geht vielmehr in der Anhörungsregelung (Abs 2 lit b) auf. Da aufgrund des vorherigen Verfahrens die Parteien definiert sind, schließt die gebotene Anhörung der Parteien eine Bekanntgabe des Verfahrens ein. Insbesondere genügt es nicht, wenn sich das Gericht im A-Mitgliedstaat auf eine frühere Anhörung bezogen hat; die Anhörungsmöglichkeit muss in dem Verfahren gegeben worden sein, das zu der in Art 11 Abs 8 bezeichneten Entscheidung führt. c)

Berücksichtigung der Gründe und Beweismittel der Entscheidung nach Art 13 HKindEntfÜbk 16 Die Bescheinigung ist zudem nur auszustellen, wenn das Gericht des A-Mitgliedstaates beim Erlass der Entscheidung nach Art 11 Abs 8 die Gründe und Beweismittel berücksichtigt hat, die der Entscheidung des Gerichts im B-Mitgliedstaat zur Ablehnung der Rückführung des Kindes gemäß Art 13 HKindEntfÜbk zugrundeliegen. Dies setzt voraus, dass diese Gründe und Beweismittel nicht nur zur Kenntnis genommen wurden, sondern erfordert, dass sie erkennbar in die Abwägung einbezogen und mit hinreichender Begründung als nach der Überzeugung des Gerichts im A-Mitgliedstaat letztlich nicht stichhaltig angesehen wurden. Hierzu sind Ausführungen in Ziff 13 des Formblatts (Anhang IV) vorgesehen, die nicht auf die bloße Angabe beschränkt werden sollten, dass die Gründe und Beweismittel berücksichtigt wurden. Gründliche Arbeit des Gerichts an dieser Stelle sowie zu den Schutzmaßnahmen nach Abs 2 S 2, Ziff 14 Anhang IV dürfte eine wesentliche Voraussetzung dafür sein, dass die Vollstreckung im B-Mitgliedstaat letztlich eine Chance hat und dort nicht der Rückzug in den vollstreckungsrechtlichen ordre public20 angetreten wird. 3.

Ausstellung von Amts wegen (Abs 2 S 3)

17 Die Bescheinigung wird von Amts wegen ausgestellt. Eine Differenzierung wie in Art 41 Abs 321 ist nicht vorgesehen, da die Entscheidung nach Art 11 Abs 8 naturgemäß immer einen grenzüberschreitenden Bezug hat (Umkehrschluss aus Art 41 Abs 3).22 Redaktionell übersehen wurde in diesem Zusammenhang offenbar, dass das in Art 41 Abs 3 bestimmte Erfordernis der (vorläufigen) Vollstreckbarkeit, einschließlich der Möglichkeit nach Abs 1 S 2, auch für die Erteilung der Bescheinigung nach Art 42 gelten muss.23

20 21 22 23

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Oben Rn 4. Dazu Art 41 Rn 29 ff. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 7. So auch Geimer/Schütze/Paraschas Rn 7.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 43 Brüssel IIa-VO 1, 2

Artikel 43

Klage auf Berichtigung (1) Für Berichtigungen der Bescheinigung ist das Recht des Ursprungsmitgliedstaats maßgebend. (2) Gegen die Ausstellung einer Bescheinigung gemäß Artikel 41 Absatz 1 oder Artikel 42 Absatz 1 sind keine Rechtsbehelfe möglich. I. Keine Rechtsbehelfe gegen die Ausstellung der Bescheinigung (Abs 2) 1. Keine Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat a) Verweisung auf Rechtsbehelfe gegen die zu vollstreckende Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anfechtung der Anordnung vorläufiger Vollstreckbarkeit . . . . . . c) Rechtsbehelfe gegen die Versagung der Bescheinigung . . . . .

1

2. Kein Rechtsbehelf im Vollstreckungsmitgliedstaat a) Negative Feststellung . . . . . . . . . . . . . b) Aussetzung, Beschränkung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abänderung der zu vollstreckenden Entscheidung . . . . 3. Nichtige Bescheinigungen . . . . . . . . . . .

5 6 7 8

2 II. Berichtigung der

4

Bescheinigung (Abs 1) 1. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

Keine Rechtsbehelfe gegen die Ausstellung der Bescheinigung (Abs 2)

1.

Keine Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat

9 11

a) Verweisung auf Rechtsbehelfe gegen die zu vollstreckende Entscheidung Die Ausstellung der Bescheinigung nach Art 41 oder Art 42 kann nicht mit einem 1 Rechtsbehelf angefochten werden. Der Vollstreckungsadressat kann sich also auch im Ursprungsmitgliedstaat nicht gegen die Ausstellung der Bescheinigung, sondern nur gegen die bescheinigte Entscheidung selbst mit den dagegen statthaften Rechtsbehelfen zur Wehr setzen. Dies entspricht dem Vorbild des Art 10 Abs 4 EGVollstrTitelVO und soll verhindern, dass durch eine Verdoppelung des Instanzenzuges gegen die Entscheidung selbst und gegen die Bescheinigung der Effekt der Beschleunigung der Vollstreckung desavouiert wird.1 b) Anfechtung der Anordnung vorläufiger Vollstreckbarkeit Bedenklich ist allerdings, dass eine lege fori gewollte Bindung der Vollstreckbarkeit an 2 die formelle Rechtskraft durch Art 41 Abs 1 S 2 und Art 42 Abs 1 S 2 ebenfalls überwunden werden kann, indem das Gericht seine Entscheidung für autonom vollstreckbar erklärt. Vor allem bei Rückgabeentscheidungen kann dies zu einem mehrfachen Aufenthaltswechsel des Kindes führen. Fraglich ist, ob auch die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach Art 41 Abs 1 S 2, Art 42 Abs 1 S 2 keinen Rechts1

AnwKommBGB /Benicke Rn 3; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 1, 2.

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Art 43 Brüssel IIa-VO 3- 6

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

behelfen unterliegt. Abs 2 bezieht sich nach seinem Wortlaut nur auf die Erteilung der Bescheinigung, die freilich die Vollstreckbarkeit voraussetzt, was dafür zu sprechen scheint, dass auch die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit nicht angefochten werden kann. 3 Dies dürfte allerdings zu unangemessenen Ergebnissen führen. Die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips gebietet es, dass ein mit dem Rechtsmittel befasstes Gericht die Möglichkeit hat, den status quo für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens zu sichern. Vor allem in Fällen des Art 42 käme es einem von Art 61 lit c, 65 EGV nicht mehr gedeckten Eingriff in die Rechtsbehelfsstruktur der lex fori gleich, wenn der erstinstanzliche Richter nach Art 42 Abs 1 S 2 vollendete Tatsachen schaffen kann, welche die Entscheidungsgrundlage des Rechtsmittelgerichts verändern, weil schon die Tatsache der erfolgten Rückführung eine andere Beurteilung des Kindeswohls bedeuten kann. Daraus ist zu folgern, dass das Rechtsmittelgericht eine lege fori zulässige vorläufige Regelung treffen kann, auch wenn hierdurch die vorläufige Vollstreckbarkeit ausgesetzt wird. c) Rechtsbehelfe gegen die Versagung der Bescheinigung 4 Abs 2 erstreckt sich nach seinem Wortlaut nicht auf Rechtsbehelfe gegen eine Versagung der Ausstellung der Bescheinigung. Die Frage ist in gleicher Weise zu entscheiden wie unter der EG-VollstrTitelVO, da hier wie dort die ratio der Beschleunigung der unmittelbaren Vollstreckung der Zulassung eines Rechtsbehelfs nicht entgegensteht;2 wo kein EG-vollstreckbarer Titel vorliegt, besteht auch kein Beschleunigungsbedarf. Statthaft sind daher die nach der lex fori des Ursprungsmitgliedstaates stattfindenden Rechtsbehelfe. 2.

Kein Rechtsbehelf im Vollstreckungsmitgliedstaat

a) Negative Feststellung 5 Gegen die durch die Bescheinigung bewirkte Vollstreckbarkeit kann sich der Vollstreckungsadressat auch nicht im Vollstreckungsmitgliedstaat zur Wehr setzen. Da ein Exequaturverfahren dort nicht stattfindet, käme ohnedies nur ein (negatives) Feststellungsverfahren nach Art 21 Abs 3 in Betracht; da aber die Bescheinigung gemäß Art 41 Abs 1 S 1 und Art 42 Abs 1 S 1 auch die Anerkennungsvoraussetzungen und -hindernisse suspendiert, ist auch das negative Anerkennungsfeststellungsverfahren nicht statthaft. 3 b) Aussetzung, Beschränkung der Vollstreckung 6 Anders als Art 23 EG-VollstrTitelVO sehen Art 40 ff auch keine Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung vor, wenn die zu vollstreckende Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat angefochten oder die Berichtigung der Bescheinigung (nach 2 3

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Ebenso Geimer/Schütze/Paraschas Rn 9; MünchKommZPO /Gottwald Rn 3. Geimer/Schütze/Paraschas Art 41 Rn 1.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 43 Brüssel IIa-VO 7-10

Abs 1) beantragt ist. Dies dürfte jedoch nicht dahingehend zu verstehen sein, dass die Aussetzung4 der Vollstreckung nicht statthaft wäre. Vielmehr gilt insoweit Art 47 Abs 1: Für entsprechende Rechtsbehelfe und Maßnahmen im Vollstreckungsverfahren ist das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates maßgeblich.5 Im Übrigen sind alle Rechtsbehelfe statthaft, die auch gegen vollstreckbare Entscheidungen von Gerichten des Vollstreckungsmitgliedstaates stattfinden.6 c) Abänderung der zu vollstreckenden Entscheidung Eine Abänderung der zu vollstreckenden Entscheidung, auch wegen veränderter Ver- 7 hältnisse, ist jedoch im Vollstreckungsmitgliedstaat nicht ohne weiteres möglich.7 Hierzu bedarf es vielmehr einer Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates nach Art 8 ff, die gerade im Fall des Art 42, also der Situation des Art 11 Abs 8 im Hinblick auf Art 10 lit b iv (zunächst) nicht bestehen wird.8 3.

Nichtige Bescheinigungen

Von Abs 2 unberührt bleibt die Möglichkeit der Nichtigkeit der Bescheinigung wegen 8 schwerster Mängel. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn eine Bescheinigung nach Art 40 ff für eine Entscheidung erteilt wird, die nicht in den Anwendungsbereich gemäß Art 40 fällt, was durchaus nicht ganz fernliegt. Nichtig ist eine Bescheinigung auch dann, wenn sie nicht durch einen Richter, sondern durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erteilt wurde. II.

Berichtigung der Bescheinigung (Abs 1)

1.

Verfahren

a) Abs 1 verweist für die Berichtigung der Bescheinigung nach Art 41 Abs 1 und 9 Art 42 Abs 1 auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaates. Dies bedeutet einerseits, dass auch insoweit Eingriffe im Vollstreckungsmitgliedstaat nicht möglich sind. Andererseits eröffnet diese Bestimmung jedoch einen Rechtsbehelf, der immerhin die Selbstkorrektur eigener Irrtümer des Gerichts9 erlaubt. b) Dieses Verfahren unterliegt vollständig der lex fori. Auch Erwägungsgrund Nr 24 10 S 2, wo von einer „Klage auf Berichtigung“ gesprochen wird, ändert hieran nichts, weil selbst ein möglicher Widerspruch zwischen dieser Bezeichnung und der Verweisung auf die lex fori gemäß Abs 1 zugunsten eines Vorrangs des regelnden Teils der VO zu lösen wäre. 4

5 6 7 8 9

Eine Beschränkung, insbesondere eine Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung kommt bei Umgangsoder Rückgabeentscheidungen schwerlich in Betracht. Vgl dazu Art 41 Rn 7 f. AnwKommBGB /Benicke Rn 9. Unklar Geimer/Schütze/Paraschas Rn 3. Dazu im Einzelnen Art 42 Rn 7. Kommission, Leitfaden 35.

Thomas Rauscher

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Art 43 Brüssel IIa-VO, 11 Art 44 Brüssel IIa-VO, 1

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Die lex fori entscheidet nicht nur darüber, wer antragsberechtigt ist und ggf innerhalb welcher Formen und Fristen ein Antrag gestellt werden kann und wie hierüber zu entscheiden ist.10 Abs 1 stellt auch das Ob des Verfahrens, insbesondere die Möglichkeit der Heilung von Fehlern, zur Disposition der lex fori. Allerdings dürfte sich aus Art 43 Abs 1 iVm dem Rechtsstaatsprinzip die Notwendigkeit ergeben, dass für substantielle Fehler der Bescheinigung ein Berichtigungsverfahren überhaupt vorgesehen werden muss. Im deutschen Recht erklärt § 49 IntFamRVG das Verfahren zur Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten nach § 319 ZPO für anwendbar. 2.

Reichweite

11 Obgleich Abs 1 das Berichtigungsverfahren nicht regelt, ist die Reichweite des Begriffs der „Berichtigung“ klärungsbedürftig. Abs 1 erweist sich im Verhältnis zu Abs 2 als eine Ausnahme vom Grundsatz, wonach keine Rechtsbehelfe zulässig sind. Im Gewand der Berichtigung lege fori dürfen daher keine Rechtsbehelfe einhergehen, die Abs 2 untersagt. Einen Definitionsversuch unternimmt Erwägungsgrund Nr 24 S 2, wonach die Berichtigung „materieller Fehler“ zulässig sein soll, aufgrund derer die Bescheinigung den Inhalt der Entscheidung nicht korrekt wiedergibt. Abs 1 eröffnet danach nur den Weg zu solchen Rechtsbehelfen der lex fori, mittels derer Fehler der Umsetzung der Entscheidung in die Bescheinigung, also Schreibfehler, aber auch substantielle Fehler der Wiedergabe des Inhalts der Entscheidung, beseitigt werden können. Hingegen sind Rechtsbehelfe, die eine Überprüfung der Erteilungsvoraussetzungen der Bescheinigung nach Abs 2 erlauben, insbesondere diejenigen, die auf die Beseitigung der Bescheinigung als solche zielen, nicht unter Abs 1 zu fassen.11

Artikel 44

Wirksamkeit der Bescheinigung Die Bescheinigung ist nur im Rahmen der Vollstreckbarkeit des Urteils wirksam.

Beschränkte Wirkung der Bescheinigung 1 Die Bestimmung entspricht Art 11 EG-VollstrTitelVO. Sie ist klarstellender Natur und verdeutlicht, dass die Bescheinigung nach Art 41 und Art 42 Wirkungen nur für die Vollstreckbarkeit des Urteils hat, also Rechtswirkungen nur gemäß Art 41 Abs 1 und Art 42 Abs 1 hervorbringt. Die Bescheinigung verleiht dem Titel weder weiterge-

10 11

342

Geimer/Schütze/Paraschas Rn 7. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 6.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 45 Brüssel IIa-VO 1

hende Vollstreckungswirkungen, als er im Ursprungsstaat besitzt,1 noch verleiht die Bescheinigung einer Entscheidung höhere Bestandskraft. Der bescheinigte Titel unterliegt insbesondere weiterhin denselben Rechtsbehelfen im Ursprungsstaat;2 die Bescheinigung erschwert nicht die Abänderung, beseitigt nicht eine eventuelle Nichtigkeit und steht einer Wiederaufnahme nicht entgegen.

Artikel 45

Urkunden (1) Die Partei, die die Vollstreckung einer Entscheidung erwirken will, hat Folgendes vorzulegen: a) eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und b) die Bescheinigung nach Artikel 41 Absatz 1 oder Artikel 42 Absatz 1. (2) Für die Zwecke dieses Artikels – wird der Bescheinigung gemäß Artikel 41 Absatz 1 eine Übersetzung der Nummer 12 betreffend die Modalitäten der Ausübung des Umgangsrechts beigefügt; – wird der Bescheinigung gemäß Artikel 42 Absatz 1 eine Übersetzung der Nummer 14 betreffend die Einzelheiten der Maßnahmen, die ergriffen wurden, um die Rückgabe des Kindes sicherzustellen, beigefügt. Die Übersetzung erfolgt in die oder in eine der Amtssprachen des Vollstreckungsmitgliedstaats oder in eine andere von ihm ausdrücklich zugelassene Sprache. Die Übersetzung ist von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Person zu beglaubigen. I. Verhältnis zum Vollstreckungsverfahren lege fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Erforderliche Übersetzungen (Abs 2)

1

II. Vorzulegende Urkunden (Abs 1)

1. Urkundenvorlage als zwingende Vollstreckungsvoraussetzung . . . . . . . . . 2. Vorzulegende Urkunden (Abs 1) a) Ausfertigung der Entscheidung . . . b) Bescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

3 7 8

1. Abschließende Regelung, Ausnahmen a) Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bescheinigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bescheinigung nach Art 41 . . . . . . . . . . 3. Bescheinigung nach Art 42 . . . . . . . . . . 4. Zugelassene Übersetzer und Sprachen IV. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 11 13 14 15 17

Verhältnis zum Vollstreckungsverfahren lege fori

Grundsätzlich unterliegt das Vollstreckungsverfahren sowohl nach Erteilung eines 1 Exequatur als auch nach Bescheinigung gemäß Art 40 ff der lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaates (Art 47 Abs 1). Die Bestimmung macht hiervon insoweit eine Ausnahme, als für die unmittelbare Vollstreckung eines nach Art 41 Abs 1 und Art 42 1 2

Geimer/Schütze/Paraschas Rn 1. Dazu Art 43 Rn 1.

Thomas Rauscher

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Art 45 Brüssel IIa-VO 2-5

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Abs 1 bescheinigten Titels die für die Vollstreckung vorzulegenden Urkunden autonom bestimmt werden. 2 Ob diese Regelung abschließend ist, erscheint fraglich. Nach der aus Brüssel I bekannten und in Art 37 ff der vorliegenden VO aufgegriffenen Konzeption liegt es nahe, die in Art 45 aufgeführten Urkunden und Übersetzungserfordernisse nicht bloß als Mindestanforderungen,1 sondern als abschließende Regelung zu verstehen. Jedenfalls hinsichtlich der vorzulegenden Urkunden entspricht dies auch der Intention, die Prüfung vollständig auf den Richter im Ursprungsmitgliedstaat zu verlagern. Die Partei, die die Vollstreckung begehrt, hat ausschließlich die in Abs 1 genannten Urkunden vorzulegen und auch nur die in Abs 2 genannten Übersetzungen zu beschaffen. Lege fori dürfen keine weiteren urkundlichen Voraussetzungen errichtet werden. Etwas anderes gilt nach Art 47 nur für das Vollstreckungsverfahren, nicht aber für das in Art 45 geregelte Vollstreckbarerklärungsverfahren. 2 Hinsichtlich der Übersetzungserfordernisse ergibt sich dagegen zumindest Klarstellungsbedarf. 3 II.

Vorzulegende Urkunden (Abs 1)

1.

Urkundenvorlage als zwingende Vollstreckungsvoraussetzung

3 a) Abs 1 geht von der Vollstreckung auf Betreiben einer Partei/eines Beteiligten aus. Dieser hat die nachfolgend bezeichneten Urkunden vorzulegen. Da die Herstellung der Vollstreckungsfähigkeit durch Bescheinigung nach Art 40 ff ein formalisiertes urkundliches Verfahren darstellt, in dem die Behörden des Vollstreckungsmitgliedstaates keine sachliche Prüfungskompetenz haben, sondern nur die Vollständigkeit und äußere Richtigkeit der Urkunden prüfen können, kommt, anders als bei der Vollstreckbarerklärung im Exequaturverfahren (Art 37), ein Absehen von der Vorlage einzelner Urkunden nach Ermessen des Gerichts (Art 38) nicht in Betracht. 4 4 b) Bei Fehlen einer erforderlichen Urkunde ist der Vollstreckungsantrag zurückzuweisen; da die Vollstreckung aus einem der in Art 40 genannten Titel regelmäßig nicht von der Einhaltung von Fristen abhängt, können fehlende Urkunden jedoch nachgereicht werden. Die Vollstreckung darf aber erst beginnen, wenn die Urkunden den zuständigen Behörden des Vollstreckungsmitgliedstaates vollständig vorliegen.5 5 c) Ist eine vorgelegte Urkunde mangelhaft, so dürfte dies nicht ohne weiteres der Vollstreckung entgegenstehen. Insbesondere kann nicht jeder Schreibfehler beim Ausfüllen der Bescheinigung nach Anhang III und IV die Vollstreckbarkeit blockieren. 1 2 3 4 5

344

So hinsichtlich der Übersetzungen Geimer/Schütze/Paraschas Rn 5. MünchKommZPO /Gottwald Rn 2. Dazu unten Rn 9 f. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 1. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 1.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

Art 45 Brüssel IIa-VO 6-10

Andererseits sind angesichts der vollständigen Verlagerung der Überprüfung auf den 6 Ursprungsrichter hohe Anforderungen an die Vollständigkeit der Bescheinigung zu stellen. Fehlen wesentliche Angaben zur Identifikation der Beteiligten und der bescheinigten Entscheidung oder ist nicht vermerkt, ob die Entscheidung vollstreckbar ist, so kann die Bescheinigung den mit ihr verfolgten Zweck nicht erfüllen. Dasselbe gilt, wenn Modalitäten des Umgangs (Anhang III Nr 12) oder Angaben zu der Berücksichtigung der Gründe und Beweismittel der entgegenstehenden Entscheidung nach Art 13 HKindEntfÜbk (Anhang IV Nr 13) fehlen. In einem solchen Fall ist der Vollstreckungsantrag mangels vollständiger Urkunden zurückzuweisen. Dem Antragsteller steht es frei, die Bescheinigung im Ursprungsstaat vervollständigen und/oder berichtigen zu lassen. 2.

Vorzulegende Urkunden (Abs 1)

a) Ausfertigung der Entscheidung Vorzulegen ist eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erfor- 7 derlichen Voraussetzungen erfüllt. Die Formulierung entspricht Art 37 Abs 1 lit a und bedeutet – wie dort6 – nicht mehr, als dass es einer Ausfertigung bedarf, welche die Qualität einer öffentlichen Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat7 besitzt, die vollen Beweis für den Inhalt der Entscheidung erbringt. Eine Abschrift genügt trotz der Fixierung des Verfahrens auf die Bescheinigung nach Art 41 und Art 42 nicht. b) Bescheinigung Vorzulegen ist, je nach der Art der Entscheidung (Art 40 Abs 1 lit a bzw b), außerdem 8 die Bescheinigung nach Art 41 Abs 1 bzw Art 42 Abs 1. Diese Bescheinigung ist im Original vorzulegen. III. Erforderliche Übersetzungen (Abs 2)

1.

Abschließende Regelung, Ausnahmen

a) Titel Abs 2 bestimmt autonom, welche Übersetzungen zu den nach Abs 1 vorzulegenden 9 Urkunden zu beschaffen sind. Im Gegensatz zum Verfahren bei Antrag auf Anerkennungsfeststellung oder Vollstreckbarerklärung (Art 38 Abs 2) räumt Abs 2 den Vollstreckungsbehörden des Vollstreckungsmitgliedstaates nicht ausdrücklich Ermessen ein, weitere Übersetzungen zu verlangen. Insbesondere kann danach eine Übersetzung des zu vollstreckenden Titels nicht verlangt werden. Dies, sowie die sehr eingeschränkten Anforderungen an die (Teil-)Übersetzung der 10 Bescheinigung nach Abs 2, könnte jedoch dazu führen, dass ein Titel vollstreckt werden muss, dessen Inhalt sich den Vollstreckungsorganen nicht (mit Gewissheit) er-

6 7

Art 37 Rn 6. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 3.

Thomas Rauscher

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Art 45 Brüssel IIa-VO 11-13

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

schließt. Da die Vollstreckungsorgane in einer solchen Situation die Vollstreckung verweigern müssten, ergibt sich schon a maiore ad minus, dass auch die Befugnis besteht, nach pflichtgemäßem Ermessen die Vollstreckung bis zur Klärung des Inhalts des Titels durch eine Übersetzung auszusetzen. Eine solche Regelung muss sich dann nicht aus der lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaats ergeben,8 sondern ist für alle Mitgliedstaaten im Wege rechtsstaatlicher autonomer Auslegung des Art 45 zu gewinnen. b) Bescheinigung 11 Auch die ausdrücklich in Abs 2 geregelte Teilübersetzung der Bescheinigung lässt ggf Unklarheiten bestehen, insbesondere, wenn das Ursprungsgericht, wie hier empfohlen,9 klarstellende Ergänzungen aufgenommen hat. Abs 2 geht offenbar davon aus, dass es sich bei allen anderen Formularstellen um von der verwendeten Sprache unabhängige Angaben handelt, die auch ohne Sprachkenntnisse verständlich sind. Daraus ergibt sich im Wege teleologischer Auslegung des Abs 2, dass eine Übersetzung zumindest verlangt werden kann, soweit diese Annahme nicht zutrifft, weil der die Bescheinigung ausstellende Richter Erläuterungen und Ergänzungen vorgenommen hat. 12 Aber auch bei schlichter formularmäßiger Ausfüllung der Anhänge III oder IV kann sich weitergehender Übersetzungsbedarf ergeben, da schon die Bezeichnung des Gerichts in einer Amtssprache des Ursprungsmitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat nicht ohne weiteres als solche erkennbar sein dürfte. Auch banale Kommunikationsprobleme sind hier absehbar: So wird man nicht von jedem Vollstreckungsorgan erwarten dürfen, dass es in der Lage ist, griechische Schriftzeichen zu lesen. 2.

Bescheinigung nach Art 41

13 Im Fall der Vollstreckung aus einem Umgangstitel ist von der Bescheinigung nach Art 41 iVm Anhang III jedenfalls die Nr 12, also die Angaben zu den Modalitäten der Ausübung des Umgangsrechts, zu übersetzen. Dies legt es rückschließend nahe, eine besonders eingehende, die Umgangsregelung der zu vollstreckenden Entscheidung lückenlos darstellende Ausfüllung dieser Stelle des Formblatts zu fordern. Je sorgsamer hier der Ursprungsrichter vorgeht, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass im Vollstreckungsmitgliedstaat zum Verständnis auf die Entscheidung selbst zurückgegriffen und ggf eine Übersetzung nachgefordert10 werden muss. Ggf kann auch eine weitergehende Übersetzung verlangt werden.11

8

9 10 11

346

So, nur im Ergebnis ähnlich Geimer/Schütze/Paraschas Rn 5, die allerdings im Rahmen von Art 47 Abs 1 die Übersetzungserfordernisse des Abs 2 nur als Mindeststandards ansieht und vollständig auf die lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaates abstellt. Art 42 Rn 16. Oben Rn 9. Oben Rn 11.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 4 . Vollstreckbarkeit bestimmter Entscheidungen

3.

Art 45 Brüssel IIa-VO 14-17

Bescheinigung nach Art 42

Bei der Vollstreckung eines Rückgabetitels ist von der Bescheinigung nach Art 42 14 iVm Anhang IV jedenfalls die Nr 14 zu übersetzen. Entgegen dem irreführenden Wortlaut des Abs 2, 2. Strich, handelt es sich hierbei nicht um Maßnahmen zur Sicherstellung der Rückgabe, sondern um die in Art 42 Abs 2 S 2 erwähnten Maßnahmen, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr sicherzustellen. Diese Maßnahmen mögen zwar aus Sicht des A-Mitgliedstaates die Rückgabe sicherstellen; ihre Darlegung in der Bescheinigung hat aber den Zweck, die Gerichte des B-Mitgliedstaates davon zu überzeugen, dass die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz des Kindes getroffen werden und deshalb die dort zunächst erfolgte Verweigerung der Rückgabe nach Art 13 HKindEntfÜbk nicht nur formal, sondern auch zu Recht durch die zu vollstreckende Entscheidung überwunden wird. Auch hier kann ggf eine weitergehende Übersetzung verlangt werden.12 4.

Zugelassene Übersetzer und Sprachen

a) Die Übersetzung hat in die (oder eine der) Amtssprachen des Vollstreckungsmit- 15 gliedstaates oder in eine andere von diesem ausdrücklich zugelassene Sprache zu erfolgen. Die Mitgliedstaaten teilen die zugelassenen Sprachen gemäß Art 67 lit c der Kommission mit, die sie veröffentlicht, hier abgedruckt im Anhang zu Art 67. b) Die Übersetzung ist von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Per- 16 son zu beglaubigen. Wie für die Übersetzung nach Art 38 Abs 2 kann also nicht eine Übersetzung durch eine im Vollstreckungsmitgliedstaat zugelassene Person verlangt werden. IV.

Zuständigkeit

Für die Vollstreckung von Entscheidungen, für die eine Bescheinigung nach Art 41, 17 42 erteilt wurde, sind in Deutschland die zentralisierten Familiengerichte gemäß §§ 10, 12 IntFamRVG zuständig.13 Die Vollstreckungsmaßnahmen bestimmen sich nach § 44 IntFamRVG.14

12 13 14

Oben Rn 11. BT-Drs 15/3981, 24. BT-Drs 15/3981, 29.

Thomas Rauscher

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Art 46 Brüssel IIa-VO 1, 2

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Abschnitt 5 Öffentliche Urkunden und Vereinbarungen

Artikel 46 Öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, sowie Vereinbarungen zwischen den Parteien, die in dem Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind, werden unter denselben Bedingungen wie Entscheidungen anerkannt und für vollstreckbar erklärt. I. Einbeziehung in das Anerkennungsund Vollstreckungssystem . . . . . . . . . . . . .

1

II. Anwendungsbereich

1. Vollstreckbare außergerichtliche Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

3

2. Öffentliche Urkunden und Gerichtliche Vergleiche . . . . . . . . . . . . . 3. Errichtung in einem Mitgliedstaat . . . 4. Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4 6 9

III. Anwendbare Vorschriften . . . . . . . . . . . . .

11

Einbeziehung in das Anerkennungs- und Vollstreckungssystem

1 Die Bestimmung beruht mit einigen Änderungen auf Art 13 Abs 3 Brüssel II-VO. Öffentliche Urkunden und Vereinbarungen werden in das Vollstreckbarkeitssystem der VO einbezogen. Sie werden jedoch im Gegensatz zu Art 57, 58 Brüssel I-VO nicht – vorbehaltlich des ordre public – schlicht für vollstreckungsfähig erklärt, sondern für Zwecke der Vollstreckung auch dem für Entscheidungen geltenden Anerkennungssystem der Art 21 ff und damit insbesondere den weiteren Anerkennungshindernissen nach Art 22, 23 unterstellt.1 Hintergrund ist die erhebliche Zurückhaltung gegenüber vergleichsweisen Regelungen von personenstands- und sorgerechtlichen Streitigkeiten.2 2 Die Einbeziehung in das Anerkennungssystem geht allerdings systematisch deutlich über das eigentliche Ziel der Verstärkung der Vollstreckungs-Hinderungsgründe hinaus. Sie bedeutet, dass konsensuale Rechtsakte, die bis dato der Wirksamkeitsprüfung nach dem vom IPR berufenen materiellen Recht unterlagen, auch in ihrem materiellen Inhalt verfahrensrechtlich anzuerkennen sind.3 Dies gilt jedoch nur, soweit es sich um Urkunden mit vollstreckungsfähigem Inhalt handelt und die Anerkennung als Voraussetzung der Vollstreckbarerklärung zu prüfen ist (dazu Rn 10).

1 2 3

348

Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 586; Hausmann EuLF 2000/01, 348. Die mit dem ordre public-Vorbehalt nicht ausreichend zu erfassen wäre, Borrás-Bericht Nr 61. Eingehend hierzu: Ancel/Muir Watt Rev crit dip 2001, 437 ff, 441.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 5 . Öffentliche Urkunden und Vereinbarungen

II.

Anwendungsbereich

1.

Vollstreckbare außergerichtliche Vereinbarungen

Art 46 Brüssel IIa-VO 3- 6

Gegenüber Art 13 Abs 3 Brüssel II-VO ist der Anwendungsbereich neben Öffent- 3 lichen Urkunden von vormals „gerichtlichen Vergleichen“ auf „Vereinbarungen ... die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind“ erweitert. Dies trägt allerdings nur dem Umstand Rechnung, dass Irland, das UK und skandinavische Staaten vollstreckbare Privaturkunden kennen4 und hat klarstellende Bedeutung. Solche Sorgerechtsvereinbarungen waren sogar ursprünglich der Anlass, die Anerkennung und Vollstreckung öffentlicher Urkunden und Vergleiche überhaupt zu regeln.5 2.

Öffentliche Urkunden und Gerichtliche Vergleiche

Im Übrigen bezieht sich die Bestimmung wie bisher auf öffentliche Urkunden sowie 4 gerichtliche Vergleiche. Auszugehen ist von einem aus Art 57 f Brüssel I-VO übernommenen autonomen Verständnis6 der Begriffe der öffentlichen Urkunde und des gerichtlichen Vergleichs; nationales Recht des Errichtungsstaates ist nur insoweit maßgeblich,7 als die Qualifikation des Ausstellenden als Behörde dem nationalen Recht obliegt. Die Einbeziehung von Urkunden und Vergleichen reicht nicht über den Anwen- 5 dungsbereich der VO, also über Art 1, hinaus. Erfasst sind daher insbesondere Vereinbarungen zur elterlichen Verantwortung, die einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben. Nicht erfasst sind insbesondere nicht urkundliche oder vergleichsweise Regelungen zu Folgesachen,8 die selbst nicht der VO unterliegen. Das gilt auch, wenn solche Regelungen die Voraussetzung für eine bestimmte Art und Weise der Durchführung der Ehescheidung sind (vgl § 630 ZPO aF9). 3.

Errichtung in einem Mitgliedstaat

a) Das Anerkennungs- und Vollstreckungssystem der VO erfasst nur Entscheidun- 6 gen aus Mitgliedstaaten. Art 46 beschränkt daher auch die Ausdehnung auf solche Öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen wurden. Dies ist unbeschadet des Aufenthaltes und der Staatsangehörigkeit der Parteien der Fall, wenn das beurkundende Organ ein Organ eines Mitgliedstaates ist, auch wenn es, wie konsularische Behörden, in einem Drittstaat residieren mag.10

4 5 6 7 8 9 10

AnwKommBGB /Andrae Rn 8. Zum finnischen und schottischen Recht: Borrás-Bericht Nr 61. EuGH Rs C-260/97 Unibank AS /Fleming G Christensen EuGHE 1999 I 3715, 3730. Weiter wohl Rieck FPR 2007, 425. Schack RabelsZ 65 (2001) 627. Dazu Rieck FPR 2007, 425. AnwKommBGB /Andrae Rn 9.

Thomas Rauscher

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Art 46 Brüssel IIa-VO 7-10

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

7 b) Für Vereinbarungen fehlt eine solche Bezugnahme, obgleich auch diese nach dem Wortlaut einen „Ursprungsmitgliedstaat“ haben. Handelt es sich um gerichtliche Vergleiche, so ist entsprechend auf die Zugehörigkeit des Gerichts zur Justizorganisation eines Mitgliedstaates abzustellen. Für vollstreckungsfähige Privaturkunden kann hingegen die Zuordnung nur danach erfolgen, nach welchem Recht diese Urkunde die Vollstreckbarkeit erlangt hat. 8 Problematisch ist hierbei allerdings, nach welcher Rechtsordnung dies zu beurteilen ist, da mangels Beteiligung einer Behörde oder eines Gerichts keine institutionelle Zuordnung erfolgt. Eine Beurteilung nach dem IPR des Vollstreckungsmitgliedstaates würde dem Zweck der Regelung kaum gerecht, die von einer präexistenten Vollstreckbarkeit in einem Ursprungsmitgliedstaat ausgeht. Andererseits lässt sich die Vollstreckbarkeit einer Privatvereinbarung nicht als bloße Frage der (Orts-)Form11 begreifen; ob zB Eltern eine per se vollstreckbare Umgangsvereinbarung treffen können, ist eine prozessrechtliche Frage. Es kann schlechterdings nicht gewollt sein, dass zB deutsche Eltern ohne jeden Bezug zu Schottland während eines Kurzbesuchs in Edinburgh eine nach dortigem Recht vollstreckbare Umgangsregelung treffen. Abzustellen ist deshalb auf das materielle Recht, das nach dem IPR des Staates, nach dem die Vereinbarung vollstreckbar sein soll, auf die Vereinbarung samt ihrer Form anzuwenden ist.12 Ist also im vorgenannten Beispiel aus schottischer Sicht schottisches Recht anzuwenden, so hat die Vereinbarung einen schottischen „Ursprung“ und unterfällt Art 46. 4.

Vollstreckbarkeit

9 a) Die Bestimmung ist beschränkt auf Urkunden und Vereinbarungen, die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Urkunde ohne ein weiteres Titulierungsverfahren im Ursprungsmitgliedstaat unmittelbar vollstreckt werden kann. Nicht genügend ist, dass eine Urkunde dieser Art im in Aussicht genommenen Vollstreckungsmitgliedstaat vollstreckbar wäre, es aber im Ursprungsmitgliedstaat nicht ist.13 10 b) Nicht erfasst sind Urkunden und Vereinbarungen, die keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben; eine isolierte Anerkennung von Urkunden ohne vollstreckungsfähigen Inhalt nach dem Anerkennungssystem der Art 21 ff ist nicht möglich.14 Damit sind insbesondere Privatscheidungen auch auf diesem Weg nicht einzubeziehen.15 Scheidungserschwerende Vereinbarungen und Vergleiche16 sind ebenfalls mangels vollstreckbarem Inhalt, jedoch auch deshalb auszunehmen, weil ihre Anerkennung eine ähnliche Funktion hätte wie die antragsabweisender Entscheidungen. 11 12 13 14

15 16

350

AnwKommBGB /Andrae Rn 10; aA Geimer/Schütze/Paraschas Rn 16. Unklar AnwKommBGB /Andrae Rn 10. AnwKommBGB /Andrae Rn 11. Zöller /Geimer Rn 4 ff; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 4; aA Geimer/Schütze/Paraschas Rn 10; Rieck FPR 2007, 425, 427. Zöller /Geimer Rn 6; anders hier in der 1. Auflage Art 13 Rn 22. Zur Behandlung im deutschen Recht Staudinger/Rauscher (2004) § 1564 BGB Rn 40 ff.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 6 . Sonstige Bestimmungen

Art 46 Brüssel IIa-VO, 11-13 Art 47 Brüssel IIa-VO

III. Anwendbare Vorschriften

1. Von Art 46 erfasste Urkunden und Vereinbarungen werden gemäß Art 21 ff 11 anerkannt. Es gelten dieselben Anerkennungshindernisse wie für Urteile (Art 22, 23). Möglich ist auch ein Anerkennungsfeststellungsverfahren nach Art 21 Abs 3. 2. Vollstreckbarkeit erlangen diese Urkunden und Vergleiche nur im Verfahren 12 nach Art 28 ff. Auch insoweit gelten vollständig die für Entscheidungen konzipierten Bestimmungen einschließlich der Rechtsbehelfe (Art 33, 34). Der Umstand, dass die Urkunde bzw Vereinbarung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sein muss, um überhaupt Art 46 anzuwenden, verleiht ihr nicht per se die Vollstreckbarkeit in anderen Mitgliedstaaten, sondern stellt sie nur Entscheidungen gleich.17 3. Praktische Schwierigkeiten ergeben sich in Anwendung von Art 37 Abs 1 lit b, 13 39, da die Formulare in Anhang I und II nicht auf Urkunden und Vereinbarungen zugeschnitten sind. Unklar ist auch, welche Behörde im Ursprungsmitgliedstaat eine ggf an die Bedürfnisse der Urkunde oder Vereinbarung angepasste Bescheinigung18 auszustellen befugt ist. Für in Deutschland errichtete gerichtliche Vergleiche sollte § 48 IntFamRVG entsprechend angewendet, die Bescheinigung also vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ausgestellt werden. Für in Deutschland errichtete öffentliche Urkunden kommt, in weiter Analogie zum Rechtsgedanken des § 48 IntFamRVG nur das jeweilige Organ in Betracht, das für eine Vollstreckung im Inland die vollstreckbare Ausfertigung erteilt, bei notariellen Urkunden also der errichtende Notar.

Abschnitt 6 Sonstige Bestimmungen Artikel 47

Vollstreckungsverfahren (1) Für das Vollstreckungsverfahren ist das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats maßgebend. (2) Die Vollstreckung einer von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung, die gemäß Abschnitt 2 für vollstreckbar erklärt wurde oder für die eine Bescheinigung nach Artikel 41 Absatz 1 oder Artikel 42 Absatz 1 ausgestellt wurde, erfolgt im Vollstreckungsmitgliedstaat unter denselben Bedingungen, die für in diesem Mitgliedstaat ergangene Entscheidungen gelten. Insbesondere darf eine Entscheidung, für die eine Bescheinigung nach Artikel 41 Absatz 1 oder Artikel 42 Absatz 1 ausgestellt wurde, nicht vollstreckt werden, wenn sie mit einer später ergangenen vollstreckbaren Entscheidung unvereinbar ist. 17 18

AnwKommBGB /Andrae Rn 12. So AnwKommBGB /Andrae Rn 14.

Thomas Rauscher

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Art 47 Brüssel IIa-VO 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

I. Vollstreckung nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates (Abs 1) 1. Anwendung der lex fori . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spezielle Vollstreckungsregeln im IntFamRVG a) Ordnungsmittel zur Vollstreckung von Sorgerechtsentscheidungen . . b) Vollstreckung von Kostentiteln . . .

II. Bedingungen der

Vollstreckung (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

1

2 4

I.

Vollstreckung nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates (Abs 1)

1.

Anwendung der lex fori

1 Die VO regelt in Art 28 ff sowie 40 ff lediglich die Voraussetzungen, unter denen Titel aus einem Mitgliedstaat in anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar sind. Das Vollstreckungsverfahren bestimmt hingegen die lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaates. Dies war bereits unter der Brüssel II-VO, die eine entsprechende Bestimmung nicht ausdrücklich enthielt, anerkannt und entspricht im Übrigen dem europäischen Vollstreckungssystem seit dem EuGVÜ. 2.

Spezielle Vollstreckungsregeln im IntFamRVG

a) Ordnungsmittel zur Vollstreckung von Sorgerechtsentscheidungen 2 Aus Anlass des Übergangs zur Brüssel IIa-VO hat der deutsche Gesetzgeber mit § 44 IntFamRVG ein eigenständiges auf die Vollstreckung nach Art 47 anwendbares System geschaffen1 und hierbei das Systems der Vollstreckung von sorgerechtlichen Titeln, insbesondere von Umgangsentscheidungen und Herausgabeanordnungen wesentlich geändert. Die hierzu angeordnete Vollstreckung durch Ordnungsmittel2 nahm schon vor Inkrafttreten der §§ 88 ff FamFG die Abkehr von den Zwangsmitteln des § 33 FGG aF vorweg. 3 Auch nach Inkrafttreten des FamFG werden nach der Brüssel IIa-VO zu vollstreckende Titel gemäß § 44 IntFamRVG idF des FGG-Reformgesetzes vollstreckt. 3 Titel für die Vollstreckung ist die im Verfahren nach Art 28 ff ergangene Vollstreckbarerklärung. Unterfällt der Titel der unmittelbaren Vollstreckung nach Art 40 ff, so ist er der Titel selbst, ebenfalls nach § 44 IntFamRVG, zu vollstrecken. 4

1 2 3

4

352

Schulte-Bunert FamRZ 2007, 1608, 1613. Zu § 44 IntFamRVG: Rausch FuR 2005, 115. Zur Problematik der Erledigung von Zwangsmitteln nach § 33 FGG aF im Einzelnen Staudinger/Rauscher (2005) § 1684 Rn 233 ff. AnwKommBGB /Andrae Rn 3.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 6 . Sonstige Bestimmungen

Art 47 Brüssel IIa-VO 4- 6

b) Vollstreckung von Kostentiteln Für die Vollstreckung von Kostentiteln gilt hingegen nicht § 44 IntFamRVG (dort 4 Abs 1 2. Hs), sondern es gelten die allgemeinen Bestimmungen über die Zwangsvollstreckung von Geldforderungen. Sonderregelungen enthält das IntFamRVG insoweit jedoch für den Schadensersatz im Fall der Aufhebung der Zulassung der Zwangsvollstreckung (§ 35 IntFamRVG) sowie für die Vollstreckungsgegenklage (§ 36 IntFamRVG). Im Rahmen der Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung aus für 5 vollstreckbar erklärten Kostentiteln können Einwendungen gegen den Anspruch selbst (nur) geltend gemacht werden, wenn die Gründe, auf denen die Einwendungen beruhen, nach Ablauf der Frist für die Beschwerde nach Art 33, § 24 IntFamRVG entstanden sind, oder wenn sie nach Beendigung des Beschwerdeverfahrens entstanden sind (§ 36 Abs 1 IntFamRVG). Für die Vollstreckungsgegenklage zuständig ist das Gericht, welches über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel entschieden hat (§ 36 Abs 2 IntFamRVG). II.

Bedingungen der Vollstreckung (Abs 2)

Abs 2 S 1 bestätigt seinem Wortlaut nach das Prinzip des Abs 1. Ihren entscheidenden 6 Sinn erhält die Regelung durch Abs 2 S 2. Die Vollstreckungsfähigkeit einer für vollstreckbar erklärten oder nach Art 41, 42 vollstreckbaren Entscheidung ist auch in zeitlicher Hinsicht ebenso begrenzt wie die Vollstreckungsfähigkeit einer inländischen Entscheidung des Vollstreckungsmitgliedstaates. Unabhängig davon, ob die Entscheidung für vollstreckbar erklärt wurde oder ob sie aufgrund einer Bescheinigung nach Art 41, 42 vollstreckbar ist, entfällt die Vollstreckbarkeit, wenn später eine vollstreckbare Entscheidung ergeht, mit der die ursprüngliche Entscheidung unvereinbar ist. So klar die ratio dieser auf Sorge- insbesondere Umgangsregelungen zugeschnittenen Bestimmung ist, so unklar sind ihre verfahrensrechtlichen Auswirkungen. Sie kann offenbar nicht als autonome Regelung zum Entfall der Vollstreckungsfähigkeit verstanden werden. Im Kontext der Durchführung des Vollstreckungsverfahrens lege fori wird die Bestimmung am ehesten dahingehend zu verstehen sein, dass jeder Mitgliedstaat nach Maßgabe seines Vollstreckungsrechts befugt ist, einer überholten Entscheidung die Vollstreckungsfähigkeit zu nehmen. Während dies im System der Vollstreckbarerklärung unzweifelhaft war,5 ist es für das System des europäischen Umgangstitels einer Klarstellung wert. Der nach Art 41, 42 vollstreckbare Umgangstitel ist also gegenüber späteren Entscheidungen nicht aufgrund seiner besonderen Art der Vollstreckbarkeit abänderungsfest.6

5

AA Zöller /Geimer Rn 7: Entfall der Vollstreckbarkeit durch nach Vollstreckbarerklärung ergangene

6

inländische Titel nur unter den Voraussetzungen der Art 23 lit e, f iVm § 34 IntFamRVG analog. Vgl dazu auch Art 41 Rn 10.

Thomas Rauscher

353

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Art 48 Brüssel IIa-VO 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Artikel 48

Praktische Modalitäten der Ausübung des Umgangsrechts (1) Die Gerichte des Vollstreckungsmitgliedstaats können die praktischen Modalitäten der Ausübung des Umgangsrechts regeln, wenn die notwendigen Vorkehrungen nicht oder nicht in ausreichendem Maße bereits in der Entscheidung der für die Entscheidung der in der Hauptsache zuständigen Gerichte des Mitgliedstaats getroffen wurden und sofern der Wesensgehalt der Entscheidung unberührt bleibt. (2) Die nach Absatz 1 festgelegten praktischen Modalitäten treten außer Kraft, nachdem die für die Entscheidung in der Hauptsache zuständigen Gerichte des Mitgliedstaats eine Entscheidung erlassen haben.

I.

Festsetzung der Modalitäten von Umgangsentscheidungen (Abs 1)

1.

Anwendungsbereich

1 Die neu in die Brüssel IIa-VO aufgenommene Bestimmung steht im Zusammenhang mit dem System der unmittelbaren Vollstreckung von Umgangs- und Herausgabeentscheidungen nach Art 40 ff sowie dem Prinzip der Durchführung des Vollstreckungsverfahrens lege fori (Art 47). 2 Im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens nach Art 28 ff entsprach es schon bisher der Praxis, dass das für die Klauselerteilung zuständige Gericht den Titel aus dem Ursprungsmitgliedstaat so modifizieren konnte, dass seine Tenorierung einen im Inland vollstreckungsfähigen Inhalt erhielt.1 Diese Praxis bestätigt Abs 1 jedoch nicht nur, sondern schafft die Voraussetzungen dafür, dass auch bei Titeln, die nach Art 40 ff der Vollstreckbarerklärung nicht mehr bedürfen, eine solche Modifikation möglich wird. Andernfalls würde die angestrebte Beschleunigung darin enden, dass die Vollstreckung nicht möglich ist. 2 2.

Festsetzung der Modalitäten

3 Nach Abs 1 können die Gerichte des Vollstreckungsmitgliedstaates praktische Modalitäten der Ausübung des Umgangsrechts regeln. Dies setzt voraus, dass in dem vollstreckbaren Titel diese Modalitäten aus Sicht des Vollstreckungsrechts des Vollstreckungsmitgliedstaates nicht oder nicht ausreichend geregelt sind, um die Zwangsvollstreckung zu ermöglichen. Abs 1 schafft hingegen keine originäre Regelungszuständigkeit3 und auch keine Änderungsbefugnisse. Aus deutscher Sicht erlaubt Abs 1 insbesondere die Konkretisierung von unbestimmten Umgangstiteln, in denen zB nur ein wöchentlicher Umgang ohne Zeitbestimmung getroffen ist, eine Feiertagsregelung fehlt oder ein Ferienumgang ohne Angabe des Zeitraums geregelt ist. Auch Modalitäten des Holens und Bringens des Kindes sind im Rahmen von Abs 1 ergänzungsfähig. 1 2 3

354

Zu Problemen der Tenorierung ausländischer Umgangstitel Heß IPRax 2000, 361, 362. AnwKommBGB /Andrae Rn 1. Kommission, Leitfaden 36.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 6 . Sonstige Bestimmungen

Art 48 Brüssel IIa-VO, 4, 5 Art 49 Brüssel IIa-VO, 1-3

Zuständig für die Ausübung dieser Befugnisse ist im Rahmen der Art 28 ff das nach 4 §§ 10 ff IntFamRVG für die Vollstreckbarerklärung zuständige Familiengericht. Für nach Art 41 und 42 vollstreckbare Titel ist ebenfalls das nach §§ 10 ff IntFamRVG für die Zwangsvollstreckung zuständige Familiengericht zur Modifikation befugt. II.

Außerkrafttreten (Abs 2)

Abs 2 sichert den Entscheidungsvorrang der in der Hauptsache zuständigen Gerichte. 5 Regelungen zu praktischen Modalitäten treten außer Kraft, sobald die nach Art 8 ff zuständigen Gerichte insoweit detaillierte Regelungen getroffen haben. Bedarf der entsprechende Titel der Vollstreckbarerklärung (Art 28 ff), so kann diese Wirkung jedoch erst eintreten, wenn der jeweils neue Titel im Vollstreckungsmitgliedstaat für vollstreckbar erklärt wurde.

Artikel 49

Kosten Die Bestimmungen dieses Kapitels mit Ausnahme der Bestimmungen des Abschnitts 4 gelten auch für die Festsetzung der Kosten für die nach dieser Verordnung eingeleiteten Verfahren und die Vollstreckung eines Kostenfestsetzungsbeschlusses.

I.

Einbeziehung von Kostentiteln in Anerkennung und Vollstreckung

1. Die – ohne Inhaltsänderung aus Art 13 Abs 2 Brüssel II-VO übernommene – Re- 1 gelung bezieht ausdrücklich Entscheidungen über die Kostenfestsetzung in das Anerkennungs- und Vollstreckungssystem der Art 28 ff ein. Eine Vollstreckung aufgrund Bescheinigung nach Art 40 ff kommt, was die Worte „mit Ausnahme der Bestimmungen des Abschnitts 4“ klarstellen, für Kostentitel nicht in Betracht. Das gilt auch, wenn es sich um Kostentitel in Umgangs- und Herausgabesachen handelt.1 Erfasst sind jedoch nur Kostenfestsetzungen für Entscheidungen im Anwendungsbereich 2 der VO,2 also solche in Ehesachen, wo die Kostenfestsetzung den einzigen nach der VO vollstreckbaren Tenor bedeutet sowie in Sorgerechtssachen. 2. Erfasst sind nur Entscheidungen über die Festsetzung von Kosten sowie Kosten- 3 festsetzungsbeschlüsse. Dies betrifft einerseits die Verteilung der Kosten zwischen den Parteien, andererseits die Festsetzung der konkreten Höhe der einer Partei von der anderen zu erstattenden Kosten. Nicht erfasst sind hingegen Beschlüsse, welche die Vergütung des eigenen Anwalts im Verhältnis zur vertretenen Partei festsetzen. 3

1 2 3

AnwKommBGB /Andrae Rn 1. BGH FamRZ 2005, 1540, 1545. AnwKommBGB /Andrae Rn 2.

Thomas Rauscher

355

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Art 49 Brüssel IIa-VO 4- 6

II.

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Reichweite

4 1. Fraglich ist, ob auch die Kosten für eine die Statusänderung ablehnende Entscheidung unter Art 49 fallen, da solche Entscheidungen im Sachausspruch nicht nach der VO anerkennungsfähig sind. Die Einbeziehung der zugehörigen Kostenentscheidung ist hingegen geboten. Nicht zwingend erscheint zwar das Argument, es komme sonst zu einer Lücke in der Freizügigkeit von Kostenentscheidungen; eine die Auslegung beeinflussende Lücke kann nur angenommen werden, wenn die VO im Kontext mit anderen europarechtlichen Instrumenten die Funktion übernommen hat, auch Kostenentscheidungen flächendeckend verkehrsfähig zu machen, was angesichts des lückenhaften Anerkennungssystems nicht ohne weiteres feststellbar ist. Für Kostenentscheidungen dieses Typs fällt jedoch das zugrundeliegende Verfahren als solches durchaus in den Anwendungsbereich der VO. Die Anerkennung der Sachentscheidung ist lediglich aus teleologischen Gründen zur Vermeidung von Präklusionswirkungen ausgeschlossen, was aber der (positiven) Anerkennung des Kostenausspruchs nicht entgegensteht. 4 5 2. Fraglich ist auch, ob die Kostenentscheidung, soweit sie sich auf Verbundsachen bezieht, die nicht der VO unterfallen, in die Anerkennung nach der VO einzubeziehen ist. Würde über diese Materien in einem isolierten Verfahren entschieden, so beurteilte sich die Anerkennung nicht nach der VO, sondern ggf nach den insoweit nicht verdrängten Haager Übereinkommen von 1954 über den Zivilprozess und von 1980 über die Erleichterung des internationalen Zugangs zu den Gerichten (Art 60 Abs 1, Art 59 Abs 1).5 Besteht zwischen den beteiligten Staaten keine Bindung nach diesen Übereinkommen oder ergibt sich keine Anerkennungsfähigkeit, so besteht kein Grund, den Kostengläubiger unter dem unspezifischen Ziel der Verkehrsfähigkeit von Kostenentscheidungen besser zu stellen. 6 Es ist daher bei Verbundentscheidungen zu differenzieren: Soweit sich aus der Entscheidung unter Zuhilfenahme der Gründe abtrennbare Kosten für nicht der VO unterliegende Folgesachen ergeben, nehmen diese an der Anerkennung nicht teil.6 Sind nicht abtrennbare Kosten, jedoch aufteilbare Streitwerte mitgeteilt, so sind die Kosten verhältnismäßig auf die Streitwerte aufzuteilen und nur die Kosten der Ehe- und Sorgesache in Art 49 einbezogen.7 Nur wenn und soweit eine Abtrennung der Kosten für eine Folgesache nicht möglich ist, untersteht die Kostenentscheidung insgesamt Art 49.8 4

5 6

7

8

356

AnwKommBGB /Andrae Rn 2; MünchKommZPO /Gottwald Rn 3; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1; Zöller /Geimer Rn 2; kritisch Geimer/Schütze/Paraschas Rn 2. Borrás-Bericht Rn 2. MünchKommZPO /Gottwald Rn 3; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 3; aA Zöller /Geimer Rn 3; Thomas/ Putzo/Hüßtege Rn 1. Die Frage ist nicht ohne Bedeutung: Während zB die Streitwertanteile des Versorgungsausgleichs und einer Hausratsentscheidung relativ geringfügig ins Gewicht fallen, wäre es völlig unangebracht, die Kosten eines im Verbund mitentschiedenen Zugewinnausgleichs, der den Streitwert der Ehesache bei weitem übersteigen kann, in die Anerkennung und Vollstreckung nach der VO einzubeziehen. BGH FamRZ 2005, 1540, 1545.

Januar 2010

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 6 . Sonstige Bestimmungen

Art 50 Brüssel IIa-VO 1- 4

Artikel 50

Prozesskostenhilfe Wurde dem Antragsteller im Ursprungsmitgliedstaat ganz oder teilweise Prozesskostenhilfe oder Kostenbefreiung gewährt, so genießt er in dem Verfahren nach den Artikeln 21, 28, 41, 42 und 48 hinsichtlich der Prozesskostenhilfe oder der Kostenbefreiung die günstigste Behandlung, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht.

I.

Reichweite

Die Bestimmung – mit redaktionellen Änderungen und Anpassung an die weiteren 1 Verfahren nach der VO übernommen aus Art 30 Brüssel II-VO – entspricht inhaltlich Art 50 Brüssel I-VO.1 Sie gewährt dem Antragsteller Meistbegünstigung hinsichtlich von Kostenbefreiungs- und Prozess- bzw Verfahrenskostenhilfevorschriften im Vollstreckungsmitgliedstaat. Erfasst sind alle Verfahren nach Art 21, 28, 41, 42 und 48, also das selbstständige Anerkennungsverfahren (Art 21 Abs 3), das Vollstreckbarerklärungsverfahren (Art 28), das Bescheinigungsverfahren (Art 41, 42) sowie das Verfahren zur Bestimmung der Modalitäten des Umgangsrechts (Art 48).2 Für die Rechtsbehelfsverfahren nach Art 33 und 34 gilt die Regelung nicht; hier kann der Antragsteller (und andere Beteiligte) nur nach den im Vollstreckungsmitgliedstaat geltenden Bestimmungen Kostenbefreiung oder Prozess- bzw Verfahrenskostenhilfe erhalten.3 II.

Umfang der Kostenhilfe im Vollstreckungsmitgliedstaat

1. Voraussetzung ist, dass dem Antragsteller im Ursprungsmitgliedstaat der Ent- 2 scheidung ganz oder teilweise Prozess- bzw Verfahrenskostenhilfe oder Kostenbefreiung nach den dort geltenden Bestimmungen gewährt wurde. Entscheidend ist nur die tatsächlich gewährte Bewilligung, ob diese zu Recht erfolgte, ist nicht zu prüfen. 2. Rechtsfolge ist die Gewährung von Prozess- bzw Verfahrenskostenhilfe oder Kos- 3 tenbefreiung nach dem Maßstab der günstigsten Behandlung im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates. Der Antragsteller erhält also kraft Gesetzes, ohne ein lege fori sonst erforderliches Bewilligungsverfahren, die nach diesem Recht inhaltlich günstigste Behandlung, vor deutschen Gerichten zB Verfahrenskostenhilfe ohne Eigenbeteiligung unter Beiordnung eines Rechtsanwalts. 4 Das gilt auch dann, wenn er im Ursprungsmitgliedstaat Kostenhilfe nur teilweise erhalten hat.5 Sieht das Recht dieses Staates solche Rechtsinstitute für mittellose Parteien nicht 4 vor, so geht die Regelung ins Leere.

1 2 3 4 5

Vgl auch Rauscher/Mankowski Art 50 Brüssel I-VO. MünchKommZPO /Gottwald Rn 4; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 1. MünchKommZPO /Gottwald Rn 4. MünchKommZPO /Gottwald Rn 3. Kropholler EuZPR Art 50 Rn 3.

Thomas Rauscher

357

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Art 51 Brüssel IIa-VO 1- 4

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Artikel 51

Sicherheitsleistung, Hinterlegung Der Partei, die in einem Mitgliedstaat die Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung beantragt, darf eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, nicht aus einem der folgenden Gründe auferlegt werden: a) weil sie in dem Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung erwirkt werden soll, nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder b) weil sie nicht die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzt oder, wenn die Vollstreckung im Vereinigten Königreich oder in Irland erwirkt werden soll, ihr „domicile“ nicht in einem dieser Mitgliedstaaten hat.

I.

Verbot der Ausländersicherheit

1 1. Die – zu Art 31 Brüssel II-VO wortgleiche – Bestimmung verbietet, trotz sprachlich größeren Aufwands inhaltlich in Übereinstimmung mit Art 51 Brüssel I-VO, den Vertragsstaaten die Auferlegung von Sicherheitsleistung oder Hinterlegung gegenüber dem ausländischen Antragsteller, der die Vollstreckbarerklärung begehrt. Die Bestimmung gilt nur für das Exequaturverfahren und ist nicht auf das Anerkennungsfeststellungsverfahren nach Art 21 Abs 3 anzuwenden.1 2 2. Erfasst sind unabhängig von der Bezeichnung alle Formen der Sicherung, die einer Partei abverlangt werden, weil sie in dem Vollstreckungsmitgliedstaat nicht ihren gewöhnlichen Aufenthalt (lit a) hat oder nicht die Staatsangehörigkeit dieses Staates, bzw im UK oder Irland ihr domicile dort hat (lit b). Verboten ist damit jede Form der cautio iudicatum solvi. 2 3 3. Da die Anordnung von Ausländersicherheit gegenüber EU-Bürgern ohnehin gegen das Diskriminierungsverbot (Art 12 EGV; künftig Art 18 AEUV) verstieße, hat die Bestimmung eigenständige Bedeutung nur für Antragsteller mit Drittstaatenangehörigkeit, da das Verbot alle Fälle der Vollstreckbarerklärung unter Art 28 ff sowie der Vollstreckung nach Art 40 ff erfasst, also auf die Herkunft der Entscheidung und nicht des Antragstellers abstellt. II.

Sonstige Sicherheitsleistung, Kosten

4 1. Nicht diskriminierende Bestimmungen, die dem Vollstreckungs-Antragsteller Sicherheitsleistung unabhängig von den in lit a und lit b genannten Kriterien (Aufenthalt etc) abverlangen, bleiben unberührt.3

1 2 3

358

Geimer/Schütze/Paraschas Rn 2; aA AnwKommBGB /Andrae Rn 1. Borrás-Bericht Nr 101. MünchKommZPO /Gottwald Rn 3; vgl Rauscher/Mankowski Art 51 Brüssel I-VO.

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Kapitel III . Anerkennung und Vollstreckung Abschnitt 6 . Sonstige Bestimmungen

Art 51 Brüssel IIa-VO, 5, 6 Art 52 Brüssel IIa-VO, 1-3

2. Ein Art 52 Brüssel I-VO entsprechendes Verbot streitwertabhängiger Gebühren 5 oder Stempelabgaben enthält die VO nicht, was vor dem Hintergrund erklärbar ist, dass in Sorgesachen abgestufte Streitwerte regelmäßig nicht vorstellbar sind. Soweit die Vollstreckung eine Kostenentscheidung betrifft, greift jedoch der Zweck 6 des Art 52 Brüssel I-VO, Vollstreckungshemmnisse zu verhindern, auch hier ein, weshalb Art 52 Brüssel I-VO insoweit analog angewendet werden sollte.

Artikel 52

Legalisation oder ähnliche Förmlichkeit Die in den Artikeln 37, 38 und 45 aufgeführten Urkunden sowie die Urkunde über die Prozessvollmacht, falls eine solche erteilt wird, bedürfen weder der Legalisation noch einer ähnlichen Förmlichkeit.

1. Die – abgesehen von der Änderung der Normverweise unverändert aus Art 35 1 Brüssel II-VO übernommene – Bestimmung stimmt mit Art 56 Brüssel I-VO überein. Sie befreit die nach Art 37, 38 und 45 vorzulegenden Urkunden sowie eine Urkunde über eine Vollmacht im Rahmen des Exequaturverfahrens (Art 28 ff) von jedem Erfordernis der Legalisation, also insbesondere der Apostille oder der Legalisation iSd § 438 Abs 2 ZPO. Soweit es sich um öffentliche Urkunden handelt, haben diese per se auch im Vollstreckungsmitgliedstaat die Beweiskraft öffentlicher Urkunden. Dass Art 39, ehemals Art 33 Brüssel II-VO, anders als in der entsprechenden Bestim- 2 mung des Art 35 Brüssel II-VO nicht mehr genannt ist, beruht gewiss auf einem Redaktionsversehen. Auch die Bescheinigungen nach Art 39, Anhang I und II bedürfen keiner Legalisation. Ebenso bedeutet es keine inhaltliche Änderung, dass auf Art 38 insgesamt und nicht lediglich, was richtiger wäre, auf Art 38 Abs 2 verwiesen wird. 2. Art 52 stellt hingegen nicht Privaturkunden einer ausländischen öffentlichen 3 Urkunde gleich. Bedarf es lege fori der Erteilung einer Prozessvollmacht durch öffentliche Urkunde, so befreit Art 52 diese von der Legalisation, wertet aber nicht eine bloße privatschriftliche Vollmacht auf.

Thomas Rauscher

359

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Art 53 Brüssel IIa-VO 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Kapitel IV Zusammenarbeit zwischen den zentralen Behörden bei Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung Artikel 53

Bestimmung der Zentralen Behörden Jeder Mitgliedstaat bestimmt eine oder mehrere Zentrale Behörden, die ihn bei der Anwendung dieser Verordnung unterstützen, und legt ihre räumliche oder sachliche Zuständigkeit fest. Hat ein Mitgliedstaat mehrere Zentrale Behörden bestimmt, so sind die Mitteilungen grundsätzlich direkt an die zuständige Zentrale Behörde zu richten. Wurde eine Mitteilung an eine nicht zuständige Zentrale Behörde gerichtet, so hat diese die Mitteilung an die zuständige Zentrale Behörde weiterzuleiten und den Absender davon in Kenntnis zu setzen.

I.

Einrichtung Zentraler Behörden

1 Die Schaffung zentraler Behörden ist im Rahmen einer Zuständigkeits- und Anerkennungs-VO vom Typ „Brüssel“ neu. Sie ist dem Umstand geschuldet, dass durch die Erstreckung auf Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung Kommunikationsbedarf zwischen den Gerichten und Behörden der Mitgliedstaaten entstanden ist. Hierzu übernehmen Art 53 bis 58 das im Rahmen des HKindEntfÜbk entwickelte und in das Haager KSÜ übertragene System der Zentralen Behörden. Idealiter sollten die Behörden nach Art 53 mit denen nach den Haager Übereinkommen identisch sein.1 Die Einrichtung mehrerer Zentraler Behörden ist zulässig. 2 Art 53 S 2, 3 gehen implizit vom Prinzip des (nicht-diplomatischen) direkten Verkehrs der Zentralen Behörden verschiedener Mitgliedstaaten untereinander aus. Die den Zentralen Behörden obliegende Unterstützung in Durchführung der Verordnung ist weit zu verstehen. Sie kann insbesondere auch instrumentalisiert werden, um Informationen über ein erforderliches Eingreifen von Gerichten und Behörden in Angelegenheiten der elterlichen Verantwortung auszutauschen.2 II.

Zentrale Behörde in der Bundesrepublik Deutschland

3 Deutschland hat in diesem Fall nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, mehrere Zentrale Behörden in den Bundesländern einrichten zu lassen. Zentrale Behörde iSd Art 53 ist seit dem 1.1.2007 das Bundesamt für Justiz, das zugleich Zentrale Behörde nach Art 6 HKindEntfÜbk und Art 2 europäisches Sorgerechtsübereinkommen ist 1 2

360

So der Wunsch der Kommission, Leitfaden 55. EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 847; Information der nach Art 8 zuständigen Gerichte über einstweilige Maßnahmen und das Erfordernis einer dauerhaften Anschlussregelung.

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Kapitel IV Zusammenarbeit zwischen den zentralen Behörden

Art 54 Brüssel IIa-VO, 1 Art 55 Brüssel IIa-VO

(§ 3 Abs 1 IntFamRVG3). § 6 Abs 1 IntFamRVG bestimmt ausdrücklich den unmittelbaren Verkehr der Zentralen Behörde in Deutschland mit zuständigen Stellen im Inund Ausland, was auch den unmittelbaren Verkehr mit Gerichten in anderen Mitgliedstaaten ohne Vermittlung der dortigen Zentralen Behörde einschließt.

Artikel 54

Allgemeine Aufgaben Die Zentralen Behörden stellen Informationen über nationale Rechtsvorschriften und Verfahren zur Verfügung und ergreifen Maßnahmen, um die Durchführung dieser Verordnung zu verbessern und die Zusammenarbeit untereinander zu stärken. Hierzu wird das mit der Entscheidung 2001/470/ EG eingerichtete Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen genutzt.

Die Bestimmung regelt als allgemeine Aufgaben der Zentralen Behörden die Bereit- 1 stellung von Informationen über nationale Vorschriften sowie generelle Maßnahmen zur Verbesserung der Durchführung der VO und der Zusammenarbeit. Die Integration der Zentralen Behörden in das Justizielle Netz soll dazu genutzt werden, bei regelmäßigen Treffen die Anwendung der VO zu erörtern und Lösungen für allgemeine Problemstellen zu suchen.1 Umfangreicher und auch erheblich kostenintensiver2 dürfte allerdings die Mitwirkung in individuellen Verfahren sein (dazu Art 55).

Artikel 55

Zusammenarbeit in Fällen, die speziell die elterliche Verantwortung betreffen Die Zentralen Behörden arbeiten in bestimmten Fällen auf Antrag der Zentralen Behörde eines anderen Mitgliedstaats oder des Trägers der elterlichen Verantwortung zusammen, um die Ziele dieser Verordnung zu verwirklichen. Hierzu treffen sie folgende Maßnahmen im Einklang mit den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats, die den Schutz personenbezogener Daten regeln, direkt oder durch Einschaltung anderer Behörden oder Einrichtungen: a) Sie holen Informationen ein und tauschen sie aus über i) die Situation des Kindes, ii) laufende Verfahren oder iii) das Kind betreffende Entscheidungen. b) Sie informieren und unterstützen die Träger der elterlichen Verantwortung, die die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung, insbesondere über das Umgangsrecht und die Rückgabe des Kindes, in ihrem Gebiet erwirken wollen. c) Sie erleichtern die Verständigung zwischen den Gerichten, insbesondere zur Anwendung des Artikels 11 Absätze 6 und 7 und des Artikels 15. 3

1 2

IdF durch Art 4 Abs 11 des Gesetzes zur Errichtung und zur Regelung der Aufgaben des Bundesamts für Justiz vom 17.12.2006, BGBl 2006 I 3171. Kommission, Leitfaden 55. Zur geschätzten erforderlichen Ausstattung der Zentralen Behörde BT-Drs 15/3981, 19.

Thomas Rauscher

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Art 55 Brüssel IIa-VO 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

d) Sie stellen alle Informationen und Hilfen zur Verfügung, die für die Gerichte für die Anwendung des Artikels 56 von Nutzen sind. e) Sie erleichtern eine gütliche Einigung zwischen den Trägern der elterlichen Verantwortung durch Mediation oder auf ähnlichem Wege und fördern hierzu die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

I.

Zusammenarbeit in individuellen Fällen, die elterliche Verantwortung betreffend

1 Die Bestimmung sieht eine Einschaltung der Zentralen Behörden beider beteiligter Mitgliedstaaten in individuellen Verfahren, welche die elterliche Verantwortung betreffen, nach dem Vorbild der Art 31, 32 KSÜ vor. Die Aufgaben reichen von der Vermittlung von Informationen (lit a: zur Situation des Kindes, laufenden Verfahren, das Kind betreffende Entscheidungen1), über die Vermittlung der Zusammenarbeit der Gerichte (lit c: insbesondere im Verfahren nach Verweigerung der Rückgabe eines entführten Kindes gemäß Art 11 Abs 6 und 7 sowie im Rahmen der Verweisung an ein forum conveniens nach Art 15), hin zum unmittelbaren Tätigwerden durch Information und Beratung der Träger elterlicher Verantwortung in Fragen der Anerkennung und Vollstreckung sowie Kindesrückgabe (lit b) sowie dem mediativen Einwirken auf eine gütliche Einigung (lit e). 2 Gerade im mediativen Sektor sollten die eigenen (personellen) Möglichkeiten der Zentralen Behörden allerdings nicht überschätzt werden. 2 Diese Aufgaben nimmt die Zentrale Behörde nicht notwendig durch eigenes Personal wahr; vorrangige Aufgabe wird es sein, unmittelbares Zusammenwirken der Gerichte mit dem Ziel gütlicher Einigung auf dieser Ebene zu fördern. S 1 sieht daher ausdrücklich die Einschaltung anderer Gerichte und Behörden vor.3 § 6 Abs 1 IntFamRVG bestätigt dies für das deutsche Recht. II.

Tätigwerden

3 Die Zentralen Behörden werden in individuellen Verfahren nur auf Antrag der Zentralen Behörde eines anderen Mitgliedstaates in laufenden Verfahren tätig (S 1). Anders als nach dem HKindEntfÜbk und dem Europäischen SorgerechtsÜbk ist die Einleitung von Verfahren durch die Zentralen Behörden nicht vorgesehen. 4

1

2

3 4

362

Kritisch im Hinblick auf die Wahrung datenschutzrechtlicher Bestimmungen des nationalen Rechts die deutsche Delegation: Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 21.3.2003, 7730/03, 14. Die Kommission, Leitfaden 55 betont insbesondere diese, gewiss zeitaufwendige und wohl nur selten durch die Zentrale Behörde zu verwirklichende Aufgabe. Kommission, Leitfaden 55. BT-Drs 15/3981, 19.

Januar 2010

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Kapitel IV Zusammenarbeit zwischen den zentralen Behörden

Art 56 Brüssel IIa-VO 1-3

Artikel 56

Unterbringung des Kindes in einem anderen Mitgliedstaat (1) Erwägt das nach den Artikeln 8 bis 15 zuständige Gericht die Unterbringung des Kindes in einem Heim oder in einer Pflegefamilie und soll das Kind in einem anderen Mitgliedstaat untergebracht werden, so zieht das Gericht vorher die Zentrale Behörde oder eine andere zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats zurate, sofern in diesem Mitgliedstaat für die innerstaatlichen Fälle der Unterbringung von Kindern die Einschaltung einer Behörde vorgesehen ist. (2) Die Entscheidung über die Unterbringung nach Absatz 1 kann im ersuchenden Mitgliedstaat nur getroffen werden, wenn die zuständige Behörde des ersuchten Staates dieser Unterbringung zugestimmt hat. (3) Für die Einzelheiten der Konsultation bzw. der Zustimmung nach den Absätzen 1 und 2 gelten das nationale Recht des ersuchten Staates. (4) Beschließt das nach den Artikeln 8 bis 15 zuständige Gericht die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie und soll das Kind in einem anderen Mitgliedstaat untergebracht werden und ist in diesem Mitgliedstaat für die innerstaatlichen Fälle der Unterbringung von Kindern die Einschaltung einer Behörde nicht vorgesehen, so setzt das Gericht die Zentrale Behörde oder eine zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats davon in Kenntnis.

I.

Einschaltung der Behörden bei Unterbringung eines Kindes

1. Die Bestimmung regelt die Einschaltung der Behörden – nicht notwendig der 1 Zentralen Behörden – eines Mitgliedstaates (Unterbringungsmitgliedstaat), in dem das nach Art 8 bis 15 zuständige Gericht eines anderen Mitgliedstaates (Entscheidungsmitgliedstaat) ein Kind in einem Heim oder einer Pflegefamilie unterbringen will. In einem solchen Fall ist zwingend die Zentrale Behörde des Unterbringungsmitgliedstaates oder eine sonstige zuständige Behörde zu konsultieren, wenn nach dem Recht des Unterbringungsmitgliedstaates die Einschaltung einer Behörde für innerstaatliche Fälle der Unterbringung vorgesehen ist (Abs 1). Maßgeblich ist also die lex fori des Unterbringungsmitgliedstaates. Da deren Zuständigkeitsregeln für das ausländische Gericht oft schwer zugänglich sein werden, kommt auch hier faktisch die Einschaltung der Zentralen Behörde als einfachster Weg in Betracht. 2. Im deutschen Recht und damit für eine Unterbringung in Deutschland ergibt 2 sich die Erforderlichkeit der Einschaltung bei Unterbringung, die mit Freiheitsentzug verbunden ist, aus § 1631b BGB, für Pflegefamilien aus § 44 SGB VIII. Entsprechend ist bei Unterbringung in Deutschland die Konsultation nach § 45 ff IntFamRVG in allen von Art 56 Abs 1 genannten Fällen vorgesehen. II.

Zustimmungserfordernis (Abs 2, 3)

1. Liegen die Voraussetzungen der Konsultation (Abs 1) vor, so kann die Ent- 3 scheidung über die Unterbringung nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde des ersuchten Staates (Unterbringungsmitgliedstaates) ergehen (Abs 2). Für die

Thomas Rauscher

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Art 56 Brüssel IIa-VO 4-7

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Einzelheiten von Konsultation und Zustimmung verweist Abs 3 auf die lex fori des Unterbringungsmitgliedstaates. 4 2. In Deutschland liegt die Zuständigkeit für die Erteilung der Zustimmung beim überörtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe, also dem Landesjugendamt,1 in dessen Bereich das Kind nach dem Vorschlag der ersuchenden Stelle untergebracht werden soll; andernfalls bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem engsten Bezug, hilfsweise ist das Land Berlin zuständig (§ 45 IntFamRVG). Das Landesjugendamt wird bei seiner Entscheidung ggf das betroffene örtliche Jugendamt zuziehen.2 5 Die Kriterien für die Zustimmung im Konsultationsverfahren bestimmt § 46 IntFamRVG; der Prüfungsumfang ist eingeschränkt. Eine umfassende Prüfung der Unterbringungsvoraussetzungen findet nicht statt; geprüft wird nur, ob die Unterbringung des Kindes gerade im Inland geboten und durchführbar ist. Für eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung enthält § 46 Abs 2 IntFamRVG zusätzliche Ablehnungsgründe, welche die Vereinbarkeit mit Art 104 Abs 2 S 1 GG sicherstellen sollen. 3 Die Übernahme der Kosten durch den Entscheidungsmitgliedstaat ist, entgegen einem Änderungsersuchen des Bundesrates,4 nicht zwingende Voraussetzung der Erteilung der Zustimmung, sondern nach § 46 Abs 1 Nr 6 IntFamRVG eine positive Regelvoraussetzung für die Zustimmung. Es sind daher Fälle möglich, in denen die Zustimmung auch ohne die Regelung der Kosten zu erteilen ist.5 6 Die Zustimmung bedarf der Genehmigung des Familiengerichts (§ 47 Abs 1 IntFamRVG), die durch begründungsbedürftigen, unanfechtbaren Beschluss ergeht (§ 47 Abs 3 IntFamRVG). Das Verfahren ist FG-Familiensache nach § 14 Nr 2 IntFamRVG.6 Örtlich zuständig ist das Familiengericht am Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Zuständigkeitsbereich das Kind untergebracht werden soll, wobei die Bestimmungen über die Zuständigkeitskonzentration (§ 12 Abs 2, 3 IntFamRVG) entsprechend gelten (§ 47 Abs 2 IntFamRVG). III. Unterbringung ohne Zustimmungserfordernis (Abs 4)

7 Nur für Fälle der Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie (nicht bei Heimunterbringung), für die die lex fori des Unterbringungsmitgliedstaates die Einschaltung einer Behörde nicht vorsieht, bedarf es lediglich des Informationsverfahrens nach Abs 4. Das Gericht setzt in diesem Fall lediglich die Zentrale Behörde oder eine zuständige Behörde des Unterbringungsmitgliedstaates in Kenntnis. Deren Zustimmung bedarf es nicht. 1

2 3 4 5 6

364

Angesichts von mehr als 600 kommunalen Gebietskörperschaften erschien diese Konzentration im Hinblick auf Fälle mit Auslandsbezug sachgerecht, BT-Drs 15/3981, 30. BT-Drs 15/3981, 30. Im Einzelnen BT-Drs 15/3981, 30. BT-Drs 15/3981, 35. Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs 15/3981, 37. BT-Drs 15/3981, 23.

Januar 2010

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Kapitel IV Zusammenarbeit zwischen den zentralen Behörden

Art 57 Brüssel IIa-VO 1-3

Artikel 57

Arbeitsweise (1) Jeder Träger der elterlichen Verantwortung kann bei der Zentralen Behörde des Mitgliedstaats, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder bei der Zentralen Behörde des Mitgliedstaats, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder in dem es sich befindet, einen Antrag auf Unterstützung gemäß Artikel 55 stellen. Dem Antrag werden grundsätzlich alle verfügbaren Informationen beigefügt, die die Ausführung des Antrags erleichtern können. Betrifft dieser Antrag die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung über die elterliche Verantwortung, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, so muss der Träger der elterlichen Verantwortung dem Antrag die betreffenden Bescheinigungen nach Artikel 39, Artikel 41 Absatz 1 oder Artikel 42 Absatz 1 beifügen. (2) Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission die Amtssprache(n) der Organe der Gemeinschaft mit, die er außer seiner/seinen eigenen Sprache(n) für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zulässt. (3) Die Unterstützung der Zentralen Behörden gemäß Artikel 55 erfolgt unentgeltlich. (4) Jede Zentrale Behörde trägt ihre eigenen Kosten.

I.

Einschaltung der Zentralen Behörden durch Träger der elterlichen Verantwortung

1. Gemäß Abs 1 kann sich jeder Träger der elterlichen Verantwortung mit einem 1 Antrag auf Unterstützung nach Art 55 wahlweise an die Zentrale Behörde des Mitgliedstaates wenden, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder in dem das Kind gewöhnlichen bzw schlichten Aufenthalt hat. Hierbei treffen den Antragsteller grundsätzlich Mitwirkungserfordernisse, er hat alle verfügbaren Informationen beizufügen, welche die Ausführung des Antrags erleichtern können (Abs 1 S 2). Hierzu gehören insbesondere bereits ergangene Entscheidungen über die elterliche Verantwortung sowie Stellungnahmen von Behörden der Jugendhilfe. 2. Begehrt ein Träger elterlicher Verantwortung Unterstützung bei der Anerken- 2 nung und/oder Vollstreckung einer Entscheidung über die elterliche Verantwortung, so ist die Beschaffung der erforderlichen Bescheinigungen (nach Art 39 für ein Exequaturverfahren, nach Art 41 Abs 1 oder Art 42 Abs 1 für ein unmittelbares Vollstreckungsverfahren) Sache des Antragstellers; diese Bescheinigungen sind dem Antrag an die Zentrale Behörde beizufügen (Abs 1 S 3). II.

Verfahrensweise

1. Zentrale Behörden müssen nur tätig werden, wenn der an sie gerichtete Antrag 3 in einer nach Abs 2 zugelassenen Sprache verfasst wird. Die zulässigen Sprachen teilen die Mitgliedstaaten gemäß Art 67 lit b der Kommission mit.1

1

Vgl hierzu den Anhang zu Art 67.

Thomas Rauscher

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Art 57 Brüssel IIa-VO, 4, 5 Art 58 Brüssel IIa-VO, 1

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

4 Kosten für die eigene Tätigkeit2 der Zentralen Behörde werden nicht erhoben. Dies gilt sowohl gegenüber dem Antragsteller und anderen Beteiligten (Abs 3) als auch im Verhältnis der Zentralen Behörden untereinander (Abs 4). 5 2. Die Zentrale Behörde in Deutschland kann es ablehnen, tätig zu werden, solange Mitteilungen oder beizufügende Schriftstücke nicht in deutscher Sprache abgefasst oder von einer Übersetzung in die deutsche Sprache begleitet sind (§ 4 Abs 1 IntFamRVG). Vermittelt die Zentrale Behörde bei ausgehenden Ersuchen, so veranlasst sie auf Kosten des Antragstellers die Übersetzung, wenn dieser die Übersetzung nicht beschafft (§ 5 Abs 1 IntFamRVG); zur Befreiung von der Erstattungspflicht § 5 Abs 2 IntFamRVG; zur Kostenbemessung – nach JVEG – § 54 IntFamRVG.

Artikel 58

Zusammenkünfte (1) Zur leichteren Anwendung dieser Verordnung werden regelmäßig Zusammenkünfte der Zentralen Behörden einberufen. (2) Die Einberufung dieser Zusammenkünfte erfolgt im Einklang mit der Entscheidung 2001/ 470/ EG über die Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen.

1 Die Bestimmung regelt, anknüpfend an Art 54, die für die Durchführung der dort bestimmten allgemeinen Aufgaben notwendige regelmäßige Kommunikation durch regelmäßige Zusammenkünfte im Einklang mit der Einrichtung des Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen.1

2 1

366

Zu Übersetzungskosten sogleich Rn 5. Näher http://europa.eu.int/comm/justice_home/ejn/index_de.htm.

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Art 59 Brüssel IIa-VO

Kapitel V Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten

Kapitel V Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten Artikel 59

Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten (1) Unbeschadet der Artikel 60, 61, 62 und des Absatzes 2 des vorliegenden Artikels ersetzt diese Verordnung die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bestehenden, zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünfte, die in dieser Verordnung geregelte Bereiche betreffen. (2) a) Finnland und Schweden können erklären, dass das Übereinkommen vom 6. Februar 1931 zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden mit Bestimmungen des internationalen Verfahrensrechts über Ehe, Adoption und Vormundschaft einschließlich des Schlussprotokolls anstelle dieser Verordnung ganz oder teilweise auf ihre gegenseitigen Beziehungen anwendbar ist. Diese Erklärungen werden dieser Verordnung als Anhang beigefügt und im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Die betreffenden Mitgliedstaaten können ihre Erklärung jederzeit ganz oder teilweise widerrufen. b) Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Bürgern der Union aus Gründen der Staatsangehörigkeit wird eingehalten. c) Die Zuständigkeitskriterien in künftigen Übereinkünften zwischen den in Buchstabe a) genannten Mitgliedstaaten, die in dieser Verordnung geregelte Bereiche betreffen, müssen mit den Kriterien dieser Verordnung im Einklang stehen. d) Entscheidungen, die in einem der nordischen Staaten, der eine Erklärung nach Buchstabe a) abgegeben hat, aufgrund eines Zuständigkeitskriteriums erlassen werden, das einem der in Kapitel II vorgesehenen Zuständigkeitskriterien entspricht, werden in den anderen Mitgliedstaaten gemäß den Bestimmungen des Kapitels III anerkannt und vollstreckt. (3) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission a) eine Abschrift der Übereinkünfte sowie der einheitlichen Gesetze zur Durchführung dieser Übereinkünfte gemäß Absatz 2 Buchstaben a) und c), b) jede Kündigung oder Änderung dieser Übereinkünfte oder dieser einheitlichen Gesetze. I. Vorrang vor altrechtlichen Übereinkommen (Abs 1) . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Nordisches Ehesachenübereinkommen

v 6.2.1931 (Abs 2) 1. Erklärungen durch Schweden und Finnland (Abs 2 lit a) . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Diskriminierungsverbot, Anpassungsgebot (Abs 2 lit b, c) . . . .

Thomas Rauscher

3. Anerkennung und Vollstreckung schwedischer und finnischer Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten (Abs 2 lit d) . . . . . . . .

12

III. Notifikation an die Kommission . . . . . .

14

8 IV. Keine neuen Ausführungsüberein-

10

kommen zwischen den Mitgliedstaaten

15

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Art 59 Brüssel IIa-VO 1-5

I.

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Vorrang vor altrechtlichen Übereinkommen (Abs 1)

1 1. Die Bestimmung entspricht mit einer Änderung in Abs 2 lit b dem Art 36 Brüssel II-VO. Abs 1 bestimmt wie Art 69 Brüssel I-VO als Grundprinzip vorbehaltlich besonderer Regelungen in Art 60 ff den Vorrang der VO1 gegenüber den am 1.3.2001, dem Tag des Inkrafttretens der VO, bestehenden bi- und multilateralen Übereinkünften2 zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten. Im Gegensatz zu Art 69 Brüssel I-VO enummeriert Abs 1 diese Übereinkünfte nicht; die Bestimmung bezieht sich jedoch insbesondere, aber nicht ausschließlich, auch auf die in Art 69 Brüssel I-VO genannten Übereinkommen, soweit diese auch den Anwendungsbereich der VO berühren. 2 Der Vorrang gilt für das Zuständigkeits- sowie das Anerkennungs- und Vollstreckungssystem, grundsätzlich auch dann, wenn nach den völkervertraglichen Übereinkommen günstigere Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln bestünden.3 3 2. Der Vorrang ist sachlich und zeitlich begrenzt. Die VO ersetzt die Übereinkommen nur hinsichtlich der in Art 1 Abs 1 genannten Bereiche. Für Bereiche, die weder von Brüssel I noch von Brüssel II erfasst sind, bleiben diese Übereinkommen in Kraft (Art 62 Abs 1). 4 Die VO ersetzt die Übereinkommen auch nur, soweit der zeitliche Anwendungsbereich der VO (Art 64) für das konkrete Verfahren (Zuständigkeit) oder die konkrete Entscheidung (Anerkennung, Vollstreckung) eröffnet ist. Dies ergibt sich zwar nicht mehr ausdrücklich aus der VO (vgl dagegen Art 38 Abs 2 Brüssel II-VO),4 jedoch im Umkehrschluss aus Art 64, der den zeitlichen Anwendungsbereich der VO mit Rücksicht auf die vorangegangene Brüssel II-VO komplexer regelt. Der Vorrang der VO erfasst damit ohne weiteres seit dem 1.3.2005 eingeleitete Verfahren, er erfasst nie vor dem 1.3. 2001 ergangene Entscheidungen und nur nach Maßgabe von Art 64 Abs 2 bis 4 Entscheidungen, die seit dem 1.3.2001 bzw seit dem 1.3.2005 ergangen sind, jedoch auf Verfahren beruhen, die vor einem oder beiden dieser Stichtage eingeleitet wurden. 5 3. Der Vorrang ist auch räumlich begrenzt. Die VO ersetzt die Übereinkommen nur in ihrem räumlichen Anwendungsbereich. Dies mit der Formel „in den wechselseitigen Beziehungen der Mitgliedstaaten“5 zu erfassen, erscheint zumindest missverständlich. Soweit Gegenstand des verdrängten Übereinkommens die Anerkennung und Vollstreckung ist, bezieht sich der Vorrang der VO in der Tat auf die Anerkennung von Entscheidungen aus Mitgliedstaaten in anderen Mitgliedstaaten. 1

2 3

4

5

368

Gonzales Beilfuss in: Nuyts/Watté (ed), International Civil Litigation in Europe and Relations with Third States (2005) 493, 498. Andrae ERA-Forum 2003, 28, 29. Was allerdings im Rahmen der Übereinkommen, die Art 59 unterfallen, kaum der Fall sein wird; vgl aber die unter Art 60, 61 fallenden Haager Übereinkommen, dazu Borrás-Bericht Nr 115. Borrás-Bericht Nr 110; Schack RabelsZ 65 (2001) 630; kritisch Jänterä-Jareborg YB PIL 1999, 28 wegen der damit verbundenen Perpetuierung der Anerkennungsprobleme bei Alt-Entscheidungen. So Jänterä-Jareborg YB PIL 1999, 28.

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Kapitel V Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten

Art 59 Brüssel IIa-VO 6-10

Soweit Übereinkommen jedoch Zuständigkeitsregeln enthalten,6 werden sie verdrängt, 6 soweit der durch Art 6, 7 und 14 bestimmte räumliche Anwendungsbereich der Zuständigkeitsbestimmungen der VO reicht; ein in anderer Weise definiertes Verhältnis zwischen Mitgliedstaaten muss nicht hinzutreten. Soweit die VO gegenüber der lex fori nicht ausschließlich ist (Art 6 bzw Art 14 e contrario), verdrängt sie auch nicht völkervertragliche Übereinkommen. 4. Aus deutscher Sicht kommen die in Art 69 Brüssel I-VO genannten Überein- 7 kommen in Betracht,7 sowie das Abkommen zwischen der BRep Deutschland und dem UK.8 Alle anderen die Materie der VO betreffenden völkervertraglichen Übereinkommen, an denen Deutschland beteiligt ist, sind in Art 60 geregelt. II.

Nordisches Ehesachenübereinkommen v 6.2.1931 (Abs 2)

1.

Erklärungen durch Schweden und Finnland (Abs 2 lit a)

Finnland und Schweden, den einzigen Vertragsstaaten des nordischen Ehesachen- 8 übereinkommens, die zugleich Mitgliedstaaten iSd VO (Art 2 Nr 3) sind, räumt Abs 2 mit Rücksicht auf Art 40 EUV ein Recht ein, zu erklären, dass an der Stelle der VO das Übereinkommen vom 6.2.1931 zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden mit Bestimmungen des internationalen Verfahrensrechts über die Ehe etc gilt. 9 Diese Erklärungen haben Schweden und Finnland abgegeben. Sie sind in Anhang VI der VO abgedruckt. Die Erklärungen gelten, solange sie nicht widerrufen werden.10 Diese Ausnahme ist nicht anzuwenden auf die in Art 59 nicht genannte Zusammen- 9 arbeit zwischen den nordischen Staaten auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung von Verwaltungsentscheidungen über die Inobhutnahme und über die Unterbringung von Personen.11 2.

Diskriminierungsverbot, Anpassungsgebot (Abs 2 lit b, c)

Im Rahmen der Anwendung des nordischen Ehesachenübereinkommens zwischen 10 Schweden und Finnland anstelle der VO ist eine Diskriminierung (Art 12 EGV; künf6 7

8 9 10 11

Wie es beim Nordischen Ehesachenübereinkommen der Fall wäre, vgl dazu Abs 2, unten Rn 8 ff. Deutsch-italienisches Abkommen v 9.3.1936, RGBl 1937 II 145; deutsch-belgisches Abkommen v 30.6.1958, BGBl 1959 II 766; deutsch-österreichischer Vertrag v 6.6.1959, BGBl 1960 II 1246; deutsch-griechischer Vertrag v 4.11.1961, BGBl 1963 II 110; deutsch-spanischer Vertrag v 14.11.1983, BGBl 1987 II 35; Staudinger/Spellenberg (2005) Rn 1. V 14.7.1960, BGBl 1961 II 302; vgl auch Kohler NJW 2001, 13 Fn 30. Im Einzelnen Jänterä-Jareborg YB PIL 1999, 29 ff. Borrás-Bericht Nr 113. EuGH RS C-435/06 C IPRax 2008, 509, 512, wo der sachliche Anwendungsbereich der VO auch auf behördliche Inobhutnahme erstreckt wird, dazu Art 1 Rn 18.

Thomas Rauscher

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Art 59 Brüssel IIa-VO 11-14

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

tig Art 18 AEUV) von EU-Bürgern (Art 17 EGV; künftig Art 20 AEUV) aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten (Abs 2 lit b). Die Neufassung der lit b in Art 59 Abs 2 formuliert dies im Sinn einer Feststellung, während Art 36 Abs 2 lit b Brüssel II-VO ein ausdrückliches Verbot enthielt. Die diplomatisch mildere Formulierung in Art 59 dürfte dem Umstand Rechnung tragen, dass wegen Art 40 EUV ein an die beiden nordischen Mitgliedstaaten gerichtetes Verbot fragwürdig wäre. 11 Die Zuständigkeitskriterien künftiger bzw novellierter Übereinkünfte müssen mit den Kriterien der VO in Einklang stehen (Abs 2 lit c). 3.

Anerkennung und Vollstreckung schwedischer und finnischer Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten (Abs 2 lit d)

12 Abs 2 lit d beschränkt die Anwendung der VO (Kapitel III) auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus einem Mitgliedstaat, der die Erklärung nach Abs 2 lit a abgegeben hat, auf Entscheidungen, die auf Grund eines Zuständigkeitskriteriums erlassen werden, das einem der in der VO (Kapitel II) vorgesehenen Zuständigkeitskriterien entspricht.12 Damit stehen solche Entscheidungen den nach dem 1.3. 2001 erlassenen Entscheidungen in früher anhängigen Verfahren (Art 64 Abs 2, 4) gleich; hingegen werden Entscheidungen aus Verfahren, die nach dem 1.3.2001 eingeleitet werden (für den Zeitraum bis zum 1.3.2005 mit der Einschränkung auf den Anwendungsbereich der Brüssel II-VO), unbeschadet einer Zuständigkeitsprüfung nach der VO anerkannt und vollstreckt (Art 64 Abs 1, 3). 13 Hintergrund dieser ungünstigeren Behandlung im Vergleich zu sonstigen Entscheidungen aus Mitgliedstaaten, die unabhängig von der angewendeten Zuständigkeitsquelle nach Kapitel III der VO behandelt werden, ist, dass für solche Entscheidungen aus Schweden und Finnland feststeht, dass das Zuständigkeitssystem der VO nicht angewendet wurde, während im Übrigen seit Inkrafttreten der VO Grundlage der Anerkennung das wechselseitige Vertrauen in die (zutreffende) Anwendung der Zuständigkeiten des Kapitels II ist. Dies ist nicht unstimmig: Zwar können auch unter der VO Entscheidungen in einer Zuständigkeit lege fori ergehen (Art 7, 14);13 dies aber nur insoweit, wie die VO ihren Anwendungsbereich selbst begrenzt, während die Anwendung des nordischen Übereinkommens gerade auch den positiven Geltungsanspruch des Zuständigkeitssystems der VO überwindet. III. Notifikation an die Kommission

14 Abs 3 verpflichtet Schweden und Finnland zur Übermittlung der dort genannten Urkunden an die Kommission.

12 13

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Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 555. Vor diesem Hintergrund kritisch Staudinger/Spellenberg (2005) Rn 8.

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Kapitel V Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten

IV.

Art 59 Brüssel IIa-VO, 15 Art 60, 61 Brüssel IIa-VO

Keine neuen Ausführungsübereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten

Aufgrund der ersatzlosen Streichung von Art 39 Brüssel II-VO anlässlich der Neufas- 15 sung durch die Brüssel IIa-VO14 ist die Zulässigkeit von Übereinkünften zur Ergänzung der VO und zur Erleichterung ihrer Durchführung entfallen.15 Das in Art 39 Abs 2 Brüssel II-VO enthaltene Verbot des Neuabschlusses von Übereinkommen im Bereich der Anerkennung und Vollstreckung folgt nur noch a fortiori aus der Streichung von Art 39 Abs 1 sowie, ebenfalls a fortiori, aus Art 59 Abs 1.

Artikel 60

Verhältnis zu bestimmten multilateralen Übereinkommen Im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten hat diese Verordnung vor den nachstehenden Übereinkommen insoweit Vorrang, als diese Bereiche betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind: a) Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen, b) Luxemburger Übereinkommen vom 8. September 1967 über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, c) Haager Übereinkommen vom 1. Juni 1970 über die Anerkennung von Ehescheidungen und der Trennung von Tisch und Bett, d) Europäisches Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses und e) Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung.

Artikel 61

Verhältnis zum Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern Im Verhältnis zum Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern ist diese Verordnung anwendbar, a) wenn das betreffende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat;

14 15

Vgl Anhang V, Entsprechungstabelle Art 39. Vgl zu Art 39 Brüssel II-VO die Kommentierung in der Vorauflage.

Thomas Rauscher

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Art 60, 61 Brüssel IIa-VO 1-3

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

b) in Fragen der Anerkennung und der Vollstreckung einer von dem zuständigen Gericht eines Mitgliedstaats ergangenen Entscheidung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats, auch wenn das betreffende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Drittstaats hat, der Vertragspartei des genannten Übereinkommens ist. I. Vorrang der VO gegenüber multilateralen Übereinkommen 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erweiterung des Vorrangs durch die Brüssel IIa-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Umfang des Anwendungsvorrangs

1

1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zum HKindEntfÜbk . . . . . . 3. Verhältnis zum Haager KSÜ . . . . . . . . . .

4 8 9

3

I.

Vorrang der VO gegenüber multilateralen Übereinkommen

1.

Grundsatz

1 Die Art 60, 61 gehen zurück auf Art 37 Brüssel II-VO, wobei die Neuordnung des Verhältnisses zum HKindEntfÜbk und zum Haager KSÜ zu Änderungen geführt hat. Die Abspaltung des Verhältnisses zum KSÜ, das in Art 61 eigenständig geregelt ist, beruht auf der im Verfahren eingefügten klarstellenden Beschränkung des Vorrangs der VO gegenüber dem KSÜ auf Kinder, die in einem Mitgliedstaat gewöhnlichen Aufenthalt haben.1 2 Über Art 59 hinaus bestimmen Art 60, 61 einen Vorrang der VO auch gegenüber multilateralen Übereinkommen, die den Anwendungsbereich der VO betreffen. Die Bestimmung war nicht unumstritten, zumal sie die grundlegende Frage berührt, ob die Inanspruchnahme einer Zuständigkeit zur Schaffung der VO angesichts der bestehenden Haager Übereinkommen, insbesondere des KSÜ, der HKindEntfÜbk und des Haager Ehescheidungsübereinkommens rechtspolitisch klug war.2 Der Vorrang der VO soll der Rechtssicherheit und dem Vertrauensschutz dienen3 und erweist sich gegenüber den anderweitigen Ehescheidungsübereinkommen (Art 60 lit b, c) jedenfalls als sinnvoll. 2.

Erweiterung des Vorrangs durch die Brüssel IIa-VO

3 Er wirft aber im Verhältnis zu den kindschaftsrechtlichen Übereinkommen (Art 60 lit a, d, e, Art 61) Abstimmungsprobleme auf. Auch nach Ausdehnung der VO auf selbstständige Sorgerechtsverfahren bleibt die VO ein reines Instrument der internationalen Zuständigkeit, während das Haager KSÜ, zu dem das Verhältnis der VO nun in Art 61 geregelt ist, IPR und internationale Zuständigkeit regelt. Im Übrigen ist das KSÜ schlicht das besser durchdachte Rechtsinstrument, dessen Anwendung im Verhältnis zu Vertragsstaaten, die nicht Mitgliedstaaten sind, desavouiert wird. Während sich die 1

2 3

372

Vgl dazu Entwurf KOM (2002) 222, 20; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 30.4.2003, 8281/03, 20. Vgl dazu Einl Rn 2. Borrás-Bericht Nr 115.

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Kapitel V Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten

Art 60, 61 Brüssel IIa-VO 4-7

Brüssel II-VO im Verhältnis zum HKindEntfÜbk Selbstbeschränkung auferlegte, beansprucht die Brüssel IIa-VO vor dem Hintergrund des eigenen Konzepts in Art 10, 11 auch insoweit Vorrang, was die Neuaufnahme des Art 60 lit e begründet. II.

Umfang des Anwendungsvorrangs

1.

Grundsatz

Wie im Verhältnis zu den in Art 59 erfassten Übereinkommen ist die VO auch gegen- 4 über den in Art 60, 61 enummerierten nur insoweit vorrangig, wie ihr sachlicher, zeitlicher und räumlicher Anwendungsbereich reicht. 4 Soweit ein Mitgliedstaat Vertragsstaat eines der Übereinkommen ist, bleibt dessen Anwendung im Übrigen unberührt; Art 62 gilt auch für die in Art 60, 61 genannten Übereinkommen. Art 60, 61 sind aber nicht als positiver Anwendungsauftrag dahingehend zu verste- 5 hen, dass jenseits des Anwendungsbereichs der VO die genannten multilateralen Übereinkommen in völkervertraglich nicht gebundenen Mitgliedstaaten Anwendung finden sollen oder allen Mitgliedstaaten zur Zeichnung nahegelegt werden.5 Hinsichtlich der in Art 60 genannten Übereinkommen fehlt es, anders als in Art 61 für 6 das KSÜ6, für die dort genannten kindschaftsrechtlichen Übereinkommen, insbesondere das MSA, an einer ausdrücklichen Beschränkung des Vorrangs der VO auf Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Mitgliedstaat. Die Verordnung beansprucht also auch Vorrang, wenn das Kind sich in einem Vertragsstaat gewöhnlich aufhält, der nicht Mitgliedstaat ist.7 Das gilt allerdings nur „im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten“8, so dass insbesondere die Zuständigkeit im Verhältnis zum Aufenthaltsstaat des Kindes in solchen Fällen nicht nach der VO beurteilt werden kann. Somit ist das Zuständigkeitssystem des MSA gegenüber dem der VO jedenfalls dann vorrangig, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem MSA-Vertragsstaat hat, der nicht Mitgliedstaat ist.9 Da Art 3 und 4 MSA auch an die Staatsangehörigkeit des Kindes anknüpfen, dürfte das MSA auch dann vorrangig sein, wenn das Kind einem MSA-Staat angehört, der nicht Mitgliedstaat ist, sich aber in einem Mitgliedstaat gewöhnlich aufhält.10 Erhebliche Bedeutung hat der Unterschied zwischen der Behandlung des MSA nach 7 Art 60 und der des KSÜ nach Art 61 für das Anerkennungssystem der VO: Unbeschadet des gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes unterliegen Entscheidungen aus einem Mitgliedstaat in Abgrenzung zum MSA der Anerkennung nach der Verordnung, auch 4 5 6 7 8

9 10

De Boer FJR 2005, 90, 222, 223; dazu Art 59 Rn 3 ff. Borrás-Bericht Nr 116. Unten Rn 9. Solomon FamRZ 2004, 1409, 1414. Dazu De Boer FJR 2005, 90, 222, 223; Gonzales Beilfuss in: Nuyts/Watté (ed), International Civil Litigation in Europe and Relations with Third States (2005) 493, 500. OLG Oldenburg FamRZ 2007, 1827; Andrae IPRax 2008, 82, 84: Schweiz und Türkei. Siehr FS Schwab (2005) 1267, 1270; Andrae IPRax 2008, 82, 84.

Thomas Rauscher

373

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Art 60, 61 Brüssel IIa-VO, 8-11 B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Art 62 Brüssel IIa-VO Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

wenn das Kind in einem MSA-Vertragsstaat, der nicht Mitgliedstaat ist, gewöhnlichen Aufenthalt hat. 2.

Verhältnis zum HKindEntfÜbk

8 Anders als die Brüssel II-VO (dort Art 4) sieht die VO in Art 60 lit e ihren Vorrang im Verhältnis der Mitgliedstaaten gegenüber dem HKindEntfÜbk vor. Dieser Vorrang ist jedoch auch im sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich der VO nicht umfassend, da Art 10, 11 das Verfahren nach dem HKindEntfÜbk nicht vollständig verdrängen, sondern nur modifizieren.11 3.

Verhältnis zum Haager KSÜ

9 a) Das Zuständigkeitssystem des KSÜ wird ausdrücklich nur dann verdrängt, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat (Art 61 lit a); es bleibt also für die Zuständigkeit anwendbar, wenn das Kind gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat, der nicht Mitgliedstaat der VO ist. Dies entspricht Art 52 KSÜ, der Vereinbarungen zwischen Vertragsstaaten nur für solche Fälle zulässt.12 10 b) Das Anerkennungs- und Vollstreckungssystem des KSÜ wird verdrängt, wenn eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung betroffen ist; auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes kommt es nicht an. Trotz des missverständlichen Wortlauts in lit b („auch wenn“) gilt jedoch das KSÜ für die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung aus einem Vertragsstaat, der nicht Mitgliedstaat ist. Zwar könnte man den Wortlaut so verstehen, dass die Vorrangregeln nach lit a und lit b kumulativ im Bereich von Anerkennung und Vollstreckung gelten. Es wäre aber gänzlich sinnwidrig, auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus Drittstaaten Art 21, 28 ff oder gar Art 40 ff anzuwenden. 11 c) Die Kollisionsnormen der Art 15 ff KSÜ sind hingegen durch die VO gar nicht betroffen, weil die VO das anwendbare Recht nicht erfasst.13

Artikel 62

Fortbestand der Wirksamkeit (1) Die in Artikel 59 Absatz 1 und den Artikeln 60 und 61 genannten Übereinkünfte behalten ihre Wirksamkeit für die Rechtsgebiete, die durch diese Verordnung nicht geregelt werden. (2) Die in Artikel 60 genannten Übereinkommen, insbesondere das Haager Übereinkommen von 1980, behalten vorbehaltlich des Artikels 60 ihre Wirksamkeit zwischen den ihnen angehörenden Mitgliedstaaten. 11 12 13

374

AnwKommBGB /Gruber Art 60 Rn 2. Teicheira de Sousa FamRZ 2005, 1612; Vgl auch Art 8 Rn 4. Zu den sich daraus ergebenden Fragen vgl Art 8 Rn 21 ff.

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Kapitel V Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten

I.

Art 62 Brüssel IIa-VO 1- 4

Sachliche Reichweite des Vorrangs der VO (Abs 1)

Abs 1 – insoweit inhaltsgleich aus Art 38 Abs 1 Brüssel II-VO übernommen – begrenzt 1 entsprechend Art 70 Brüssel I-VO sowohl für die in Art 59 als auch für die in Art 60 und 61 genannten Übereinkommen den dort angeordneten Vorrang der VO. Die VO geht den Übereinkommen nur vor, soweit sie sachlich anwendbar ist, denn im Übrigen bleiben die Übereinkommen anwendbar. Insoweit bedeutet Abs 1 nur eine klarstellende Wiederholung der auch e contrario aus Art 59 Abs 1 und 60 S 1 herzuleitenden sachlichen Begrenzung des Anwendungsvorrangs.1 II.

Aufhebung von Art 38 Abs 2 Brüssel II-VO

Abs 2 tritt an die Stelle der in die Brüssel IIa-VO nicht übernommenen intertempo- 2 ralen Vorrangregeln des Art 38 Abs 2 Brüssel II-VO, deren Grundsatz, wonach der Vorrang der VO auch in zeitlicher Hinsicht gilt, jedoch fortgelten dürfte. Es ergäbe keinen Sinn, da die VO ihren intertemporalen Anwendungsbereich in Art 64 positiv beschreibt, einen Vorrang der VO gegenüber völkervertraglichen Abkommen jenseits ihres intertemporalen Anwendungsbereichs zu postulieren. Sie würde dann die Übereinkommen verdrängen, selbst aber nicht Anwendung finden, also Raum für die lex fori schaffen. Das kann schwerlich gewollt sein. III. Wirksamkeit zwischen den Mitgliedstaaten (Abs 2)

Der neue Abs 2 ist sibyllinisch. 2 Die Bestimmung verdunkelt sich selbst durch die Ver- 3 wendung des Begriffs „Mitgliedstaat“ in einem anderen als dem in Art 2 Nr 4 definierten Sinn. Gemeint ist offenbar „Vertragsstaaten“. Womöglich müsste die Bestimmung lauten: „Die in Art 60 genannten Übereinkommen ... behalten vorbehaltlich des Art 60 ihre Wirksamkeit für die ihnen angehörenden Mitgliedstaaten im Verhältnis zu anderen Vertragsstaaten“. Denkbar ist auch eine Auslegung dahingehend, dass Art 62 Abs 2 ein weiteres Mal nach Art 60 S 1 und Art 62 Abs 1 wiederholt, dass die Übereinkommen für die nicht von der VO erfassten Bereiche gelten. 3 Vergeblich sucht man auch nach einem Grund, warum der Grundsatz, welcher es auch immer sei, „insbesondere“ für das HKindEntfÜbk gelten soll, andererseits aber das KSÜ (Art 61) nicht erwähnt ist. Insgesamt also eine Norm, bei der man sich wünschen würde, die Gesetzgebungs- 4 organe der EU würden Entwurfsbegründungen vorlegen müssen. Man fühlt sich zu der Vermutung veranlasst, dass es sich hier um einen jener berühmten politischen Kompromisse handelt, bei denen am Ende niemand mehr weiß, was sie eigentlich bezwecken.

1 2 3

Staudinger/Spellenberg (2005) Rn 1. Staudinger/Spellenberg (2005) Rn 2: „eher unklar“. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 1; MünchKommZPO /Gottwald Rn 3; Staudinger/Spellenberg (2005) Rn 2.

Thomas Rauscher

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Art 63 Brüssel IIa-VO 1

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Artikel 63

Verträge mit dem Heiligen Stuhl (1) Diese Verordnung gilt unbeschadet des am 7. Mai 1940 in der Vatikanstadt zwischen dem Heiligen Stuhl und Portugal unterzeichneten Internationalen Vertrags (Konkordat). (2) Eine Entscheidung über die Ungültigkeit der Ehe gemäß dem in Absatz 1 genannten Vertrag wird in den Mitgliedstaaten unter den in Kapitel III Abschnitt 1 vorgesehenen Bedingungen anerkannt. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für folgende internationalen Verträge (Konkordate) mit dem Heiligen Stuhl: a) Lateranvertrag vom 11. Februar 1929 zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl, geändert durch die am 18. Februar 1984 in Rom unterzeichnete Vereinbarung mit Zusatzprotokoll, b) Vereinbarung vom 3. Januar 1979 über Rechtsangelegenheiten zwischen dem Heiligen Stuhl und Spanien. c) Vereinbarungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Malta über die Anerkennung der zivilrechtlichen Wirkungen von Ehen, die nach kanonischem Recht geschlossen wurden, sowie von diese Ehen betreffenden Entscheidungen der Kirchenbehörden und -gerichte, einschließlich des Anwendungsprotokolls vom selben Tag, zusammen mit dem zweiten Zusatzprotokoll vom 6. Januar 1995. (4) Für die Anerkennung der Entscheidungen im Sinne des Absatzes 2 können in Spanien, Italien oder Malta dieselben Verfahren und Nachprüfungen vorgegeben werden, die auch für Entscheidungen der Kirchengerichte gemäß den in Absatz 3 genannten internationalen Verträgen mit dem Heiligen Stuhl gelten. (5) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission a) eine Abschrift der in den Absätzen 1 und 3 genannten Verträge, b) jede Kündigung oder Änderung dieser Verträge. I. Hintergrund der Bestimmung . . . . . . . . .

1

II. Vorbehalt der Konkordate

(Abs 1, Abs 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

6

III. Anerkennung kirchengerichtlicher

Eheaufhebungen 1. Anerkennung in anderen Mitgliedstaaten (Abs 2, Abs 3) . . . . . . 2. Delibations-Vorbehalt in Spanien, Italien und Malta (Abs 4) . . . . . . . . . . . .

8

IV. Notifikationsverpflichtung (Abs 5) . . .

9

7

Hintergrund der Bestimmung

1 1. Die – in der ursprünglich verkündeten Fassung der Brüssel IIa-VO aus Art 40 Brüssel II-VO übernommene – Bestimmung wurde noch vor ihrem Inkrafttreten aus Anlass des Beitritts von Malta durch VO (EG) Nr 2116/2004 vom 2.12.20041 geän1

376

ABl EU 2004 L 367/1; die Erwägungsgründe dieser VO sind im Anhang zu Art 63 abgedruckt, die durch sie bewirkten Änderungen des Art 63 sind im vorstehenden Text bereits berücksichtigt. Diese Änderungs-VO ist gleichzeitig mit der Brüssel IIa-VO am 1.3.2005 in Geltung getreten.

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Kapitel V Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten

Art 63 Brüssel IIa-VO 2-5

dert. Sie trägt den Besonderheiten Rechnung, die sich im Anwendungsbereich von Art 1 Abs 1 lit a (Ehesachen) für einige südeuropäische Mitgliedstaaten aus den mit dem Heiligen Stuhl geschlossenen Konkordaten betreffend die nach katholischem Ritus geschlossenen und zivilrechtlich anerkannten Ehen (Konkordatsehen) ergeben. 2. Gemäß Art XXV des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und Portugal 2 vom 7.5.1940 idF vom 4.4.1975 sowie gemäß Art 1625, 1626 cc sind für die Ungültigerklärung von katholischen Ehen, die nach den Regeln des Konkordats geschlossen wurden, ausschließlich die kirchlichen Gerichte zuständig. Hingegen ist nach Art XXIV idF vom 4.4.1975 den staatlichen Gerichten eine Scheidung solcher Ehen gestattet; kirchliche Gerichte sind insoweit unzuständig, da das kanonische Recht eine Scheidung der Ehe nicht kennt.2 Kirchengerichtliche Entscheidungen werden staatlicherseits ohne Überprüfung anerkannt und vollstreckt (Art 1626 cc). 3. Gemäß Art 34 des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien vom 3 27.5.1929 idF vom 18.2.1984 (Lateranvertrag) sind kirchliche Gerichte für die Ungültigerklärung einer Konkordatsehe zuständig; diese Zuständigkeit ist jedoch nicht mehr ausschließlich. Die Konkordatsehe erlangt erst durch Eintragung in das Personenstandsregister (trascrizione) zivilrechtliche Wirkung, für deren Beseitigung im Wege der Ehescheidung staatliche Gerichte zuständig sind. Entscheidungen von Kirchengerichten über die Ungültigerklärung wirken nicht unmittelbar, sondern kraft Delibation gemäß Art 8 Abs 2 der Neufassung des Konkordats, die der Anerkennung ausländischer Urteile nach dem bis 1995 geltenden Recht (Art 796 ff cpc aF) nachgebildet ist, also eine Überprüfung vorsieht.3 4. Die Situation in Spanien gemäß Art VI Abs 2 des Konkordats zwischen dem 4 Heiligen Stuhl und Spanien vom 3.1.1979 ist der in Italien vergleichbar. Die Ehegatten können für die Ungültigerklärung der Ehe die Kirchengerichte anrufen; die Zuständigkeit der Kirchengerichte ist seit Inkrafttreten der Verfassung von 1978 nicht mehr ausschließlich. Solche Entscheidungen bedürfen einer staatlichen Delibation, die der Vollstreckbarerklärung ausländischer Zivilurteile nachgebildet ist, also wiederum eine Überprüfung vorsieht (Art 80 cc). 5. Die Rechtslage in Malta ergibt sich aus der Vereinbarung vom 3.2.1993 zwischen 5 dem Heiligen Stuhl und Malta über die Anerkennung der zivilrechtlichen Wirkungen von Ehen, die nach kanonischem Ritus geschlossen wurden, sowie von diese Ehen betreffenden Entscheidungen der Kirchenbehörden und -gerichte, einschließlich des Anwendungsprotokolls vom selben Tag und dem zweiten Zusatzprotokoll vom 6.1. 1995. 4 Auch nach diesem Konkordat ergibt sich eine der Rechtslage im Verhältnis zu Italien vergleichbare Situation. Malta anerkennt mit zivilrechtlicher Wirkung die Konkordatsehen betreffenden Nichtigkeits- und Aufhebungsentscheidungen kirchlicher Gerichte im Wege eines staatlichen Delibationsverfahrens (Art 5 des Konkor2 3 4

Borrás-Bericht Nr 120. Vgl Borrás-Bericht Nr 121, 123. Text unter http://host.uniroma3.it /progetti/cedir /cedir/Lex-doc/Mal_Matr-93.pdf.

Thomas Rauscher

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Art 63 Brüssel IIa-VO 6- 8

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

dats). Die Zuständigkeit der Kirchengerichte ist jedoch nicht ausschließlich. Dies gilt auch mit res judicata-Wirkung für die Wirksamkeit der Ehe bestätigende Entscheidungen (2. Zusatzprotokoll). II.

Vorbehalt der Konkordate (Abs 1, Abs 3)

6 Die VO gilt „unbeschadet“ der Konkordate des Heiligen Stuhls mit Portugal (Abs 1) und Italien (Abs 3 lit a), Spanien (Abs 3 lit b) und Malta (Abs 3 lit c). Diese Mitgliedstaaten sind damit nicht gezwungen, in Anwendung der VO völkervertragliche Pflichten aus den Konkordaten zu verletzen. Dies bedeutet insbesondere, dass Entscheidungen des Gerichts eines Mitgliedstaates über die Ungültigerklärung einer kanonischen Ehe in Portugal die Anerkennung versagt werden kann, wenn die Entscheidung die ausschließliche Zuständigkeit der Kirchengerichte oder den Katalog der Ungültigkeitsgründe verletzt.5 Da Italien, Spanien und Malta nach den jeweiligen Konkordaten nicht die ausschließliche Zuständigkeit der Kirchengerichte zugesagt haben, sondern nur die staatliche Anerkennung kirchengerichtlicher Entscheidungen, kann dort die Anerkennung einer solchen Entscheidung aus einem Mitgliedstaat nur scheitern, wenn sie auf einen mit dem jeweiligen Konkordat unvereinbaren Ungültigkeitsgrund gestützt ist und soweit diese Ungültigkeitsgründe nach der Konkordatsregelung staatlicherseits nicht erweitert werden dürfen. III. Anerkennung kirchengerichtlicher Eheaufhebungen

1.

Anerkennung in anderen Mitgliedstaaten (Abs 2, Abs 3)

7 Abs 2 sowie Abs 3 lit a und lit b verpflichten andere Mitgliedstaaten zur Anerkennung von Ungültigerklärungen durch kirchliche Gerichte, die im Rahmen eines der vier Konkordate ergehen, nach den Bestimmungen der VO (Art 21 ff). Insoweit stehen bestätigte kirchengerichtliche Entscheidungen einer Entscheidung eines staatlichen Gerichts gleich.6 Anerkannt werden auch insoweit nur Entscheidungen, welche die Ungültigkeit der Ehe aussprechen,7 denn antragsabweisende Entscheidungen sind nach der VO ohnehin nicht anzuerkennen. Die Verpflichtung zur Anerkennung kann jedoch nur dann bestehen, wenn die kirchliche Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat Wirkung entfaltet. Unmittelbar anzuerkennen sind daher nur portugiesische Entscheidungen; italienische und spanische Entscheidungen bedürfen dagegen dort innerstaatlich der Delibation und sind deshalb auch nur in Form der staatlichen Delibationsentscheidung anzuerkennen. 2.

Delibations-Vorbehalt in Spanien, Italien und Malta (Abs 4)

8 Abs 4 gestattet es Italien, Spanien und Malta, die in ihren Konkordaten die innerstaatliche Anerkennung von kirchengerichtlichen Entscheidungen unter Delibations-Vorbe5 6 7

378

Borrás-Bericht Nr 120. Vgl Art 2 Rn 8. Kohler NJW 2001, 14.

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Kapitel V Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten

Art 63 Brüssel IIa-VO, 9 Anh Art 63 Brüssel IIa-VO

halt gestellt haben, diesen Delibations-Vorbehalt auch auf die nach Abs 2 anzuerkennenden kirchengerichtlichen Entscheidungen unter dem portugiesischen Konkordat zu erstrecken. Diese Möglichkeit ist einerseits plausibel, weil dadurch portugiesischen Entscheidungen in den beiden anderen Staaten keine weitergehenden unmittelbaren Wirkungen verliehen werden als kirchengerichtlichen Entscheidungen im jeweiligen Inland. Gleichwohl ist die Regelung merkwürdig, weil Mitgliedstaaten, die, wie Deutschland, kein Konkordat vergleichbaren Inhalts abgeschlossen haben, portugiesische kirchengerichtliche Entscheidungen nicht unter einen erweiterten Prüfungsvorbehalt stellen können, letztlich also leichter anerkennen als die drei anderen Konkordats-Staaten. IV.

Notifikationsverpflichtung (Abs 5)

Abs 5 verpflichtet die vier Staaten, der Kommission eine Abschrift der in Abs 1 und 3 9 genannten Konkordate sowie jede Änderung oder Kündigung der Konkordate zu übermitteln.

Anhang Art 63 Erwägungsgründe und Artikel der ÄnderungsVO Nr 2116/2004 vom 2.12.2004, ABl EU 2004 L 367/1 (1) Nach Maßgabe von Artikel 40 der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten8 wird eine Entscheidung über die Ungültigkeit der Ehe gemäß den Verträgen Portugals, Italiens und Spaniens mit dem Heiligen Stuhl (Konkordate) in den Mitgliedstaaten unter den in Kapitel III der Verordnung vorgesehenen Bedingungen anerkannt. (2) Mit Anhang II der Beitrittsakte von 2003 wurde die Vereinbarung vom 3. Februar 1993 zwischen dem Heiligen Stuhl und Malta über die Anerkennung der zivilrechtlichen Wirkungen von Ehen, die nach kanonischem Recht geschlossen wurden, sowie von diese Ehen betreffenden Entscheidungen der Kirchenbehörden und -gerichte, zusammen mit dem zweiten Zusatzprotokoll vom 6. Januar 1995 in Artikel 40 der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 aufgenommen. (3) Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/20009 ist am 1. August 2004 in Kraft getreten und gilt ab 1. März 2005 in den Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks. (4) Malta hat um Änderung des dem Artikel 40 der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 entsprechenden Artikels 63 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 dahingehend ersucht, dass die Vereinbarung Maltas mit dem Heiligen Stuhl darin aufgenommen wird. 8

9

ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 19. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1804/ 2004 der Kommission (ABl. L 318 vom 19.10.2004, S. 7). ABl. L 338 vom 23.12.2003, S. 1.

Thomas Rauscher

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Art 64 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

(5) Erfordern vor dem Beitritt erlassene Rechtsakte aufgrund des Beitritts eine Anpassung, so werden diese Anpassungen gemäß Artikel 57 der Beitrittsakte von 2003 nach einem vereinfachten Verfahren vorgenommen, bei dem der Rat mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission beschließt. (6) Dem Ersuchen Maltas sollte nachgekommen und die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 entsprechend geändert werden – Artikel 1 Artikel 63 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 wird wie folgt geändert: (Änderungen sind im Text eingearbeitet) Artikel 2 Diese Verordnung tritt am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab 1. März 2005.

Kapitel VI Übergangsvorschriften Artikel 64 (1) Diese Verordnung gilt nur für gerichtliche Verfahren, öffentliche Urkunden und Vereinbarungen zwischen den Parteien, die nach Beginn der Anwendung dieser Verordnung gemäß Artikel 72 eingeleitet, aufgenommen oder getroffen wurden. (2) Entscheidungen, die nach Beginn der Anwendung dieser Verordnung in Verfahren ergangen sind, die vor Beginn der Anwendung dieser Verordnung, aber nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 eingeleitet wurden, werden nach Maßgabe des Kapitels III der vorliegenden Verordnung anerkannt und vollstreckt, sofern das Gericht aufgrund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Kapitels II der vorliegenden Verordnung oder der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 oder eines Abkommens übereinstimmen, das zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem ersuchten Mitgliedstaat in Kraft war. (3) Entscheidungen, die vor Beginn der Anwendung dieser Verordnung in Verfahren ergangen sind, die nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 eingeleitet wurden, werden nach Maßgabe des Kapitels III der vorliegenden Verordnung anerkannt und vollstreckt, sofern sie eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe oder eine aus Anlass eines solchen Verfahrens in Ehesachen ergangene Entscheidung über die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder zum Gegenstand haben. (4) Entscheidungen, die vor Beginn der Anwendung dieser Verordnung, aber nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 in Verfahren ergangen sind, die vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 eingeleitet wurden, werden nach Maßgabe des Kapi-

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Art 64 Brüssel IIa-VO 1-2

Kapitel VI Übergangsvorschriften

tels III der vorliegenden Verordnung anerkannt und vollstreckt, sofern sie eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe oder eine aus Anlass eines solchen Verfahrens in Ehesachen ergangene Entscheidung über die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder zum Gegenstand haben und Zuständigkeitsvorschriften angewandt wurden, die mit denen des Kapitels II der vorliegenden Verordnung oder der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 oder eines Abkommens übereinstimmen, das zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem ersuchten Mitgliedstaat in Kraft war. I. Prinzip 1. Keine rückwirkende Geltung . . . . . . . . 2. Beitrittsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 3

II. Intertemporale Anwendung der

Zuständigkeitsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

III. Intertemporale Anwendung der

Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln 1. Grundregel: Anwendung auf Neuverfahren (Abs 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 2. Anwendung auf unter Brüssel II-VO eingeleitete, am 1.3.2005 nicht abgeschlossene Verfahren (Abs 2) . . . 8 3. Anwendung auf vor dem 1.3.2005 unter Brüssel II-VO ergangene Entscheidungen (Abs 3) . . . . . . . . . . . . . 12

I.

Prinzip

1.

Keine rückwirkende Geltung

4. Anwendung auf vor dem 1.3.2005 ergangene Entscheidungen in gemäß Art 42 Abs 2 Brüssel II-VO übergeleiteten Verfahren (Abs 4) . . . 5. Keine Anwendung auf Altentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Lücken a) Offene Brüssel II-VO Altverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nach dem 1.3.2001 und vor dem 1.3.2005 errichtete Vereinbarungen und öffentliche Urkunden . . . . . . .

14 16

17

18

IV. Intertemporale Anwendung

von Art 19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

V. Intertemporale Anwendung des IntFamRVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

Die Bestimmung regelt die intertemporale Anwendung der VO und hat dabei über die 1 in der Vorgängernorm (Art 42 Brüssel II-VO) geschaffenen Kategorien von Alt- und Neuverfahren hinaus zu berücksichtigen, dass zwischen dem 1.3.2001 und dem 28.2. 2005 die Brüssel II-VO mit einem gegenüber der neuen VO engeren Anwendungsbereich galt. Dies führt zu einer Vermehrung der zu bedenkenden Übergangsprobleme. Die Regelung beruht auf dem aus Art 54 Abs 1, 2 EuGVÜ und den dortigen Beitritts- 2 übereinkommen bekannten Prinzip der grundsätzlichen (mit Ausnahmen in Abs 2, 3, 4) Beschränkung auf Neuverfahren (Abs 1).

Thomas Rauscher

381

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Art 64 Brüssel IIa-VO 3-5

2.

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Beitrittsstaaten

3 Die Bestimmung gilt mutatis mutandis auch für das Inkrafttreten in Mitgliedstaaten, die der EG / EU erst nach Inkrafttreten der Verordnung beitreten (Beitrittsstaaten). Da in solchen Staaten die VO – anders als vormals EWG-Übereinkommen – mit dem Beitritt gilt und daher ohne Übergangsregelungen in Kraft tritt, sind die Grundsätze des Art 64 auch auf diesen Fall anzuwenden. „Beginn der Anwendung der VO“ iSd Abs 1 ist in solchen Staaten der Tag des Wirksamwerdens ihres Beitritts.1 Soweit für die Anwendung der VO zu entscheiden ist, ob eine Entscheidung aus einem Mitgliedstaat stammt (Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln) oder ob ein Verfahren in einem Mitgliedstaat anhängig ist (Rechtshängigkeitsregeln), ist ein solcher Staat erst von diesem Stichtag an Mitgliedstaat; die Eigenschaft, Mitgliedstaat zu sein, wirkt nicht zurück.2 Dies gilt insbesondere auch für die Brüssel II-Überleitungsfälle nach Abs 2, 3; diese Bestimmungen finden nur Anwendung auf Entscheidungen aus Mitgliedstaaten, die schon bei Einleitung des Verfahrens Mitgliedstaaten waren. 3 II.

Intertemporale Anwendung der Zuständigkeitsregeln

4 1. Für die Anwendung der Zuständigkeitsregeln im II. Kapitel gilt ausnahmslos Abs 1. Die VO ist nur anwendbar, wenn das Verfahren nach dem Inkrafttreten der VO, also seit dem 1.3.2005 (Art 72) eingeleitet wurde (BIIa-Verfahren). 4 Damit ist insbesondere die Zuständigkeit für am 1.3.2005 bereits anhängige Verfahren, ebenso wie für vor dem 1.3.2005 abgeschlossene Verfahren, 5 weiter nach der Brüssel II-VO zu bestimmen. Selbstständige Sorgerechtssachen, die vor dem 1.3.2005 anhängig wurden, sind nach den Bestimmungen des MSA zu beurteilen. Insbesondere gilt nicht das Prinzip der Anwendung des im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung geltenden Zuständigkeitsrechts. 5 2. Der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens bestimmt sich entsprechend Art 16; erforderlich ist also der Eingang des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bei Gericht.6 Anlass, insoweit auf die lex fori abzustellen,7 besteht nicht. Die Interessenlage, aus der heraus Art 16 geschaffen wurde, ist durchaus ähnlich der hier zu entscheidenden; insbesondere sollte die Anwendung der VO bei konkurrierenden Verfahren nicht von zufälligen Laufzeiten internationaler Zustellungen abhängen. 1 2 3

4

5 6

7

382

Entsprechend zu Art 66 Abs 1 Brüssel I-VO: OLG Dresden NJW-RR 2007, 1145. OGH EuLF 2005, II-107. Fachausschuss StAZ 2006, 301; dort auch zur Umsetzung und Erläuterung des Art 64 in § 159a Abs 3 DA. KG EuLF 2007, II-120; OLG Koblenz FamRZ 2009, 611; Hof ’s-Hertogenbosch NIPR 2007, 365; Hof Arnhem NIPR 2007, 358; unzutreffend OLG München IPRspr 2005 Nr 198; vgl Völker jurisPR-FamR 3/2006 Anm 5. Cass Bull Civ 2005, no 89. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 2; Geimer/Schütze/Paraschas Rn 4; MünchKomZPO /Gottwald Rn 3; Pabst Rn 277 ff; implizit wohl auch BGH IPRax 2003, 145. So die Gegenansicht: Wagner IPRax 2001, 80; Hausmann EuLF 2001, 275.

Januar 2010

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Kapitel VI Übergangsvorschriften

Art 64 Brüssel IIa-VO 6- 9

III. Intertemporale Anwendung der Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln

1.

Grundregel: Anwendung auf Neuverfahren (Abs 1)

a) Die Anerkennungs- und Vollstreckungsbestimmungen im Kapitel III sind, wie- 6 derum nach Abs 1, jedenfalls anzuwenden, wenn das zugrundeliegende Verfahren seit dem 1.3.2005, dem ersten Tag der Geltung der Verordnung,8 eingeleitet wurde („BIIaVerfahren“). Die Verfahrenseinleitung bestimmt sich ebenso wie für die Zuständigkeit. 9 b) Vollstreckbare Vereinbarungen und öffentliche Urkunden werden nach den 7 Bestimmungen der VO anerkannt und vollstreckt, wenn sie seit dem 1.3.2005 geschlossen bzw aufgenommen wurden (Abs 1). 2.

Anwendung auf unter Brüssel II-VO eingeleitete, am 1.3.2005 nicht abgeschlossene Verfahren (Abs 2)

a) Abs 2 erfasst jene Verfahren, die nach Art 42 Brüssel II-VO ohne weiteres in de- 8 ren Anwendungsbereich fielen (Art 42 Abs 1), weil die Verfahrenseinleitung seit dem 1.3.2001 erfolgte.10 Soweit in einem solchen Verfahren erst nach Inkrafttreten der Brüssel IIa-VO Entscheidungen ergehen, gilt mutatis mutandis dasselbe Prinzip wie es für übergeleitete Altverfahren Art 42 Abs 2 Brüssel II-VO vorsah: In solchen „übergeleiteten BII-Verfahren“ ergangene Entscheidungen werden nach den Regelungen des Kapitel III der (neuen!) VO vollstreckt, sofern das Gericht aufgrund von Vorschriften zuständig war, die mit den Zuständigkeitsvorschriften des Kapitel II der Brüssel IIa-VO oder der Brüssel II-VO oder einem Abkommen, das bei Verfahrenseinleitung zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem Anerkennungs-/Vollstreckungsmitgliedstaat in Kraft war, übereinstimmen.11 b) Für seit dem 1.3.2001 und vor dem 1.3.2005 eingeleitete Ehesachen ändert sich 9 dadurch nichts, weil insoweit das Zuständigkeits- und Anerkennungssystem der VO dem der Brüssel II-VO entspricht. In diesem Zeitraum eingeleitete und seit dem 1.3. 2005 entschiedene Sorgerechtssachen unterfallen durch diese Überleitung jedoch den neuen Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln. Das bedeutet, dass selbstständige Sorgerechtsentscheidungen, die von der Brüssel II-VO nicht erfasst gewesen wären, nun unter den Voraussetzungen des Abs 212 nach den Bestimmungen des III. Kapitels anerkannt und vollstreckt werden.13 Für solche Entscheidungen gelten überdies auch 8

9 10

11 12 13

Unzutreffend auf das Inkrafttreten der VO am 1.8.2004 abstellend T v L [2009] IL Pr 5, 4648 (Irish Supreme Court). Oben Rn 5. Zur Unanwendbarkeit der Brüssel II-VO auf früher ergangene Urteile: DT v FL [2007] IL Pr 56, 763, 765 (Irish High Court). Zur Anwendung der Kriterien in Abs 2: EuGH RS C-435/06 C IPRax 2008, 509, 513. Diese liegen zB regelmäßig vor, wenn das Gericht nach Art 1 MSA zuständig war. Staudinger/Spellenberg (2005) Rn 27.

Thomas Rauscher

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Art 64 Brüssel IIa-VO 10-13

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Art 40 ff, so dass eine Vollstreckung aufgrund Bescheinigung gemäß Art 41, 42 in Betracht kommt.14 Dies ist, anders als in den noch zu erörternden, vor dem 1.3.2005 entschiedenen Fällen, deshalb gerechtfertigt, weil noch im Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat auf die für Art 40 ff notwendigen Verfahrenskautelen geachtet werden konnte und nicht einer abgeschlossenen Entscheidung eine erweiterte Vollstreckbarkeit verliehen wird. 10 c) Der Zeitpunkt, in dem eine Entscheidung ergeht, bestimmt sich nach der jeweiligen lex fori. Anders als für die Verfahrenseinleitung ergibt sich keine autonome Regelung. Maßgeblich ist, wann die Entscheidung gegenüber den Verfahrensbeteiligten wirksam geworden ist.15 Auf das Wirksamwerden gegenüber allen materiell Beteiligten kann es hingegen nicht ankommen, da sonst insbesondere in Sorgesachen eine spätere Zustellung an einen bis dahin womöglich unbekannten Beteiligten die Anwendbarkeit der VO beeinflussen könnte. 11 d) Das Gericht im Anerkennungs- und Vollstreckungsmitgliedstaat muss also, abweichend von Art 24 und 31 Abs 2, die Zuständigkeit des Gerichts im Ursprungsmitgliedstaat nachprüfen. Fraglich ist insoweit der Umfang der Prüfungsbefugnis. Außer Zweifel steht, dass der Zweitrichter nicht an die im Urteil genannten Zuständigkeitsbestimmungen gebunden ist. Vielmehr ist zu prüfen, ob die Zuständigkeit auch auf verordnungs- oder abkommenskompatible Bestimmungen hätte gestützt werden können. Auch hinsichtlich der Subsumtion zuständigkeitsbegründender Tatsachen unter bestimmte Zuständigkeitsnormen ist der Zweitrichter nicht gebunden. Folgt man dem Zweck der Regelung, eine Prüfung der Zuständigkeit zu ermöglichen, die der Antragsgegner im Ursprungsmitgliedstaat nicht vornehmen konnte, weil auf das Verfahren die Zuständigkeitsbestimmungen der VO noch nicht anzuwenden waren,16 so muss schließlich der Zweitrichter sogar befugt sein, die der Zuständigkeit zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen zu überprüfen. 3.

Anwendung auf vor dem 1.3.2005 unter Brüssel II-VO ergangene Entscheidungen (Abs 3)

12 a) Ist in einem nach dem 1.3.2001 eingeleiteten Verfahren bereits vor dem Inkrafttreten der Brüssel IIa-VO die Entscheidung ergangen („abgeschlossene BII-Verfahren“), so handelt es sich eigentlich nicht um einen Überleitungsfall. Gleichwohl unterliegt die Anerkennung und Vollstreckung dem Kapitel III der neuen VO, jedoch nur, sofern die Entscheidung in den sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel II-VO fällt. 13 b) Wiederum ändert sich nichts für diese zwischen dem 1.3.2001 und dem 1.3.2005 eingeleiteten und abgeschlossenen Ehesachen. Für in diesem Zeitraum eingeleitete und abgeschlossene Sorgerechtssachen gelten die Bestimmungen des III. Kapitels nur, 14 15 16

384

De Boer, FJR 2005, 90, 222, 224 f. Wagner IPRax 2001, 81; Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 3. Borrás-Bericht Nr 111.

Januar 2010

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Kapitel VI Übergangsvorschriften

Art 64 Brüssel IIa-VO 14-16

wenn es sich um solche aus Anlass eines Verfahrens in Ehesachen über gemeinsame Kinder handelt. Gleichwohl stellt sich auch in diesen Fällen die Frage nach einer Vollstreckung gemäß Art 40 ff. Eine dadurch bewirkte Erweiterung des Vollstreckungssystems kann aber für bereits vor dem 1.3.2005 abgeschlossene Verfahren schwerlich der Intention der Überleitungsbestimmungen entsprechen, insoweit „alles beim alten“ zu belassen. Insbesondere wäre eine Anwendung von Art 40 ff auf Titel, bei deren Entstehung sich kein Beteiligter auf dieses potentielle Vollstreckungsverfahren einzustellen hatte, schwerlich rechtsstaatlich zu rechtfertigen. 4.

Anwendung auf vor dem 1.3.2005 ergangene Entscheidungen in gemäß Art 42 Abs 2 Brüssel II-VO übergeleiteten Verfahren (Abs 4)

a) Abs 4 betrifft eine Kategorie von Verfahren, die bereits Gegenstand der Rege- 14 lung in Art 42 Abs 2 Brüssel II-VO waren, weil sie vor dem 1.3.2001 eingeleitet, jedoch am 1.3.2001 noch nicht abgeschlossen waren (BII-Altverfahren). Wurden diese Verfahren vor dem 1.3.2005 abgeschlossen, so bleibt es im Grundsatz bei der Regelung aus Art 42 Abs 2 Brüssel II-VO.17 Auch Abs 4 leitet jedoch solche Entscheidungen in das Anerkennungs- und Vollstreckungssystem der Brüssel IIa-VO über. Hierzu kumuliert Abs 4 jedoch die beschränkenden Anforderungen gemäß Abs 2 und Abs 3. Entscheidungen aus BII-Altverfahren werden nur dann nach den Bestimmungen des Kapitels III anerkannt und vollstreckt, wenn sie in den sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel II-VO fallen (wie Abs 3) und den in Abs 2 genannten Zuständigkeitskriterien genügen. Insbesondere bleiben Entscheidungen, die in vor dem 1.3.2001 eingeleiteten Verfahren zwischen dem 1.3.2001 und dem 1.3.2005 ergangen sind, anerkennungsunfähig, wenn sie von einem nach dem MSA unzuständigen Gericht erlassen worden sind.18 b) Wiederum ändert sich nichts für Ehesachenentscheidungen, die bereits nach 15 Art 42 Abs 2 Brüssel II-VO den Bestimmungen der Brüssel II-VO unterstellt wurden.19 Für Entscheidungen in Sorgerechtssachen ergibt sich keine Änderung des sachlichen Anwendungsbereichs, der auf Entscheidungen aus Anlass einer Ehesache beschränkt bleibt. 20 Dagegen stellt sich die Frage der Anwendung von Art 40 ff entsprechend und ist ebenso wie für die abgeschlossenen BII-Verfahren21 zu verneinen. 5.

Keine Anwendung auf Altentscheidungen

Hingegen findet das Anerkennungs- und Vollstreckungssystem der VO keine Anwen- 16 dung auf Entscheidungen, Prozessvergleiche oder öffentliche Urkunden, die bis ein17 18

19 20

21

Dazu BGH FamRZ 2005, 1540, 1542. So zu Art 42 Abs 2 Brüssel II-VO BGH FamRZ 2005, 1540, 1542, insoweit wie OLG Nürnberg FamRZ 2004, 278. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 14. Unzutreffend Staudinger/Spellenberg (2005) Rn 34, der offenbar die ausdrückliche Begrenzung in Abs 4 übersieht. Oben Rn 13.

Thomas Rauscher

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Art 64 Brüssel IIa-VO 17-19

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

schließlich 28.2.2001 ergangen sind oder aufgenommen bzw errichtet wurden.22 Es gilt also für die Anerkennung von Altentscheidungen weiterhin die lex fori bzw bestehende völkervertragliche Übereinkommen; insbesondere ist auch § 107 FamFG anzuwenden.23 6.

Lücken

a) Offene Brüssel II-VO Altverfahren 17 Das scheinbar vollständige System des Art 64 weist gleichwohl Lücken auf. Zum einen findet sich keine Regelung für Verfahren, die vor dem 1.3.2001 eingeleitet wurden, aber am 1.3.2005 noch anhängig waren, was bei mehreren Instanzen nicht ausgeschlossen erscheint. Auf solche Verfahren wäre ohne den Übergang zur Brüssel IIaVO Art 42 Abs 2 Brüssel II-VO anwendbar gewesen. Dies legt eine Analogie zu Abs 4 nahe. Andererseits handelt es sich um Verfahren, die erst unter der Brüssel IIa-VO abgeschlossen werden, was zu einer analogen Anwendung von Abs 2 führt. Setzt man den Rechtsgedanken der Übernahme von Altverfahren in die neue Regelung, sofern nur die angewendeten Zuständigkeitsregeln kompatibel sind, der schon Art 42 Abs 2 Brüssel II-VO zugrundelag, für diese Fälle ein, so kann es in der Tat keine Rolle spielen, ob der sachliche Anwendungsbereich der Brüssel II-VO eröffnet war. Solche Fälle sind also wie übergeleitete BII-Verfahren24 entsprechend Abs 2 zu behandeln.25 b)

Nach dem 1.3.2001 und vor dem 1.3.2005 errichtete Vereinbarungen und öffentliche Urkunden 18 Vereinbarungen und Öffentliche Urkunden kommen in Abs 2 bis 4 nicht vor, was insofern folgerichtig ist, als es bei diesen kein zeitliches Auseinanderfallen von Verfahrenseinleitung und -beendigung gibt. Gleichwohl ist das Art 42 Brüssel II-VO insoweit zugrundeliegende Stichtagsprinzip, dem die Behandlung von seit dem 1.3.2005 errichteten Vereinbarungen und Urkunden in Abs 1 entspricht, gestört: Bei Errichtung vor dem Inkrafttreten der VO gibt es die Kategorie der Errichtung vor dem 1.3.2001 und die der Errichtung seit dem 1.3.2001. Da bei Errichtung vor dem 1.3.2001 schon die Brüssel II-VO nicht anwendbar war, gilt a fortiori auch die neue VO nicht. 19 Hingegen kann nicht für gerichtliche Vergleiche und Urkunden, die seit dem 1.3.2001 errichtet wurden, also dem Kapitel III Brüssel II-VO unterlagen, nun die Anerkennungs- und Vollstreckungsfähigkeit entfallen. Will man nicht systemwidrig insoweit die Bestimmungen der Brüssel II-VO perpetuieren, entspricht dieser Kategorie am ehesten eine Analogie zu Abs 3, also den abgeschlossenen BII-Verfahren. Das bedeutet, dass zwar das III. Kapitel der Brüssel IIa-VO anzuwenden ist, jedoch nur im sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel II-VO, was nicht nur eine Beschränkung auf Ehesachen und mit ihnen verbundene Sorgeentscheidungen bedeutet, sondern auch eine Beschränkung auf öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche. 26 22 23 24 25

386

Borrás-Bericht Rn 110. Thomas/Putzo/Hüßtege Rn 7; vor 1.9.2009 Art 7 § 1 FamRÄndG. Oben Rn 8. Staudinger /Spellenberg (2005) Rn 5.

Januar 2010

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Kapitel VI Übergangsvorschriften

IV.

Art 64 Brüssel IIa-VO 20-23

Intertemporale Anwendung von Art 19

Fraglich ist die intertemporale Anwendung der Bestimmungen zur Beachtung der 20 Rechtshängigkeit (Art 19), wenn das später eingeleitete Verfahren zuständigkeitsrechtlich bereits der VO unterliegt, nicht aber das früher eingeleitete Verfahren. 27 Nach dem Zweck der Regelung, Entscheidungen zu vermeiden, deren Anerkennung an Art 22 lit d, 23 lit f scheitert, ist die Anwendung von Art 19 vor dem Hintergrund der intertemporalen Anwendung der Anerkennungsregeln zu lösen, die freilich auf die Zuständigkeitsregeln Bezug nehmen, nach denen das Erstgericht seine Zuständigkeit annimmt. Dabei ist zu beachten, dass das Problem nur auftritt, wenn das erste Verfahren am 1.3.2001 noch anhängig war, also ein Verfahren ist, das anerkennungsrechtlich Abs 2 bis 4 unterliegen kann. Die dadurch heraufbeschworene Vielfalt wird insofern gemildert, als die Rechtshän- 21 gigkeitsregeln der Brüssel II-VO mit denen der Brüssel IIa-VO inhaltlich übereinstimmen und das Problem nur auftritt, wenn beide Verfahren am 1.3.2005 noch anhängig waren. Dabei kann nach den Prinzipien verfahren werden, die der EuGH bereits zur intertem- 22 poralen Anwendung von Art 21 EuGVÜ entwickelt hat.28 Art 19 ist also anzuwenden, wenn das zuerst angerufene Gericht sich nach einer Bestimmung für zuständig erklärt, die Abs 2 entspricht, also eine Anerkennung nach der VO eröffnet. 29 Art 19 setzt in diesen Fällen zunächst eine Beurteilung der Zuständigkeit des Erstgerichts durch das Zweitgericht auf der Grundlage von Abs 2 voraus, weil es sonst nicht zur Aussetzung nach Art 19 Abs 1 kommt. 30 Erklärt sich das erstangerufene Gericht dann auf der Grundlage einer Abs 2 entsprechenden Bestimmung für zuständig, so ist weiter nach Art 19 zu verfahren. V.

Intertemporale Anwendung des IntFamRVG

Soweit Verfahren nach dem 1.3.2005 noch in Anwendung der Zuständigkeitsbestim- 23 mungen der Brüssel II-VO zu führen sind,31 sind gemäß § 55 IntFamRVG die Bestimmungen des IntFamRVG entsprechend anzuwenden. Die für die Brüssel II-VO geltenden Bestimmungen des AVAG wurden nicht in Kraft belassen. 32

26 27 28

29 30

31 32

Zur Änderung des Anwendungsbereichs vgl insoweit Art 46 Rn 1 ff. Ausführlich Pabst Rn 573 ff. OGH IPRax 2003, 456; Hau IPRax 2003, 461; vgl zum EuGVÜ: EuGH Rs C-163/95 Elsbeth Freifrau von Horn/Kevin Cinnamond EuGHE 1997 I 5451. Geimer/Schütze/Paraschas Rn 5; MünchKommZPO /Gottwald Rn 4. Watté/Boularbah Rev trim dr fam 2000, 554; anders als bei Anwendung von Abs 2 im Anerkennungsstadium hat das Zweitgericht aber nicht die abschließende Prüfungskompetenz, denn diese kommt nach Art 19 dem erstangerufenen Gericht zu. Oben Rn 4. BT-Drs 15/3981, 32.

Thomas Rauscher

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Art 64 Brüssel IIa-VO, 24, 25 B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Art 65 Brüssel IIa-VO, 1 Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

24 Die Vollstreckung in den unter die Brüssel II-VO fallenden Verfahren erfolgt jedoch gemäß Art 64 Abs 2, 3, 4 ausnahmslos nach dem III. Kapitel der Brüssel IIa-VO. Abs 3 (abgeschlossene BII-Verfahren) und Abs 4 (BII-Altverfahren) decken den gesamten Bereich der originär von der Brüssel II-VO erfassten und der durch Art 42 Abs 2 Brüssel II-VO übergeleiteten Verfahren ab. Vor dem 1.3.2005 ergangene Entscheidungen, die nicht von Abs 3 und 4 erfasst sind, sind auch nicht von der Brüssel II-VO erfasst. Daher kommt ohne weiteres insoweit auch das IntFamRVG, insbesondere § 44 IntFamRVG (Zwangsmittel), zur Anwendung. 25 Fälle der Zwangsvollstreckung nach der Brüssel II-VO gibt es hingegen nicht. Es gab allerdings den rein im deutschen Recht stattfindenden (vgl Art 47 Abs 1) Überleitungsfall vom alten Vollstreckungssystem des § 33 FGG aF zu dem des IntFamRVG, den § 55 IntFamRVG jedenfalls seiner ratio nach regelt: Auch vor dem 1.3.2005 ergangene Entscheidungen unterliegen danach dem neuen deutschen Vollstreckungsrecht. Bei der Zwangsvollstreckung solcher Entscheidungen (also Fällen des Art 64 Abs 3 und 4) genügte eine unter Geltung von § 33 FGG aF ergangene Androhung von Zwangsmitteln nicht, um sodann nach § 44 IntFamRVG ein Ordnungsmittel zu verhängen. Dessen Androhung war also erneut erforderlich. 33

Kapitel VII Schlussbestimmungen Artikel 65

Überprüfung Die Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss spätestens am 1. Januar 2012 und anschließend alle fünf Jahre auf der Grundlage der von den Mitgliedstaaten vorgelegten Informationen einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung, dem sie gegebenenfalls Vorschläge zu deren Anpassung beifügt.

1 Die – aus Art 43 Brüssel II-VO übernommene – Bestimmung entspricht Art 73 Brüssel I-VO. Da im Gegensatz zu einem völkervertraglichen Rechtsinstrument zwischen den Mitgliedstaaten die VO als Teil des sekundären Europarechts automatisch auf Beitrittsstaaten erstreckt wird, entfällt die Überprüfung aus Anlass von Beitrittsverhandlungen. Deshalb ist eine interne Überprüfung nach Ablauf von etwa 7 Jahren seit Inkrafttreten vorgesehen.

33

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BT-Drs 15/3981, 32.

Januar 2010

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Art 66 Brüssel IIa-VO 1, 2

Artikel 66

Mitgliedstaaten mit zwei oder mehr Rechtssystemen Für einen Mitgliedstaat, in dem die in dieser Verordnung behandelten Fragen in verschiedenen Gebietseinheiten durch zwei oder mehr Rechtssysteme oder Regelwerke geregelt werden, gilt Folgendes: a) Jede Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat betrifft den gewöhnlichen Aufenthalt in einer Gebietseinheit. b) Jede Bezugnahme auf die Staatsangehörigkeit oder, im Fall des Vereinigten Königreichs, auf das „domicile“ betrifft die durch die Rechtsvorschriften dieses Staates bezeichnete Gebietseinheit. c) Jede Bezugnahme auf die Behörde eines Mitgliedstaats betrifft die zuständige Behörde der Gebietseinheit innerhalb dieses Staates. d) Jede Bezugnahme auf die Vorschriften des ersuchten Mitgliedstaats betrifft die Vorschriften der Gebietseinheit, in der die Zuständigkeit geltend gemacht oder die Anerkennung oder Vollstreckung beantragt wird.

I.

Harmonisierung mit Art 47 KSÜ

Die – wortgleich aus Art 41 Brüssel II-VO übernommene – Regelung lehnt sich an die 1 Mehrrechtsstaatenregeln des KSÜ an.1 Da die VO weder das Kollisionsrecht noch das materielle Recht betrifft, waren Art 48, 49 KSÜ entsprechende Regelungen nicht zu treffen. Aus dem Katalog des Art 47 KSÜ werden diejenigen zuständigkeitsbegründenden Kriterien übernommen, die in der VO Verwendung finden. II.

Autonome Verlängerung der Zuständigkeitskriterien

1.

Mehr-Jurisdiktionen-Staat

Voraussetzung ist, dass ein Mitgliedstaat zwei oder mehr Jurisdiktionen umfasst, also 2 verfahrensrechtlich verschiedene Gebiete aufweist. 2 Das ist derzeit insbesondere für die Bestimmung der Zuständigkeit von Gerichten im UK von Bedeutung. Für Spanien dürfte die Frage nicht bedeutsam werden, weil die foralen Partialrechte nicht den Anwendungsbereich der VO berühren. Für die Anerkennung und Vollstreckung hat die Bestimmung nur aus Sicht des Mehr-Jurisdiktionen-Staates selbst Bedeutung insoweit, als die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nur für die jeweilige Teil-Jurisdiktion erfolgt.

1 2

Borrás-Bericht Nr 126. Borrás-Bericht Nr 126.

Thomas Rauscher

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Art 66 Brüssel IIa-VO, 3-6 Art 67 Brüssel IIa-VO

2.

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Autonome jurisdiktionelle Unteranknüpfung

3 a) Die in einem solchen Fall erforderliche jurisdiktionelle Unteranknüpfung wird nicht dem Recht des Mehrrechtsstaates überlassen, sondern autonom durch Verlängerung des jeweiligen Zuständigkeitskriteriums geregelt. 4 Problemfrei ist dies für rein räumliche Bezugskriterien, weil diese sich immer durch den Gesamtstaat hindurch auf die Teil-Jurisdiktion fokussieren lassen. Für den gewöhnlichen Aufenthalt ist auf die jeweilige Teil-Jurisdiktion abzustellen (lit a).3 Bezugnahmen auf den Mitgliedstaat, dem eine Behörde oder ein Gericht angehört (lit c) oder der um eine Entscheidung ersucht ist (lit d), beziehen sich auf die Behörden und Gerichte der Teil-Jurisdiktion. 5 b) Nicht oder nicht rein räumlich bestimmte Kriterien wie das domicile und die Staatsangehörigkeit erfordern dagegen eine wertende Verlängerung in eine Teil-Jurisdiktion, die sich mit dem Gedanken eines „Europa der Regionen“ gut verträgt. Auch insoweit verweist lit c nicht auf das interlokale Prozessrecht des Mehrrechtsstaates. 4 Für den Anwendungsbereich der VO ist derzeit insbesondere die Verlängerung des domicile relevant, das bei Berührung des UK die Staatsangehörigkeit ersetzt (vgl Art 3 Abs 1 lit a 6. Strich, Abs 2, Art 6 lit b). Insoweit ergibt sich keine Spannung zum innerstaatlichen Recht, welches ohnehin das domicile nicht auf das UK als Gesamtstaat, sondern auf die Teil-Jurisdiktionen bezieht.5 6 In einem Mehr-Jurisdiktionen-Staat kontinentaler Prägung müsste ggf auf die Staatsangehörigkeit zu seinen Teilstaaten abgestellt werden, die es in föderativen Mitgliedstaaten auch ohne für die VO relevante jurisdiktionelle Spaltung geben kann.6 Für Spanien wäre im Bedarfsfall die maßgebliche Zuordnung zB auf der Basis der vecindad zu treffen.

Artikel 67

Angaben zu den Zentralen Behörden und zugelassenen Sprachen Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission binnen drei Monaten nach Inkrafttreten dieser Verordnung Folgendes mit: a) die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel, b) die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind, 3

ZB haben Ehegatten, von denen einer in England, der andere in Schottland lebt, keinen gemeinsamen

4

AA Geimer/Schütze/Paraschas Rn 2.

5

Ein schottisch domizilierter Ehemann hat damit für Zwecke des Art 3 Abs 1 lit b mit seiner englisch domizilierten Ehefrau kein zuständigkeitsbegründendes gemeinsames domicile. ZB in einigen deutschen Bundesländern nach den jeweiligen Länderverfassungen.

gewöhnlichen Aufenthalt iSd Art 2 Abs 1 lit a 1. Strich.

6

390

Januar 2010

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Art 67 Brüssel IIa-VO 1-5

und c) die Sprachen, die gemäß Artikel 45 Absatz 2 für die Bescheinigung über das Umgangsrecht zugelassen sind. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission jede Änderung dieser Angaben mit. Die Angaben werden von der Kommission veröffentlicht.

Die Bestimmung regelt die Bekanntmachung der nach Art 53 durch die Mitgliedstaa- 1 ten zu benennenden Zentralen Behörden und der nach Art 57 Abs 2 sowie Art 45 Abs 2 zugelassenen Sprachen. Im deutschen Recht ist Zentrale Behörde iSd Art 53 das Bundesamt für Justiz (§ 3 2 Abs 1 IntFamRVG)1; das Verfahren ist Justizverwaltungsverfahren (§ 3 Abs 2 IntFamRVG) und ist näher geregelt in §§ 3 bis 9 IntFamRVG. Unbeschränkt zugelassen iSd Art 57 Abs 2 ist nur die deutsche Sprache; die Zentrale 3 Behörde kann bei Ersuchen in anderer Sprache das Tätigwerden ablehnen (§ 4 Abs 1 IntFamRVG). Eine Veranlassung der Übersetzung durch die Zentrale Behörde ist nur für Ersuchen nach Art 24 HKindEntfÜbk vorgesehen (§ 4 Abs 2 IntFamRVG); diese Bestimmung sollte jedoch auf Ersuchen im Rahmen von Art 10, 11 entsprechend angewendet werden, da sonst die Verlagerung in die VO Verzögerungen heraufbeschwört. Für ausgehende Ersuchen veranlasst die Zentrale Behörde die Übersetzung, wenn der Antragsteller sie nicht beschafft (§ 5 Abs 1 IntFamRVG). Die nach Art 45 zulässige Sprache für eingehende Urkunden regelt das IntFamRVG 4 naturgemäß nicht; für Bescheinigungen über inländische Entscheidungen gelten §§ 48, 49 IntFamRVG. Die Liste nach Art 67 liegt in einer Konsolidierten Fassung samt der zugehörigen Än- 5 derungen und Berichtigungen2 vor, die, soweit die in Art 67 genannten Daten betroffen sind, im Anhang zu Art 67 abgedruckt ist.3

1 2

3

Zur Ablösung des Generalbundesanwalts beim BGH in dieser Funktion Art 53 Rn 3. Konsolidierte Fassung 2201/2003. Angaben zu den Zentralen Behörden, Sprachen, Gerichten und den Rechtsbehelfen gemäß Artikel 67 und 68 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000. Der aktuelle Stand kann auch abgerufen werden unter: http://europa.eu.int/comm/justice_home/ju dicialatlascivil/html/rec_brii_centralbody_de.htm (Zentrale Behörden, Art 53; Sprachen, Art 57 Abs 2) und http://europa.eu.int/comm/justice_home/judicialatlascivil/html/recotherinfo_de.htm (Sprachen, Art 45 Abs 2).

Thomas Rauscher

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B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Anhang zu Art 67 Konsolidierte Fassung4 der Angaben zu den Zentralen Behörden, Sprachen, Gerichten und den Rechtsbehelfen gemäß Artikel 67 und 68 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/20005

[hier nur in den Art 67 betreffenden Teilen (Angaben zu den Zentralen Behörden und zugelassenen Sprachen) abgedruckt] BELGIEN

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Service public federal Justice Boulevard de Waterloo 115 1000 Bruxelles Telefon: +32 2 542 67 00 Fax: +32 2 542 70 06 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Französisch, Niederländisch, Deutsch, Englisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Der Bescheinigung ist eine Übersetzung in der Amtssprache des Vollstreckungsortes beizulegen. Diese Sprache (je nach Fall Französisch, Niederländisch oder Deutsch) wird in Spalte II des Verzeichnisses (Handbuchs) der belgischen Gemeinden und Gerichtsbezirke der erstinstanzlichen Gerichte angegeben, das der Verordnung über die Beweiserhebung (Obtention des preuves) beigefügt ist (F für Französisch, N für Niederländisch und D für Deutsch).

4 5

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Ohne Obligo der Europäischen Institutionen. http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/pdf/vers_consolide_cr2201_de.pdf (7.11.2009).

Januar 2010

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Anh Art 67 Brüssel IIa-VO

BULGARIEN

Artikel 67 (a) Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie technische Kommunikationsmittel: Justizministerium Direktion Internationaler Rechtsschutz des Kindes und Internationale Adoptionen Telefon: (+359 2) 9237302 E-Mail: [email protected] Fax: (+359 2) 9871557 Anschrift: Ul. Slawjanska 1 1040 Sofia Bulgarien (In allen in der Verordnung geregelten Angelegenheiten betreffend Kindesentführungen und die Unterbringung von Kindern – Artikel 56) Direktion Internationale Justizielle Zusammenarbeit und Europaangelegenheiten Telefon: (+359 2) 9237413 Fax: (+359 2) 9809223 Anschrift: Ul. Slawjanska 1 1040 Sofia Bulgarien (In allen in der Verordnung geregelten Angelegenheiten, ausgenommen Fälle von Kindesentführungen und der Unterbringung von Kindern – Artikel 56) Artikel 67 (b) Die für die Kommunikation mit den Zentralen Behörden nach Artikel 57 Absatz 2 zugelassenen Sprachen sind: Bulgarisch, Englisch oder Französisch. Artikel 67 (c) Die für die Bescheinigung betreffend das Umgangsrecht gemäß Artikel 45 Absatz 2 zugelassenen Sprachen sind: Bulgarisch, Englisch oder Französisch. TSCHECHISCHE REPUBLIK

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: ´ ˇrad pro mezinárodneˇpravní ochranu deˇtí U Benešova 22 60200 Brno Telefon: +420 542 215 443-445 Thomas Rauscher

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Anh Art 67 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Fax: +420 542 212 8 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Tschechisch, Französisch, Deutsch, Englisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Tschechisch, Deutsch, Englisch. DEUTSCHLAND

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Bundesamt für Justiz Zentrale Behörde – Adenauerallee 99 – 103 53113 Bonn Telefon: +49 228 410 5212 /+49 1888 410 5401 Fax: +49 228 410 5050 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Deutsch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Deutsch. ESTLAND

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Justiitsministeerium Tõnismägi 5a 15191 Tallinn Telefon: +372 6 208 100 Fax: +372 6 208 109 E-Mail: [email protected]

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Januar 2010

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Anh Art 67 Brüssel IIa-VO

Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Estnisch, Englisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Estnisch, Englisch. GRIECHENLAND

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: TpotqceiŁ o DijaiortŁmg| SlgŁla DiehmotŁ| DijarsijgŁ| RtmeqcariŁ a| re ArsijeŁ| TpoheŁrei| ja AqctqxŁ EketheqiaŁdot j. HeoŁ}iko| SracqgŁ| LeroceiŁ xm 96 11527 AhgŁma Telefon: +30 210 7767321 Fax: +30 210 7767499 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Griechisch, Englisch, Französisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Griechisch, Englisch, Französisch. SPANIEN

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Dirección General de Cooperación Jurídica Internacional del Ministerio de Justicia Servicio de Convenios San Bernardo 62 28015 Madrid Telefon: +34 91 3904437/+34 91 3904273 Fax: +34 91 3902383 E-Mail: [email protected] [email protected] Thomas Rauscher

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B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Spanisch, Englisch, Französisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Spanisch. FRANKREICH

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Ministère de la Justice, Direction des Affaires Civiles et du Sceau Bureau de l’entraide civile et commerciale internationale (D3) 13 place Vendôme 75042 Paris Cedex 01 Büroanschrift: 5, boulevard de la Madeleine Paris 1 er (allgemeine Aufgaben und Zusammenarbeit in Fällen, die speziell die elterliche Verantwortung betreffen – Artikel 54 und 55). Telefon: +33 1 44 77 61 05/+33 1 44 77 69 02 Fax: +33 1 44 77 61 22 E-Mail: [email protected] Ministère de la Justice, Direction de la Protection Judiciaire de la Jeunesse Bureau des affaires judiciaires et de la législation 13, place Vendôme 75042 Paris Cedex 01 Büroanschrift: 251, rue Saint Honoré 1er (Unterbringung des Kindes – Artikel 56). Telefon: +33 1 44 77 69 02 Fax: +33 1 44 77 25 78 E-Mail:[email protected] [email protected] [email protected] [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Französisch, Englisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Französisch, Englisch. 396

Januar 2010

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IRLAND

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Ministry for Justice, Equality and Law Reform Department of Justice, Equality and Law Reform Bishop’s Square Redmond Hill Dublin 2 Telefon: +353 1 4790200 Fax: +353 1 4790201 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Irisch, Englisch, Französisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Irisch, Englisch. ITALIEN

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Autorità Centrale per l’intero territorio nazionale è il Dipartimento per la Giustizia Minorile Via Giulia 131 00187 Roma Telefon: +39 06 681881 Fax: +39 06 68807087 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Italienisch, Englisch, Französisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Italienisch, Englisch, Französisch.

Thomas Rauscher

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Anh Art 67 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

ZYPERN

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: E-mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Griechisch, Türkisch, Englisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Griechisch, Türkisch, Englisch. LETTLAND

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: The Ministry for Children and Family Affairs of the Republic of Latvia Basteja bulva¯ris 14 Riga, LV – 1050 (Ministerium für Kinder- und Familienangelegenheiten der Republik Lettland, Zusammenarbeit in Fällen, die speziell die elterliche Verantwortung betreffen, insbesondere Artikel 55 Buchstaben a, d und e sowie Artikel 56) Telefon: +371 735 64 97 Fax: +371 735 64 64 E-Mail: [email protected] The Ministry of Justice of the Republic of Latvia Brı¯vı¯bas bulva¯ris 36 1536 Riga, LV – 1536 (Justizministerium der Republik Lettland, Allgemeine Aufgaben – Artikel 54, Zusammenarbeit in Fällen, die speziell die elterliche Verantwortung betreffen – Artikel 55 Buchstaben b und c) Telefon: +371 750 5756 /+371 750 5743 Fax: +371 750 5233/+371 721 0823 E-Mail: [email protected] [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Lettisch, Englisch.

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Anh Art 67 Brüssel IIa-VO

Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Lettisch, Englisch. LITAUEN

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Justizministerium der Republik Litauen Gedimino ave. 30/1 LT – 01104 Vilnius Telefon: +370 5 2662933 Fax: +370 5 2625940 Ministerium für Arbeit und Soziales A. Vivulskio str., 11 LT – 03610 Vilnius Telefon: +370 5 266 42 01 Fax: +370 5 260 38 13 Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Litauisch, Englisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Litauisch. LUXEMBURG

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Parquet Général Cité Judiciaire, Bátiment CR Plateau de Saint-Esprit L-2080 Luxembourg Telefon: +352 47 59 81/336 Fax: +352 47 05 50 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Französisch, Deutsch, Englisch. Thomas Rauscher

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Anh Art 67 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Französisch, Deutsch, Englisch. UNGARN

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Ifjúsági, Családügyi, Szociális és Esélyegyenlo˝ségi Minisztérium 1054 Budapest Akadémia u. 3 (für alle Angelegenheiten im Anwendungsbereich der Verordnung mit Ausnahme der Kindesentführung) Telefon: +36 1 312 7285 Fax: +36 1 312 7021 E-Mail: [email protected] Jogellenes gyermekelvitellel kapcsolatos ügyekben: az Igazságügyi Minisztérium 1055 Budapest Kossuth tér 4 (in Fällen von Kindesentführung) Telefon: + 36 1 441 3110 Fax: +36 1 441 3112 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Ungarisch, Englisch, Deutsch, Französisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Ungarisch, Englisch, Deutsch, Französisch. MALTA

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: The Director, Department of Family Welfare Standards Ministry for the Family and Social Solidarity Bugeia Institute St Joseph High Road Santa Verena

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Anh Art 67 Brüssel IIa-VO

Telefon: +356 21 441 311/+356 21 480130 Fax: +356 21 490 468 Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Maltesisch, Englisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Maltesisch, Englisch. NIEDERLANDE

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Abteilung für rechtliche und internationale Angelegenheiten Direktion für Jugendsachen, Justizministerium Schedeldoekshaven 100 Postbus 20301 2500 ’s-Gravenhage Telefon: +31 70 370 48 93 Fax: +31 70 370 75 07 Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Niederländisch, Französisch, Deutsch, Englisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Niederländisch, Deutsch, Englisch. ÖSTERREICH

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Bundesministerium für Justiz Museumstrasse 7 Abteilung I 10 1016 Wien Telefon: +43 1 52152/2134 Fax: +43 1 52152/2829 E-Mail: [email protected]

Thomas Rauscher

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Anh Art 67 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Deutsch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Deutsch. POLEN

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Ministerstwo Sprawiedliwos´ci Departament Wspólpracy Mie˛dzynarodowej i Prawa Europejskiego Al. Ujazdowskie 11 00-950 Warszawa Telefon /fax: +48 22 628 09 49 Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Polnisch, Deutsch, Englisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Polnisch. PORTUGAL

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Instituto de Reinserção Social Avenida Almirante Reis 101 1150-013 Lisboa Telefon: +351 21 317 61 00 Fax: +351 21 317 61 71 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Portugiesisch, Englisch.

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Anh Art 67 Brüssel IIa-VO

Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Portugiesisch, Englisch. RUMÄNIEN

Artikel 67 (a) Die rumänische zentrale Behörde ist das Justizministerium (Artikel 3 von Artikel I3 des Gesetzes Nr. 191/2007 zur Genehmigung der Notverordnung der Regierung Nr. 119/2006 über erforderliche Maßnahmen zur Anwendung von bestimmten Gemeinschaftsverordnungen nach dem EU-Beitritt Rumäniens). Ministerul Justit¸iei Direct¸ia Drept Internat¸ional ¸si Tratate (Justizministerium, Abteilung für Internationales Recht und Verträge), Str. Apolodor Nr. 17 Sector 5 Bukarest PLZ 050741 Tel.: +40213141515, +40213118956 Fax: +40213101662 Artikel 67 (b) Rumänien akzeptiert Rumänisch, Englisch und Französisch für die Bescheinigung über die Rückgabe oder den Besuch des Kindes und für die Zustellungen an die zentralen Behörden. Artikel 67 (c) Rumänien akzeptiert Rumänisch, Englisch und Französisch für die Bescheinigung über die Rückgabe oder den Besuch des Kindes und für die Zustellungen an die zentralen Behörden. SLOWENIEN

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Ministrstvo za delo, druzˇino in socialne zadeve Kotnikova 5 1000 Ljubljana Telefon: +386 1 478 34 68 Fax: +386 1 478 34 80 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Slowenisch, Englisch.

Thomas Rauscher

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Anh Art 67 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Slowenisch. SLOWAKEI

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Ministerstvo spravodlivosti Slovenskej republiky Župné námestie 13 813 11 Bratislava (Artikel 55 Buchstabe c) Telefon: +421 2 59 353 111 Fax: +421 2 59 353 600 Web: www.justice.gov.sk Ministerstvo práce, sociálnych vecí a rodiny Slovenskej republiky Špitálska 4-6 816 43 Bratislava (Artikel 55 Buchstabe d und Artikel 56) Telefon: +421 2 59 75 1111 Fax: +421 2 52 96 25 44 E-Mail: [email protected] Web: www.employment.gov.sk Centrum pre medzinárodno-právnu ochranu detí a mládezˇe Špitálska 6 P.O. Box 57 – 814 99 Bratislava (Artikel 55 Buchstaben a, b und e) Telefon: +421 2 59 75 2315 Fax: +421 2 52 96 28 95 E-Mail: [email protected] Web: www.cipc.sk Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Slowakisch, Englisch, Französisch (Art 53 Buchstabe c); Slowakisch, Englisch (Artikel 55 Buchstabe d); Slowakisch, Englisch, Deutsch (Artikel 55 Buchstaben a, b und e). Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Slowakisch.

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Januar 2010

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Anh Art 67 Brüssel IIa-VO

FINNLAND

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Oikeusministeriö Kansainvälinen yksikkö PL 25 00023 Valtioneuvosto Telefon: +358 9 1606 7628 Fax: +358 9 1606 7524 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Finnisch, Schwedisch, Englisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Finnisch, Schwedisch, Englisch. SCHWEDEN

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: Utrikesdepartementet Enheten för konsulära och civilrättsliga ärenden (Abteilung für Konsularsachen und Zivilrecht) S- 103 39 STOCKHOLM Telefon: +46 8 405 1000 (växel)/+46 8 405 5001 (Telefon vid nödsituationer annan tid än kontorstid) Fax: +46 8 723 1176 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Schwedisch, Englisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Schwedisch, Englisch.

Thomas Rauscher

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Art 68 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

VEREINIGTES KÖNIGREICH

Artikel 67 (a) Die Namen und Anschriften der Zentralen Behörden gemäß Artikel 53 sowie die technischen Kommunikationsmittel: (England & Wales) The International Child Abduction and contact Unit 81 Chancery Lane London WC2A 1DD Telefon: +44 20 79117045/+44 79117047/+44 2079117237 Fax: +44 20 79117248 (Scotland) Scottish Executive Justice Department Private International Law Branch 2nd floor West – St Andrew’s House – Regent Road Telefon: +44 131 244 4827/6 Fax: +44 131 244 4848 E-Mail: [email protected] [email protected] (Northern Ireland) Civil Policy Branch Policy and Legislation Division Northern Ireland Court Service 21st floor Windsor House – 9-15 Bedford Street Belfast BT2 7LT Telefon: +44 2890412327 Fax: +44 2890314854 E-Mail: [email protected] Artikel 67 (b) Die Sprachen, die gemäß Artikel 57 Absatz 2 für Mitteilungen an die Zentralen Behörden zugelassen sind: Englisch, Französisch. Artikel 67 (c) Für die Bescheinigung über das Umgangsrecht und die Rückgabe eines Kindes – Artikel 45 Absatz 2: Englisch, Französisch.

Artikel 68

Angaben zu den Gerichten und den Rechtsbehelfen Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die in den Artikeln 21, 29, 33 und 34 genannten Listen mit den zuständigen Gerichten und den Rechtsbehelfen sowie die Änderungen dieser Listen mit.

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Januar 2010

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Art 68 Brüssel IIa-VO, 1-3 Anh Art 68 Brüssel IIa-VO

Die Kommission aktualisiert diese Angaben und gibt sie durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union und auf andere geeignete Weise bekannt.

1. Art 68 beruht auf der Änderung des Verfahrens der Festlegung der in den Mit- 1 gliedstaaten zuständigen Gerichte und statthaften Rechtsbehelfe gegenüber der Brüssel II-VO (dort Art 44). Dort waren diese Gerichte in Anhängen zur VO bestimmt, Art 68 schafft ein Verfahren der selbstständigen Veröffentlichung dieser Angaben auf Mitteilung der Mitgliedstaaten im Amtsblatt. 2. Erfasst sind die nach Art 21, 29, 33 und 34 von den Mitgliedstaaten zu benen- 2 nenden Gerichte und Rechtsbehelfe. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Gerichte und Rechtsbehelfe in Listen mit, diese werden gesondert bekanntgemacht, eine Änderung führt daher nicht zur Änderung des Textes der VO. Da es sich um einen gebundenen Vollzug im jeweiligen Mitgliedstaat demokratischer Legitimation bedürftiger Entscheidungen handelt, bestehen insoweit keine rechtsstaatlichen Bedenken. Die Liste zu Art 681 liegt in einer die zugehörigen Änderungen und Berichtigungen 3 umfassenden konsolidierten Fassung vor, die, soweit die Angaben zu Art 68 betroffen sind, im Anhang zu Art 68 abgedruckt ist.

Anhang zu Art 68 Konsolidierte Fassung2 der Angaben zu den Zentralen Behörden, Sprachen, Gerichten und den Rechtsbehelfen gemäß Artikel 67 und 68 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/20003

[hier nur in den Art 68 betreffenden Teilen (Angaben zu den Gerichten und den Rechtsbehelfen) abgedruckt] BELGIEN

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Belgien beim tribunal de première instance/rechtbank van eerste aanleg/erstinstanzliches Gericht.

1 2 3

Erstmalige Veröffentlichung ABl EU 2005 C 40/2. Ohne Obligo der Europäischen Institutionen. http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/pdf/vers_consolide_cr2201_de.pdf (7.11.2009).

Thomas Rauscher

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Anh Art 68 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Belgien: (a) Die Person, die eine Vollstreckbarerklärung beantragt, kann sich an den cour d'appel oder hof van beroep wenden. (b) Die Person, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, kann sich an das tribunal de première instance/rechtbank van eerste aanleg/erstinstanzliche Gericht wenden. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Belgien: pourvoi en cassation. BULGARIEN

Liste 1 Die nach Artikel 21 Absatz 2 in der Republik Bulgarien für die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Ehesachen und bei Entscheidungen über die elterliche Verantwortung zuständigen Stellen sind die jeweiligen Meldebehörden, d. h. die Gemeindebürgermeister (Artikel 621 Absatz 2 der Zivilprozessordnung). Die in der Republik Bulgarien für die Anerkennung von Entscheidungen nach Artikel 21 Absatz 3 zuständige Stelle ist das Bezirksgericht (Okrazhen sad), in dessen Gerichtsbezirk der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder gemeldet ist; hat der Antragsgegner im Hoheitsgebiet der Republik Bulgarien keinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder ist dort nicht gemeldet, ist das Bezirksgericht zuständig, in dessen Bezirk der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder gemeldet ist (Artikel 622 Absatz 1 der Zivilprozessordnung). Wenn auch der Antragsgegner keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Republik Bulgarien hat oder dort nicht gemeldet ist, ist der Antrag beim Stadtgericht Sofia zu stellen. Die nach Artikel 29 zuständige Stelle, bei der der Antrag auf Vollstreckbarerklärung einer in einem anderen Mitgliedstaat der EU ergangenen gerichtlichen Entscheidung zu stellen ist, ist das Bezirksgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Firmensitz hat oder in dessen Bezirk der Ort der Vollstreckung liegt (Artikel 623 Absatz 1 der Zivilprozessordnung). Liste 2 Gegen die Entscheidung kann beim Appellationsgericht Sofia das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden (Artikel 623 Absatz 6 Satz 1 der Zivilprozessordnung). Liste 3 Gegen die Entscheidung des Appellationsgerichts Sofia kann beim Obersten Kassationsgericht Kassationsbeschwerde eingelegt werden (Artikel 623 Absatz 6 Satz 2 der Zivilprozessordnung).

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Januar 2010

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Anh Art 68 Brüssel IIa-VO

TSCHECHISCHE REPUBLIK

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in der Tschechischen Republik: okresní soudy und soudní exekutorˇi. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in der Tschechischen Republik: okresní soudy. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in der Tschechischen Republik: zˇaloba pro zmatecˇnost gemäß § 229 ff. der Zivilprozessordnung 99/1963 in der geänderten Fassung und dovolání gemäß § 236 ff. der Zivilprozessordnung 99/1963 in der geänderten Fassung. DEUTSCHLAND

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Deutschland: – im Bezirk des Kammergerichts (Berlin) das Familiengericht Pankow/Weißensee. – in den Bezirken der anderen Oberlandesgerichte das Familiengericht am Sitz des jeweiligen Oberlandesgerichts. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Deutschland beim Oberlandesgericht. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Deutschland: mit einer Rechtsbeschwerde. ESTLAND

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Estland beim maakohus oder beim linnakohus. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Estland beim ringkonnakohus.

Thomas Rauscher

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Anh Art 68 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Estland: mit dem kasaatsioonkaebus. GRIECHENLAND

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Griechenland beim PqxsodijeiŁ o. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Griechenland beim E}eseiŁ o. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Griechenland mit einer Kassationsbeschwerde. SPANIEN

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Spanien beim Juzgado de Primera Instancia Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Spanien bei der Audiencia Provincial. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Spanien mit einer Kassationsbeschwerde. FRANKREICH

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Frankreich beim Président du Tribunal de grande instance. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Frankreich bei der Cour d'appel.

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Januar 2010

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Anh Art 68 Brüssel IIa-VO

Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Frankreich mit einer pourvoi en cassation. IRLAND

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Irland beim High Court. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Irland beim High Court. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Irland: ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel an den Supreme Court. ITALIEN

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Italien beim Corte d'appello. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Italien beim Corte d'appello. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Italien: Ricorso per cassazione. ZYPERN

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Zypern [wurde der Kommission noch nicht mitgeteilt]. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Zypern [wurde der Kommission noch nicht mitgeteilt].

Thomas Rauscher

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Anh Art 68 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Zypern: [wurde der Kommission noch nicht mitgeteilt]. LETTLAND

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Lettland beim rajona (pilse¯tas) tiesa. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Lettland beim apgabaltiesa¯ . Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Lettland: Augsta¯kaja¯ tiesa¯ [Rechtsbehelf an den Obersten Gerichtshof]. LITAUEN

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Litauen beim Lietuvos apeliacinis teismas. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Litauen beim Lietuvos apeliacinis teismas. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Litauen: Lietuvos Aukšcˇiausiasis Teismas [Kassationsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof]. LUXEMBURG

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Luxemburg: der vorsitzende Richter des Tribunal d'arrondissement. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Luxemburg bei der Cour d'appel. 412

Januar 2010

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Anh Art 68 Brüssel IIa-VO

Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Luxemburg: pourvoi en cassation [Kassationsbeschwerde]. UNGARN

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Ungarn, a megyei bíróság székhelyén mu˝ködo˝ helyi bíróság, Budapesten a Budai Központi Kerületi Bíróság. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Ungarn, megyei bíróság, Budapesten a Fövárosi Bíróság. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Ungarn, felülvizsgálati kérelem. MALTA

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: ¯ awdex filg˙urisdiz– in Malta rim' Awla tal-Qorti Civili oder il-Qorti tal Mag˙istrati ta' Gh ¯ ha [Zivilgericht (Abteilung für Familienrecht) und Court of Magistrates zjoni superjuri tagh (Gozo) (Abteilung für Familienrecht) (oberinstanzliches Gericht)]. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Malta Qorti tal-Appell [Appellationsgericht] gemäß dem im Kodic˙i tal-Organiz˙ ivili – Kap. 12 festgelegten Verfahren. zazzjoni u Proc˙edura C Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: Ein solcher Rechtsbehelf ist im nationalen Rechtssystem nicht vorgesehen. NIEDERLANDE

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in den Niederlanden beim voorzieningenrechter van de rechtbank.

Thomas Rauscher

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Anh Art 68 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in den Niederlanden bei der rechtbank. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in den Niederlanden: Rechtsbehelf an den Obersten Gerichtshof. ÖSTERREICH

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Österreich beim Bezirksgericht. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Österreich beim Bezirksgericht. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Österreich: mit dem Revisionsrekurs. POLEN

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Polen beim Sa˛d okre˛gowy (Bezirksgerichte). Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Polen beim Sa˛d apelacyjny (Appellationsgerichte). Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Polen: Kassationsbeschwerde an den Sa˛d Najwyz˙szy (Oberster Gerichtshof). PORTUGAL

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Portugal: Tribunal de Comarca e Tribunal de Família e Menores.

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Januar 2010

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Anh Art 68 Brüssel IIa-VO

Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Portugal: Tribunal da Relação. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Portugal: recurso restrito à matéria de direito, para o Supremo Tribunal de Justiça. RUMÄNIEN

Liste 1 In Rumänien ist das Tribunal (der Gerichtshof) für den Antrag auf Anerkennung und den Antrag auf Vollstreckbarerklärung zuständig (Artikel 1 Absatz (1) von Artikel I3 des Gesetzes Nr. 191/2007 zur Genehmigung der Notverordnung der Regierung Nr. 119/2006 über erforderliche Maßnahmen zur Anwendung von bestimmten Gemeinschaftsverordnungen nach dem EU-Beitritt Rumäniens). Liste 2 In Rumänien ist die Curtea de apel (das Berufungsgericht) für die Berufung gegen die Entscheidung über den Antrag auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung zuständig (Artikel 3 des Zivilprozessordnung). Liste 3 Contestat¸ia în anulare – Nichtigkeitsklage (Artikel 317 und 318 der Zivilprozessordnung) und revizuirea – Antrag auf erneute Überprüfung (Artikel 322 der Zivilprozessordnung) werden beim Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, bzw. beim Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, die für endgültig erklärt worden ist und deren erneute Überprüfung beantragt wird, eingelegt. SLOWENIEN

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Slowenien beim okrozˇno sodišcˇe. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Slowenien beim okrozˇno sodišcˇe. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Slowenien: pritozˇba na Vrhovno sodišcˇe Republike Slovenije.

Thomas Rauscher

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Anh Art 68 Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

SLOWAKEI

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in der Slowakischen Republik: (a) Krajsky´ súd v Bratislave für einen Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe. (b) Okresny´ súd für den gewöhnlichen Aufenthalt eines Kindes oder Okresny´ súd Bratislava I für einen Antrag in Bezug auf die elterliche Verantwortung, wenn das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Slowakischen Republik hat. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in der Slowakischen Republik beim Okresny´ súd. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in der Slowakischen Republik: mit einem dovolanie. FINNLAND

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Finnland beim Käräjäoikeus /tingsrätt. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Finnland beim Hovioikeus /hovrätt. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Finnland: mit einem Rechtsbehelf beim Korkein oikeus /högsta domstolen. SCHWEDEN

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – in Schweden beim Svea hovrätt. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – in Schweden beim Svea hovrätt. 416

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Art 69 Brüssel IIa-VO 1

Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – in Schweden: Överklagande till [Rechtsbehelf beim] Högsta domstolen. VEREINIGTES KÖNIGREICH

Liste 1 Anträge gemäß den Artikeln 21 und 29 sind bei folgenden Gerichten oder zuständigen Behörden zu stellen: – im Vereinigten Königreich: (a) in England und Wales beim High Court of Justice – Principal Registry of the Family Division. (b) in Schottland beim Court of Session, Outer House. (c) in Nordirland beim High Court of Justice. (d) in Gibraltar beim Supreme Court. Liste 2 Der Rechtsbehelf gemäß Artikel 33 ist bei folgenden Gerichten einzulegen: – im Vereinigten Königreich: (a) in England und Wales beim High Court of Justice – Principal Registry of the Family Division. (b) in Schottland beim Court of Session, Outer House. (c) in Nordirland beim High Court of Justice. (d) in Gibraltar beim Supreme Court. Liste 3 Rechtsbehelfe gemäß Artikel 34 können nur eingelegt werden: – im Vereinigten Königreich: mit einem einzigen weiteren, auf Rechtsfragen beschränkten Rechtsbehelf: (a) in England und Wales beim Court of Appeal. (b) in Schottland beim Court of Session, Inner House. (c) in Nordirland beim Northern Ireland Court of Appeal. (d) in Gibraltar durch Berufung beim Court of Appeal.

Artikel 69

Änderungen der Anhänge Änderungen der in den Anhängen I bis IV wiedergegebenen Formblätter werden nach dem in Artikel 70 Absatz 2 genannten Verfahren beschlossen.

Die Bestimmung geht auf Art 44 Abs 2 Brüssel II-VO zurück. Sie ermächtigt die Kom- 1 mission zu Änderungen der in den Anhängen I bis IV abgedruckten Formblätter. Solche Änderungen erfolgen im Verfahren nach Art 70 Abs 2. Dies erscheint rechtsstaatlich nicht unbedenklich. Schon die in Art 44 Abs 2 Brüssel II-VO vorgesehene „Aktualisierung und technische Anpassung“ konnte zu einer Erweiterung oder ReduThomas Rauscher

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Art 70 Brüssel IIa-VO, 1 Art 71 Brüssel IIa-VO, 1, 2

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

zierung der Nachweiserfordernisse im Vollstreckbarerklärungsverfahren führen, für die es im beratenden Verfahren nach Art 70 Abs 2 an einer demokratischen Legitimierung der Kommission fehlt. Die nun vorgenommene Erweiterung auf jedwede Änderung bedeutet praktisch eine Rechtssetzungskompetenz der Kommission, was schlicht rechtswidrig wäre. Die Bestimmung ist daher auf bloße technische Anpassungen, Erweiterungen und Klarstellungen zu beschränken.

Artikel 70

Ausschuss (1) Die Kommission wird von einem Ausschuss (nachstehend „Ausschuss“ genannt) unterstützt. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 3 und 7 des Beschlusses 1999/468/ EG. (3) Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.

1 Die Bestimmung – wortgleich aus Art 45 Brüssel II-VO übernommen – entspricht Art 75 Brüssel I-VO. Sie steht im Zusammenhang mit der Übertragung von Durchführungsbefugnissen hinsichtlich der VO durch den Rat auf die Kommission. Die Kommission wird durch einen beratenden Ausschuss unterstützt (Abs 1). Für das Beratungsverfahren durch den nach Abs 1 einzurichtenden Ausschuss gilt gemäß Abs 2 der Art 3 des Beschlusses vom 28.6.1999 (1999/468 / EG).1 Grundsätze für die nach Abs 3 zu errichtende Geschäftsordnung enthält Art 7 dieses Beschlusses.

Artikel 71

Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (1) Die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 wird mit Beginn der Geltung dieser Verordnung aufgehoben. (2) Jede Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 gilt als Bezugnahme auf diese Verordnung nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang VI.

1 1. Mit Beginn der Geltung der VO (Art 72) ist die Brüssel II-VO (EG Nr 1347/ 2000) außer Kraft getreten (Abs 1). Sie findet allerdings für die Bestimmung der Zuständigkeit in den nach Art 64 Abs 1 nicht von der Brüssel IIa-VO erfassten anhängigen Verfahren, bezogen auf Verfahrenseinleitungen vor dem 1.3.2005, weiter Anwendung. Anerkennungs- und vollstreckungsrechtlich ist die Brüssel II-VO auch für Altentscheidungen aufgrund der umfassenden Übergangsregeln in Art 64 Abs 2 bis 4 nicht mehr anwendbar. 2 2. Abs 2 stellt, in einer aus deutscher Sicht ungewohnten Weise, sicher, dass Verweisungen im sonstigen Europarecht nun nicht ins Leere gehen. Anstatt andere 1

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ABl EG 1999 L 184/23.

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Kapitel VII Schlussbestimmungen

Art 72 Brüssel IIa-VO 1, 2

Rechtsinstrumente, die auf die VO verweisen, entsprechend zu ändern, was für die Kommission angesichts der nicht leichten Übersicht über die Rechtsquellen nicht einfach, aber anwenderfreundlich gewesen wäre, werden mit Abs 2 die Verweisungen in dritten Instrumenten auf die Brüssel II-VO als Verweisungen auf die Brüssel IIa-VO umdefiniert. Der Rechtsunterworfene hat dabei auch die Aufgabe zu bewältigen, nach Maßgabe der Konkordanztabelle in Anhang VI, womit – by the way – Anhang V gemeint ist1, die verwiesenen Normen umzusetzen. Für die Praxis ist diese Methode irritierend, weil grundsätzlich unterstellt werden darf, dass ein Rechtsinstrument, auf das in geltendem Recht verwiesen wird, in Geltung ist. Abs 2 findet nur, wer weiß, dass die Brüssel IIa-VO die Brüssel II-VO abgelöst hat.

Artikel 72

In-Kraft-Treten Diese Verordnung tritt am 1. August 2004 in Kraft. Sie gilt ab 1. März 2005 mit Ausnahme der Artikel 67, 68, 69 und 70, die ab dem 1. August 2004 gelten.

Das Inkrafttreten der VO am 1. 8. 2004 bedeutet nicht deren Anwendung mit Aus- 1 nahme der Bestimmungen über die Einrichtung der organisatorischen und technischen Schlussbestimmungen in Art 67 bis 70. Die Geltung der VO ab 1.3.2005 bedeutet deren Anwendbarkeit in allen Teilen, je- 2 doch nicht notwendig in allen an diesem Tag noch schwebenden Verfahren. Der intertemporale Anwendungsbereich bestimmt sich, auch im Verhältnis zu unter der Brüssel II-VO eingeleiteten Verfahren, nach Art 64. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Geschehen zu Brüssel am 27. November 2003. Im Namen des Rates Der Präsident R. CASTELLI

1

Gutem Brauch würde es entsprechen, wenn Kommission und Rat aus ihren Haushaltsmitteln einige Hilfskräfte einstellen würden, die Rechtsinstrumente vor der Veröffentlichung auf irritierende Fehlverweisungen prüfen. Vielleicht könnte aber auch eine gewisse Reduzierung des selbst geschürten Erfolgsdruckes helfen.

Thomas Rauscher

419

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Anh I Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Anhang I Bescheinigung gemäss Artikel 39 über Entscheidungen in Ehesachen1 1. Ursprungsmitgliedstaat 2. Ausstellendes Gericht oder ausstellende Behörde 2.1. Bezeichnung 2.2. Anschrift 2.3. Telefon/Fax/E-Mail 3. Angaben zur Ehe 3.1. Ehefrau 3.1.1. Name, Vornamen 3.1.2. Anschrift 3.1.3. Staat und Ort der Geburt 3.1.4. Geburtsdatum 3.2. Ehemann 3.2.1. Name, Vornamen 3.2.2. Anschrift 3.2.3. Staat und Ort der Geburt 3.2.4. Geburtsdatum 3.3. Staat, Ort (soweit bekannt) und Datum der Eheschließung 3.3.1. Staat der Eheschließung 3.3.2. Ort der Eheschließung (soweit bekannt) 3.3.3. Datum der Eheschließung 4. Gericht, das die Entscheidung erlassen hat 4.1. Bezeichnung des Gerichts 4.2. Gerichtsort 5. Entscheidung 5.1. Datum 5.2. Aktenzeichen 5.3. Art der Entscheidung 5.3.1. Scheidung 5.3.2. Ungültigerklärung der Ehe 5.3.3. Trennung ohne Auflösung des Ehebandes 5.4. Erging die Entscheidung im Versäumnisverfahren? 5.4.1. Nein 5.4.2. Ja2 6. Namen der Parteien, denen Prozesskostenhilfe gewährt wurde

1

2

420

Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000. Die in Artikel 37 Absatz 2 genannten Urkunden sind vorzulegen.

Januar 2010

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Anh II Brüssel IIa-VO

Anhänge

7. Können gegen die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats weitere Rechtsbehelfe eingelegt werden? 7.1. Nein 7.2. Ja 8. Datum der Rechtswirksamkeit in dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung erging 8.1. Scheidung 8.2. Trennung ohne Auflösung des Ehebandes Geschehen zu

am

Unterschrift und /oder Dienstsiegel

Anhang II Bescheinigung gemäss Artikel 39 über Entscheidungen über die elterliche Verantwortung1 1. Ursprungsmitgliedstaat 2. Ausstellendes Gericht oder ausstellende Behörde 2.1. Bezeichnung 2.2. Anschrift 2.3. Telefon/Fax/E-Mail 3. Träger eines Umgangsrechts 3.1. Name, Vornamen 3.2. Anschrift 3.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4. Träger der elterlichen Verantwortung, die nicht in Nummer 3 genannt sind2 4.1.* 4.1.1. Name, Vornamen 4.1.2. Anschrift 4.1.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4.2. 4.2.1. Name, Vornamen 4.2.2. Anschrift 4.2.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt)

1

2

*

Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000. Im Fall des gemeinsamen Sorgerechts kann die in Nummer 3 genannte Person auch in Nummer 4 genannt werden. An dieser Stelle dürfte es sich empfehlen, eine eventuelle Verwandtschaftsbeziehung des Trägers elterlicher Verantwortung zu vermerken, vgl Anhang IV.

Thomas Rauscher

421

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Anh II Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

4.3. 4.3.1. Name, Vornamen 4.3.2. Anschrift 4.3.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 5. Gericht, das die Entscheidung erlassen hat 5.1. Bezeichnung des Gerichts 5.2. Gerichtsort 6. Entscheidung 6.1. Datum 6.2. Aktenzeichen 6.3. Erging die Entscheidung im Versäumnisverfahren? 6.3.1. Nein 6.3.2. Ja3 7. Kinder, für die die Entscheidung gilt4 7.1. Name, Vornamen und Geburtsdatum 7.2. Name, Vornamen und Geburtsdatum 7.3. Name, Vornamen und Geburtsdatum 7.4. Name, Vornamen und Geburtsdatum 8. Namen der Parteien, denen Prozesskostenhilfe gewährt wurde 9. Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit und Zustellung 9.1. Ist die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats vollstreckbar? 9.1.1. Ja 9.1.2. Nein 9.2. Ist die Entscheidung der Partei, gegen die vollstreckt werden soll, zugestellt worden? 9.2.1. Ja 9.2.1.1. Name, Vornamen der Partei 9.2.1.2. Anschrift 9.2.1.3. Datum der Zustellung 9.2.2. Nein 10. Besondere Angaben zu Entscheidungen über das Umgangsrecht, wenn die Vollstreckbarkeitserklärung gemäß Artikel 28 beantragt wird. Diese Möglichkeit ist in Artikel 40 Absatz 2 vorgesehen: 10.1. Modalitäten der Ausübung des Umgangsrechts (soweit in der Entscheidung angegeben) 10.1.1.Datum, Uhrzeit 10.1.1.1. Beginn 10.1.1.2.Ende 10.1.2. Ort 10.1.3.Besondere Pflichten des Trägers der elterlichen Verantwortung 10.1.4. Besondere Pflichten des Umgangsberechtigten 10.1.5.Etwaige Beschränkungen des Umgangsrechts 3 4

422

Die in Artikel 37 Absatz 2 genannten Urkunden sind vorzulegen. Gilt die Entscheidung für mehr als vier Kinder, ist ein weiteres Formblatt zu verwenden.

Januar 2010

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Anh III Brüssel IIa-VO

Anhänge

11. Besondere Angaben zu Entscheidungen über die Rückgabe von Kindern, wenn die Vollstreckbarkeitserklärung gemäß Artikel 28 beantragt wird. Diese Möglichkeit ist in Artikel 40 Absatz 2 vorgesehen: 11.1. In der Entscheidung wird die Rückgabe der Kinder angeordnet. 11.2. Rückgabeberechtigter (soweit in der Entscheidung angegeben) 11.2.1.Name, Vornamen 11.2.2 Anschrift Geschehen zu

am

Unterschrift und /oder Dienstsiegel

Anhang III Bescheinigung gemäss Artikel 41 Absatz 1 über Entscheidungen über das Umgangsrecht1 1. Ursprungsmitgliedstaat 2. Ausstellendes Gericht bzw. ausstellende Behörde 2.1. Bezeichnung 2.2. Anschrift 2.3. Telefon/Fax/E-Mail 3. Träger eines Umgangsrechts 3.1. Name, Vornamen 3.2. Anschrift 3.3. Geburtsdatum und -ort (soweit vorhanden) 4. Träger der elterlichen Verantwortung, die nicht in Nummer 3 genannt sind2, 3 4.1. 4.1.1. Name, Vornamen 4.1.2. Anschrift 4.1.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4.2. 4.2.1. Name, Vornamen 4.2.2. Anschrift 4.2.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt)

1

2

3

Verordnung (EG) Nr.2201/2003 des Rates vom 27.November 2003 über die Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.1347/2000. Im Fall des gemeinsamen Sorgerechts kann die in Nummer 3 genannte Person auch in Nummer 4 genannt werden. Das Feld ankreuzen, das der Person entspricht, gegenüber der die Entscheidung zu vollstrecken ist.

Thomas Rauscher

423

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Anh III Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

4.3. Andere 4.3.1. Name, Vornamen 4.3.2. Anschrift 4.3.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 5. Gericht, das die Entscheidung erlassen hat 5.1. Bezeichnung des Gerichts 5.2. Gerichtsort 6. Entscheidung 6.1. Datum 6.2. Aktenzeichen 7. Kinder, für die die Entscheidung gilt4 7.1. Name, Vornamen und Geburtsdatum 7.2. Name, Vornamen und Geburtsdatum 7.3. Name, Vornamen und Geburtsdatum 7.4. Name, Vornamen und Geburtsdatum 8. Ist die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar? 8.1. Ja 8.2. Nein 9. Im Fall des Versäumnisverfahrens wurde das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück der säumigen Person so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt, dass sie sich verteidigen konnte, oder, falls es nicht unter Einhaltung dieser Bedingungen zugestellt wurde, wurde festgestellt, dass sie mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist. 10. Alle betroffenen Parteien hatten Gelegenheit, gehört zu werden. 11. Die Kinder hatten die Möglichkeit, gehört zu werden, sofern eine Anhörung nicht aufgrund ihres Alters oder ihres Reifegrads unangebracht erschien. 12. Modalitäten der Ausübung des Umgangsrechts (soweit in der Entscheidung angegeben) 12.1. Datum, Uhrzeit 12.1.1.Beginn 12.1.2. Ende 12.2. Ort 12.3. Besondere Pflichten des Trägers der elterlichen Verantwortung 12.4. Besondere Pflichten des Umgangsberechtigten 12.5. Etwaige Beschränkungen des Umgangsrechts 13. Namen der Parteien, denen Prozesskostenhilfe gewährt wurde Geschehen zu

am

Unterschrift und /oder Dienstsiegel

4

424

Gilt die Entscheidung für mehr als vier Kinder, ist ein weiteres Formblatt zu verwenden.

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Anhänge

Anh IV Brüssel IIa-VO

Anhang IV Bescheinigung gemäss Artikel 42 Absatz 1 über Entscheidungen über die Rückgabe des Kindes1 1. Ursprungsmitgliedstaat 2. Ausstellendes Gericht oder ausstellende Behörde 2.1. Bezeichnung 2.2. Anschrift 2.3. Telefon/Fax/E-Mail 3. Rückgabeberechtigter (soweit in der Entscheidung angegeben) 3.1. Name, Vornamen 3.2. Anschrift 3.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4. Träger der elterlichen Verantwortung2 4.1. Mutter 4.1.1. Name, Vornamen 4.1.2. Anschrift 4.1.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4.2. Vater 4.2.1. Name, Vornamen 4.2.2. Anschrift 4.2.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 4.3. Andere 4.3.1. Name, Vornamen 4.3.2. Anschrift (soweit bekannt) 4.3.3. Geburtsdatum und -ort (soweit bekannt) 5. Beklagte Partei (soweit bekannt) 5.1. Name, Vornamen 5.2. Anschrift (soweit bekannt) 6. Gericht, das die Entscheidung erlassen hat 6.1. Bezeichnung des Gerichts 6.2. Gerichtsort 7. Entscheidung 7.1. Datum 7.2. Aktenzeichen 8. Kinder, für die die Entscheidung gilt3 8.1. Name, Vornamen und Geburtsdatum 8.2. Name, Vornamen und Geburtsdatum 8.3. Name, Vornamen und Geburtsdatum 8.4. Name, Vornamen und Geburtsdatum 1

2 3

Verordnung (EG) Nr.2201/2003 des Rates vom 27.November 2003 über die Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.1347/2000. Dieser Punkt ist fakultativ. Gilt die Entscheidung für mehr als vier Kinder, ist ein weiteres Formblatt zu verwenden.

Thomas Rauscher

425

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Anh V Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

9. In der Entscheidung wird die Rückgabe des Kindes angeordnet. 10. Ist die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar? 10.1. Ja 10.2. Nein 11. Die Kinder hatten die Möglichkeit, gehört zu werden, sofern eine Anhörung nicht aufgrund ihres Alters oder ihres Reifegrads unangebracht erschien. 12. Die Parteien hatten die Möglichkeit, gehört zu werden. 13. In der Entscheidung wird die Rückgabe der Kinder angeordnet, und das Gericht hat in seinem Urteil die Gründe und Beweismittel berücksichtigt, auf die sich die nach Artikel 13 des Haager Übereinkommens vom 25.Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung ergangene Entscheidung stützt. 14. Gegebenenfalls die Einzelheiten der Maßnahmen, die von Gerichten oder Behörden ergriffen wurden, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr in den Mitgliedstaat seines gewöhnlichen Aufenthalts sicherzustellen 15. Namen der Parteien, denen Prozesskostenhilfe gewährt wurde Geschehen zu

am

Unterschrift und /oder Dienstsiegel

Anhang V Entsprechungstabelle zur Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 Aufgehobene Artikel

Entsprechende Artikel des neuen Textes

1

1, 2

2

3

3

12

4

5

4

6

5

7

6

8

7

9

17

10

18

11

16, 19

12

20

13

2, 49, 46

14

21

15

22, 23

16

17

24

426

Januar 2010

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Anh V Brüssel IIa-VO

Anhänge

Aufgehobene Artikel

Entsprechende Artikel des neuen Textes

18

25

19

26

20

27

21

28

22

21, 29

23

30

24

31

25

32

26

33

27

34

28

35

29

36

30

50

31

51

32

37

33

39

34

38

35

52

36

59

37

60, 61

38

62

39 40

63

41

66

42

64

43

65

44

68, 69

45

70

Anhang I

68

Anhang II

68

Anhang III

68

Anhang IV

Anhang I

Anhang V

Anhang II

Thomas Rauscher

427

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Anh VI Brüssel IIa-VO

B.I.1 Brüssel IIa-Verordnung Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung in Ehe- und Kindschaftssachen

Anhang VI Erklärungen Schwedens und Finnlands nach Artikel 59 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000. Erklärung Schwedens Gemäß Artikel 59 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Änderung* der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 erklärt Schweden, dass das Übereinkommen vom 6. Februar 1931 zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden mit Bestimmungen des internationalen Verfahrensrechts über Ehe, Adoption und Vormundschaft einschließlich des Schlussprotokolls anstelle dieser Verordnung ganz auf die Beziehungen zwischen Schweden und Finnland anwendbar ist. Erklärung Finnlands Gemäß Artikel 59 Absatz 2 Buchstabe a) der Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Änderung** der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 erklärt Finnland, dass das Übereinkommen vom 6. Februar 1931 zwischen Finnland, Dänemark, Island, Norwegen und Schweden mit Bestimmungen des internationalen Verfahrensrechts über Ehe, Adoption und Vormundschaft einschließlich des Schlussprotokolls anstelle dieser Verordnung in den gegenseitigen Beziehungen zwischen Finnland und Schweden in vollem Umfang zur Anwendung kommt. * **

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Fehlzitat in der Erklärung: Es müsste hier heißen „Aufhebung“. Fehlzitat in der Erklärung: Es müsste hier heißen „Aufhebung“.

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B.I.2 Verordnung (EG) Nr 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen ABl EU 2009 L 7/1

Schrifttum Alio, Änderungen im deutschen Rechtshilferecht – Beweisaufnahme nach der Europäischen Beweisaufnahmeverordnung, NJW 2004, 2706 Andrae, Internationales Familienrecht2 (2006), zitiert: Andrae IFR dies, Zum Verhältnis der Haager Unterhaltskonvention 2007 und des Haager Protokolls zur geplanten EU-Unterhaltsverordnung, FPR 2008, 196 dies, in: Garbe/Ullrich, Prozesse in Familiensachen2 (2009), zitiert: Garbe/Ulrich /Andrae Beyer, Handlungsfelder der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Familienrecht – Die europäischen Verordnungsvorschläge zum internationalen Scheidungs- und Unterhaltsrecht, FF 2007, 20 Boehm/Faetan, Durchsetzung von Kindesunterhalt im Ausland durch das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht eV, FPR 2004, 324 Bonomi, The Hague Protocol of 23 November 2007 on the law applicable to maintenance obligations, YB PIL 2008, 333 Brückner, Unterhaltsregress im internationalen Privat- und Verfahrensrecht (1994) Dörner, Der Vorschlag für eine europäische Verordnung zum Internationalen Unterhalts- und Unterhaltsverfahrensrecht, in: FS Koresuke Yamauchi (2006) 81

Marianne Andrae

ders, Vorschlag für eine Unterhalspflichtenverordnung – Vorsicht bei Gebrauch der deutschen Fassung!, IPRax 2006, 550 ders, in: Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess (2009), dort: Internationales Unterhaltsrecht, Internationales Unterhaltsverfahrensrecht, zitiert: Eschenbruch/Klinkhammer /Dörner Eilers, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im europäischen Zivilrechtsverfahren (1991) Gebauer K, Vollstreckung von Unterhaltstiteln nach der EuVTVO und der geplanten Unterhaltsverordnung, FPR 2006, 252 Geimer, Internationales Zivilprozessrecht5 (2005) ders, Das Brüssel I-System und seine Fortentwicklung im Lichte der Beschlüsse von Tamperre, in: FS János Németh (2003) 229 ders, Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit und Justizgewährungsanspruch, NJW 1984, 527 ders, Anerkennung und Vollstreckung polnischer Vaterschaftsurteile mit Annexentscheidung über den Unterhalt etc, IPRax 2004, 419 Gottwald, Die internationale Zwangsvollstreckung, IPRax 1991, 285 ders, Anm zu AG Landstuhl, Urteil vom 6.9.2001, FamRZ 2002, 1343 Gronstedt, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz (1994)

429

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EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Hausmann, Überlegungen zum Kollisionsrecht registrierter Partnerschaften, in: FS Dieter Henrich (2000) 241 Heinze, Internationaler einstweiliger Rechtsschutz, RIW 2003, 922 Henrich, Internationales Familienrecht2 (2000), zitiert: Henrich IFR Hess, Die begrenzte Freizügigkeit einstweiliger Maßnahmen im Binnenmarkt II – weitere Klarstellungen des Europäischen Gerichtshofs, IPRax 2000, 370 ders, Urteilsfreizügigkeit und ordre public Vorbehalt bei Verstößen gegen Verfahrensgrundrechte und Marktfreiheiten, IPRax 2001, 301 ders, Europäischer Vollstreckungstitel und nationale Vollstreckungsgegenklage, IPRax 2004, 493 ders, Die Unzulässigkeit materiellrechtlicher Einwendungen im Beschwerdeverfahren nach Art 43 ff EuGVVO, IPRax 2008, 25 Hess/Hub, Die vorläufige Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile im Binnenmarktsprozess, IPRax 2003, 93 Hess/Mack, Der Verordnungsvorschlag der EGKommission zum Unterhaltsrecht, JAmt 2007, 229 Hess/Vollkommer, Die begrenzte Freizügigkeit einstweiliger Maßnahmen nach Art 24 EuGVÜ, IPRax 1999, 220 Hohloch, Grenzüberschreitende Unterhaltsvollstreckung, FPR 2004, 315 Hüßtege, Der europäische Vollstreckungstitel, in: Gottwald (Hrsg), Perspektiven der Justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) 113 Jayme, Rechtshängigkeit kraft Verbunds im Ausland und inländisches gesondertes Unterhaltsverfahren, IPRax 1987, 295 Koch, Anerkennungsfähigkeit ausländischer Prozessvergleiche, in: FS Ekkehard Schumann (2001) 267 Kohler, Systemwechsel im europäischen Anerkennungsrecht: Von der EuGVVO zur Abschaffung des Exequaturs, in: Baur/Mansel (Hrsg), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht (2002) 147

430

ders, Von der EuGVVO zum Europäischen Vollstreckungstitel, in: Reichelt/Rechberger (Hrsg), Europäisches Kollisionsrecht (2004) 63 Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8 (2005) Kropholler/Blobel, Unübersichtliche Gemengelage im IPR durch EG-Verordnungen und Staatsverträge, in: FS Hans Jürgen Sonnenberger (2004) 453 Leipold, Zuständigkeitsvereinbarung und rügelose Einlassung nach dem Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, IPRax 1982, 222 ders, Neuere Erkenntnisse des EuGH und des BGH zum anerkennungsrechtlichen ordre public, in: FS Hans Stoll (2001) 624 Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr (1996) Linke, Die Europäisierung des Unterhaltsverfahrensrechts, FPR 2006, 237 ders, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht9 (2008) Mankowski, Im Dschungel der für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Unterhaltsentscheidungen einschlägigen Abkommen und ihrer Ausführungsgesetze, IPRax 2000, 188 Martiny, Unterhaltsrückgriff durch öffentliche Träger im europäischen internationalen Privatund Verfahrensrecht, IPRax 2004, 195 ders, Grenzüberschreitende Unterhaltsdurchsetzung nach europäischem und internationalem Recht, FamRZ 2008, 1681 Matscher, Die Einwirkungen der EMRK auf das Internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht, in: FS Fritz Schwind (1993) 71 Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt: Versuch eines Beitrags zur Lehre vom Renvoi im internationalen Zivilprozess (1975) Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6 (2007) Pfeiffer, Einheitliche unmittelbare und unbedingte Urteilsgeltung in Europa, in: FS Erik Jayme (2004) 675 Rausch, Unterhaltsvollstreckung im Ausland, FPR 2007, 448 Rauscher, Internationales Privatrecht mit internationalem und europäischem Verfahrensrecht3 (2009)

Januar 2010

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B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen ders, Teleologische Grenzen des Art 21 EuGVÜ?, IPRax 1993, 21 Rechberger, Die Vollstreckung notarieller Urkunden nach der EuGVVO, in: FS Georg Weissmann (2003) 771 Roth, Konkretisierung unbestimmter ausländischer Titel, IPRax 1994, 350 Schack, Anerkennung eines ausländischen trotz widersprechenden deutschen Unterhaltsurteils, IPRax 1986, 218 ders, Internationales Zivilverfahrensrecht4 (2006) ders, Zur Anerkennung ausländischer Forderungspfändungen, IPRax 1997, 318 Schlosser, Europäisches Zivilprozessrecht3 (2009) Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung im Europäischen Zivilprozessrecht (1994) Schulz, Einstweilige Maßnahmen nach dem Brüssler Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), ZEuP 2001, 805 Schütze, Deutsches und Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2 (2005) ders, Ausgewählte Probleme des internationalen Zivilprozessrechts (2006) Stadler, Erlass und Freizügigkeit einstweiliger Maßnahmen im Anwendungsbereich des EuGVÜ, JZ 1999, 1089 dies, Das Europäische Zivilprozessrecht – Wie viel Beschleunigung verträgt Europa?, IPRax 2004, 2 Strasser, Abänderung und Vollstreckung von Unterhaltstiteln aus dem EU-Ausland in Deutschland, FPR 2007, 451 Stein, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen – Einstieg in den Ausstieg aus dem Exequaturverfahren bei Auslandsvollstreckungen, EuZW 2004, 679 Stürner/Münch, Die Vollstreckung indexierter ausländischer Unterhaltstitel, JZ 1987, 178 Sujecki, Die Möglichkeiten und Grenzen der Abschaffung des ordre public Vorbehalts im Europäischen Zivilprozessrecht, ZEuP 2008, 458

Marianne Andrae

EG-UntVO

Trittmann/Merz, Die Durchsetzbarkeit des Anwaltsvergleichs gemäß §§ 796a ff ZPO im Rahmen des EuGVÜ /LugÜ, IPRax 2001, 178 Visinoni-Meyer, Die vollstreckbare öffentliche Urkunde im internationalen und nationalen Bereich (2004) Wagner R, Zur Vollstreckung deutscher dynamisierter Unterhaltstitel im Ausland, in: FS Hans Jürgen Sonnenberger (2004) 727 Weller, Zur Abgrenzung von ehelichem Güterrecht und Unterhaltsrecht im EuGVÜ, IPRax 1999, 14 Wolf/Lange, Das Europäische System des einstweiligen Rechtsschutzes – doch noch kein System, RIW 2003, 55. Materialien Borrás/Degeling, Hague Preliminary Draft Convention on the International Recovery of Child Support and other Forms of Family Maintenance, Draft Explanatory Report, Preliminary Document No 32 of August 2007 Europäischer Datenschutzbeauftragter, Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten vom 7.10.2006, ABl EU 2006 C 242/20 Europäisches Parlament – Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten vom 26.11.2007 Europäischer Rat, Schlussfolgerungen des Vorsitzes Europäischer Rat (Tampere) 15./16.10.1999, NJW 2000, 1925 Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhalts-

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EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

entscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten“ vom 8.8.2006, ABl EU 2006 C 185/35 Hess, Study No. JAI /A3/2002/02 on making more efficient the enforcement of judicial decisions within european Union: Transparency of Debtors’s Assets, Attachement of Bank Accounts, Provisional Enforcement and Protective Measures Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch Unterhaltspflichten, 15.4.2004, KOM (2004) 254 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten vom 15.12.2005, KOM (2005), 649 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament, Erläuterungen zu den Artikeln des Vorschlags für eine Verordnung des

Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten, 12.5.2006, KOM (2006), 206 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch effiziente Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in der Europäischen Union: Transparenz des Schuldnervermögens vom 6.3. 2008, KOM (2008) 128 Beschluss des Rates vom 30.11.2009 über den Abschluss des Haager Protokolls vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht durch die Europäische Gemeinschaft (2009/941/EG), ABl EU 2009 L 331/17. Rat der Europäischen Union, Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen – Politische Einigung vom 21.10.2008.

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION* –

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 61 Buchstabe c und Artikel 67 Absatz 2, auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments1, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses2, in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Gemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zur schrittweisen Schaffung eines solchen Raums erlässt die Gemeinschaft unter anderem Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, soweit dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist.

*

1 2

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Die zu den Erwägungsgründen abgedruckten nummerierten Fußnoten sind solche des amtlichen Textes. Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 13.12.2007. Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses.

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Erwägungsgründe

EG-UntVO

(2) Nach Artikel 65 Buchstabe b des Vertrags betreffen solche Maßnahmen unter anderem die Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und der Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten. (3) Die Gemeinschaft hat hierzu unter anderem bereits folgende Maßnahmen erlassen: die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen3, die Entscheidung 2001/470/ EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen4, die Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Ziviloder Handelssachen5, die Richtlinie 2003/8/ EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen6, die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung7, die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen8 sowie die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken)9. (4) Der Europäische Rat hat auf seiner Tagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere den Rat und die Kommission aufgefordert, besondere gemeinsame Verfahrensregeln für die Vereinfachung und Beschleunigung der Beilegung grenzüberschreitender Rechtsstreitigkeiten unter anderem bei Unterhaltsansprüchen festzulegen. Er hat ferner die Abschaffung der Zwischenmaßnahmen gefordert, die notwendig sind, um die Anerkennung und Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung, insbesondere einer Entscheidung über einen Unterhaltsanspruch, im ersuchten Staat zu ermöglichen. (5) Am 30. November 2000 wurde ein gemeinsames Maßnahmenprogramm der Kommission und des Rates zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen10 verabschiedet. Dieses Programm sieht die Abschaffung des Exequaturverfahrens bei Unterhaltsansprüchen vor, um die Wirksamkeit der Mittel, die den Anspruchsberechtigten zur Durchsetzung ihrer Ansprüche zur Verfügung stehen, zu erhöhen. (6) Am 4. und 5. November 2004 hat der Europäische Rat auf seiner Tagung in Brüssel ein neues Programm mit dem Titel „Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit 3

ABl EG 2001 L 12/1.

4

ABl EG L 2001 174/25.

5

ABl EG L 2001 174/1.

6

ABl EG L 2003 26/41.

7

ABl EU L 2003 338/1.

8

ABl EU L 2004 143/15.

9

ABl EU L 2007 324/79.

10

ABl EG C 2001 12/1.

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EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

und Recht in der Europäischen Union“ (nachstehend das „Haager Programm“ genannt)11 angenommen. (7) Der Rat hat auf seiner Tagung vom 2. und 3. Juni 2005 einen Aktionsplan des Rates und der Kommission12 angenommen, mit dem das Haager Programm in konkrete Maßnahmen umgesetzt wird und in dem die Annahme von Vorschlägen zur Unterhaltspflicht als notwendig erachtet wird. (8) Im Rahmen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht haben die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten an Verhandlungen teilgenommen, die am 23. November 2007 mit der Annahme des Übereinkommens über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen (nachstehend das „Haager Übereinkommen von 2007“ genannt) und des Protokolls über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (nachstehend das „Haager Protokoll von 2007“ genannt) abgeschlossen wurden. Daher ist diesen beiden Instrumenten im Rahmen der vorliegenden Verordnung Rechnung zu tragen. (9) Es sollte einem Unterhaltsberechtigten ohne Umstände möglich sein, in einem Mitgliedstaat eine Entscheidung zu erwirken, die automatisch in einem anderen Mitgliedstaat ohne weitere Formalitäten vollstreckbar ist. (10) Um dieses Ziel zu erreichen, sollte ein gemeinschaftliches Rechtsinstrument betreffend Unterhaltssachen geschaffen werden, in dem die Bestimmungen über Kompetenzkonflikte, Kollisionsnormen, die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen sowie über Prozesskostenhilfe und die Zusammenarbeit zwischen den Zentralen Behörden zusammengeführt werden. (11) Der Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich auf sämtliche Unterhaltspflichten erstrecken, die auf einem Familien-, Verwandtschafts-, oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen; hierdurch soll die Gleichbehandlung aller Unterhaltsberechtigten gewährleistet werden. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte der Begriff „Unterhaltspflicht“ autonom ausgelegt werden. (12) Um den verschiedenen Verfahrensweisen zur Regelung von Unterhaltsfragen in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, sollte diese Verordnung sowohl für gerichtliche Entscheidungen als auch für von Verwaltungsbehörden ergangene Entscheidungen gelten, sofern jene Behörden Garantien insbesondere hinsichtlich ihrer Unparteilichkeit und des Anspruchs der Parteien auf rechtliches Gehör bieten. Diese Behörden sollten daher sämtliche Vorschriften dieser Verordnung anwenden. (13) Aus den genannten Gründen sollte in dieser Verordnung auch die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Vergleiche und öffentlicher Urkunden sichergestellt werden, ohne dass dies das Recht einer der Parteien eines solchen Vergleichs oder einer solchen Urkunde berührt, solche Instrumente vor einem Gericht des Ursprungsmitgliedstaats anzufechten. (14) In dieser Verordnung sollte vorgesehen werden, dass der Begriff „berechtigte Person“ für die Zwecke eines Antrags auf Anerkennung und Vollstreckung einer Unterhaltsentscheidung auch öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen umfasst, die das Recht haben, für eine unterhaltsberechtigte Person zu handeln oder die Erstattung von Leistungen zu fordern, die der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbracht wurden. Han11

ABl EU C 2005 53/1.

12

ABl EU C 2005 198/1.

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Erwägungsgründe

EG-UntVO

delt eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung in dieser Eigenschaft, so sollte sie Anspruch auf die gleichen Dienste und die gleiche Prozesskostenhilfe wie eine berechtigte Person haben. (15) Um die Interessen der Unterhaltsberechtigten zu wahren und eine ordnungsgemäße Rechtspflege innerhalb der Europäischen Union zu fördern, sollten die Vorschriften über die Zuständigkeit, die sich aus der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 ergeben, angepasst werden. So sollte der Umstand, dass ein Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hat, nicht mehr die Anwendung der gemeinschaftlichen Vorschriften über die Zuständigkeit ausschließen, und auch eine Rückverweisung auf die innerstaatlichen Vorschriften über die Zuständigkeit sollte nicht mehr möglich sein. Daher sollte in dieser Verordnung festgelegt werden, in welchen Fällen ein Gericht eines Mitgliedstaats eine subsidiäre Zuständigkeit ausüben kann. (16) Um insbesondere Fällen von Rechtsverweigerung begegnen zu können, sollte in dieser Verordnung auch eine Notzuständigkeit (forum necessitatis) vorgesehen werden, wonach ein Gericht eines Mitgliedstaats in Ausnahmefällen über einen Rechtsstreit entscheiden kann, der einen engen Bezug zu einem Drittstaat aufweist. Ein solcher Ausnahmefall könnte gegeben sein, wenn ein Verfahren sich in dem betreffenden Drittstaat als unmöglich erweist, beispielsweise aufgrund eines Bürgerkriegs, oder wenn vom Kläger vernünftigerweise nicht erwartet werden kann, dass er ein Verfahren in diesem Staat einleitet oder führt. Die Notzuständigkeit kann jedoch nur ausgeübt werden, wenn der Rechtsstreit einen ausreichenden Bezug zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts aufweist, wie beispielsweise die Staatsangehörigkeit einer der Parteien. (17) In einer zusätzlichen Zuständigkeitsvorschrift sollte vorgesehen werden, dass – außer unter besonderen Umständen – ein Verfahren zur Änderung einer bestehenden Unterhaltsentscheidung oder zur Herbeiführung einer neuen Entscheidung von der verpflichteten Person nur in dem Staat eingeleitet werden kann, in dem die berechtigte Person zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung ergangen ist, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in dem sie weiterhin ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Um eine gute Verknüpfung zwischen dem Haager Übereinkommen von 2007 und dieser Verordnung zu gewährleisten, sollte diese Bestimmung auch für Entscheidungen eines Drittstaats, der Vertragspartei jenes Übereinkommens ist, gelten, sofern das Übereinkommen zwischen dem betreffenden Staat und der Gemeinschaft in Kraft ist, und in dem betreffenden Staat und in der Gemeinschaft die gleichen Unterhaltspflichten abdeckt. (18) Für die Zwecke der Anwendung dieser Verordnung sollte vorgesehen werden, dass der Begriff „Staatsangehörigkeit“ in Irland durch den Begriff „Wohnsitz“ ersetzt wird; gleiches gilt für das Vereinigte Königreich, sofern diese Verordnung in diesem Mitgliedstaat nach Artikel 4 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands, das dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist, anwendbar ist. (19) Im Hinblick auf eine größere Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Eigenständigkeit der Vertragsparteien sollte diese Verordnung es den Parteien ermöglichen, den Gerichtsstand anhand bestimmter Anknüpfungspunkte einvernehmlich zu bestimmen. Um den Schutz der schwächeren Partei zu gewährleisten, sollte eine solche Wahl des Gerichtsstands bei Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ausgeschlossen sein.

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EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

(20) In dieser Verordnung sollte vorgesehen werden, dass für die Mitgliedstaaten, die durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden sind, die in jenem Protokoll enthaltenen Bestimmungen über Kollisionsnormen gelten. Hierzu sollte eine Bestimmung aufgenommen werden, die auf das genannte Protokoll verweist. Die Gemeinschaft wird das Haager Protokoll von 2007 rechtzeitig abschließen, um die Anwendung dieser Verordnung zu ermöglichen. Um der Möglichkeit Rechnung zu tragen, dass das Haager Protokoll von 2007 nicht für alle Mitgliedstaaten gilt, sollte hinsichtlich der Anerkennung, der Vollstreckbarkeit und der Vollstreckung von Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten, die durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden sind und jenen, die es nicht sind, unterschieden werden. (21) Es sollte im Rahmen dieser Verordnung präzisiert werden, dass diese Kollisionsnormen nur das auf die Unterhaltspflichten anzuwendende Recht bestimmen; sie bestimmen nicht, nach welchem Recht festgestellt wird, ob ein Familienverhältnis besteht, das Unterhaltspflichten begründet. Die Feststellung eines Familienverhältnisses unterliegt weiterhin dem einzelstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten, einschließlich ihrer Vorschriften des internationalen Privatrechts. (22) Um die rasche und wirksame Durchsetzung einer Unterhaltsforderung zu gewährleisten und missbräuchlichen Rechtsmitteln vorzubeugen, sollten in einem Mitgliedstaat ergangene Unterhaltsentscheidungen grundsätzlich vorläufig vollstreckbar sein. Daher sollte in dieser Verordnung vorgesehen werden, dass das Ursprungsgericht die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar erklären können sollte, und zwar auch dann, wenn das einzelstaatliche Recht die Vollstreckbarkeit von Rechts wegen nicht vorsieht und auch wenn nach einzelstaatlichem Recht ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt wurde oder noch eingelegt werden könnte. (23) Um die mit den Verfahren gemäß dieser Verordnung verbundenen Kosten zu begrenzen, wäre es zweckdienlich, so umfassend wie möglich auf die modernen Kommunikationstechnologien zurückzugreifen, insbesondere bei der Anhörung der Parteien. (24) Die durch die Anwendung der Kollisionsnormen gebotenen Garantien sollten es rechtfertigen, dass Entscheidungen in Unterhaltssachen, die in einem durch das Haager Protokoll von 2007 gebundenen Mitgliedstaat ergangen sind, ohne weiteres Verfahren und ohne jegliche inhaltliche Prüfung im Vollstreckungsmitgliedstaat in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden und vollstreckbar sind. (25) Alleiniger Zweck der Anerkennung einer Unterhaltsentscheidung in einem Mitgliedstaat ist es, die Durchsetzung der in der Entscheidung festgelegten Unterhaltsforderung zu ermöglichen. Sie bewirkt nicht, dass dieser Mitgliedstaat das Familien-, Verwandtschafts-, eherechtliche oder auf Schwägerschaft beruhende Verhältnis anerkennt, auf der die Unterhaltspflichten, die Anlass zu der Entscheidung gegeben haben, gründen. (26) Für Entscheidungen, die in einem nicht durch das Haager Protokoll von 2007 gebundenen Mitgliedstaat ergangen sind, sollte in dieser Verordnung ein Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung vorgesehen werden. Dieses Verfahren sollte sich an das Verfahren und die Gründe für die Verweigerung der Anerkennung anlehnen, die in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vorgesehen sind. Zur Beschleunigung des Verfahrens und damit die berechtigte Person ihre Forderung rasch durchsetzen kann, sollte vorgesehen werden, dass die Entscheidung des angerufenen Gerichts außer unter außergewöhnlichen Umständen innerhalb bestimmter Fristen ergehen muss.

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Erwägungsgründe

EG-UntVO

(27) Ferner sollten die Formalitäten für die Vollstreckung, die Kosten zulasten des Unterhaltsberechtigten verursachen, so weit wie möglich reduziert werden. Hierzu sollte in dieser Verordnung vorgesehen werden, dass der Unterhaltsberechtigte nicht verpflichtet ist, über eine Postanschrift oder einen bevollmächtigten Vertreter im Vollstreckungsmitgliedstaat zu verfügen, ohne damit im Übrigen die interne Organisation der Mitgliedstaaten im Bereich der Vollstreckungsverfahren zu beeinträchtigen. (28) Zur Begrenzung der mit den Vollstreckungsverfahren verbundenen Kosten sollte keine Übersetzung verlangt werden, außer wenn die Vollstreckung angefochten wird, und unbeschadet der Vorschriften für die Zustellung der Schriftstücke. (29) Um die Achtung der Grundsätze eines fairen Verfahrens zu gewährleisten, sollte in dieser Verordnung vorgesehen werden, dass ein Antragsgegner, der nicht vor dem Ursprungsgericht eines durch das Haager Protokoll von 2007 gebundenen Mitgliedstaats erschienen ist, in der Phase der Vollstreckung der gegen ihn ergangenen Entscheidung die erneute Prüfung dieser Entscheidung beantragen kann. Der Antragsgegner sollte diese erneute Prüfung allerdings innerhalb einer bestimmten Frist beantragen, die spätestens ab dem Tag laufen sollte, an dem in der Phase des Vollstreckungsverfahrens seine Vermögensgegenstände zum ersten Mal ganz oder teilweise seiner Verfügung entzogen wurden. Dieses Recht auf erneute Prüfung sollte ein außerordentliches Rechtsbehelf darstellen, das dem Antragsgegner, der sich in dem Verfahren nicht eingelassen hat, gewährt wird, und das nicht die Anwendung anderer außerordentlicher Rechtsbehelfe berührt, die nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats bestehen, sofern diese Rechtsbehelfe nicht mit dem Recht auf erneute Prüfung nach dieser Verordnung unvereinbar sind. (30) Um die Vollstreckung einer Entscheidung eines durch das Haager Protokoll von 2007 gebundenen Mitgliedstaats in einem anderen Mitgliedstaat zu beschleunigen, sollten die Gründe für eine Verweigerung oder Aussetzung der Vollstreckung, die die verpflichtete Person aufgrund des grenzüberschreitenden Charakters der Unterhaltspflicht geltend machen könnte, begrenzt werden. Diese Begrenzung sollte nicht die nach einzelstaatlichem Recht vorgesehenen Gründe für die Verweigerung oder Aussetzung beeinträchtigen, die mit den in dieser Verordnung angeführten Gründen nicht unvereinbar sind, wie beispielsweise die Begleichung der Forderung durch die verpflichtete Person zum Zeitpunkt der Vollstreckung oder die Unpfändbarkeit bestimmter Güter. (31) Um die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsforderungen zu erleichtern, sollte ein System der Zusammenarbeit zwischen den von den Mitgliedstaaten benannten Zentralen Behörden eingerichtet werden. Diese Behörden sollten die berechtigten und die verpflichteten Personen darin unterstützen, ihre Rechte in einem anderen Mitgliedstaat geltend zu machen, indem sie die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung bestehender Entscheidungen, die Änderung solcher Entscheidungen oder die Herbeiführung einer Entscheidung beantragen. Sie sollten ferner erforderlichenfalls Informationen austauschen, um die verpflichteten und die berechtigten Personen ausfindig zu machen und soweit erforderlich deren Einkünfte und Vermögen festzustellen. Sie sollten schließlich zusammenarbeiten und allgemeine Informationen auszutauschen sowie die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden ihres Mitgliedstaats fördern. (32) Eine nach dieser Verordnung benannte Zentrale Behörde sollte ihre eigenen Kosten tragen, abgesehen von speziell festgelegten Ausnahmen, und jeden Antragsteller unterstützen, der seinen Aufenthalt in ihrem Mitgliedstaat hat. Das Kriterium für das Recht einer Person auf Unterstützung durch eine Zentrale Behörde sollte weniger streng sein als das

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B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Anknüpfungskriterium des „gewöhnlichen Aufenthalts“, das sonst in dieser Verordnung verwendet wird. Das Kriterium des „Aufenthalts“ sollte jedoch die bloße Anwesenheit ausschließen. (33) Damit sie die unterhaltsberechtigten und -verpflichteten Personen umfassend unterstützen und die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsforderungen optimal fördern können, sollten die Zentralen Behörden gewisse personenbezogene Daten einholen können. Diese Verordnung sollte daher die Mitgliedstaaten verpflichten sicherzustellen, dass ihre Zentralen Behörden Zugang zu solchen Angaben bei den öffentlichen Behörden oder Stellen, die im Rahmen ihrer üblichen Tätigkeiten über die betreffenden Angaben verfügen, erhalten. Es sollte jedoch jedem Mitgliedstaat überlassen bleiben, die Modalitäten für diesen Zugang festzulegen. So sollte ein Mitgliedstaat befugt sein, die öffentlichen Behörden oder Verwaltungen zu bezeichnen, die gehalten sind, der Zentralen Behörde die Angaben im Einklang mit dieser Verordnung zur Verfügung zu stellen, gegebenenfalls einschließlich der bereits im Rahmen anderer Regelungen über den Zugang zu Informationen benannten öffentlichen Behörden oder Verwaltungen. Bezeichnet ein Mitgliedstaat öffentliche Behörden oder Verwaltungen, sollte er sicherstellen, dass seine Zentrale Behörde in der Lage ist, Zugang zu den gemäß dieser Verordnung erforderlichen Angaben, die im Besitz jener Behörden oder Verwaltungen sind, zu erhalten. Die Mitgliedstaaten sollten ferner befugt sein, ihrer Zentralen Behörde den Zugang zu den erforderlichen Angaben bei jeder anderen juristischen Person zu ermöglichen, die diese besitzt und für deren Verarbeitung verantwortlich ist. (34) Im Rahmen des Zugangs zu personenbezogenen Daten sowie deren Verwendung und Weiterleitung ist es angebracht, die Anforderungen der Richtlinie 95/46 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr13, wie sie in das einzelstaatliche Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt ist, zu beachten. (35) Es ist angebracht, die spezifischen Bedingungen für den Zugang zu personenbezogenen Daten, deren Verwendung und Weiterleitung für die Anwendung dieser Verordnung festzulegen. In diesem Zusammenhang wurde die Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten14 berücksichtigt. Die Benachrichtigung der von der Datenerhebung betroffenen Person sollte im Einklang mit dem einzelstaatlichen Recht erfolgen. Es sollte jedoch die Möglichkeit vorgesehen werden, diese Benachrichtigung zu verzögern, um zu verhindern, dass die verpflichtete Person ihre Vermögensgegenstände transferiert und so die Durchsetzung der Unterhaltsforderung gefährdet. (36) Angesichts der Verfahrenskosten sollte eine sehr günstige Regelung der Prozesskostenhilfe vorgesehen werden, nämlich die uneingeschränkte Übernahme der Kosten in Verbindung mit Verfahren betreffend Unterhaltspflichten gegenüber Kindern, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die über die Zentralen Behörden eingeleitet wurden. Folglich sollten die aufgrund der Richtlinie 2003/8/ EG bestehenden Vorschriften über die Prozesskostenhilfe in der Europäischen Union durch spezifische Vorschriften ergänzt werden, mit denen ein besonderes System der Prozesskostenhilfe in Unterhaltssachen geschaffen wird. Dabei sollte die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats befugt sein, in Ausnahmefällen die Kosten bei einem unterlegenen Antragsteller, der eine 13

ABl EG L 1995 281/31.

14

ABl EU C 2006 242/20.

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Erwägungsgründe

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unentgeltliche Prozesskostenhilfe bezieht, beizutreiben, sofern seine finanziellen Verhältnisse dies zulassen. Dies wäre insbesondere bei einer vermögenden Person, die wider Treu und Glauben gehandelt hat, der Fall. (37) Darüber hinaus sollte für andere als die im vorstehenden Erwägungsgrund genannten Unterhaltspflichten allen Parteien die gleiche Behandlung hinsichtlich der Prozesskostenhilfe bei der Vollstreckung einer Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat garantiert werden. So sollten die Bestimmungen dieser Verordnung über die Weitergewährung der Prozesskostenhilfe so ausgelegt werden, dass sie eine solche Hilfe auch einer Partei gewähren, die beim Verfahren zur Herbeiführung oder Änderung einer Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat keine Prozesskostenhilfe erhalten hat, die aber später im selben Mitgliedstaat im Rahmen eines Antrags auf Vollstreckung der Entscheidung in den Genuss der Prozesskostenhilfe gekommen ist. Gleichermaßen sollte eine Partei, die berechtigterweise ein unentgeltliches Verfahren vor einer der in Anhang X aufgeführten Verwaltungsbehörden in Anspruch genommen hat, im Vollstreckungsmitgliedstaat in den Genuss der günstigsten Prozesskostenhilfe oder umfassendsten Kosten- und Gebührenbefreiung kommen, sofern sie nachweisen kann, dass sie diese Vergünstigungen auch im Ursprungsmitgliedstaat erhalten hätte. (38) Um die Kosten für die Übersetzung von Beweisunterlagen zu reduzieren, sollte das angerufene Gericht unbeschadet der Verteidigungsrechte und der für die Zustellung der Schriftstücke geltenden Vorschriften die Übersetzung dieser Unterlagen nur verlangen, wenn sie tatsächlich notwendig ist. (39) Um die Anwendung dieser Verordnung zu erleichtern, sollte eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten vorgesehen werden, der Kommission die Namen und Kontaktdaten ihrer Zentralen Behörden sowie sonstige Informationen mitzuteilen. Diese Informationen sollten Praktikern und der Öffentlichkeit durch eine Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder durch Ermöglichung des elektronischen Zugangs über das mit der Entscheidung 2001/470/EG eingerichtete Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen bereitgestellt werden. Darüber hinaus sollte die Verwendung der in dieser Verordnung vorgesehenen Formblätter die Kommunikation zwischen den Zentralen Behörden erleichtern und beschleunigen und die elektronische Vorlage von Ersuchen ermöglichen. (40) Die Beziehung zwischen dieser Verordnung und den bilateralen Abkommen oder multilateralen Übereinkünften in Unterhaltssachen, denen die Mitgliedstaaten angehören, sollte geregelt werden. Dabei sollte vorgesehen werden, dass die Mitgliedstaaten, die Vertragspartei des Übereinkommens vom 23. März 1962 zwischen Schweden, Dänemark, Finnland, Island und Norwegen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen sind, dieses Übereinkommen weiterhin anwenden können, da es günstigere Bestimmungen über die Anerkennung und die Vollstreckung enthält als diese Verordnung. Was künftige bilaterale Abkommen in Unterhaltssachen mit Drittstaaten betrifft, sollten die Verfahren und Bedingungen, unter denen die Mitgliedstaaten ermächtigt wären, in ihrem eigenen Namen solche Abkommen auszuhandeln und zu schließen, im Rahmen der Erörterung eines von der Kommission vorzulegenden Vorschlags zu diesem Thema festgelegt werden. (41) Die Berechnung der in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen und Termine sollte nach Maßgabe der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine15 erfolgen. 15

ABl EG L 1971 124/1.

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EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

(42) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten nach Maßgabe des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse erlassen16 werden. (43) Insbesondere sollte die Kommission die Befugnis erhalten, alle Änderungen der in dieser Verordnung vorgesehenen Formblätter nach dem in Artikels 3 des Beschlusses 1999/ 468/ EG genannten Beratungsverfahren des zu erlassen. Für die Erstellung der Liste der Verwaltungsbehörden, die in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, sowie der Liste der zuständigen Behörden für die Bescheinigung von Prozesskostenhilfe sollte die Kommission die Befugnis erhalten, das Verwaltungsverfahren nach Artikel 4 jenes Beschlusses anzuwenden. (44) Diese Verordnung sollte die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 ändern, indem sie deren auf Unterhaltssachen anwendbare Bestimmungen ersetzt. Vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen dieser Verordnung sollten die Mitgliedstaaten bei Unterhaltssachen, ab dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit dieser Verordnung die Bestimmungen dieser Verordnung über die Zuständigkeit, die Anerkennung, die Vollstreckbarkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen und über die Prozesskostenhilfe anstelle der entsprechenden Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 anwenden. (45) Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Schaffung eines Instrumentariums zur effektiven Durchsetzung von Unterhaltsforderungen in grenzüberschreitenden Situationen und somit zur Erleichterung der Freizügigkeit der Personen innerhalb der Europäischen Union, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht hinreichend verwirklicht und daher aufgrund des Umfangs und der Wirkungen dieser Verordnung besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. (46) Gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hat Irland mitgeteilt, dass es sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchte. (47) Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands beteiligt sich das Vereinigte Königreich nicht an der Annahme dieser Verordnung, und ist weder durch diese gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet. Dies berührt jedoch nicht die Möglichkeit für das Vereinigte Königreich, gemäß Artikel 4 des genannten Protokolls nach der Annahme dieser Verordnung mitzuteilen, dass es die Verordnung anzunehmen wünscht. (48) Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet, unbeschadet der Möglichkeit für Dänemark, den Inhalt der an der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vorgenommenen Änderungen gemäß Artikel 3 des Abkommens vom 19. Oktober 2005 zwi16

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ABl EG L 1999 184/23.

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Einl EG-UntVO 1

Einleitung

schen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen17 anzuwenden.

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Einleitung1 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Geschichtliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

III. Charakteristische Merkmale

1. Umfassendes Rechtsinstrument . . . . . . 2. Zusammenwirken mit der Haager Konferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weiter sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einzelne Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

IV. Auslegung

1. Auslegungskompetenz des EuGH . . . . 2. Auslegungsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entscheidungen des EuGH zum EuGVÜ und zur Brüssel I-VO . . . . . . . .

44

V. Schwachstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

33 34

13 15 18 23

Allgemeines

Die VO (EG) Nr 4/2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerken- 1 nung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (iF EG-UntVO)2 ist am 18.12.2008 in Kraft getreten. Sie findet ab dem 18.6. 2011 Anwendung. Rechtsgrundlage für den Erlass bilden Artt 61 lit c, 65 und 67 Abs 2 EGV. Der räumliche Geltungsbereich der EG-UntVO bestimmt sich im Grundsatz nach den für das Gemeinschaftsrecht geltenden allgemeinen Vorschriften, also nach Art 299 EGV.3 Irland, Dänemark und das Vereinigte Königreich beteiligen sich an der Verordnung.4

17

ABl EU L 2005 299/62.

1

Für die Mitarbeit an dieser Kommentierung danke ich meinen wiss Mitarbeitern, insb Herrn Dr Steffen Schreiber sowie Frau Andrea Salz, Frau Raya Abbas, Frau Kristin Walter und Frau Isabelle Ghobril, sowie meinen stud Hilfskräften Frau Laureen Lee und Herrn Tobias Schmiegel. ABl EU 2009 L 7/1. Hierzu, weil übereinstimmend, Rauscher/Staudinger Einl Brüssel I-VO Rn 13 ff. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon findet sich die Norm in Artt 349, 355 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (iF AEUV) wieder. Zu den Besonderheiten s Art 1 Rn 48 ff.

2 3

4

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Einl EG-UntVO 2- 4

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

2 Die EG-UntVO findet Anwendung auf Unterhaltssachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, die aus Familienbeziehungen resultieren. Das Kriterium „grenzüberschreitend“ ist für die einzelnen Kapitel unterschiedlich bestimmt. Während Kapitel II (internationale Zuständigkeit) einen universellen, nicht räumlich-personell beschränkten Anwendungsbereich hat, setzen die folgenden Kapitel einen mitgliedstaatlichen Bezug voraus, der – je nach Sachgebiet – unterschiedlich zu definieren ist. In ihrem sachlichen Anwendungsbereich tritt die EG-UntVO an die Stelle der Brüssel I-VO.5 Die EG-VollstrTitelVO6 findet auf Unterhaltssachen keine Anwendung mehr, soweit sich die Vollstreckung eines Titels nach Kapitel IV Abschnitt 1, 3 EGUntVO richtet. 3 Die Verordnung hat im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander Vorrang vor Übereinkommen und Vereinbarungen, die Regelungsbereiche umfassen, die in der EGUntVO geregelt sind.7 Für den Abschluss oder den Beitritt zu internationalen Rechtsinstrumenten besitzt die EG in dem von der EG-UntVO erfassten Regelungsbereich die ausschließliche Außenkompetenz.8 II.

Geschichtliches

4 Der Unterhalt war bereits vom sachlichen Anwendungsbereich des EuGVÜ in seiner ursprünglichen Fassung vom 27.9.1968 erfasst. Das EuGVÜ und ihm nach nachfolgend die Brüssel I-VO halten nur in Art 5 Nr 2 eine spezielle Vorschrift für die konkurrierende Zuständigkeit in Unterhaltssachen bereit, im Übrigen unterliegen Unterhaltssachen denselben Regeln wie Zivilsachen im Allgemeinen. Art 57 EuGVÜ ließ diejenigen besonderen Übereinkommen unberührt, denen die Vertragsstaaten des EuGVÜ angehören. Dazu gehörten das Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.19589 (iF HUntAVÜbk 1958) und das Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen10 (iF HUntAVÜbk 1973). Das Verhältnis zwischen dem EuGVÜ und den Haager Übereinkom5

6

7

8

9 10

442

Verordnung (EG) Nr 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22.12.2000, ABl EG 2001 L 12/1. Verordnung (EG) Nr 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen vom 21.4.2004, ABl EU 2004 L 143/ 15. Ausnahme das in Art 69 genannte Übereinkommen zwischen Schweden, Dänemark, Finnland, Island und Norwegen. Zu der vergleichbaren Problematik Gutachten des EuGH Avis 1/03 zur Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Abschluss des neuen Übereinkommens von Lugano über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; siehe auch Art 15 Rn 13 sowie Art 69 Rn 19. BGBl 1961 II 1006. BGBl 1986 II 826.

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Einleitung

Einl EG-UntVO 5, 6

men war durch Art 57 EuGVÜ derart geregelt, dass sich die Voraussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckung nach den speziellen Übereinkommen richten, in jedem Fall jedoch die Bestimmungen des EuGVÜ über das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen angewandt werden. Diese Regelung hatte ihre Berechtigung insoweit, als die Haager Übereinkommen unter Umständen im konkreten Fall die Anerkennung erleichterten. Wie noch Art 27 Nr 4 LugÜbk 1988 enthielt das ursprüngliche EuGVÜ einen Vor- 5 behalt hinsichtlich der Lösung statusrechtlicher Vorfragen in Entscheidungen, soweit diese im Widerspruch zum IPR des Zweitstaates erfolgte. Die beiden Haager Übereinkommen sehen solche Beschränkungen für die Anerkennung und damit für die Vollstreckung nicht vor. Der statusrechtliche Vorbehalt wurde aus dem EuGVÜ bei dessen Revision gestrichen und das Verhältnis zu den Übereinkommen auf besonderem Gebiet wurde durch das EuGVÜ verbindlich interpretiert. Im Ergebnis dessen genießen nach den Art 57 Abs 2 EuGVÜ, Art 71 Abs 2 Brüssel I-VO die Haager Übereinkommen als Spezialübereinkommen Vorrang. Da diese jedoch vom Günstigkeitsprinzip ausgehen, kann ein Titelgläubiger die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung nach dem EuGVÜ /der Brüssel I-VO begehren.11 Er kann sich aber auch auf das Haager Übereinkommen berufen, wenn die Anerkennungsvoraussetzungen ausnahmsweise gläubigerfreundlicher sind.12 Nur kann er beide Rechtsquellen hinsichtlich der Anerkennungsvoraussetzungen nicht kombinieren. Da sich auf diese Weise die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen in der Praxis nach der Brüssel I-VO richten können, erstrecken sich auf sie die entscheidenden Veränderungen, die hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen erreicht wurden. Zwar sieht die Brüssel I-VO noch das Zwischenverfahren der Vollstreckbarerklärung vor, jedoch erfolgt auf der ersten Verfahrensstufe keine Prüfung der Versagungsgründe der Artt 34 und 35 mehr. Lediglich werden Förmlichkeiten nach Art 53 überprüft, in diesem Stadium wird der Schuldner nicht gehört.13 Erst das Rechtsbehelfsverfahren ist als ein kontradiktorisches Verfahren vorgesehen, in denen die materiellen Versagungsgründe geprüft werden.14 Auf seiner Tagung in Tampere am 15./16.10.1999 brachte der Europäische Rat zum 6 Ausdruck, dass er für die Weiterentwicklung eines europäischen Rechtsraumes, der dem Einzelnen die grenzüberschreitende Verfolgung seiner Rechte erleichtern soll, einen weiteren Abbau der Zwischenmaßnahmen für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in anderen Mitgliedstaaten für erforderlich hält.15 Daraufhin wurde am 30.11.2000 ein gemeinsames Maßnahmenprogramm des Rates und der Kommission verabschiedet, mit dem ein stufenweiser Abbau der Hindernisse für ei11

12

13 14 15

Ua OLG München FamRZ 2003, 462; Mankowski IPRax 2000, 188, 193; Geimer IPRax 2004, 419, 420; Rauscher/Mankowski Art 77 Brüssel I-VO Rn 18. Ua OLG Hamm IPRax 2004, 437, 438; Geimer IPRax 2004, 419, 420; Rauscher /Mankowski Art 71 Brüssel I-VO Rn 18. Zu Einzelheiten Rauscher/Mankowski Artt 38 ff Brüssel I-VO. Kropholler Art 41 Brüssel I-VO Rn 5; Rauscher/Mankowski Art 41 Brüssel I-VO Rn 4. Schlussfolgerungen von Tampere NJW 2000, 1925.

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Einl EG-UntVO 7, 8

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

nen freien Verkehr der gerichtlichen Entscheidungen erreicht werden soll.16 Für die erste Stufe wurden zunächst einzelne Bereiche aus dem Anwendungsbereich der Brüssel I-VO herausgegriffen, für welche zeitiger als für die übrigen Entscheidungen das Exequaturverfahren abgeschafft werden soll. 7 Als erstes Ergebnis in dieser Hinsicht wurde die EG-VollstrTitelVO in Kraft gesetzt, die vollstreckbare Unterhaltstitel mit erfasst. Unter den in der EG-VollstrTitelVO festgelegten Voraussetzungen entfällt das Vollstreckbarerklärungsverfahren im Vollstreckungsstaat. Auf Antrag des Titelgläubigers bestätigt das Ursprungsgericht den Titel als Europäischen Vollstreckungstitel, der in den anderen Mitgliedstaaten so gestellt wird, als sei er dort ergangen. Die Möglichkeit besteht für vollstreckbare Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden. Der bestätigende Titel muss eine Forderung auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme betreffen (Art 4 Nr 3 EG-VollstrTitelVO), die fällig ist, oder, sofern sie künftig fällig wird, deren Fälligkeit im Vollstreckungstitel angegeben ist.17 Davon wird auch ein dynamisierter Unterhaltstitel erfasst.18 Bei inländischen dynamisierten Unterhaltstiteln sieht § 245 FamFG die Möglichkeit vor, auf Antrag die Unterhaltsverpflichtung zu beziffern, um den Bestimmtheitsanforderungen zu genügen. 8 Die Forderung muss unbestritten sein, wobei es iSd Verordnung zwei Kategorien unbestrittener Forderungen gibt. Die eine Gruppe unbestrittener Forderungen sind solche, bei denen der Schuldner die Forderung ausdrücklich anerkannt oder ihr zugestimmt hat (Art 3 Abs 1 lit a und d EG-VollstrTitelVO).19 Die andere Gruppe erfasst gerichtliche Entscheidungen, bei denen aus dem Verhalten des Schuldners im gerichtlichen Verfahren gefolgert wird, dass er die Forderung nicht oder nicht mehr bestreitet (Art 3 Abs 1 lit b und c EG-VollstrTitelVO).20 Im Hinblick auf unbestrittene Forderungen aus gerichtlichen Entscheidungen ist die Erteilung der Bestätigung an die Einhaltung verfahrensrechtlicher Mindestvorschriften gebunden, die die ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Dokuments und seinen Inhalt betreffen und sichern sollen, dass dem Schuldner in diesem Verfahrensstadium rechtliches Gehör gewährt wurde.21 Eine Entscheidung, die im Ursprungsmitgliedstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und unmittelbar vollstreckt (Art 5 EG-VollstrTitelVO). Die noch in der Brüssel I-VO vorgesehenen Anerkennungshindernisse und der ordre public Einwand sind entfallen.

16

ABl EG 2001 C 12/1ff.

17

Zur Problematik dynamisierter Unterhaltstitel siehe Wagner IPRax 2005, 401, 409 f. Gebauer NJ 2006, 103, 104. Rellermeyer Rpfleger 2005, 389, 393. Wagner IPRax 2005, 189, 193. Artt 12-19 EG-VollstrTitelVO, ausführlich Gebauer NJ 2006, 103, 105.

18 19 20 21

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Einleitung

Einl EG-UntVO 9-11

Die EG-BagatellVO,22 die ein autonomes eigenständiges europäisches Verfahren für 9 geringfügige Forderungen vorsieht, das im Ergebnis zu einer Entscheidung führt, die in allen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt wird, ohne dass es einer Vollstreckbarkeitserklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann, umfasst Unterhaltsforderungen nicht. Die EG-MahnVO23, die von einem vergleichbaren Prinzip wie die EG-BagatellVO ausgeht, schließt zwar Unterhaltsforderungen nicht aus. Jedoch ist erforderlich, dass die zu beziffernde Geldforderung zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Erlass des Europäischen Zahlungsbefehls fällig ist. Dieses Rechtsinstrument kann deshalb nur für rückständige Unterhaltszahlungen genutzt werden, nicht jedoch für die Durchsetzung laufend fällig werdenden Unterhalts. Neben unbestrittenen Forderungen und Ansprüchen mit geringem Streitwert wurde 10 im Maßnahmenkatalog auch die Abschaffung des Zwischenverfahrens für Unterhaltspflichten aufgenommen. Dieser Bereich fand besondere Aufmerksamkeit, da Unterhaltsschuldner als besonders schützenswert angesehen wurden und weil in einzelnen Mitgliedstaaten bis zu 50% der Unterhaltsforderungen nicht durchgesetzt werden können.24 2004 hat die Kommission ein Grünbuch zu Unterhaltspflichten25 vorgelegt, in denen 11 die Rechtsfragen der grenzüberschreitenden Unterhaltspflichten komplex aufgeworfen wurden. Auch wird hieraus deutlich, dass die Abschaffung des Exequaturverfahrens nur ein, wenn auch wesentlicher Bestandteil einer zukünftigen europäischen Regelung sein sollte. Daneben wurden ua die Fragen nach dem unterhaltsrechtlichen Kollisionsrecht und der Zusammenarbeit der zuständigen Zentralen Behörden aufgeworfen. Bereits im Grünbuch wird berechtigt nachgefragt, ob es sinnvoll sei, auf gemeinschaftsrechtlicher und internationaler Ebene zu unterschiedlichen Lösungen für das Kollisionsrecht zu kommen. Aus dem Grünbuch ergibt sich auch, dass die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten in Anwendung des New Yorker Übereinkommens über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20.6.195626 nicht besonders effektiv ist. 27 Gleichzeitig wird gesehen, dass die Probleme, die in einem internationalen oder nur gemeinschaftlichen Rahmen gelöst werden müssen, zwar zweifellos ähnlich sind, jedoch innerhalb des Rechtsraums der Gemeinschaft auch in diesem Bereich mit Sicherheit viel umfassendere und wirksamere Lösungen eingeführt werden können.

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23

24

25 26 27

Verordnung (EG) Nr 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen vom 11.7.2007, ABl EU 2007 L 199/2. Verordnung (EG) Nr 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens vom 12.12.2006, ABl EU 2006 L 399/1. Europäische Kommission, Grünbuch Unterhaltspflichten, 15.4.2004, KOM (2004) 254, 7; Redaktion EuZW, EuZW 2004, 322, 323. Europäische Kommission, 15.4.2004, KOM (2004) 254. BGBl 1959 II 150. Europäische Kommission, 15.4.2004, KOM (2004) 254, 39.

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Einl EG-UntVO 12-14

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

12 Im Dezember 2005 wurde ein Vorschlag einer Verordnung des Rates28 vorgelegt, in dem die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten komplex geregelt waren. Die EG-UntVO unterscheidet sich in allen Teilen vom EG-UntVO-E. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der stärkere Gleichklang mit den neuen Haager Rechtsinstrumenten. Auf bestimmte Aspekte, die noch in dem EG-UntVO-E vorgesehen waren, konnten sich die Mitgliedstaaten nicht einigen.29 Kritikpunkte aus der Literatur, die zum Teil in der schlechten deutschen Übersetzung des Entwurfs ihren Ursprung hatten,30 wurden berücksichtigt sowie die mangelnde Abstimmung zwischen einzelnen Teilen behoben. III. Charakteristische Merkmale

1.

Umfassendes Rechtsinstrument

13 Die EG-UntVO zeichnet sich dadurch aus, dass sie ein Rechtsinstrument ist, das alle Rechtsfragen grenzüberschreitender Unterhaltsbeziehungen – wenn von Querschnittsproblemen der Zustellung und der Beweiserhebung abgesehen wird – in einem Regelwerk vereinigt. Geregelt werden: die internationale Zuständigkeit, einschließlich der Beachtung der ausländischen Rechtshängigkeit und zusammenhängender Verfahren; das Kollisionsrecht; die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden; die Prozesskostenhilfe; die Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene über Zentrale Behörden, einschließlich eines Antragsverfahrens; sowie die Einbeziehung öffentliche Aufgaben wahrnehmender Einrichtungen, die anstelle des Verpflichteten Unterhalt leisten, in das System der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Unterhaltssachen. 14 Die EG-UntVO zielt mit ihren kohärenten Regelungsbereichen darauf ab, die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltspflichten zu erleichtern. Vom Regelungssystem her ist sie vergleichbar mit dem KSÜ.31 Sie geht in ihrem sachlichen Anwendungsbereich im Regelungsumfang insoweit über die Brüssel IIa-VO hinaus, als sie das Kollisionsrecht einschließt und die Prozesskostenhilfe in grenzüberschreitenden Unterhaltssachen komplex regelt. Sie verkörpert damit – vom System her – ein umfassendes Rechtsinstrument, wie es die Haager Konferenz für Unterhaltspflichten gegenüber Kindern und in anderen Familienbeziehungen im internationalen Maßstab

28 29 30 31

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Europäische Kommission, 15.12.2005, KOM (2005) 649. Anordnung monatlicher Pfändung und vorübergehende Kontensperre, Artt 34, 35 EG-UntVO-E. Dörner IPRax 2006, 550. Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung und Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996, siehe Jayme/Hausmann Nr 54. Zustimmungsgesetz zum Übereinkommen in RGBl 2009 II 602.

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Einleitung

Einl EG-UntVO 15, 16

anstrebte. 32 Bei Letzterem waren wesentliche Abstriche von diesem Ziel erforderlich, um das Übereinkommen zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.33 2.

Zusammenwirken mit der Haager Konferenz

Die EG ist am 3.4.2007 der Haager Konferenz beigetreten34 und hat bereits zuvor als 15 Beobachter an der Ausarbeitung des Übereinkommens über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23.11.200735 (iF HUntVerfÜbk 2007) und des Protokolls über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.200736 (iF HUntStProt 2007) teilgenommen. Dasselbe gilt für eine Reihe von Mitgliedstaaten, einige von ihnen sind selbst Teilnehmerstaaten der Haager Konferenz. Sowohl das HUntVerfÜbk 2007 als auch das HUntStProt 200737 ermöglichen den Beitritt regionaler Wirtschaftsorganisationen, die für einige oder alle dort geregelten Angelegenheiten zuständig sind. Der Beitritt der EG zum HUntStProt 2007 wird durch Beschluss vom 30.11.2009 gebilligt. 38 Die EG-UntVO ist mit dem HUntVerfÜbk 2007 so abgestimmt, dass der EG der Beitritt zum HUntVerfÜbk 2007 möglich ist. Für den Beitritt zum HUntVerfÜbk 2007 liegt ein Beschluss-E vom 28.7.2009 vor, aus dem sich ergibt, dass der Beitritt sich auf alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark erstreckt. 38a HUntVerfÜbk 2007 und EG-UntVO können nebeneinander bestehen. So ist zB Art 9 16 EG-UntVO, der die Zuständigkeit für Abänderungsentscheidungen betrifft, mit Art 18 HUntVerfÜbk 2007 abgestimmt. Nach Art 51 Abs 4 HUntVerfÜbk 2007 lässt dieses zudem die Anwendung der Bestimmungen der EG-UntVO in Bezug auf die im Über-

einkommen geregelten Angelegenheiten im Verhältnis der Mitgliedstaaten unberührt, vorausgesetzt, das Verhältnis der Mitgliedstaaten zu den Vertragsstaaten des Übereinkommens wird davon nicht betroffen. 39 Die EG hat auf eine eigenständige kollisionsrechtliche Regelung verzichtet, vielmehr das HUntStProt 2007 mit Art 15 in die EG-UntVO integriert. Dies ist eine weise Entscheidung, weil ein Nebeneinander zweier kollisionsrechtlicher Regelungen mit universellem Geltungsanspruch (loi uniforme) nicht möglich und eine territoriale Eingrenzung von Kollisionsnormen für den Unterhalt nicht sinnvoll ist. 40

32

33 34 35 36 37 38 38a 39 40

Siehe Final Act of the Nineteenth Session, Proceedings of the Nineteenth Session, Volume I Miscellaneous Matters S 34-47, insb S 44. Hierzu Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 25 ff. Hierzu näher Art 15 Rn 1. Abrufbar unter: http://www.hcch.net/index_en.php?act=conventions.pdf&cid=131. Abrufbar unter: http://www.hcch.net/index_en.php?act=conventions.pdf&cid=133. Art 52 HUntVerfÜbk 2007, Art 24 HUntStProt 2007. Europäische Kommission, KOM (2009) 81. Europäische Kommission, KOM (2009) 373. Einzelheiten hierzu Art 69 Rn 9 ff. Zum HUntStProt 2007 im Einzelnen Art 15 Rn 3 ff.

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Einl EG-UntVO 17-19

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

17 Einige Kapitel der EG-UntVO sind zwar nicht identisch, aber stark an die Ergebnisse, die auf der Haager Konferenz erzielt wurden, angelehnt. Zum Teil betrifft es einzelne Regelungen. Vor allem sei hier das Kapitel VII (Zusammenarbeit der Zentralen Behörden), das Kapitel VIII (öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen) und – wenn auch eingeschränkt – Kapitel V (Zugang zum Recht) genannt. Die Ergebnisse der Verhandlungen zum Abschluss der Haager Rechtsinstrumente sind insoweit mit in die EG-UntVO eingeflossen. Die separate Regelung – außerhalb des Kollisionsrechts – ermöglicht es jedoch, weitergehende und umfassendere Regelungen aufgrund der vertieften Integration der Mitgliedstaaten in der Europäischen Gemeinschaft festzulegen. Auf internationaler Ebene lässt sich ein Standard, wie er in der Gemeinschaft bereits mit der Brüssel I-VO hergestellt und durch die EG-UntVO erhöht worden ist, nicht erreichen. Das betrifft die zentralen Kapitel II (Zuständigkeit) und Kapitel IV (Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen). In den Erwägungsgründen der EG-UntVO ist ausdrücklich auf den Zusammenhang zwischen dem gemeinschaftsrechtlichen Rechtsinstrument und der Übereinkommen der Haager Konferenz hingewiesen worden.41 3.

Weiter sachlicher Anwendungsbereich

18 Die EG-UntVO ist durch einen weiten sachlichen Anwendungsbereich gekennzeichnet, der sich einheitlich auf jedes Kapitel der Verordnung erstreckt. Sie findet auf alle Unterhaltspflichten aus Familie, Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft Anwendung. Nur das HUntStProt 2007 hat gleichfalls diesen weiten Anwendungsbereich, während sich das HUntVerfÜbk 2007 auf Unterhaltspflichten aus einer Eltern-KindBeziehung gegenüber einer Person beschränkt, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, wobei sich jeder Vertragsstaat vorbehalten kann, das erfasste Alter auf die Vollendung des 18. Lebensjahres zu reduzieren. Der sachliche Anwendungsbereich erstreckt sich auch auf die Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten und früheren Ehegatten. Jedoch sind hier die zentralen Kapitel über die Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene und die Anträge über die Zentralen Behörden ausgespart. Die Vertragsstaaten können durch Erklärungen das HUntVerfÜbk 2007 oder einzelne Teile auf andere Beziehungen der Familie, Verwandtschaft, Ehe oder Schwägerschaft erstrecken. Die Erweiterung gilt dann nur im Verhältnis zwischen jenen Vertragsstaaten, die eine solche Erklärung abgegeben haben, soweit diese übereinstimmen. 19 Der weite Anwendungsbereich und der Ausschluss von Vorbehalten innerhalb der Gemeinschaft sind zu begrüßen, weil sie die Anwendung vereinfachen und von dem großen Vertrauen der Staatengemeinschaft in die Rechtsstaatlichkeit und Ausgewogenheit der Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet zeugen.

41

448

Siehe Erwägungsgrund 8.

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Einleitung

Einl EG-UntVO 20-22

Auf zwei Probleme ist jedoch aufmerksam zu machen. Zum einen fehlt es an einer autonomen Bestimmung des Begriffs Familienbeziehung im sachlichen Anwendungsbereich. Jeder Mitgliedstaat wird selbst bestimmen, welche Beziehungen außerhalb von Ehe im traditionellen Sinne, Verwandtschaft und Schwägerschaft hierunter fallen. 42 Insoweit ist eine unterschiedliche Anwendung der Verordnung diesbezüglich bis zu der Zeit vorprogrammiert, in der eine autonome Auslegung auch hierfür gelingt. Dies setzt jedoch die gegenseitige Toleranz gegenüber in anderen Mitgliedstaaten rechtlich anerkannten Lebensgemeinschaften, wie der gleichgeschlechtlichen Ehe oder der nichtehelichen Lebensgemeinschaft homo- oder heterosexueller Paare voraus. Auch das Kapitel „Zusammenarbeit der Zentralen Behörden“ hat diesen weiten 20 sachlichen Anwendungsbereich, während das HUntVerfÜbk 2007 auf diesem Gebiet auf die Unterhaltspflichten im Eltern-Kind-Verhältnis gegenüber Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres beschränkt ist. In der Präambel des HUntVerfÜbk 2007 wird insbesondere der Zusammenhang zwischen diesem Übereinkommen und den Artt 3 und 27 des UN-Übereinkommens über die Rechte des Kindes vom 20.11.198943 hingewiesen. Hervorgehoben wird in diesem Zusammenhang, dass – „bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt ist, der vorrangig zu berücksichtigen ist; – jedes Kind das Recht auf einen seiner körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung angemessenen Lebensstandard hat; – es in erster Linie Aufgabe der Eltern oder anderer für das Kind verantwortlichen Personen ist, im Rahmen ihrer Fähigkeiten und finanziellen Möglichkeiten die für die Entwicklung der Kinder notwendigen Lebensbedingungen sicherzustellen; – die Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen, einschliesslich des Abschlusses internationaler Übereinkünfte, treffen sollen, um die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes gegenüber den Eltern oder gegenüber anderen für ihn verantwortlichen Personen sicherzustellen, insbesondere wenn die betreffenden Personen in einem anderen Staat leben als das Kind“. Das Gleiche muss für die EG-UntVO gelten und hätte es gerechtfertigt, die Zusam- 21 menarbeit der Zentralen Behörden – die tatsächlich im Kern den Kindesunterhalt umfassen wird – auch rechtlich darauf zu beschränken. Dies hätte zB eine vertiefte Zusammenarbeit und weniger Beschränkungen hinsichtlich der Einkommensermittlung von Schuldnern ermöglicht, die sich der Unterhaltsverpflichtungen gegenüber ihren Kindern entziehen. 44 Die EG-UntVO ist insoweit in sich auch nicht stimmig. Auf der einen Seite werden 22 alle Unterhaltspflichten aus jedem Familienverhältnis gleich welcher Art in den Anwendungsbereich des Kapitels VII einbezogen. Auf der anderen Seite sieht das HUntStProt 2007 das Günstigkeitsprinzip durch eine Kaskadenanknüpfung tatsächlich nur 42 43 44

Hierzu Art 1 Rn 9 ff. BGBl 1992 II 990. Hierzu insb Vor Artt 61-63 Rn 8.

Marianne Andrae

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Einl EG-UntVO 23-26

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

noch für den Unterhaltsanspruch eines Kindes gegenüber seinen Eltern vor. Nur diese Unterhaltspflichten und die aus der Ehe sind von der kumulativen Anknüpfung aufgrund einer Einrede des Unterhaltsschuldners ausgenommen (Art 6 HUntStProt 2007), die dazu führt, dass in grenzüberschreitenden Fällen gegenüber solchen ausschließlich innerstaatlicher Natur die Entstehung von Unterhaltspflichten erschwert wird. Das HUntStProt 2007 ist deshalb von einem besonderen Schutzanliegen in Bezug auf den Kindesunterhalt gekennzeichnet. Insbesondere hinsichtlich der Gewährung der unentgeltlichen Prozesskostenhilfe bei Anträgen auf Unterhaltsleistungen für Kinder nach Art 46 entspricht die EG-UntVO diesem Anliegen. Sie stellt jedoch undifferenziert den Apparat der behördlichen Zusammenarbeit für alle Antragsteller mit Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat zur Verfügung, wenn der sachliche Anwendungsbereich eröffnet ist. 4.

Einzelne Bereiche

23 Die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit weisen im Vergleich zur Brüssel I und IIa-VO eine neue Qualität auf. Sie sind für Unterhaltssachen abschließend geregelt, es bleibt kein Raum für das autonome Recht. Leider wird der einstweilige Rechtsschutz hiervon nicht erfasst. Vom Grundsatz her werden internationale und örtliche Zuständigkeit zusammen geregelt. In grenzüberschreitenden Fällen finden die nationalen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit regelmäßig keine Anwendung. 24 Was das Kollisionsrecht betrifft, so wird erstmals das relevante Haager Rechtsinstrument, das HUntStProt 2007 – an deren Ausarbeitung sich die EG und Mitgliedstaaten beteiligt haben – in die EG-UntVO integriert. 45 25 Festgelegt ist eine ipso iure Anerkennung von Entscheidungen der Gerichte/Behörden eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat, ohne dass es Ablehnungsgründe für die Anerkennung gibt. Vor allem kann der ordre public nicht mehr eingewendet werden. Diese bedingungslose Anerkennung ist jedoch davon abhängig gemacht, dass der Entscheidungsmitgliedstaat an das HUntStProt 2007 gebunden ist. Der Wegfall des ordre public für die Anerkennung ist bereits in der EG-VollstrTitelVO anzutreffen. Hier kann er darauf gestützt werden, dass es um unbestrittene Forderungen geht und Vorkehrungen für die Gewährung des rechtlichen Gehörs im verfahrenseinleitenden Stadium getroffen worden sind. Auch die EG-UntVO stellt dem Antragsgegner, gegen den die Entscheidung erlassen wurde, Rechtsbeihilfe zur Seite, um dessen Rechte zu gewährleisten. 26 Der Zusammenhang zwischen dem Verzicht auf den ordre public Einwand und dem HUntStProt 2007 erschließt sich nur schwer, aber er ist vorhanden. Bis auf den Unterhalt der Eltern gegenüber den Kindern und den Unterhalt zwischen Eheleuten ist im HUntStProt 2007 eine fakultative Kumulation der Anknüpfungen vorgesehen. Mit ihr wird bewirkt, dass bei den anderen Beziehungen eine Unterhaltspflicht nur be45

450

Zu den wesentlichen Merkmalen Art 1 HUntStProt 2007 Rn 2.

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Einleitung

Einl EG-UntVO 27-30

steht, wenn sowohl das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsbegehrenden einerseits und andererseits das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsverpflichteten oder das gemeinsame Heimatrecht eine solche vorsehen. Weiterhin hält Art 14 HUntStProt 2007 eine einheitliche internationale Sachnorm bereit, wonach in allen Fällen der Anwendung in- oder ausländischen Rechts auch die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zu berücksichtigen sind. Hinzu kommt, dass im Zweitstaat die Anwendung der EGUntVO auf Beziehungen ausgeschlossen werden kann, die bei einer Qualifikation vom Standpunkt seiner Rechtsordnung – unter Einschluss des IPR – nicht als Familienbeziehungen angesehen werden.46 Anwendungsfälle des materiell-rechtlichen ordre public sind natürlich weiterhin 27 denkbar, dürften jedoch eine Ausnahmeerscheinung bleiben,47 abgesehen von Fällen einer anderen Sicht auf die Existenz eines Statusverhältnisses. Hier beseht jedoch die Möglichkeit, über die Herbeiführung einer entgegenstehenden Entscheidung über das Statusverhältnis im Anerkennungsstaat, der ausländischen Entscheidung ihre wichtigste Wirkung, nämlich ihre Vollstreckungswirkung nach Art 21 Abs 2 UAbs 2, zu nehmen. Hat das angerufene Gericht des Erststaates das Recht, sei es das HUntStProt 2007 oder das materielle Recht, grob fehlerhaft angewendet, so ist dem mit denselben Rechtsbehelfen im Erlassstaat zu begegnen wie in rein inländischen Fällen. Eine vollstreckbare Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist, der an das 28 HUntStProt 2007 gebunden ist, ist in einem anderen Mitgliedstaat unmittelbar vollstreckbar. Ein Vollstreckbarerklärungsverfahren als Voraussetzung für die Vollstreckung gibt es nicht. Auch wird die Konzeption der Bestätigung eines Titels als Europäischer Vollstreckungstitel nach der EG-VollstrTitelVO nicht fortgeführt. Anders als nach der EG-BagatellVO liegt dem auch kein autonomes europäisches Erkenntnisverfahren zugrunde. Vielmehr richtet sich dieses in familienrechtlichen Unterhaltssachen nach dem Recht des Gerichtsstaates. Eingeführt wird ein einheitliches gerichtliches Nachprüfungsverfahren im Ursprungsmitgliedstaat für einen Antragsgegner, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat. In diesem wird überprüft, ob ihm im verfahrenseinleitenden Stadium rechtliches Gehör gewährt wurde (Art 19). Für vollstreckbare gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden wird vom An- 29 erkennungsprinzip ausgegangen und auf diese Weise werden sie den gerichtlichen und behördlichen Entscheidungen hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung gleichgestellt. Die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe zeichnen sich dadurch aus, dass sie alle 30 Verfahrensstadien erfassen, der Umfang der Prozesskostenhilfe einheitlich autonom bestimmt ist und eine Prozesskostenbefreiung für alle Anträge an die Zentrale Behörde erfolgt, die die Unterhaltsverpflichtungen der Eltern gegenüber ihren Kindern betrifft, die noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben. 46 47

Hierzu Art 1 Rn 13, Art 21 Rn 38. Hierzu Art 21 Rn 39.

Marianne Andrae

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Einl EG-UntVO 31-34

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

31 Für die Erleichterung der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen über die Grenze innerhalb der Gemeinschaft wird das Modell der Zusammenarbeit Zentraler Behörden, wie es in der Brüssel IIa-VO und in den Haager Konventionen für den Schutz der Kinder im HKEntÜbK 1980, KSÜ, HAdoptÜbk 1993 und im HUntVerfÜbk 2007 vorgesehen ist, nutzbar gemacht. 32 Der Regress öffentlicher Einrichtungen, die Leistungen an den Berechtigten anstelle von Unterhalt erbringen, wird ausdrücklich erfasst. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Regress auf einem Forderungsübergang beruht oder einen selbständigen, öffentlich-rechtlich ausgestalteten Anspruch darstellt. IV.

Auslegung

1.

Auslegungskompetenz des EuGH

33 Rechtsgrundlage für das Vorabentscheidungsverfahren ist Art 267 AEUV (Art 234 EGV). Mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon entfällt Art 68 EGV,48 sodass nunmehr Art 267 AEUV (Art 234 EGV) ohne Einschränkung Anwendung findet. Demnach kann jedes Gericht eines Mitgliedstaates eine Auslegungsfrage zur EG-UntVO dem EuGH vorlegen, wenn es dessen Entscheidung darüber für den Erlass des Urteils für erforderlich hält. Stellt sich einem mitgliedstaatlichen Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Mitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, in einem schwebenden Verfahren eine solche entscheidungserhebliche Auslegungsfrage, so ist es berechtigt aber auch zugleich verpflichtet, diese dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen. Solche Vorlagepflicht betrifft den letztinstanzlichen Spruchkörper im konkreten Rechtsstreit. Unter den Begriff Rechtsmittel fallen alle ordentlichen Rechtsbehelfe. 49 Auf die Auslegungskompetenz des EuGH in Bezug auf das HUntStProt 2007 wird bei Art 15 eingegangen. 2.

Auslegungsgrundsätze

34 Für die EG-UntVO können die durch den EuGH für das EuGVÜ und die Brüssel I-VO herausgebildeten Auslegungsmethoden herangezogen werden.50 Vorrang hat die gemeinschaftliche autonome Auslegung. Das bedeutet, dass „in erster Linie die Systematik und die Zielsetzung der Verordnung zu berücksichtigen sind, um deren einheitliche Anwendung in allen Vertragsstaaten zu sichern.“51 Damit soll sichergestellt 48 49

50

51

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Everling EuR-Beil 2009, 71, 79. Hierzu mit Hinweisen auf weiterführende Literatur Rauscher/Staudinger Einl Brüssel 1-VO Rn 45 ff; Kropholler Einl Brüssel 1-VO Rn 34 ff. Zur Weitergeltung der Rechtsfindungsmethoden für die Brüssel I-VO in Bezug auf das EuGVÜ ua Rauscher/Staudinger Einl Brüssel I-VO Rn 35; Kropholler Die Auslegung von EG-Verordnungen zum Internationalen Privatrecht in: Basedow ua (Hrsg), Aufbruch nach Europa (2001) 583, 589. Für das EuGVÜ EuGH Rs C-464/01 Gruber/Bay Wa Rn 31 mit Nachweisen früherer Rspr.

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Einleitung

Einl EG-UntVO 35-37

werden, dass sich aus dem Übereinkommen für die Vertragsstaaten und die betroffenen Personen soweit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben.52 Die Besonderheit der EG-UntVO besteht darin, dass es enge Bezüge zum HUntVerf- 35 Übk 2007 gibt und mit Art 15 das HUntStProt 2007 unmittelbar in das System der EG-UntVO einbezogen ist. Insbesondere dort, wo die Begriffe identisch sind, sollte eine einheitliche Auslegung angestrebt werden. Als Beispiele seien genannt: der sachliche Anwendungsbereich, wo EG-UntVO und HUntStProt 2007 übereinstimmen, die Begriffe „öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen“ oder der „gewöhnliche Aufenthalt“. Besonders erforderlich ist die abgestimmte Auslegung von EG-UntVO und HUntStProt 2007, da beide Rechtsdokumente in derselben Unterhaltssache zur Anwendung kommen. Art 20 HUntStProt 2007 verpflichtet die Staaten bei seiner Anwendung seinem internationalen Charakter und der Notwendigkeit, eine einheitliche Anwendung zu fördern, Rechnung zu tragen. Dies ist bei der gemeinschaftsautonomen Auslegung von Begriffen der EG-UntVO zu berücksichtigen, um einer Auseinanderentwicklung entgegenzuwirken. Praktiziert hat der EuGH das zB für die Brüssel IIa-VO in Bezug auf das KSÜ, indem er es für die Auslegung des sachlichen Anwendungsbereichs „elterliche Verantwortung“ und den Begriff „Zivilsachen“ herangezogen hat.53 Dieselbe Methodik ist für die EG-UntVO fruchtbar zu machen. In dieser Hinsicht ist auch Erwägungsgrund 8 zu verstehen, wonach diesen beiden Instrumenten, dh dem HUntVerfÜbk 2007 und dem HUntStProt 2007, im Rahmen der EGUntVO Rechnung zu tragen ist. Für die Auslegung gelten die allgemeinen Grundsätze, einschließlich der rechtsver- 36 gleichenden Interpretation, wobei auch für die EG-UntVO der teleologischen Auslegung eine herausragende Bedeutung zukommt. Alle Fassungen in den Amtssprachen der Mitgliedstaaten sind verbindlich. Dies ist vorteilhaft, weil sich der Rechtsanwender auf die Fassung in der von ihm beherrschten Sprache verlassen kann. Die Wortwahl in den einzelnen Fassungen ist nicht identisch, trotzdem wird vermutet, dass sie in jeder die gleiche Bedeutung hat. In Zweifelsfällen sollten Fassungen in anderen Sprachen herangezogen werden, um möglichst eine einheitliche gemeinschaftsrechtliche Wortbedeutung zu suchen und auf diese Weise die einheitliche Rechtsanwendung zu fördern.54 Die systematische Auslegung stellt die einzelnen Normen in den Bedeutungszusam- 37 menhang der EG-UntVO als Ganzes und kann den Bezug zu anderen Gemeinschaftsrechtsakten herstellen. Typisches Beispiel hierfür ist der Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten. Diesen Gerichtsstand gab es bereits in dem EuGVÜ und der Brüssel I-VO. Nur war er nicht als allgemeiner, sondern als konkurrierender Gerichtsstand in Art 5 Nr 2 geregelt. Aus der Systematik des EuGVÜ hat 52

ZB EuGH Rs C-9/87 Arcad/Haviland Rn 10; EuGH Rs C-189/87 Kalfelis/Schröder Rn 15.

53

EuGH Rs C-435/06 C IPRax 2008, 509 ff. Kropholler Einl Brüssel I-VO Rn 43.

54

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Einl EG-UntVO 38- 40

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

der EuGH die Folgerung gezogen, dass die Zuständigkeit der Gerichte im Wohnsitzstaat des Beklagten den allgemeinen Grundsatz darstelle und dass die davon abweichenden besonderen Zuständigkeitsregeln keiner Auslegung zugänglich sind, die über die in dem Übereinkommen ausdrücklich vorgesehenen Fälle hinausgeht. Eine solche Auslegung gilt dabei erst Recht bei einer Zuständigkeitsregel wie Art 5 Nr 2 EuGVÜ55 mit der Folge, dass eine öffentliche Einrichtung an diesem Gerichtsstand nicht ihre Regressforderung geltend machen kann. In der EG-UntVO ist dieser Gerichtsstand, gleichgestellt neben dem des gewöhnlichen Aufenthaltes des Beklagten, zu einem allgemeinen Gerichtsstand geworden. Aufgrund der anderen systematischen Stellung ist die Auslegung zu Art 5 Nr 2 EuGVÜ nicht übertragbar.56 38 Ein weiteres Beispiel: Auch wenn weiterhin davon auszugehen ist, dass die EG-UntVO in Übereinstimmung mit Art 61 lit c EGV (Artt 61 Abs 4, 81 AEUV) nur Zivilsachen betrifft, kann es für sie zu einer neuen Begriffsbestimmung kommen. Der EuGH hat die Eingrenzung für Unterhaltssachen in Übereinstimmung mit seiner Rechtsprechung zur Abgrenzung von öffentlich-rechtlichen Sachen bei Art 1 Brüssel I-VO vorgenommen. Danach ist eine Rückgriffsklage einer öffentlichen Einrichtung nur dann eine Zivilsache, soweit für die Grundlage dieser Klage und die Modalitäten ihrer Erhebung die allgemeinen Vorschriften über Unterhaltsverpflichtungen gelten. Ist dagegen diese auf Bestimmungen gestützt, mit denen der Gesetzgeber der öffentlichen Stelle eine eigene besondere Befugnis verliehen hat, kann sie nicht als Zivilsache angesehen werden.57 Da der Zusammenhang zu Art 1 Brüssel I-VO systematisch nicht mehr besteht, vielmehr zu Art 64 EG-UntVO und dieser wiederum gleich lautend mit Art 36 HUntVerfÜbk 2007 ist, lässt sich diese Auslegung nicht mehr aufrechterhalten.58 39 Bei Kapitel V (Zugang zum Recht), das im Kern die Prozesskostenhilfe in Unterhaltssachen regelt, besteht ein Zusammenhang zur Richtlinie 2003/8 / EG.59 Die EGUntVO nimmt inhaltlich wesentliche Elemente der PKH-RL auf und verbindet sie mit Elementen aus dem HUntVerfÜbk 2007 zu einer speziellen Regelung für Unterhaltssachen. Wegen des systematischen Zusammenhangs können die PKH-RL, ihre Erwägungsgründe und die für sie bereits herausgebildeten Auslegungen für einzelne Begriffe und Regelungen, soweit Identität besteht, herangezogen werden. 40 Gerade für die EG-UntVO in ihrer ersten Zeit spielt die historische Auslegung gleichfalls eine bedeutende Rolle. Zu fragen ist, wo die einzelnen Abschnitte oder die einzelnen Regelungen ihren Ursprung haben, um dann die Auslegung für die Ursprungsregelung – auch in ihrer Entwicklung – für die EG-UntVO zu nutzen.

55 56 57 58 59

454

EuGH Rs C-433/01 Freistaat Bayern/Jan Blijdenstein EuGHE 2004 I 981 Rn 25. Hierzu Art 3 Rn 43. EuGH Rs C-271/00 Gemeente Steenbergen/Luc Baten EuGHE 2002 I 10489 Rn 37. Hierzu näher Art 1 Rn 38 ff. ABl EG 2003 L 26/41; hierzu Kapitel V Rn 1.

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Einleitung

Einl EG-UntVO 41, 42

Mitunter betrifft es auch einzelne Abs von Artikeln. So kann zB in Kapitel II, für Art 5 (rügeloses Einlassen), Art 9 (Anhängigkeit), Art 12 (Rechtshängigkeit), Art 13 (zusammenhängende Verfahren) und Art 14 (einstweilige Maßnahmen) die Auslegung für die übereinstimmenden Bestimmungen der Brüssel I-VO fruchtbar gemacht werden. Aus Erwägungsgrund 15 wird deutlich, dass der europäische Gesetzgeber die Bestimmungen der Zuständigkeit, die in der Brüssel I-VO auf Unterhaltssachen zutreffen, zum Ausgangspunkt für die EG-UntVO genommen und sie angepasst hat. Soweit einzelne Bestimmungen verändert sind, können Teilaspekte der bisherigen Auslegung übernommen werden. Das trifft zB auf Art 4 (Gerichtsstandsvereinbarung) zu. Nicht wenige Vorschriften sind identisch oder angelehnt an Bestimmungen des 41 HUntVerfÜbk 2007 und des HUntStProt 2007. Für ihre Auslegung können die erläuternden Berichte zu beiden Rechtsinstrumenten60 sowie die vorbereitenden Dokumente, die alle im Internet veröffentlicht sind61, herangezogen werden. So ist zB Art 52 (Vollmacht) nur verständlich im Zusammenhang mit der Diskussion um die Vertretungsberechtigung der Antragsteller seitens der Zentralen Behörden in Bezug auf die identische Bestimmung im HUntVerfÜbk 2007. Für die Auslegung des Begriffs „Familienverhältnis“ in Art 1 ist der Kompromiss für die Auslegung desselben Begriffs, der auf der 21. Tagung der Haager Konferenz im November 2007 für das HUntStProt 2007 erzielt wurde62, zu beachten. Weiterhin spielt natürlich auch für die EG-UntVO die teleologische Auslegung eine 42 besondere Rolle. Die Auslegung hat sich hierbei vor allem auch an den den Vorschriften vorangestellten Erwägungsgründen zu orientieren. Obwohl die Erwägungsgründe leider in nicht unerheblichem Umfang den Inhalt nachfolgender Bestimmungen wiedergeben, enthalten sie gleichzeitig wesentliche Hinweise für die Ziele der EG-UntVO im Allgemeinen und ihrer einzelnen Abschnitte, Regelungen und Begriffe. Am präzisesten wird zB das Hauptziel der EG-UntVO im Erwägungsgrund 45 definiert. Dieses besteht in der Schaffung eines Instrumentariums zur effektiven Durchsetzung von Unterhaltsforderungen in grenzüberschreitenden Situationen, um damit zur Erleichterung der Freizügigkeit der Personen innerhalb der Europäischen Union beizutragen. Daraus lässt sich zB ableiten, dass der europäische Gesetzgeber in Bezug auf die Zuständigkeitsbestimmungen nicht die nationalen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit im Allgemeinen vereinheitlichten wollte, sondern diese Frage nur für grenzüberschreitende Unterhaltssachen gleich mitgeregelt hat, um für diese den Zugang zu den Gerichten zu erleichtern.63 Aus Erwägungsgrund 36 ergibt sich zB das Verhältnis zur 60

61

62 63

Zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Kommentierung waren die endgültigen Berichte noch nicht veröffentlicht. Sie stützt sich deshalb insoweit auf den Draft Explanatory Report zum HUntVerfÜbk 2007 von Borrás/Degeling vom August 2007 Prel Doc No 32 und auf den Explanatory Report zum Entwurf des HUntStProt 2007 von Bonomi. Zum HUntStProt 2007 siehe http://www.hcch.net/index_en.php?act=conventions.publications&dtid =35&cid=133; zum HUntVerfÜbk 2007 siehe http://www.hcch.net/index_en.php?act=conventions. publications&dtid=35&cid=131. Hierzu Bonomi YB PIL 2008, 333, 338. Hierzu Art 3 Rn 20.

Marianne Andrae

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Einl EG-UntVO 43- 46

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Richtlinie 2003/8 / EG (PKH), das sich aus dem Inhalt der Regelung nicht so sehr erschließt. 43 Letztlich hat auch die rechtsvergleichende Auslegungsmethode Bedeutung für die autonome Auslegung. Dabei kommt nicht nur ein Vergleich zwischen den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen, sondern auch mit den bereits bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Rechtsinstrumenten und relevanten internationalen Übereinkommen in Frage. 3.

Entscheidungen des EuGH zum EuGVÜ und zur Brüssel I-VO

44 In seinen Entscheidungen zum EuGVÜ hat sich der EuGH in Vorabentscheidungsverfahren mit folgenden Fragen, die den Unterhalt betreffen, befasst: Abgrenzungskriterien in Bezug auf den von dem EuGVÜ erfassten Unterhalt und das ausgeschlossene Güterrecht,64 sowie zwischen Unterhaltsstreitsachen und öffentlich-rechtlichen Sachen, speziell zum Bereich der sozialen Sicherheit, bezogen auf den Regress öffentlicher Einrichtungen,65 weiterhin wie der Begriff Unterhaltsberechtiger für Art 5 Nr 2 auszulegen ist und ob öffentliche Einrichtungen für ihre Regressansprüche diese Zuständigkeit in Anspruch nehmen können.66 Außerdem haben für Unterhaltssachen natürlich die Entscheidungen des EuGH zu anderen Zivilrechtssachen Bedeutung, soweit sie sich auf übergreifende Fragen, wie zB die Zuständigkeit aufgrund von rügelosem Einlassen oder für einstweilige Maßnahmen beziehen. Soweit Bestimmungen identisch oder teilidentisch sind oder sich Regelungsaspekte aus dem EuGVÜ /der Brüssel I-VO wieder finden, kann die Rechtsprechung des EuGH hierzu nutzbar gemacht werden, es sei denn, aus dem Regelungssystem der EG-UntVO ergibt sich etwas anderes. 45 Um für beides ein Beispiel zu nennen: Die Abgrenzung, die der EuGH in der Rechtssache Boogaard/Laumen zum Güterrecht vorgenommen hat, bleibt auch für die EGUntVO aktuell. Dagegen ist seine Rechtsprechung zu dem Unterhaltsregress öffentlicher Einrichtungen nicht auf die EG-UntVO übertragbar, weil zum einen Art 64 zu einer anderen Auslegung zwingt und zum anderen der Gerichtsstand des Unterhaltsberechtigten in einen anderen Zusammenhang gestellt wird. V.

Schwachstellen

46 Die EG-UntVO ist von wesentlichen Schwachstellen des im Jahr 2005 veröffentlichten Entwurfs befreit und im Gesamtkonzept stimmig. Dies schließt nicht aus, dass einzelne Bereiche oder Normen noch optimaler hätten gestaltet werden können. Einige seien im Folgenden genannt: Übergreifend ist zu nennen, dass der Begriff Familien64

65 66

456

EuGH Rs C-220/95 van den Boogaard/Laumen EuGHE 1997 I 1147 = IPRax 1999, 35; EuGH Rs C-120/79 de Cavel/de Cavel EuGHE 1980, 731 = IPRax 1981, 19. EuGH Rs C-271/00 Gemeente Steensbergen/Baten EuGHE 2002 I 10489, 10526. EuGH Rs C-295/95 Farrell/Long EuGHE 1997 I 1683; EuGH Rs C-433/01 Freistaat Bayern/Jan Blijdenstein EuGHE 2004 I 981 = IPRax 2004, 240.

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Einleitung

Einl EG-UntVO 47-50

verhältnis für die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs in den Mitgliedstaaten nicht einheitlich autonom bestimmt wird. Damit erfolgt – wenn auch in Randbereichen – keine einheitliche Rechtsanwendung und insoweit ist das Ziel, die Gleichbehandlung aller Unterhaltsberechtigten zu gewährleisten,67 nicht in vollem Umfang verwirklicht. Dies stellt einen notwendigen Kompromiss dar. In den nationalen Rechtsordnungen wird unterschiedlich beurteilt, welche Verhältnisse familienrechtlichen Charakter tragen, wobei dem Grundauffassungen zugrunde liegen können, insoweit wird auch der ordre public betroffen. Dies musste für die Verordnung berücksichtigt werden, um die Einstimmigkeit des Rates für diesen Rechtsakt zu erreichen. Im Bereich der Zuständigkeitsbestimmungen ist kritisch zu sehen, dass nicht zum 47 Ausdruck kommt, dass die internationale Zuständigkeit den Kern der Regelungen ausmacht und die örtliche Zuständigkeit nur als Begleitung mitgeregelt ist. Es fehlt eine normative Abgrenzung zu den einzelstaatlichen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit. Es fragt sich, ob der Verordnungsgeber mit der Regelung der örtlichen Zuständigkeit im Rahmen der allgemeinen Zuständigkeiten in Art 3 das in Art 5 EGV (Art 5 EUV) niedergelegte Subsidiaritätsprinzip und den dort genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch gewahrt oder nicht in diesem Punkt in die nationalen Rechtsordnungen eingegriffen hat, ohne dass dies für die Erreichung der Ziele der Verordnung erforderlich war. Neben anderen Einzelfragen bildet der einstweilige Rechtsschutz eine Schwachstelle. 48 Übernommen wurde Art 31 Brüssel I-VO und damit das der EG-UntVO zugrunde liegende Prinzip der abschließenden autonomen Regelung der internationalen Zuständigkeit durchbrochen. Dies ist umso bedauerlicher im Hinblick darauf, dass die Schwachstellen von Art 31 Brüssel I-VO, die durch die Rechtsprechung des EuGH zwar eingegrenzt aber nicht behoben werden, bekannt sind.68 Bei den Vorschriften zur Prozesskostenhilfe ist der Anwendungsbereich nicht eindeu- 49 tig und nicht alle Regelungen, die zusammen gehören und die auch für den Bürger von Bedeutung sind, sind an einer Stelle zusammengefasst. Um zwei Beispiele zu nennen: In Art 45 wird der Umfang der Prozesskostenhilfe autonom bestimmt. In Art 56 Abs 3 wird dieser für Beistand und Vertretung bei Inanspruchnahme der Zentralen Behörden eingeschränkt, ohne dass sich ein Hinweis hierfür in Art 45 findet. Art 46 regelt den Grundsatz der unentgeltlichen Prozesskostenhilfe bei Anträgen auf Unterhaltsleistungen für Kinder, die über die Zentralen Behörden gestellt werden. An ganz anderer Stelle der Verordnung (Art 67) ist vorgesehen, dass unter bestimmten Voraussetzungen von der unterlegenen Partei die Erstattung der Kosten verlangt werden kann. Vermisst wird, dass die Stellung der öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrich- 50 tungen in Bezug auf den Unterhaltsregress nicht komplex geregelt wird, vielmehr ist 67 68

Erwägungsgrund 11. Hierzu Europäische Kommission, Grünbuch Überprüfung der Verordnung (EG) Nr 44/2001 [...], 21.4. 2009, KOM (2009) 175, Punkt 6; Europäische Kommission, Bericht [...] über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr 44/2001 [...], 21.4.2009, KOM (2009) 174.

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Einl EG-UntVO, 51, 52 Art 1 EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

lediglich die entsprechende Regelung des Art 36 HUntVerfÜbk 2007 übernommen worden, sodass sich zB bei Kapitel II die Frage stellt, ob sie überhaupt erfasst werden und wenn ja, welche Zuständigkeiten sie in Anspruch nehmen können. 51 In Bezug auf die Zusammenarbeit der Zentralen Behörden wird eine Konzentration auf die Unterhaltspflichten gegenüber Kindern und jungen Erwachsenen sowie – möglicherweise – gegenüber unterstützungsbedürftigen Erwachsenen vermisst. Die EGUntVO lehnt sich in diesen Teilen an das HUntVerfÜbk 2007 an, das jedoch hier auf die Unterhaltspflichten aus einem Eltern-Kind-Verhältnisses gegenüber einer Person beschränkt ist, die noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat. Die Regelungen dort tragen dem besonderen Schutzanliegen gegenüber Kindern Rechnung, und es besteht keine Notwendigkeit, sie auf andere Unterhaltsbeziehungen, insbesondere was das Erkenntnisverfahren betrifft, auszudehnen. 52 Zum anderen stellt der breite sachliche Anwendungsbereich des Kapitels VII offensichtlich einen Hinderungsgrund dar, weitergehende erleichternde Regelungen für die Zusammenarbeit für die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsforderungen zu treffen. Besonders deutlich wird das bei Art 53 (Ersuchen um besondere Maßnahmen) und bei Art 61 (Zugang zu Informationen). Die Regelung in Kaptitel VII ist von starren Vorgaben für Antragstellung, Bearbeitung und Information gekennzeichnet. Dieses Kapitel macht immerhin über vier Seiten im Amtsblatt der EG aus, hinzu kommen noch 5 Formblätter. Die Gefahr besteht, dass durch den streng gesteckten Rahmen Flexibilität und Kreativität der Zusammenarbeit zumindest nicht gefördert werden.

Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen Artikel 1

Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung findet Anwendung auf Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts-, oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen. (2) In dieser Verordnung bezeichnet der Begriff „Mitgliedstaat“ alle Mitgliedstaaten, auf die diese Verordnung anwendbar ist. I. Erfasster Personenkreis 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eheliche Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwandtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schwägerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Familienbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1 3 6 8 9

II. Unterhaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

III. Rechtsgrund der Unterhaltspflicht . . . .

29

IV. Regressansprüche Privater . . . . . . . . . . . . .

33

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Art 1 EG-UntVO 1, 2

Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen V. Öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen . . . . . . . . .

38

VI. Zivilsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

I.

Erfasster Personenkreis

1.

Einführung

VII. Territorialer Anwendungsbereich . . . . .

48

Die erfassten persönlichen Beziehungen, die den Grund für die Unterhaltspflichten 1 bilden, müssen „auf einem Familien-, Verwandtschafts-, oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen“. Im EG-UntVO-E hieß es stattdessen „Familienverhältnis oder Beziehungen, die nach einschlägigem Recht eine ähnliche Wirkung entfalten“. Die nunmehrige begriffliche Umschreibung ist darauf zurückzuführen, dass der europäische Verordnungsgeber eine Anpassung an die Umschreibung des personellen Geltungsbereichs in Art 1 Abs 1 HUntStProt 20071 vornehmen wollte. Dieser ist weitgehend übereinstimmend mit Art 1 Abs 1 HUntStÜbk 19732 sowie Art 1 Abs 1 HUntAVÜbk 19733. Art 1 Abs 1 HUntStProt 2007 lautet diesbezüglich: „Unterhaltsverpflichtungen, die 2 sich aus einer Familienbeziehung, Verwandtschaft, Ehe oder Schwägerschaft ergeben, einschließlich der Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind ungeachtet des Familienstandes seiner Eltern“. Die Begriffsbestimmung findet sich in Art 2 Abs 3 und 4 HUntVerfÜbk 2007 wieder. Der letzte HS ersetzt den Zusatz in Bezug auf ein nichteheliches Kind im HUntStÜbk 1973 und HUntAVÜbk 1973 durch eine zeitgemäßere Umschreibung. Seine Aufnahme in die EG-UntVO war nicht erforderlich, da in allen Mitgliedstaaten die Unterhaltspflicht gegenüber Kindern – unabhängig vom Status ihrer Eltern – als selbstverständlich begriffen wird. 4 Die erläuternden Berichte zum HUntVerfÜbk 2007 und HUntStProt 2007 erörtern nicht explizit die Begriffe, der vorbereitende erläuternde Bericht von Bonomi zum HUntStProt 2007 verweist auf die Übereinstimmung mit dem HUntStÜbk 1973.5 Erwägungsgrund 8 EG-UntVO verdeutlicht das Bestreben, eine weitgehende Übereinstimmung mit dem HUntVerfÜbk 2007 und dem HUntStProt 2007 zu erreichen. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass für die Auslegung der Begriffe auch das HUntStÜbk 1973 und das HUntAVÜbk 1973 mit herangezogen werden können.

1 2

3

4 5

Abgedruckt und kommentiert als Anh zu Art 15. Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973, BGBl 1986 II 837. Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973, BGBl 1986 II 826. Erwägungsgrund 8 und 11 sowie vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 13. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 13.

Marianne Andrae

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Art 1 EG-UntVO 3, 4

2.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Eheliche Beziehungen

3 Unterhalt aus ehelichen Beziehungen umfasst die Unterhaltspflicht zwischen den Eheleuten bei bestehender Ehe und der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes sowie zwischen ehemaligen Eheleuten nach der Scheidung oder der Ungültigkeitserklärung einer Ehe.6 Wie für Art 1 Brüssel IIa-VO bezieht sich der Begriff Ehe auf verschiedengeschlechtliche Verbindungen. Homosexuelle Verbindungen, auch soweit sie als „Ehen“ geschlossen werden, fallen unmittelbar nicht hierunter.7 Erfasst werden solche Beziehungen zwischen einer Frau und einem Mann, die statusrechtlich als Ehen angesehen werden,8 nicht sonstige praktizierte Lebensformen, auch soweit diese rechtlich verfestigt sind, so zB die niederländische registrierte Partnerschaft von Personen verschiedenen Geschlechts. 9 Nichtehen oder ohne gerichtliche Entscheidung von Beginn an nichtige Ehe werden hingegen vom Begriff erfasst.10 Dies rechtfertigt sich vor allem daraus, dass bei Beziehungen mit internationalem Bezug die Frage, ob ein Ehemangel vorliegt und welche statusrechtlichen Folgen ein solcher hat, in den berührten Rechtsordnungen durchaus unterschiedlich gesehen wird (sog hinkende Ehe). Durch eine weite Auslegung des Begriffs eheliche Beziehungen wird vermieden, dass bereits bei der Frage, ob der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist, die Existenz der Ehe, ihre Mängel und ihre Rechtsfolgen für den ehelichen Status zu prüfen sind und hierfür vorweg das dafür maßgebliche Recht zu bestimmen ist. 4 Die Nichteinbeziehung von Ehen gleichgeschlechtlicher Partner, eingetragenen Lebenspartnerschaften und anderen rechtlich anerkannten homo- oder heterosexuellen Partnerschaften institutionellen Charakters in den Begriff Ehe schließt es nicht aus, sie in Bezug auf die Zuständigkeit und das Kollisionsrecht der Ehe gleichzustellen.11 Dies setzt jedoch voraus, dass sie unter den Begriff Familienbeziehungen subsumiert werden können.12

6

7 8

9

10 11 12

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Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, Scheidung und Ungültigkeitserklärung der Ehe sind wie für Art 1 Abs 1 lit a Brüssel IIa-VO auszulegen; hierzu Rauscher /Rauscher Art 1 Brüssel IIa-VO Rn 1 ff. Rauscher/Rauscher Art 1 Brüssel IIa-VO Rn 5 mit weiteren Literaturhinweisen. EuGH Rs 59/85 Niederlande/Reed EuGHE 1986 I 1296 Rn 16, noch mit Verweis darauf, dass keine generelle gesellschaftliche Entwicklung feststellbar sei, die eine Ausweitung rechtfertigen würde. Mit der Institutionalisierung verschiedengeschlechtlicher Partnerschaften in den Rechtsordnungen einiger Mitgliedstaaten hat nunmehr ein gesellschaftlicher Wandel eingesetzt, vgl Staudinger /Spellenberg (2005) IntVerfEhe Art 1 Brüssel IIa-VO Rn 12 ff, den aber der Verordnungsgeber in der Formulierung des „eherechtlichen Verhältnisses“ in den Anwendungsbereich nicht aufgenommen hat. Art 80c BW, hierzu näher Rauscher /Rauscher Art 1 Brüssel IIa-VO Rn 5 mit weiteren Literaturhinweisen. Bereits Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 155. Hierzu Art 4 Rn 40 und Art 5 HUntStProt 2007 Rn 7 ff. Hierzu Art 1 Rn 9 ff.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 EG-UntVO 5-7

Da die Vorfrage des ehelichen Status stets auf der Ebene des Kollisionsrechts und als 5 materielle Vorfrage für die Begründetheit eines Unterhaltsanspruchs auftritt, sollte er an jener Stelle vom Gericht des Mitgliedstaates geprüft werden, das für die Entscheidung angerufen wurde und hierfür nach Artt 3 ff zuständig ist. So wird verhindert, dass im Anwendungsbereich der Verordnung ein weiterer ungeschriebener Ablehnungsgrund der Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen entsteht. Nicht eingewandt werden kann daher, dass die Beziehung, aus der nach der Entscheidung im Erststaat eine Unterhaltspflicht resultiert, nach der Rechtsordnung des Vollstreckungsmitgliedstaates eine Nichtehe oder absolut nichtige Ehe ist. 3.

Verwandtschaft

Hierzu gehören insbesondere die Unterhaltspflichten zwischen Kindern und Eltern, 6 auch soweit der Kindesunterhalt durch einen eigenen Unterhaltsanspruch des Elternteils geltend zu machen ist, dem das Kind im Fall einer Trennung/Scheidung zugewiesen wurde.13 Die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber seinem Kind muss dabei auch den Unterhaltsanspruch der Mutter aus Anlass der Geburt sowie wegen Pflege und Erziehung des Kindes erfassen,14 soweit die Eltern nicht miteinander verheiratet sind.15 Als alternative Zuordnung käme sonst ein Familienverhältnis in Betracht. Hierdurch kann aber die Versorgung des Kindes, die vom Wohlergehen der Mutter abhängt, nicht ausnahmslos sichergestellt werden, da sich der Begriff Familienverhältnis nicht autonom auslegen lässt.16 Weiterhin zählen hierzu Unterhaltspflichten zwischen anderen Personen, die in gerader Linie verwandt sind, wie zwischen den Enkelkindern und den Großeltern sowie zwischen den in der Seitenlinie Verwandten, so zwischen Geschwistern.17 Verwandtschaft wird im weiten Sinne verstanden. Sie schließt die durch Adoption be- 7 gründeten, bestehen bleibenden oder erloschenen Unterhaltspflichten zu den Adoptiveltern und deren Verwandten sowie den natürlichen Verwandten ein. Dabei kommt es nicht darauf an, ob durch die Adoption im Rechtssinne Verwandtschaft begründet oder beendet wird. Vom Geltungsbereich erfasst sind also sowohl Unterhaltspflichten aufgrund von Voll- als auch schwacher Adoption.18 Erfasst wird auch die sog Zahlvaterschaft, mit der die Unterhaltspflicht eines natürlichen Vaters umschrieben wird, wobei rechtlich eine Verwandtschaft zwischen dem Vater und dem Kind nicht besteht, weil das Kind aus der Beziehung nicht verheirateter Personen hervorgegangen ist.19

13 14 15 16 17 18 19

Wie etwa im ital Recht, hierzu BGH IPRax 1987, 314, 315; Wuppermann FamRZ 1970, 177, 183. Im dt Recht § 1615l BGB. AA bzgl HUntStÜbk 1973 MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 43. Vgl nachstehende Ausführungen. Bereits Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 20. Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 19. Hierzu Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 19.

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Art 1 EG-UntVO 8-12

4.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Schwägerschaft

8 Die Schwägerschaft besteht zu den Verwandten des anderen Ehegatten. Sie besteht fort, wenn die Ehe durch die sie begründet wurde, aufgelöst ist. 20 Eine Schwägerschaft besteht deshalb auch zu den Kindern des anderen Ehegatten. Unterhaltsansprüche im Verhältnis zu den Stiefkindern fallen daher in den Anwendungsbereich der Verordnung. 5.

Familienbeziehungen

9 Ob und welche Beziehungen darüber hinaus erfasst werden, hängt von dem Verhältnis des Begriffs „Familienbeziehungen“ zu den weiteren Aufzählungen ab: die Erwägungsgründe treffen hierzu keine Aussagen. Dies erstaunt, weil der personelle Anwendungsbereich diesbezüglich im EG-UntVO-E noch anders formuliert war21 und hierbei weitgehend konform mit der Rom I und Rom II-VO ging. 22 In den Erwägungsgründen zu diesen beiden Verordnungen heißt es: Familienverhältnisse sollten die Verwandtschaft in gerader Linie, die Ehe, die Schwägerschaft und die Verwandtschaft in der Seitenlinie umfassen. 23 10 Wäre diese Deutung Art 1 Abs 1 EG-UntVO zugrunde zu legen, wäre der Begriff Familienverhältnis lediglich ein Oberbegriff und hätte keine selbständige Bedeutung. Andere Beziehungen, wenn sie erfasst werden sollten, hätten mit Beziehungen ähnlicher Wirkungen – wie etwa in der Rom I und Rom II-VO – bezeichnet werden müssen. Für diese Auslegung spricht, dass den für die Abgrenzung des Anwendungsbereiches der einzelnen Verordnungen verwendeten Begriffen derselbe Inhalt beigemessen werden sollte. Zudem entstammen sie derselben Zeitperiode. 11 Der Verordnungsgeber hat hier aber möglicherweise auf eine Übereinstimmung mit seiner eigenen Gesetzgebung verzichtet, um dem engen Bezug zum HUntVerfÜbk 2007 und HUntStProt 2007 gerecht zu werden. Dafür spricht, dass die EG-UntVO in Art 15 auf die Kollisionsnormen des HUntStProt 2007 verweist. Die EG-UntVO und das HUntStProt 2007 wären nur schwer miteinander in Einklang zu bringen, wenn die allgemeinen Bestimmungen zum Anwendungsbereich der Verordnung sich auf Familienbeziehungen und Beziehungen mit ähnlicher Wirkung beziehen, während der personelle Anwendungsbereich der inkorporierten Kollisionsnormen begrifflich anders umschrieben ist. 12 Für die Haager Übereinkommen von 1973 geht der Bericht von Verwilghen davon aus, dass mit dem Begriff „Familienbeziehungen“ kein über die konkret bezeichneten Beziehungen hinausgehender Anwendungsbereich eröffnet wird. 24 Auch aus den möglichen Vorbehalten gemäß Artt 13, 14 HUntStÜbk 1973 und Art 26 HUntAVÜbk 20 21 22 23

462

Siehe Definition § 1590 BGB. Hierzu Rn 1. Vgl Art 1 Abs 2 lit b Rom I-VO und Art 1 Abs 2 lit a Rom II-VO. Erwägungsgrund 8 Rom I-VO und Erwägungsgrund 10 Rom II-VO.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 EG-UntVO 13, 14

1973 lässt sich ableiten, dass diese Übereinkommen auf die aufgezählten einzelnen Beziehungen beschränkt sind und der Begriff „Familienbeziehungen“ darüber hinaus keine selbständige Bedeutung besitzt. Die Vorbehalte der Übereinkommen beziehen sich allein auf Ehegatten, Verwandte in der Seitenlinie und Verschwägerte. Jedoch spricht ganz wesentlich für ein darüber hinausgehendes Verständnis des Be- 13 griffs „Familienbeziehungen“ im HUntVerfÜbk 2007 und HUntStProt 2007, dass der Dynamik der Auslegung, welche Beziehungen zum Unterhalt verpflichtende Familienbeziehungen sein könnten, Rechnung getragen und nicht der Stand von 1970 konserviert werden sollte. 25 Die weite Auslegung wird im dem HUntVerfÜbk 2007 zugrunde liegenden Konzept des personellen Anwendungsbereichs erkennbar.26 Vorgesehen ist ein Kernbereich, welcher die Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber einem Kind unter 21 Jahren sowie den ehelichen Unterhalt betrifft. 27 Durch Vorbehalt kann der Anwendungsbereich einerseits auf Kinder bis zum Alter von 18 Jahren reduziert werden.28 Andererseits hat jeder Vertragsstaat die Möglichkeit, das Übereinkommen auf jede Unterhaltspflicht auszudehnen, die aus Familienbeziehungen, Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft, insbesondere auch Pflichten gegenüber schutzbedürftigen Personen, erwächst. Eine solche Erklärung schafft nur dann Verpflichtungen zwischen zwei Vertragsstaaten, wenn ihre Erklärungen dieselben Unterhaltsverpflichtungen und Teile der Konvention betreffen. 29 Diese Konstruktion ermöglicht jedem Vertragsstaat, unter den Begriff „Familienbeziehungen“ die persönlichen Verbindungen zu fassen, denen er familienrechtlichen Charakter beimisst und die er vom Übereinkommen erfasst wissen will. Der Begriff Familienbeziehungen ist damit offen für andere Beziehungen als Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft. Er wird jedoch nicht durch die Konvention selbst, sondern durch die Teilnehmerstaaten einzeln ausgefüllt. Auch die Strukturierung des HUntStProt 2007 lässt eine erweiterte und zugleich fle- 14 xible Interpretation des Begriffs Familienbeziehungen zu. Außerhalb des Kernanwendungsbereichs, Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft, wird es den unterschiedlichen Auffassungen in potentiellen Teilnehmerstaaten überlassen, welche Beziehungen Familienunterhalt begründen. Statt der Möglichkeit der Vorbehaltserklärung in Bezug auf bestimmte Familienbeziehungen, wie im HUntStÜbk 1973, sieht Art 6 HUntStProt 2007 eine kollisionsrechtliche Schutzbestimmung für den Unterhaltsschuldner aus Verpflichtungen vor, die sich weder gegenüber einem Kind aus den Eltern-Kind-Beziehungen noch aus der Ehe oder nachehelichen Beziehungen ergeben. 24

25

26 27 28 29

Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 18: „Unterhaltspflichten aus Beziehungen der Familie, dh die Unterhaltspflichten aus Blutsverwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft“. So für das HUntStÜbk 1973 Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 113; Erwägungsgründe zum HUntVerfÜbk 2007. Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 39. Art 2 Abs 1 HUntVerfÜbk 2007. Art 2 Abs 2 HUntVerfÜbk 2007. Ausdrücklich Art 2 Abs 3 S 2 HUntVerfÜbk 2007 sowie vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 12; Borrás-Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 51.

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Art 1 EG-UntVO 15-17

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Aus der breiten Fassung dieser Bestimmung wird im vorbereitenden erläuternden Bericht von Bonomi gefolgert, dass sie zB auch in den Beziehungen zwischen homo- und heterosexuellen Partnern zur Anwendung kommen kann.30 Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass Beziehungen dieser Art überhaupt im Anwendungsbereich als „Familienverhältnisse“ erfasst sind. 15 Im Ergebnis umfasst der Begriff „Familienverhältnisse“ Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft einerseits und sonstige Familienbeziehungen andererseits. Die Begriffe Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft sind autonom auszulegen und der Anwendungsbereich der EG-UntVO ist daher auch dann eröffnet, wenn das Recht des Mitgliedstaates, dessen Gericht für das Erkenntnisverfahren oder die Vollstreckung angerufen wird, der betreffenden Beziehung keine familienrechtlichen Wirkungen beimisst oder sie nicht kennt. 16 Dagegen lassen sich zumindest gegenwärtig die Beziehungen, die durch den Begriff „Familienbeziehungen“ darüber hinaus erfasst sind, nicht einheitlich autonom bestimmen. Es sind die Beziehungen, die in der Diktion der Rom I und II-VO eine den Familienverhältnissen vergleichbare Wirkung entfalten. Ob dies für die in Frage stehende Beziehung zutrifft, richtet sich zumindest gegenwärtig nach nationalem Recht. Jedoch ist hierfür nicht generell die lex causae des vermeintlichen Unterhaltsanspruchs heranzuziehen. Dieses Herangehen ist nicht sinnvoll, weil dadurch Teile der Begründetheitsprüfung bereits in die Prüfung des Anwendungsbereichs verlagert würden. Zudem sieht die kollisionsrechtliche Regelung nach dem HUntStProt 2007 für diese Familienbeziehungen Kombinationen von Verweisung auf verschiedene Rechtsordnungen vor. Zugrunde zu legen ist die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltende Methode der Qualifikation. 17 In Deutschland findet sowohl für die internationale Zuständigkeit als auch für das Kollisionsrecht die funktionelle Qualifikationsmethode Anwendung,31 die ihren Ausgangspunkt in der lex fori Qualifikation hat, sich aber darin nicht erschöpft. Unter den Begriff Familienbeziehungen fallen danach alle Beziehungen, die nach deutschem Sachrecht familienrechtlichen Charakter haben, also auch die eingetragene Lebenspartnerschaft. Zudem werden Beziehungen erfasst, die in der eigenen Rechtsordnung unbekannt oder als familienrechtliche Beziehungen (noch) nicht anerkannt sind, wenn sie durch besondere persönliche Beziehungen eigener Art gekennzeichnet sind. Hierunter können zB Unterhaltspflichten innerhalb einer gleichgeschlechtlichen Ehe, einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft32 oder die im englischen Recht bekannte Rechtsfigur des „child of the family“ subsumiert werden. 33 Diese Großzügigkeit 30 31

32

33

464

Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 61. Siehe nur BGH IPRspr 1966-67 Nr 19 S 64-67 (66); BGH IPRspr 1966-67 Nr 90 S 289-300 (298); vHoffmann/Thorn IPR9 (2007) § 6 Rn 27 ff; Kegel/Schurig IPR9 (2004) § 7 III 3 S 346; Kropholler IPR6 (2006) § 17 I S 126 ff. Zum HUntAVÜbk1973 Eschenbruch/Klinkhammer /Dörner Kap 7 Rn 57; Hausmann FS Henrich (2000) 241, 260; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I Art 18 EGBGB Rn 12. Hierzu mit Nachweisen Martiny Recueil des Cours 247 (1994 III) 135, 150.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 EG-UntVO 18-20

bei der Qualifikation, sei es für Art 1 EG-UntVO oder Art 1 HUntStProt 2007, für den sachlichen Anwendungsbereich der Zuständigkeits- und Kollisionsnormen trägt für den Unterhaltsberechtigten vielfach keine Früchte. Der geschuldete Erfolg scheitert nicht selten an der als Einrede ausgestalteten kumulativen Anknüpfung der Unterhaltspflichten nach Art 6 HUntStProt 2007. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die Diskussion um Artt 1, 5 und 6 auf der 21. Ta- 18 gung der Haager Konferenz, bei der es darum ging, ob eingetragene Lebenspartnerschaften und gleichgeschlechtliche Ehen zu den Familienbeziehungen iSd Art 1 gehören und ob sie der kollisionsrechtlichen Regelung für Ehen unterliegen. 34 Das Problem besteht darin, dass diese Beziehungen zunehmend in den nationalen Rechtsordnungen als Familienbeziehungen anerkannt werden, in anderen Staaten die Anerkennung aus ordre public Gründen aber abgelehnt wird.35 Das Protokoll bestimmt nicht ausdrücklich, ob solche Beziehungen in den sachlichen Anwendungsbereich eingeschlossen sind, um sie in Bezug auf diesen fundamentalen Gegensatz, der zwischen den Staaten besteht, nicht zu platzieren. 36 Jeder Vertragsstaat kann deshalb selbst bestimmen, ob er solche Beziehungen als Familienbeziehungen iSd Art 1 HUntStProt 2007 ansieht.37 Da im Rahmen des Art 1 EG-UntVO für die Mitgliedstaaten zu dieser Frage keine Re- 19 gelung herbeigeführt wurde, ist davon auszugehen, dass für ihn dasselbe gilt. Ein wichtiges Ziel der EG-UntVO, nämlich die Gleichbehandlung aller Unterhaltsberechtigten zu gewährleisten, wird insoweit für diese Beziehungen – und verallgemeinert für die Beziehungen, die unter den Begriff Familienbeziehungen fallen und nicht auf Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnissen oder auf Schwägerschaft beruhen – nicht erreicht. Das schließt nicht aus, dass in der weiteren Entwicklung schrittweise eine autonome Regelung der vom Begriff der Familienbeziehungen erfassten Beziehungen herausgebildet wird. Im Ergebnis qualifiziert das angerufene Gericht im Erkenntnisverfahren als Vorausset- 20 zung für die Anwendung der Zuständigkeitsregeln der EG-UntVO nach der Methode, die im autonomen IZPR und IPR Anwendung findet, ob eine Beziehung mit familienrechtlichem oder ähnlichem Charakter vorliegt. Ob dies vom Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaates noch einmal geprüft wird, hängt davon ab, ob das Vollstreckungsgericht an die diesbezügliche Feststellung des Erstgerichts gebunden ist. Verneint man dies,38 so ist im Anerkennungs- und Vollstreckungsmitgliedstaat erneut zu prüfen, ob die Entscheidung des Erstgerichts unter den Anwendungsbereich der Verordnung fällt. Da es für Familienbeziehungen außerhalb 34

35 36 37 38

Bonomi YB PIL 2008, 333, 339. Hierzu Art 1 HUntStProt 2007 Rn 7 und Art 5 HUntStProt 2007 Rn 7 ff. Boele-Woelki/Fuchs Legal Recognition of Same-Sex Couples in Europe. Bonomi YB PIL 2008, 333, 339. Bonomi YB PIL 2008, 333, 339. So für EuGVÜ /Brüssel I-VO Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 32 Brüssel I-VO Rn 9; Kropholler Art 32 Brüssel I-VO Rn 3; Rauscher/Leible Art 36 Brüssel I-VO Rn 2.

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Art 1 EG-UntVO 21, 22

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

von Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft keine autonome Auslegung gibt, ist dann nach dem Recht des Zweitstaates zu qualifizieren. Im Ergebnis kann dies in beiden Staaten unterschiedlich beurteilt werden mit entsprechenden Folgen für die Anwendung der EG-UntVO. Ist die EG-UntVO nicht anwendbar, ist die Brüssel I-VO berufen. 39 Das Problem ist von besonderer Bedeutung, als ein Mitgliedstaat, der durch das HUntStProt 2007 gebunden ist, die Anerkennung und damit die Vollstreckung nicht aus ordre public-Gründen ablehnen kann, während dies auf der Grundlage der Brüssel I-VO möglich ist. 40 21 In beiden Verordnungen sind erbrechtlich zu qualifizierende Zahlungsverpflichtungen ausgeschlossen. Für die Brüssel I-VO ergibt sich dies aus dem Ausschlussgrund in Art 1 Abs 2 lit a, für die EG-UntVO aus deren auf bestimmte familienrechtliche Unterhaltspflichten beschränkten Anwendungsbereich. Relevant wird die Abgrenzung zwischen erbrechtlichen und unterhaltsrechtlichen Begehren nicht schon bei einfachen Berührungen zum Erbrecht, welche die Frage nach dem (Fort-)Bestehen von Unterhaltsschulden im Zusammenhang mit einem Erbfall aufwerfen,41 sondern etwa im Fall des Dreißigsten nach § 1969 BGB. Die Zuordnung ist über eine Qualifikation des Anspruchs zu suchen, die das angerufene Gericht durchführen muss.42 Voraussetzung für die Anwendung der EG-UntVO ist vor allem, dass der Grund der Zahlungsverpflichtung in einem Familienverhältnis liegt. Daran fehlt es etwa beim Dreißigsten gemäß § 1969 BGB, der vielmehr als eine Art gesetzliches Vermächtnis nach deutschem Erbrecht besteht. 43 II.

Unterhaltspflichten

22 Der Begriff Unterhaltspflichten ist in der Verordnung und in den Erwägungsgründen nicht näher umschrieben. Auch die Haager Übereinkommen enthalten hierzu keine allgemeine Definition. Herangezogen werden können die Auslegungen für das EuGVÜ /die Brüssel I-VO. 44 Wie der Begriff Unterhalt45 ist der Begriff der Unterhaltspflichten autonom46 und weit auszulegen.47 39

40 41

42 43 44 45

46

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Die Brüssel I-VO erstreckt sich auf Unterhaltssachen allgemein, ohne auf Familienbeziehungen beschränkt zu sein, vgl Rauscher/Mankowski Art 1 Brüssel I-VO Rn 11, die nach Art 68 Abs 1 EG-UntVO nur insoweit verdrängt wird, wie die EG-UntVO Anwendung findet. Siehe Art 34 Nr 1 Brüssel I-VO. Ob Unterhaltsschulden des Erblassers bestehen bzw ob Unterhaltsschulden auf die Erben übergehen, betrifft das Entstehen und Erlöschen der Unterhaltsschuld selbst und hat daher keine erbrechtliche Prägung, MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 52, 53. Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 24. MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 54. Erwägungsgrund 44 EG-UntVO. EuGH Rs 120/79 De Cavel EuGHE 1980, 731 Rn 5, 9 = IPRax 1981, 19, 20; Kropholler Art 5 Brüssel I-VO Rn 56; Rauscher/Leible Art 5 Brüssel I-VO Rn 62; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 5 Brüssel I-VO Rn 164 jeweils mit weiteren Literaturangaben. Ausdrücklich für den Begriff Unterhaltspflicht Erwägungsgrund 11.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 EG-UntVO 23-25

Auf die Bezeichnung in den nationalen Rechtsordnungen kommt es nicht an, mehrere 23 Rechtsbegriffe aus ein und derselben Rechtsordnung können hierunter fallen. 48 Entscheidend ist die Funktion des Anspruchs, dem Begünstigen das Bestreiten seines Lebensunterhalts zu ermöglichen. Erfasst sind daher alle Ansprüche, die sich zumindest wesentlich an der Bedürftigkeit des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten orientieren. 49 Der Anspruch ist vielfach auf periodische Zahlung gerichtet, jedoch ist dies nicht Voraussetzung, weil es in erster Linie auf die Funktion des Anspruchs ankommt.50 Deshalb gehört auch der Anspruch auf Zahlung eines einmaligen Betrages – isoliert oder zusätzlich zu einer Geldrente – hierzu, wenn er der Deckung eines Sonderbedarfs dient.51 Als Beispiele für das deutsche Recht sind etwa der Anspruch eines unterhaltsberechtigten Ehegatten auf Prozesskostenvorschuss nach § 1360a Abs 4 BGB52 und der Anspruch auf Erstattung der ihm durch das begrenzte Realsplitting nach deutschem Steuerrecht entstandenen Nachteile zu nennen.53 Auch die prestation compensatoire (Ausgleichszahlung) nach Art 270 Cciv54 und eine lump sum nach englischem Recht55 sind als Unterhaltssachen iSd Verordnung einzuordnen. Schwierig ist die Abgrenzung zum Güterrecht, auf das sich der Anwendungsbereich 24 der EG-UntVO nicht erstreckt. Das Problem besteht darin, dass die Verpflichtung zu einer einmaligen Ausgleichsleistung bei Beendigung der Ehe doppelfunktional sein kann. Sie kann einerseits den unterschiedlichen Vermögenszuwachs der Ehegatten während der Ehe ausgleichen, gleichzeitig aber auch die wirtschaftliche Grundlage für die Versorgung des einen Ehegatten bilden. Die Abgrenzungen sind nach den Kriterien vorzunehmen, die für das EuGVÜ /die Brüssel I-VO herausgearbeitet wurden. Die Leistung ist als unterhaltsrechtlich einzuordnen, wenn sie dazu bestimmt ist, den 25 Unterhalt eines bedürftigen Ehegatten zu sichern oder wenn die Bedürfnisse und die Mittel beider Ehegatten bei ihrer Festsetzung Berücksichtigung finden. Ist die Leistung 47 48

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Siehe Art 1 HUntStProt 2007 Rn 10 ff. Schlosser-Bericht zum EuGVÜ Rn 91. Er weist auf die unterschiedlichen Bezeichnungen im ital (alimenti, assegni) und franz Recht (aliments, devoir de secours, devoir d'entretien, contributions aux charges du ménage) hin. EuGH Rs C-220/95 Van den Boogaard EuGHE 1997 I 1147, 1163 = IPRax 1999, 35, 37; EuGH Rs 120/ 79 De Cavel EuGHE 1980, 731 Rn 5 = IPRax 1981, 19, 20; Schlosser Art 5 Brüssel I-VO Rn 12; Rauscher /Leible Art 5 Brüssel I-VO Rn 62; Kropholler Art 5 Brüssel I-VO Rn 56 f. Schlosser-Bericht zum EuGVÜ Rn 93. BGH NJW-RR 2008, 156, 157; Kropholler Art 5 Brüssel I-VO Rn 57; Rauscher/Leible Art 5 Brüssel I-VO Rn 62; Schlosser-Bericht zum EuGVÜ Rn 93; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 5 Brüssel I-VO Rn 172. So die hM, ua MünchKommZPO /Gottwald Art 5 EuGVÜ Rn 26; Rauscher/Leible Art 5 Brüssel I-VO Rn 62; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 5 Brüssel I-VO Rn 93. BGH FamRZ 2008, 40 ff = NJW-RR 2008, 156 ff. EuGH Rs 120/79 De Cavel EuGHE 1980, 731 Rn 5, 9 = IPRax 1981, 19, 20. OLG Celle 17 WF 130/08.

Marianne Andrae

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Art 1 EG-UntVO 26, 27

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

dagegen nur auf die Aufteilung der Güter zwischen den Ehegatten gerichtet, so betrifft sie die ehelichen Güterstände.56 Bei der Zuordnung besteht keine Bindung an die Einordnung in dem nationalen Recht, dessen Gericht über den Anspruch entscheidet oder dessen Recht kraft kollisionsrechtlicher Verweisung Anwendung findet.57 Die Leistung eines Pauschalbetrags ist insbesondere dann Unterhalt, wenn er ein zuvor festgesetztes Einkommensniveau sichern soll.58 Das trifft selbst dann zu, wenn zu diesem Zwecke die Übertragung des Eigentums an bestimmen Gegenständen zwischen den früheren Ehegatten angeordnet wird, wenn es sich insoweit um die Bildung von Kapital handelt, durch das der Unterhalt einer der Parteien gesichert werden soll.59 26 Der EuGH vertritt die Auffassung, dass die Pauschalleistung nach dem EuGVÜ teilweise vollstreckt werden kann, wenn aus der betreffenden Entscheidung klar hervorgeht, welchem der beiden Zwecke die verschiedenen Teile der angeordneten Leistung jeweils zugeordnet sind.60 Dem kann für den Anwendungsbereich der Verordnung gefolgt werden, wenn die Voraussetzung einer eindeutigen Trennung in Bezug auf den Antrag (im Erkenntnisverfahren) bzw auf die Entscheidung (bei der Vollstreckung) erfüllt ist. 27 Typisches Beispiel ist die Regelung der vermögensrechtlichen Scheidungsfolgen im englischen Recht gemäß dem Matrimonial Causes Act 1973 (MCA 1973), der dem Gericht einen weiten Ermessensspielraum einräumt und Regelungsgegenstände betrifft, die nach deutschem Recht in Unterhalt, Güterrecht, Versorgungsausgleich sowie Hausrats- und Wohnungszuweisung zu unterscheiden wären.61 Wenn sich die Anträge bzw der Inhalt der Entscheidung danach aufteilen lassen, ob sie Anordnungen zur finanziellen Versorgung (Financial Provision Orders) einer Partei, einschließlich der Anordnung zur Sicherung wiederkehrender Leistung einerseits und zur Aufteilung der Vermögensgüter (Propper Adjustment Orders) andererseits zum Gegenstand haben, so unterliegen nur erstere der EG-UntVO.62 Ist aber die Leistung eines Pauschalbetrages doppelfunktional, ohne dass eine eindeutige Trennung zwischen dem unterhaltsrechtlichen und dem güterrechtlichen Teil möglich ist, so sollte die Zuordnung nach der hauptsächlichen Funktion der Leistung erfolgen.

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EuGH Rs C-220/95 Van den Boogaard EuGHE 1997 I 1147, 1163 = IPRax 1999, 35, 37, Rn 22; Schlosser-Bericht zum EuGVÜ Rn 97; siehe auch den jüngsten Beschluss des BGH Az XII ZB 12/05 vom 12.8.2009 (juris) und des OLG Celle FamRZ 2009, 359. Zum weiteren Begriff der ausgeschlossenen güterrechtlichen Streitigkeiten siehe Rauscher/Leible Art 1 Brüssel I-VO Rn 11 mit Rechtsprechungs- und Literaturhinweisen. EuGH Rs 143/78 De Cavel EuGHE 1979 1055, 1066 Rn 7 = NJW 1979, 1100. EuGH Rs C-220/95 Van den Boogaard EuGHE 1997 I 1147, 1163 = IPRax 1999, 35, 37 Rn 23. EuGH Rs C-220/95 Van den Boogaard EuGHE 1997 I 1147, 1163 = IPRax 1999, 35, 37 Rn 25. EuGH Rs C-220/95 Van den Boogaard EuGHE 1997 I 1147, 1163 = IPRax 1999, 35, 37 Rn 22. Vgl hierzu Weller IPRax 1999, 1517; Süß/Ring /Odersky England und Wales Rn 41 ff. Für Art 1 Brüssel I-VO vgl BGH Az XII ZB 12/05 vom 12.8.2009 (juris) und OLG Celle FamRZ 2009, 359.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 EG-UntVO 28-31

Überwiegt die unterhaltsrechtliche Funktion, dann sollte die EG-UntVO für die gesamte Leistung Anwendung finden. Dies rechtfertigt sich daraus, dass der Begriff Unterhaltspflichten im Anwendungsbereich weit auszulegen ist und für die güterrechtlichen Ausgleichspflichten keine der EG-UntVO entsprechende europäische Regelung vorhanden oder unmittelbar in Aussicht steht. Erfasst wird auch die Verpflichtung, Unterhaltsrückstände, einschließlich Zinsen,63 28 zu begleichen. Die EG-UntVO sollte auch auf Rückzahlung von geleistetem Unterhalt, der nicht geschuldet war, Anwendung finden. Das rechtfertigt sich deshalb, weil es im Kern um das Bestehen oder Nichtbestehen der Unterhaltspflicht und ihrer Höhe geht. III. Rechtsgrund der Unterhaltspflicht

Die Unterhaltsverpflichtung muss ihren Grund in der Familienbeziehung der Parteien 29 haben. Die EG-UntVO findet daher keine Anwendung, wenn der Rechtsgrund deliktischer Natur ist oder wenn sich ein Dritter, der außerhalb der erfassten Familienbeziehungen steht, vertraglich zu Unterhaltsleistungen verpflichtet hat. Der Anwendung der EG-UntVO steht nicht entgegen, dass ein Unterhaltsanspruch 30 durch Vertrag näher konkretisiert wurde, der dem Grunde nach durch einen familienrechtlichen Status schon gesetzlich begründet war. Dies ist bereits für (familienrechtliche) Unterhaltsstreitigkeiten im Anwendungsbereich von Art 5 Nr 2 Brüssel I-VO anerkannt.64 Es ist davon auszugehen, dass die EG-UntVO insoweit nicht hinter dieser Interpretation zurückbleibt, da ihr Schutzzweck jedenfalls mit Art 5 Nr 2 Brüssel I-VO übereinstimmt. Darüber hinaus sollte sie sich jedoch weitergehend auf alle Unterhaltsansprüche aus 31 Verträgen erstrecken, soweit sie ihren Grund in dem familienrechtlichen Band bzw seiner Auflösung (zB Scheidungsvereinbarung) haben und den vereinbarten Zahlungen Unterhaltsfunktion zukommen soll, ohne Rücksicht darauf, ob eine gesetzliche Unterhaltspflicht tatsächlich besteht.65 Andernfalls würde die Eröffnung des Anwendungsbereichs dadurch überfrachtet, dass bereits eine gesetzliche Unterhaltspflicht gemäß kollisionsrechtlicher Verweisung geprüft werden müsste. Eine weite Auslegung ist möglich, da Art 1 EG-UntVO keine ausdrückliche Beschränkung auf Unterhaltspflichten kraft Gesetzes vorsieht. Für dieses Vorgehen spricht auch, dass nach der Begriffsbestimmung des Art 2 Abs 1 Nr 11 EG-UntVO eine „verpflichtete Person“ nicht nur die ist, die den Unterhalt leisten muss, sondern auch angeblich leisten muss. Für den Anwendungsbereich genügt daher die schlüssige Darlegung. Die Prüfung erfolgt erst bei der Begründetheit (doppelt relevante Tatsache).

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Art 19 Abs 1 HUntVerfÜbk 2007, Art 11 lit c HUntStProt 2007. Schlosser-Bericht zum EuGVÜ Rn 92; Kropholler Art 5 Brüssel I-VO Rn 56; Martiny IPRax 2004, 195, 203; Rauscher/Leible Art 5 Brüssel I-VO Rn 63. Bonomi YB PIL 2008, 333, 340. Vgl hierzu auch die Kommentierung zu Art 1 HUntStProt 2007.

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Art 1 EG-UntVO 32-35

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

32 Der nacheheliche Unterhalt fällt unstreitig unter die EG-UntVO. Jedoch kann er nach dem Unterhaltsstatut hinsichtlich der Begründetheit oder der Höhe davon abhängen, welcher Ehegatte die Gründe für die Scheidung gesetzt hat. Der Anspruch weist deshalb möglicherweise kompensatorische Züge für erlittene Schäden – auch immaterieller Art – bzw seine Ablehnung pönale Züge auf. Dies hindert die Anwendung der Verordnung aber nicht, weil dem Anspruch selbst Unterhaltsfunktion zukommt.66 IV.

Regressansprüche Privater

33 Für das EuGVÜ /die Brüssel I-VO wurde die Frage der Regressansprüche Dritter für geleisteten Unterhalt im Zusammenhang mit der dortigen Zuständigkeitsregelung in Art 5 Nr 2 diskutiert und ihre Einbeziehung allgemein in den Geltungsbereich nach Art 1 EuGVÜ /Brüssel I-VO nicht in Zweifel gezogen. Nach herrschender Auffassung steht Art 5 Nr 2 Brüssel I-VO für Regressklagen nicht zur Verfügung, weil sie vom Schutzzweck der Norm nicht erfasst sind.67 34 Man könnte diesen Gedanken auf die EG-UntVO übertragen und Regressansprüche ausschließen. Dafür spricht, dass die Verordnung darauf zielt, einem Unterhaltsberechtigten ohne Umstände zu ermöglichen, in einem Mitgliedstaat eine Entscheidung zu erwirken, die automatisch in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar ist.68 Darin kommt ebenso wie in Art 5 Nr 2 Brüssel I-VO ein besonderes Schutzanliegen gegenüber dem unmittelbaren Unterhaltsberechtigten zum Ausdruck, das gegen die Einbeziehung von Regressklagen Dritter sprechen könnte. 35 Für die Einbeziehung von Regressansprüchen Dritter kann jedoch angeführt werden, dass Gegenstand des Verfahrens das Bestehen und die Erfüllung der Unterhaltspflicht des Unterhaltsschuldners, die Streitigkeit also eine Unterhaltssache ist.69 Zudem regelt die EG-UntVO in Kapitel VIII, Art 64 Einrichtungen, welche öffentliche Aufgaben wahrnehmen, und geht auf sie im Erwägungsgrund 14 gesondert ein.70 Für die Einbeziehung von Regressansprüchen Privater lässt sich aufgrund dessen argumentieren, dass auch ein privater Dritter schutzwürdig ist, wenn er aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen anstelle des säumigen primären Unterhaltsschuldners den Unterhalt geleistet hat. Ihm sollten deshalb die gleichen Vorteile wie den öffentlichen Einrichtungen gewährt werden, was bedeutet, dass sich die EG-UntVO im gleichen Umfang auf sie erstrecken sollte.

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Bereits für Art 5 Nr 2 EuGVÜ Schlosser-Bericht zum EuGVÜ Rn 94, 95; für die Brüssel I-VO Geimer/ Schütze/Geimer EuZVR Art 5 Brüssel I-VO Rn 171. Kropholler Art 5 Brüssel I-VO Rn 65. Erwägungsgrund 9. Für die Brüssel I-VO bereits Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 5 Brüssel I-VO Rn 162; Martiny IPRax 2004, 195, 203; MünchKommZPO /Gottwald Art 5 Brüssel I-VO Rn 50. Für das HUntStÜbk 1973 MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 188. Hierzu Rn 38 ff.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 EG-UntVO 36-38

36 Erforderlich ist: a) Der Regessgläubiger muss selbst zu dem Unterhaltsberechtigten in einer von Art 1 EG-UntVO erfassten Familienbeziehung stehen. b) Er hat Unterhalt an den Unterhaltsberechtigten geleistet. c) Seine Leistung beruht auf einer gesetzlichen Verpflichtung. d) Die Leistung muss anstelle der Erfüllung des gesetzlich vorrangig oder gleichrangig verpflichteten Unterhaltsschuldners erbracht worden sein. e) Dem Regress muss eine Legalzession oder ein Anspruch auf Abtretung des Unterhaltsanspruchs nach dem dafür maßgeblichen Recht zugrunde liegen. Einbezogen werden sollten auch die Regressansprüche des Scheinvaters gegenüber 37 dem Vater, wenn ersterer wegen der vermeintlichen Elternschaft Unterhalt an das Kind geleistet hat.71 Nicht erfasst sind eigene Ansprüche privater Dritter, wenn sie an den Unterhaltsberechtigten Unterhalt geleistet haben (zB Schadensersatz, Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder Gesamtschuldnerausgleich).72 In diesen Fällen ist Rechtsgrund für die Verpflichtung des Unterhaltsschuldners nicht mehr seine Unterhaltsverpflichtung, vielmehr ist sie nur noch Vorfrage in Bezug auf den eigentlichen Streitgegenstand. V.

Öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen

Zu den Unterhaltssachen iSd Art 1 gehören Verfahren, an denen öffentliche Auf- 38 gaben wahrnehmende Einrichtungen (iF öAwE)73 beteiligt sind, in denen sie für eine unterhaltsberechtigte Person handeln oder in denen es um Regress für Leistungen geht, die anstelle von Unterhalt erbracht wurden.74 Für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen ergibt sich dies unmittelbar aus Art 64. Weiterhin sieht Erwägungsgrund 14 zusätzlich vor, dass öAwE, die in dieser Eigenschaft tätig werden, den Anspruch auf die gleichen Dienste und die gleiche Prozesskostenhilfe wie berechtigte Personen haben. Daraus folgt, dass neben dem Kapitel IV (Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen) Kapitel V (Zugang zum Recht), Kapitel VI (Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden) und Kapitel VII (Zusammenarbeit der Zentralen Behörden) in diesem Zusammenhang Anwendung finden. Die öAwE werden in Bezug auf die in diesen Kapiteln geregelten Gegenstände als unterhaltsberechtigte Personen behandelt. Sie werden weiterhin vom HUntStProt 2007 erfasst,75 was in diesem Zusammenhang von Interesse ist, weil Art 15 für das Kollisionsrecht auf das HUntStProt 2007 verweist. 71

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Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 5 Brüssel I-VO Rn 162; Martiny IPRax 2004, 195, 203; MünchKommZPO /Gottwald Art 5 Brüssel I-VO Rn 50. Rauscher/Leible Art 5 Brüssel I-VO Rn 63; aA Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 5 Brüssel I-VO Rn 173. Zum Begriff siehe Art 64. Zur Auslegung siehe Art 64. Art 10 HUntStProt 2007.

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Art 1 EG-UntVO 39- 41

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

39 Auch das verbleibende Kapitel II (Zuständigkeiten) findet Anwendung, soweit die öAwE für den Unterhaltsberechtigten handelt, sei es als Vertreter oder in Prozessstandschaft. Denn in diesen Fällen ist materiell-rechtlich Berechtigter die natürliche Person, welcher der Unterhalt geschuldet wird. Darüber hinaus ist jedoch auch von der Erstreckung des Kapitels II auf öAwE auszugehen, wenn sie als Prozesspartei wegen eines eigenen, auf sie übergegangenen oder kraft Gesetzes bestehenden Anspruchs im Erkenntnisverfahren als Kläger oder Beklagte einen Prozess führt. Von der rechtstechnischen Lösung des Verhältnisses öAwE / Unterhaltsgläubiger kann die maßgebliche Zuständigkeitsordnung nicht abhängen, wenn es dem Grunde nach stets um die Beitreibung von Unterhaltszahlungen geht, die der Unterhaltsverpflichtete originär dem Unterhaltsberechtigten (natürliche Person) schuldet und die durch die öAwE geleistet werden. 40 Hierfür spricht auch, dass die öAwE bezüglich der Unterhaltsklagen vom EuGVÜ /von der Brüssel I-VO, einschließlich der Zuständigkeitsordnung, erfasst sind, soweit es sich um eine Zivilsache handelt.76 Der Ausschluss betrifft dort nur die besondere Zuständigkeit für Unterhaltsklagen,77 nicht jedoch die allgemeine Zuständigkeit und zB die aufgrund rügelosen Einlassens. Es wäre merkwürdig, wenn die Anerkennung und Vollstreckung eines Titels zugunsten der öAwE nach Kapitel IV der Verordnung erfolgt, sich jedoch die Zuständigkeit aus der Brüssel I-VO ergeben sollte. 41 Die Nichteröffnung der Zuständigkeit nach Art 5 Nr 2 EuGVÜ bzw Brüssel I-VO für Regressklagen öffentlicher Einrichtungen ist damit begründet worden, dass dieser Gerichtsstand wegen seines Ausnahmecharakters nur dem Unterhaltsberechtigten, der in einem solchen Verfahren als die schwächere Partei angesehen wird, eine alternative Zuständigkeitsgrundlage bieten soll. Öffentliche Einrichtungen wären von seinem Schutzbereich nicht erfasst. Nicht in Zweifel steht und besonders erörtert worden ist jedoch, ob der Unterhaltsregress öffentlicher Einrichtungen selbst unter den Begriff Unterhaltssache zu subsumieren ist.78 Wenn es sich aber um Unterhaltssachen handelt, – dafür spricht ihre Aufnahme im Übrigen in die Unterhaltsverordnung und in die Haager Übereinkommen –, dann ist auch die Zuständigkeitsordnung der EG-UntVO und nicht mehr die der Brüssel I-VO anzuwenden.

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EuGH Rs C-271/00 Steinbergen/Baten EuGHE 2002 I 10489 Rn 37 = IPRax 2004, 237, 238; EuGH Rs C-433/01 Freistaat Bayern/Jan Blijdenstein EuGHE 2004 I 981 Rn 20 = IPRax 2004, 240, 242; Rauscher /Mankowski Art 1 Brüssel I-VO Rn 4h mit weiteren Literaturnachweisen. Bereits Schlosser-Bericht zum EuGVÜ Rn 97; EuGH Rs C-433/01 Freitstaat Bayern/Jan Blijdenstein EuGHE 2004 I 981 Rn 34 = IPRax 2004, 240, 243; Kropholler Art 5 Brüssel I-VO Rn 65; Rauscher/Leible Art 5 Brüssel I-VO Rn 67 f jeweils mit weiteren Literaturnachweisen. Für das LugÜbk 1988 OLG Dresden NJW 2007, 446 f. So auch ausdrücklich der EuGH Rs C-271/00 Steinbergen/Baten EuGHE 2002 I 10489 Rn 37 = IPRax 2004, 237, 239: „... dass der Begriff Zivilsache eine Rückgriffsklage umfasst, ... soweit für die Grundlage dieser Klage und die Modalitäten ihrer Erhebung die allgemeinen Vorschriften über Unterhaltsverpflichtungen gelten“; dem folgend Rauscher/Mankowski Art 1 Brüssel I-VO Rn 4e.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 EG-UntVO 42- 45

Art 64 übernimmt weitgehend die Regelung des Art 36 HUntVerfÜbk 2007. Für Letz- 42 teren war man nicht veranlasst, auf die direkte internationale Zuständigkeit einzugehen, da sie im Übereinkommen nicht geregelt ist. Zu erwähnen ist jedoch, dass das HUntVerfÜbk 2007 die Zuständigkeit als Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckung (sog Anerkennungszuständigkeit) regelt. Hiervon werden auch Entscheidungen zugunsten der Regressforderungen öAwE erfasst. Erwägungsgrund 14 der EG-UntVO ist nicht in dem Sinne zu interpretieren, dass öA- 43 wE von den Zuständigkeitsbestimmungen des Kapitels II als Verfahrenspartei ausgeschlossen sind. Er besagt nur, dass sie für dieses Kapitel nicht als berechtigte Person gelten, was sich bereits aus Art 2 Abs 1 Nr 10 ergibt. Zusammengefasst ist deshalb die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass sich Kapitel II – und damit die EG-UntVO insgesamt – auf den Unterhaltsregress öAwE bezieht. VI. Zivilsache

Art 1 sieht anders als Art 1 Brüssel I-VO den Begriff Zivilsachen zur Eingrenzung der 44 erfassten Streitsachen nicht vor, auch werden verwaltungsrechtliche Angelegenheiten und die soziale Sicherheit nicht durch ausdrückliche Regelung ausgeschlossen. Jedoch ist im Vorspann zur Verordnung als Rechtsgrundlage Art 61c EGV – Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nach Art 65 – genannt. Auch die Erwägungsgründe nehmen auf Art 65 EGV Bezug und charakterisieren die Verordnung als eine solche Maßnahme für Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug. Weiterhin wird auf ihre Verankerung in den Maßnahmeplänen des europäischen Rates zur Ausgestaltung des Art 65 EGV hingewiesen. Aus allem folgt, dass auch die EG-UntVO als Anwendungsvoraussetzung eine „Zivilsache“ erfordert. Auch hier ist der Begriff autonom auszulegen, es kommt deshalb auf Abgrenzungskriterien nach nationalem Recht nicht an. Jedoch muss die Abgrenzung, wie sie der EuGH für das EuGVÜ vorgenommen hat, 45 nicht unbedingt für die EG-UntVO zugrunde gelegt werden. Der EuGH hat dem Begriff Zivilsache für die Brüssel IIa-VO in Bezug auf die elterliche Verantwortung gegenüber dem EuGVÜ /der Brüssel I-VO eine eigenständige Bedeutung beigemessen. Er hat hier den Begriff aus dem Sinn und Zweck der Brüssel IIa-VO in Bezug auf diese Verfahren und dem engen Zusammenhang zum KSÜ abgeleitet.79 Ähnlich ist auch für die EG-UntVO heranzugehen. Bedeutung hat die Abgrenzung in Bezug auf die Verfahrensbeteiligung öAwE. Nach der Auffassung des EuGH hindert deren Verfahrensbeteiligung unter der Geltung des EuGVÜ /der Brüssel I-VO nicht das Vorliegen einer Zivilsache, womit der Anwendungsbereich des Rechtsaktes eröffnet ist, soweit Grundlage der Rückgriffsklage und die Modalitäten ihrer Erhebung die allgemeinen Vorschriften über Unterhaltsverpflichtungen bilden. Insoweit ließe sich die Rechtsstellung der öAwE mit der einer privaten Person vergleichen, die in die Rechtsstellung 79

EuGH Rs 435/06 IPRax 2008, 509, 512 Rn 53; Gruber IPRax 2008, 490, 493; Dutta FamRZ 2008, 835, 839.

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Art 1 EG-UntVO 46- 48

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

des Gläubigers eingetreten ist, nachdem sie die Unterhaltsschuld eines anderen getilgt hat.80 Eine Zivilsache wird vom EuGH jedoch verneint, soweit die Rückgriffsklage auf Bestimmungen gestützt wird, mit denen der Gesetzgeber der öffentlichen Stelle eine eigene besondere Befugnis verliehen hat.81 46 Für die Abgrenzung in der EG-UntVO kann nunmehr auf Art 64 Abs 1 zurückgegriffen werden, der Art 36 HUntVerfÜbk 2007 weitgehend entspricht. Eine Zivilsache liegt dann vor, wenn die dort genannten Kriterien erfüllt sind, unabhängig davon, ob die Rechtsgrundlage für den Anspruch aus dem allgemeinen Zivilrecht oder speziell für die öffentlichen Stellen geschaffenen Regelungen resultieren. Eine Zivilsache erfordert, dass die öAwE a) für die unterhaltsberechtigte Person handelt oder b) die Erstattung einer Leistung vom Unterhaltsverpflichteten fordert, die sie statt seiner an den Unterhaltsberechtigten erbracht hat. 47 Der Vorteil dieser Abgrenzung besteht darin, dass der Anwendungsbereich der Haager Übereinkommen und der EG-UntVO diesbezüglich einheitlich bestimmt wird, was dem Anliegen des Verordnungsgebers gemäß Erwägungsgrund 8 entspricht. Die Abgrenzung ist klarer als die des EuGH. Kriterium für die Abgrenzung ist, ob es um die Geltendmachung und/oder Durchsetzung der Unterhaltspflicht gegenüber dem Unterhaltsschuldner geht, dem diese gegenüber dem Unterhaltsberechtigten obliegt. Damit wird den unterschiedlichen Systemen der Staaten, um säumigen Unterhaltsschuldnern beizukommen, Rechnung getragen. Es werden auch die Systeme erfasst, die generell direkt an den Unterhaltsberechtigten leisten und die daraufhin den Unterhaltsverpflichteten in Anspruch nehmen.82 VII. Territorialer Anwendungsbereich

48 Irland hat eine solche Erklärung für die EG-UntVO bereits zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung abgegeben. 83 Das Vereinigte Königreich unterbreitete bereits im Januar 2009 der Kommission und dem Rat den Wunsch, die Verordnung anzuwenden. Daraufhin erfolgte die Entscheidung der Kommission vom 8.6.2009, dass die EG-UntVO ab dem 1.07.2009 für das Vereinigte Königreich in Kraft tritt. Im Übrigen gelten im Verhältnis zum Vereinigten Königreich für das zeitliche Inkrafttreten Art. 76 S 2 bis 4.84 Auf Grund dessen ist das Vereinigte Königreich Mitgliedstaat iSd Abs 2.

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EuGH Rs C-433/01 Freistaat Bayern/Jan Blijdenstein EuGHE 2004 I 981 Rn 20 = IPRax 2004, 240, 242; Kropholler Art 1 Brüssel I-VO Rn 6; Martiny IPRax 2004, 195, 201; Rauscher /Mankowski Art 1 Brüssel I-VO Rn 3a, 4h. EuGH Rs C-271/00 Steinbergen/Baten EuGHE 2002 I 10489 Rn 38 ff = IPRax 2004, 237, 239. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 77 mit Verweis auf die Erwägungen zum HUntStÜbk 1973, hierzu Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 166, 92. Erwägungsgrund 46. Vgl Art 76 Rn 1.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 1 EG-UntVO 49, 50

Aus der Verlautbarung der Entscheidung der Kommission vom 8.6.2009 ergibt sich 49 nicht die Beteiligung des Vereinigten Königreichs am HUntStProt 2007. Den bisherigen Verlautbarungen ist zu entnehmen, dass sich das Vereinigte Königreich nicht am HUntStProt 2007 beteiligen wird.85 Auch Dänemark ist im Sinne von Abs 2 Mitgliedstaat. Das gilt jedoch nicht für Ka- 50 pitel III und VII. Für Dänemark trifft die Möglichkeit der „opt-in“ Beteiligung nach Art 3 Protokoll Nr 4 Amsterdamer Vertrag (Art 3 Protokoll Nr 4 zum Vertrag von Lissabon) hinsichtlich der auf Art 61 EGV (Art 70 AEUV) gestützten Sekundärrechtsakte nicht zu. Rechtsgrundlage für die Beteiligung Dänemarks ist das Abkommen vom 10.10.2005 zwischen der EG und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen. 86 Durch das Abkommen werden die Brüssel I VO und ihre Durchführungsbestimmungen auf das Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und Dänemark erstreckt. Weiterhin ist die Kompetenz des EuGH für die Auslegung des Abkommens geregelt. Gemäß Art 3 Abs 2 dieses Abkommens teilt Dänemark bei jeder Annahme von Änderungen der Brüssel I-VO der Kommission mit, ob es die Änderung umsetzen wird. Hiervon ausgehend hat Dänemark der Kommission mit Schreiben vom 14.1.2009 mitgeteilt, dass „es die mit der Verordnung (EG) Nr 4/2009 vorgenommenen Änderungen der Verordnung (EG) Nr 44/2001 umsetzen wird“. Ausgangspunkt hierfür bildet Art 68 EG-UntVO, wonach die Brüssel I-VO – vorbehaltlich der Übergangsbestimmungen des Art 75 Abs 2 – dahingehend geändert wird, dass deren für Unterhaltssachen geltenden Bestimmungen ersetzt werden. Zwar wird die Brüssel I-VO dahingehend geändert, als sie den Familienunterhalt nicht mehr erfasst. Jedoch ist die EG-UntVO nicht Teil der Brüssel I-VO, sondern stellt eine eigenständige komplexe Regelung der grenzüberschreitenden Fragen des Familienunterhalts dar. Die gefundene rechtstechnische Lösung, die den Abschluss eines weiteren Abkommens zwischen der EG und Dänemark erspart, kann nur dann als vom Abkommen vom 10.10.2005 gedeckt angesehen werden, wenn Art 3 Abs 2 des Abkommens weit ausgelegt wird. Als Änderung der Brüssel I-VO sind danach nicht nur Änderungen im Text dieser Verordnung selbst anzusehen, sondern auch die Herausnahme von der in der Brüssel I-VO geregelten Bereiche in selbständige Rechtsinstrumente. Dänemark beteiligt sich gemäß der Mitteilung vom 14.1.2009 nicht an Kapitel III (Anwendbares Recht) und Kapitel VII (Zusammenarbeit der Zentralen Behörden). Dies wird dadurch noch einmal bekräftigt, als Art 2 und Kapitel IX (Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen) im Verhältnis Dänemark zu den anderen EGMitgliedstaaten nur anwendbar sind, als sie die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen und den Zugang zum Recht betreffen.

85

86

Vgl Protokoll zur Ratssitzung vom 7.2.08, 593/08 JUSTCIV20, S 3 f; Beschluss des Rates zum HUntStProf 2007, ABl EU 2009 L 331/17, Art 3. ABl EU 2005 L 299/62; in Kraft seit dem 1.7.2007, ABl EU 2007 L 94/70.

Marianne Andrae

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Art 2 EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Die Mitteilung bezieht sich nicht ausdrücklich auf die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von öffentlichen Urkunden und Vergleichen (Kapitel VI). Da diese Gegenstand der Brüssel I-VO sind, ist davon auszugehen, dass sie von der dänischen Erklärung über Anwendung der EG-UntVO mit erfasst werden. Das ist auch für Kapitel VIII (öffentliche Aufgaben, wahrnehmende Einrichtungen) anzunehmen. Zum einen wäre sonst – so wie für Kapitel III und VII – der Ausschluss ausdrücklich bestimmt worden. Zum anderen war der Regress öffentlicher Aufgaben wahrnehmender Einrichtungen in Unterhaltssachen – soweit sie als Zivilsachen zu qualifizieren sind – vom Anwendungsbereich der Brüssel I-VO erfasst. 87 Die für die innerstaatliche Rechtsanwendung erforderliche Verwaltungsmaßnahme ist im Königreich Dänemark bereits am 30.1.2009 in Kraft getreten. 88

Artikel 2

Begriffsbestimmungen (1) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Begriff 1. „Entscheidung“ eine von einem Gericht eines Mitgliedstaats in Unterhaltssachen erlassene Entscheidung ungeachtet ihrer Bezeichnung wie Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten. Für die Zwecke der Kapitel VII und VIII bezeichnet der Begriff „Entscheidung“ auch eine in einem Drittstaat erlassene Entscheidung in Unterhaltssachen; 2. „gerichtlicher Vergleich“ einen von einem Gericht gebilligten oder vor einem Gericht im Laufe eines Verfahrens geschlossenen Vergleich in Unterhaltssachen; 3. „öffentliche Urkunde“ a) ein Schriftstück in Unterhaltssachen, das als öffentliche Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat förmlich errichtet oder eingetragen worden ist und dessen Beweiskraft i) sich auf die Unterschrift und den Inhalt der öffentlichen Urkunde bezieht und ii) durch eine Behörde oder eine andere hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist; oder b) eine mit einer Verwaltungsbehörde des Ursprungsmitgliedstaats geschlossene oder von ihr beglaubigte Unterhaltsvereinbarung; 4. „Ursprungsmitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung ergangen, der gerichtliche Vergleich gebilligt oder geschlossen oder die öffentliche Urkunde ausgestellt worden ist; 5. „Vollstreckungsmitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung der Entscheidung, des gerichtlichen Vergleichs oder der öffentlichen Urkunde betrieben wird; 6. „ersuchender Mitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, dessen Zentrale Behörde einen Antrag nach Kapitel VII übermittelt;

87 88

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Siehe hierzu auch Art 64 Rn 12. Mitteilung der Kommission, ABl EU L 149/80.

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Art 2 EG-UntVO 1

Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

7. „ersuchter Mitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, dessen Zentrale Behörde einen Antrag nach Kapitel VII erhält; 8. „Vertragsstaat des Haager Übereinkommens von 2007“ einen Vertragsstaat des Haager Übereinkommens vom 23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen (nachstehend „Haager Übereinkommen von 2007“ genannt), soweit dieses Übereinkommen zwischen der Gemeinschaft und dem betreffenden Staat anwendbar ist; 9. „Ursprungsgericht“ das Gericht, das die zu vollstreckende Entscheidung erlassen hat; 10. „berechtigte Person“ jede natürliche Person, der Unterhalt zusteht oder angeblich zusteht; 11. „verpflichtete Person“ jede natürliche Person, die Unterhalt leisten muss oder angeblich leisten muss. (2) Im Sinne dieser Verordnung schließt der Begriff „Gericht“ auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten mit Zuständigkeit in Unterhaltssachen ein, sofern diese Behörden ihre Unparteilichkeit und das Recht der Parteien auf rechtliches Gehör garantieren und ihre Entscheidungen nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Sitz hat, i) vor Gericht angefochten oder von einem Gericht nachgeprüft werden können und ii) eine mit einer Entscheidung eines Gerichts zu der gleichen Angelegenheit vergleichbare Rechtskraft und Wirksamkeit haben Die betreffenden Verwaltungsbehörden sind in Anhang X aufgelistet. Dieser Anhang wird auf Antrag des Mitgliedstaats, in dem die betreffende Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat, nach dem Verwaltungsverfahren des Artikels 73 Absatz 2 erstellt und geändert. (3) Im Sinne der Artikel 3, 4 und 6 tritt der Begriff „Wohnsitz“ in den Mitgliedstaaten, die diesen Begriff als Anknüpfungspunkt in Familiensachen verwenden, an die Stelle des Begriffs „Staatsangehörigkeit“. Im Sinne des Artikels 6 gilt, dass Parteien, die ihren „Wohnsitz“ in verschiedenen Gebietseinheiten desselben Mitgliedstaats haben, ihren gemeinsamen „Wohnsitz“ in diesem Mitgliedstaat haben. I. Absatz 1 1. Entscheidung (Nr 1). . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtlicher Vergleich (Nr 2). . . . . . . 3. Öffentliche Urkunde (Nr 3). . . . . . . . . . 4. Berechtigte Person (Nr 10). . . . . . . . . . . 5. Verpflichtete Person (Nr 11) . . . . . . . . .

II. Verwaltungsbehörden (Abs 2) . . . . . . . . .

2 4 8 13 16

17

III. Absatz 3

1. Satz 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Satz 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 26

Art 2 enthält allgemeine Begriffsbestimmungen für die in der EG-UntVO verwende- 1 ten Begriffe. Dabei sind die Begriffsbestimmungen zum größten Teil anderen Rechtsinstrumentarien entnommen.1

1

Siehe Europäische Kommission, 12.5.2006, KOM (2006) 206, 2.

Marianne Andrae

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Art 2 EG-UntVO 2, 3

I.

Absatz 1

1.

Entscheidung (Nr 1)

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

2 Der Begriff der Entscheidung entspricht weitestgehend dem der Brüssel I-VO. 2 Nach Art 2 Abs 1 Nr 1 S 1 bezeichnet der Begriff „Entscheidung“ eine von einem Gericht eines Mitgliedstaates in Unterhaltssachen erlassene Entscheidung ungeachtet ihrer Bezeichnung wie Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten. Indem Art 2 Abs 1 Nr 1 klarstellt, dass es sich bei der anzuerkennenden und zu vollstreckenden Entscheidung um eine Unterhaltssache handeln muss, wird der sachliche Anwendungsbereich der EG-UntVO in Bezug genommen. Der Begriff der Unterhaltssache ist demnach iSv Art 1 Abs 1 zu verstehen. 3 Die Entscheidung in der Unterhaltssache muss in einem Mitgliedstaat ergangen sein. Mitgliedstaat meint dabei alle Mitgliedstaaten, auf die die EG-UntVO anwendbar ist (Art 1 Abs 2). 4 Nur für die Zwecke der Kapitel VII (Bestimmung der Zentralen Behörden) und VIII (Öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen) bezeichnet der Begriff Entscheidung auch in einem Drittstaat erlassene Entscheidung in Unterhaltssachen (S 2). 3 Gericht ist jedes Rechtsprechungsorgan, das kraft seines Auftrages selbst über Streitigkeiten zwischen den Parteien entscheidet.5 Auf die funktionelle Zuständigkeit innerhalb des Gerichts kommt es nicht an.6 Art 2 Abs 2 bezieht auch Verwaltungsentscheidungen aus Mitgliedstaaten ein, in denen Verwaltungsbehörden in Unterhaltssachen zuständig sind.7 Zudem können vorläufige Entscheidungen, dh vorläufig vollstreckbare Entscheidungen (Art 39) und Entscheidungen im vorläufigen Rechtsschutz, wie Arreste und einstweilige Anordnungen, erfasst werden.8 Im Übrigen sei auf die Darstellung zu Art 16 und Art 32 Brüssel I-VO9 verwiesen.

2 3 4 5 6 7 8 9

478

Vgl Art 32 Brüssel I-VO. Hierzu die Kommentierung zu Art 1. Vgl zum Begriff Mitgliedstaat die Ausführungen zu Art 1 Rn 48. Dazu näher Rauscher/Leible Art 32 Brüssel I-VO Rn 17 ff. MünchKommZPO /Gottwald Art 32 Brüssel I-VO Rn 8. Näheres hierzu Art 16 Rn 3. Hierzu Art 16 Rn 4. Rauscher/Leible Art 32 Brüssel I-VO Rn 5 ff.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

2.

Art 2 EG-UntVO 4-7

Gerichtlicher Vergleich (Nr 2)

Um den verschiedenen Verfahrensweisen zur Regelung von Unterhaltsfragen in den 4 Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, gilt die Verordnung auch für gerichtliche Vergleiche.10 Der Begriff „gerichtlicher Vergleich“ ist an den der Brüssel I-VO angelehnt11 und bezeichnet einen von einem Gericht gebilligten oder vor einem Gericht im Laufe eines Verfahrens geschlossenen Vergleich in Unterhaltssachen. Ob eine Unterhaltssache vorliegt, bestimmt sich auch hier nach Art 1 Abs 1. Art 2 Abs 1 Nr 2 spricht zwar nicht ausdrücklich davon, dass der Vergleich von einem 5 Gericht eines Mitgliedstaates gebilligt bzw vor einem Gericht eines Mitgliedstaates im Laufe des Verfahrens geschlossen worden sein muss; da aber sowohl nach Nr 1 als auch nach Nr 3 die Entscheidung bzw öffentliche Urkunde aus einem Mitgliedstaat stammen muss, kann für den gerichtlichen Vergleich iSv Nr 2 nichts anderes gelten. Für die Einordnung als Vergleich kommt es nicht auf das Verständnis der einzelnen 6 nationalen Rechtsordnungen an, vielmehr ist der Begriff des Vergleichs autonom auszulegen.12 Er ist in einem weiten Sinn zu verstehen. So genügt es gemäß der Formulierung, dass der Vergleich vor einem Gericht geschlossen wird.13 Damit wird die Protokollierung sowohl durch einen Richter als auch einen Justizfunktionär, der an einem solchen Spruchkörper beschäftigt ist, erfasst.14 Anwalts- oder Mediationsvergleiche fallen regelmäßig nicht unter den Begriff des Vergleichs.15 Einigen sich die Parteien auf Vorschlag des Gerichts hin (§ 278 Abs 5 S 2 ZPO) vor einem Mediator oder im Wege eines Anwaltsvergleichs, handeln sie zeitlich betrachtet „im Laufe eines (Gerichts-)Verfahrens“, jedoch erfolgt kein Abschluss „vor dem Gericht“.16 Etwas anderes gilt dagegen, wenn der Mediationsvergleich nach Wiederaufnahme des Gerichtsverfahrens in einem mündlichen Termin vom Richter protokolliert wird.17 Um den Anforderungen eines gerichtlichen Vergleichs zu genügen, muss der Ver- 7 gleich nach dem Wortlaut des Art 2 Abs 1 Nr 2 im Ursprungsmitgliedstaat nicht vollstreckbar sein, Art 2 Abs 1 Nr 2 weicht insoweit von Art 58 Brüssel I-VO ab.18 Allerdings ergibt sich aus den Anhängen I und II, dass der gerichtliche Vergleich ebenso wie eine Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sein muss. So erfordert

10 11 12 13

14 15 16 17 18

Erwägungsgrund 12 und 13. Vgl Art 58 Brüssel I-VO. Zur Brüssel I-VO Rauscher/Staudinger Art 58 Brüssel I-VO Rn 6. Art 2 Abs 1 Nr 2 und Art 58 Brüssel I-VO sind damit weiter gefasst als Art 51 EuGVÜ, der einen Abschluss vor einem Richter verlangt. Rauscher/Staudinger Art 58 Brüssel I-VO Rn 7. Kropholler Art 58 Brüssel I-VO Rn 1; Rauscher/Staudinger Art 58 Brüssel I-VO Rn 9. Rauscher/Staudinger Art 58 Brüssel I-VO Rn 7. Rauscher/Staudinger Art 58 Brüssel I-VO Rn 7. Zum Erfordernis der Vollstreckbarkeit in der Brüssel I-VO siehe Rauscher /Staudinger Artt 57, 58 Brüssel I-VO.

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Art 2 EG-UntVO 8-10

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Art 48 Abs 1 ebenfalls einen nach der Rechtsordnung des Ursprungsstaates vollstreckbaren gerichtlichen Vergleich.19 3.

Öffentliche Urkunde (Nr 3)

8 Der Begriff öffentliche Urkunde stimmt weitestgehend mit Art 4 Nr 3 EG-VollstrTitelVO überein. Er beruht auf der EuGH-Rechtsprechung zu Art 50 EuGVÜ.20 Erfasst werden nur Urkunden, die in den sachlichen Anwendungsbereich der EG-UntVO fallen, also solche die eine Unterhaltssache iSv Art 1 Abs 1 zum Gegenstand haben. Es muss sich um eine Urkunde handeln, die im Ursprungsmitgliedstaat förmlich errichtet oder in ein Register eingetragen worden ist. Die Beurkundung oder die Registrierung hat durch eine Behörde oder eine andere gemäß der Rechtsordnung dieses Staates hierzu ermächtigte Person/Stelle zu erfolgen. 21 Dies wird vielfach ein Notar sein.22 9 Die Beweiskraft muss sich sowohl auf die Unterschrift als auch auf den Inhalt beziehen (Nr 3 lit a sublit i). Unterschriftsbeglaubigungen auf privatschriftlichen Schuldanerkenntnissen, mit denen lediglich die Echtheit der Unterschrift bestätigt wird, erfüllen den Urkundsbegriff nicht.23 Privaturkunden, also auch der hierunter fallende Anwaltsvergleich, sind grundsätzlich keine öffentlichen Urkunden iSd EG-UntVO. 24 Der Anwaltsvergleich ist aber dann als öffentliche Urkunde zu qualifizieren, wenn er vom Notar für vollstreckbar erklärt wurde (§ 796c ZPO).25 Im Gegensatz zur Unterschriftenbeglaubigung erstreckt sich die Beweiskraft auch auf den Inhalt der Niederschrift. 26 Der Notar nimmt zudem eine gewisse inhaltliche Kontrolle vor,27 die angesichts der Gleichstellung von öffentlichen Urkunden mit gerichtlichen Entscheidungen erforderlich ist. 10 Wird der Anwaltsvergleich vom Gericht nach deutschem Recht für vollstreckbar erklärt (§ 796a ZPO), handelt es sich um einen gerichtlich gebilligten Vergleich iSv Art 2 Abs 1 Nr 2 und nicht um eine öffentliche Urkunde.28 Das Gericht überprüft neben der ordnungsgemäßen Niederlegung auch die Wirksamkeit des Vergleichs, es prüft, ob jeder der durch Unterwerfungserklärung vollstreckbar gestellten Ansprüche 19 20 21

22

23 24 25

26 27 28

480

Hierzu Art 48 Rn 4. Hierzu die Kommentierung zu Art 48 Rn 2 mwN. Zum einen nach dem Recht des Ursprungsstaates vollstreckbaren Schuldschein (sog Gældbrev), der nicht von einer Behörde oder einer anderen von diesem Staat hierzu ermächtigten Stelle beurkundet worden ist EuGH Rs C-260/97 Unibank DNotZ 1999, 920 ff. Hierzu Art 48 Rn 2. Zu weiteren ermächtigten Stellen Rauscher/Pabst Art 4 EG-VollstrTitelVO Rn 37. Geimer IPRax 2000, 366, 367; Rauscher/Pabst Art 4 EG-VollstrTitelVO Rn 29. Rauscher/Pabst Art 4 EG-VollstrTitelVO Rn 39; Reinmüller IPRax 2001, 207, 208. MünchKommZPO /Gottwald Art 57 Brüssel I-VO Rn 11; Rauscher/Pabst Art 4 EG-VollstrTitelVO Rn 39; Trittmann/Merz IPRax 2001, 178, 181. Vgl Trittmann/Merz IPRax 2001, 178, 181. Ausführlich hierzu Trittmann/Merz IPRax 2001, 178, 181 f. Rauscher/Pabst Art 4 EG-VollstrTitelVO Rn 39.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 2 EG-UntVO 11-13

vergleichsfähig ist, der Vergleich gegen die öffentliche Ordnung verstößt und er mindestens eine Unterwerfungserklärung enthält. 29 Das Gericht nimmt eine gewisse materielle Prüfung vor und übernimmt somit zugleich eine inhaltliche Verantwortung, sodass die für einen gerichtlich gebilligten Vergleich erforderliche inhaltliche Überprüfung durch das Gericht erfolgt. Dass für das Vorliegen eines gerichtlich gebilligten Vergleichs eine gewisse inhaltliche Überprüfung notwendig ist, ergibt sich aus einem Vergleich zu der Bestimmung des Art 21 HUntAVÜbk 1973, die im Gegensatz zu Art 2 Abs 1 Nr 1 nur von „Vergleich“ spricht und damit weiter gefasst ist. Zu den öffentlichen Urkunden werden nach Art 2 Abs 1 Nr 3 lit b ferner die mit einer 11 Verwaltungsbehörde des Ursprungsmitgliedstaates geschlossene oder von ihr beglaubigte Unterhaltsvereinbarung gezählt. Bedeutung hat dies vor allem für die skandinavischen Länder. 30 Um den Anforderungen einer öffentlichen Urkunde zu genügen, muss die Vereinbarung mit der Behörde geschlossen oder von ihr beglaubigt worden sein, wenn sie etwa zwischen Unterhaltberechtigtem und -verpflichtetem geschlossen wurde. Eine lediglich vor ihr geschlossene, also von ihr vermittelte Unterhaltsvereinbarung, wird demnach nicht erfasst. 31 12

Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu Art 48 Rn 2 verwiesen. Nach dem Wortlaut des Art 2 Abs 1 Nr 3 muss die öffentliche Urkunde zwar nicht vollstreckbar sein, aber auch hier ist Vollstreckbarkeit nach der Rechtsordnung des Ursprungstaates notwendig (vgl Anhang III).32 4.

Berechtigte Person (Nr 10)

Nach Art 2 Abs 1 Nr 10 ist berechtigte Person jede natürliche Person, der Unterhalt 13 zusteht oder angeblich zusteht. Ob der betreffenden Person bereits zuvor ein Anspruch auf Unterhalt zuerkannt wurde oder ob sie die Klage erstmals erhebt, ist unerheblich, auch der erstmalig Klagende ist berechtigte Person. Mit „berechtigte Person“ ist nur der ursprünglich Berechtigte gemeint, dem der Unterhalt (vermeintlich) zusteht, nicht aber derjenige, der die Forderung erworben hat, nicht also der Zessionar. 33 Für die Bestimmung als berechtigte Person ist entscheidend, wer materiell-rechtlich (vermeintlicher) Inhaber des Anspruchs

29 30

31

32

33

MünchKommZPO /Wolfsteiner § 796a ZPO Rn 14. Siehe Europäische Kommission, 14.7.1999, KOM (1999) 348, 26 (zu Art 55 des Brüssel I-VO-E). Hierzu auch Art 48 Rn 2. Rauscher/Pabst Art 4 EG-VollstrTitelVO Rn 36. Zur Brüssel I-VO Rauscher/Staudinger Art 57 Brüssel I-VO Rn 4. Anders noch Erwägungsgrund 20 zum EG-UntVO-E, der davon spricht, dass vollstreckbare öffentliche Urkunden denselben Stellenwert haben wie Entscheidungen. Näheres hierzu Art 3 Rn 42.

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Art 2 EG-UntVO 14-17

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

ist. Darauf, ob der betreffenden Person tatsächlich ein Unterhaltsanspruch zusteht, kommt es nicht an, vielmehr genügt die schlüssige Darlegung.34 14 Juristische Personen sind keine berechtigten Personen iSv Art 2 Abs 1 Nr 10. Besonderes gilt aber für die öffentlichen Aufgaben wahrnehmenden Einrichtungen (öAwE). Nach Erwägungsgrund 14 umfasst der Begriff „berechtigte Person“ für die Zwecke eines Antrags auf Anerkennung und Vollstreckung einer Unterhaltsentscheidung auch öAwE, die das Recht haben, für eine unterhaltsberechtigte Person zu handeln oder die Erstattung von Leistungen zu fordern, die der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbracht wurden.35 Werden die öAwE in dieser Eigenschaft tätig, haben sie den Anspruch auf die gleichen Dienste und die gleiche Prozesskostenhilfe wie berechtigte Personen. Daraus folgt, dass öAwE in Bezug auf die in den Kapiteln IV, V, VI und VII geregelten Gegenstände als unterhaltsberechtigte Personen zu behandeln sind,36 nicht jedoch für die Zwecke des Kapitels II. So wird bei Regressklagen von öAwE kein Gerichtsstand am Sitz/an der Niederlassung der Einrichtung begründet (Art 3 lit b).37 15 Hiervon zu unterscheiden ist die Möglichkeit seitens der öAwE, an den Gerichtsständen des Art 3 Anträge einzubringen. Dass sie für Kapitel II nicht als berechtigte Person anzusehen ist, schließt die Inanspruchnahme der Zuständigkeitsbestimmungen des Kapitels II durch die öAwE nicht aus. 38 5.

Verpflichtete Person (Nr 11)

16 Verpflichtete Person ist jede natürliche Person, die Unterhalt leisten muss oder angeblich leisten muss. Nur der, der unmittelbar Unterhalt schuldet, ist Verpflichteter iSv Art 2 Abs 1 Nr 11. Ob die betreffende Person bereits zuvor zur Zahlung von Unterhalt verurteilt wurde, ist unerheblich. II.

Verwaltungsbehörden (Abs 2)

17 Die Vorschrift geht auf Art 62 Brüssel I-VO zurück39 und ist einer verfahrensrechtlichen Besonderheit in Schweden und Dänemark geschuldet. Das schwedische Recht sieht Entscheidungen in summarischen Verfahren betalningsföreläggande (Mahnverfahren) und handräckning (Beistandsverfahren) vor, die vom kronofogdemyndighet (Amt für Beitreibung) getroffen werden. In Dänemark sind Verwaltungsbehörden (Staatsamt) für Entscheidungen in Unterhaltssachen zuständig. 40 Da eine Entscheidung iSd Art 32 Brüssel I-VO grundsätzlich nur gerichtliche Entscheidungen umfasst, weitet Art 62 34

35 36 37 38 39 40

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Ob ein Unterhaltsanspruch besteht, ist eine Frage der Begründetheit (sog doppelt relevante Tatsache). Hierzu Art 1 Rn 31. Einzelheiten zu den öAwE Art 64. Hierzu auch Art 1 Rn 38 ff. Zur Prozesskostenhilfe ausführlich Art 44 Rn 5. Hierzu Art 3 Rn 41. Ausführlich Art 3 Rn 44. Vgl insoweit auch die Ausführungen zu Art 56 Rn 2. Vgl auch Art 4 Nr 7 EG-VollstrTitelVO. Vgl OLG Hamburg ZfJ 1992, 547.

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Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen

Art 2 EG-UntVO 18-21

Brüssel I-VO den Anwendungsbereich der Brüssel I-VO auch auf Entscheidungen des schwedischen Amtes für Beitreibung und der dänischen Verwaltungsbehörden aus. Diese Problematik wird in der EG-UntVO auf eine andere Weise gelöst. Nach Art 2 18 Abs 2 werden grundsätzlich auch Unterhaltsentscheidungen der Verwaltungsbehörden erfasst. Die Vorschrift stellt an diese Entscheidungen aber bestimmte Anforderungen. Für einen leichteren Umgang mit derartigen Entscheidungen werden die betreffenden Verwaltungsbehörden im Anhang X der Verordnung aufgeführt werden, wenn sie die Voraussetzungen erfüllen. Dadurch wird eine schnelle und präzise Entscheidung ermöglicht, ob der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist. Denn die nationalen Vollstreckungsbehörden müssen zB bestimmen, ob eine beantragte unmittelbare Vollstreckung nach Kapitel IV Abschnitt 1 erfolgen kann. Sie müssen hierfür nicht die Voraussetzungen des Art 2 Abs 2 prüfen, sondern lediglich, ob die aussprechende Behörde in der Liste eingetragen ist. Die Erstellung und Änderung dieser Liste erfolgt auf Antrag der jeweiligen Mitglied- 19 staaten nach dem Verfahren gemäß dem Beschluss des Rates vom 28.6.1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (1999/468 / EG), mit dem Entscheidungsbefugnisse des Rates gemäß Art 202 UAbs 3 EG auf die Kommission übertragen werden. Innerhalb dieses Verfahrens ist zu prüfen, ob die in die Liste aufzunehmenden Behörden die in Art 2 Abs 2 aufgeführten Voraussetzungen erfüllen. III. Absatz 3

1.

Satz 1

Art 2 Abs 3 S 1 bestimmt, dass iSd Artt 3, 4 und 6 an die Stelle des Begriffs „Staats- 20 angehörigkeit“ der Begriff „Wohnsitz“ in den Mitgliedstaaten tritt, die diesen Begriff als Anknüpfungspunkt in Familiensachen verwenden. Der Begriff „Wohnsitz“ ist dabei im Sinne von domicile zu verstehen. Dies ergibt sich zum einen aus der englischen Fassung und zum anderen daraus, dass nur das domicile ein Äquivalent zur Staatsangehörigkeit darstellt. Es vertritt in den wichtigsten Fällen die Staatsangehörigkeit. 41 Besser wäre gewesen, wie in der Brüssel IIa-VO, anstelle des Begriffs „Wohnsitz“ den Begriff „domicile“ zu verwenden. Die Bestimmung des Abs 3 trägt dem Umstand Rechnung, dass im common law nicht 21 die Staatsangehörigkeit, sondern das domicile das entscheidende Kriterium für die internationale Zuständigkeit ist. Erwägungsgrund 18 stellt insoweit klar, dass sich dieser Ersetzungstatbestand auf Irland und das Vereinigte Königreich bezieht. Während in der Brüssel IIa-VO nur im Falle Irlands und des Vereinigten Königreichs die Staats-

41

Siehe Henrich RabelsZ 25 (1960) 456, 457 für den domicile Begriff im engl IPR.

Marianne Andrae

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Art 2 EG-UntVO 22-25

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

angehörigkeit durch das domicile ersetzt wird,42 beschränkt die EG-UntVO den Ersetzungstatbestand nicht ausdrücklich auf diese Staaten. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass der Ersetzungstatbestand sich nicht ausschließlich auf Irland und das Vereinigte Königreich bezieht, sondern auch auf andere Mitgliedstaaten, denen das domicile Prinzip bekannt ist, wie Malta oder Zypern. 22 Ob die betreffende Partei ihr domicile in dem Staat hat, dessen Gericht bzw Gerichte als zuständig vereinbart wurden, bestimmt sich nach dem Recht dieses Staates. 43 Das domicile kennzeichnet die Rechtsbeziehung zwischen einem Menschen und einem bestimmten Territorium und damit zu einer bestimmten Rechtsordnung.44 Eine natürliche Person kann nur ein domicile haben. Drei Arten des domicile sind zu unterscheiden: 1. domicile of origin 2. domicile of choice 3. domicile of dependency 23 Das domicile of origin (Ursprungsdomizil) erwirbt man mit der Geburt. Es kann durch das domicile of choice (Wahldomizil) abgelöst werden. Dies setzt jedoch voraus, dass das alte domicile endgültig aufgegeben wird, bevor ein neues begründet werden kann. 24 Für die Begründung eines domicile of choice (Wahldomizil) ist zum einen erforderlich, dass ein neuer Wohnsitz (residence) genommen wird und die Absicht besteht, diese neue residence für immer oder für unbestimmte Zeit beizubehalten (animus manendi). Es muss die Absicht einschließen, nicht mehr in das Land des Ursprungsdomizils zurückzukehren. Ob ein solcher animus manendi gegeben ist, wird in Gesamtbetrachtung von subjektiven und objektiven Umständen ermittelt. Gibt eine natürliche Person ihr domicile of choice auf, ohne ein neues domicile zu begründen, lebt das domicile of origin wieder auf. 25 Das domicile of dependency (Abhängigkeitsdomizil) besteht für Kinder bis zu einem bestimmten Alter sowie für nicht geschäftsfähige Personen. Ein bis dahin begründetes domicile of dependency bleibt als wandelbares domicile of choice bestehen.

42 43

44

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Vgl etwa Art 3 Brüssel IIa-VO. Siehe dagegen Art 3 Abs 2 Brüssel IIa-VO, wonach sich der Begriff „domicile“ iSd Verordnung nach dem Recht des Vereinigten Königreichs und Irlands bestimmt. Zum Begriff ausführlich Henrich RabelsZ 25 (1960) 456 ff; Kegel/Schurig IPR9 (2004) § 13 II S 450 f.

Januar 2010

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Art 2 EG-UntVO, 26 Vorbem Artt 3 ff EG-UntVO, 1-3

Kapitel II Zuständigkeit

2.

Satz 2

Nach Art 2 Abs 3 S 2 gilt für die Auffangzuständigkeit nach Art 6, dass die Parteien, 26 die ihren Wohnsitz in verschiedenen Gebietseinheiten desselben Mitgliedstaates haben, ihren gemeinsamen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat haben. Haben die Parteien also in unterschiedlichen Gebietseinheiten desselben Mitgliedstaates ihr domicile (England und Wales, Schottland, Nordirland), werden sie nur für Art 6 so behandelt, als hätten sie beide ihr domicile in diesem Mitgliedstaat (Vereinigtes Königreich).

Kapitel II Zuständigkeit Vorbemerkungen zu den Artt 3 ff I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

IV. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

II. Wesentliche Veränderungen . . . . . . . . . . .

4

V. Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . .

14

VI. Gegenstand des Antrags . . . . . . . . . . . . . . .

18

III. Keine Gerichtsstände des

Zusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

10

Anwendungsbereich

Kapitel II regelt die internationale Zuständigkeit der Gerichte und Behörden iSd 1 Art 2 Abs 2 in den Mitgliedstaaten im Erkenntnisverfahren. Gegenstand des Verfahrens muss eine Unterhaltsverpflichtung sein, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder der Schwägerschaft beruht. Die Bestimmungen sind universell anwendbar, es bedarf keines Bezugs zu einem an- 2 deren Mitgliedstaat. Die Vorschriften der Mitgliedstaaten über die internationale Zuständigkeit ihrer Gerichte in familienrechtlichen Unterhaltssachen werden verdrängt. Lediglich die Bestimmung der EG-UntVO zu einstweiligen Maßnahmen (Art 14) lässt ein Zurückgreifen auf das autonome Recht zu. Die örtliche Zuständigkeit ist für die allgemeine Zuständigkeit, das rügelose Einlassen und bei der Gerichtsstandsvereinbarung (hier nicht unbedingt) mit erfasst. Soweit dies zutrifft, sind die nationalen Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit nicht anwendbar. Kapitel II ist auf alle Verfahren anwendbar, die ab dem 18.6.2011 anhängig gemacht 3 werden (Art 75 Abs 1).

Marianne Andrae

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Vorbem Artt 3 ff EG-UntVO 4-9

II.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Wesentliche Veränderungen

4 Im Erwägungsgrund 10 des EG-UntVO-E hieß es noch, dass die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit sich nur geringfügig von denen der Brüssel I-VO unterscheiden. Schon der Regelungsentwurf sah aber bereits wesentliche Veränderungen vor. Die EG-UntVO weist nur noch wenige Gemeinsamkeiten mit der Regelung der Zuständigkeit in der Brüssel I-VO auf. 5 Folgende Unterschiede sind hervorzuheben: – Die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten ist abschließend geregelt. Hierfür ist ein Rückgriff auf die einzelstaatlichen Regelungen zur internationalen Zuständigkeit ausgeschlossen. Weder ist die Zuständigkeit – wie in der Brüssel I-VO – räumlich begrenzt, noch gibt es eine Restzuständigkeit wie nach der Brüssel IIa-VO. 6 – Der Wohnsitz wird als Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit durch den gewöhnlichen Aufenthalt verdrängt. Während der Wohnsitz noch nach den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemäß Art 59 Brüssel I-VO bestimmt wurde, wird der gewöhnliche Aufenthalt autonom ausgelegt, wobei der Bezug zu den Haager Übereinkommen, insbesondere zum Unterhalt gewahrt wird. 7 – Nicht bei allen Zuständigkeiten, jedoch bei den für die Rechtspraxis wichtigsten, wird nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit einheitlich unter Ausschluss des einzelstaatlichen Rechts geregelt. – Es gibt vier alternative allgemeine Zuständigkeiten nach Art 3, unter denen der Antragsteller wählen kann. Die in Art 5 Nr 2 Brüssel I-VO geregelten Zuständigkeiten sind zu allgemeinen Zuständigkeiten geworden. Damit entfällt ihr Ausnahmecharakter. – Es gibt eine weitere Annexzuständigkeit neben der bei Anhängigkeit einer Personenstandssache. Hinzugekommen ist die Entscheidung in der Unterhaltssache als Nebenentscheidung im Verfahren über die elterliche Verantwortung. 8 – Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist nach Art 4 weiterhin zulässig. Jedoch ist der Unterhalt für Kinder bis zum 18. Lebensjahr ausgenommen und es erfolgt eine Beschränkung auf Länder, zu denen mindestens eine Partei eine engere Beziehung aufweist. – Es gibt eine Auffangzuständigkeit für die Gerichte des Heimatstaates beider Ehegatten, wenn die vorhergehenden Zuständigkeiten zu keiner Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts führen. – Und letztlich ist eine Notzuständigkeit vorgesehen, um dem Justizgewährungsanspruch einer Person nachzukommen. 9 – Die Zuständigkeit für Abänderungsentscheidungen ist weiterhin nicht gesondert geregelt. Sie unterliegt den allgemeinen Vorschriften. Jedoch gibt es mit Art 8 eine Sperrung der Inanspruchnahme von Zuständigkeiten seitens des Unterhaltsverpflichteten, wenn die Erstentscheidung im Land des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten ergangen ist und dieser seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiter in diesem Staat hat.

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Kapitel II Zuständigkeit

Vorbem Artt 3 ff EG-UntVO 10-13

Von der Brüssel I-VO sind an sich nur die Regelungen zum rügelosen Einlassen und zu den einstweiligen Maßnahmen identisch übernommen. Alles Weitere ist anders oder zumindest in einem anderen Zusammenhang gestellt. III. Keine Gerichtsstände des Zusammenhangs

Die EG-UntVO kennt keine Gerichtsstände des Zusammenhangs, wie sie in Art 6 10 Brüssel I-VO geregelt sind. Eine Widerklage, die eine Unterhaltspflicht zum Gegenstand hat, kann nur bei dem Gericht des Erstantrages erhoben werden, wenn dieses Gericht nach Artt 3 ff für die Widerklage zuständig ist. Die Verbindung der Klagen ergibt sich aus dem nationalen Recht. Wird die Widerklageforderung vom Anwendungsbereich der Brüssel I-VO erfasst, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach dieser Verordnung. Deshalb kann für sie Art 6 Nr 3 Brüssel I-VO analog angewandt werden. Ist sie außerhalb des Anwendungsbereiches angesiedelt – zB wenn es um eine güterrechtliche Ausgleichsforderung geht oder der Beklagte seinen Wohnsitz in einem Nichtmitgliedstaat hat – findet das einzelstaatliche Recht auf die Widerklagezuständigkeit Anwendung. Einen Mehrparteiengerichtsstand gibt es in der EG-UntVO ebenfalls nicht. Der Un- 11 terhaltsberechtigte kann jedoch den Gerichtsstand an seinem gewöhnlichen Aufenthalt nutzen, um gegen mehrere Unterhaltsverpflichtete einen Antrag zu stellen. So kann zB ein Kind beide Eltern dort gerichtspflichtig machen. Dagegen ermöglicht die EG-UntVO keinen Mehrparteiengerichtsstand für Anträge des Kindes und eines Elternteils gegen den anderen Elternteil, wie ihn § 232 Abs 3 Nr 1 FamFG vorsieht. IV.

Aufrechnung

Die Auffassung des EuGH, dass die Aufrechnung ein reines Verteidigungsmittel – im 12 Unterschied zur Widerklage – und deshalb Bestandteil des vom Kläger in Gang gesetzten Verfahrens sei und durch die Vorschriften des nationalen Rechts gestaltet werde,1 trifft auf die Aufrechnung im Unterhaltsprozess ebenfalls zu. Für die einen unterhaltsrechtlichen Charakter tragenden Gegenforderungen ist nicht das Erfordernis der Zuständigkeit anzunehmen. Dies gilt umso mehr, als es keinen Gerichtsstand der Widerklage gibt. Würde das Zuständigkeitserfordernis aufgestellt werden, so wäre die Aufrechnung als Verteidigungsmittel stark eingeschränkt. Ob mit Forderungen nicht unterhaltsrechtlichen Charakters aufgerechnet werden 13 kann, bestimmt sich nach dem Recht der lex fori unter Einschluss des IPR. Für Gegenforderungen, die hinsichtlich der Zuständigkeit der Brüssel I-VO unterliegen würden, hängt die Entscheidung davon ab, wie die strittige Frage hinsichtlich des Zuständigkeitserfordernisses für die Aufrechnung gelöst wird. Die besseren Argumente sprechen

1

EuGH Rs C-341/93 Danvern Production/Schuhfabriken Otterbeck EuGHE 1995 I 2053 Rn 12, 13 = NJW 1996, 42.

Marianne Andrae

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Vorbem Artt 3 ff EG-UntVO 14-17

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

dafür, ein Zuständigkeitserfordernis abzulehnen.2 Auch soweit sich die gerichtliche Geltendmachung der Gegenforderung nach dem deutschen autonomen IZPR richtet, sollte diese Schlussfolgerung gezogen werden.3 V.

Anerkennungszuständigkeit

14 Kapitel II regelt die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten im Erkenntnisverfahren. Ob das Gericht eines Mitgliedstaates, dessen Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt wird, nach der Verordnung zuständig war, wird im Zweitstaat nicht geprüft. Dasselbe gilt im Verhältnis zu den Vertragsstaaten des LugÜbk, die nicht Mitgliedstaaten sind. 15 Die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen von Drittstaaten4 werden in der EG-UntVO nicht geregelt. Diese richten sich entweder nach Staatsverträgen oder nach dem autonomen IZPR jedes Mitgliedstaates. Die maßgeblichen Staatsverträge – so die Haager Übereinkommen zu diesen Fragen – regeln die internationale Zuständigkeit als Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen (direkte Regelung der Anerkennungszuständigkeit). Auch das autonome Recht der Mitgliedstaaten macht die Anerkennung von der internationalen Zuständigkeit der Gerichte des Entscheidungsstaates abhängig. Dabei wird in Deutschland das Spiegelbildprinzip angewandt. Die eigenen Bestimmungen zur internationalen Zuständigkeit werden herangezogen und dann geprüft, ob eine internationale Zuständigkeit gegeben wäre, wenn diese im Erlassstaat gelten würden.5 16 Derzeit werden hierfür nicht die Vorschriften der Brüssel I-VO zugrunde gelegt, sondern das autonome Recht. Auch nach dem Inkrafttreten der EG-UntVO gibt es keine aus dem europäischen Zivilverfahrensrecht resultierende Verpflichtung, die Zuständigkeitsnormen der EG-UntVO spiegelbildlich für die Prüfung der Anerkennungszuständigkeit von drittstaatlichen Gerichten heranzuziehen. Das gilt deshalb, weil die Anerkennung drittstaatlicher Entscheidungen bisher nicht vereinheitlicht ist. Jedoch ist eine spiegelbildliche Anwendung der Zuständigkeitsbestimmungen der EG-UntVO, jedenfalls für das deutsche autonome IZPR, zu empfehlen. 17 Zum einen trifft das Spiegelbildprinzip bei Anwendung der deutschen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit auf die internationale Anerkennungszuständigkeit nur scheinbar zu, denn für die internationale Zuständigkeit im Erkenntnisverfahren 2

3

4 5

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Hierzu ausführlich MünchKommZPO /Gottwald Art 23 Brüssel I-VO Rn 73; Gruber IPRax 2002, 285, 288; Rauscher/Leible Art 6 Brüssel I-VO Rn 32; Rauscher IPR Rn 1734; Mankowski ZZP 109 (1996) 376, 394; Roth RIW 1999, 819, 820; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 6 Brüssel I-VO Rn 7; aA Geimer/ Schütze/Geimer EuZVR Art 6 Brüssel I-VO Rn 77; Wagner IPRax 1999, 65, 73. Ua MünchKommZPO /Gottwald Art 23 Brüssel I-VO Rn 73; Rauscher/Mankowski Art 6 Brüssel I-VO Rn 32; Roth RIW 1999, 819, 820; Gebauer IPRax 1998, 79, 85; offen BGHZ 149, 120, 127. Zum Begriff Art 4 Rn 69. St Rspr BGH NJW 1993, 1073; vgl auch Andrae IFR § 8 Rn 106; MünchKommZPO /Gottwald § 328 ZPO Rn 63; Thomas/Putzo/Hüßtege § 328 ZPO Rn 8a; Rauscher IPR Rn 2354.

Januar 2010

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Kapitel II Zuständigkeit

Vorbem Artt 3 ff EG-UntVO 18-20

sind sie durch die EG-UntVO gänzlich ausgeschaltet. Zum anderen tragen die Zuständigkeitsvorschriften der EG-UntVO den Regelungsinteressen bei grenzüberschreitenden Unterhaltssachen stärker Rechnung, weil sie auf internationale Sachverhalte ausgerichtet sind. VI. Gegenstand des Antrags

Der Antrag muss auf die Herbeiführung einer Entscheidung in einer Unterhalts- 18 sache gerichtet sein. Gegenstand des Begehrens hat eine Unterhaltspflicht aus einem Familienverhältnis iSd Art 1 Abs 1 zu sein. Der Antrag kann darauf gerichtet sein, eine Entscheidung auf Leistung von Unterhalt herbeizuführen. Erfasst sind Entscheidungen auf künftige regelmäßige Leistungen, auf Leistung von rückständigem Unterhalt und einmalige Leistungen. Art 3 regelt auch die Zuständigkeit für die Abänderung einer Unterhaltsentscheidung unabhängig davon, ob die Entscheidung von einem in- oder ausländischen Gericht gefällt wurde, hierbei ist jedoch die Sperrwirkung von Art 8 zu beachten. Weiterhin gehört hierzu der Antrag auf Feststellung des Nichtbestehens einer Unterhaltspflicht. Die Zuständigkeit nach der Verordnung muss für die Entscheidung und für die Festsetzung des Kindesunterhalts im vereinfachten Verfahren nach §§ 249 ff FamFG vorliegen. Die hierfür begründete Zuständigkeit bleibt auch für das sich anschließende streitige Verfahren nach § 255 FamFG auf Antrag einer Partei bestehen, weil es Teil des vereinfachten Verfahrens ist.6 Bei der Prüfung der Zuständigkeit hat das Gericht nicht zu prüfen, ob eine Unterhalts- 19 pflicht tatsächlich vorliegt. Es reicht aus, wenn sich aus dem Vortrag des Antragstellers schlüssig ergibt, dass eine Unterhaltspflicht bestehen könnte (sog doppelt relevante Tatsache). Dies lässt sich bereits aus den Definitionen der berechtigten und der verpflichteten Person in Art 2 Abs 1 lit 10 und 11 ableiten. Dies sind auch Personen, denen der Unterhalt „angeblich zusteht“ oder die diesen „angeblich leisten“ müssen.7 Für die zugrunde liegenden Statusverhältnisse ist zu unterscheiden: Wird im Unter- 20 haltsverfahren inzident die Existenz des Statusverhältnisses geprüft, so bedarf es hierfür keiner gesonderten Zuständigkeit. Anders ist es jedoch, wenn die Existenz des Statusverhältnisses selbst Gegenstand eines Verfahrens ist, auch wenn dieses mit dem Unterhalt verbunden ist. Die Zuständigkeit hierfür ist nicht in der EG-UntVO geregelt. Ob eine inzidente Prüfung möglich ist, ist nicht der EG-UntVO zu entnehmen.

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7

Umstritten ist, ob die Durchführung des vereinfachten Verfahrens auch zulässig ist, wenn ausländisches Recht Unterhaltsstatut ist, bejaht ua OLG Karlsruhe FamRZ 2006, 1393; MünchKommZPO /Coester-Waltjen § 645 Rn 5; aA mit Nachweisen der Rspr Bischoff IPRax 2002, 511. Diese Frage hat sich mit dem HUntStProt 2007 rechtspraktisch erledigt, da nach Art 4 bezogen auf den Kindesunterhalt regelmäßig die lex fori Anwendung findet, hierzu Art 4 HUntStProt 2007 Rn 4 ff. Hierzu Rn Art 2 Rn 13 ff und 16.

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Vorbem Artt 3 ff EG-UntVO, 21, 22 B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Art 3 EG-UntVO Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

21 So kann ein deutsches Gericht die Anerkennung einer Scheidung durch ein Gericht eines EU-Mitgliedstaates (außer Dänemark) inzident nach Art 21 Abs 4 Brüssel IIaVO prüfen, während es bei Entscheidungen aus Drittstaaten nach § 107 FamFG nur dann die Anerkennung selbst prüfen kann, wenn ein Gericht des Heimatstaates beider Ehegatten die Scheidung ausgesprochen hat. 22 Ob eine Vaterschaft aufgrund gesetzlicher Regelung oder aufgrund einer Anerkennung erga omnes vorliegt, kann im deutschen Unterhaltsverfahren inzident geprüft werden. Ob die Vaterschaft im Übrigen inzident geprüft werden kann oder es einer Feststellungsentscheidung bedarf, richtet sich nach dem Recht, das über den Unterhalt entscheidet. 8 Letzteres trifft auf das deutsche Unterhaltsrecht zu (§§ 1594 Abs 1, 1600d BGB). Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte hierfür ergibt sich aus § 100 FamFG. Unterliegt dagegen zB der Unterhaltsanspruch dem französischen Recht, so kann in einem Prozess, in dem es um den Unterhalt eines Kindes geht, dessen väterliche Abstammung rechtlich nicht feststeht, die für die Begründung aufgestellte Voraussetzung der Beiwohnung der Mutter im maßgeblichen Zeitraum im Unterhaltsprozess nach Art 342 Cciv geprüft werden. Das französische Recht vermeidet auf diese Weise die rechtliche Elternschaft mit erga omnes Wirkung, die im Unterhaltsverfahren nicht inzident geprüft werden könnte.9

Artikel 3

Allgemeine Bestimmungen Zuständig für Entscheidungen in Unterhaltssachen in den Mitgliedstaaten ist a) das Gericht des Ortes, an dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder b) das Gericht des Ortes, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder c) das Gericht, das nach seinem Recht für ein Verfahren in Bezug auf den Personenstand zuständig ist, wenn in der Nebensache zu diesem Verfahren über eine Unterhaltssache zu entscheiden ist, es sei denn, diese Zuständigkeit begründet sich einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien, oder d) das Gericht, das nach seinem Recht für ein Verfahren in Bezug auf die elterliche Verantwortung zuständig ist, wenn in der Nebensache zu diesem Verfahren über eine Unterhaltssache zu entscheiden ist, es sei denn, diese Zuständigkeit beruht einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien. I. Allgemeines 1. Antragsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein Rangverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Internationale und örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wahlgerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 9

490

1 5

5. Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Grenzüberschreitender Bezug? . . . . . . .

12 15

II. Einzelne Gerichtsstände

7 10

1. Gerichtsstand des Beklagten . . . . . . . . . a) Gewöhnlicher Aufenthalt. . . . . . . . .

22 23

Andrae IFR § 8 Rn 7; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 248 mwN. Hierzu Menne FuR 2006, 67 f.

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Art 3 EG-UntVO 1-3

Kapitel II Zuständigkeit b) Insbesondere gewöhnlicher Aufenthalt eines Kindes . . . . . . . . . . c) Hilfsgerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsstand des Unterhaltsberechtigten a) Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gewöhnlicher Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten . . . . . . . . . . . c) Antragsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . .

I.

Allgemeines

1.

Antragsberechtigter

34 39

40

3. Nebenentscheidung im Statusverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nebenentscheidung im Verfahren über die elterliche Verantwortung a) Sinnzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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51 52

41 43

Die Inanspruchnahme der Zuständigkeiten nach lit a und b steht jeder Partei offen. 1 Die Auffassung, dass die Zuständigkeit des Gerichts am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten nur dem Unterhaltsberechtigten selbst zur Verfügung steht,1 kann für Art 3 lit b nicht fortgeschrieben werden. Dies folgt daraus, dass beide Zuständigkeiten allgemeine Zuständigkeiten darstellen und zur Auswahl des Antragstellers stehen. Die Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten hat keinen Ausnahmecharakter. Auch wenn sie vorrangig die Interessen des Unterhaltsberechtigten bedient, folgt daraus nicht, dass nur dieser diese Zuständigkeit in Anspruch nehmen kann. Wenn der Gesetzgeber die Einschränkung von Art 5 Nr 2 Brüssel I-VO hätte fortführen wollen, hätte er es in der Regelung zum Ausdruck bringen müssen. Für den Unterhaltsverpflichteten hat die Zuständigkeit am gewöhnlichen Aufenthalt 2 des Unterhaltsberechtigten geringe Bedeutung, weil bereits die Zuständigkeit nach lit a zum selben Gerichtsstand führt. Die Zuständigkeit steht auch öffentlichen Einrichtungen zur Verfügung, die an den Unterhaltsberechtigten anstelle des Unterhaltsverpflichteten Leistungen erbracht haben und hierfür den Unterhaltsverpflichteten in Regress nehmen wollen. 2 Der Gerichtsstand kann auch von Dritten bei gesetzlichem Übergang der Unterhaltsforderung auf sie genutzt werden, soweit diese Fallsituation von der EG-UntVO erfasst wird. 3 Für lit c und d ist für die Antragsberechtigung der Sinn und Zweck dieser Gerichts- 3 stände zu berücksichtigen. Es geht hier um Verfahrenskonzentration. Die zwischen den Parteien bestehenden und aus dem jeweiligen Rechtsverhältnis resultierenden Probleme sollen in einem einheitlichen Verfahren geklärt werden, wenn wenigstens 1

2 3

Für Art 5 Nr 2 EuGVÜ /Brüssel I-VO ua Kropholler Art 5 Brüssel I-VO Rn 64; Rauscher/Leible Art 5 Brüssel I-VO Rn 65; Schack IZVR Rn 380; aA Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 5 Brüssel I-VO Rn 193; Schlosser Art 5 Brüssel I-VO Rn 13 unter Aufgabe von Schlosser-Bericht zum EuGVÜ Rn 105. Hierzu Art 1 Rn 38 ff sowie Art 64 Rn 2. Hierzu Art 1 Rn 33 ff.

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Art 3 EG-UntVO 4-7

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

einer der Beteiligten dies beantragt. Deshalb sind die Gerichtsstände nicht Dritten zu eröffnen, sondern auf die Beteiligten im Hauptverfahren zu beschränken. Soweit nach der Rechtsordnung des angerufenen Gerichts im Annexverfahren eine Entscheidung über den Kindesunterhalt getroffen werden kann, zB im Scheidungsverfahren oder im Sorgerechtsverfahren, steht auch dem Kind oder der Person, die in Prozessstandschaft für das Kind den Prozess führt, dieser Gerichtsstand offen, auch wenn es nicht Partei im Hauptverfahren ist. Eine andere Frage ist, ob das Kind selbst Partei im Unterhaltsteil des Verfahrens sein kann, dies bestimmt sich nach dem auf die Unterhaltsverpflichtung anwendbaren Recht. 4 4 Antragsteller, denen Art 3 lit c oder d ein Gerichtsstand eröffnet, müssen diesen nicht in Anspruch nehmen. Für sie ergibt sich ein zusätzlicher Gerichtsstand zu den in lit a und b geregelten. Dies folgt wiederum aus dem Verbindungswort „oder“ sowie aus der Überschrift der Bestimmung „Allgemeine Zuständigkeit“. 2.

Kein Rangverhältnis

5 Vorgesehen sind vier Zuständigkeiten: Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten, Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten sowie Verbundzuständigkeit bei Anhängigkeit einer Statussache oder eines Verfahrens zur elterlichen Verantwortung. Die Zuständigkeiten stehen in keinem Rangverhältnis, sind also alternativ. Dies folgt daraus, dass ihre Inanspruchnahme an keine speziellen Voraussetzungen geknüpft ist und die Zuständigkeiten unter der Überschrift „Allgemeine Zuständigkeiten“ zusammengefasst sind. 6 Der Antragsteller kann zwischen den Gerichtsständen wählen. Der europäische Gesetzgeber ermöglicht und fördert damit das forum shopping. Dies ist für die Rechtspraxis von besonderer Bedeutung, als die Inanspruchnahme einer Zuständigkeit nach dem HUntStProt 2007 Einfluss auf das anwendbare Recht hat. Die Grundanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten im Eltern-Kind-Verhältnis und gegenüber Personen unter 21 Jahren wird nach Art 4 Abs 3 HUntStProt 2007 durch die lex fori verdrängt, wenn der Unterhaltsberechtigte mit der Unterhaltssache das Gericht in dem Land befasst, in dem der Unterhaltsverpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Kriterium für die Auswahl des Forums wird unter der Geltung der EG-UntVO und des HUntStProt 2007 sein, welches Recht das materielle Anliegen stützt, weil die Zuständigkeitsinanspruchnahme – zwar nicht immer, aber mehr als unter der Geltung des HUntStÜbk 1973 – mit der Anwendung des materiellen Rechts der lex fori verbunden ist. 3.

Internationale und örtliche Zuständigkeit

7 Die Zuständigkeitsvorschrift ist doppelfunktional. Sie regelt sowohl die internationale als auch die örtliche Zuständigkeit. Dies folgt aus dem Anfang jeder Zuständigkeitsregel mit „das Gericht“. Man könnte meinen, der europäische Gesetzgeber ist zurück4

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Art 11 lit d HUntStProt 2007.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 3 EG-UntVO 8-11

gekehrt zu dem im deutschen IZPR geltenden Grundsatz, die örtliche Zuständigkeit indiziert die internationale Zuständigkeit. Die gleichzeitige Regelung von internationaler und örtlicher Zuständigkeit bei der Grundzuständigkeit stellt eine wesentliche Änderung gegenüber der Brüssel I-VO dar. Diese bestimmt nur in Art 5 Nr 2 für die konkurrierende Zuständigkeit die örtliche Zuständigkeit mit. Die neue Lösung ist nicht als Fortschritt gegenüber dem bisherigen Regelungsmodell 8 anzusehen. Jedenfalls im deutschen Familienverfahrensrecht gibt es bei der Anhängigkeit einer Ehesache eine zwingende örtliche Konzentration gerichtlicher Verfahren über den Trennungs- und nachehelichen Unterhalt sowie den Unterhalt für die gemeinsamen Kinder beim Gericht der Ehesache. Das gilt weiterhin für die güterrechtliche Auseinandersetzung, für Wohnungszuweisung, Hausratsverteilung und den Versorgungsausgleich. Der Komplexität familienrechtlicher vermögensrechtlicher Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit einer Ehesache wird verfahrensrechtlich die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des Ehegerichts gerecht. Die Brüssel I-VO hat diesem Anliegen bei der Grundzuständigkeit am Wohnsitz des 9 Beklagten Rechnung getragen, indem sie für diese nur die internationale Zuständigkeit regelte und den nationalen Rechtsordnungen ermöglicht, die örtliche Zuständigkeit unter familienrechtlichen Aspekten auszugestalten. Art 3 verhindert die zwingende Konzentration der örtlichen Zuständigkeit für die Unterhaltssache im Zusammenhang mit Verfahren über den Personenstand gemäß nationalem Recht. Das Wahlrecht des Klägers nach Art 3 bezieht sich auch auf die örtliche Zuständigkeit und verdrängt damit die nationalen Vorschriften von der zwingenden Verbundzuständigkeit. Aus den Erwägungsgründen ist die Motivation für diese wesentliche Änderung nicht erkennbar, jedenfalls reicht Vereinfachung und Übersichtlichkeit der Regelung nicht aus. 4.

Wahlgerichtsstände

Art 3 sieht vier unterschiedliche Gerichtsstände vor. Die internationale Zuständigkeit 10 der Gerichte eines Mitgliedstaates ist gegeben, wenn eines der alternativen Kriterien auf diesen Mitgliedstaat zutrifft. In Bezug auf die örtliche Zuständigkeit handelt es sich um gleichrangige konkurrierende Zuständigkeiten. Das gilt auch dann, wenn nach innerstaatlichem Recht eines dieser Gerichtsstände ausschließlich ist oder nur sekundäre Bedeutung zukommt. Wenn mehrere Kriterien bezogen auf einen Mitgliedstaat erfüllt sind, jedoch zu unter- 11 schiedlichen Gerichtsbezirken führen, so kann der Antragsteller nach dem Wortlaut den Gerichtsstand wählen, auch wenn im einzelstaatlichen Recht eine Priorität vorgeschrieben ist. Art 3 sieht keine Bevorzugung der Annexzuständigkeiten gegenüber der Zuständigkeit aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts vor. Damit hat der europäische Verordnungsgeber dem Interesse an der Einheitlichkeit und der Leichtigkeit der Bestimmung des zuständigen Gerichts in grenzüberschreitenden Fällen Vorrang vor den Regelungszielen der nationalen Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der örtlichen Zuständigkeit gegeben.

Marianne Andrae

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Art 3 EG-UntVO 12-14

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Sind zwar die Gerichte des betreffenden Mitgliedstaates international zuständig, ist jedoch ein nach Art 3 nicht örtlich zuständiges Gericht angerufen worden, so kann innerhalb dieses Staates nach den innerstaatlichen Vorschriften eine Verweisung an das nach Art 3 örtlich zuständige Gericht erfolgen. 5.

Zeitpunkt

12 Art 3 regelt nicht ausdrücklich den Zeitpunkt, zu welchem die Anknüpfungspunkte zutreffen müssen, um die Zuständigkeit zu begründen. Da von der Zuständigkeit für Entscheidungen die Rede ist, reicht es sicherlich, dass im Entscheidungszeitpunkt die Voraussetzungen vorliegen.5 Weil dieser Zeitpunkt ungewiss ist und für die Parteien Risiken schafft, kann auf ihn nicht allein abgestellt werden. Die Parteien müssen sich darauf verlassen können, dass, soweit die Voraussetzungen für die Begründung einer Zuständigkeit bei Verfahrensbeginn zutreffen, dies ausreichend ist. Wie für die Brüssel I-VO ist davon auszugehen, dass der Grundsatz der Fortdauer der einmal begründeten Zuständigkeit (perpetuatio fori) zur Anwendung kommt.6 13 Dieser Zeitpunkt kann ebenfalls autonom bestimmt werden, indem auf Art 9 lit a zurückgegriffen wird.7 Wenn die Einreichung des Antrags maßgebend ist, um die Priorität zwischen mehreren angerufenen Gerichten zu klären, so muss dieser Zeitpunkt auch ausreichen, um die Zuständigkeit zu begründen. Vorrang kann einem Gericht nur zukommen, wenn es auch die Entscheidungsmacht hat. Auf Art 9 lit b – Zeitpunkt der Übergabe an die für die Zustellung verantwortliche Stelle – kann es jedoch nicht ankommen, weil das Kriterium auf das Gericht zutreffen muss. 14 Daraus folgt: Die Zuständigkeit wird begründet, wenn der Beklagte oder der Unterhaltsberechtigte zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts im Gerichtsbezirk seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese Zuständigkeit entfällt nicht, wenn der gewöhnliche Aufenthalt danach aufgegeben wird. Wird der gewöhnliche Aufenthalt während des Verfahrens im Gerichtsbezirk begründet, so reicht dies jedenfalls für die Zuständigkeitsbegründung. Der späteste Zeitpunkt ist die Entscheidung in der letzten Tatsacheninstanz. 8 Besonderheiten gelten für die Annexzuständigkeiten nach lit b und c. Da sich diese aus den einzelstaatlichen Regelungen der Mitgliedstaaten ableiten, ist diesen auch der maßgebliche Zeitpunkt zu entnehmen.

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7 8

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Ua Kropholler vor Art 2 Brüssel I-VO Rn 13. Ua Kropholler vor Art 2 Brüssel I-VO Rn 14; MünchKommZPO /Gottwald Art 2 Brüssel I-VO Rn 20; Rauscher/Mankowski Art 2 Brüssel I-VO Rn 4. Für die entsprechende Lösung bei der Brüssel I-VO Kropholler vor Art 2 Brüssel I-VO Rn 15. Vgl Kropholler vor Art 2 Brüssel I-VO Rn 13.

Januar 2010

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Kapitel II Zuständigkeit

6.

Art 3 EG-UntVO 15-18

Grenzüberschreitender Bezug?

Dem Wortlaut des Art 3, insbesondere von lit a und b, ist nicht zu entnehmen, dass 15 seine Anwendung einen grenzüberschreitenden Bezug des Sachverhalts voraussetzt. Er könnte also auch auf rein innerstaatliche Fälle anzuwenden sein.9 Dies hätte zur Folge, dass die Bestimmungen der nationalen Prozessrechte zur örtlichen Zuständigkeit in Unterhaltssachen weitgehend an Bedeutung verlören. Das Problem ist bei der EGUntVO von besonderer Brisanz, weil sie im Unterschied zu den allgemeinen Zuständigkeiten nach den Brüssel I und IIa-VO eben nicht nur die internationale Zuständigkeit regelt und nicht wie diese, die örtliche Zuständigkeit dem nationalen Recht überlässt. Die besondere Zuständigkeit für Unterhaltssachen in Art 5 Nr 2 Brüssel I-VO, die die örtliche Zuständigkeit mit erfasst, setzt stets einen grenzüberschreitenden Bezug voraus, da der Beklagte seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Gerichtsstaat haben muss. In den Erwägungsgründen finden sich Passagen, die für eine Beschränkung der Zustän- 16 digkeiten auf Sachverhalte mit grenzüberschreitenden Bezügen herangezogen werden können, obwohl der Begriff der internationalen Zuständigkeit nicht verwandt wird.10 Im Erwägungsgrund 1 wird die EG-UntVO in die Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen eingeordnet. Im Erwägungsgrund 2 findet sich ein Verweis auf Art 65 lit b EGV, wonach die Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen auf die Vermeidung von Kompetenzkonflikten gerichtet sind. Kompetenzkonflikte entstehen jedoch tatsächlich nur bei Sachverhalten mit grenzüberschreitenden Bezügen. Erwägungsgrund 4 bezieht sich auf die Tagung des Europäischen Rates in Tampere 17 am 15./16.10.1999, auf der das Ziel formuliert wurde, gemeinsame Verfahrensregeln für eine vereinfachte und beschleunigte Beilegung von grenzüberschreitenden Streitfällen, insbesondere in Unterhaltssachen, aufzustellen. Auch aus Erwägungsgrund 10 lässt sich das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Bezugs ableiten. Der Begriff „Kompetenzkonflikte“ wird im unmittelbaren Zusammenhang zu den Kollisionsnormen, der Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Entscheidungen und der behördlichen Zusammenarbeit gebraucht. Auch hier wird ein grenzüberschreitender Bezug vorausgesetzt. Wenn der europäische Gesetzgeber mit der Verordnung die nationalen Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit im allgemeinen harmonisieren wollte, hätte er dies in den Erwägungsgründen deutlich machen und seine Kompetenz hierfür auch begründen müssen. Insgesamt ist wohl davon auszugehen, dass die Anwendung der Artt 3 ff EG-UntVO 18 voraussetzt, dass die Unterhaltssache einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist. Dabei ist mE das Kriterium näher zu bestimmen, um Rechtsunsicherheit in Bezug auf die Abgrenzung erfasster und nicht erfasster Unterhaltssachen zu verhindern. Außerdem 9 10

Hierzu bereits in der Vorauflage Rauscher/Rauscher Einf EG-UntVO-E Rn 11. Anders Erwägungsgrund 2 Brüssel I-VO.

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Art 3 EG-UntVO 19-22

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

ist zu vermeiden, dass in einem Mitgliedstaat lebende Personen unterschiedlichen Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit unterworfen sind, nur weil einer von ihnen eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt. 19 Um die Relevanz zu verdeutlichen, sei ein Beispiel genannt: Unterhaltsberechtiger und -verpflichteter leben in Deutschland, der eine in Berlin und der andere in Düsseldorf. Einer von ihnen besitzt neben der deutschen eine ausländische Staatsangehörigkeit. Würde die Staatsangehörigkeit für den grenzüberschreitenden Bezug ausreichen, könnte der Berechtigte nach Art 3 wählen, ob er den Antrag bei dem Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragsgegners oder bei dem Gericht geltend macht, in dessen Bezirk er selbst seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Wäre wegen Fehlens eines grenzüberschreitenden Moments die EG-UntVO nicht anwendbar, würde nach autonomem deutschem Recht ein solches Wahlrecht nicht bestehen. Der Antrag müsste beim Gericht am gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners eingereicht werden. Nach deutschem Verfahrensrecht ist die Annexzuständigkeit bei Anhängigkeit einer Ehesache nach § 232 Abs 1 Nr 1 FamFG ausschließlich. Würde die Staatsangehörigkeit eines der Beteiligten für die Anwendung von Art 3 ausreichen, so würde aus dieser zwingenden Zuständigkeit eine alternative werden. Rechtspolitisch lassen sich diese Ergebnisse nicht rechtfertigen. 20 Der europäische Gesetzgeber hat die örtliche Zuständigkeit in Sachverhalten mit Auslandsberührung gleich mitgeregelt, um hier den Zugang zu den Gerichten zu erleichtern. Dem Antragsteller wird es erspart, die Zuständigkeiten nach nationalem Recht zu ergründen. Dieser Gesichtspunkt entfällt, wenn alle Beteiligten im Inland leben, auch wenn sie oder einer von ihnen eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt. 21 Die Abgrenzung ist mE am besten negativ vorzunehmen. Art 3 ist anzuwenden, wenn mindestens einer der Beteiligten seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Aufenthalt außerhalb des Gerichtsstaates zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Verfahrens hat. Das Kriterium des Aufenthaltes schließt jedoch die bloße Anwesenheit (wie zB Ferienaufenthalt) aus.11 Als Beteiligte in diesem Sinne sind anzusehen, die Parteien des Verfahrens und, selbst soweit sie nicht Partei sind, Unterhaltsberechtigter und -verpflichteter, zB bei Prozessstandschaft. II.

Einzelne Gerichtsstände

1.

Gerichtsstand des Beklagten

22 Der Begriff Beklagter ist im weiten Sinne zu verstehen. Gemeint ist die Person, gegen die die Klage /der Antrag in einem Verfahren über die Unterhaltspflicht vor einem Gericht /einer Behörde in einem Mitgliedstaat gerichtet ist. Geregelt sind die internationale und örtliche Zuständigkeit. Die internationale Zuständigkeit der Gerichte des betreffenden Mitgliedstaates ist gegeben, wenn der Be11

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Im Sinne von Erwägungsgrund 32 zu verstehen.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 3 EG-UntVO 23-25

klagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gerichtsstaat hat. Hat der Beklagte keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gerichtsbezirk, hat er jedoch seinen gewöhnlichen Aufenthalt auf dem Gebiet des Staates des angerufenen Gerichts, so können die innerstaatlichen Vorschriften zur Verweisung an das nach lit a zuständige örtliche Gericht zur Anwendung kommen.12 Hat der Beklagte einen gewöhnlichen Aufenthalt in zwei Staaten, darunter im Staat des angerufenen Gerichts, so reicht das für die Zuständigkeitsbegründung. a) Gewöhnlicher Aufenthalt Der gewöhnliche Aufenthalt ist in der EG-UntVO nicht definiert. Er ist Hauptkrite- 23 rium für die Begründung der internationalen Zuständigkeit und zugleich Hauptanknüpfungspunkt im HUntStProt 2007.13 Auch das HUntStProt 2007, das HUntVerfÜbk 2007 sowie die früheren Haager Übereinkommen zum Unterhalt definieren den Begriff nicht. Er hat durch die Rechtsprechung der nationalen Gerichte zu den Haager Unterhaltsübereinkommen, insbesondere zum Kollisionsrecht, Konturen erhalten. Der Erwägungsgrund 8 steht dafür, dass für die Auslegung des Begriffs auf seine Prä- 24 gung, die er durch die Rechtspraxis bei Anwendung der Haager Übereinkommen erhalten hat, zurückgegriffen wird. Dafür spricht auch, dass der Begriff für die Zuständigkeit und für das Kollisionsrecht einheitlich ausgelegt werden sollte. Neben dem gewöhnlichen Aufenthalt wird in der EG-UntVO auch an den Aufenthalt14 geknüpft und dieser wird wiederum vom Kriterium der bloßen Anwesenheit abgegrenzt.15 Damit übernimmt die EG-UntVO die Differenzierung des HUntVerfÜbk 2007.16 Gleichzeitig gibt es Parallelen zu der Brüssel IIa-VO. Hier sind der gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten bzw des Kindes Hauptkriterien für die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten in Ehesachen und für die Verfahren der elterlichen Verantwortung. Für letztere gibt es wiederum Bezüge zu den Haager Übereinkommen, nämlich dem MSA,17 dem KSÜ18 und dem HKEntÜbK 198019. Auch die Brüssel IIaVO und das KSÜ kennen die Unterscheidung zwischen dem gewöhnlichen Aufenthalt und dem Aufenthalt. 20 In den Fokus gerät die Frage, ob zumindest für familienrechtliche Rechtsakte der Ge- 25 meinschaft der Begriff „gewöhnlicher Aufenthalt“ einheitlich auszulegen ist, und welche Rolle hierbei seine Prägung durch die Rechtspraxis und Lehre in Bezug auf die Haager Übereinkommen zu dem Unterhalt und der elterlichen Verantwortung spielt. 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Im dt Recht § 281 Abs 1 ZPO. Zum HUntStProt 2007 Art 3. Art 44 Abs 1. Erwägungsgrund 32. Siehe Art 20 Abs 1 lit a, c und d sowie Art 9 HUntVerfÜbk 2007. Art 1 MSA. Art 5 KSÜ. Art 4 HKEntÜbK 1980. Artt 8, 13 Brüssel IIa-VO; Artt 5, 6 KSÜ.

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Art 3 EG-UntVO 26-28

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

In der Rechtssache C- 523/07, die die elterliche Verantwortung betrifft, ist dem EuGH erstmals die Frage vorgelegt worden, wie der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in Art 8 Abs 1 Brüssel IIa-VO auszulegen ist. 21 Der EuGH hat wiederholt betont, dass aus dem Erfordernis sowohl der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts als auch des Gleichheitssatzes folgt, dass die Begriffe einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts in der Regel eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen.22 26 Da Art 8 Abs 1 Brüssel IIa-VO nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, ist der Begriff im Zusammenhang mit dem Regelungskontext entsprechend seinem Sinn und Zweck zu konkretisieren. 23 Dabei ist der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes anhand aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. 24 So sind neben der körperlichen Anwesenheit des Kindes in einem Mitgliedstaat auch andere Umstände zu berücksichtigen, die Ausdruck einer gewissen Integration in ein soziales und familiäres Umfeld sind, wie etwa die Dauer, die Regelmäßigkeit und die Verhältnisse des Aufenthaltes sowie die Gründe für diesen Aufenthalt und den Umzug der Familie in diesen Staat, die Staatsangehörigkeit des Kindes, Sprachkenntnisse und die sozialen Bindungen des Kindes. 25 Ob der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in einem Mitgliedstaat gegeben ist, ist vom nationalen Gericht anhand dieser Kriterien in einer Gesamtbetrachtung festzustellen. 26 27 Im Kern ist dem Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes mE ein übereinstimmender Inhalt in familienrechtlichen Rechtsakten der Gemeinschaft für die internationale Zuständigkeit und das anwendbare Recht beizumessen. Bei der Subsumtion im konkreten Fall bleibt dann dem nationalen Richter hinreichend Spielraum, für die Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände, die im konkreten Fall von Bedeutung sind;27 wobei auch die Regelungssystematik und der Sinngehalt der jeweiligen Anknüpfung Beachtung finden können. 28 Bei der EG-UntVO spielt in diesem Zusammenhang sicherlich eine Rolle, dass sie – anders als die Brüssel IIa-VO für die elterliche Verantwortung – keine Ersatzzuständigkeit vorsieht, wenn die für die Zuständigkeit ausschlaggebende Person nirgendwo einen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für sie ist deshalb möglichst dieses Ergebnis zu vermeiden. Zudem kann die Frage, ob die betreffende Person einen gewöhnlichen Aufenthalt hat, nicht offen gelassen werden. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die Kriterien für die Begründung des neuen gewöhnlichen Aufenthalts weniger 21 22 23 24

25 26 27

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EuGH Rs C-523/07 A NJW 2009, 1868. Rn 34. Vgl auch EuGH Rs C-98/07 Nordania Finans/ BG Factoring EuGHE 2008 I 1281 Rn 17. Rn 35. So bereits Generalanwältin Kokott Schlussanträge zu EuGH Rs C-523/07 A zu Art 8 Abs 1 Brüssel IIa-VO Rn 15. Rn 39. Rn 42. Vgl Generalanwältin Kokott Schlussanträge zu EuGH Rs C-523/07 A Rn 15.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 3 EG-UntVO 29-32

streng zu handhaben sind, wenn im anderen Fall für die Zuständigkeit das Ergebnis wäre, dass die Person ohne gewöhnlichen Aufenthalt im fraglichen Zeitpunkt ist. Ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat eine Person in dem Staat, in dem sie ihren Da- 29 seinsmittelpunkt hat.28 Dies ist der Ort, an dem sie sich nicht nur vorübergehend aufhält, an dem der Schwerpunkt ihrer Bindung, insbesondere in familiärer und beruflicher Hinsicht, besteht.29 Entscheidend sind in erster Linie die objektiven Merkmale der Dauer und der Beständigkeit des Aufenthalts. 30 Eine bestimmte Frist hierfür gibt es nicht. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, wann der Aufenthalt die notwendige Beständigkeit aufweist. Hierauf wirken entscheidend familiäre (wie Eheschließung, Nachzug der Familie, feste nichteheliche Lebensgemeinschaft), berufliche (wie unbefristetes Arbeitsverhältnis, Gründung eines Unternehmens oder Beteiligung daran) und soziale Umstände (wie Kontakte zu religiösen Gemeinschaften, zu Vereinen und Verbänden, kulturelle Verbindungen, freundschaftliche Beziehungen, auch nachbarschaftliche Beziehungen) ein. 31 Ein wichtiger Aspekt ist auch die Verständigungsmöglichkeit in der Sprache des Aufenthaltsstaates, der jedoch dann zu relativieren ist, wenn man sich in der sozialen Umwelt der betreffenden Person vorwiegend in der Sprache des Herkunftsstaates verständigt. Eine vorübergehende Abwesenheit verändert den gewöhnlichen Aufenthalt nicht, 30 solange der Lebensmittelpunkt bestehen bleibt. Jedoch „ist nicht mehr von einem gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen, wenn eine Rückkehr an den ursprünglichen Aufenthaltsort aufgrund der tatsächlichen Umstände nicht mehr absehbar ist“.32 31 Der gewöhnliche Aufenthalt wird begründet: – durch einen tatsächlich nicht zu geringen Aufenthalt und die dadurch entstandenen Bindungen der verschiedensten Art in einem bestimmten Staat. Bei dieser faktischen Begründung ist der subjektive Wille der Person, ihren Lebensmittelpunkt in diesem Staat zu begründen, nicht erforderlich. Notwendig ist jedoch eine gewisse Integration in die dortigen gesellschaftlichen Verhältnisse und die Aufnahme objektiv feststellbarer sozialer Beziehungen, was bei längerem Aufenthalt regelmäßig anzunehmen ist. 33 – auch ohne eine längere Aufenthaltsdauer, wenn von vornherein ein längerfristiges 32 Verweilen und eine Integration in die gesellschaftlichen Beziehungen in diesem Staat beabsichtigt sind. Aus den Umständen muss sich ergeben, dass zukünftig anstelle des bisherigen Landes ein anderes Land Daseinsmittelpunkt sein soll.34 Zu diesen Umständen gehören zB Anmietung von Wohnraum oder Erwerb einer Im28

29 30 31 32 33 34

Ua BGHZ 78, 293; BGH NJW 1975, 1068; OLG München IPRspr 2005 Nr 198, 543; Rauscher IPR Rn 274; Rauscher /Rauscher Art 3 Brüssel IIa-VO Rn 22. Ua BGH NJW 1975, 1068; BGH NJW 1981, 520. Ua BGH NJW 1993, 2047, 2049; OLG Karlsruhe NJW-RR 1992, 1094; Spellenberg IPRax 1988, 1, 4 f. So Generalanwältin Kokott Schlussanträge zu EuGH Rs C-523/07 A Rn 40. Generalanwältin Kokott Schlussanträge zu EuGH Rs C-523/07 A Rn 42. BGH NJW 1993 2047, 2049; BGH NJW 1981, 520; Rauscher IPR Rn 274. BGH NJW 1981, 520.

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Art 3 EG-UntVO 33-36

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

mobilie zu Wohnzwecken, Aufnahme einer unbefristeten Tätigkeit und die Anmeldung bei den zuständigen Behörden. Ein Aufenthalt muss jedoch auch hier begründet sein. Spiegelbildlich dazu sprechen die Aufgabe dieser Verbindung zum bisherigen Aufenthaltsland und die Abmeldung bei den dortigen Behörden für die Aufgabe des bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsortes. 35 33 Illegal sich in einem Mitgliedstaat aufhaltende bzw ausreisepflichtige Personen können den gewöhnlichen Aufenthalt nicht von Beginn des Aufenthalts an begründen, weil dem fremdenrechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Nicht ausgeschlossen ist jedoch die Begründung durch längeren Aufenthalt und gewisse soziale Integration, weil es in erster Linie auf die tatsächlichen Lebensumstände ankommt. 36 Der gewöhnliche Aufenthalt kann ausnahmsweise ganz fehlen. Das ist dann der Fall, wenn der Aufenthalt in einem Staat gewollt nicht nur vorübergehend aufgegeben wird und sich nicht aus den Umständen ergibt, dass der gegenwärtige Aufenthalt nunmehr der Daseinsmittelpunkt dieser Person ist. b) Insbesondere gewöhnlicher Aufenthalt eines Kindes 34 Der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes leitet sich nicht von dem seines Sorgerechtsberechtigten ab. 37 Es bildet den räumlichen tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Kindes. 38 Erforderlich ist ein Aufenthalt von gewisser, nicht zu geringer Dauer in dem betreffenden Staat, wobei der Aufenthalt innerhalb des Staates durchaus wechseln kann. Feststehende Zeiten für die Mindestdauer des Aufenthalts gibt es nicht; der Zeitfaktor besitzt nur Indizienfunktion.39 35 Es kommt auch hier vor allem auf die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthalts sowie die familiäre und soziale Einbindung des Kindes an.40 Von Bedeutung kann dabei auch das Alter des Kindes sein. Ein nur vorübergehender Aufenthalt in einem anderen Staat hebt den gewöhnlichen Aufenthalt nicht auf, wenn der Lebensmittelpunkt des Kindes nach den Gesamtumständen im bisherigen Aufenthaltsstaat bestehen bleibt, zB bei einem auch längeren Ferienaufenthalt. 41 36 Problematisch ist die Lösung bei langfristiger Unterbringung des Kindes in einem Internat und Rückkehr in den Ferien nach Hause. 42 Ähnlich ist die Situation bei einem 35 36

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38 39

40 41

500

Generalanwältin Kokott Schlussanträge zu EuGH Rs C-523/07 A Rn 44. Ua Nagel/Gottwald IZPR § 3 Rn 311; Geimer IZPR Rn 299a; aA AG Landstuhl FamRZ 2002, 1343 m krit Anm Gottwald (Ablehnung eines gewöhnlichen Aufenthalts nach sechsjährigem inländischen Aufenthalt); MünchKommZPO /Bernreuther § 606 ZPO Rn 17. Zum MSA BGH NJW 1997, 3024; Staudinger /Kropholler (1994) Vorbem zu Art 19 EGBGB Rn 143 mwN. Generalanwältin Kokott Schlussanträge zu EuGH Rs C-523/07 A Rn 38. Generalanwältin Kokott Schlussanträge zu EuGH Rs C-523/07 A Rn 41; MünchKommBGB /Sonnenberger Einl IPR Rn 732 mwN; Winkler v Mohrenfels FPR 2001, 189, 190. Siehe hierzu auch EuGH Rs C-523/07 A NJW 2009, 1868. Generalanwältin Kokott Schlussanträge zu EuGH Rs C-523/07 A Rn 42.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 3 EG-UntVO 37, 38

Auslandsstudium. Für die Beibehaltung des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts spricht der von vornherein vorübergehende Charakter des Aufenthalts und das Bestehenbleiben der Familien- und sonstigen Kontakte. Gerade dieser Fall ist jedoch nicht unumstritten. Nach anderer Auffassung wäre der gewöhnliche Aufenthalt wegen der Sachnähe eher im Staat der Belegenheit des Internats oder am Studienort anzunehmen. 43 Erforderlich ist eine Einzelfallbewertung. 44 Neben dem Aufenthalt von gewisser Dauer müssen Umstände vorliegen, die eine dauerhafte Beziehung des Kindes zu seinem Aufenthaltsstaat anzeigen. Solche Umstände sind vor allem familiäre Bindungen (insbesondere Eltern, Geschwister, Großeltern und nahe Verwandte45), Besuch des örtlichen Kindergartens oder der Schule, Aktivitäten im Sportverein, kirchliche Bindung, Freundschaften und Kenntnis der Landessprache. 46 Der gewöhnliche Aufenthalt bestimmt sich ausschließlich nach tatsächlichen Umständen, er hängt nicht von der Aufenthaltserlaubnis ab. 47 Ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes kann auf zweierlei Art und Weise be- 37 gründet werden: Ein Wechsel kann schon bei einem Aufenthalt von sehr kurzer Dauer erfolgt sein, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der neue Aufenthalt auf Dauer angelegt ist48 und der neue Lebensmittelpunkt des Kindes sich dort befinden soll. Dies setzt jedoch einen entsprechenden Willen der Sorgerechtsberechtigten, die das Aufenthaltsbestimmungsrecht innehaben, voraus.49 Der Wille muss sich dabei in bestimmten äußeren Umständen manifestieren, wie sie unter Rn 32 aufgezählt sind. Für das Kind kommen hinzu Anmeldung und Besuch von Kindergarten, Schule und Sportverein. Ansonsten wird der neue gewöhnliche Aufenthalt durch die tatsächliche Dauer des Aufenthalts und die im Verlaufe des Aufenthalts entstandenen Bindungen der unter Rn 31 dargestellten Art begründet, sobald der neue Aufenthalt der Lebensmittelpunkt des Kindes ist. Auch bei Entführung oder Vorenthaltung eines Kindes richtet sich die Bestimmung 38 des gewöhnlichen Aufenthalts nach den allgemeinen Kriterien.50 Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ist keine notwendige Voraussetzung für einen gewöhnlichen Aufenthalt.51 Fehlt der entsprechende Wille des anderen sorgerechtsberechtigten Elternteils, 42

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BGH FamRZ 1975, 272, 273; Soergel /Kegel Art 5 EGBGB Rn 46; Staudinger /Kropholler (1994) Vorbem zu Art 19 EGBGB Rn 140 f; MünchKommBGB /Sonnenberger Einl IPR Rn 732 jeweils mwN; Baetge IPRax 2001, 573, 575. Staudinger /Kropholler (1994) Vorbem zu Art 19 EGBGB Rn 155 f; MünchKommBGB /Sonnenberger Einl IPR Rn 732 f. OLG Hamm FamRZ 1989, 1331 (Beibehaltung des dt gewöhnlichen Aufenthalts), OLG Hamm FamRZ 2002, 54 (Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts am ausländischen Studienort). Generalanwältin Kokott Schlussanträge zu EuGH Rs C-523/07 A Rn 48. BGHZ 151, 63, 65; MünchKommBGB /Siehr Art 19 EGBGB Rn 10. OLG Wien ZfRV 2004, 75. Hierzu Winkler v Mohrenfels FPR 2001, 189, 191. BGHZ 78, 239, 135; OLG München IPRspr 2005 Nr 198, 543. BGH FamRZ 2002, 1182 m Anm Bauer IPRax 2003, 135, 136; BGH NJW 1981, 520. BGH NJW 2005, 3424, 3427; BGH FamRZ 2002, 1182.

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Art 3 EG-UntVO 39, 40

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so kann der Aufenthalt des Kindes in dem anderen Staat zunächst noch nicht als auf Dauer angelegt angesehen werden.52 In einem solchen Fall bleibt der alte gewöhnliche Aufenthalt solange bestehen, bis der neue (rechtswidrige) Aufenthalt der tatsächliche Lebensmittelpunkt des Kindes geworden ist.53 Letzteres trifft erst zu, wenn der Aufenthalt des Kindes im Zufluchtsstaat von nicht geringer Dauer und eine soziale Integration insoweit erfolgt sind, dass es sich im neuen Aufenthaltsstaat eingelebt hat.54 c) Hilfsgerichtsstand 39 Art 3 sieht keinen Hilfsgerichtsstand für den Fall vor, dass der Antragsgegner weder im Inland noch im Ausland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist nach der EGUntVO die Zuständigkeit der Gerichte keines Mitgliedstaates in der konkreten Unterhaltssache gegeben, so könnte sie zwar über die Notzuständigkeit nach Art 7 begründet werden. Die Funktion der Notzuständigkeit55 besteht jedoch nicht darin, erkennbare Lücken in den Normen über die Zuständigkeit zu schließen. Besser ist es deshalb für den Fall, dass der Beklagte keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Staat hat, eine ungeschriebene lückenschließende Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaates anzunehmen. In Betracht kommt die Anknüpfung an den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat, der die bloße Anwesenheit jedoch ausschließt56 oder den letzten gewöhnlichen Aufenthalt, wenn dieser in einem Mitgliedstaat lag. 2.

Gerichtsstand des Unterhaltsberechtigten

a) Regelungszweck 40 Lit b schafft einen den Unterhaltsberechtigten begünstigenden Gerichtsstand. Für Anträge des Unterhaltsverpflichteten fällt er mit lit a zusammen und hat deshalb für ihn keine selbständige Bedeutung. Der Gerichtsstand ist jedoch auch durch seine Sachnähe begründet. Die Gerichte des Mitgliedstaates, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, haben den besten Zugang zu den Umständen, aus denen dessen Bedarfe resultieren, die für die Bemessung des Unterhalts entscheidend sind. Der Regelungszweck stimmt mit dem von Art 5 Nr 2 Brüssel I-VO überein. Der Gerichtsstand dient dem Schutz des Unterhaltsberechtigten als typischerweise schwächeren Partei. Ihr soll der Vorteil eines räumlich nahen Gerichtsstands zustatten kommen und damit der Zugang zu den Gerichten erleichtert werden.57 52

BGHZ 78, 293, 294; OLG Nürnberg FamRZ 2003, 163; OLG Hamm IPRax 1993, 104, 105.

53

Insb zum MSA mwN ua BGH NJW 2002, 2955; OLG Nürnberg FamRZ 2003, 163; Palandt /Thorn Art 5 EGBGB Rn 11 sowie Anh zu Art 24 EGBGB Rn 12; siehe auch BVerfG NJW 1999, 631. Zur mittlerweile veralteten aA (keine Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts) siehe ua die Nachweise in OLG Hamm NJW-RR 1997, 5, 6. OGH Wien IPRax 2001, 142. Hierzu Art 7 Rn 1 ff. Wie in Erwägungsgrund 12. EuGH Rs C-295/95 Farrell/Long EuGHE 1997 I 1683 Rn 19; EuGH Rs C-433/01 Freistaat Bayern/Jan Blijdenstein EuGHE 2004 I 981 Rn 29 = IPRax 2004, 240; hierzu auch Rauscher /Leible Art 5 Brüssel I-VO Rn 61.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 3 EG-UntVO 41- 43

b) Gewöhnlicher Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten Unterhaltsberechtigte Person ist die natürliche Person, der der Unterhalt zusteht oder 41 vermeintlich zusteht.58 Im Fall der Prozessstandschaft kommt es auf die Person an, die materiell-rechtlich (vermeintlicher) Inhaber des Anspruchs ist und nicht auf die, die die Prozessführungsbefugnis innehat. Mit der Beschränkung auf natürliche Personen wird klargestellt, dass bei Regressklagen von öffentlichen Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen (öAwE)59 kein Gerichtsstand am Sitz/an der Niederlassung der Einrichtung begründet wird. Dies folgt auch aus Erwägungsgrund 14, wonach der Begriff „berechtigte Person“ für die Zwecke des Antrags auf Anerkennung und Vollstreckung einer Unterhaltsentscheidung und damit nicht für die Zuständigkeit öAwE einschließt. Auch bei einem sonstigen gesetzlichen, von der EG-UntVO erfassten Forderungs- 42 übergang60 wird kein Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt des Zessionars begründet, selbst wenn dieser eine natürliche Person ist. Nur der ursprünglich Berechtigte, dem der Unterhalt zusteht, nicht derjenige, der die Forderung erworben hat, ist mit berechtigte Person gemeint. Neben der Begriffsbestimmung im Art 2 Abs 1 Nr 10 lässt sich dies aus dem Sinn und Zweck des Gerichtsstandes des Unterhaltsberechtigten herleiten. Weder ist der Zessionar herausgehoben schutzwürdig, noch besitzt das Gericht an seinem gewöhnlichen Aufenthalt /seiner Niederlassung eine besondere Sachnähe. Zum anderen wäre eine solche Zuständigkeit vom Prozessgegner nicht voraussehbar. Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts siehe Rn 23 ff, zum Anknüpfungszeitpunkt siehe Rn 12 ff, zum Fehlen des gewöhnlichen Aufenthalts im Gerichtsbezirk siehe Rn 22 entsprechend.61 c) Antragsberechtigter Der Gerichtsstand steht jeder Person für einen Antrag zur Verfügung, die vom An- 43 wendungsbereich der EG-UntVO erfasst wird.62 Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied zu Art 5 Nr 2 Brüssel I-VO. Da dieser Gerichtsstand nunmehr als alternativer allgemeiner Gerichtsstand geregelt ist, ist die Inanspruchnahme nicht auf den Unterhaltsberechtigten beschränkt. Das Günstigkeitsprinzip, das für Art 5 Nr 2 Brüssel I-VO vertreten wird,63 ist mit Stellung und Inhalt der Neuregelung nicht vereinbar. Dasselbe gilt für die Auffassung, dass öAwE64 für ihre Regressanträge diese Zuständigkeit nicht nutzen können,65 weil sie sich in keiner Situation der Schwäche gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten befinden. 58 59 60 61 62 63 64 65

Art 2 Abs 1 Nr 10. Hierzu Art 1 Rn 38 ff und Art 64. Hierzu auch Art 2 Rn 13. Zum doppelten gewöhnlichen Aufenthalt siehe Rn 22. Hierzu Art 1 Rn 1 ff. Hierzu bereits Einl Rn 37. Zum Begriff siehe Art 64 Rn 1 f; außerdem Art 1 Rn 38 ff. EuGH Rs C-433/01 Freistaat Bayern/Jan Blijdenstein EuGHE 2004 I 981 Rn 30 = IPRax 2004, 240; m Anm Martiny IPRax 2004, 195; Neu EuZW 2004, 278.

Marianne Andrae

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Art 3 EG-UntVO 44- 47

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

44 Auch öAwE steht dieser Gerichtsstand zur Verfügung. Für die Möglichkeit seitens der öAwE, an diesem Gerichtsstand Anträge einzubringen, spricht, dass die Zuständigkeitsordnung der EG-UntVO abschließenden Charakter aufweist. Würden sie von diesem Gerichtsstand ausgeschlossen, hätte dies zur Folge, dass diesen in keinem Mitgliedstaat ein Forum zur Verfügung stünde, wenn sie Leistungen an Unterhaltsberechtigte im EU-Raum erbringen würden, soweit der Unterhaltsverpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hat. Dies würde dem allgemeinen öffentlichen Interesse an der Eintreibung von Schulden gegenüber säumigen Unterhaltsverpflichteten, an dessen Stelle die Einrichtung geleistet hat, zuwiderlaufen. Die Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen schließen öAwE nicht von der Anerkennungszuständigkeit der Gerichte des Staates aus, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dies ist ein Grund mehr, ihnen die Möglichkeit im EU-Raum zu bieten, diese Zuständigkeit im Erkenntnisverfahren zu nutzen. 45 Der Gerichtsstand steht weiterhin Privaten zur Verfügung, die (vermeintliche) Unterhaltsansprüche geltend machen, die (vermeintlich) durch Legalzession erworben wurden, soweit sie vom Anwendungsbereich der EG-UntVO erfasst sind.66 Insoweit sollte eine Gleichstellung dieser Personen mit öAwE in Bezug auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Gerichte eines Mitgliedstaates erfolgen.67 3.

Nebenentscheidung im Statusverfahren

46 Lit c regelt die Annexzuständigkeit für die Entscheidung über den Unterhalt, wenn in der Hauptsache ein Verfahren in der Personenstandssache an diesem Gericht anhängig ist. Die Zuständigkeit umfasst wiederum die internationale und die örtliche Zuständigkeit. 47 Voraussetzungen Folgende Voraussetzungen müssen für diese Zuständigkeit kumulativ erfüllt sein: (a) Es muss eine Personenstandssache an diesem Gericht anhängig sein und dieses Gericht muss nach dem Recht des Gerichtsstaates für diese Personenstandssache zuständig sein. Personenstandssachen sind Ehesachen (Scheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, Ungültigkeitserklärung der Ehe und Feststellung des Bestehens/Nichtbestehens der Ehe), Lebenspartnerschaftssachen, die die vergleichbaren Gegenstände betreffen, Abstammungssachen (Feststellung und Anfechtung der Elternschaft/Verwandtschaft), Adoptionsverfahren.

66 67

504

Hierzu Art 1 Rn 33 ff. Für Art 5 Nr 2 Brüssel I-VO wurde hauptsächlich vertreten, dass dieser Gerichtsstand auch für die Legalzession in Bezug auf Privatpersonen nicht zur Verfügung steht, hierzu mwN Rauscher/Leible Art 5 Brüssel I-VO Rn 67a.

Januar 2010

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 3 EG-UntVO 48-51

Für Ehesachen ergibt sich die internationale Zuständigkeit vorrangig aus der Brüssel IIa-VO, nur insoweit Art 7 die Restzuständigkeit nach einzelstaatlichem Recht eröffnet, kann sie aus einzelstaatlichem Recht der Mitgliedstaaten folgen. Die örtliche Zuständigkeit in der Ehesache regelt sich nach innerstaatlichem Recht. Für andere Personenstandssachen bestimmt sich die internationale und örtliche Zuständigkeit nach einzelstaatlichem Recht des Gerichtsstaates. (b) Die internationale Zuständigkeit in der Statussache darf sich nicht allein auf die 48 Staatsangehörigkeit einer am Statusverfahren beteiligten Person gründen. Damit bleibt die Zuständigkeit möglich, wenn sie darauf beruht, dass beide Parteien die Staatsangehörigkeit des Entscheidungsstaates haben.68 Sie kann auch dann in Anspruch genommen werden, wenn neben der Staatsangehörigkeit noch ein anderes Kriterium für die Zuständigkeit entscheidend ist.69 Der Tatbestand sollte auch als erfüllt angesehen werden, wenn die innerstaatliche Bestimmung ausschließlich die Staatsangehörigkeit einer Partei ausreichen lässt, aber andere alternative Anknüpfungspunkte erfüllt sind. Beispiel: Im deutschen Recht reicht es für die Begründung der Zuständigkeit in Ab- 49 stammungssachen aus, wenn das Kind, die Mutter oder der (vermeintliche) Vater Deutsche sind oder im Inland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die Anwendung von Art 3 lit c ist zB möglich, wenn wenigstens zwei der Personen die deutsche Staatsangehörigkeit haben oder einer von ihnen auch einen deutschen gewöhnlichen Aufenthalt. (c) Über die Unterhaltspflichten ist als Nebensache im Verfahren über den Per- 50 sonenstand zu entscheiden. Ob die Unterhaltssache als Nebensache in einem solchen Verfahren eingebracht werden kann, bestimmt sich nach dem einzelstaatlichen Recht des Gerichtsstaates. Im deutschen Recht ist eine solche Annexzuständigkeit vorgesehen bei Anhängigkeit einer Ehesache für den aus der Ehe begründeten Unterhalt und den Unterhalt gemeinsamer Kinder (§ 232 FamFG) und eines Verfahrens zur Feststellung der Vaterschaft (§ 237 FamFG). Nach nationalem Recht regelt sich auch, bis zu welchem Zeitpunkt der Antrag in der Unterhaltssache anhängig gemacht werden muss, um die Annexzuständigkeit zu begründen. Auch wenn dies im nationalen Recht für die örtliche Zuständigkeit vorgesehen ist,70 ist sie nach Art 3 nicht ausschließlich. 4.

Nebenentscheidung im Verfahren über die elterliche Verantwortung (d)

a) Sinnzusammenhang Diese Annexzuständigkeit soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Verpflichtung 51 zur Barunterhaltsleistung der Eltern gegenüber einem Kind regelmäßig davon abhängig ist, bei wem sich das Kind überwiegend aufhält und wer deshalb den hauptsächli68

ZB Art 3 Abs 1 lit b Brüssel IIa-VO.

69

ZB Art 3 Abs 1 lit a Str 6 Brüssel IIa-VO, Staatsangehörigkeit und ein gewöhnlicher Aufenthalt von mindestens sechs Monaten. So § 232 FamFG.

70

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Art 3 EG-UntVO 52

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

chen Betreuungsunterhalt leistet. Im Grünbuch der Unterhaltspflichten71 heißt es hierzu: Die Möglichkeit, diese beiden Arten von Anträgen – Anträge im Zusammenhang mit der elterlichen Verantwortung einerseits und Anträge im Zusammenhang mit Unterhaltspflichten andererseits – miteinander zu verknüpfen, kann sich in der Tat als sehr sinnvoll erweisen. So sehen Entscheidungen, die bestimmen, dass ein Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei einem Elternteil hat, nicht selten vor, dass der andere Elternteil Unterhalt zu zahlen hat. Die einfachste Lösung ist deshalb darin zu sehen, „die Zuständigkeit für die Entscheidung über beide Fragen den Behörden desselben Staates zu übertragen“. Auch Erwägungsgrund 11 der Brüssel IIa-VO ist auf eine einheitliche Zuständigkeit für Entscheidungen zur elterlichen Verantwortung und in Unterhaltssachen orientiert, die dasselbe Kind betreffen. Die Struktur der Regelung entspricht der für den Annexgerichtsstand bei Anhängigkeit einer Personenstandssache. b) Voraussetzungen 52 (a) Es muss ein Verfahren über die elterliche Verantwortung bei dem angerufenen mitgliedstaatlichen Gericht anhängig sein. Es sind solche Verfahren, die dem sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel I-VO unterliegen.72 (b) Das angerufene Gericht muss für das Verfahren zur elterlichen Verantwortung nach seinem Recht international und örtlich zuständig sein. Die internationale Zuständigkeit regelt sich dabei primär nach Artt 8 ff der Brüssel IIa-VO73 und nur über die Restzuständigkeit des Art 14 Brüssel IIa-VO74 nach einzelstaatlichem Recht. Die örtliche Zuständigkeit ist ausschließlich den nationalen Vorschriften zu entnehmen. Diese bestimmen auch darüber, ob – soweit ein örtlich nicht zuständiges Gericht angerufen wird – von Amts wegen oder auf Antrag eine Verweisung an das örtlich zuständige Gericht erfolgt. (c) Die internationale Zuständigkeit für die Entscheidung zur elterlichen Verantwortung darf nicht allein auf der Staatsangehörigkeit einer der Verfahrensbeteiligten beruhen.75 (d) Über die Unterhaltspflichten ist als Nebensache im Verfahren über die elterliche Verantwortung zu entscheiden. Ob die Unterhaltssache als Nebensache in einem solchen Verfahren eingebracht werden kann, bestimmt sich nach dem Recht des angerufenen Gerichts. Im deutschen Recht ist eine solche Annexzuständigkeit im FamFG nicht vorgesehen, so dass sie für Verfahren in Deutschland nicht genutzt werden kann. 71 72

73 74 75

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Europäische Kommission, 15.4.2004, KOM (2004) 254, 15. Zur Auslegung von Art 1 Abs 1 lit b, Abs 2, 3 Brüssel IIa-VO Rauscher/Rauscher Art 1 Brüssel IIaVO Rn 20 ff. Hierzu Rauscher /Rauscher Artt 8-13 Brüssel IIa-VO. Hierzu Rauscher /Rauscher Art 14 Brüssel IIa-VO. Für diese Voraussetzung siehe Rn 48.

Januar 2010

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Art 4 EG-UntVO

Kapitel II Zuständigkeit

Nach nationalem Recht bestimmt sich auch, bis zu welchem Zeitpunkt die Unterhaltssache in diesem Verfahren anhängig gemacht werden muss. Diese Zuständigkeit steht nur den Beteiligten am Verfahren über die elterliche Verantwortung, einschließlich des Kindes, offen.

Artikel 4

Gerichtsstandsvereinbarungen (1) Die Parteien können vereinbaren, dass das folgende Gericht oder die folgenden Gerichte eines Mitgliedstaats zur Beilegung von zwischen ihnen bereits entstandenen oder künftig entstehenden Streitigkeiten betreffend Unterhaltspflichten zuständig ist bzw. sind: a) ein Gericht oder die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem eine der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; b) ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit eine der Parteien besitzt; c) hinsichtlich Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten oder früheren Ehegatten i) das Gericht, das für Streitigkeiten zwischen den Ehegatten oder früheren Ehegatten in Ehesachen zuständig ist, oder ii) ein Gericht oder die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Ehegatten mindestens ein Jahr lang ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Die in den Buchstaben a, b oder c genannten Voraussetzungen müssen zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichtsstandsvereinbarung oder zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts erfüllt sein. Die durch Vereinbarung festgelegte Zuständigkeit ist ausschließlich, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren. (2) Eine Gerichtsstandsvereinbarung bedarf der Schriftform. Elektronische Übermittlungen, die eine dauerhafte Aufzeichnung der Vereinbarung ermöglichen, erfüllen die Schriftform. (3) Dieser Artikel gilt nicht bei einer Streitigkeit über eine Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind, das noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat. (4) Haben die Parteien vereinbart, dass ein Gericht oder die Gerichte eines Staates, der dem am 30. Oktober 2007 in Lugano unterzeichneten Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen1 (nachstehend „Übereinkommen von Lugano“ genannt) angehört und bei dem es sich nicht um einen Mitgliedstaat handelt, ausschließlich zuständig sein soll bzw. sollen, so ist dieses Übereinkommen anwendbar, außer für Streitigkeiten nach Absatz 3. I. Wesentliche Neuerungen . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Grenzüberschreitender Bezug. . . . . . . . . .

8

III. Vereinbarung der internationalen

und örtlichen Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . 1

IV. Anforderungen an die Gerichtsstands-

vereinbarung im Allgemeinen 1. Schriftformerfordernis (Abs 2). . . . . . . 2. Wirksames Zustandekommen . . . . . . . . 3. Bestimmtheitserfordernis . . . . . . . . . . . . .

12 20 26

10

ABl EU L 2007 339/3.

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Art 4 EG-UntVO 1-3

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

V. Beschränkte Wahlmöglichkeiten (Abs 1) 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 2. Anforderungen an das Kriterium . . . . 31 3. Einzelne Kriterien a) Gewöhnlicher Aufenthalt einer Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Staatsangehörigkeit einer Partei . . 36 c) Ehegatten oder frühere Ehegatten 40 aa) Ehegericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 bb) Letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt . . . . . 47 VI. Ausschluss Kindesunterhalt (Abs 3)

49

VII. Missbrauchskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

I.

VIII. Wirkungen der

Gerichtsstandsvereinbarung 1. Grundsätzlich ausschließliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bindung des derogierten mitgliedstaatlichen Gerichts . . . . . . .

57 58

IX. Derogation durch Wahl eines

nichtmitgliedstaatlichen Gerichts. . . . . 1. Island, Norwegen und die Schweiz (Abs 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

X. Intertemporale Fragen . . . . . . . . . . . . . . . .

72

59 65

Wesentliche Neuerungen

1 Die Neuregelung führt zu wesentlichen Einschränkungen der Möglichkeit, eine Gerichtsstandsvereinbarung für Unterhaltssachen zu treffen. Nach der bisherigen Rechtslage unterlagen Gerichtsstandsvereinbarungen für Unterhaltssachen dem Art 23 Brüssel I-VO, der in Bezug auf diese Streitigkeiten keine Beschränkungen vorsieht. Die Beschränkungen nach Art 4 beziehen sich auf die Person des Unterhaltsberechtigten (Abs 3), die zur Verfügung stehenden Gerichtsstände (Abs 1) und die strengeren Formerfordernisse (Abs 2). 2 Die Regelung trägt einerseits dem Bedürfnis Rechnung, eine Gerichtsstandsvereinbarung auch in Unterhaltssachen zu treffen. In der Rechtspraxis betrifft dies vor allem Gerichtsstandsvereinbarungen im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Ehevertrages, einer Scheidungsfolgevereinbarung oder auch eine bloße Unterhaltsvereinbarung. Hier sichert die Gerichtsstandsvereinbarung die Erkennbarkeit des Forums im Falle einer Streitigkeit aus dem Vertrag. Verhindert wird, dass eine Partei durch spätere Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts der anderen Partei mit der Zuständigkeit des Gerichts eines Staates konfrontiert wird, mit der sie beim Abschluss des Vertrages nicht zu rechnen brauchte. 3 Andererseits rechtfertigt sich eine Einschränkung für Gerichtsstandsvereinbarungen in Bezug auf Unterhaltstreitigkeiten. Das betrifft zum einen die zur Verfügung stehenden Wahlgerichtsstände. Die Eingrenzung dient dazu, nur eine solche Wahl zuzulassen, die zu einem Gerichtsstand führt, zu dem mindestens eine Partei eine engere Beziehung hat und der damit eher eine gewisse Sachnähe zu der Unterhaltssache aufweist. Zum anderen geht es um den Schutz des Unterhaltsberechtigten. Dies wird dadurch erreicht, dass für Streitsachen bezogen auf den Unterhalt von Kindern bis zur 508

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 4 EG-UntVO 4- 6

Vollendung des 18. Lebensjahres eine Gerichtsstandsvereinbarung unzulässig ist. Das zwingende Schriftformerfordernis bewirkt darüber hinaus weiteren Schutz.2 Im Übrigen hat sich der Verordnungsgeber an die Struktur und den Inhalt von Art 23 Brüssel I-VO gehalten. 3 Soweit eine Übereinstimmung besteht, können die entsprechenden, schon bewährten und sehr ausgefeilten Auslegungen für diese Verordnung mit herangezogen werden. Dies erleichtert die Rechtsanwendung in der ersten Zeit und schafft Rechtssicherheit. Art 4 regelt unter Ausschluss des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten Zulässigkeit, 4 Voraussetzungen, Form und Wirkungen einer Gerichtsstandsvereinbarung im sachlichen Anwendungsbereich der EG-UntVO. Dies liegt im Interesse der Rechtssicherheit. Den Parteien wird dadurch ermöglicht, eine Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen, auf deren Wirksamkeit und Wirkungen sie sich bei Anrufung des Gerichts eines Mitgliedstaates verlassen können. Die Gerichte der Mitgliedstaaten entscheiden einheitlich nach den in Art 4 festgelegten Kriterien, die weder durch die nationalen Rechtsordnungen erweitert, noch eingeengt werden. 4 Dem Wortlaut nach regelt Art 4 nur die Vereinbarung des Gerichts bzw der Gerichte 5 eines Mitgliedstaates. Da jedoch die internationale Zuständigkeit für die Gerichte der Mitgliedstaaten in der EG-UntVO abschließend geregelt und eine Verweisung auf das nationale Recht also nicht mehr gestattet ist, muss er auch Antwort auf die Frage geben, ob durch die Vereinbarung eines drittstaatlichen Gerichts die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaates derogiert wird. Kritisch ist anzumerken, dass der Verordnungsgeber die Drittstaatenproblematik für 6 die Gerichtsstandsvereinbarung nicht bedacht hat.5 Auch fragt man sich, warum der Verordnungsgeber nicht die strengeren Schriftformerfordernisse der Haager Übereinkommen 2007 übernommen hat. Die Wahrung der Parallelität zu diesen Übereinkommen ist wichtiger als zu der Brüssel I-VO, die auf Unterhaltssachen nicht mehr anzuwenden ist, soweit der Anwendungsbereich der EG-UntVO reicht. Nur wenn die Gerichtsstandsvereinbarung den Anforderungen des HUntVerfÜbk 2007 entspricht, begründet sie auch eine Anerkennungszuständigkeit für die Vertragsstaaten. Außerdem verstärken strengere Formerfordernisse den Schutz der schwächeren Partei. Zudem wird eine Missbrauchsklausel, wie sie Art 8 Abs 5 HUntStProt 2007 für die Rechtswahl vorsieht, vermisst.6

2 3 4

5 6

Europäische Kommission, 12.5.2006, KOM (2006) 206, 3. Europäische Kommission, 12.5.2006, KOM (2006) 206, 3. Die diesbzgl Ausführungen des EuGH zum EuGVÜ gelten entsprechend, vgl zB EuGH Rs 269/95 Benincasa/Dentalkit EuGHE 1997 I 3767 Rn 48; EuGH Rs 159/97 Transporti Castelletti/Trumpy EuGHE 1999 I 1597 Rn 49 ff. Hierzu Rn 70 ff. Hierzu Rn 52.

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Art 4 EG-UntVO 7-10

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

7 Der Verordnungsgeber ist auch eine Begründung dafür schuldig geblieben, dass die Gerichte des Heimatlandes einer Partei gewählt werden können, wenn keiner von ihnen im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung oder der Anrufung des Gerichts dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine solche Anknüpfung ist kein sachverhaltsbezogenes Kriterium für die Verbindung einer Unterhaltsbeziehung zu einer Rechtsordnung. II.

Grenzüberschreitender Bezug

8 Art 4 eröffnet die Möglichkeit, in Unterhaltsbeziehungen mit grenzüberschreitendem Bezug eine Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen. Es muss immer auch um die internationale Zuständigkeit gehen. Diese muss nicht ausdrücklich vereinbart sein, sie kann sich auch aus der Vereinbarung des Gerichts an einem bestimmten Ort ergeben. Die Wahl zwischen den Gerichtsorten innerhalb eines Staates ohne grenzüberschreitenden Bezug wird nicht erfasst. Dies ergibt sich nicht aus dem Wortlaut von Art 4, ist jedoch aus der Rechtsgrundlage für die EG-UntVO, Art 61 lit c und Art 65 EGV, abzuleiten.7 9 Der notwendige grenzüberschreitende Bezug ließe sich auf zweierlei Weise feststellen. Zum einen könnte er dann angenommen werden, wenn die gesetzlichen Zuständigkeiten nach Art 3 nicht ausschließlich zu den Gerichten eines Mitgliedstaates in der konkreten Unterhaltssache führen. Diese Methode hat den Nachteil, dass sie Rechtsunsicherheit schafft und die Rechtsanwendung erschwert. Zum anderen könnten die Anknüpfungspunkte in Art 4 Abs 1 selbst zum Ausgangspunkt genommen werden. Danach wäre Art 4 nur anzuwenden, wenn die dort aufgezählten Anknüpfungspunkte zu mindestens zwei Staaten zu den in Abs 1 S 2 genannten Zeiten führen. Dabei kann es sich um Mitgliedstaaten handeln, zwingend ist dies aber nicht. Dafür spricht, dass der Gesetzgeber selbst diese Kriterien ausgewählt hat, die es rechtfertigen, eine diesbezügliche Prorogation anzuerkennen. Diese Variante führt zu einer weiten Zulassung der Prorogation, die wohl dem Anliegen des Verordnungsgebers entspricht. III. Vereinbarung der internationalen und örtlichen Zuständigkeit

10 Die Parteien können die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts eines Mitgliedstaates wählen. Dann umfasst die Zuständigkeitsvereinbarung neben der internationalen auch die örtliche Zuständigkeit. Hat die Vereinbarung ausschließende Wirkung, so bezieht sich diese auch auf die örtliche Zuständigkeit. Sie hat gegenüber den Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit nach nationalem Recht Vorrang, selbst soweit dieses hierfür keine Gerichtsstandsvereinbarung zulässt und ausschließlichen Charakter trägt. Die Gerichtsstandsvereinbarung hat, bezogen auf die örtliche Zuständigkeit, insoweit derogative Wirkung. Eine Vereinbarung der Zuständigkeit des deutschen Gerichts in A derogiert zB die ausschließliche örtliche Zuständigkeit des deutschen Fa-

7

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Hierzu bereits Art 3 Rn 15 ff.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 4 EG-UntVO 11-13

miliengerichts in B nach § 232 Abs 1 FamFG für den aus der Ehe resultierenden Unterhalt, wenn dort eine Ehesache anhängig ist. Die Parteien können sich jedoch auch auf die Vereinbarung der Gerichte eines Mit- 11 gliedstaates beschränken, dann haben sie nur die internationale Zuständigkeit geregelt. Die örtliche Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts dieses Mitgliedstaates ist den Bestimmungen des Rechts dieses Staates zur örtlichen Zuständigkeit zu entnehmen. Führt dies zu keiner Zuständigkeit, so sind die Mitgliedstaaten gleichwohl gehalten, dem Vertrauen der Parteien in den Erfolg ihrer Gerichtsstandsvereinbarung Rechnung zu tragen und eine Ersatzzuständigkeit bereitzustellen. 8 Örtlich zuständig ist in Deutschland dann das Gericht am Wohnsitz des Klägers bzw am Sitz der Regierung.9 Möglich wäre auch, für die örtliche Zuständigkeit auf Art 3 zurückzukommen und nur subsidiär die Vorschriften des Mitgliedstaates heranzuziehen, dessen Gerichte als zuständig vereinbart wurden. Dafür spricht jedenfalls das Ziel der Verordnung, die Zuständigkeit umfassend und ohne Rückgriff auf das nationale Recht zu regeln. IV.

Anforderungen an die Gerichtsstandsvereinbarung im Allgemeinen

1.

Schriftformerfordernis (Abs 2)

Die Gerichtsstandsvereinbarung muss schriftlich erfolgen. Das Schriftformerfordernis 12 ist streng auszulegen. Dies resultiert daraus, dass mittels der Gerichtsstandsvereinbarung die allgemeinen Zuständigkeiten nach Art 3 abgewählt werden können, die sich für Unterhaltssachen durch eine besondere Sachnähe auszeichnen und mit dem Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten die schwächere Partei begünstigen. Die zwingende Form dient dem Schutz jeder Partei vor einer Gerichtsstandsvereinbarung, die sie tatsächlich nicht gewollt hat. Sie soll gewährleisten, dass die Einigung der Parteien tatsächlich feststeht. Aus der Einhaltung der Schriftform wird andererseits geschlussfolgert, dass die Einigung der Parteien über die Gerichtsstandsvereinbarung tatsächlich zustande gekommen ist.10 Das Schriftformerfordernis ist im Unterschied zu den Haager Übereinkommen nicht 13 spezifiziert. Nach Art 3 lit d HUntVerfÜbk 2007 bedeutet schriftliche Vereinbarung eine Vereinbarung, die auf einem Träger erfasst ist, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist. Eine Vereinbarung in Papierform erfordert danach eine 8

9

10

Zum Diskussionsstand in Bezug auf das Parallelproblem zu Art 23 Brüssel I-VO bzw Art 17 EuGVÜ Aull IPRax 1999, 226, 229; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 23 Brüssel I-VO Rn 146; Kropholler NJW 1981, 1904; ders Art 23 Brüssel I-VO Rn 75 ff. Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 78 mit Verweis auf §§ 15 Abs 2 S 2, 27 Abs 2 ZPO; MünchKommZPO /Gottwald Art 23 Brüssel I-VO Rn 56. Für das EuGVÜ bzw die Brüssel I-VO zB EuGH Rs 221/84 Berghoeffer/Asa NJW 1985, 2893; BGH NJW-RR 2005, 150, 151; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 23 Brüssel I-VO Rn 100; Rauscher / Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 39.

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Art 4 EG-UntVO 14-16

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

einheitliche Urkunde. Art 8 Abs 2 HUntStProt 2007 verlangt für die Rechtswahl, dass sie „schriftlich zu erstellen oder auf einen Datenträger zu erfassen ist, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich gemacht wird und von beiden Parteien unterschrieben“ werden muss. Auch hier erfordert die Papierform eine einheitliche Urkunde, denn die Vereinbarung ist von beiden Partnern zu unterschreiben.11 14 Abs 2 ist leider aufgrund des anderen Wortlauts diese Bedeutung nicht beizumessen. Vielmehr ist für die Anforderungen an die Schriftform die Auslegung zu Art 23 Abs 1 S 2 lit a Alt 1 Brüssel I-VO unterstützend heranzuziehen. Dies leitet sich auch aus Erwägungsgrund 15 ab, wonach die Zuständigkeitsvorschriften der EG-UntVO ihren Ursprung in der Brüssel I-VO haben und nur angepasste Varianten sind; noch deutlicher war der Bezug für die Gerichtsstandsvereinbarung im EG-UntVO-E.12 15 Von jeder Partei muss daher eine schriftlich abgegebene Erklärung vorliegen, aus der klar und deutlich der Wille hervorgeht, die Gerichtsstandsvereinbarung treffen zu wollen.13 Ist die Gerichtsstandsklausel in einem durch beide Parteien unterzeichneten Vertrag enthalten, so ist das Schriftformerfordernis eingehalten, die Klausel muss nicht gesondert unterzeichnet werden. Gibt es nur eine Urkunde, so muss die Erklärung beider Parteien in ihr enthalten sein. Nicht erforderlich ist eine beiderseitig unterzeichnete Urkunde iSv § 126 Abs 2 BGB, vielmehr genügen getrennte Schriftstücke.14 Zwingend ist jedoch, dass die inhaltliche Übereinstimmung beider Erklärungen hinreichend deutlich wird.15 Die Unterschrift der beiden Parteien unter die Erklärung ist im Gegensatz zur Form einer Rechtswahl nach Art 8 Abs 2 HUntStProt 2007 nicht ausdrücklich verlangt. Die Gleichwertigkeit der in Art 4 Abs 2 EG-UntVO genannten Formvorschriften spricht jedenfalls nicht gegen die Erforderlichkeit einer Unterschrift, da auch bei einer elektronischen Übermittlung die Einfügung einer elektronischen Unterschrift technisch möglich und im Zivilprozessrecht verbreitet ist.16 Schon immer wurde die Unterschrift als starkes Indiz für die Zustimmung einer Partei gewertet.17 Mit Rücksicht auf die Schutzfunktion sollten die Erklärungen der Parteien nur mit deren Unterschrift Wirkung entfalten.18 16 Das Schriftformerfordernis ist nicht schon gewahrt, wenn die Partei, zu deren Lasten die vorgesehene Gerichtsstandsvereinbarung geht, die Unterschrift unter einen Text geleistet hat, der die Gerichtsstandsklausel vorsieht, dieser Text jedoch von dem an11 12 13

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15 16 17 18

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Hierzu Art 8 HUntStProt 2007 Rn 16. Vgl Europäische Kommission, 15.12.2005, KOM (2005) 649 Art 4 EG-UntVO-E. EuGH Rs 71/83 Russ/Nova IPRax 1985, 152, 153; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 23 Brüssel I-VO Rn 78. Zur Bestimmtheit der Vereinbarung siehe Rn 26. Für Art 23 Brüssel I-VO Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 23 Brüssel I-VO Rn 104; Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 33; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 15; aA MünchKommZPO /Gottwald Art 23 Brüssel I-VO Rn 25. BGH NJW-RR 2005, 150, 151; Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 33. Vgl § 130b ZPO, Art 287 Abs 2 NCPC. Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 15. Für die Brüssel I-VO MünchKommZPO /Gottwald Art 23 Brüssel I-VO Rn 25.

Januar 2010

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 4 EG-UntVO 17-19

deren Teil auf dieser oder einer anderen Urkunde nicht unterschrieben wurde.19 Schriftlichkeit liegt vor, wenn eine Partei zweifelsfrei den gesamten Inhalt der vom anderen Teil unterzeichneten Urkunde, über dessen Verbindlichkeit sich die Parteien bereits einig geworden sind, schriftlich bestätigt und die andere Seite dagegen keine Einwendungen erhebt.20 Das Erfordernis der Schriftlichkeit der Erklärungen besteht für beide Parteien glei- 17 chermaßen, es kommt nicht darauf an, wer durch die Gerichtsstandsklausel belastet wird. 21 Auch ein Briefwechsel ist ausreichend. Nicht erforderlich ist, dass bei getrennten schriftlichen Erklärungen beide explizit die Gerichtsstandsklausel enthalten müssen. Damit jedoch von einer schriftlichen Vereinbarung auszugehen ist, muss die spätere zweite Erklärung (Annahme) sich auf die erstere beziehen (Angebot), welche die Gerichtsstandsabrede unmissverständlich vorsieht.22 Die schriftliche Gerichtsstandsklausel, die von einer Partei eingeführt wird, muss so 18 gestaltet sein, dass die andere Partei bei normaler Sorgfalt davon Kenntnis nehmen konnte.23 Diesen Anforderungen wird eine versteckte Klausel, die zudem kaum lesbar ist, nicht gerecht. 24 Außerdem ist zu verlangen, dass die andere Partei die Klausel aufgrund ihrer besonderen (Lebens-)Umstände zur Kenntnis nehmen kann, wenn der Partei, welche die Klausel einbringt, diese Besonderheiten bekannt sind. Zumindest muss die andere Partei in einem solchen Fall nachweisbar über den Inhalt der Klausel aufgeklärt worden sein. Die schriftliche Gerichtsstandsklausel muss in einer Sprache abgefasst oder mit einer Übersetzung verbunden sein, welche die betroffene Partei verstehen kann. Dies resultiert daraus, dass Gegenstand der Streitigkeit eine familienrechtliche, persönliche Beziehung ist und deshalb der Empfängerhorizont die bekannte subjektive Seite einschließen sollte. Rechtsprechung und Lehre zu Art 17 EuGVÜ bzw Art 23 Brüssel I-VO zur Tragung des Sprachrisikos von Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen Wirtschaftsverkehr25 sind auf Unterhaltsstreitigkeiten nicht anzuwenden. Das Schriftformerfordernis wird durch eine elektronische Übermittlung substituiert, 19 die eine dauerhafte Aufzeichnung ermöglicht. In erster Linie fällt hierunter der Vertragsabschluss per E-Mail.26 Ist das Schriftformerfordernis nicht erfüllt, so ist die Ge19

BGH NJW-RR 2005, 150, 151; BGH NJW 2001, 1731.

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EuGH Rs C-313/85 Inveco Fiat/Van Hool EuGHE 1986, 3337 Rn 9. Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 33; MünchKommZPO /Gottwald Art 23 Brüssel I-VO Rn 24; für das EuGVÜ BGH NJW 2001, 1731; BGH NJW-RR 2005, 150, 151. BGH NJW-RR 2005, 150, 151; Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 33: Rauscher /Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 16a ff. BGH NJW 1996, 1819. Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 15a. Hierzu mit Nachweisen Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 40; Kropholler Art 123 Brüssel I-VO Rn 37. Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 38 mwN.

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Art 4 EG-UntVO 20-23

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

richtsstandsvereinbarung nicht wirksam zustande gekommen.27 Sie entfaltet keine prorogative oder derogative Wirkung. 2.

Wirksames Zustandekommen

20 Die Parteien müssen zweifelsfrei eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen haben. Hierzu bedarf es einer diesbezüglich übereinstimmenden Willenserklärung mit Bindungswillen. Ob dieser erforderliche Konsens vorliegt, ist vorrangig autonom aus den Erfordernissen des Art 4 abzuleiten. 28 Dem dient vor allem das Formerfordernis der Schriftform. Ist diese gewahrt, so impliziert dies grundsätzlich die Einigung der Parteien. 21 Der Streit, der im Zusammenhang mit Art 23 Brüssel I-VO darüber geführt wird, ob neben den prozessualen Voraussetzungen und der Form auch die Einigung der Parteien mitgeregelt ist und deshalb insoweit das nach dem IPR des Forums berufene Recht keine Anwendung findet,29 kann auch auf Art 4 bezogen werden. Die besseren Argumente sprechen für das autonome Kriterium. Darüber hinaus kann die Einigung bei Einhaltung der strengen Schriftform vermutet werden,30 da der EuGH eine solche Vermutung schon annimmt, wenn die Einigung bei Art 23 Abs 1 lit c Brüssel I-VO in der Form eines internationalen Handelsbrauchs erfolgte. 31 22 Willensmängel und ihre Rechtsfolgen sind nicht in Art 4 EG-UntVO geregelt. Sie unterstehen dem Recht, das nach dem Kollisionsrecht der lex fori hierfür maßgeblich ist. Gemäß dem Kollisionsrecht der lex fori werden die Geschäftsfähigkeit sowie die Stellvertretung teilangeknüpft. 32 Das wirksame Zustandekommen der Gerichtsstandsvereinbarung ist unabhängig von der der Unterhaltsvereinbarung, in der die Klausel enthalten ist. Die Gerichtsstandsvereinbarung kann wirksam sein, während der Hauptvertrag unwirksam ist und umgekehrt. 23 Unterhaltsvereinbarungen können in Eheverträgen und Scheidungsvereinbarungen vorgesehen sein, die Gerichtsstandsvereinbarung erstreckt sich dann möglicherweise 27

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Entsprechend zu Art 23 Brüssel I-VO /Art 17 EuGVÜ ua EuGH Rs 25/76 Galeries Segoura SPRL /Rahim Bonakdarian EuGHE 1976, 1851, 1860 Rn 6; EuGH Rs 150/80 Elefanten-Schuh GmbH / Pierre Jacqmain EuGHE 1981, 1671, 1687 Rn 24. Für das parallele Problem zur Brüssel I-VO siehe Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 39 und Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 23 ff mit Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen. Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 23 Brüssel I-VO Rn 75; Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 28 mwN. Hierzu ua Geimer IPRax 1991, 31, 34; Koch IPRax 1993, 19, 31; Kohler IPRax 1991, 299; 300; aA Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 23 Brüssel I-VO Rn 101. EuGH Rs C-159/97 Transporti Castelletti Spedizioni SpA / Trumpy SpA EuGHE 1999 I 1597 = IPRax 2000, 219, 220. Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 28 mwN.

Januar 2010

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 4 EG-UntVO 24-26

auf die gesamte Vereinbarung, wie zur güterrechtlichen Auseinandersetzung und zum Versorgungsausgleich. Dies ist durch Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung zu ermitteln. Art 4 ist nur für den unterhaltsrechtlichen Teil heranzuziehen, die anderen Teile sind hinsichtlich ihrer Zulässigkeit und Wirksamkeit nach nationalem IZPR zu beurteilen. Hat zB ein deutsch-französisches Ehepaar, das in Deutschland lebt, eine notariell beur- 24 kundete Scheidungsvereinbarung getroffen, in der sie umfassend ihre Vermögensbeziehungen für den Fall der Scheidung geregelt und die Zuständigkeit eines französischen Gerichts hierfür vereinbart haben, so muss ein angerufenes deutsches Gericht prüfen, ob dadurch seine Zuständigkeit abgewählt ist. Isoliert auf den Unterhalt bezogen, müsste das deutsche Gericht dies nach Art 4 bejahen und sich für unzuständig erklären, soweit kein rügeloses Einlassen nach Art 5 vorliegt. Betrachtet man jedoch die Gesamtvereinbarung, so ist sie in Bezug auf das Güterrecht nach § 38 Abs 3 ZPO und für den Versorgungsausgleich gänzlich unzulässig. Ob trotzdem die Gerichtsstandsvereinbarung für den Unterhalt Wirkung zeitigen soll, 25 ist dem übereinstimmenden wirklichen oder mutmaßlichen Parteiwillen zu entnehmen. Sind die materiell-rechtlichen Vereinbarungen zu den Vermögensbeziehungen so miteinander verwogen, dass die eine Vereinbarung mit der anderen steht und fällt, so spricht dies gegen eine Teilwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung für den Unterhalt, wenn bei ihrem Fehlen ein einheitlicher inländischer Gerichtsstand bestehen würde. Die Beweislast dafür, dass die nur teilweise derogative Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung dem Parteiwillen widerspricht, liegt bei der Partei, die sich auf die inländische gesetzliche Zuständigkeit in der Unterhaltssache stützt. 3.

Bestimmtheitserfordernis

Die Gerichtsstandsvereinbarung muss auf eine bereits entstandene Streitigkeit oder 26 künftig zwischen den Parteien entstehende Streitigkeit bezogen auf Unterhaltspflichten gerichtet sein (Abs 1 S 1). Geregelt sind zwei Fallsituationen: – Die Parteien streiten bereits über die Unterhaltspflichten. Hier kann sich die Gerichtsstandsvereinbarung auf diesen konkreten Streitfall beschränken. – Ein Streit über die Unterhaltspflicht besteht (noch) nicht. Vorbeugend können die Parteien für den Fall, dass zwischen ihnen die Unterhaltspflicht strittig wird, eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen. Voraussetzung ist dann, dass die Gerichtsstandsvereinbarung die Unterhaltspflicht im Verhältnis der Parteien zueinander betrifft. Dies muss nicht ausdrücklich erklärt werden, sondern kann auch konkludent vereinbart sein. Haben die Parteien zB einen Ehevertrag geschlossen und für alle Fragen aus dem Vertrag eine Gerichtsstandsvereinbarung aufgenommen, so erstreckt sich die Vereinbarung auch auf die im Ehevertrag geregelten unterhaltsrechtlichen Fragen. Ist in ihm nur der nacheheliche Unterhalt geregelt, so ist von der Gerichtsstandsvereinbarung nicht der Unterhalt während bestehender Ehe erfasst. Marianne Andrae

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Art 4 EG-UntVO 27-29

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

V.

Beschränkte Wahlmöglichkeiten (Abs 1)

1.

Einführung

27 Die Wahlmöglichkeiten der Parteien werden auf die Gerichte in Mitgliedstaaten beschränkt, zu denen sie oder eine von ihnen eine engere Beziehung aufweisen. Der Verordnungsgeber hat die Motivation hierfür in den Erwägungsgründen nicht aufgedeckt. Der Entwurf der EG-UntVO ging noch von der freien Wahlmöglichkeit aus. Auch Art 20 Abs 1 lit c HUntVerfÜbk 2007 grenzt für die Anerkennungszuständigkeit die Wahlmöglichkeiten nicht ein. Gewisse Parallelen gibt es zu Art 8 HUntStProt 2007, wonach die Rechtswahl für Unterhaltspflichten auf bestimmte Rechtsordnungen begrenzt ist. 28 Regelungsziel der Einschränkung ist wohl nicht der Schutz des Unterhaltsberechtigten, da seine Verbindung zu einem bestimmten Mitgliedstaat nicht Auswahlkriterium ist. Vielmehr scheint die Regelung darauf gerichtet zu sein, eine Sachnähe des vereinbarten Gerichts zu sichern. Dieser Aspekt trifft jedenfalls auf zwei Kriterien zu, nämlich den gewöhnlichen Aufenthalt einer Partei und die Zuständigkeit des Ehegerichts. Für ersteres spricht, dass das Gericht den Lebensumständen der betreffenden Partei sehr nahe ist, um deren Leistungsfähigkeit oder umgekehrt deren Bedürftigkeit zu ermitteln. Für das Ehegericht spricht die Möglichkeit der Bündelung aller Streitigkeiten, insbesondere auch der vermögensrechtlichen, im Zusammenhang mit der Eheauflösung. 29 Nicht überzeugen kann die Möglichkeit der Wahl des Gerichts eines Staates, dem nur eine der Parteien angehört. Dieses Kriterium bringt für Unterhaltssachen regelmäßig keine enge Verbindung zu einem Staat zum Ausdruck. Es geht hier nicht um die Wahrung der „kulturellen Identität“, sondern darum, den Lebensbedingungen der Parteien Rechnung zu tragen. Drei Faktoren sprechen gegen eine solche Wahlmöglichkeit: (a) die Erstreckung von Art 4 auch auf Unterhaltsbeziehungen, in denen die Staatsangehörigkeit einer Partei das einzige grenzüberschreitende Kriterium ist, die Unterhaltsbeziehungen jedoch tatsächlich nur mit einem anderen Staat verbunden sind,33 (b) der grundsätzlich ausschließliche Charakter der vereinbarten Zuständigkeit und (c) die analoge Anwendung von Art 4 auf die derogative Wirkung der Wahl eines drittstaatlichen Gerichtsstandes. Um es zu verdeutlichen: Abs 1 ermöglicht dem Wortlaut nach einem Ehepaar mit deutscher Staatsangehörigkeit, das schon immer in Deutschland lebte und bei dem ein Ehegatte außerdem noch die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzt, für Unterhaltssachen den Gerichtsstand in diesem Staat zu vereinbaren, wobei damit die Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausgeschlossen wird. Hier liegt ein Sachverhalt vor, der ausschließlich mit der deutschen Rechtsordnung verbunden ist, weshalb der Antragsteller die Möglichkeit behalten sollte, ein deutsches Gericht anzurufen. Die Gerichtsstandsvereinbarung dürfte in solchen Fällen – wenn überhaupt – nur zu 33

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Hierzu Rn 36 f.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 4 EG-UntVO 30-33

einer zusätzlichen, nicht jedoch zu einer ausschließlichen Zuständigkeit führen. Die Regelung gibt dies jedoch nach ihrem Wortlaut nicht her. Die grundsätzlich ausschließliche Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung bezieht sich auf alle Wahlmöglichkeiten. ME wäre es sinnvoller gewesen, wenn der Gesetzgeber auf beschränkende Anknüp- 30

fungskriterien für die Gerichtsstandsvereinbarung verzichtet hätte. Stattdessen wäre eine mit Art 3 Abs 3 Rom I-VO vergleichbare Regelung angebracht gewesen, die solche Gerichtsstandsvereinbarungen vom Anwendungsbereich ausgeschlossen hätte, bei denen die Unterhaltsbeziehung sowohl zum Zeitpunkt der Vereinbarung als auch zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts tatsächlich nur mit einem Staat verbunden ist. 2.

Anforderungen an das Kriterium

Die Parteien brauchen das maßgebliche Kriterium in der Gerichtsstandsvereinbarung 31 nicht zu nennen, vielmehr reicht es aus, wenn auf den bezeichneten Ort oder das bezeichnete Land ein in Abs 1 genanntes Kriterium zutrifft. Besonderheiten gelten für die Zuständigkeit des Ehegerichts. Die Kriterien stehen im alternativen Verhältnis, es reicht also aus, dass eines von ihnen auf die Vereinbarung zutrifft. Eines der Kriterien muss entweder zum Zeitpunkt des Abschlusses der Gerichts- 32 standsvereinbarung oder im Zeitpunkt des Anrufens des Gerichts in der Unterhaltssache erfüllt sein. Letzterer Zeitpunkt bestimmt sich nach Art 9. Die alternative Regelung hat die typische Fallsituation im Blick, dass die Gerichtsstandsvereinbarung meist zeitgleich im Zusammenhang mit einer Sachvereinbarung zur Unterhaltsverpflichtung – eventuell noch mit einer Rechtswahl verbunden – getroffen wird, wenn ein Streit noch nicht entstanden ist. Eine solche Vereinbarung hat vorsorglichen Charakter. Indem für die Kriterien alternativ auf den Vereinbarungszeitpunkt abgestellt wird, wird Vertrauen auf die Wirksamkeit im Streitfall geschaffen. Sinn und Zweck sind folglich Rechtssicherheit und Vertrauensschutz. Sie sichert jeder Partei den vereinbarten Gerichtsstand, auch wenn sich bei der Gegenpartei die Umstände geändert haben, welche die Gerichtsstandsvereinbarung zulassen. Der zweite Zeitpunkt, der Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, rechtfertigt sich dadurch, dass, von der Staatsangehörigkeit abgesehen, eine enge Verbindung zum gewählten Gerichtsstaat besteht. 3.

Einzelne Kriterien

a) Gewöhnlicher Aufenthalt einer Partei Die Auslegung des Begriffs erfolgt wie für Art 3 lit a und b. Es reicht aus, dass der ge- 33 wöhnliche Aufenthalt im vereinbarten Gerichtsstaat zur Zeit der Abmachung oder im Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besteht.34 Haben die Parteien zB den Gerichtsstand am gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten oder des Unterhaltsverpflichteten vereinbart und hat die betreffende Person zwischen der Vereinbarung und der Anrufung des Gerichts den gewöhnlichen Aufenthalt gewechselt, so ist die Zuständigkeit 34

Hierzu Art 3 Rn 12 ff.

Marianne Andrae

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Art 4 EG-UntVO 34-37

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

des Gerichts sowohl am alten als auch am gegenwärtigen gewöhnlichen Aufenthalt gegeben. 34 Haben sie dagegen den Gerichtsstand in der Stadt X vereinbart, dann kommt es darauf an, dass eine der Parteien zum Zeitpunkt der Vereinbarung oder der Anrufung des Gerichts in dem Staat, in dem die Stadt X belegen ist, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte oder hat. Die Parteien können die internationale Zuständigkeit der Gerichte und zugleich auch die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts dieses Mitgliedstaates vereinbaren. Dabei brauchen die Parteien nach dem Wortlaut keine Verbindung zu dem als örtlich zuständig vereinbarten Gericht zu haben. Der gewöhnliche Aufenthalt der betreffenden Partei kann sich also in einem ganz anderen Gerichtsbezirk dieses Staates zum maßgeblichen Zeitpunkt befinden. 35 Art 4 setzt stets voraus, dass die Parteien auch die internationale Zuständigkeit regeln. Eine isolierte Vereinbarung der örtlichen Zuständigkeit ist nicht möglich. Der Sachverhalt muss stets auch einen internationalen Bezug aufweisen, sodass die Vereinbarung eines bestimmten Gerichtsortes die Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit – zumindest stillschweigend – mit einschließt. Der grenzüberschreitende Bezug muss nicht bereits zum Zeitpunkt der Vereinbarung vorliegen. Es reicht aus, wenn er zu einem der beiden in Abs 1 S 2 genannten Zeitpunkten gegeben ist. Die Parteien können damit vorsorglich einem ausländischen Gerichtsstand für den Fall vorbeugen, dass einer von ihnen ins Ausland verzieht. Um ein Beispiel zu nennen: Deutsche Parteien, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, vereinbaren, dass das Familiengericht in X einen möglichen Unterhaltsstreit entscheiden soll. Fehlen zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts weiterhin grenzüberschreitende Berührungspunkte, so unterliegt die Gerichtsstandsvereinbarung nicht Art 4, sondern dem nationalen Recht. Ist jedoch in der Zwischenzeit eine Partei ins Ausland verzogen, findet Art 4 Anwendung. Soweit die Wirksamkeitsvoraussetzungen im Übrigen vorliegen, sind die deutschen Gerichte international und das Gericht in X örtlich ausschließlich zuständig. In Bezug auf die örtliche Zuständigkeit trifft das auch dann zu, wenn keine Partei je ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder eine andere Verbindung zu diesem Ort hatte. b) Staatsangehörigkeit einer Partei 36 Die Parteien können die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte des Mitgliedstaates vereinbaren, dessen Staatsangehörigkeit eine der Parteien besitzt. Das Kriterium der Staatsangehörigkeit wird durch den Begriff domicile35 für die Mitgliedstaaten ersetzt, die diesen Begriff als Anknüpfungspunkt für Familiensachen verwenden (Art 2 Abs 3). Dabei macht Erwägungsgrund 18 klar, dass sich dieser Ersetzungstatbestand nicht nur auf Irland und das Vereinigte Königreich bezieht. 37 Haben die Parteien den Gerichtssand in einem Drittstaat vereinbart, der ebenfalls Familienbeziehungen grundsätzlich an das domicile und nicht an die Staatsangehörigkeit 35

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Vgl Art 2 Rn 20.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 4 EG-UntVO 38- 41

knüpft, so sollte für die Prüfung der Derogation eines mitgliedstaatlichen Gerichts in analoger Anwendung von Art 436 auch auf das domicile abgestellt werden. Das betrifft vor allem die Staaten, die zum anglo-amerikanischen Rechtskreis gehören. Ob die betreffende Partei ihr domicile in dem Staat hat, dessen Gericht bzw Gerichte als zuständig vereinbart wurden, bestimmt sich nach dem Recht dieses Staates. Bei doppelter Staatsangehörigkeit kommt – wie für Art 3 Abs 1 lit b Brüssel IIa-VO – 38 jede Staatsangehörigkeit in Frage. Für den Zeitpunkt ist Abs 1 S 2 zu beachten. Die Gerichtsstandsvereinbarung legt das 39 zuständige Gericht fest, wenn eine der Parteien entweder zum Zeitpunkt der Vereinbarung oder zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts die Staatsangehörigkeit des Mitgliedstaates hat, dessen Gericht/Gerichte vereinbart wurden. Haben die Parteien nur die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Heimatstaates, nicht jedoch das zuständige Gericht gewählt, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach dem innerstaatlichen Recht dieses Mitgliedstaates. 37 c) Ehegatten oder frühere Ehegatten Abs 1 S 1 lit c erkennt für Ehegatten und frühere Ehegatten verschiedene Verbindun- 40 gen zu Mitgliedstaaten an, die sie ihrer Gerichtsstandsvereinbarung zugrunde legen können. Der Begriff Ehegatten ist in Übereinstimmung mit Art 5 HUntStProt 2007 auszulegen. 38 Die Regelung kann sich auch auf Partner anderer anerkannter institutionalisierter Lebensgemeinschaften erstrecken, wie die homosexuelle Ehe oder die eingetragene Lebenspartnerschaft. Ob dies zutrifft, hängt von der Qualifikation ab. Diese richtet sich nach dem IPR des angerufenen Gerichts. 39 Fraglich ist zunächst, ob es sich hierbei im Verhältnis zu lit a und b um zusätzliche Anknüpfungen handelt oder ob sich die Möglichkeiten von Ehegatten oder früheren Ehegatten auf die Anknüpfungspunkte in lit c beschränken. Beide Auslegungen sind möglich. Für die einschränkende Auslegung spricht, dass in lit c keine Erweiterung der Ge- 41 richtsstände zum Ausdruck kommt, in lit c auch an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft wird und Anknüpfungspunkte zur Verfügung stehen, mit denen beide Ehegatten /ehemalige Ehegatten gleichermaßen verbunden sind. Insoweit schützen sie den Unterhaltsberechtigten vor einem Forum, an dem ihm die Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche tatsächlich erschwert wäre. Eine solche Lösung würde auch die Bedeutung des Heimatgerichtsstandes einer Partei erheblich reduzieren, weil der

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38 39

Hierzu Rn 71 ff. Für den Fall, dass die Parteien nur die internationale Zuständigkeit eines Mitgliedstaates vereinbart haben und nach dem Recht dieses Staates keine örtliche Zuständigkeit eröffnet ist, vgl Rn 11. Hierzu Art 5 HUntStProt 2007 Rn 6. Hierzu Art 5 HUntStProt 2007 Rn 7.

Marianne Andrae

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Art 4 EG-UntVO 42- 46

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

eheliche /nacheheliche Unterhalt neben dem Kindesunterhalt die wichtigste Gruppe innerhalb des Familienunterhalts ist. 42 Dafür dass lit c nur zusätzliche Möglichkeiten für eine Gerichtsstandsvereinbarung schafft, sprechen folgende Gesichtspunkte: Lit a und b sehen keine Beschränkung vor. Wenn der Verordnungsgeber hiervon Eheleute ausschließen wollte, hätte er es explizit festlegen müssen. Gerichtsstandsvereinbarungen in Familienunterhaltssachen haben – wenn überhaupt – praktische Bedeutung für den ehelichen bzw nachehelichen Unterhalt. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber die wichtigste Gruppe von den allgemeinen Wahlmöglichkeiten ausschließen wollte. Parallelen gibt es zu Art 8 HUntStProt 2007. Die Anknüpfungspunkte in lit a und b finden sich dort als Kriterien für die Rechtswahl – bezogen auf alle Unterhaltspflichten, unter Einschluss der Ehegatten/ehemaligen Ehegatten – wieder. Außerdem gibt es dort zusätzliche Rechtswahlmöglichkeiten für Ehegatten/ehemalige Ehegatten. Insbesondere diese Strukturübereinstimmung spricht dafür, dass auch die Anknüpfungspunkte in lit c die Möglichkeiten der Gerichtsstandsvereinbarung erweitern. aa) Ehegericht 43 Für die Streitigkeiten aus Unterhaltspflichten können die Parteien die Zuständigkeit des Gerichts vereinbaren, das auch für die Ehesache zuständig ist. In der Vereinbarung muss der Wille der Ehegatten zum Ausdruck kommen, das Gericht mit einer Unterhaltsstreitigkeit zwischen ihnen zu befassen, welche auch in der Ehesache zuständig wäre, ist oder war. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn die Ehegatten die Zuständigkeit eines konkreten Gerichts, in einem bestimmten Mitgliedstaat vereinbart haben, ohne den Bezug zur Ehesache herzustellen. 44 Die Möglichkeit, die Unterhaltssache zuständigkeitsrechtlich mittels Gerichtsstandsvereinbarung an das Ehegericht zu binden, hat erst richtig Sinn, wenn die Ehegatten das für die Ehesache zuständige Gericht eines Mitgliedstaates vereinbaren können. Nach der gültigen Fassung der Brüssel IIa-VO trifft das nicht zu. Die Zuständigkeit richtet sich nach den objektiven Kriterien der Artt 3 ff Brüssel IIa-VO. Vielfach sind alternative Zuständigkeiten gegeben. Das in der konkreten Ehesache zuständige Gericht wird erst mit Anrufung und Ausschluss der anderen an sich zuständigen Gerichte durch die Rechtshängigkeitssperre erreicht. Hinzu kommt, dass die Brüssel IIa-VO anders als die EG-UntVO grundsätzlich nur die internationale Zuständigkeit regelt. Solange die Gerichtsstandsvereinbarung für die Ehesache nicht zulässig ist, sind folgende zwei Fallsituationen zu unterscheiden: 45 1. Die Unterhaltssache wird zu einem Zeitpunkt anhängig, zu dem eine Ehesache (noch) nicht anhängig ist. In diesem Fall steht das zuständige Ehegericht noch nicht fest. Die erforderliche Bestimmtheit für die Gerichtsstandsvereinbarung ist nicht gewahrt. Es reicht nicht aus, dass nach der gesetzlichen Regelung das angerufene Gericht hypothetisches Ehegericht sein könnte, weil die Zuständigkeit in der Unterhaltssache nicht die Zuständigkeit in der Ehesache präjudiziert. 46 2. Die Unterhaltssache wird mit der Ehesache, während der Anhängigkeit der Ehesache oder nach Rechtskraft der Entscheidung in der Ehesache anhängig gemacht. Ist das angerufene mitgliedstaatliche Gericht in der Ehesache zuständig oder war es 520

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 4 EG-UntVO 47- 49

für die Entscheidung nach der Brüssel IIa-VO international zuständig, so ist es auch für die Unterhaltssache zuständig. Das für die Unterhaltssache zuständige Ehegericht wird auf diese Weise unter Ausschluss der Gerichte anderer Mitgliedstaaten festgelegt. Abs 1 S 2 ist auf die Vereinbarung der Zuständigkeit des Ehegerichts für die Unterhaltsstreitigkeit nicht anzuwenden. bb) Letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt Eine Gerichtsstandsvereinbarung kann sich auch auf ein Gericht oder die Gerichte 47 des Mitgliedstaates beziehen, in dem die Parteien ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Der Aufenthalt muss nicht am selben Ort innerhalb dieses Staates liegen. Maßgeblich ist wiederum der Zeitpunkt der Vereinbarung oder des Anrufens des Gerichts. Der gewöhnliche Aufenthalt beider Parteien muss zu diesem Zeitpunkt mindestens ein Jahr in diesem Staat betragen haben. Er muss zu diesem Zeitpunkt nicht mehr bestehen, beide können ihn aufgehoben haben. 48 Beispiel: Die Ehegatten haben die Zuständigkeit des Gerichts in der Stadt X in einem bestimmten Mitgliedstaat vereinbart. Hat einer der Ehegatten in diesem Staat seinen gewöhnlichen Aufenthalt zur Zeit der Vereinbarung oder zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts, so braucht lit c nicht mehr geprüft zu werden, weil bereits lit a erfüllt ist. Das vereinbarte Gericht ist jedoch auch zuständig, wenn die Ehegatten zum Zeitpunkt der Vereinbarung ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat für mindestens ein Jahr und keinen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat begründet hatten. Trifft auch das nicht zu, ist letztlich das Gericht in der Stadt X zuständig, wenn die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anhängigkeit ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt von mindestens einem Jahr in diesem Staat hatten und sie nunmehr in unterschiedlichen Staaten leben. Haben die Parteien nur die internationale Zuständigkeit bestimmt, so regelt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Recht dieses Staates. Fehlt es danach an einem örtlich zuständigen Gericht, besteht nach deutschem Recht eine örtliche Notzuständigkeit am Wohnsitz des Klägers bzw am Sitz der Regierung. 40 VI. Ausschluss Kindesunterhalt (Abs 3)

Eine Gerichtsstandsvereinbarung ist unzulässig, wenn sie sich auf eine Streitigkeit 49 über die Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind, das noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, bezieht. Rechtsfolge ist die Nichtigkeit der Vereinbarung; die gesetzlichen Zuständigkeiten finden Anwendung. Es kommt nicht darauf an, wer die Vereinbarung getroffen hat und wann die Vereinbarung geschlossen worden ist. Entscheidend ist, worauf sie sich bezieht. Sie findet deshalb auch Anwendung, wenn das Kind nicht Partei des Verfahrens ist, weil gesetzlich eine Prozessstandschaft angeordnet ist. 40

Hierzu Rn 11.

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Art 4 EG-UntVO 50-52

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

50 Die Regelung zielt darauf zu verhindern, dass die den Unterhaltsberechtigten begünstigenden gesetzlichen Gerichtsstände abgedungen werden. Zugleich sichert sie die Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten, die der Unterhaltssache am sachnächsten sind. Sie berücksichtigt auch, dass das Kind selbst nicht an der Willensbildung beteiligt wird, sondern seine Vertreter die Vereinbarung schließen, deren Rechtsfolgen es letztlich tragen muss. 51 Umfasst die Vereinbarung den Kindesunterhalt über das 18. Lebensjahr hinaus, so stellt sich die Frage nach der Gesamt- oder Teilnichtigkeit der Vereinbarung. Beide Lösungen sind denkbar. Sie sollte einheitlich autonom entschieden und nicht den nationalen Rechtsordnungen aufgrund kollisionsrechtlicher Verweisung überlassen werden. Ausgehend vom Schutzzweck der Norm sollte die Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung angenommen werden. Nur wenn sich die Vereinbarung eindeutig und ausschließlich auf den Unterhalt bezieht, der gegenüber dem Kind nach der Vollendung des 18. Lebensjahres zu leisten ist, ist sie als zulässig anzusehen. Der Ausschluss erstreckt sich nur auf den Kindesunterhalt, nicht aber auf den der schwangeren Mutter oder auf den Unterhalt, den der nicht betreuende Elternteil dem anderen Elternteil wegen der Betreuung des Kindes schuldet. VII. Missbrauchskontrolle

52 Wie Art 23 Brüssel I-VO sieht Art 4 keine allgemeine Missbrauchskontrolle vor. Die Beschränkung der Wahlmöglichkeiten auf bestimmte Staaten führt zu keinem Schutz, weil bereits einseitige Verbindungen einer Partei, wie der gewöhnliche Aufenthalt und ihre Staatsangehörigkeit, ausreichend sind. Da die Gerichtsstandsvereinbarung im Allgemeinen ausschließlichen Charakter trägt, ist sie regelmäßig nachteilig für den Unterhaltsberechtigten. Daher sollte darüber nachgedacht werden, Gerichtsstandsvereinbarungen im Einzelfall auf einen Missbrauch hin zu prüfen. Die EG-UntVO zielt darauf, dem Unterhaltsberechtigten ohne Umstände zu ermöglichen, in einem Mitgliedstaat eine Entscheidung zu erwirken, die automatisch in einem anderen Mitgliedstaat, ohne weitere Formalitäten, vollstreckbar ist. 41 Dem dienen auch die Vorschriften der Verordnung über die allgemeinen Zuständigkeiten. Die Begünstigung des Unterhaltsberechtigten bei der gesetzlichen Zuständigkeit kommt vor allem in dem Gerichtsstand an seinem gewöhnlichen Aufenthalt zum Ausdruck. Nun könnte argumentiert werden, dass Gerichtsstandsvereinbarungen für Unterhaltssachen Ausnahmecharakter haben, zumal Gerichtsstandsvereinbarungen in Bezug auf den Unterhalt von Kindern unter 18 Jahren ausgeschlossen sind. Dort, wo sie eine Rolle spielen, sollten sich beide Seiten den entsprechenden juristischen Rat leisten (können), bevor sie einer solchen Klausel zustimmen. Dies schließt jedoch nicht aus, dass im Einzelfall die Möglichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung missbraucht und ausgenutzt wird und die andere Seite sich der Tragweite der Vereinbarung – insbesondere ihrer derogativen Wirkung – nicht bewusst ist. Ein Ungleichgewicht kann zB im 41

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Erwägungsgrund 9.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 4 EG-UntVO 53

Verhältnis des jungen Erwachsenen zum unterhaltspflichtigen Elternteil, der Ehegatten zueinander oder in Bezug auf einen Berechtigten bestehen, der aufgrund seiner Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen. Gegen eine Missbrauchskontrolle spricht jedenfalls nicht das mit der Zulassung der Gerichtsstandsvereinbarung verfolgte Ziel, größere Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Eigenständigkeit der Vertragsparteien zu ermöglichen. 42 Diese Regelungsziele bestehen auch bei der Rechtswahl und der materiell-rechtlichen Vertragsfreiheit in Unterhaltssachen. Dies hindert jedoch nicht daran, Grenzen für die Vertragsfreiheit und die Parteiautonomie zu setzen und, auch soweit sie bestehen, für den Einzelfall dem Missbrauch über Generalklauseln vorzubeugen. 43 Der Verzicht auf die Missbrauchsklausel lässt sich nicht mit dem Hinweis darauf rechtfertigen, dass die Rechtspflege innerhalb der Gemeinschaft ebenbürtig ist und durch ein einheitliches Kollisionsrecht gesichert wird, dass die Gerichte in den Mitgliedstaaten auf eine Unterhaltssache dasselbe Recht anwenden würden. Zum einen trifft letzteres durch die Bevorzugung der lex fori im HUntStProt 2007 nicht in jedem Fall zu. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass die Beschränkung des Unterhaltsberechtigten durch Gerichtsstandsvereinbarung auf einen entfernten Gerichtsstand erhebliche tatsächliche Erschwerungen der Rechtsverfolgung mit sich bringen kann. Wie das EuGVÜ /die Brüssel I-VO und das EVÜ /die Rom I-VO zeigen, gibt es begründete Parallelen zwischen der Begrenzung der Freiheit, einen Gerichtsstand zu wählen und der Beschränkung der Parteiautonomie in einzelnen Bereichen. 44 Für eine Missbrauchskontrolle kann weiterhin angeführt werden, dass Art 4 zugleich Maßstab für die Derogation eines mitgliedstaatlichen Gerichts durch Prorogation eines drittstaatlichen Gerichts ist. 45 Eine Missbrauchskontrollklausel hätte zudem vorbeugende Wirkung. Sie würde der Partei, die die Gerichtsstandsvereinbarung anstrebt, verdeutlichen, dass die Gegenseite die Möglichkeit haben sollte, die Relevanz der Vereinbarung zu erkennen. Es gibt folglich gewichtige Gründe, in familienbezogenen Unterhaltssachen die Zulas- 53 sung von Gerichtsstandsvereinbarungen mit einer zurückhaltend angewandten Missbrauchskontrollklausel zu verbinden. Ein strenger Anwendungsmaßstab ist angezeigt, um die angestrebte Rechtssicherheit und Voraussicht hinsichtlich der Wirksamkeit und der Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung zu gewährleisten.

42 43

44

45

Erwägungsgrund 19. Das HUntStÜbk 1973 ließ keine Rechtswahl zu, das HUntStProt 2007 fügt der Rechtswahlmöglichkeit eine Missbrauchsklausel in Art 8 Abs 5 bei. Rauscher/Mankowski Art 21 Rn 1 Brüssel I-VO. Für Verbrauchersachen folgt die Einschränkung aus 15 EuGVÜ /Art 17 Brüssel I-VO und Art 5 Abs 2 EVÜ /Art 6 Abs 2 Rom I-VO; zugunsten von Arbeitnehmern aus Art 21 Brüssel I-VO und Art 6 Abs 1 EVÜ /Art 8 Abs 1 Rom I-VO. Hierzu Rn 5, 74.

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Art 4 EG-UntVO 54, 55

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Der Maßstab kann nicht durch das Recht des angerufenen Gerichts oder des auf die Gerichtsstandsvereinbarung anwendbaren Rechts gewonnen werden. Die EG-UntVO schließt für die Zuständigkeit grundsätzlich einen Rückgriff auf das nationale Recht aus. Hierzu gehört auch die Inhaltskontrolle einer Gerichtsstandsvereinbarung.46 54 Fraglich ist, ob für Art 4 eine planwidrige Regelungslücke anzunehmen ist, die zB durch Analogie zur Missbrauchskontrolle für die Rechtswahl nach Art 8 Abs 5 HUntStProt 2007 geschlossen werden könnte. Dagegen spricht, dass die Problematik dem Verordnungsgeber bekannt gewesen sein dürfte. Sie wird im Zusammenhang mit Art 17 EuGVÜ /23 Brüssel I-VO in der Literatur diskutiert. 47 Ein Regelungsvorbild gibt es ua mit Art 6 lit c HCCA48 und Art 5 Abs 2 schweizerisches IPRG. 49 Gegen eine Analogie spricht dagegen nicht Art 20 Abs 1 lit c HUntVerfÜbk 2007, wonach – ohne Einschränkung – die Anerkennungszuständigkeit über eine schriftliche Vereinbarung der Parteien begründet wird, sofern nicht der Rechtsstreit Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind zum Gegenstand hatte. Diese Bestimmung betrifft nur die prorogative Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung, die gesetzlichen Gerichtsstände bleiben alternativ daneben anerkennungsfähig, sie stehen im Art 20 Abs 1 HUntVerfÜbk 2007 alternativ nebeneinander. Die mögliche derogative Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung bleibt bei der Anerkennungszuständigkeit unbeachtet. Einer Missbrauchsklausel speziell für die Gerichtsstandsvereinbarung bedarf es deshalb dort nicht, zumal nach dem HUntVerfÜbk 2007 das Ergebnis der Anerkennung der ordre public Kontrolle unterliegt. 55 Trotz Bedenken sollte mE von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden. Jedenfalls hat der Verordnungsgeber die derogative Wirkung der Vereinbarung des Gerichtsstandes in einem Drittstaat für die Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen Gerichte nicht bedacht. Er hat in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt, dass eine Schutzbedürftigkeit von Unterhaltsberechtigten über den Kreis von Kindern unter 18 Jahren hinaus für den Einzelfall bestehen kann. Hinzu kommt, dass aufgrund der großzügigen Kriterien in Abs 1 die Möglichkeit der Gerichtsstandsvereinbarung auch für Unterhaltssachen eröffnet wird, die tatsächlich nur mit einem Mitgliedstaat verbunden sind. Typisches Beispiel wäre eine Unterhaltsvereinbarung zwischen Eheleuten, die in Deutschland aufgewachsen sind und hier ihren Lebensmittelpunkt haben, in welcher der Gerichtsstand des ausländischen Heimatlandes des Ehemannes, der eine doppelte Staatsangehörigkeit hat, gewählt worden ist. Auch hier fehlt ein Korrektiv, vergleichbar Art 3 Abs 3 Rom I-VO für das Kollisionsrecht und § 38 Abs 3 ZPO für die Gerichtsstandsvereinbarung.

46 47

48 49

524

Hierzu Rn 21. Hierzu ausführlich Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 86 ff; Rauscher /Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 12e ff mwN; Samtleben NJW 1974, 1590, 1596. Hierzu mit Textwiedergabe Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 12g. Danach ist die Gerichtsstandsvereinbarung unwirksam, wenn einer Partei ein Gerichtsstand des schweiz Rechts entzogen wird.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 4 EG-UntVO 56-59

Möglich ist eine Analogie zu Art 8 Abs 5 HUntStProt 2007. Dies würde bedeuten, 56 dass die prorogative und derogative oder – je nach den Umständen des Falls – auch nur die derogative Wirkung der Gerichtsstandsvereinbarung unbeachtet bleibt, wenn sie für eine der Parteien offensichtlich unbillige oder unangemessene Folgen hätte, es sei denn, dass diese im Zeitpunkt der Vereinbarung umfassend unterrichtet und sich der Folgen ihrer Wahl vollständig bewusst war oder bewusst sein musste. VIII. Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarung

1.

Grundsätzlich ausschließliche Zuständigkeit

Eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 4 hat grundsätzlich ausschließlichen Cha- 57 rakter. Die gesetzlichen Gerichtsstände nach der EG-UntVO werden derogiert. Die Parteien können jedoch der Gerichtsstandsvereinbarung eine andere Wirkung beimessen. Abs 1 S 3 stimmt mit Art 23 Abs 1 S 2 Brüssel I-VO überein, eine übereinstimmende Auslegung ist daher angezeigt.50 Der Wille der Parteien, der Gerichtsstandsvereinbarung konkurrierenden Charakter beizumessen, muss in der schriftlichen Vereinbarung eindeutig zum Ausdruck kommen. Aus dem Ausschlusstatbestand „sofern nicht ...“ folgt die Vermutung, dass die Parteien von der Ausschließlichkeit nicht abgewichen sind.51 Im Zweifel gilt deshalb der Grundsatz der Ausschließlichkeit. 2.

Bindung des derogierten mitgliedstaatlichen Gerichts

Haben die Parteien nach Art 4 wirksam das Gericht oder die Gerichte eines anderen 58 Mitgliedstaates mit ausschließlicher Wirkung vereinbart, so hat sich ein angerufenes Gericht eines anderen Mitgliedstaates von Amts wegen für unzuständig zu erklären (Art 10). Das gilt jedoch dann nicht, wenn der Antragsgegner sich gemäß Art 5 auf das Verfahren vor dem angerufenen Gericht einlässt, ohne die Unzuständigkeit zu rügen. Das rügelose Einlassen vor einem an sich unzuständigen Gericht überwindet auch die ausschließliche Zuständigkeit nach Art 4 Abs 1 S 3. IX. Derogation durch Wahl eines nichtmitgliedstaatlichen Gerichts

1.

Island, Norwegen und die Schweiz (Abs 4)

Die Regelung in Abs 4 geht davon aus, dass zum Zeitpunkt der Anwendbarkeit der 59 EG-UntVO (Art 75 S 3, 4) das neue LugÜbk vom 30.10.2007 (LugÜbk 2007)52 in

Kraft getreten ist. Art 23 LugÜbk 2007 regelt die Gerichtsstandsvereinbarung, die Bestimmung entspricht Art 23 Brüssel I-VO. Die Vorschrift des LugÜbk 2007 und nicht 50

51

52

Hierzu Rauscher /Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 59 ff; Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 90 ff jeweils mwN. Für die Brüssel I-VO Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 92; Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 59. Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ABl EU 2007 L 339/3.

Marianne Andrae

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Art 4 EG-UntVO 60- 63

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Art 4 ist anzuwenden, wenn die Parteien in einer Unterhaltssache einen Gerichtsstand in Island, Norwegen und der Schweiz vereinbart haben und mindestens eine von ihnen ihren Wohnsitz53 entweder in der Europäischen Gemeinschaft oder in Island, Norwegen bzw der Schweiz hat. 60 Haben die Parteien einen Gerichtsstand in einem Mitgliedstaat vereinbart und hat mindestens eine Partei ihren Wohnsitz in Island, Norwegen oder der Schweiz, so ist die EG-UntVO anzuwenden. Dies lässt sich aus der Analogie zu Art 64 Nr 2 LugÜbk 2007 begründen, dem dieses Ergebnis zum Verhältnis zwischen der Brüssel I-VO und dem LugÜbk 2007 zu entnehmen ist. 61 Art 4 Abs 4 modifiziert nun die Anwendungsvoraussetzungen für das LugÜbk 2007. Danach ist dieses maßgeblich, wenn die Parteien die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte oder eines Gerichts in Island, Norwegen oder der Schweiz vereinbart haben. Von der ausschließlichen Zuständigkeitsvereinbarung ist in Art 23 LugÜbk 2007 keine Rede. Es ist nicht anzunehmen, dass der Verordnungsgeber mit Art 4 Abs 4 den Anwendungsbereich des LugÜbk 2007 einschränken wollte, da sich die Gemeinschaft mit Art 23 LugÜbk 2007 völkerrechtlich gebunden hat. Deshalb ist von Folgendem auszugehen: Haben die Parteien in einer Unterhaltssache ein Gericht oder die Gerichte in Island, Norwegen oder in der Schweiz als zuständig vereinbart, so bestimmt sich nach Art 23 Abs 1 S 2 LugÜbk 2007, ob die Zuständigkeit ausschließlich oder zusätzlich sein sollte. Ist sie zusätzlich, dann werden die gesetzlichen Gerichtsstände nicht abgedungen. Hat der Beklagte in diesem Fall seinen Wohnsitz in Island, Norwegen und der Schweiz, so findet für die neben der vereinbarten Zuständigkeit bestehenden gesetzlichen Zuständigkeiten das LugÜbk 2007 Anwendung. Befindet sich der Wohnsitz des Beklagten in einem anderen Staat, regeln sich die gesetzlichen Zuständigkeiten nach der EG-UntVO. 62 Art 4 Abs 4 schließt die Anwendung des LugÜbk 2007 dann aus, wenn es um eine Streitigkeit nach Art 4 Abs 3 geht, also um die Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind, das noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat. Für diese Unterhaltspflichten ist eine Gerichtsstandsvereinbarung nach der EG-UntVO nicht zulässig. Diesen Grundsatz haben die Gerichte der Mitgliedstaaten anzuwenden, wenn sie über die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung entscheiden, die dem LugÜbk 2007 unterliegt. Unzulässig ist die Gerichtsstandsvereinbarung für den Kindesunterhalt jedoch nur für den Fall, in dem ihr ausschließliche Bedeutung beizumessen ist. 63 Die Rechtsgrundlage für die einseitige Einschränkung der Anwendung von Art 23 LugÜbk 2007 durch Art 4 Abs 4 findet sich nicht im LugÜbk 2007. Art 64 LugÜbk 2007, der das Verhältnis des Übereinkommens zur Brüssel I-VO regelt, kann hier nicht analog herangezogen werden. Die EG-UntVO greift nämlich in den dem LugÜbk 2007 vorgehaltenen Anwendungsbereich ein. Man könnte höchstens auf eine Analogie zu Art 67 LugÜbk 2007 zurückgreifen, der das Verhältnis des LugÜbk 2007 zu an53

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Der Wohnsitz bestimmt sich nach Art 59 LugÜbk 2007, der mit Art 59 Brüssel I-VO übereinstimmt; hierzu Rauscher/Staudinger Art 59 Brüssel I-VO.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 4 EG-UntVO 64- 67

deren völkerrechtlichen Übereinkommen klärt. Danach berührt das LugÜbk 2007 nicht den Abschluss von Übereinkommen zur Zuständigkeit, selbst wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in einem anderen Vertragsstaat hat. Eine Analogie hierzu ist jedoch deshalb zweifelhaft, weil es sich bei der EG-UntVO eben nicht um einen Staatsvertrag handelt, sondern um eine innergemeinschaftliche Regelung mit Außenwirkung. Für einen Teilnehmerstaat, der nicht Mitgliedstaat ist, stellt sie sich als mit einer nationalen Bestimmung über die internationale Zuständigkeit in dem durch das Übereinkommen geregelten Anwendungsbereich vergleichbar dar. Ist das LugÜbk 2007 zum Zeitpunkt der Anwendbarkeit der EG-UntVO (Art 76) noch 64 nicht in Kraft getreten, so findet im Verhältnis zu Island, Norwegen und der Schweiz weiterhin das LugÜbk 198854 Anwendung. Für dessen Art 17 gelten die Ausführungen zu Art 23 LugÜbk 2007 entsprechend. Die Abgrenzung ergibt sich dann durch die Analogie zu Art 54b Abs 2 lit a LugÜbk 1988. 2.

Drittstaaten

Im Nachfolgenden geht es um die Vereinbarung eines Gerichtsstandes, der weder in 65 einem Mitgliedstaat iSd Art 1 Abs 2 noch in einem Teilnehmerstaat des LugÜbk 2007 liegt und im Folgenden als Drittstaat bezeichnet wird. Für Unterhaltssachen gibt es keine Staatsverträge, welche die EG oder Deutschland im Verhältnis zu Drittstaaten binden und die Begründung der internationalen Zuständigkeit im Erkenntnisverfahren durch Gerichtsstandsvereinbarung zum Gegenstand haben. Die Staatsverträge betreffen nur die Anerkennungszuständigkeit als Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung. Art 4 regelt dem Wortlaut nach nur die Vereinbarung der Zuständigkeit eines mit- 66 gliedstaatlichen Gerichts. Zunächst ist zu unterscheiden: Ob durch die Vereinbarung die Zuständigkeit der Gerichte oder des Gerichts eines Drittstaates begründet wird, bestimmt sich nach dessen Recht. Sind also die Gerichte des Staates X als zuständig vereinbart worden, dann bestimmt das Recht des Staates X, ob aufgrund dieser Vereinbarung die eigenen Gerichte zuständig sind. Für die mitgliedstaatlichen Gerichte ist diese Vereinbarung für die Frage von Bedeu- 67 tung, ob sie ihre nach der Verordnung bestehenden gesetzlichen Zuständigkeiten ausschließt.55 Es geht also um die derogative Wirkung einer solchen Vereinbarung in Bezug auf die eigene Zuständigkeit. Diese kann natürlich nur dann eintreten, wenn überhaupt nach Artt 3, 5 und 6 die Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts bestehen würde. Die EG-UntVO regelt die Derogation der Zuständigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte durch Vereinbarung eines Gerichtsstandes in einem Drittstaat nicht ausdrücklich. 54

55

Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988, BGBl 1994 II 2660. Hierzu schon Schlosser-Bericht zum EuGVÜ Rn 72; hierzu auch Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 14.

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Art 4 EG-UntVO 68-71

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

68 Für das parallele Problem in Bezug auf die Brüssel I-VO werden zwei Lösungen vertreten. Nach der einen ist Art 23 Brüssel I-VO entsprechend auf den Derogationseffekt anzuwenden.56 Nach der anderen Lösung beurteilt sich die derogative Wirkung nach dem autonomen IZPR des Mitgliedstaates, dessen Gericht von einer Partei angerufen wurde.57 Diese Sicht hat der EuGH ermöglicht, indem er unter Bezug auf den Bericht von Schlosser angenommen hat, dass Art 17 Abs 1 EuGVÜ nicht auf eine Klausel anwendbar ist, die als zuständiges Gericht das Gericht eines Drittstaates bestimmt.58 Für die Brüssel I-VO ist diese letztere Lösung dogmatisch vertretbar, weil ihr räumlich-personeller Anwendungsbereich begrenzt ist und sie Raum für autonome Regelungen der internationalen Zuständigkeit mit Drittstaatbezug lässt. 69 Im Gegensatz dazu sind die Bestimmungen der EG-UntVO universell anwendbar und zur internationalen Zuständigkeit daher abschließend. Ein Rückgriff auf die autonomen Vorschriften über die Zuständigkeit ist nicht möglich.59 Theoretisch gibt es daraufhin nur zwei Möglichkeiten der Problemlösung. Die eine besteht darin, die Derogation der Gerichte eines Mitgliedstaates, die nach der EG-UntVO zuständig sind, auszuschließen. Nach der anderen ist Art 4 Abs 1-3 entsprechend auf eine solche Derogation anzuwenden. Nur letztere kann rechtstatsächlich in Betracht kommen, denn das HUntStProt 2007 ermöglicht eine allseitige Rechtswahl und damit auch die Abwahl des Rechts eines Mitgliedstaates. Was hinsichtlich des materiellen Rechts möglich ist, sollte auch für die Zuständigkeit entsprechend zutreffen. Das HUntVerfÜbk 2007, an dessen Ausarbeitung sich die Europäische Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten beteiligt haben, sieht in Art 20 Abs 1 lit c vor, dass die Anerkennungszuständigkeit auch auf einer Gerichtsstandsvereinbarung beruhen kann. Weiterhin ist es international nicht üblich, zugunsten der eigenen Gerichte aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung einen Ausschluss der Zuständigkeit der Gerichte anderer Staaten anzunehmen und im umgekehrten Fall die derogative Wirkung rigoros abzulehnen. 70 Als Schlussfolgerung ergibt sich: Die Zulässigkeit, die Anforderungen und die Wirkungen einer Derogation der Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaates bestimmen sich nach Art 4 analog. Abs 1 S 1 lit a bis c sind spiegelbildlich anzuwenden, eines dieser Kriterien muss für den gewählten Gerichtsstand zu dem in S 2 genannten Zeitpunkt zutreffen. 71 Ob die Prorogation des Gerichts eines Drittstaates tatsächlich Erfolg hat, bestimmt sich nach dem Recht des gewählten Gerichts. Ausnahmsweise kann es dann dazu kommen, dass vom Standpunkt des europäischen Zivilverfahrensrechts eine wirksame Derogation, nach dem Recht des Drittstaates jedoch keine Prorogation vorliegt. Um 56

57

58

59

528

Ua Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 3b; Geimer NJW 1986, 1439; Reithmann/Martiny/ Hausmann Internationales Vertragsrecht6 (2004) Rn 2969; vHein IPRax 2006, 16, 17. Ua Schlosser-Bericht zum EuGVÜ Rn 72; Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 14; BGH NJW 1986, 1438. EuGH Rs 387/98 Coreck Maritime/Handelsveem EuGHE 2000 I 9337, 9373 Rn 19 = NJW 2001, 501, 502. Erwägungsgrund 15.

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Art 4 EG-UntVO, 72 Art 5 EG-UntVO

Kapitel II Zuständigkeit

in diesem Fall eine Rechtsverweigerung zu vermeiden, ist im Ergebnis dann die Gerichtsstandsvereinbarung unbeachtlich.60 Trotz wirksamer Derogation wird das Gericht eines Mitgliedstaates durch rügeloses Einlassen nach Art 5 zuständig. X.

Intertemporale Fragen

Haben die Parteien die Gerichtsstandsvereinbarung getroffen, bevor die EG-UntVO 72 anzuwenden war, so stellt sich die Frage, ob Art 23 Brüssel I-VO oder Art 4 anzuwenden ist. Die Lösung ergibt sich zunächst aus Art 75 Abs 1. Danach kommt es auf den Zeitpunkt der Anhängigkeit des Verfahrens an, wobei sich dieser nach Art 30 Brüssel I-VO bzw Art 9 bestimmt. Liegt der Zeitpunkt vor dem 18.6.2011, so ist die Brüssel I-VO maßgeblich, ab diesem Datum die EG-UntVO. Ist nach Art 4 die Gerichtsstandsvereinbarung nicht wirksam zustande gekommen, weil zB deren Formerfordernis nicht Rechnung getragen wurde oder der vereinbarte Gerichtsstand nicht die möglichen Anknüpfungspunkte beachtet, erfüllt sie jedoch die Anforderungen an die Gerichtsstandsvereinbarung in Unterhaltssachen nach dem zum Zeitpunkt der Vereinbarung geltenden europäischen Zivilverfahrensrecht (EuGVÜ /Brüssel I-VO), so sollte ihr Wirkung verliehen werden.61 Rechtssicherheit und Vertrauen auf die zum Zeitpunkt der Vereinbarung geltende Regelung sind insoweit zu schützen; eine Ausnahme stellt der Ausschluss nach Art 4 Abs 3 dar. Hier hat der Schutz der Minderjährigen durch Ausschluss jeglicher Gerichtsstandsvereinbarung in Bezug auf den Kindesunterhalt Vorrang vor dem Vertrauen auf die Wirksamkeit der Vereinbarung.

Artikel 5

Durch rügelose Einlassung begründete Zuständigkeit Sofern das Gericht eines Mitgliedstaats nicht bereits nach anderen Vorschriften dieser Verordnung zuständig ist, wird es zuständig, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren einlässt. Dies gilt nicht, wenn der Beklagte sich einlässt, um den Mangel der Zuständigkeit geltend zu machen. I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

III. Inhalt der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

1. Rügeloses Einlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

II. Abgrenzung zum

innerstaatlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

61

7 8 11 15

Möglich sind hier unterschiedliche Lösungswege, zB Art 4 Abs 3 ital IPRG, zum dt IZPR Geimer IZVR Rn 1657, 1763; Schack IZVR Rn 448. Zu dem vergleichbaren Problem bezogen auf die Brüssel I-VO ua Rauscher/Mankowski Art 23 Brüssel I-VO Rn 75, 76; Kropholler Art 23 Brüssel I-VO Rn 11; Trunk IPRax 1996, 249, 251 mit weiterführenden Literaturhinweisen.

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Art 5 EG-UntVO 1- 4

I.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Vorbemerkung

1 Art 5 ist neben Art 14 die einzige Bestimmung der EG-UntVO zur Zuständigkeit, die wortgleich aus der Brüssel I-VO entnommen wurde. Auch hier bestand Veranlassung, Besonderheiten zu berücksichtigen. Das betrifft in erster Linie Verfahren in Bezug auf den Unterhalt von Kindern unter 18 Jahren, für die eine Gerichtsstandsvereinbarung nach Art 4 Abs 3 ausgeschlossen ist. Die dieser Regelung zugrunde liegenden Schutzerwägungen hätten auch dazu führen müssen, ein Einlassen zu Lasten des Unterhaltsberechtigten auszuschließen oder gesondert zu regeln. Während bei der Gerichtsstandsvereinbarung ein Rechtsbindungswille hinsichtlich der Zuständigkeitsbegründung erforderlich ist und dem Schriftformerfordernis eine gewisse Warnfunktion zukommt, gibt es solche Hürden für das rügelose Einlassen nicht. Der Tatbestand des rügelosen Einlassens erfüllt sich, ohne dass die betroffene Partei von der an sich fehlenden Zuständigkeit des angerufenen Gerichts und den Rechtsfolgen ihres Handelns Kenntnis hat. Die Wirkungen des rügelosen Einlassens sind für die betroffene Partei nicht anders als die einer Gerichtsstandsvereinbarung mit ausschließlicher Wirkung. 2 Das HUntAVÜbk 1973 und das HUntVerfÜbk 2007 regeln das Einlassen in das Verfahren als zuständigkeitsbegründend bei der Anerkennungszuständigkeit.1 Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass erst das Einlassen in die Sache ohne Rüge der Zuständigkeit zur Zuständigkeitsbegründung führt. Um den Grad der Übereinstimmung zu erhöhen, wäre an Stelle eines Gleichklangs zur Brüssel I-VO auch ein solcher zu den Haager Übereinkommen möglich gewesen. II.

Abgrenzung zum innerstaatlichen Recht

3 Art 5 ist jedenfalls anzuwenden, wenn in einer grenzüberschreitenden Unterhaltssache die internationale Zuständigkeit des angerufenen mitgliedstaatlichen Gerichts zu klären ist. In solchen Fällen regelt Art 5 neben der internationalen auch die örtliche Zuständigkeit. Hinsichtlich der Kriterien, die eine Unterhaltssache zu einer grenzüberschreitenden machen, gibt es dieselben Schwierigkeiten wie bei Art 3.2 In den Fällen, in denen Art 3 zu keiner internationalen Zuständigkeit der Gerichte des Forum-Staates führt und sie auch nicht durch eine Gerichtsstandsvereinbarung begründet wird, ist Art 5 zu prüfen. 4 Problematisch ist, ob Art 5 auch dann das innerstaatliche Recht verdrängt – wie im deutschen Recht die §§ 39, 40 ZPO – wenn sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Forum-Staates bereits aus Art 3 oder 4 ergibt, nicht jedoch die örtliche Zuständigkeit.

1 2

530

Art 7 Nr 3 HUntAVÜbk 1973 und Art 20 Abs 1 lit b HUntVerfÜbk 2007. Hierzu Art 3 Rn 15 ff.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 5 EG-UntVO 5- 8

Beispiel Der Kläger hat den Antrag in einem Mitgliedstaat gestellt, in dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, jedoch befindet sich dieser nicht im Bezirk des angerufenen Gerichts. In diesem Fall sind die Gerichte des Forum-Staates nach Art 3 lit a zwar international zuständig, aber es fehlt an der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit nach innerstaatlichem Recht kann 5 angeführt werden, dass sie eine innerstaatliche Angelegenheit der örtlichen Kompetenzabgrenzung der Gerichte darstellt. Grenzüberschreitende Fragen spielen keine Rolle. Für die Anwendung von Art 5 auf solche Fälle spricht zunächst der Wortlaut. Die Norm ist heranzuziehen, wenn sich die Zuständigkeit nicht bereits aus Art 3 oder Art 4 ergibt. Da jedoch Art 3 in allen Alternativen die örtliche Zuständigkeit mitregelt, bedeutet dies, dass Art 5 auch maßgeblich ist, soweit sich aus Art 3 nur nicht die örtliche Zuständigkeit ableitet. Wenn Art 3 die innerstaatliche Gesetzgebung über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte für Unterhaltsstreitigkeiten mit Auslandsberührung verdrängt, so ist es korrekt, dies auch für Art 5 zu vertreten. Ob der Verordnungsgeber hier seine Kompetenzen aus Art 61 lit c und Art 65 EGV überschritten hat, ist vor allem an Art 3 auszumachen. Zusammenfassend ergibt sich daraus: Art 5 ist auf jede Unterhaltssache mit grenzüber- 6 schreitendem Bezug anzuwenden, bei welcher es um die Bestimmung der internationalen und örtlichen Zuständigkeit oder nur um die örtliche Zuständigkeit geht. Die einzelstaatlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten über die örtliche Zuständigkeit, einschließlich des rügelosen Einlassens, werden verdrängt. Sie finden nur noch in Verfahren Anwendung, die keine für die Zuständigkeitsordnung der EG-UntVO vorausgesetzte Auslandsbeziehung aufweisen. Besonderheiten gelten für Art 6 und Art 7.3 Art 5 bezieht sich nicht auf die sachliche und funktionelle Zuständigkeit des angerufenen Forums, hierfür ist allein das einzelstaatliche Recht maßgeblich. III. Inhalt der Regelung

Da Art 5 im Wortlaut mit Art 18 EuGVÜ /Art 24 Brüssel I-VO übereinstimmt, kön- 7 nen Rechtsprechung und Literatur zur Auslegung dieser Normen herangezogen werden. Im Folgenden werden die wesentlichen Punkte skizziert, für Vertiefung wird auf die Kommentierung zu Art 24 Brüssel I-VO verwiesen. 1.

Rügeloses Einlassen

Unter Einlassen auf das Verfahren ist jede Verteidigung zu verstehen, die unmittelbar 8 auf Klageabweisung abzielt, ohne die fehlende internationale Zuständigkeit zu rügen.4 Die Rüge muss nicht ausdrücklich erfolgen; es genügt, dass sie sich sinngemäß aus 3 4

Hierzu Art 6 Rn 10; Art 7 Rn 15. Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 24 Brüssel I-VO Rn 4; Kropholler Art 24 Brüssel I-VO Rn 7; Leible/Sommer IPRax 2006, 568, 568; Schulte-Beckhausen S 164.

Marianne Andrae

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Art 5 EG-UntVO 9, 10

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

dem Vortrag des Beklagten ergibt.5 Zuständigkeitsbegründend wirkt nicht nur die Einlassung auf die Hauptsache, sondern auch das Vorbringen von Einwendungen und Einreden, die das Verfahren betreffen.6 Es kommt allein auf den objektiven Tatbestand der Nichtrüge der internationalen Zuständigkeiten an; unerheblich ist, ob der Beklagte die Rechtsfolgen kannte.7 Die Rüge ist verspätet, wenn der Beklagte sie erst nach Abgabe derjenigen Stellungnahme erhebt, die nach dem innerstaatlichen Prozessrecht als das erste Verteidigungsvorbringen vor dem angerufenen Gericht anzusehen ist. 8 9 Ein rügeloses Einlassen liegt vor, wenn in einer schriftlichen Klageerwiderung die internationale Zuständigkeit nicht gerügt wird (dh bei Anrufung eines deutschen Gerichts bereits vor der mündlichen Verhandlung).9 Handlungen im Vorfeld der Verteidigung, wie die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft, gehören noch nicht dazu,10 auch nicht der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.11 Keine Einlassung stellen auch der Widerspruch gegen den Mahnbescheid und der Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid im deutschen Verfahren dar, weil Einwände gegen die Zulässigkeit des Verfahrens noch nicht vorzubringen sind; anders der Einspruch gegen eine Säumnisentscheidung wegen des in § 340 Abs 3 ZPO bestimmten Inhalts der Einspruchsschrift.12 10 Art 5 findet auch Anwendung, wenn es um den Unterhalt eines Kindes geht, unabhängig davon, wer den Antrag gestellt hat. Die zuständigkeitsbegründende Wirkung von Art 5 ist nicht davon abhängig, dass das Gericht auf die Möglichkeit der Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit hinweist. § 39 S 2 ZPO findet aus zwei Gründen keine Anwendung. Zum einen wird § 39 ZPO im Geltungsbereich von Art 5 insgesamt und damit auch der S 2 verdrängt.13 Zum anderen sind nach §§ 112, 113 FamFG Unterhaltssachen Familienstreitsachen, für die die Vorschriften der ZPO über das Verfahren vor den Landgerichten entsprechend Anwendung finden, so dass § 504 ZPO ausgeschlossen ist. 5

6

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OLG Koblenz OLGR 2000, 413, 415 = IPRax 2001, 334, 336; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 24 Brüssel I-VO Rn 7; MünchKommZPO /Gottwald Art 24 Brüssel I-VO Rn 7. OLG Koblenz IPRspr 1990 Nr 194 = RIW 1991, 63; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 24 Brüssel I-VO Rn 3; näher hierzu Schulte-Beckhausen S 165 f. Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 24 Brüssel I-VO Rn 4; Rauscher/Staudinger Art 24 Brüssel I-VO Rn 4. EuGH Rs 150/80 Elefanten Schuh/Pierre Jacqmain EuGHE 1981, 1671, 1686 Rn 16 f = IPRax 1982, 234, 237 m Anm Leipold, 222. OLG Frankfurt aM IPRax 2000, 525; Kropholler Art 24 Brüssel I-VO Rn 15; Schlosser Art 24 Brüssel I-VO Rn 2. LG Frankfurt aM IPRspr 1990 Nr 170 = EuZW 1990, 581; Rauscher/Staudinger Art 24 Brüssel I-VO Rn 4; Schlosser Art 24 Brüssel I-VO Rn 2; Schulte-Beckhausen S 167 f. Schulte-Beckhausen S 171 f. Rauscher/Staudinger Art 24 Brüssel I-VO Fn 21; aA Schlosser Art 24 Brüssel I-VO Rn 3. So auch zum EuGVÜ bzw zur Brüssel I-VO: Kropholler Art 24 Brüssel I-VO Rn 5; Schulte-Beckhausen S 226 ff; Rauscher/Staudinger Art 24 Brüssel I-VO Rn 16.

Januar 2010

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Kapitel II Zuständigkeit

2.

Art 5 EG-UntVO 11-14

Rüge

Die Rüge der fehlenden internationalen Zuständigkeit hindert eine Zuständigkeits- 11 begründung nach Art 5, wenn sie spätestens zum gleichen Zeitpunkt wie das erste Verteidigungsvorbringen erfolgt.14 Ein hilfsweises Verhandeln zur Sache nach erfolgter Zuständigkeitsrüge ist unschädlich. Der Antragsgegner muss während des ganzen Prozesses – auch in den höheren Instanzen15 – an der Rüge der internationalen Unzuständigkeit festhalten, solange die Entscheidung hierzu noch anfechtbar ist. Diesbezügliche Zweifel gehen jedoch nicht zu Lasten des Antragsgegners.16 Beteiligt sich der Antragsgegner nicht am Verfahren, ist Art 5 nicht anwendbar. Die 12 Einlassung in das Verfahren bzw die Rüge muss von der Person erfolgen, die für den Unterhaltsprozess die Postulationsfähigkeit besitzt. Dies bestimmt sich nach nationalem Recht.17 Die Rüge kann sich auf die internationale und örtliche Zuständigkeit oder nur auf eine davon beziehen, weil die EG-UntVO – anders als die Brüssel I-VO – bei der allgemeinen Zuständigkeit die örtliche miterfasst.18 Wird das Fehlen anderer Prozessvoraussetzungen angezeigt, so stellt dies keine Rüge 13 iSd Art 5 dar, sondern bedeutet Einlassen in das Verfahren. Dies wird in Bezug auf Art 24 Brüssel I-VO auch für den Einwand der doppelten Rechtshängigkeit vertreten.19 Dies ist jedoch deshalb problematisch, als in dieser Rüge auch enthalten ist, dass nicht dieses Gericht, sondern ein anderes Gericht die Kompetenz hat, den Streitfall zu entscheiden. Dies gilt umso mehr, als sich das zuletzt angerufene Gericht nach Art 12 Abs 2 für unzuständig zu erklären hat und Art 5 nur die Rüge des Mangels der Zuständigkeit fordert. Die Kenntnis von der an sich dogmatisch richtigen Unterscheidung zwischen der internationalen Zuständigkeit und der Rechtshängigkeitssperre ist von der Partei für Art 5 nicht zu verlangen. Nicht ausreichend ist jedoch, dass die sachliche oder funktionelle Zuständigkeit des 14 Gerichts gerügt wird. Hat der Antragsgegner die Rüge der Unzuständigkeit geltend gemacht, um danach hilfsweise zur Sache zu verhandeln, so wird die Zuständigkeit nach Art 5 nicht begründet. 20

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20

Europäische Kommission, 14.7.1999, KOM (1999) 348, 20 f = BR-Drs 534/99, 19 f; Kropholler Art 24 Brüssel I-VO Rn 15; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 24 Brüssel I-VO Rn 7. Kropholler Art 24 Brüssel I-VO Rn 13; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 24 Brüssel I-VO Rn 52. Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 24 Brüssel I-VO Rn 52. Kropholler Art 24 Brüssel I-VO Rn 6. Zur Brüssel I-VO: OLG Frankfurt aM NJW-RR 2005, 935; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 24 Brüssel I-VO Rn 6; Rauscher/Staudinger Art 24 Brüssel I-VO Rn 19. OLG München IPRspr 2000 Nr 143; OLG Koblenz IPRspr 1990 Nr 194 = RIW 1991, 63; Kropholler Art 24 Brüssel I-VO Rn 7. Bereits zum EuGVÜ EuGH Rs 150/80 Elefanten Schuh/Pierre Jacqmain EuGHE 1981, 1671, 1686 Rn 17 = IPRax 1982, 234, 237; EuGH Rs 27/81 Rohr/Dina Ossberger EuGHE 1981, 2431; ausführlich hierzu Kropholler Art 24 Brüssel I-VO Rn 10 ff; Sandrock ZVglRWiss 1979, 177 ff.

Marianne Andrae

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Art 5 EG-UntVO, 15, 16 Art 6 EG-UntVO, 1

3.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Rechtsfolge

15 Durch das rügelose Einlassen wird die internationale und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts begründet. Diese Rechtsfolge wird auch herbeigeführt, wenn die Parteien durch eine Gerichtsstandsvereinbarung die Zuständigkeit des Gerichts oder der Gerichte eines anderen Staates mit ausschließlicher Wirkung vereinbart haben. Bei einer grenzüberschreitenden Unterhaltsstreitigkeit, bei der sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Forumsstaates, nicht jedoch die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts aus Art 3 und Art 4 ableitet, wird die örtliche Zuständigkeit ebenfalls nach Art 5 begründet. 16 Beachtet das angerufene mitgliedstaatliche Gericht die Rüge nicht und trifft eine Sachentscheidung, so kann die betroffene Partei dagegen Rechtsmittel nach innerstaatlichem Recht unter Hinweis auf die fehlende Zuständigkeit einlegen. Das trifft jedoch im Verfahren vor deutschen Gerichten nur zu, wenn die fehlende internationale Zuständigkeit gerügt worden ist, auf den Mangel der örtlichen Zuständigkeit kann sich die Beschwerde bzw die Rechtsbeschwerde nicht stützen.21

Artikel 6

Auffangzuständigkeit Ergibt sich weder eine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats gemäß der Artikel 3, 4 und 5 noch eine Zuständigkeit eines Gerichts eines Staates, der dem Übereinkommen von Lugano angehört und der kein Mitgliedstaat ist, gemäß der Bestimmungen dieses Übereinkommens, so sind die Gerichte des Mitgliedstaats der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Parteien zuständig. I. Regelungsziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

IV. Örtliche Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

V. Ersetzung durch den gemeinsamen Wohnsitz . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

III. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8 VI. Vertragsstaaten des LugÜbk . . . . . . . . . . .

12

I.

Regelungsziel

1 Die EG-UntVO regelt die internationale Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten abschließend. Anders als in der Brüssel IIa-VO gibt es keine sog Restzuständigkeit nach nationalem Recht.1 Der Verordnungsgeber musste dem berechtigten Anliegen Rechnung tragen, in bestimmten Fällen mit Auslandsberührung die Zuständigkeit 21

§§ 65 Abs 4, 72 Abs 2 FamFG, die entsprechend §§ 513 Abs 2, 545 Abs 2 ZPO auszulegen sind, BGH NJW 2004, 1456; Thomas/Putzo/Reichold § 513 ZPO Rn 3.

1

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Siehe zur Restzuständigkeit nach Art 7 Brüssel IIa-VO Rauscher/Rauscher Art 7 Brüssel IIa-VO.

Januar 2010

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 6 EG-UntVO 2-5

eines mitgliedstaatlichen Gerichts zu ermöglichen, auch wenn die Zuständigkeitskriterien nach Art 3 nicht zutreffen und keine Gerichtsstandsvereinbarung oder ein rügeloses Einlassen zu einer solchen Zuständigkeit führt. Er hat als zusätzlichen Anknüpfungspunkt die gemeinsame Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates eingeführt. Es handelt sich um ein Kriterium, das im deutschen internationalen Zivilverfahrens- 2 recht für Unterhaltssachen nicht zur Anwendung kommt, jedoch in Frankreich als allgemeines Zuständigkeitskriterium,2 auch wenn es nur auf eine Partei zutrifft, anerkannt ist. Wenn einerseits berücksichtigt wird, dass es um Unterhaltsbeziehungen aus Familienbeziehungen geht, ihnen also regelmäßig persönliche Beziehungen zugrunde liegen und andererseits eine gemeinsame Staatsangehörigkeit auch meist eine enge Verbindung beider Parteien zu diesem Staat bewirkt, so ist diese Auffangzuständigkeit durchaus tragfähig. Ob die Inanspruchnahme der Zuständigkeit für den Antragsteller sinnvoll ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, ob der Antragsgegner in einem Mitgliedstaat vollstreckungsfähiges Vermögen hat oder ob die zu erwartende Entscheidung in einem potentiellen Vollstreckungs-Drittstaat aufgrund einer solchen Zuständigkeit anerkennungsfähig ist. Während zB Art 7 HUntAVÜbk 1973 noch die gemeinsame Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium für die Anerkennungszuständigkeit vorsieht, fehlt es in der Auflistung des Art 20 HUntVerfÜbk 2007. Es gibt Situationen, in denen natürliche Personen keinen gewöhnlichen Aufenthalt 3 haben bzw ihr gewöhnlicher Aufenthalt nicht festgestellt werden kann. Diese Situation hat zB in Art 13 Brüssel IIa-VO für die Zuständigkeit in Fragen der elterlichen Verantwortung ihren Niederschlag gefunden. 3 Eine vergleichbare Regelung für die EGUntVO, die an den Aufenthalt knüpft, wäre durchaus als Auffangzuständigkeit regelungswürdig gewesen. 4 II.

Voraussetzungen

Beide Parteien müssen Angehörige des Staates sein, dessen Gericht angerufen ist.5 4 Weiterhin darf keine Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts nach den Artt 3-5 begründet sein. Mitgliedstaaten sind iSv Art 1 Abs 2 auszulegen. Zunächst darf die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht bereits nach den vorhergehenden Artikeln bestehen. Die anderen Zuständigkeiten haben Priorität. In der Entscheidung sollte die Herleitung der Zuständigkeit aus diesen anderen Kriterien zum Ausdruck kommen, weil dies für die Anerkennung und Vollstreckung in Drittstaaten von Bedeutung sein könnte. Vorrang haben die Zuständigkeit aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung, des ge- 5 wöhnlichen Aufenthalts des Antragsgegners oder des Unterhaltsberechtigten sowie 2 3 4 5

Vgl Artt 14, 15 Cciv. Siehe auch Art 6 KSÜ. Hierzu Art 3 Rn 28. Hierzu unter Rn 9.

Marianne Andrae

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Art 6 EG-UntVO 6- 8

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

die Annexzuständigkeiten bei Anhängigkeit eines Eheverfahrens oder eines Verfahrens über die elterliche Verantwortung nach Art 3. Das rügelose Einlassen hat gleichfalls Vorrang vor Art 6 und muss deshalb im Verfahren geprüft werden, bevor die Zuständigkeit aufgrund der gemeinsamen Staatsangehörigkeit in Anspruch genommen wird. 6 Auch die Gerichte anderer Mitgliedstaaten dürfen nach Artt 3-5 nicht zuständig sein. Weder der Antragsgegner noch der Unterhaltsberechtigte dürfen deshalb in einem anderen Mitgliedstaat einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Der Ausschluss nach Art 3 lit c und d setzt voraus, dass das Statusverfahren bzw das Verfahren über die elterliche Verantwortung in dem anderen Mitgliedstaat bereits anhängig ist und nach den dort geltenden Zuständigkeitsvorschriften auch für die konkrete Unterhaltssache – um die es geht – eine Zuständigkeit bestehen würde, wenn das dortige Gericht angerufen werden würde. Auch eine nach Art 4 wirksame Vereinbarung eines Gerichtsstandes in einem anderen Mitgliedstaat schließt eine Zuständigkeit nach Art 6 aus. 7 Fraglich ist, ob es einer Prüfung bedarf, wenn in der Unterhaltssache bereits ein Gericht eines anderen Mitgliedstaates angerufen ist. Dafür spricht zunächst der Wortlaut von Art 6. Dies macht auch Sinn, weil Art 10 (Prüfung der eigenen Zuständigkeit) Vorrang vor Art 12 (Beachtung der Rechtshängigkeit) hat. Das angerufene Gericht hat zunächst seine eigene Zuständigkeit zu prüfen und wenn sie nicht besteht, sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären. Stützt sich die eigene Zuständigkeit nicht auf die Artt 3-5, so hat das angerufene Gericht zu prüfen, ob nach denselben Vorschriften das Gericht eines Mitgliedstaates für die Unterhaltssache zuständig ist oder bei Anrufung sein würde. Es entscheidet dabei nicht über die Zuständigkeit der ausländischen Gerichte, sondern prüft sie nur als Vorfrage für die eigene Zuständigkeit. Insofern ist, wenn das Gericht eines anderen Mitgliedstaates in derselben Unterhaltssache bereits angerufen ist, auch zu prüfen, ob der Tatbestand des Art 5 dort erfüllt ist. Dieselbe Unterhaltssache ist hier im engeren Sinne zu verstehen. Die Kernpunkttheorie,6 die für die Beachtung der Rechtshängigkeit entwickelt wurde, um widersprechende Entscheidungen zu verhindern, findet erst für die Prüfung der Rechtshängigkeitssperre Anwendung. III. Rechtsfolge

8 Sind das angerufene Gericht bzw die Gerichte des Mitgliedstaates, dessen Gericht angerufen wurde, bereits nach den Artt 3-5 zuständig, kann die Zuständigkeit nicht auf Art 6 gestützt werden. Diese Zuständigkeit hat subsidiären Charakter. Besteht eine solche nicht, aber die Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte eines anderen Mitgliedstaates, so hat sich das angerufene Gericht nach Art 10 für unzuständig zu erklären.

6

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Siehe zur Kernpunkttheorie MünchKommZPO /Gottwald Art 27 Brüssel I-VO Rn 7; Rauscher/Leible Art 27 Brüssel I-VO Rn 8 mwN.

Januar 2010

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 6 EG-UntVO 9-12

Ergibt sich aus den Artt 3-5 keine Zuständigkeit eines Gerichts oder der Gerichte ei- 9 nes Mitgliedstaates, so besteht die internationale Entscheidungszuständigkeit in der Unterhaltssache, wenn beide Parteien die Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaates haben. Bei Mehrstaatern kommt es nur darauf an, ob eine der Staatsangehörigkeiten die des Gerichtsstaates ist, nicht erheblich ist, mit welchem Heimatstaat die Person am engsten verbunden ist. Nach der Bestimmung kommt es auf die Parteien des Prozesses an, dh in wessen Namen der Prozess geführt wird. Bei Prozessstandschaft für den Kindesunterhalt ist jedoch auf die Staatsangehörigkeit des Kindes abzustellen, wenn das Kind der materiellrechtlich Berechtigte ist und die Entscheidung für und gegen das Kind wirken wird. Dafür spricht, dass das Kind oft aufgrund des Abstammungsprinzips im Staatsangehörigkeitsrecht dieselbe Staatsangehörigkeit des in Anspruch genommenen Verwandten hat, wogegen der Elternteil, der in Prozessstandschaft für das Kind den Prozess führt, in gemischt nationalen Beziehungen nicht selten einem anderen Staat angehört. IV.

Örtliche Zuständigkeit

Art 6 regelt nur die internationale Zuständigkeit; die örtliche Zuständigkeit ist in sol- 10 chen Fällen dem nationalen Recht zu entnehmen. Soweit der Antragsgegner kein extraterritorialer Deutscher (§ 15 ZPO) ist, er im Inland kein Vermögen (§ 23 ZPO) hat oder sich hier auch nicht nur vorübergehend aufhält (§ 20 ZPO), fehlt es an einer gesetzlich geregelten örtlichen Zuständigkeit im deutschen Recht. Die Gewährung der Gerichtszuständigkeit nach Art 6 ist zwingend, dies ergibt sich sowohl aus der deutschen als auch aus der französischen Fassung, sie kann deshalb nicht an der fehlenden örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts im gemeinsamen Heimatstaat scheitern. Die deutschen Ausführungsbestimmungen zur EG-UntVO sollten deshalb eine örtliche Ersatzzuständigkeit vorschreiben, mangels dessen müsste § 15 ZPO analog herangezogen werden. V.

Ersetzung durch den gemeinsamen Wohnsitz

Für die Gerichte Irlands und des Vereinigten Königreichs tritt für die Zuständigkeits- 11 begründung an die Stelle der Staatsangehörigkeit das gemeinsame domicile (Art 2 Abs 3 S 1). Das domicile bestimmt sich nach dem Recht Irlands bzw des Vereinigten Königreichs. Dabei werden die Parteien, die in unterschiedlichen Gebietseinheiten (England und Wales, Schottland, Nordirland) ihr domicile haben, für Art 6 so behandelt, als hätten sie beide ihr domicile im Vereinigten Königreich (Art 2 Abs 3 S 2).7 VI. Vertragsstaaten des LugÜbk

Die Zuständigkeit nach Art 6 besteht für Gerichte der Mitgliedstaaten nicht, wenn 12 die Gerichte der Teilnehmerstaaten des LugÜbK, die nicht Mitgliedstaaten sind (also Island, Norwegen und Schweiz) nach diesem Übereinkommen die Zuständigkeit be7

Siehe auch Art 2 Rn 26.

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Art 7 EG-UntVO 1, 2

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

sitzen. Die Zuständigkeit in Unterhaltssachen nach dem LugÜbk entspricht der der Brüssel I-VO. Das trifft sowohl für das noch nicht in Kraft getretene LugÜbk 2007, als auch für das gegenwärtig noch geltende LugÜbk 1988 zu.

Artikel 7

Notzuständigkeit (forum necessitatis) Ergibt sich keine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats gemäß der Artikel 3, 4, 5 und 6, so können die Gerichte eines Mitgliedstaats in Ausnahmefällen über den Rechtsstreit entscheiden, wenn es nicht zumutbar ist oder es sich als unmöglich erweist, ein Verfahren in einem Drittstaat, zu dem der Rechtsstreit einen engen Bezug aufweist, einzuleiten oder zu führen. Der Rechtsstreit muss einen ausreichenden Bezug zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts aufweisen. I. Zweckbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Autonome Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

III. Voraussetzungen

1. Mitgliedstaatliches Gericht unzuständig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unmöglichkeit des Verfahrens im Drittstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

6

3. Unzumutbarkeit des Verfahrens in Drittstaaten . . . . . . . . . . . . 4. Bezug zu dem Mitgliedstaat . . . . . . . . . .

9 12

IV. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

V. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

7

Zweckbestimmung

1 Die Abgrenzung der Justizzuständigkeiten in Unterhaltssachen durch die Regeln über die internationale Zuständigkeit darf nicht dazu führen, dass im Ergebnis ein déni de justice eintritt.1 Die internationale Notzuständigkeit ist ein rechtliches Ventil, das den Justizgewährungsanspruch – wie er in Art 6 Abs 1 EMRK verankert ist2 – sichert. Er soll nicht daran scheitern, dass der betreffenden Person in einem grenzüberschreitenden Zivilrechtsfall kein Forum zur Verfügung steht, in dem sie ihre Klage einbringen kann. 2 In diesem Fall wird von einem negativen internationalen Kompetenzkonflikt gesprochen. Dieser kann dadurch auftreten, dass die Staaten – anders als in der Europäischen Gemeinschaft – die Zuständigkeiten ihrer Gerichte nicht koordinieren und dadurch Lücken in der Zuständigkeit auftreten. Weiterhin können tatsächliche Umstände, wie Krieg, Stillstand der Rechtspflege oder Verfolgung, daran hindern, die Klage in 1 2

538

Hierzu ua Schütze Ausgewählte Probleme des IZPR S 301 ff. Hierzu ua Schütze Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts Rn 128; Kropholler IPR6 (2006) § 58 II 1d; Matscher FS Schwind (1993) 71, 79; Milleker Der Negative Internationale Kompetenzkonflikt S 69.

Januar 2010

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 7 EG-UntVO 3-5

dem Land einzureichen, dessen Gerichte an sich zuständig wären. Mit der Notzuständigkeit wird für eingegrenzte Fälle die Möglichkeit eröffnet, in einer Unterhaltssache bei Vorliegen solcher Gegebenheiten die Gerichte eines Mitgliedstaates anzurufen, wenn zu diesem Mitgliedstaat eine Verbindung besteht. Bisher bestand in Bezug auf das europäische Zivilverfahrensrecht kein tatsächliches 3 Bedürfnis für eine internationale Notzuständigkeit, da das EuGVÜ /die Brüssel I-VO einen räumlich-personell beschränkten Geltungsbereich haben. Innerhalb dieser Zuständigkeitsordnung traten negative Kompetenzkonflikte der oben dargestellten Art nicht auf. Die Brüssel IIa-VO weist zwar keine solche Begrenzung auf, regelt jedoch die internationale Zuständigkeit nicht abschließend, sondern lässt über die Restzuständigkeit Raum für einzelstaatliche Zuständigkeiten. Innerhalb des Anwendungsbereichs der Brüssel I- und der Brüssel IIa-VO ist die internationale Notzuständigkeit grundsätzlich dem autonomen IZPR der Mitgliedstaaten überlassen. Diese Zuständigkeit ist zB in Deutschland,3 in Frankreich4 und Österreich5 anerkannt.6 Die Vorschriften der EG-UntVO haben in Bezug auf die internationale Zuständigkeit 4 abschließenden Charakter. Ein Rückgriff auf die nationalen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit, einschließlich über die Notzuständigkeit, ist somit nicht möglich. Erfreulich ist, dass der Verordnungsgeber die Notzuständigkeit geregelt hat und sie nicht der Lückenschließung durch die Rechtsprechung überlässt. II.

Autonome Auslegung

Die Tatbestandserfordernisse sind autonom auszulegen. Übereinstimmende Grundsät- 5 ze, die in nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu dieser Zuständigkeit entwickelt wurden, können für die Auslegung herangezogen werden. Die Auslegung hat sich von dem Zweck der Vorschrift leiten zu lassen, die Verletzung des Justizgewährungsanspruchs in Folge von negativen Kompetenzkonflikten in konkreten Fällen zu verhindern.

3

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5

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Ua BAG JZ 1979, 647; OLG Frankfurt aM IPRax 1999, 247, 249; LAG Frankfurt aM RIW 1982, 524; Schütze Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts Rn 128 ff; Schütze Ausgewählte Probleme des IZPR S 305 ff. Ua Cass civ 13.1.1981, JDI 1981, 360; Bureau/Watt Droit international privé, Tome 1 (Partie générale), 2007, Rn 64 ff; Niboyet /de la Pradelle DIP (2007) Rn 413. § 28 Abs 1 Nr 2 JN, dazu OGH 12.5.2003, 9Nc 109/02g; Burgstaller/Neumayr FS Schlosser (2005) 119, 131. Gesetzlich ist die Notzuständigkeit auch in Art 3 schweiz IPRG geregelt. Es handelt sich um eine Zuständigkeit für den Ausnahmefall, was bei der Auslegung zu beachten ist. Eine gewisse Anlehnung von Art 7 an Art 3 schweiz IPRG ist zu erkennen, Art 3 schweiz IPRG lautet: „Sieht dieses Gesetz keine Zuständigkeit in der Schweiz vor und ist ein Verfahren im Ausland nicht möglich oder unzumutbar, so sind die schweizerischen Gerichte oder Behörden am Ort zuständig, mit dem der Sachverhalt einen genügenden Zusammenhang aufwies.“

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Art 7 EG-UntVO 6- 8

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

III. Voraussetzungen

1.

Mitgliedstaatliches Gericht unzuständig

6 Die Notzuständigkeit ist ausgeschlossen, wenn nach den Artt 3, 4, 5 und 6 wenigstens ein Gericht eines Mitgliedstaates zuständig ist. Es ist also zu prüfen, ob diese Normen wenigstens zur Zuständigkeit irgendeines mitgliedstaatlichen Gerichts führen. Trifft das zu, liegt jedenfalls kein negativer Kompetenzkonflikt vor. Es gibt ein Forum, in dem das Verfahren eingeleitet werden kann und die Nutzung dieser Zuständigkeit ist dem Antragsteller auch zumutbar, weil in allen Mitgliedstaaten die Verfahren nach rechtsstaatlichen Grundsätzen durchgeführt werden. Zudem ist eine Entscheidung des nach der EG-UntVO zuständigen Gerichts in allen Mitgliedstaaten vollstreckbar. Dieser Ausschlussgrund ist entsprechend anzuwenden, wenn nach dem LugÜbk ein Gericht in Norwegen, Island und der Schweiz zuständig ist. 2.

Unmöglichkeit des Verfahrens im Drittstaat

7 Die Einleitung des Verfahrens oder seine Führung muss in jedem Drittstaat unmöglich sein, der zu dem Rechtsstreit einen engen Bezug aufweist. Drittstaaten sind alle Staaten, die Nichtmitgliedstaaten iSd Art 1 Abs 2 sind. Einbezogen sind auch Dänemark, Norwegen, Island und die Schweiz. Letzteres ist kein Widerspruch zu den Ausführungen unter Rn 6. Im Unterschied zu den Mitgliedstaaten kann sich die Zuständigkeit für die Gerichte dieser Staaten zusätzlich zum LugÜbk auch aus dem innerstaatlichen Recht ergeben. 8 Die Prüfung muss alle Drittstaaten umfassen, zu denen der Rechtsstreit einen engen Bezug aufweist. Ein solcher ist zumindest dann gegeben, wenn die Artt 3, 4 und 5 spiegelbildlich angewandt, zu einer Zuständigkeit des Drittstaates führen würden. Weitere Kriterien wären der Wohnsitz (domicile) oder die Staatsangehörigkeit einer Partei. Die Unmöglichkeit kann darauf beruhen, dass nach dem Recht des danach potentiell in Frage kommenden Drittstaates keine Zuständigkeit der dortigen Gerichte besteht. Sie kann nur tatsächlich vorliegen, weil die Rechtsverfolgung am an sich gegebenen Forum wegen Stillstands der Rechtspflege nicht möglich ist. Beispiele hierfür sind kriegerische Auseinandersetzung, Besetzung von Gebieten durch Terrororganisationen, revolutionäre Umstürze, Staatensukzession mit lang anhaltend nicht funktionsfähigem Gerichtswesen. Soweit eine geordnete gerichtliche Tätigkeit in absehbarer Zeit in Aussicht steht, liegt Unmöglichkeit der Inanspruchnahme der Zuständigkeit nicht vor.7 Eine zu erwartende überlange Prozessdauer kann nur dann den Tatbestand erfüllen, wenn hierdurch der Sinn der Erstreitung eines Unterhaltstitels – nämlich die geschuldete Leistung für den Lebensunterhalt zu erstreiten – verloren geht.

7

540

Geimer IZPR Rn 1027; Schütze Ausgewählte Probleme des IZPR S 307.

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Kapitel II Zuständigkeit

3.

Art 7 EG-UntVO 9-11

Unzumutbarkeit des Verfahrens in Drittstaaten

Der Unmöglichkeit ist die Unzumutbarkeit der Prozessführung in einem Drittstaat 9 gleichgestellt, dessen Gerichte an sich zuständig sind. Die Unzumutbarkeit kann generell, aber auch bezogen auf die konkrete Unterhaltssache, bestehen. Eine generelle Unzumutbarkeit liegt vor, wenn bei dem drittstaatlichen Gericht eine sachgerechte, den „elementaren rechtsstaatlichen Garantien entsprechende Entscheidung des Rechtsstreits nicht gewährleistet ist“,8 konkret zB wenn eine der Parteien in Bezug auf den betreffenden Drittstaat die Kriterien eines internationalen Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention9 erfüllt. Unzumutbar ist die Prozessführung im Drittstaat auch, wenn von vornherein unzweifelhaft feststeht, dass die zu erwartende Entscheidung den ordre public verletzt. Als Beispiel wäre hierfür die Stellung des Antrags auf Kindesunterhalt zu nennen, wenn im Drittstaat dieser Antrag sicher abgelehnt werden wird, weil die Eltern im maßgeblichen Zeitpunkt nicht verheiratet waren und deshalb das Kind dort nicht als vom Vater abstammend gilt. In der deutschen Literatur wird noch eine weitere Fallsituation diskutiert, die gerade 10 unter der EG-UntVO von Relevanz sein könnte. Im innerstaatlichen Recht hängt die Anerkennung einer drittstaatlichen Entscheidung von der Gegenseitigkeit ab. Fehlt diese in Bezug auf den Drittstaat, ist der Zugriff auf ein in Deutschland belegenes Vermögen des Schuldners aufgrund dieser Entscheidung nicht möglich. Nachdem der BGH10 im Anschluss an das OLG Stuttgart11 für die Inanspruchnahme der Zuständigkeit nach § 23 ZPO das Erfordernis des Binnenbezuges des Sachverhalts aufgestellt hat, wird vertreten, dass – bei seinem Fehlen – dem Kläger ein inländischer Notgerichtsstand zur Vermeidung eines déni de justice zu gewähren ist.12 Die EG-UntVO kennt keinen Vermögensgerichtsstand, der als Ersatz für die fehlende 11 Vollstreckbarkeit einer drittstaatlichen Entscheidung mangels Gegenseitigkeit der Anerkennung einen Gerichtsstand für das Erkenntnisverfahren eröffnet. Den Umweg der Notzuständigkeit nach Art 7 einzuschlagen, ist problematisch, weil es sich dabei nicht um eine Ausnahmesituation handelt. Auch im deutschen IZPR gehört diese Konstellation an sich nicht zur Fallgruppe der Notzuständigkeit. Das innerstaatliche IZPR macht die Anerkennung vermögensrechtlicher Entscheidungen von der Gegenseitigkeit abhängig und eröffnet – zwar nicht nur, aber auch deswegen – die Zuständigkeit am inländischen Belegenheitsort des Vermögens, um dem Berechtigten die Durchsetzung seiner Ansprüche zu ermöglichen. Fällt mit der EG-UntVO der Vermögensgerichtsstand für Sachverhalte mit Drittstaatenbezug weg, müsste als Reaktion darauf die Gegenseitigkeit als Voraussetzung für die Anerkennung bei Unterhaltsent8 9

10

11 12

So OLG Frankfurt aM IPRax 1999, 247, 249; Schütze Ausgewählte Probleme des IZPR S 307. Genfer UN-Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951, BGBl 1953 II 560; Genfer Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.1.1967, BGBl 1969 II 1294. BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092; hierzu ua Fricke NJW 1992, 3066; Geimer NJW 1991, 3072; Schack JZ 1992, 54; Schütze DWiR 1991, 239, 245. OLG Stuttgart RIW 1990, 829. Schack IZVR Rn 396; Schütze Ausgewählte Probleme des IZPR S 310.

Marianne Andrae

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Art 7 EG-UntVO 12-15

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

scheidungen abgeschafft werden, statt die Belegenheitszuständigkeit im Gewande der Notzuständigkeit, zumindest teilweise, beizubehalten. 4.

Bezug zu dem Mitgliedstaat

12 Der Rechtsstreit muss einen ausreichenden Bezug zu dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts aufweisen. Es handelt sich dabei um Kriterien, die nicht die Zuständigkeit nach Artt 3-6 begründen, wie zB die Staatsangehörigkeit einer der Parteien13 oder ihr Wohnsitz, der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsverpflichteten, der Aufenthalt einer Partei, wobei bloße Anwesenheit nicht ausreicht. Auch die Belegenheit von Vermögen kann ein solches Kriterium bilden, wenn darauf in der Vollstreckung zurückgegriffen werden kann.14 IV.

Rechtsfolge

13 Liegen alle genannten Voraussetzungen vor, dann können die Gerichte des betreffenden Mitgliedstaates über den Rechtsstreit entscheiden, dh sie müssen die internationale Notzuständigkeit nicht zwingend gewähren. Vielmehr handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Sie haben dabei einen strengen Maßstab anzulegen, was durch den Begriff „in Ausnahmefällen“ zum Ausdruck kommt. Art 7 darf nicht als Ausweichklausel begriffen werden. Im Gewand der Notzuständigkeit dürfen nicht die durch die EG-UntVO abgeschafften exorbitanten Zuständigkeiten nach nationalem Recht wieder eingeführt werden. Zu fragen ist in jedem Einzelfall, ob ein „unabweisbares Bedürfnis für die Gewährung gerade des Rechtsschutzes“ in dem betreffenden Mitgliedstaat besteht.15 14 Auch für die Notzuständigkeit gilt der Grundsatz der perpetuatio fori. Liegen bei Anhängigkeit des Verfahrens die Voraussetzungen vor, so bleibt die Zuständigkeit bestehen, auch wenn die sie begründenden Umstände während des Verfahrens entfallen sind. V.

Örtliche Zuständigkeit

15 Art 7 regelt nur die internationale Notzuständigkeit, die örtliche ist dem nationalen Recht des betreffenden Mitgliedstaates zu entnehmen, das dafür ein Forum zur Verfügung stellen muss. Nach Sinn und Zweck der internationalen Notzuständigkeit in besonders gelagerten grenzüberschreitenden Fällen müssen die Mitgliedstaaten abweichend von den allgemeinen Zuständigkeitsbestimmungen zur Wahrung des Justizgewährungsanspruchs ein Forum zur Verfügung stellen. Die Notzuständigkeit darf nicht am Fehlen eines örtlich zuständigen Forums scheitern. Auf welche Weise dies realisiert wird, bestimmt sich nach einzelstaatlichem Recht. Im deutschen Recht gibt es 13 14

15

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Ausdrücklich Erwägungsgrund 14. Für das dt IZPR Schütze Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts Rn 130. Schack IZVR Rn 397.

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Art 8 EG-UntVO 1

Kapitel II Zuständigkeit

unterschiedliche Überlegungen, die Lücke zu schließen, wenn die Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit zu keinem Gericht führen. Für Unterhaltsprozesse naheliegend ist eine Analogie zu §§ 15, 16 ZPO.16

Artikel 8

Verfahrensbegrenzung (1) Ist eine Entscheidung in einem Mitgliedstaat oder einem Vertragsstaat des Haager Übereinkommens von 2007 ergangen, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, so kann die verpflichtete Person kein Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat einleiten, um eine Änderung der Entscheidung oder eine neue Entscheidung herbeizuführen, solange die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in dem Staat hat, in dem die Entscheidung ergangen ist. (2) Absatz 1 gilt nicht, a) wenn die gerichtliche Zuständigkeit jenes anderen Mitgliedstaats auf der Grundlage einer Vereinbarung nach Artikel 4 zwischen den Parteien festgelegt wurde; b) wenn die berechtigte Person sich aufgrund von Artikel 5 der gerichtlichen Zuständigkeit jenes anderen Mitgliedstaats unterworfen hat; c) wenn die zuständige Behörde des Ursprungsstaats, der dem Haager Übereinkommen von 2007 angehört, ihre Zuständigkeit für die Änderung der Entscheidung oder für das Erlassen einer neuen Entscheidung nicht ausüben kann oder die Ausübung ablehnt; oder d) wenn die im Ursprungsstaat, der dem Haager Übereinkommen von 2007 angehört, ergangene Entscheidung in dem Mitgliedstaat, in dem ein Verfahren zur Änderung der Entscheidung oder Herbeiführung einer neuen Entscheidung beabsichtigt ist, nicht anerkannt oder für vollstreckbar erklärt werden kann. I. Herkunft und Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Abänderungsentscheidungen . . . . . . . . . .

3

3. Zuständigkeiten der Gerichte im Erststaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8 9 10

IV. Rechtliche Handhabung . . . . . . . . . . . . . . .

17

III. Absatz 1

1. Antrag des Unterhaltsverpflichteten 2. Gewöhnlicher Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten. . . . . . . . . . . . . . .

I.

6 7

Herkunft und Relevanz

Art 8 stellt eine Abwandlung von Art 18 HUntVerfÜbk 2007 dar, indem er diesen 1 an die Zuständigkeitsordnung der EG-UntVO anpasst. Das HUntVerfÜbk 2007 regelt die internationale Entscheidungszuständigkeit nicht, vielmehr legt es in Art 20 fest, 16

Hierzu ua Schack IZVR Rn 398; aA Schütze Ausgewählte Probleme des IZPR S 313, Bestimmung der Zuständigkeit durch den BGH.

Marianne Andrae

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Art 8 EG-UntVO 2- 4

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

welche Verbindung der Unterhaltsfall zum Entscheidungsstaat haben muss, damit in einem anderen Vertragsstaat diese Entscheidung anerkannt wird (Anerkennungszuständigkeit). Hiervon macht Art 18 HUntVerfÜbk 2007 eine Ausnahme, sie betrifft die Entscheidungszuständigkeit in einem besonderen Fall: Es ist bereits eine Entscheidung in dem Vertragsstaat getroffen worden, in dem die unterhaltsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Art 18 sperrt im Grundsatz die Einleitung eines erneuten Verfahrens durch den Unterhaltsverpflichteten in einem anderen Vertragsstaat, solange der Unterhaltsberechtigte dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Die Regelung dient dem Schutz des Unterhaltsberechtigten vor der aufgezwungenen Prozessführung vor einem fremden Forum. 2 Bei Anwendung der Zuständigkeitsnormen der EG-UntVO wird regelmäßig das mit Art 18 HUntVerfÜbk 2007 angestrebte Regelungsziel ohnehin erreicht, sodass die praktische Relevanz von Art 8 nicht groß ist. Der Hauptfall einer sich aus Art 8 ergebenden Zuständigkeitssperre betrifft Art 6. Unterhaltsberechtigter und -verpflichteter haben die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates, der Unterhaltsberechtigte hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat des HUntVerfÜbk 2007, in dem auch die Erstentscheidung gefällt worden ist. In einer solchen Konstellation ist die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates, dessen Staatsangehörigkeit beide Parteien besitzen und in dem möglicherweise der Unterhaltsverpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, für den Antrag des Unterhaltsverpflichteten gesperrt. II.

Abänderungsentscheidungen

3 Die internationale Zuständigkeit für die Abänderung einer Entscheidung in Unterhaltssachen ist in der EG-UntVO nicht gesondert geregelt; sie bestimmt sich nach den Zuständigkeitsnormen der Verordnung.1 Das gilt selbst dann, wenn nach einzelstaatlichem Recht des Forum-Staates die Abänderung im Rechtsbehelfsverfahren gegen die ursprüngliche Entscheidung geltend zu machen ist. 2 4 Der Umstand, dass ein mitgliedstaatliches Gericht im Erstprozess eine Sachentscheidung getroffen hat, die in den anderen Mitgliedstaaten unmittelbar anzuerkennen ist, führt zu keiner Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts im Zweitprozess. Die Zuständigkeit für den Zweitprozess leitet sich auch für dieses Gericht aus den Artt 3-7 ab. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei die Einleitung des Zweitprozesses, der Grundsatz der perpetuatio fori findet Anwendung. Daran ändert auch Art 8 nichts. Intertemporal unterliegen Anträge auf Abänderung, die ab dem 18.6.2011 anhängig gemacht werden, den Zuständigkeitsnormen der EG-UntVO, auch wenn sich die Zuständigkeit für die Erstentscheidung aus dem EuGVÜ bzw der Brüssel I-VO oder dem einzelstaatlichen Recht ergab.

1

2

544

Gilt ebenso für das EuGVÜ bzw die Brüssel I-VO; vgl OGH ZfRV 2003, 111, 113 f; OLG Jena IPRspr 1999 Nr 113; Kropholler Art 5 Brüssel I-VO Rn 66. Für das EuGVÜ bzw die Brüssel I-VO: OGH ZfRV 2003, 111, 114. Hierzu Kropholler Art 5 Brüssel I-VO Rn 66.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 8 EG-UntVO 5- 8

Wichtig ist zwischen einem Abänderungsbegehren und Einwänden gegen die Voll- 5 streckung zu unterscheiden. Ob ein in der Erstentscheidung zuerkannter Betrag noch angemessen ist oder gar gänzlich wegzufallen hat, ist im Erkenntnisverfahren zu prüfen. Es handelt sich um keine Einwände, die im Vollstreckungsverfahren nach Art 21 Abs 1 vorgebracht werden können.3 III. Absatz 1

1.

Antrag des Unterhaltsverpflichteten

Erfasst sind Anträge, die sich auf eine Unterhaltspflicht beziehen, für die bereits eine 6 Entscheidung in einem Mitgliedstaat iSd Art 1 Abs 2 oder einem Vertragsstaat des HUntVerfÜbk 2007 ergangen ist. Solange das HUntVerfÜbk 2007 noch nicht in Kraft getreten ist, bezieht sich Art 8 nur auf Erstentscheidungen in einem Mitgliedstaat. Den erneuten Antrag muss der Unterhaltsverpflichtete gestellt haben. Nicht von Art 8 erfasst ist der Antrag des Unterhaltsberechtigten. Diesem steht es frei, aus den in Frage kommenden Zuständigkeiten die ihm passende auszuwählen. Der Antrag des Unterhaltsverpflichteten ist entweder auf Änderung der Erstentscheidung oder auf erneute Sachentscheidung, dieselbe Unterhaltspflicht betreffend, gerichtet. Der erneuten Sachentscheidung kann jedoch der Einwand des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses entgegenstehen. 2.

Gewöhnlicher Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten

Der Unterhaltsberechtigte muss seinen gewöhnlichen Aufenthalt entweder in einem 7 Mitgliedstaat iSd Art 1 Abs 2 oder in einem Vertragsstaat des HUntVerfÜbk 2007 zu dem Zeitpunkt haben, zu dem die Erstentscheidung getroffen wurde. Dieser Staat muss zum Zeitpunkt der Erstentscheidung noch nicht Mitgliedstaat iSd EG-UntVO oder Teilnehmerstaat des HUntVerfÜbk 2007 gewesen sein. Unterhaltsberechtigter ist die Person, der materiell-rechtlich der Anspruch zusteht oder vermeintlich zusteht.4 Dieser gewöhnliche Aufenthalt muss weiterhin zum Zeitpunkt der Einreichung des Zweitverfahrens bestehen. Das Wort weiterhin5 deutet darauf hin, dass der gewöhnliche Aufenthalt sich in dieser Zeitspanne ununterbrochen in diesem Staat befinden muss. Ein Umzug innerhalb des Landes ist unbeachtlich. 3.

Zuständigkeiten der Gerichte im Erststaat

Irrelevant für Art 8 ist, worauf das Gericht im ersten Verfahren seine Zuständigkeit 8 gestützt hat. Es kann durchaus eine Zuständigkeit sein, die aus dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsverpflichteten resultiert, weil er der Beklagte war. Es kommt nur darauf an, dass die unterhaltsberechtigte Person in diesem Staat zu diesem Zeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dieser muss nicht im 3 4 5

Hierzu auch Art 21 Rn 11. Art 2 Abs 1 Nr 10. As long as creditor remains.

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Art 8 EG-UntVO 9-12

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Gerichtsbezirk des entscheidenden Gerichts gelegen gewesen sein. Die Gerichte des Staates, in dem die Erstentscheidung getroffen worden ist, müssen für die Zweitentscheidung zuständig sein. Dies bestimmt Art 8 zwar nicht ausdrücklich. Die Regelung hat jedoch nur Sinn, wenn eine solche Zuständigkeit besteht. Für ein mitgliedstaatliches Gericht leitet sie sich aus Art 3 lit b ab. Abs 2 lit c ist zu entnehmen, dass sie auch für einen Vertragsstaat des HUntVerfÜbk 2007 vorausgesetzt wird. Ob dessen Zuständigkeit besteht, richtet sich nach dem Recht dieses Staates. 4.

Sperrwirkung

9 Unter den genannten Voraussetzungen wird die Einleitung eines Verfahrens im Zweitstaat gesperrt. Art 8 Abs 1 bestimmt diese Rechtsfolge für einen Mitgliedstaat als Zweitstaat, Art 18 Abs 1 HUntVerfÜbk 2007 für einen Vertragsstaat. Eine an sich bestehende internationale Zuständigkeit kann nicht ausgeübt werden. 5.

Ausnahmen

10 Abs 2 sieht eine Reihe von Umständen vor, bei deren Vorliegen die Sperrwirkung für mitgliedstaatliche Gerichte als Zweitgericht nicht eintritt. Die Regelung korrespondiert mit Art 18 Abs 2 HUntVerfÜbk 2007. Lit a betrifft eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen den Parteien, die nach Art 4 zulässig und wirksam ist. Die Gerichtsstandsvereinbarung muss die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts vorsehen. Nicht entscheidend ist, zu welchem Zeitpunkt die Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wurde. Auch eine Gerichtsstandsvereinbarung, die im ersten Verfahren keine ausschließliche Wirkung entfaltete, weil sich der Beklagte zB auf das Verfahren eingelassen hat, führt zur Aufhebung der Sperrwirkung. Voraussetzung ist in diesem Fall natürlich, dass sich die Gerichtsstandsvereinbarung auf alle Streitigkeiten aus der Unterhaltsbeziehung der Parteien bezieht und nicht nur den einzelnen konkreten Streitfall betraf, der sich mit dem Erstprozess erledigt hat. 11 Lit b: Hat der im Zweitverfahren beklagte Unterhaltsberechtigte sich auf das Zweitverfahren eingelassen, ohne zuvor die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts oder die Sperrwirkung zu rügen, so kann das Zweitgericht in der Sache eine Entscheidung fällen. Die Voraussetzungen für diesen Tatbestand des Einlassens sind Art 5 zu entnehmen. 12 Lit c: Erfasst ist der Umstand, dass das zuständige Gericht /die zuständige Behörde des Erststaates (= Vertragsstaat des HUntVerfÜbk 2007) seine durch Art 18 Abs 1 HUntVerfÜbk 2007 eingeräumte Möglichkeit einer abändernden oder erneuten Entscheidung nicht wahrnehmen kann oder es ablehnt, zu entscheiden. Lit c ist darauf gerichtet, zu sichern, dass es durch die in Abs 1 angeordnete Entscheidungssperre für die Gerichte des Zweitstaates (= Mitgliedstaat) nicht zu einem negativen internationalen Kompetenzkonflikt kommt.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 8 EG-UntVO 13-17

Geregelt sind zwei Tatbestände. Bereits ohne Anrufung eines Gerichts /einer Behörde 13 des Erststaates steht fest, dass der Unterhaltsverpflichtete in diesem Land keinen zweiten (Abänderungs-)Prozess führen kann. Dies trifft jedenfalls dann zu, wenn die Gerichte des Erststaates für den erneuten Prozess nach ihrem Recht nicht zuständig sind. Die Unmöglichkeit kann sich aber auch aus objektiven Gesichtspunkten, insbesondere Stillstand der Rechtspflege ergeben.6 Nach dem zweiten Tatbestand hat der Unterhaltsverpflichtete das zuständige Gericht / 14 die zuständige Behörde des Erststaates angerufen und dieses /diese hat die Ausübung der Zuständigkeit für die Änderung der Entscheidung oder die neue Entscheidung abgelehnt. Der Unterhaltsverpflichtete muss das zuständige Gericht /die zuständige Behörde (englisch: competent authority) in Anspruch genommen haben. Das bezieht sich darauf, dass er die sachlich, funktionell und örtlich zuständige Behörde anzurufen hat. Nur wenn diese dann die nach Art 18 Abs 1 HUntVerfÜbk 2007 zugelassene Zuständigkeit verneint, kann das Verfahren in dem betreffenden Mitgliedstaat als Zweitstaat eingeleitet werden. Lit d: Eine Sperrwirkung nach Abs 1 tritt letztlich ein, wenn die Entscheidung des 15 Erstgerichts aus einem Vertragsstaat des HUntVerfÜbk 2007 in dem Mitgliedstaat, welches für die Zweitentscheidung angerufen ist, nicht anerkannt ist. Auch diese Ausnahme ist begründet. Die Nichtanerkennung der Erstentscheidung hat zur Folge, dass sie im Zweitstaat keine Wirkung entfaltet und deshalb der Prozess dort ohne Rücksicht auf die Erstentscheidung geführt wird. Die Rechtslage ist dort grundsätzlich so, als wenn noch keine Entscheidung vorliegen würde. Der Ausschluss betrifft nur Vertragsstaaten des HUntVerfÜbk 2007. Die Voraussetzun- 16 gen für die Anerkennung und ihre Versagungsgründe sind in den Artt 20-22 HUntVerfÜbk 2007 einheitlich geregelt. Der Ausschlussgrund bezieht sich nicht auf Entscheidungen von Gerichten anderer Mitgliedstaaten als Erstgerichte. Für diese ist die Anerkennung nach Art 17 zwingend, ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. Besonderheiten gelten im Verhältnis zum Vereinigten Königreich und Dänemark. In Bezug auf Entscheidungen aus diesen beiden Staaten ist lit d entsprechend anzuwenden, solange sich diese nicht am HUnStProt 2007 beteiligen und deshalb für die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung Kapitel IV Abschnitt 2 Anwendung findet. Dies folgt daraus, dass die Anerkennung von Unterhaltsentscheidungen von Gerichten oder Behörden dieser beiden Mitgliedstaaten aus dem Grunde des Art 24 EG-UntVO versagt werden kann. IV.

Rechtliche Handhabung

Art 8 ist von Amts wegen zu beachten. Dies folgt sowohl aus Art 10 als auch aus dem 17 Wortlaut von Art 8 Abs 1 „kann ... kein Verfahren ... einleiten“. Rechtspraktisch ist eine Prüfung jedoch nur vorzunehmen, wenn sich der Beklagte im Zweitverfahren nicht eingelassen hat oder sich nur eingelassen hat, um die Zuständigkeit zu rügen 6

Hierzu auch Art 7 Rn 8.

Marianne Andrae

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Art 8 EG-UntVO, 18 Art 9 EG-UntVO, 1

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

bzw die Sperrwirkung geltend zu machen. Dies folgt daraus, dass Art 8 Abs 1 keine Anwendung findet, wenn ein rügeloses Einlassen vor dem mitgliedstaatlichen Zweitgericht vorliegt. 18 Hinsichtlich der objektiven Beweislast (Feststellungslast) gilt Folgendes: Da Art 8 Abs 1 zur Einschränkung der an sich gegebenen Zuständigkeit führt, trägt die Partei die Beweislast, der die Sperre zugute kommt, also der Unterhaltsberechtigte, während für die Tatbestände des Abs 2 der Unterhaltsverpflichtete die objektive Beweislast trägt. Hinsichtlich der Beibringung der Tatsachen gelten die Ausführungen zu Art 10 entsprechend. Trifft Art 8 Abs 1 zu und ist kein Ausschlussgrund nach Abs 2 ersichtlich, so hat das angerufene mitgliedstaatliche Gericht den Antrag als nicht zulässig abzuweisen, Art 10 kann hier direkt, möglicher Weise analog, herangezogen werden.

Artikel 9

Anrufung eines Gerichts Für die Zwecke dieses Kapitels gilt ein Gericht als angerufen a) zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten zu bewirken, oder b) falls die Zustellung an den Beklagten vor Einreichung des Schriftstücks bei Gericht zu bewirken ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem die für die Zustellung verantwortliche Stelle das Schriftstück erhalten hat, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um das Schriftstück bei Gericht einzureichen.

1 Die EG-UntVO verwendet in Kapitel II die Begriffe Rechtshängigkeit,1 Anhängigkeit2 und Anrufen3. Gemeint ist jeweils das gleiche Verfahrensstadium. Die Unterscheidung zwischen der Anhängigkeit und der Rechtshängigkeit, wie im deutschen Recht, nimmt die EG-UntVO nicht vor. Auf welchen Zeitpunkt es ankommt, wird in Art 9 einheitlich autonom geregelt, wobei die Hauptunterschiede hinsichtlich des Ingangsetzens des Verfahrens in den Mitgliedstaaten mittels des verfahrenseinleitenden Schriftstücks berücksichtigt werden. Der Zeitpunkt hat Bedeutung für a) das Vorliegen der Zuständigkeitskriterien nach der EG-UntVO4 und b) die zeitliche Priorität von Verfahren in unterschiedlichen Mitgliedstaaten, für die die Voraussetzungen nach Art 12 oder Art 13 vorliegen.

1 2 3 4

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Vgl die Überschrift des Art 12. Artt 12, 13. Artt 4, 9, 10, 12, 13. Hierzu Art 3 Rn 12 ff.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 9 EG-UntVO 2-5

Es kommt auf das Einreichen des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an.5 Uner- 2 heblich ist folglich, wann dieses Schriftstück dem Antragsgegner zugestellt wird. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Antragsteller die Dauer der Zustellung regelmäßig nicht beeinflussen kann. Es wird verhindert, dass der Antrag der einen Partei als späterer gegenüber dem der Gegenpartei angesehen wird, obwohl er früher eingereicht wurde, nur weil die Zustellung länger dauerte. Der Antrag muss, damit das Kriterium des Anrufens erfüllt ist, bei der zuständigen 3 Stelle eingereicht sein. Dies ist nach Abs 1 das Gericht; das Schriftstück muss in den Machtbereich des Gerichts gelangt sein. Diese Variante findet in den Mitgliedstaaten Anwendung, in denen, wie in Deutschland, die Antragsschrift oder ein anderes verfahrenseinleitendes Schriftstück vor der Zustellung an den Antragsgegner einzureichen ist. Abs 2 betrifft die Mitgliedstaaten, in denen ein Ingangsetzen des gerichtlichen Verfahrens erst erfolgt, nach dem das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Antragsgegner zugestellt worden ist. Hier kommt es dann auf den Zeitpunkt der Übergabe der Schrift an die für die Zustellung zuständige Behörde an. Welche das ist, regelt sich nach dem Recht des Gerichtsstaates. Die Einreichung des Schriftstücks führt nur dann die Wirkung der Anhängigkeit her- 4 bei, wenn der Antragsteller es anschließend nicht versäumt, alle Maßnahmen zu treffen, die seinerseits für die Zustellung an den Antragsgegner erforderlich sind.6 Welche Maßnahmen im Einzelnen erforderlich sind, bestimmt sich nach dem Recht des angerufenen Gerichts.7 Für Verfahren in Deutschland kann hierfür auf die Rechtsprechung zu § 167 ZPO zurückgegriffen werden.8 Hierzu gehören: Angabe der richtigen Adresse, die erforderlichen Abschriften für die Antragsschrift, die Einzahlung des Kostenvorschusses nach Aufforderung durch das Gericht, ordnungsgemäßer PKH-Antrag. 9 Beruht der Mangel der Zustellung nicht auf einem Versäumnis des Antragstellers, so 5 bleibt es für den Zeitpunkt der Anhängigkeit bei der Einreichung der Schrift.10 Werden Versäumnisse nachgeholt, so kommt es auf den Zeitpunkt der Behebung des Mangels an.11 Der in Art 9 bestimmte Zeitpunkt ist nicht maßgeblich für Ausschluss- und Verjährungsfristen, diese richten sich nach nationalem Recht unter Einschluss des IPR.

5 6 7 8 9 10 11

Hierzu Art 11. Gruber FamRZ 2000, 1129, 1132 f. Gruber FamRZ 2000, 1129, 1133. Thomas/Putzo/Hüßtege Art 30 Brüssel I-VO Rn 4. Thomas/Putzo/Hüßtege Art 30 Brüssel I-VO Rn 4. Vgl hierzu OLG Karlsruhe OLGR 2006, 714 = IPRspr 2006 Nr 111. Thomas/Putzo/Hüßtege Art 30 Brüssel I-VO Rn 4.

Marianne Andrae

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Art 10 EG-UntVO 1-3

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Artikel 10

Prüfung der Zuständigkeit Das Gericht eines Mitgliedstaats, das in einer Sache angerufen wird, für die es nach dieser Verordnung nicht zuständig ist, erklärt sich von Amts wegen für unzuständig. I. Sinngehalt der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . .

6

III. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

VI. Unzuständigkeitserklärung

von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

VII. Prüfungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

VIII. Instanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

IX. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

IV. Internationale und örtliche

Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

V. Zeitpunkt der Entscheidung . . . . . . . . . . .

9

I.

Sinngehalt der Vorschrift

1 Art 10 ist darauf gerichtet, zu sichern, dass ein mitgliedstaatliches Gericht in der Unterhaltssache nur entscheidet, wenn es hierfür auch nach der EG-UntVO zuständig ist. Über die eigene Zuständigkeit nach der EG-UntVO entscheiden die Gerichte jedes Mitgliedstaates, die Gerichte anderer Mitgliedstaaten haben hierüber keine Entscheidungsbefugnis. Dies ist von besonderer Bedeutung, weil die Anerkennung der Sachentscheidung in den anderen Mitgliedstaaten nicht von der Einhaltung der Zuständigkeitsbestimmungen abhängig gemacht wird. 2 Art 10 verpflichtet das angerufene Gericht zur Prüfung seiner Zuständigkeit. Kritisch ist zu bewerten, dass Art 10 an Art 17 Brüssel IIa-VO orientiert ist. Der Systematik der Zuständigkeitsordnung der EG-UntVO hätte jedoch eine Anlehnung an Art 26 Abs 1 Brüssel I-VO entsprochen, der eine Prüfung der Zuständigkeit durch das angerufene Gericht in den Fällen vorschreibt, in denen sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen hat. 3 Art 25 Brüssel I-VO schreibt vor, dass das angerufene Gericht eines Mitgliedstaates sich dann von Amts wegen für unzuständig erklären muss, wenn die Gerichte eines anderen Mitgliedstaates nach Art 22 Brüssel I-VO ausschließlich zuständig sind.1 Die Prüfung soll sichern, dass in jedem Mitgliedstaat die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaates beachtet wird. Sie beugt auch der Nichtanerkennung der Entscheidung vor, weil die Nichtbeachtung der ausschließlichen Zuständigkeit ein Anerkennungsversagungsgrund nach Art 35 Brüssel I-VO darstellt. 2 Zuständigkeiten mit solchem Charakter sieht die EG-UntVO nicht vor. Dies ist schon 1 2

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Näheres hierzu Rauscher/Mankowski Art 25 Brüssel I-VO. Hierzu Rauscher /Mankowski Art 25 Brüssel I-VO Rn 2.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 10 EG-UntVO 4- 8

daran zu erkennen, dass grundsätzlich eine Gerichtsstandsvereinbarung zulässig ist und jedenfalls die Zuständigkeit der Gerichte eines Mitgliedstaates durch rügeloses Einlassen begründet wird. Die Zuständigkeitsordnung der EG-UntVO ist bedingt vergleichbar mit der für Ver- 4 sicherungs-, Verbraucher- und Arbeitsverträge nach der Brüssel I-VO. Es gibt gesetzliche Zuständigkeiten und eine eingeschränkte Möglichkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung, jedoch begründet ein rügeloses Einlassen in das Verfahren die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Konsequent hat nach Art 26 Abs 1 Brüssel I-VO das Gericht die Zuständigkeit von Amts wegen nur zu prüfen, wenn sich der Beklagte auf das Verfahren nicht einlässt. 3 Nach Art 17 Brüssel IIa-VO hat sich das Gericht von Amts wegen für unzuständig zu 5 erklären, wenn es in einer Sache angerufen wird, für die es nach der Verordnung keine Zuständigkeit hat. Die Vorschrift korrespondiert mit der Systematik der Brüssel IIaVO. Es gibt nur gesetzliche Zuständigkeiten und entscheidend ist, dass die Begründung der internationalen Zuständigkeit durch rügeloses Einlassen nicht vorgesehen ist. II.

Teleologische Reduktion

Aus dem Vorhergehenden folgt, dass Art 10 entsprechend seinem Sinn und Zweck 6 und in Übereinstimmung mit der Systematik der Bestimmungen über die Zuständigkeit auf die Fallsituationen zu reduzieren ist, in denen der Antragsgegner sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat oder sich eingelassen hat, um den Mangel der Zuständigkeit zu rügen. Der Tatbestand des Einlassens bzw Nichteinlassens auf das Verfahren und der Rüge hat das Gericht natürlich von Amts wegen zu prüfen. III. Anwendungsbereich

Art 10 ist anzuwenden, wenn das Gericht eines Mitgliedstaates in einer Unterhalts- 7 sache iSd Art 1 angerufen wird. Die Unterhaltssache muss einen internationalen Bezug aufweisen, weil in rein nationalen Fällen die EG-UntVO keine Anwendung findet. Es ist unerheblich, zu welchem anderen Staat eine Beziehung besteht und ob diese eine Zuständigkeit nach der EG-UntVO begründen würde. Auch Unterhaltssachen mit Drittstaatbezug fallen unter Art 10. IV.

Internationale und örtliche Zuständigkeit

Die Prüfung umfasst die internationale Zuständigkeit und die örtliche dann, wenn die 8 EG-UntVO neben der internationalen zugleich die örtliche mitregelt. Dies ist zwar

nicht zwingend, weil es primär auf die internationale Zuständigkeit ankommt. Wenn der Verordnungsgeber die örtliche Zuständigkeit von Art 10 ausschließen wollte, hätte er es aber regeln sollen.

3

Hierzu Rauscher /Mankowski Art 26 Brüssel I-VO Rn 1-1b.

Marianne Andrae

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Art 10 EG-UntVO 9-11

V.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Zeitpunkt der Entscheidung

9 Das Gericht kann nach Art 10 nicht bereits nach Eingang des Antrags entscheiden, ohne dass weitere Verfahrensschritte eingeleitet worden sind. Dies folgt daraus, dass die Zuständigkeit des Gerichts durch rügeloses Einlassen des Beklagten begründet werden kann. Deshalb ist der Antrag zuzustellen, dem Antragsgegner ist die Gelegenheit zur Einlassung zu geben.4 Das Gericht hat über seine Unzuständigkeit zu beschließen, wenn der Antragsgegner von der Möglichkeit des Einlassens keinen Gebrauch macht oder es die Aussetzung des Verfahrens nach Art 11 beenden kann. VI. Unzuständigkeitserklärung von Amts wegen

10 Von Amts wegen bedeutet, dass sich das Gericht bei Vorliegen von Tatsachen, aus denen sich das Fehlen der Zuständigkeit nach der EG-UntVO ergibt, ohne eine diesbezügliche Rüge einer Partei für unzuständig erklären muss. Die Ermittlung der Tatsachen, die der Entscheidung zugrunde liegen, richtet sich nach nationalem Prozessrecht.5 Danach bestimmt sich, ob insoweit das Amtsermittlunsprinzip oder – wie im deutschen Unterhaltsprozess – der Beibringungsgrundsatz gilt.6 Ein Parteivortrag bindet das Gericht nicht, im Zweifel kann es die Partei zu Beweisen auffordern oder auch selbst Freibeweis erheben.7 Ob die die Zuständigkeit begründenden Tatsachen vorliegen, ist zeitlich nach dem Grundsatz der perpetuatio fori zu entscheiden. 8 VII. Prüfungsumfang

11 Wie bei der Brüssel I-VO9 bezieht sich die Prüfungspflicht des Gerichts auf die gesetzlichen Zuständigkeiten (Artt 3, 6 und 7). Die Begründung oder Derogation der Zuständigkeit durch eine Gerichtsstandsvereinbarung ist dann zu prüfen, wenn eine der Parteien sie vorträgt oder sich dafür im Verfahren Anhaltspunkte ergeben.10 Die Unterscheidung resultiert daraus, dass die Prorogation oder Derogation auf dem Parteiwillen beruht und es deshalb auch den Parteien überlassen sein sollte, sie zur Wirkung zu bringen.

4 5 6

7

8 9

10

552

Siehe Rauscher/Mankowski Art 26 Brüssel I-VO Rn 2. Für Art 25 Brüssel I-VO Rauscher /Mankowski Art 25 Brüssel I-VO Rn 5 mwN. Zum Beibringungsgrundsatz bezogen auf Brüssel I und IIa-VO ua Thomas/Putzo/Hüßtege Art 17 Brüssel IIa-VO Rn 1; Rauscher /Rauscher Art 17 Brüssel IIa-VO Rn 15. So für die Zulässigkeitsprüfung im dt Verfahren Thomas/Putzo/Reichold Vorbem § 253 ZPO Rn 12; für das europäische Verfahrensrecht Spellenberg FS Geimer (2002) 1257, 1277; Rauscher /Rauscher Art 17 Brüssel IIa-VO Rn 15. Hierzu Art 3 Rn 12. MünchKommZPO /Gottwald Art 26 Brüssel I-VO Rn 6; Rauscher/Mankowski Art 26 Brüssel I-VO Rn 8. Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 26 Brüssel I-VO Rn 8; MünchKommZPO /Gottwald Art 26 Brüssel I-VO Rn 6; Rauscher/Mankowski Art 26 Brüssel I-VO Rn 8.

Januar 2010

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 10 EG-UntVO 12-15

VIII. Instanzen

Art 10 ist in allen Instanzen zu beachten.11 Er hat Vorrang vor den nationalen Vor- 12 schriften. Im deutschen Verfahrensrecht ist ohnehin die internationale Zuständigkeit in Unterhaltssachen nicht vom Ausschluss der Beschwerde wegen Unzuständigkeit des Gerichts im ersten Rechtszug erfasst.12 Aufgrund des Vorrangs der europäischen Regelung ist davon auszugehen, dass auch die §§ 65 Abs 4, 72 Abs 2 FamFG keine Anwendung finden, wenn sich die internationale Zuständigkeit aus der EG-UntVO selbst ergibt. IX. Rechtsfolge

Steht die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts nach den Vorschriften der EG- 13 UntVO fest, so hat sich dieses für unzuständig zu erklären. In welcher Form dies erfolgt, bestimmt sich nach nationalem Recht. In Deutschland wird der Antrag durch Beschluss wegen Unzulässigkeit abgewiesen. Art 10 schließt es jedoch nicht aus, dass das angerufene Gericht den Rechtsstreit in- 14 nerhalb desselben Mitgliedstaates an das nach der EG-UntVO örtlich zuständige Gericht verweist. Wird zB ein Verfahren in Deutschland beim Familiengericht in X anhängig gemacht und stellt sich heraus, dass der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gerichtsbezirk Z hat, so ist eine Verweisung nach § 281 Abs 1 ZPO auf Antrag des Klägers möglich.13 Dafür spricht die Prozessökonomie, da der Kläger jederzeit den Antrag beim örtlich zuständigen Gericht stellen kann. Eine Bindungswirkung nach § 281 Abs 2 ZPO tritt jedoch für die örtliche Zuständigkeit nicht ein, weil dies dem Art 10 widersprechen würde.14 Eine Verweisung über die Grenzen ist in der EG-UntVO nicht vorgesehen und des- 15 halb nicht möglich, § 281 ZPO ist auf die internationale Zuständigkeit nicht analog anzuwenden. Das hat seinen Grund in der sog Kompetenz-Kompetenz, aus Souveränitätsgründen entscheidet jedes Gericht nur über die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte; eine Verweisung würde indirekt eine Entscheidung über die internationale Zuständigkeit des angewiesenen Gerichts mit umfassen. Eine vorausgehende ausländische Entscheidung, die ein deutsches Gericht für zuständig hält, bindet mE das Gericht nicht.15 Genauso wie eine grenzüberschreitende Verweisung der Sache bei Unzuständigkeit – ohne staatsvertraglicher oder europarechtlicher Re11

12

13 14 15

Vgl zu Art 25 Brüssel I-VO ua Kropholler Art 25 Brüssel I-VO Rn 1; Rauscher/Mankowski Art 25 Brüssel I-VO Rn 14. Die Auslegung von §§ 513 Abs 2, 545 Abs 2 ZPO ist entsprechend auf §§ 65 Abs 4, 72 Abs 2 FamFG zu übertragen; vgl zur Auslegung BGH NJW 2004, 1456; BGH NJW 2003, 426; BGH NJW 2003, 2916. Für die Brüssel I-VO Kropholler Art 26 Brüssel I-VO Rn 2. Anders Kropholler für Art 26 Abs 1 Brüssel I-VO, vgl Kropholler Art 26 Brüssel I-VO Rn 2. So auch Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 26 Brüssel I-VO Rn 11; aA MünchKommZPO /Gottwald Art 26 Brüssel I-VO Rn 5; so bereits zum EuGVÜ MünchKommZPO /Gottwald Art 20 EuGVÜ Rn 5; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 26 Brüssel I-VO Rn 7; Rauscher/Mankowski Art 26 Brüssel I-VO Rn 6.

Marianne Andrae

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Art 10 EG-UntVO, 16, 17 Art 11 EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

gelung – nicht möglich ist, kann nicht bindend über die Zuständigkeit des Gerichts eines anderen Staates entschieden werden, weil die Souveränität des jeweiligen Gerichtsstaates betroffen ist. Eine solche Entscheidung unterliegt deshalb auch nicht den Vorschriften der EG-UntVO über die Anerkennung von Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten. 16 Art 10 berührt nicht die Wirksamkeit einer Sachentscheidung, wenn das entscheidende Gericht Art 10 nicht beachtet hat oder sich aufgrund fehlerhafter Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften der EG-UntVO für zuständig hält.16 Es ist Sache des Beklagten in diesem Fall die Rechtsmittel zu nutzen, die im Entscheidungsstaat zur Verfügung stehen.17 Eine Verletzung von Art 10 berührt nicht die Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung in den anderen Mitgliedstaaten. Sie ist nach Kapitel IV vollstreckbar, die fehlende internationale Zuständigkeit stellt kein Vollstreckungseinwand dar. Deshalb ist es dem Antragsgegner, der den Prozess am angerufenen Gericht nicht führen will, zu raten, dort die Einrede der Unzuständigkeit zu erheben, statt sich auf das Verfahren gar nicht erst einzulassen. 17 In Bezug auf Drittstaaten kann die fehlende internationale Zuständigkeit des entscheidenden Gerichts durchaus ein Anerkennungs- und Vollstreckungshindernis sein. Es geht hierbei um die Anerkennungszuständigkeit als Voraussetzung für die Anerkennung der Wirkung einer ausländischen Entscheidung auf dem Territorium des Zweitstaates. Jedoch wird das im Drittstaat prüfende Gericht hierfür nicht die EG-UntVO zugrunde legen, vielmehr Staatsverträge, wie das HUntAVÜbk 1973, HUntVerfÜbk 2007 oder das eigene internationale Zivilverfahrensrecht.

Artikel 11

Prüfung der Zulässigkeit (1) Lässt sich ein Beklagter, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Staates als des Mitgliedstaats hat, in dem das Verfahren eingeleitet wurde, auf das Verfahren nicht ein, so setzt das zuständige Gericht das Verfahren so lange aus, bis festgestellt ist, dass es dem Beklagten möglich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, dass er sich verteidigen konnte oder dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden. (2) Anstelle des Absatzes 1 dieses Artikels findet Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 1393/ 2007 Anwendung, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe jener Verordnung von einem Mitgliedstaat in einen anderen zuzustellen war. (3) Sind die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 nicht anwendbar, so gilt Artikel 15 des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung ge16

17

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Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 26 Brüssel I-VO Rn 13; Rauscher/Mankowski Art 26 Brüssel I-VO Rn 3. Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 26 Brüssel I-VO Rn 13; Kropholler Art 26 Brüssel I-VO Rn 3; Rauscher/Mankowski Art 26 Brüssel I-VO Rn 3.

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Art 11 EG-UntVO 1-3

Kapitel II Zuständigkeit

richtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe dieses Übereinkommens ins Ausland zu übermitteln war. I. Zustellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Abgrenzung der Absätze . . . . . . . . . . . . . . .

2

I.

III. Absatz 1

1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nichteinlassung auf das Verfahren . . . 3. Aussetzung des Verfahrens . . . . . . . . . . .

4 5 6

Zustellung

Art 11 ist darauf gerichtet, einem Beklagten, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt 1 nicht im Entscheidungsstaat hat, die Kenntnis des verfahrenseinleitenden oder eines gleichwertigen Schriftstücks zu ermöglichen, damit er sich im Verfahren verteidigen kann. Die Vorschrift betrifft also nicht die Zuständigkeit, sondern die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs zu Verfahrensbeginn. II.

Abgrenzung der Absätze

Detailliert sind die damit zusammenhängenden Fragen in Art 19 EG-ZustellVO1 und 2 Art 15 HZÜ2 geregelt. Die Abs 2 und 3 verweisen auf diese Rechtsakte. Da die EGZustellVO oder das HZÜ Anwendung finden, wenn ihr Geltungsbereich eröffnet ist, haben die Abs 2 und 3 lediglich hinweisenden Charakter. Die eigentliche Bedeutung der Vorschrift liegt im Abs 1, der dann anzuwenden ist, wenn weder die EG-ZustellVO noch das HZÜ greift. 3 Rechtspraktisch ist also zu prüfen: (1) Unterliegt die Zustellung des verfahrenseinleitenden oder gleichgestellten Schriftstücks der EG-ZustellVO? Dies ist dann der Fall, wenn das Schriftstück von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist. 3 Die Verordnung findet keine Anwendung, wenn die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks unbekannt ist. 4 1

2

3

4

Verordnung (EG) Nr 1393/2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1348/2000 des Rates, ABl EU 2007 L 324/79. Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965, BGBl 1977 II 1453. Eine Übersicht über die aktuellen Vertragsstaaten (engl) ist abrufbar unter http://www.hcch.net/index_en.php?act=conventio ns.status&cid=17. Mitgliedstaaten iSd EG-ZustellVO sind alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Königreiches Dänemark. Auf dieses wird die Anwendbarkeit in der derzeitigen Form gleichwohl mittels des Abkommens vom 19.10.2005, AB1 EU 2005 L 300, 55, und der Mitteilung zur Änderung der EG-ZustellVO vom 20.11.2007 ab dem 13.11.2008 erstreckt, vgl AB1 EU 2007 L 94, 70, sowie AB1 EU 2008 L 331, 21. Vgl Art 1 Abs 2 EG-ZustellVO. Näheres hierzu Rauscher /Heiderhoff Art 1 EG-ZustellVO Rn 18.

Marianne Andrae

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Art 11 EG-UntVO 4- 6

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(2) Trifft dies nicht zu, so kommt die Zustellung nach dem HZÜ in Betracht. Dazu muss die Zustellung in einem Vertragsstaat des HZÜ zu bewirken sein und die Anschrift des Empfängers bekannt sein. Art 19 EG-ZustellVO und Art 15 HZÜ stimmen im Wortlaut weitgehend überein.5 III. Absatz 1

1.

Anwendungsbereich

4 Abs 1 wurde inhaltlich aus Art 26 Abs 1 übernommen, jedoch mit einem anderen Anwendungsbereich. Abgestellt wird auf den Wohnsitz des Beklagten. Dieser muss in einem anderen Staat als im Gerichtsstaat liegen. Anders als bei Art 26 Abs 1 Brüssel I-VO erfolgt keine Begrenzung auf einen Mitgliedstaat. Vielmehr ist jeder Staat, außer der Gerichtsstaat selbst, gemeint.6 Damit gewinnt Abs 1 anders als Art 26 Abs 1 Brüssel I-VO für die Rechtspraxis an Bedeutung. Jene Regelung ist weitgehend funktionslos, hat mehr deklaratorischen Charakter, da im Zustellungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zunächst das HZÜ und dann die EG-ZustellVO Anwendung findet. 2.

Nichteinlassung auf das Verfahren

5 Die Nichteinlassung des Antragsgegners kann darauf hinweisen, dass er vom Verfahren keine Kenntnis erlangt hat. Sie ist deshalb Veranlassung dafür, dass das Gericht prüft, ob ihm die verfahrenseinleitenden Schriftstücke zugegangen sind. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist wie für Art 26 Abs 1 Brüssel I-VO und Art 18 Abs 1 Brüssel IIa-VO autonom auszulegen.7 Nichteinlassung liegt vor, wenn sich der Antragsgegner nicht am Prozess beteiligt. Einlassen ist bereits gegeben, wenn der Antragsgegner lediglich die fehlende Zuständigkeit rügt, ohne sich sonst zu beteiligen. Ist ein nichtprozessfähiges Kind Antragsgegner, so muss die Person sich auf das Verfahren eingelassen haben, die den Prozess für das Kind als dessen gesetzlicher Vertreter oder in Prozessstandschaft führt. Natürlich kann die Einlassung auch durch einen bevollmächtigten Vertreter der Prozesspartei erfolgen. 3.

Aussetzung des Verfahrens

6 Rechtsfolge ist die Aussetzung des Verfahrens von Amts wegen. 8 Das Aussetzen hat solange zu erfolgen, bis entweder

5 6

7 8

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Für die nähere Kommentierung siehe Rauscher/Heiderhoff Art 19 EG-ZustellVO Rn 1 ff. So bereits die entsprechende Auslegung zu Art 18 Brüssel IIa-VO von Staudinger /Spellenberg (2005) Art 18 Brüssel IIa-VO Rn 5; MünchKommZPO /Gottwald/Art 18 Brüssel IIa-VO Rn 2 ebenso Rauscher /Rauscher Art 18 Brüssel IIa-VO Rn 4 ff. Siehe Rauscher/Rauscher Art 18 Brüssel IIa-VO Rn 8. Rauscher/Rauscher Art 18 Brüssel IIa-VO Rn 12.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 11 EG-UntVO 7, 8

(a) feststeht, dass der Verfahrensgegner das verfahrenseinleitende oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig empfangen konnte, wie für eine Verteidigung erforderlich. Das verfahrenseinleitende Schriftstück ist eine Urkunde, durch deren Zustellung der Antragsgegner erstmals vom Verfahren Kenntnis erhält und in dem alle wesentlichen Elemente des Rechtsstreits aufgezeigt sind.9 Hierzu gehören zB die Antragsschrift oder die Ladung mit Angabe des Streitgegenstandes und der Aufforderung zur Einlassung.10 Die wesentlichen Antragsgründe sollten ersichtlich sein;11 nach der Rechtsprechung des BGH genügt es, wenn das Schriftstück Angaben enthält, die dem Antragsgegner, die sachgerechte Entscheidung darüber ermöglichen, ob er sich auf das Verfahren einlässt.12 Ein gleichgestelltes Schriftstück ist zB ein Mahnbescheid. Die nach dem Verfahrensrecht der lex fori vorgeschriebenen Urkunden sind an diesem Kriterium zu messen. Nicht erfasst sind Schriftstücke, die erst im Laufe des Verfahrens zuzustellen sind. Rechtzeitigkeit des Zugangs liegt vor, wenn der Antragsgegner in Abhängigkeit vom 7 Einzelfall genügend Zeit hatte, die Verteidigung vorzubereiten.13 Hierbei ist ua auch zu berücksichtigen, ob der Antragsgegner der Sprache mächtig ist, in der das Schriftstück verfasst ist, ob ihm eine Übersetzung beigefügt ist und ob ausreichend Zeit für die Konsultation eines mit Auslandssachverhalten betrauten Anwalts besteht. Rechtzeitigkeit ist eine Tatsachenfrage, die das Gericht nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu beurteilen hat.14 Diese Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, zu dem der Antragsgegner von dem Schriftstück Kenntnis erlangen konnte, auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es nicht an.15 Eigene Nachlässigkeit oder die von Personen im Machtbereich des Antragsgegners gehen zu dessen Lasten.16 Das Kriterium ist jedenfalls bei einem nachgewiesenen Zugang erfüllt, auch wenn die Zustellung nicht ordnungsgemäß erfolgte. Auf die Art der Zustellung und ihre Rechtsgrundlagen (Staatsvertrag oder nationales Recht) kommt es nicht an. Ebenso unerheblich ist, zu welchem Zeitpunkt nach der lex fori der Zugang als bewirkt angesehen wird oder (b) alle erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden, um die rechtzeitige Kenntnis- 8 nahme zu ermöglichen. Der Unterschied zur ersten Variante besteht darin, dass die Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht sicher ist oder die Maßnahmen nicht zum Erfolg geführt haben. Kriterium ist, ob das Gericht im konkreten Fall alle sinnvollen Maßnahmen ergriffen hat. Die Regelung ersetzt nicht die durch das Gericht einzuhaltenden Zustellungsvorschriften, sondern ergänzt sie nur. Deshalb ist Grundvorausset-

9 10 11 12

13 14 15 16

Vgl Rauscher /Rauscher Art 18 Brüssel IIa-VO Rn 15. Kropholler Art 34 Brüssel I-VO Rn 29 mit Beispielen aus den Mitgliedstaaten. So Art 6 HUntAVÜbk 1973. BGHZ 141, 286, 295 f = IPRax 2001, 230, 232; ausführlich dazu Kropholler Art 34 Brüssel I-VO Rn 30. Siehe auch Hess IPRax 1994, 10, 16 f. Siehe hierzu Rauscher/Rauscher Art 18 Brüssel IIa-VO Rn 17. Vgl Jenard-Bericht zu Art 20 EuGVÜ S 40. Rauscher/Rauscher Art 18 Brüssel IIa-VO Rn 17. Jenard-Bericht zu Art 20 EuGVÜ S 40.

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Art 11 EG-UntVO, 9 Art 12 EG-UntVO, 1

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

zung zunächst, dass die diesbezüglichen Vorschriften eingehalten wurden und insofern eine ordnungsgemäße Zustellung erfolgte.17 9 Die zusätzlich erforderlichen Maßnahmen liegen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts nach den Umständen des Einzelfalls. Hierzu heißt es im Jenard-Bericht zu der identischen Regelung im EuGVÜ, dass das Erfordernis erfüllt ist, wenn „festgestellt wird, dass bei den zuständigen Stellen des Wohnsitzstaates (in Bezug auf Art 11 des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts) alle notwendigen Schritte unternommen worden sind, um den Beklagten rechtzeitig zu erreichen. Gegebenenfalls ist auch nachzuweisen, dass alle Nachforschungen, welche die Sorgfalt sowie Treu und Glauben gebieten, vorgenommen worden sind, um den Beklagten ausfindig zu machen“.18 Die Nichtbeachtung des Art 11 berührt die Wirksamkeit der Entscheidung nicht. Der Antragsgegner kann die im Gerichtsstaat gegebenen Rechtsbehelfe bei Verletzung verfahrensrechtlicher Vorschriften nutzen. Darüber hinaus gewährt ihm die EG-UntVO Rechtsschutz, wenn aus der Entscheidung Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat betrieben wird.19

Artikel 12

Rechtshängigkeit (1) Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. (2) Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig.

I.

Regelungsziel

1 Die Vorschrift ist wortgleich mit Art 27 Brüssel I-VO, nur das Wort „Klagen“ ist durch das Wort „Verfahren“ ersetzt. Für die Auslegung kann deshalb die umfangreiche Rechtsprechung und Literatur zu Art 21 EuGVÜ /Art 27 Brüssel I-VO herangezogen werden. Ziel ist es, Parallelverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten zu vermeiden, indem das Verfahren bei dem später angerufenen Gericht zunächst ausgesetzt und letztlich dadurch beendet wird, dass das später angerufene Gericht sich für unzuständig erklärt.

17 18 19

558

Rauscher/Rauscher Art 18 Brüssel IIa-VO Rn 18. Vgl Jenard-Bericht zu Art 20 EuGVÜ S 40. Siehe hierzu Art 19 und Art 24 lit b.

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Kapitel II Zuständigkeit

II.

Art 12 EG-UntVO 2- 6

Voraussetzungen

Folgende Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein: (a) In zwei Mitgliedstaaten müssen Verfahren über Unterhaltspflichten iSd Art 1 Abs 1 anhängig sein. Beide Verfahren müssen also vom sachlichen Anwendungsbereich der EG-UntVO erfasst sein.1 (b) Die Parteien müssen in beiden Verfahren identisch sein, auf die Parteienrolle kommt es nicht an (Parteienidentität).2 Eine Identität ist ausnahmsweise auch anzunehmen, wenn die Parteien im Rechtsstreit zwar nicht identisch sind, aber die Interessen der Parteien hinsichtlich des Gegenstandes dieser beiden Verfahren so weit übereinstimmen, dass eine Entscheidung, die für oder gegen eine Partei ergeht, Rechtskraft gegenüber der anderen entfalten würde.3 Für das Unterhaltsverfahren ist deshalb Parteienidentität auch anzunehmen, wenn in dem einen Verfahren das Kind Partei ist und in dem anderen Verfahren ein Elternteil in Prozessstandschaft für das Kind den Prozess führt, soweit die Entscheidung für und gegen das Kind wirkt. Keine Identität ist gegeben, wenn der Elternteil, der das Kind versorgt, einen eigenen Anspruch auf Ausgleich in einem anderen Verfahren geltend macht. 4 Hier handelt es sich dann um zusammenhängende Verfahren iSd Art 13. Parteienidentität ist auch nicht anzunehmen, wenn in dem einen Verfahren der Unterhaltsberechtigte und in dem anderen Verfahren die Person, auf die der Unterhaltsanspruch (vermeintlich) durch Zession übergegangen ist, denselben Anspruch für sich requirieren.5 Auch hier geht es um Verfahren, die eher dem Art 13 zuzuordnen sind. Anders kann dies nur gesehen werden, wenn im ersten Prozess der Unterhaltsberechtigte Partei ist und sich die Rechtskraft dieser Entscheidung auf den Zessionar erstrecken wird.6 (c) Zudem ist eine Identität des Streitgegenstandes erforderlich. Hierzu müssen die Anträge auf dieselbe Grundlage bezogen sein und denselben Gegenstand betreffen.7 Grundlage meint denselben Lebenssachverhalt, also dieselbe Unterhaltsbeziehung, resultierend aus einem konkreten familienrechtlichen Verhältnis. Beide Verfahren müssen die Unterhaltspflichten aus diesem konkreten Verhältnis zum Gegenstand haben. Es reicht aus, wenn die Anträge im Kern den gleichen Gegenstand haben.8 In Unterhaltsprozessen geht es meist im Kern darum, ob, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum die eine Partei der anderen Unterhalt schuldet. Identität 1 2 3

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Speziell für Unterhaltssachen: OLG Celle FamRZ 2009, 359. Kropholler Art 27 Brüssel I-VO Rn 4; Rauscher/Leible Art 27 Brüssel I-VO Rn 6 mwN. EuGH Rs C-351/96 Drouot / CMII EuGHE 1998 I 3075 Rn 20; krit hierzu Jayme/Kohler IPRax 1998, 417, 422; Rauscher/Leible Art 27 Brüssel I-VO Rn 6a. Rauscher/Leible Art 27 Brüssel I-VO Rn 6; zum ital Recht BGH IPRax 1987, 314, 315 m Anm Jayme IPRax 1998, 295. Kropholler Art 27 Brüssel I-VO Rn 4; Geimer IPRax 2004, 505; ua OLG Köln IPRax 2004, 521. Kropholler Art 27 Brüssel I-VO Rn 4; Geimer IPRax 2004, 505, 506. Hierzu näher mit Rechtsprechungsnachweisen Rauscher/Leible Art 27 Brüssel I-VO Rn 8. Ua EuGH Rs C-144/86 Gubisch Maschinenfabrik/Palumbo EuGHE 1987, 4861 Rn 16 f.

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Art 12 EG-UntVO 7- 9

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B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

ist anzunehmen bei dem Antrag auf Leistung von Unterhalt für die Zukunft einerseits und andererseits auf Feststellung der fehlenden und einer geringeren Unterhaltspflicht, weiterhin bei Abänderungsanträgen, wenn die eine Partei den Antrag stellt, den Betrag zu erhöhen und die andere ihn herabzusetzen. Im Kern geht es immer um die Frage, ob eine Unterhaltspflicht der einen Partei gegenüber der anderen besteht oder, wenn die Unterhaltspflicht selbst nicht streitig ist, in welcher Höhe zu leisten ist. Keine Identität besteht bei Anträgen, die den ehelichen Trennungsunterhalt und den nachehelichen Unterhalt betreffen. Dagegen ist zumindest Teilidentität anzunehmen, wenn in dem einen Verfahren periodischer nachehelicher Unterhalt eingefordert wird und im anderen Mitgliedstaat um eine einmalige Ausgleichszahlung mit (auch) unterhaltsrechtlicher Funktion für die Zeit nach der Scheidung gestritten wird. So ist Identität anzunehmen, wenn mit der in Deutschland erhobenen Klage die Zahlung eines nachehelichen Unterhalts begehrt wird, während bei dem englischen Gericht der Ehesache ein Antrag auf Regelung der Scheidungsfolgen (ancillary relief) anhängig ist, soweit dieser als unterhaltsrechtlich iSd Art 1 einzuordnen ist. 9 Von einer Identität ist weiterhin auszugehen, wenn zB in einem Verfahren die Feststellung der Wirksamkeit eines Unterhaltsverzichts in einem Ehevertrag begehrt wird und vor dem Gericht eines anderen Mitgliedstaates der Unterhalt geltend gemacht wird, der geschuldet wäre, wenn die Vereinbarung nichtig wäre. Im Kern geht es in beiden Verfahren um die Wirksamkeit des Verzichts. Ebenso liegt Identität vor, wenn zum einen die Erfüllung einer Unterhaltsvereinbarung und zum anderen die Feststellung ihrer Unwirksamkeit oder ihre Aufhebung wegen veränderter Umstände begehrt wird. Sind die Streitgegenstände nur teilweise identisch, so ist Art 12 nur auf diesen Teil anzuwenden.10 Es kommt auf die Identität der Anträge in beiden Verfahren an. Bloßes Verteidigungsvorbringen bleibt für die Bestimmung der Identität außer Betracht. Deshalb reicht es zB nicht, dass in dem einen Verfahren um rückständigen Unterhalt gestritten wird und in dem anderen mit diesen Posten aufgerechnet wird.11 Art 12 findet keine Anwendung auf das Verhältnis der Anträge im Hauptverfahren und einstweiliger Maßnahmen nach Art 14.12 (d) Weitere Voraussetzungen sind nicht zu prüfen. Eine Prognose der Anerkennung der zu erwartenden Entscheidung des Gerichts des anderen Mitgliedstaates ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Anerkennung vorbehaltlos und unanfechtbar gesetzlich vorgeschrieben ist.13 9

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OLG Celle FamRZ 2009, 359. Zur Abgrenzung von Unterhalt und Güterrecht in Bezug auf das englische Recht vgl Art 1 Rn 26 f. Rauscher/Leible Art 27 Brüssel I-VO Rn 10a; Kropholler Art 27 Brüssel I-VO Rn 9. EuGH Rs C-111/01 Ganner/Barsch EuGHE 2003, 4207 = IPRax 2003, 443 Rn 26, 27; ausführlich hierzu Rauscher /Leible Art 27 Brüssel I-VO Rn 11; Kropholler Art 27 Brüssel I-VO Rn 13; Reischl IPRax 2003, 426, 429. Schlosser Art 27 Brüssel I-VO Rn 5; Kropholler Art 27 Brüssel I-VO Rn 14; Rauscher /Leible Art 27 Brüssel I-VO Rn 13. Art 17 Abs 1.

Januar 2010

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 12 EG-UntVO 10-12

Der Einwand der Prozessverschleppung im früheren Verfahren ist grundsätzlich ausgeschlossen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass in allen Mitgliedstaaten rechtsstaatliche Verfahren durchgeführt werden, die den Justizgewährungsanspruch der Parteien – auch hinsichtlich des Zeithorizonts – nicht verletzen. Das Problem von Torpedo-Klagen ist in der Rechtspraxis für Unterhaltsverfahren noch nicht bekannt geworden. Die EG-UntVO insgesamt und insbesondere ihre Kapitel über die Anerkennung 10 und Vollstreckung sowie über die Zusammenarbeit der Zentralen Behörden sind darauf gerichtet, grenzüberschreitende Unterhaltsverfahren zu optimieren. Der Unterhaltsberechtigte soll, soweit sein Antrag begründet ist, in möglichst kurzer Zeit zu einem vollstreckbaren Titel kommen, der dann ohne weitere Hürden in allen Mitgliedstaaten vollstreckbar ist. Da für die Anerkennung selbst auf den ordre public verzichtet wurde, ist es mE nicht möglich, die Rechtsfolge nach Art 12 mit dem Einwand der Prozessverschleppung zu verhindern. Die Nichtbefolgung der Rechtshängigkeitssperre aus diesem Grund wäre eine spezielle Art eines prozessrechtlichen ordre public. Gegen eine Prozessverschleppung ist mit den Rechtsbehelfen vorzugehen, die in 11 dem betreffenden Mitgliedstaat vorgesehen sind, zugleich können die Zentralen Behörden nach Artt 49 ff eingeschaltet werden. Natürlich ist es nicht ausgeschlossen, bei Verletzung des Justizgewährungsanspruchs nach Art 6 EMRK, den EGMR anzurufen.14 In solchen Fällen kann der Unterhaltsberechtigte zur Überbrückung einstweilige Maßnahmen bei dem später angerufenen Gericht nach Art 14 beantragen, wenn der Unterhaltsschuldner vollstreckungsfähiges Vermögen in diesem Staat hat.15 III. Rechtsfolgen

Liegt Identität der Parteien und des Verfahrens vor, so hat das später angerufene Ge- 12 richt das Verfahren auszusetzen. Das trifft selbst dann zu, wenn das später angerufene Gericht aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung mit ausschließlicher Wirkung zuständig ist.16 Die zeitliche Reihenfolge ist auch dann entscheidend, wenn in einem Mitgliedstaat ein Feststellungsantrag auf fehlende oder geminderte Leistungspflicht eingebracht wurde.17 Problematisch ist diese Lösung – soweit der Leistungsantrag der

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So wie hier für Art 27 Brüssel I-VO Kropholler Art 27 Brüssel I-VO Rn 21; hierzu auch EuGH Rs C-116/02 Gasser / MISAT EuGHE 2003 I 14693 = IPRax 2004, 243 Rn 71 ff; zu der viel diskutierten Problematik in Bezug auf Art 27 Brüssel I-VO ua Grothe IPRax 2004, 205, 208 ff; Schlosser Art 27 Brüssel I-VO Rn 11; Schilling IPRax 2004, 294, 297; Geimer NJW 1984, 527, 530; Geimer /Schütze/ Geimer EuZVR Art 27 Brüssel I-VO Rn 59; Rauscher/Leible Art 27 Brüssel I-VO Rn 27. Siehe hierzu die Kommentierung zu Art 14. EuGH Rs C-116/02 Gasser / MISAT EuGHE 2003 I 4867 = IPRax 2004, 243 Rn 46 ff; Grothe IPRax 2003, 205, 206; hierzu auch Kropholler Art 27 Brüssel I-VO Rn 19. EuGH Rs C-406/92 Tatry/Maciej Rataj EuGHE 1994 I 5439 = IPRax 1996, 108 Rn 40 ff; BGHZ 134, 201, 209; OLG Hamm IPRax 1995, 104, 107; Kropholler Art 27 Brüssel I-VO Rn 10; Rauscher/Leible Art 27 Brüssel I-VO Rn 9; Rüßmann IPRax 1995, 76.

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Art 12 EG-UntVO 13-15

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

spätere ist – vor allem deshalb, weil die EG-UntVO, anders als die Brüssel I-VO, nicht den Gerichtsstand der Widerklage kennt. 13 Die Aussetzung hat von Amts wegen zu erfolgen. Das Gericht hat jedoch nicht von Amts wegen zu ermitteln, ob in einem anderen Mitgliedstaat eine Rechtshängigkeit vorliegt, solange keine konkreten Hinweise hierfür vorliegen.18 Liegt nur eine Teilidentität der Anträge vor, so erfolgt die Aussetzung nur für diesen betreffenden Teil.19 Entsprechend der Artikelreihenfolge hat das später angerufene Gericht zuvor zu prüfen, ob es gemäß der Verordnung zuständig ist. Fehlt es daran, hat es sich nach Art 10 für unzuständig zu erklären, Art 12 kommt dann nicht mehr zur Anwendung. Die Aussetzung des Verfahrens durch das später angerufene Gericht dauert fort, bis die Zuständigkeit des früher angerufenen Gerichts feststeht (Abs 1 HS 2). Die Fortsetzung des Verfahrens steht deshalb nicht im Ermessen des später angerufenen Gerichts. Das Verfahren der Aussetzung bestimmt sich nach dem innerstaatlichen Recht. In Deutschland findet § 148 ZPO entsprechend Anwendung.20 Die Aussetzung hat in jedem Verfahrensstadium, auch in der Berufungsinstanz zu erfolgen. 21 Mit der Aussetzung soll einer negativen Kompetenz vorgebeugt werden. 14 Über die Zuständigkeit des erstangerufenen Gerichts entscheidet dieses selbst. 22 Daran ist auch für die EG-UntVO aus Gründen der Rechtssicherheit festzuhalten, obwohl sich die Zuständigkeit für beide Gerichte ausschließlich aus der EG-UntVO ergibt. Die Entscheidung des erstangerufenen Gerichts über seine Zuständigkeit/Nichtzuständigkeit muss unanfechtbar sein,23 damit die Aussetzung beim später angerufenen Gericht endet. Hat sich das erst angerufene Gericht für zuständig erklärt, so muss sich das später angerufene Gericht von Amts wegen für unzuständig erklären. Hat sich ersteres dagegen für unzuständig erklärt, so ist der Prozess am später angerufenen Gericht fortzusetzen. Ist die Sachentscheidung des Erstgerichts rechtskräftig geworden, so entfällt die Aussetzungssperre. 24 Hat sich das später angerufene Gericht für unzuständig erklärt, so ist vor diesem Gericht ein erneuter Antrag zum identischen Gegenstand möglich, wenn dem nicht die Rechtskraft der Entscheidung des früher angerufenen Gerichts entgegensteht. 15 Art 12 bietet keine befriedigende Lösung für die Fälle, in denen der Antragsteller im zweiten Verfahren aufgrund von Fristenregelungen zur gerichtlichen Geltendmachung 18 19 20

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Jenard-Bericht zum EuGVÜ S 41. Kropholler Art 27 Brüssel I-VO Rn 9. OLG München RIW 1997, 872; OLG Frankfurt aM IPRax 2002, 523; Rauscher/Leible Art 27 Brüssel I-VO Rn 21. BGH NJW 2002, 2795; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 27 Brüssel I-VO Rn 9; Rauscher /Leible Art 27 Brüssel I-VO Rn 21; aA Hau IPRax 2002, 117. EuGH Rs C-351/89 Overseas Union/New Hampshire Insurance EuGHE 1991 I 3317 = IPRax 1993, 34 Rn 22 f; Kropholler Art 27 Brüssel I-VO Rn 19; Rauscher IPRax 1993, 21, 24. Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 27 Brüssel I-VO Rn 54; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 27 Brüssel I-VO Rn 9. BGH NJW 2002, 2795, 2796; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 27 Brüssel I-VO Rn 10.

Januar 2010

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Art 13 EG-UntVO 1

Kapitel II Zuständigkeit

des Unterhalts oder der Abänderung gerichtlicher Entscheidungen25 Rechtsverluste erleidet, wenn sich das Gericht nach Art 12 für unzuständig erklärt. Es fehlt eine Regelung zur Wahrung von Fristen. Anders als nach Art 6 Nr 3 Brüssel I-VO steht dem Antragssteller im zweiten Verfahren nicht der Gerichtsstand der Widerklage zur Verfügung.

Artikel 13

Aussetzung wegen Sachzusammenhang (1) Sind bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren, die im Zusammenhang stehen, anhängig, so kann jedes später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen. (2) Sind diese Verfahren in erster Instanz anhängig, so kann sich jedes später angerufene Gericht auf Antrag einer Partei auch für unzuständig erklären, wenn das zuerst angerufene Gericht für die betreffenden Verfahren zuständig ist und die Verbindung der Verfahren nach seinem Recht zulässig ist. (3) Verfahren stehen im Sinne dieses Artikels im Zusammenhang, wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen könnten. I. Regelungszweck und sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1. Aussetzung des Verfahrens . . . . . . . . . . . 2. Erklärung der Unzuständigkeit . . . . . . .

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II. Voraussetzungen

1. Anhängigkeit in Mitgliedstaaten . . . . 2. Kein Vorrang von Art 12 . . . . . . . . . . . . 3. Anforderungen an die Verfahren . . . .

I.

3 3a 4

Regelungszweck und sachlicher Anwendungsbereich

Im Wortlaut stimmt – mit einer Ausnahme – Art 13 mit Art 28 Brüssel I-VO überein. 1 Nur das Wort „Klagen“ ist durch das Wort „Verfahren“ ersetzt worden. Die Vorschrift ist darauf gerichtet, widersprechende Entscheidungen in verschiedenen Mitgliedstaaten zu vermeiden und damit zur geordneten Rechtspflege innerhalb der Gemeinschaft beizutragen.1 Die Bedeutung dieser Vorschrift für Unterhaltsverfahren ist davon abhängig, ob hiervon auch solche Verfahren erfasst sind, die nicht in den sachlichen Geltungsbereich der EG-UntVO gehören, die aber mit der Unterhaltssache im unmittelbaren Zusam25 1

Fristenregelung in § 238 Abs 3 FamFG. EuGH Rs C-406/92 Tatry/Maciej Rataj EuGHE 1994 I 5439 Rn 52; Jenard-Bericht zum EuGVÜ S 41; hierzu auch ua Rauscher/Leible Art 28 Brüssel I VO Rn 1.

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Art 13 EG-UntVO 2-3a

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

menhang stehen, weil sie vorgreifliche Rechtsverhältnisse betreffen. Als Beispiel sei das Verfahren in Ehesachen, über die elterliche Verantwortung und ein Vaterschaftsanfechtungsprozess genannt. Zu Art 28 Brüssel I-VO wird – jedoch ohne nähere Begründung – vertreten, dass der Anwendungsbereich der Brüssel I-VO eröffnet sein muss.2 2 Für die EG-UntVO ist mE zu differenzieren. Das Verfahren, in dem die Anwendung von Art 13 zu prüfen ist, muss eine Unterhaltspflicht iSd Art 1 Abs 1 zum Gegenstand haben. Dies folgt daraus, dass für diese Verfahren in Art 13 Rechtsfolgen geregelt sind. Das andere Verfahren, zu dem der Zusammenhang besteht und für das die EG-UntVO keine Rechtsfolgen anordnet, kann eine Unterhaltssache sein. Dies ist jedoch nicht zwingend. Für die Einbeziehung von Verfahren, die vorgreifliche Rechtsverhältnisse zum Gegenstand haben, spricht, dass sie Grundlage für die Unterhaltsentscheidung bilden. Sie müssen im Unterhaltsverfahren Berücksichtigung finden, um zu verhindern, dass nach Erlass der anderen Entscheidung die Unterhaltsentscheidung fehlerhaft und deshalb aufgehoben oder geändert werden muss. Zugleich wird damit der Einwand unvereinbarer Entscheidungen nach Art 21 Abs 3 verhindert. Für die Einbeziehung spricht weiterhin, dass Art 13 keine Einschränkung auf Unterhaltsverfahren vorsieht. Außerdem kann angeführt werden, dass die EG-UntVO dem Zusammenhang zwischen einer Personenstandssache bzw eines Verfahrens zur elterlichen Verantwortung und der Unterhaltssache bei der internationalen Zuständigkeit in Art 3 lit c und d Rechnung trägt. II.

Voraussetzungen

1.

Anhängigkeit in Mitgliedstaaten

3 In verschiedenen Mitgliedstaaten sind Verfahren anhängig, typischerweise sind es zwei Verfahren. Art 13 findet also keine Anwendung, wenn dass eine Verfahren in einem Mitgliedstaat und das andere Verfahren in einem Nichtmitgliedstaat anhängig ist. Gibt es ein früheres Verfahren in einem Teilnehmerstaat des LugÜbk 2007, der nicht Mitgliedstaat ist, so findet Art 28 LugÜbk 2007 Anwendung.3 2.

Vorrang von Art 12

3a Art 12 besitzt gegenüber Art 13 Vorrang, letzterer ist also nur zu prüfen, wenn der Tatbestand des Art 12 nicht erfüllt ist. 4 Parteien und Gegenstand des Anspruchs dürfen folglich nicht iSv Art 12 identisch sein.

2

OLG München RIW 2002, 66, 67; Rauscher/Leible Art 28 Brüssel I-VO Rn 2.

3

Solange das LugÜbk 2007 nicht in Kraft getreten ist, findet das LugÜbk 1988 Anwendung. Hierzu näher Rauscher /Leible Art 28 Brüssel I-VO Rn 1a.

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Kapitel II Zuständigkeit

3.

Art 13 EG-UntVO 4- 6

Anforderungen an die Verfahren

Das später anhängig gewordene Verfahren muss eine Unterhaltspflicht zum Gegen- 4 stand haben. Das frühere Verfahren kann eine Unterhaltspflicht oder ein vorgreifliches Rechtsverhältnis zum Gegenstand haben. Welches Verfahren früher anhängig gemacht wurde, bestimmt sich nach Art 9. Anders als bei Art 12 bedarf es keiner Identität der Parteien. Ein Zusammenhang zwischen den Verfahren kann zB bestehen, wenn das Kind in dem einen Mitgliedstaat die Mutter und in dem anderen Mitgliedstaat den Vater auf Unterhalt in Anspruch nimmt, derselbe Elternteil in unterschiedlichen Staaten von einem jeweils anderen Kind in Anspruch genommen wird oder die Eltern in einem Mitgliedstaat ein Sorgerechtsverfahren führen und in dem anderen Staat das Kind gerichtlich Unterhalt von einem Elternteil geltend macht. Zwischen den Verfahren muss ein Zusammenhang bestehen. Die Anforderungen da- 5 ran sind in Abs 3 legal definiert. Zwischen ihnen muss eine „so enge Beziehung gegeben sein“, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen können. Der Begriff ist weiter zu verstehen als der Begriff unvereinbar in Art 21 Abs 2. Er umfasst damit jedenfalls alle die Fälle, in denen Unvereinbarkeit droht: Es sind alle Verfahren umfasst, in denen die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht, selbst, wenn die Entscheidungen getrennt vollstreckt werden können und sich ihre Rechtsfolgen nicht gegenseitig ausschließen.5 Eine solche existiert nur dann, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im früheren Verfahren in dem anderen Mitgliedstaat auch anerkennungsfähig ist. Ist das Erstverfahren auch eine Unterhaltssache, so verbietet sich eine Anerkennungsprognose, weil die Anerkennung ipso iure, ohne jede Voraussetzung und unanfechtbar erfolgt (Art 17 Abs 1). Bei Verfahren, die vorgreifliche Rechtsverhältnisse betreffen, kann geprüft werden, ob Anerkennungshindernisse ersichtlich sind. Eine solche negative Anerkennungsprognose erleichtert die Ermessensentscheidung darüber, ob das Unterhaltsverfahren ausgesetzt werden sollte.6 An Beispielen für einen Zusammenhang /fehlenden Zusammenhang aus veröffentlich- 6 ter Rechtsprechung, die Unterhaltssachen betreffen, fehlt es. Die Anwendung von Art 13 kommt ua in Frage, wenn der Unterhaltsverpflichtete von mehreren Unterhaltsberechtigten gerichtlich in Anspruch genommen wird und seine Leistungsfähigkeit aufgrund seines Einkommens begrenzt ist. Entsprechendes gilt, wenn der Unterhaltsberechtigte den sich aus seinem Bedarf ergebenden Geldbetrag gegenüber mehreren ihm zum Unterhalt verpflichteten Personen geltend macht hat und dieser Geldbetrag den Bedarf übersteigt. 5 6

EuGH Rs C-406/92 Tatry/Maciej Rataj EuGHE 1994 I 5439 Rn 53. Für eine solche negative Anerkennungsprognose in Bezug auf Art 22 EuGVÜ bzw Art 28 Brüssel I-VO OLG Frankfurt aM IPRax 2001, 227, 228 m Anm Geimer IPRax 2001, 191, 192; Rauscher/Leible Art 28 Brüssel I-VO Rn 5; Kropholler Art 28 Brüssel I-VO Rn 10.

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Art 13 EG-UntVO 7- 9

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Ein Zusammenhang besteht auch zwischen einem anhängigen Vaterschaftsanfechtungsverfahren und einem Verfahren, in dem derselbe Mann gegenüber dem Kind zum Unterhalt verpflichtet werden soll. Dasselbe gilt im Verhältnis zwischen dem Vaterschaftsfeststellungs- und Unterhaltsverfahren. Ein Verfahren über die elterliche Verantwortung steht im Zusammenhang mit dem Unterhaltsverfahren für das Kind, wenn es im ersten Verfahren darum geht, bei wem das Kind lebt und im zweiten, wer deshalb den Betreuungsunterhalt zu leisten hat. III. Rechtsfolgen

7 Vorgesehen sind für das später anhängig gemachte Unterhaltsverfahren zwei mögliche Rechtsfolgen, nach Abs 1 das Aussetzen dieses Verfahrens und nach Abs 2 die Unzuständigkeitserklärung. Letztere ist an zusätzliche Voraussetzungen gebunden. 1.

Aussetzung des Verfahrens

8 Das Gericht kann das Verfahren für die später anhängig gemachte Unterhaltssache aussetzen. Die Aussetzung steht im Ermessen dieses Gerichts.7 Sie erfolgt von Amts wegen, eines Antrags einer Partei bedarf es nicht. Folgende Faktoren sind zu berücksichtigen: Die Art und die Stärke des Zusammenhangs, die Gefahr widersprechender Entscheidungen, Stand, Dauer, Sach- und Beweisnähe beider Verfahren, Prozessökonomie und Parteiinteressen. 8 Abzuwägen sind unter diesen Aspekten folgende mögliche Rechtsfolgen: Keine Aussetzung des Verfahrens, Aussetzung des Verfahrens und letztlich Unzuständigkeitserklärung nach Abs 2. 9 Ein Aussetzen des Verfahrens kommt mE insbesondere in Betracht, wenn es im ersten Verfahren nicht um die Unterhaltspflicht, sondern um vorgreifliche Rechtsverhältnisse geht. Eine gemeinsame Verhandlung beider Gegenstände durch dasselbe Gericht ist inhaltlich nicht geboten. Dem Antragsteller sollten deshalb nicht die Vorteile der Anrufung dieses Gerichts für die Unterhaltssache genommen werden. Nicht nur das Aussetzen des Verfahrens, sondern auch seine Dauer steht im Ermessen des Gerichts. Es endet spätestens mit der Rechtskraft der Entscheidung im ersten Verfahren. 9 Für die Zeit des Aussetzens des Verfahrens kann das Gericht einstweilige Maßnahmen anordnen, insbesondere zur vorläufigen Unterhaltsleistung verpflichten. Da es für die Hauptsache zuständig ist, ist es dabei nicht auf Maßnahmen nach Art 14 beschränkt.10 Verfahrensweise und Rechtsmittel in Bezug auf die Aussetzung des Verfahrens regeln sich nach einzelstaatlichem Recht.11

7 8

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Rauscher/Leible Art 28 Brüssel I-VO Rn 7. Kropholler Art 28 Brüssel I-VO Rn 10; Rauscher/Leible Art 28 Brüssel I-VO Rn 7; Lüpfert Konnexität zum EuGVÜ 205 ff. Rauscher/Leible Art 28 Brüssel I-VO Rn 7a. Hierzu Art 14 Rn 8. Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 28 Brüssel I-VO Rn 26.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 13 EG-UntVO 10-13

Für das erstangerufene Gericht besteht nach Art 13 die Möglichkeit der Aussetzung 10 des Verfahrens nicht. Diese Folgerung bezieht sich nur auf den Fall, dass das später in Gang gesetzte Verfahren eine Unterhaltssache ist. Die Konstellation, dass das spätere Verfahren ein vorgreifliches Rechtsverhältnis und das erstere Verfahren eine Unterhaltssache zum Gegenstand hat, regelt die EG-UntVO nicht. Für sie kann deshalb insoweit das nationale Verfahrensrecht Anwendung finden, in Deutschland kommt eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO entsprechend in Betracht. 2.

Erklärung der Unzuständigkeit

Zusätzliche Voraussetzungen Die Erklärung der Unzuständigkeit durch das später angerufene Gericht erfordert zu- 11 sätzliche Voraussetzungen: Beide Verfahren müssen im ersten Rechtszug anhängig sein.12 Es bedarf des Antrages einer im späteren Verfahren beteiligten Partei, dabei spielt es keine Rolle, ob es der Antragsteller oder Antragsgegner ist. Zu beantragen ist, dass sich das Gericht für unzuständig erklärt. Das zuerst angerufene Gericht muss für eine Entscheidung über die Gegenstände zuständig sein, die in beiden Verfahren anhängig sind und miteinander im Zusammenhang stehen. Ob dies zutrifft, hat das später angerufene Gericht zu prüfen. Dies steht nicht im Widerspruch dazu, dass im Prinzip jedes Gericht die internationale Zuständigkeit der Gerichte seines Landes prüft. Hier erfolgt die Prüfung der Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Staates nur zur Vorbereitung der Entscheidung über die Erklärung der eigenen Unzuständigkeit. Diese Prüfung soll verhindern, dass für die Anträge kein Forum zur Verfügung steht, weil das eine Gericht nicht zuständig ist und das andere Gericht sich für unzuständig erklärt hat.13 Soweit die Verfahren Unterhaltspflichten zum Gegenstand haben, erfolgt die Prüfung 12 nach den Artt 3 ff. Letztlich muss nach dem Recht des erstangerufenen Gerichts eine Verbindung beider Verfahren zulässig sein. Die Regelung geht davon aus, dass nur in diesem Fall eine Erklärung der Unzuständigkeit des später angerufenen Gerichts sinnvoll ist. Wenn auch das Erstgericht beide Verfahren nicht verbinden kann, so trägt die Unzuständigkeitserklärung nicht dazu bei, dem Zusammenhang der Verfahrensgegenstände Rechnung zu tragen. Auch diese Frage hat das später angerufene Gericht zu prüfen. Die in Abs 2 vorgesehene Prozedur schafft Risiken. Diese können dadurch reduziert 13 werden, dass – eventuell unter Hinzuziehung der Zentralen Behörden beider Mitgliedstaaten – das „abgebende“ Gericht vorsorglich anfragt, ob das früher angerufene Gericht die Sache zur Entscheidung annehmen würde, ohne dass dem natürlich Bin12

13

Zu den Gründen siehe Kropholler Art 28 Brüssel I-VO Rn 8; Rauscher/Leible Art 28 Brüssel I-VO Rn 8. Zu einem möglichen negativen Kompetenzkonflikt und seiner Lösung Rauscher /Leible Art 28 Brüssel I-VO Rn 1a, 8.

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Art 13 EG-UntVO, 14, 15 Art 14 EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

dungswirkung zukommt. Um widersprechende Entscheidungen zu verhindern, will Abs 2 erreichen, dass zusammenhängende Verfahren, bei denen eine Verfahrensverbindung zweckmäßig ist, beim erstangerufenen Gericht konzentriert werden. Dies würde am besten durch eine Verweisung realisiert werden, die jedoch einer entsprechenden Regelung in der Verordnung, wie in Art 15 Brüssel IIa-VO, bedürfte. 14 Das autonome deutsche IZPR kennt keine Verweisung eines Verfahrens an ein ausländisches Gericht bzw die Annahme der Verweisung durch Übernahme des Verfahrens von einem ausländischen Gericht. Die Prozedur kann deshalb nur so sein: Beendigung des Verfahrens beim später angerufenen Gericht durch Unzuständigkeitserklärung sowie Einreichung des Antrags, der zunächst beim später angerufenen Gericht anhängig war, bei dem erstangerufenen Gericht. Dieses kann dann nach seinem Verfahrensrecht die beiden anhängigen Prozesse verbinden. Ein solches Vorgehen ist auch deutschen Gerichten nach § 147 ZPO im Unterhaltsprozess möglich.14 15 Abs 2 lässt es durchaus zu, dass das später angerufene Gericht das Verfahren zunächst aussetzt und der antragstellenden Partei empfiehlt, den Antrag bei dem Gericht des anderen Mitgliedstaates anhängig zu machen, um sich erst dann für unzuständig zu erklären. Das Verfahren für diesen Antrag wäre bei dem Gericht des anderen Mitgliedstaates zunächst nach Art 12 Abs 1 blockiert. Die Blockade wird durch die Unzuständigkeitserklärung aufgehoben. Die Erklärung der Unzuständigkeit durch das später angerufene Gericht liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Für eine zurückhaltende Anwendung sprechen insbesondere die Nachteile für den Antragsteller, wie doppelte Verfahrenskosten, Ausschluss- und Verjährungsfristen. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Zusammenhang von Verfahren nicht durch die Aussetzung des späteren Verfahrens gewahrt werden kann.

Artikel 14

Einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen Die im Recht eines Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, können bei den Gerichten dieses Staates auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitgliedstaats aufgrund dieser Verordnung zuständig ist. I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einstweilige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . .

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III. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . .

1. Zuständigkeit nach der EG-UntVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit nach einzelstaatlichem Recht . . . . . . . . . . . . . 3. Deutsches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anders Rauscher/Leible Art 28 Brüssel I-VO Rn 9; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 28 Brüssel I-VO Rn 3; Kropholler Art 28 Brüssel I-VO Rn 8.

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Kapitel II Zuständigkeit

I.

Art 14 EG-UntVO 1-3

Vorbemerkung

Art 14 übernimmt den Art 31 Brüssel I-VO. Der einstweilige Rechtsschutz wird nicht 1 positiv eigenständig geregelt,1 sondern durch zwei Verweise. Einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen können von einem Gericht, das nach den Artt 3-7 zuständig ist, erlassen werden, im Übrigen wird auf die einzelstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten verwiesen. Diese Regelungsweise stellt ein Systembruch in der Zuständigkeitsordnung der EGUntVO dar. Nach Erwägungsgrund 15 soll ein Rückgriff auf die innerstaatlichen Vorschriften über die Zuständigkeit gerade nicht mehr möglich sein. Diese Zielsetzung hätte Veranlassung geben sollen, die Zuständigkeit für den einstweiligen Rechtsschutz in der EG-UntVO abschließend zu regeln und diesen mit den neuen Bestimmungen zur Anerkennung und Vollstreckung abzustimmen. Art 14 besitzt, anders als Art 31 Brüssel I-VO, keinen räumlich begrenzten Anwen- 2 dungsbereich. Er ist auf alle Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug anzuwenden. Die Schwierigkeiten bei der Auslegung der Bestimmung werden – soweit es den Verweis auf die einzelstaatlichen Zuständigkeitsregeln zum einstweiligen Rechtsschutz betrifft – für die EG-UntVO potenziert. Einerseits ist den Bedingungen in der Gemeinschaft Rechnung zu tragen, andererseits ist die Drittstaatenproblematik zu beachten. Die Bestimmungen der EG-UntVO sind darauf gerichtet, den Beteiligten und insbesondere den Unterhaltsberechtigten vor mitgliedstaatlichen Gerichten im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren effektiven und zügigen Rechtsschutz zu gewähren. Der Verweis auf die innerstaatlichen Vorschriften für den einstweiligen Rechtsschutz kann deswegen nicht mehr damit begründet werden, dass der Antragssteller vor Schäden bewahrt werden soll, die durch die jedem internationalen Verfahren eigene lange Verfahrensdauer verursacht werden. Anders ist dies zu sehen, wenn die Unterhaltssache Bezüge zu Drittstaaten aufweist. In der EG-UntVO hätte für den einstweiligen Rechtsschutz durchaus differenziert werden können. Im Verhältnis zwischen mitgliedstaatlichen Gerichten wäre als Mindestregelung eine Übernahme von Art 20 Abs 2 Brüssel IIa-VO möglich gewesen. II.

Einstweilige Maßnahmen

Für die Merkmale der erfassten gerichtlichen Anordnungen kann auf die Auslegung 3 für Art 24 EuGVÜ /Art 31 Brüssel I-VO zurückgegriffen werden. Der Begriff umfasst Maßnahmen nach einzelstaatlichem Recht, die eine Veränderung der Sach- und Rechtslage verhindern sollen, um Rechte zu sichern, deren Anerkennung im Übrigen bei dem in der Hauptsache zuständigen Gericht beantragt wird. 2 Ganz allgemein hat 1 2

Kropholler Art 31 Brüssel I-VO Rn 1; Rauscher /Leible Art 31 Rn 2 Brüssel I-VO. EuGH Rs C-104/03 St Paul Dairy Industries NV EuGHE 2005 I 3481 Rn 12; EuGH Rs C-261/90 Reichert/Kockler/Dresdner Bank EuGHE 1992 I 2149 Rn 33.

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Art 14 EG-UntVO 4, 5

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

das Gericht seine Anordnung von Voraussetzungen abhängig zu machen, die den einstweiligen und auf eine Sicherung gerichteten Charakter der Maßnahme sicherstellen. 3 An diesen Kriterien ist zu messen, ob die nach einzelstaatlichem Recht zulässigen Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes oder ihre konkrete Ausgestaltung – bezogen auf die Unterhaltssache – unter den Begriff einstweilige Maßnahmen iSv Art 14 EG-UntVO fallen. 4 Die Maßnahmen lassen sich in Bezug auf Unterhaltssachen in zwei Hauptgruppen einteilen. Zum einen handelt es sich um Anordnungen, die eine spätere Vollstreckung der Entscheidung in der Hauptsache sichern sollen (Sicherungsmaßnahmen), einschließlich der Anordnungen zur Sicherung des Rechtsfriedens während des Verfahrens. Hierzu gehört insbesondere die Anordnung von Verfügungssperren in Bezug auf Vermögensobjekte, die dem Unterhaltsschuldner gehören. Der zweite Bereich umfasst Leistungsverfügungen, die in einem beschleunigten Verfahren Unterhalt ganz oder teilweise zusprechen. Dabei kann es sich um eine vorläufige Befriedigung des Unterhaltsberechtigten handeln, der in einem Hauptverfahren einen Pauschalbetrag zB als Scheidungsfolge eingeklagt hat. 5 Typisch in Bezug auf Unterhaltssachen sind jedoch Leistungsanordnungen, die den in Anspruch Genommenen verpflichten, für die Zeit bis zur Hauptentscheidung periodisch Unterhalt zu leisten. 4 Zielstellung ist hier nicht nur, die Durchsetzung der späteren Hauptentscheidung zu sichern und den Antragsgegner zu motivieren, das Hauptverfahren nicht zu verzögern oder zu blockieren. Solche Anordnungen dienen in erster Linie dazu, den Unterhaltsberechtigten mit den notwendigen Mitteln für den Lebensunterhalt in dieser Zeit auszustatten. Auch wenn der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zugesprochene Betrag dem des Hauptantrags entspricht, fällt die Maßnahme unter Art 14, da sie zur Sicherstellung der Wirksamkeit des Urteils in der Hauptsache erforderlich ist und nur auf diese Weise dem Parteieninteresse auf Seiten des Unterhaltsberechtigten Rechnung getragen werden kann. Eine solche Leistungsverfügung in Gestalt einer einstweiligen Anordnung, durch die auf Antrag die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt geregelt werden kann, sieht das deutsche Recht vor.5 Gleiches gilt ua im österreichischen,6 belgischen,7

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EuGH Rs C-125/79 Denilauler/Couchet Frères EuGHE 1980 1553 Rn 15; EuGH Rs C-391/95 van Uden/Deco-Line EuGHE 1998 I 7091 Rn 38; EuGH Rs C-104/03 St Paul Dairy Industries NV EuGHE 2005 I 3481 Rn 12. Krit zu vorläufigen Zahlungen Hess Study 18.4.2004, JAI /A3/02/2002 S 139. Die Kommission erachtet hingegen eine Verurteilung zu einer vorläufigen Zahlung für unproblematisch zulässig, Europäische Kommission, 21.4.2009, KOM (2009) 175, 8 f. § 246 FamFG; § 247 FamFG für einstweilige Anordnungen vor Geburt des Kindes; § 249 FamFG für einstweilige Anordnungen während der Anhängigkeit eines Vaterschaftsprozesses. § 382 Abs 1 lit a EO im Verhältnis zum unterhaltsberechtigtem Kind, Ehegatten oder geschiedenen Ehegatten. Artt 1035 CJ ff.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 14 EG-UntVO 6- 8

französischen,8 luxemburgischen,9 niederländischen,10 portugiesischen11 und englischen Recht.12 Art 14 erfasst einstweilige Maßnahmen, die sich auf die Unterhaltspflichten bezie- 6 hen. Es kommt nicht darauf an, worum es im Hauptprozess geht. Wird im Ehescheidungsverfahren eine einstweilige Maßnahme mit unterhaltsrechtlichem Charakter iSd EG-UntVO beantragt, dann ist Art 14 EG-UntVO anwendbar. Dasselbe gilt zB auch, wenn der vermeintliche Vater im Vaterschaftsprozess zur vorläufigen Zahlung von Unterhalt verpflichtet wird. III. Internationale Zuständigkeit

Art 14 regelt die Zuständigkeit zweigleisig. Zur Verfügung stehen die Gerichtsstände 7 nach der EG-UntVO und die nach dem einzelstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten. Die Bestimmung selbst sieht keine Priorität vor. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich rechtspraktisch hinsichtlich vorläufiger Leistungsanordnungen ein Vorrang für die Zuständigkeiten nach der EG-UntVO. Wird die Rechtsprechung des EuGH zu Art 24 EuGVÜ (Art 31 Brüssel I-VO) auf Art 14 übertragen, so sind in der einstweiligen Maßnahme der Zuständigkeitsgrund, also Artt 3 ff oder Art 14, sowie die dazu gehörenden Vorschriften des nationalen Prozessrechts, ausdrücklich zu nennen. Fehlt es daran, dann besteht die Vermutung, dass die einstweilige Maßnahme nach Art 14 erlassen wurde.13 Diese ist daraufhin an den einschränkenden Kriterien zu messen, die der EuGH für Maßnahmen entwickelt, die sich auf einzelstaatlichen Zuständigkeitsnormen gründen. 1.

Zuständigkeit nach der EG-UntVO

Ein Gericht, das nach Artt 3-7 für die Hauptsacheentscheidung in der Unterhalts- 8 sache zuständig ist, ist es auch für einstweilige Maßnahmen. Die Zuständigkeit hängt nicht von weiteren Voraussetzungen ab.14 Insbesondere ist sie nicht an Bedingungen geknüpft, die der EuGH für Leistungsverfügungen im einstweiligen Rechtsschutz aufgestellt hat, um die Zuständigkeit nach einzelstaatlichem Recht einzuschränken.15

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Art 809 Abs 2 NCPC. Art 933 Abs 2 NCPC. Art 254, 260 CCP. Art 399 CPC. CPR rule 25.1 (1) (k). EuGH Rs C-99/96 Mietz/Intership EuGHE 1999 I 2277 = IPRax 2000, 411, 416 Rn 54; Hess IPRax 2000, 370, 372. EuGH Rs C-391/95 van Uden/Deco-Line EuGHE 1998 I 7091 Rn 22; EuGH Rs C-99/96 Mietz/Intership EuGHE 1999 I 2277 = IPRax 2000, 411, 414 Rn 41. Für die Brüssel I-VO Kropholler Art 31 Brüssel I-VO Rn 12; Rauscher/Leible Art 31 Brüssel I-VO Rn 16; hierzu auch Rn 14.

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Art 14 EG-UntVO 9, 10

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Ist die Hauptsache noch bei keinem Gericht eines anderen Mitgliedstaates anhängig und besteht nach Art 3 eine konkurrierende Zuständigkeit für mitgliedstaatliche Gerichte, so kann der Antragsteller wählen.16 Die Zuständigkeit kann sich auch aus Art 4 und Art 5 ergeben. 9 Fraglich ist, welche Konsequenzen es hat, wenn in der Hauptsache später ein anderes, auch nach Artt 3 ff in der Hauptsache zuständiges Gericht angerufen wird. Das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz und das Hauptsacheverfahren sind selbständige Verfahren, ersteres sperrt nicht letzteres Verfahren in einem anderen Mitgliedstaat.17 Eine gegenteilige Lösung würde die Relationen zwischen beiden Verfahren in das Gegenteil verkehren, denn die einstweiligen Maßnahmen haben gegenüber dem Hauptverfahren dienende Funktionen. Das in der Unterhaltssache tatsächlich in der Hauptsache angerufene und nach Artt 3 ff zuständige mitgliedstaatliche Gericht ist auch zuständig für den vorläufigen Rechtsschutz.18 10 Bei doppelten Anträgen oder Anordnungen zum einstweiligen Rechtsschutz ist zu unterscheiden, ob sie nebeneinander bestehen können. Hiervon ist auszugehen, wenn das erstangerufene Gericht lediglich Sicherungsmaßnahmen für die Durchsetzung der späteren Hauptentscheidung ergreift, zB eine Verfügungssperre über Vermögenswerte anordnet. Anders muss die Lösung für die einstweilige Anordnung von Unterhaltszahlungen ausfallen. Der Unterhaltsschuldner darf nicht durch zwei verpflichtende Entscheidungen zum selben Zeitpunkt belastet werden. Die Problematik in die Vollstreckungsphase zu verschieben und für die einstweilige Anordnung der Unterhaltszahlung durch das Gericht eines anderen Mitgliedstaates ein Vollstreckungshindernis nach Art 21 Abs 2 UAbs 2 anzunehmen,19 stellt keine optimale Lösung dar.20 Besser wäre die Konzentration des einstweiligen Rechtsschutzes beim zuständigen tatsächlichen Hauptsachegericht. Leider fehlt eine Art 20 Abs 2 Brüssel IIa-VO entsprechende Regelung in Unterhaltssachen, wonach die ergriffenen Maßnahmen eines mitgliedstaatlichen Gerichts außer Kraft treten, wenn das in der Hauptsache zuständige Gericht die Maßnahmen getroffen hat, die es für angemessen hält. Eine solche Maßnahme könnte auch in der Bestätigung der zuvor getroffenen einstweiligen Maßnahme eines anderen mitgliedstaatlichen Gerichts liegen. 21

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Für die Brüssel I-VO Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 31 Brüssel I-VO Rn 7; Kropholler Art 31 Brüssel I-VO Rn 11. Für die Brüssel I-VO Rauscher /Leible Art 31 Brüssel I-VO Rn 18. Für die Brüssel I-VO Rauscher /Leible Art 31 Brüssel I-VO Rn 16 mwN. So aber die Lösung für widersprechende Anordnungen im einstweiligen Rechtschutzverfahren, der nicht den Unterhalt, sondern die Verwendung von Markenrechten betraf; EuGH Rs C-80/00 Italian Leather/ WECO Polstermöbel EuGHE 1999 I 2277 = RIW 2002, 708 Rn 52. Für eine Koordination, notfalls durch Aussetzung eines Verfahrens auch Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 31 Brüssel I-VO Rn 8. Eine ähnliche Aufhebungs- und Abänderungsbefugnis des Hauptsachegerichts hält auch die Kommission zur Abschichtung von einstweiligen Maßnahmen der verschiedenen Gerichte für vorzugwürdig, vgl Europäische Kommission, 21.4.2009, KOM (2009) 175, 8.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 14 EG-UntVO 11-14

Ist eine Hauptsache bereits bei einem mitgliedstaatlichen Gericht anhängig, bevor bei 11 einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates eine einstweilige Maßnahme beantragt wird, so ist das tatsächlich mit der Hauptsache befasste Gericht Hauptsachegericht iSv Art 14. Soweit es seine Zuständigkeit für die Hauptsache als gegeben ansieht, können andere mitgliedstaatlichen Gerichte ihre Zuständigkeit für eine einstweilige Maßnahme nicht mehr auf Artt 3 ff stützen.22 2.

Zuständigkeit nach einzelstaatlichem Recht

Art 14 ermöglicht es, die Zuständigkeit für den Erlass einstweiliger Maßnahmen auf 12 das innerstaatliche Recht eines Mitgliedstaates zu stützen. Diese Zuständigkeit kann nach der Regelung auch dann in Anspruch genommen werden, wenn in der Hauptsache das Gericht eines anderen Mitgliedstaates aufgrund der EG-UntVO zuständig ist. Der EuGH hat – bezogen auf die gleichlautende Regelung in Art 24 EuGVÜ /Art 31 13 Brüssel I-VO – die Inanspruchnahme dieser Zuständigkeiten eingeschränkt, um einer Umgehung der gemeinschaftsrechtlichen Zuständigkeitsordnung durch Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entgegen zu wirken. Danach muss zwischen dem Gegenstand der beantragten Maßnahme und der gebietsbezogenen Zuständigkeit des angerufenen mitgliedstaatlichen Gerichts eine reale Verknüpfung bestehen.23 Das Erfordernis der realen Verknüpfung hat generalklauselartigen Charakter und muss jeweils konkretisiert werden.24 Eine solche ist jedenfalls dann gegeben, wenn die Maßnahme Vermögensgegenstände betrifft, die im Gerichtsstaat belegen sind. Für die Anordnung der vorläufigen teilweisen oder ganzen Erbringung der strittigen 14 Leistung (Leistungsverfügung) durch ein nach einzelstaatlichem Recht dafür zuständiges Gericht hat der EuGH zusätzlich Schranken aufgestellt. Sie führen rechtspraktisch dazu, dass diese Zuständigkeit für die Anordnung vorläufiger Unterhaltszahlungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig entfällt. Eine einstweilige Maßnahme liegt danach nur vor, wenn die Rückzahlung des zugesprochenen Betrages für den Fall der anderweitigen Entscheidung in der Hauptsache gesichert ist und die beantragte Maßnahme nur bestimmte Vermögensgegenstände des Antragsgegners be-

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Umstritten, dafür Kropholler Art 31 Brüssel I-VO Rn 11; Andrae IFR Rn 22; Hess IPRax 2005, 23, 24 f; Schulz ZEuP 2001, 805, 814; Wolf/Lange RIW 2003, 55, 61; aA Rauscher /Leible Art 31 Brüssel I-VO Rn 17; Stadler JZ 1999, 1089, 1094; Hess/Vollkommer IPRax 1999, 220, 224. EuGH Rs C-391/95 Van Uden/Deco-Line EuGHE 1998 I 7091 Rn 40; auch EuGH Rs C-125/79 Denilauler/Couchet Frères EuGHE 1980 1553 Rn 15 ff. Gegen ein Festhalten am Erfordernis der realen Verknüpfung spricht sich die Kommission aus, vgl Europäische Kommission, 21.4.2009, KOM (2009) 175, 8. Hierzu Hess/Vollkommer IPRax 1999, 220, 224 ff; Stadler JZ 1999, 1089, 1093 ff; Schulz ZEuP 2001, 805, 815 ff.

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Art 14 EG-UntVO 15-17

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

trifft, die sich im örtlichen Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts befinden.25 15 Sinn und Zweck einstweiliger Anordnungen zur Unterhaltsverpflichtung ist darauf gerichtet, für den Anordnungszeitraum den Unterhaltsberechtigten mit den notwendigen Mitteln für den Lebensunterhalt auszustatten. Dieses Ziel wird konterkariert, wenn der Unterhaltsberechtigte für diese Zahlungen Sicherheit leisten muss. Jedoch sollte von diesem Kriterium auch für Art 14 nicht abgewichen werden.26 Rechtsfolge ist lediglich, dass die Zuständigkeit nach nationalem Recht nicht in Anspruch genommen werden kann. Die Zuständigkeit eines Gerichts, das nach Artt 3 ff EG-UntVO zuständig ist, bleibt erhalten. 27 Damit wird der enge Zusammenhang zwischen der einstweiligen Anordnung der Unterhaltsleistung und der Durchführung des Hauptverfahrens hergestellt. Der Unterhaltsberechtigte wird dadurch auch nicht unangemessen benachteiligt, weil – soweit dem Verpflichteten im Verfahren rechtliches Gehör gewährt wurde28 – auch die Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren in allen Mitgliedstaaten ohne Förmlichkeiten nach der EG-UntVO vollstreckt wird. 29 Die Zuständigkeit nach Art 14 konzentriert sich deshalb auf sichernde Maßnahmen für die Durchsetzung der zu erwartenden Hauptsachenentscheidung. 3.

Deutsches Verfahren

16 Für in Deutschland durchzuführende Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes führt Art 14 EG-UntVO zu § 50 FamFG, der die örtliche Zuständigkeit für einstweilige Anordnungen im familiengerichtlichen Verfahren einheitlich regelt. Nach § 105 FamFG findet der Grundsatz der Doppelfunktionalität Anwendung, die örtliche Zuständigkeit indiziert die internationale Zuständigkeit für einstweilige Anordnungen. Die Bestimmungen der ZPO zum Arrest und zur einstweiligen Verfügung sind nicht mehr anzuwenden, § 50 FamFG sieht zwei Zuständigkeiten vor. 17 Die eine betrifft dringende Fälle. Für die Zuständigkeit wird angeknüpft an den Ort, an dem das Bedürfnis für die gerichtliche Tätigkeit hervorgetreten ist oder sich die Person oder die Sache befindet, auf die sich die einstweilige Anordnung bezieht. Dringlichkeit kann in einem grenzüberschreitenden Fall angenommen werden, wenn

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EuGH Rs C-391/95 van Uden/Deco-Line EuGHE 1998 I 7091 Rn 43; EuGH Rs C-99/96 Mietz/Intership EuGHE 1999 I 2277 = IPRax 2000, 411, 414 Rn 52 ff. Die Ausgestaltung der Rückzahlungsgarantie stellt sich die Kommission künftig flexibler vor, vgl Europäische Kommission, 21.4.2009, KOM (2009) 175, 9. AA Rauscher/Leible Art 31 Brüssel I-VO Rn 12. Für eine Einschränkung bei Leistungsverfügungen auch Hess Study 18.4.2004, JAI /A3/02/2002 S 139 f. Der EuGH lässt hierbei auch nachträgliches rechtliches Gehör in einem Rechtsbehelfverfahren genügen, vgl EuGH Rs C 39/02 Maersk Olie & Gas /de Haan en de Boer EuGHE 2004 I 9657 Rn 51. Vgl Art 16 Rn 7.

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Kapitel II Zuständigkeit

Art 14 EG-UntVO 18, 19

die Anrufung des für die Hauptsache zuständigen ausländischen Gerichts für den Antragsteller eine nachteilige Verzögerung mit sich bringt oder es sich um Maßnahmen handelt, für die die Inanspruchnahme des örtlichen Gerichts besonders zweckmäßig ist. Letzteres kann zB auf die Anordnung von Verfügungssperren zutreffen. Im Übrigen ist in erster Linie nach deutschem Recht das Gericht für die einstweilige 18 Anordnung zuständig, das auch in der Hauptsache entscheidet. Fraglich ist, wie das Gericht der Hauptsache in diesem Zusammenhang zu bestimmen ist. Dieser Streit tritt bereits bei Art 31 Brüssel I-VO auf. 30 Im Kern geht es darum, ob sich die diesbezügliche internationale Zuständigkeit aus der Verordnung ableitet oder ob das einzelstaatliche Recht hierfür heranzuziehen ist, obwohl es für die Entscheidung in der Hauptsache tatsächlich keine Anwendung findet. Rechtspraktisch konzentriert sich die Frage darauf, ob die Zuständigkeit für einstweilige Anordnungen auf § 23 ZPO gestützt werden kann.31 Geschuldet ist diese Problematik dem Umstand, dass der europäische Gesetzgeber bisher keine eigenständige Zuständigkeitsnorm für den einstweiligen Rechtsschutz geschaffen hat und es ein rechtlich zu befriedigendes Bedürfnis gibt, für die internationale Zuständigkeit der Gerichte den Belegenheitsort von Vermögen festzulegen. Das trifft insbesondere auf solche Maßnahmen zu, welche die Durchsetzung von Ansprüchen sichern sollen. Für die EG-UntVO tritt dieses Bedürfnis im besonderen Maße hervor, weil Art 14 keine räumliche Begrenzung aufweist, vielmehr in allen grenzüberschreitenden Unterhaltssachen Anwendung findet. Dogmatisch ist jedoch der Lösung, die über ein fiktives „Hauptsachegericht“ zu § 23 19 ZPO kommt, nicht zu folgen. Der exorbitante Gerichtsstand des § 23 ZPO wird innerstaatlich für Unterhaltsverfahren aufgrund der EG-UntVO völlig verdrängt. Wenn nämlich der Beklagte keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, bestimmt sich die Zuständigkeit bei Unterhaltssachen mit grenzüberschreitendem Bezug allein nach der EG-UntVO. Dogmatisch eher vertretbarer ist es mE deshalb, aus § 23 ZPO eine spezielle Norm des deutschen Verfahrensrechts für die internationale und örtliche Zuständigkeit im einstweiligen Rechtsschutz für Unterhaltssachen abzuleiten und damit eine Lücke in der Zuständigkeitsordnung der Verordnung für den einstweiligen Rechtsschutz zu schließen.

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Hierzu Kropholler Art 31 Brüssel I-VO Rn 17; Nagel /Gottwald § 15 Rn 10 ff; Rauscher /Leible Art 31 Brüssel I-VO Rn 21, 22. Für Unterhaltssachen kann man über § 232 Abs 3 S 1 FamFG zur Zuständigkeit nach § 23 ZPO kommen.

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Art 15 EG-UntVO 1, 2

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Kapitel III Anwendbares Recht Artikel 15

Bestimmung des anwendbaren Rechts Das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht bestimmt sich für die Mitgliedstaaten, die durch das Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (nachstehend „Haager Protokoll von 2007“ genannt) gebunden sind, nach jenem Protokoll. I. Beitritt zur Haager Konferenz . . . . . . . . .

1

II. Geschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . . .

3

III. Beitritt zum HUntStProt . . . . . . . . . . . . . .

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I.

IV. Stellung der EG und

Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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V. Zeitliche Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VI. Auslegungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Beitritt zur Haager Konferenz

1 Die EG ist am 3.4.2007 der Haager Konferenz beigetreten. Dies beruht auf dem Beschluss des Rates 2006/719/ EG.1 Zuvor hatte der Rat die Europäische Kommission mit Beschluss vom 28.11.2002 ermächtigt, die Bedingungen und Modalitäten für den Beitritt der Gemeinschaft zur Haager Konferenz auszuhandeln. Erforderlich war hierfür die Änderung der Satzung der Haager Konferenz, um den Beitritt einer Organisation regionaler Wirtschaftsintegration zu ermöglichen. 2 2 Der Anhang II des Beschlusses enthält eine Zuständigkeitserklärung der EG über die Bereiche, in denen die Mitgliedstaaten ihr die Zuständigkeiten übertragen haben und die zugleich Gegenstand der Haager Konferenz sind oder mit diesem in enger Beziehung stehen. Dabei werden in erster Linie die Regelungen in Art 61 lit c und Art 65 EGV aufgegriffen und die in diesem Rahmen erlassenen Verordnungen der EG aufgelistet. Aus diesen Bestimmungen des EG-Vertrages ergibt sich die interne Kompetenz der EG, Gemeinschaftsrecht auf dem Gebiet des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts zu erlassen. Die genannten Bestimmungen bilden nicht nur Rechtsgrundlage für gemeinschaftsinterne Rechtsakte, sondern auch für den Abschluss internationaler Übereinkommen durch die Gemeinschaft. 3 Die Gemeinschaft kann inter1

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Beschluss des Rates 2006/719/ EG vom 5.10.2006 über den Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zur Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, ABl EU 2006 L 297/1. Neufassung der Satzung in dt Sprache abrufbar unter http://www.hcch.net/upload/text01d_neu.pdf. Beschluss 2006/719 / EG Anh II Rn 6, ABl EU 2006 297/5.

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Kapitel III Anwendbares Recht

Art 15 EG-UntVO 3-5

nationale Vereinbarungen schließen, soweit sie bereits von der internen Kompetenz Gebrauch gemacht hat oder wenn die internationale Vereinbarung zur Erreichung eines Ziels der EG erforderlich ist. 4 II.

Geschichtlicher Hintergrund

Die EG und die Haager Konferenz haben parallel an der Ausarbeitung eines Rechts- 3 instruments zum Kollisionsrecht auf dem Gebiet des Unterhaltsrechts gearbeitet. Die 19. Tagung der Haager Konferenz im Jahre 2002 beschloss, die Vorbereitung einer umfassenden Konvention über die internationale Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen von Kindern und anderen Familienangehörigen vorzubereiten.5 Diese sollte auf den Fundamenten der bisherigen Konventionen der Haager Konferenz und dem New Yorker UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20.6.19566 aufbauen. Von den vier relevanten Haager Konventionen betreffen zwei das Kollisionsrecht, 4 nämlich das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24.10.1956 (HUntStÜbk 1956)7 sowie das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 (HUntStÜbk 1973)8. Da die neue Haager Konvention auch das UN-Übereinkommen ersetzen soll, wurden für ihre Ausarbeitung auch Nichtmitgliedstaaten der Haager Konferenz eingeladen und eine Spezialkommission gebildet. Unter den Delegierten dieser Spezialkommission war auf dem ersten Treffen im Mai 5 2003 strittig, ob die neue Konvention das Kollisionsrecht mit enthalten sollte. 9 Während die Mehrzahl der Delegierten aus Staaten, die dem civil law system zugeordnet werden können, sich für die Aufnahme des Kollisionsrechts aussprachen, war die Mehrzahl der Vertreter aus dem common law Ländern dagegen. Auch einige Vertreter von Staaten, die zu den civil law Ländern gerechnet werden, wie zB Schweden, waren gegen kollisionsrechtliche Regelungen. Hintergrund war hier vor allem das administrative System der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen. Die Ablehner verband die Gemeinsamkeit, dass in ihren Ländern für den Unterhalt die lex fori Anwendung findet und insoweit eine kollisionsrechtliche Regelung für entbehrlich gehalten wird.10

4 5 6 7 8 9

10

Beschluss 2006/719 / EG Anh II Rn 6, ABl EU 2006 297/5. Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 1. BGBl 1959 II 150. BGBl 1961 II 1013. Eine Übersicht der Vertragsstaaten findet sich bei Jayme/Hausmann Nr 40 Fn 1. BGBl 1986 II 837. Eine Übersicht der Vertragsstaaten findet sich bei Jayme/Hausmann Nr 41 Fn 1, 2. Report on the first meeting of the Special Commission on the international recovery of child support and other forms of family maintenance (5-16 May 2003), Prel Doc No 5. Hierzu Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 1-6.

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Art 15 EG-UntVO 6- 8

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

6 Diese Frage wurde hinausgeschoben und eine Arbeitsgruppe zum Kollisionsrecht gebildet, die sich aus Vertretern von Teilnehmerstaaten der Haager Übereinkommen 1956 und 1973 und anderen interessierten Staaten zusammensetzte. Von den Mitgliedstaaten nahmen Vertreter aus Portugal, Frankreich, Schweden, Niederlande, Luxemburg, Italien, Spanien, Deutschland und Tschechien teil. Zum damaligen Zeitpunkt war noch nicht absehbar, ob es überhaupt zu einer Neuregelung des Kollisionsrechts im Rahmen der Haager Konferenz kommen würde und – soweit dies erfolgen würde –, ob dies in einem einheitlichen oder gesonderten Rechtsdokument sein sollte. 7 Die Arbeitsgruppe legte im Frühjahr 2005 einen bereits überarbeiteten Entwurf einer kollisionsrechtlichen Regelung der Spezialkommission vor.11 Der Vorschlag vom 15.12.2005 für eine EG-UntVO12 enthält in seinem Kapitel III (Artt 12-21) gleichfalls Kollisionsnormen zum Unterhalt mit demselben Anwendungsbereich wie der Vorschlag der Arbeitsgruppe der Haager Konferenz, im Detail unterscheiden sich beide Regelungsentwürfe jedoch erheblich.13 Es gab zwar zuvor Hinweise darauf, dass eine zukünftige Verordnung zu Unterhaltsverpflichtungen auch das Kollisionsrecht umfassen könnte, insbesondere durch die entsprechenden Fragestellungen im Grünbuch der Unterhaltspflichten,14 jedoch umfassten die vorhergehenden Dokumente15 bezogen auf Unterhaltspflichten das Kollisionsrecht nicht ausdrücklich. Vielmehr lag die Konzentration auf der Abschaffung des Zwischenverfahrens für die Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen. 8 Der EG-UntVO-E ist das erste Dokument im Rahmen von Artt 61 c, 65 EGV, in dem ein Gegenstand – hier die Unterhaltspflichten – in Bezug auf seine grenzüberschreitenden Aspekte komplex geregelt wurde und das insoweit eine neue Qualität aufweist. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang vertreten, dass die Vereinheitlichung des Kollisionsrechts eine unabdingbare Voraussetzung für liberale Anerkennungs- und Vollstreckungsregelungen bzw noch weitergehend für die Abschaffung des Exequaturverfahrens darstellt.16 Dies ist jedoch deshalb zu hinterfragen, weil bei der Prüfung der Anerkennung und im Vollstreckbarerklärungsverfahren ein Verbot der Überprüfung der ausländischen Entscheidung, einschließlich der Nachprüfung, welches Recht in der Streitsache angewandt wurde, besteht (Verbot der révision au fond).

11 12 13 14 15

16

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Proposal by the Working Group on the law applicable to maintenance obligations, Prel Doc No 14. KOM (2005) 649. Hierzu ausführlich Wagner FamRZ 2006, 979-987. Europäische Kommission, 15.4.2004, KOM (2004) 254. Insbesondere Schlussfolgerungen von der Tagung des Europäischen Rates von Tampere vom 15./ 16.10.1999, NJW 2000, 1925 sowie die Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates von Brüssel vom 4./5.11.2004, online abrufbar unter http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/ docs/pressdata/de/ec/104697.pdf. Wagner FamRZ 2006, 979, 980 mit Bezug auf die Schlussfolgerungen von Tampere aus dem Jahre 1999.

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Kapitel III Anwendbares Recht

Art 15 EG-UntVO 9-11

Die Liberalisierung auf diesem Gebiet ist in erster Linie eine rechtspolitische Entscheidung, die durch den Gesamtkomplex von Maßnahmen auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit innerhalb der EG und der Rechtsstaatlichkeit der Verfahren in allen Mitgliedstaaten ermöglicht wird. Eine einheitliche Zuständigkeitsordnung innerhalb der Gemeinschaft sollte möglichst 9 mit einer einheitlichen kollisionsrechtlichen Regelung verbunden werden, damit im Idealfall das anwendbare Recht und damit die Sachentscheidung nicht mehr vom Forum abhängig ist. Insbesondere beim Kindschaftsrecht hat sich gezeigt, dass die Aussparung des Kollisionsrechts in der Brüssel IIa-VO zu komplizierten Fragen der Einbindung der Kollisionsnormen der entsprechenden Haager Übereinkommen und des nationalen Rechts führen.17 Das trifft vor allem dann zu, wenn die Kollisionsnormen mit den Zuständigkeitsnormen verbunden sind, wie beim MSA18 und dem KSÜ19. Von vornherein war klar, dass für das unterhaltsrechtliche Kollisionsrecht das Neben- 10 einandergelten in einer Verordnung und in einem Haager Übereinkommen innerhalb der Mitgliedstaaten keine empfehlenswerte Lösung ist, denn dies hätte eine räumlichpersonelle Abgrenzung erfordert. Beide Entwürfe gingen dementsprechend auch davon aus, dass die Kollisionsnormen universell angewandt werden, der EG-UntVO-E sah nicht das Erfordernis eines mitgliedstaatlichen Bezuges vor. Eine EG-UntVO mit einem kollisionsrechtlichen Teil hätte praktisch das Aus für das Haager Projekt bedeutet, zumal dem HUntStÜbk 1956 und dem HUntStÜbk 1973 hauptsächlich Mitgliedstaaten der Gemeinschaft angehören. Ein Verzicht auf das Kollisionsrecht in der Verordnung, verbunden mit einer Empfehlung an die Mitgliedstaaten, dem neuen Haager Protokoll beizutreten, hätte dazu führen können, dass das Ziel, ein einheitliches Kollisionsrecht in der Gemeinschaft zu haben, in weite Ferne rückt. Die gefundene Lösung ist ideal, weil sie den neuen Haager Regelungen dazu verhilft, 11 sich international zu etablieren und andererseits ein einheitliches Kollisionsrecht in der Gemeinschaft zur Geltung kommt, an dessen Ausarbeitung die Gemeinschaft selbst und ein Teil ihrer Mitgliedstaaten aktiv mitgewirkt haben. Ermöglicht wurde diese Lösung durch den Beitritt der EG zur Haager Konferenz und durch Art 24 des HUntStProt 2007, welches den Beitritt von Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration regelt und direkt auf die EG zugeschnitten ist. Begünstigt wurde diese Lösung dadurch, dass das Kollisionsrecht nicht Bestandteil des HUntVerfÜbk 2007 ist, sondern als – zwar ergänzendes aber gesondertes – Rechts-

17 18

19

Hierzu Andrae IPRax 2006, 82. Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5.10.1961, BGBl 1971 II 217. Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996. Abgedruckt ua in Jayme/Hausmann Nr 54.

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Art 15 EG-UntVO 12-14

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

instrument mit staatsvertraglichem Charakter angenommen worden ist. 20 Als gesondertes Rechtsinstrument lässt es sich unkomplizierter in die EG-UntVO einfügen. 12 Die fast gleichzeitige Fertigstellung des Entwurfs der kollisionsrechtlichen Teile des Haager Übereinkommens und der EG-UntVO hat die Diskussion um die beste inhaltliche Lösung beflügelt, Lösungen aus dem EG-UntVO-E sind in die Haager Regelung eingeflossen, andererseits sind Schwachstellen in der EG-UntVO in das HUntStProt 2007 nicht übernommen worden. Der Wettstreit um die bessere kollisionsrechtliche Lösung21 hat jedenfalls im Ergebnis zu einer Lösung geführt, die ausgewogener und besser zu akzeptieren ist, als jeder Entwurf für sich genommen. 22 III. Beitritt zum HUntStProt 2007

13 Dem HUntStProt 2007 wird die EG, nicht die einzelnen Mitgliedstaaten, beitreten. In den Erwägungsgründen zum Beschluss über den Abschluss des Protokolls über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht durch die Europäische Gemeinschaft vom 23.2.2009 (Beschluss zum HUntStProt 2007)23 heißt es hierzu, dass die Gemeinschaft in den von der Verordnung (EG) Nr 4/2009 erfassten Bereichen die ausschließliche Außenkompetenz erlangt hat. Für das Kollisionsrecht ist diese Erfassung dadurch erfolgt, dass Art 15 sich auf das Kollisionsrecht bezieht. Daraus folgt, dass mit Inkrafttreten der EG-UntVO nur noch die EG dem HUntStProt 2007 beitreten kann, nicht jedoch die einzelnen Mitgliedstaaten, es sei denn, die EG würde die Mitgliedstaaten hierzu ermächtigen. 24 Letzteres erfolgt jedoch für das HUntStProt 2007 nicht, weil dieses mit Art 24 der EG ermöglicht, mit Bindung für die Mitgliedstaaten beizutreten. 14 Art 24 HUntStProt 2007 berechtigt die Gemeinschaft, das Protokoll zu unterzeichnen, anzunehmen, zu genehmigen oder ihm beizutreten. Art 1 Beschluss zum HUntStProt 2007 bestimmt die Billigung des HUntStProt 2007 durch die Gemeinschaft und Art 2 regelt die Unterzeichnung für die völkerrechtliche Verbindlichkeitserklärung. In Einklang mit Art 24 HUntStProt 2007 ist im Art 3 Beschluss zum HUntStProt 2007 die Erklärung der Gemeinschaft vorgesehen, dass sie für alle Angelegenheiten, die das HUntStProt 2007 regelt, zuständig ist und es für die Mitgliedstaaten bei Abschluss durch die EG bindend wird. Weiterhin wird klargestellt, dass der Begriff der Gemeinschaft in Bezug auf das HUntStProt 2007 nicht auf Dänemark und das Ver20 21 22

23 24

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Hierzu Einl HUntStProt 2007 Rn 5 ff. Begriff bei Wagner FamRZ 2006, 979. Siehe zum einen den Vergleich der Entwürfe bei Wagner FamRZ 2006, 979 ff und des HUntStProt 2007 mit dem EG-UntVO-E Andrae FPR 2008, 196-202. Beschluss des Rates, 2009/941/EG 30.11.2009, ABl EU L 331/17. So geschehen für das KSÜ durch Entscheidung des Rates 2008/431/ EG vom 5.6.2008, ABl EU 2008 L 151/36.

Januar 2010

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Kapitel III Anwendbares Recht

Art 15 EG-UntVO 16-18

einigte Königreich umfasst. Soweit diese Staaten (Dänemark, Vereinigtes Königreich) von Art 24 HUntStProt 2007 ausgenommen sind, können diese natürlich einzeln dem Protokoll beitreten. Hinweis: Randnummer 15 ist derzeit nicht belegt. Mit Veröffentlichung des HUntStProt 2007 im Amtsblatt25 entfalten dessen Bestimmungen unmittelbare Wirkung, und es ist von den nationalen Gerichten wie ein Gesetz anzuwenden.26 Art 15 hat in diesem Zusammenhang keine rechtsbegründende Wirkung. Rechtsgrundlage für den Beschluss über den Abschluss des HUntStProt 2007 durch 16 die Gemeinschaft bildet Art 61 lit c iVm Art 300 Abs 2 und 3 EGV (Art 67 Abs 4 iVm Art 218 AEUV). Das Verfahren der innergemeinschaftlichen Beschlussfassung richtet sich aufgrund des familienrechtlichen Charakters des HUntStProt 2007 nach Art 67 Abs 1 EGV (Art 81 Abs 3 AEUV). Die EG-UntVO ist bereits in Kraft getreten und die zeitliche Anwendung ihrer Haupt- 17 teile ab dem 18.6.2011 ist in Art 75 bestimmt. Art 75 bezieht sich auch auf Art 15. Das HUntStProt 2007 kann vorher oder nachher in Kraft treten in Abhängigkeit davon, wann die Voraussetzungen des Art 25 HUntStProt 2007 erfüllt sind. Der Art 4 des Beschlusses zum HUntStProt 2007 sieht diesbezüglich vor, dass das Protokoll ab dem 18.6.2011 in der Gemeinschaft vorläufig Anwendung findet, sofern es bis dahin noch nicht in Kraft getreten ist. Diese Lösung ermöglicht Art 15. Die Bestimmungen des Protokolls werden in diesem Fall für die Übergangszeit nicht als unmittelbar anwendbare Normen eines Staatsvertrages, sondern als sekundäres Gemeinschaftsrecht Geltung haben. IV.

Stellung der EG und Mitgliedstaaten

Die Stellung der Mitgliedstaaten und ihrer Rechte in Bezug auf das HUntStProt 2007 18 ergibt sich aus Art 24 Abs 5 HUntStProt 2007. Danach gilt jede Bezugnahme im HUntStProt 2007 auf einen Vertragsstaat oder Staat, gegebenenfalls für die EG und die Mitgliedstaaten. Was zutrifft, ist – soweit im HUntStProt 2007 nicht ausdrücklich bestimmt – aus dem Sinnzusammenhang der betreffenden Vorschrift des Protokolls abzuleiten. So sind die Verweise auf das Recht eines Staates natürlich Verweise auf das Recht eines Mitgliedstaates, wenn der Anknüpfungspunkt zu diesem Staat führt. Auch die ordre public Klausel meint die öffentliche Ordnung im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts und nicht der Gemeinschaft als solche. Art 19 HUntStProt 2007, der die Koordinierung mit anderen Übereinkommen regelt, bezieht sich auf die Mitgliedstaaten in Bezug auf bereits geschlossene Übereinkünfte und auf die EG in Bezug auf künftige Übereinkünfte, denn den Mitgliedstaaten fehlt für das unterhaltsrecht25 26

Anhang zum Beschluss zum HUntStProt 2007, ABl EU L 331/19. EuGH Rs C-192/89 Sevince/Staatssecretaris van Justitie EuGHE 1990 I 3461 Rn 24; Calliess/Ruffert / Schmalenbach Art 300 EGV Rn 69 mit weiteren Literaturhinweisen.

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Art 15 EG-UntVO 19-21

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

liche Kollisionsrecht seit der EG-UntVO die Abschlusskompetenz. Die Regelung in Art 29 HUntStProt 2007 über die Kündigung des Protokolls trifft wiederum nur auf die EG zu. V.

Zeitliche Anwendung

19 Nach Art 22 HUntStProt 2007 findet das Protokoll keine Anwendung auf Unterhalt, der in einem Vertragsstaat für einen Zeitraum vor Inkrafttreten des Protokolls in diesem Staat verlangt wird. Der Beschluss zum HUntStProt 2007 sieht in Art 5 Abs 2 zu dieser Frage eine spezielle Erklärung vor. Danach wird das HUntStProt 2007 auch auf Unterhaltsforderungen angewandt werden, die in den Mitgliedstaaten „für einen Zeitraum vor dem Inkrafttreten oder vorläufigen Anwendung des Protokolls in der Gemeinschaft geltend gemacht werden, sofern die Einleitung des Verfahrens, die Billigung oder der Abschluss des gerichtlichen Vergleichs oder die Ausstellung der öffentlichen Urkunde ... [ab] dem 18.6.2011, dem Datum des Beginns der Anwendbarkeit der Verordnung, erfolgt ist.“27 20 Daraus ergibt sich Folgendes: 1. Für ein am 18.6.2011 in einem Mitgliedstaat bereits eingeleitetes Verfahren findet Art 22 HUntStProt 2007 Anwendung bzw entsprechend Anwendung. In Bezug auf die Unterhaltspflichten vor dem Zeitraum des Inkrafttretens des Protokolls oder seines vorläufigen Inkrafttretens ist das bisherige Kollisionsrecht, in Deutschland das HUntStÜbk1973, anzuwenden. Unterhaltspflichten für den Zeitraum danach richten sich nach dem HUntStProt 2007. 28 2. In Verfahren, die seit dem 18.6.2011 eingeleitet werden, wird einheitlich – unabhängig davon, für welchen Zeitraum der Unterhalt verlangt wird – das HUntStProt 2007 angewandt. 21 Für den Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens ist Art 9 anzuwenden, maßgeblich ist der Eingang des verfahrenseinleitenden Schriftstückes bei Gericht. Für gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden kommt es für das anwendbare Kollisionsrecht auf den Zeitpunkt des Abschlusses oder der Ausstellung an. Diese intertemporale Überleitungsbestimmung gilt nicht im Verhältnis eines Mitgliedstaates, der Teilnehmer der Haager Übereinkommen 1956 und/oder 1973 – wie Deutschland – ist, im Verhältnis zu den Teilnehmerstaaten dieser Übereinkommen, die nicht zugleich Mitgliedstaaten sind. Das HUntStÜbk 1956 wird also weiterhin im Verhältnis zu Liechtenstein und China-Macao und das HUntStÜbk 1973 im Verhältnis zu Japan, der Schweiz und der Türkei angewandt, solange diese Staaten nicht dem HUntStProt 2007 beitreten oder von einer Seite das betreffende Haager Übereinkommen gekün27

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„after 18 June 2011“ wurde genau wie in Art 28 Rom I-VO und Art 75 Abs 1 unrichtig ins Deutsche übersetzt. Die Bedeutung von „after“ ist „nach dem und einschließlich des“. Richtig ist hingegen die Formulierung in Art 64 Abs 1 Brüssel IIa-VO: „nach Beginn der Anwendung“. Hierzu auch Art 22 HUntStProt 2007.

Januar 2010

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Kapitel III Anwendbares Recht

Art 15 EG-UntVO 22-24

digt wird. Die Weiteranwendung der alten Haager Übereinkommen ergibt sich aus dem Zusammenwirken von Art 69 mit Art 19 Abs 1 HUntStProt 2007. 29 Tritt ein Teilnehmerstaat des HUntStÜbk 1956 oder des HUntStÜbk 1973 dem HUntStProt 2007 bei, so wird die Anwendung der Rechtsinstrumente intertemporal nach Art 22 HUntStProt 2007 abgegrenzt. VI. Auslegungsbefugnis

Solange das HUntStProt 2007 nicht in Kraft getreten ist und/oder die EG nicht bei- 22 getreten ist, haben seine Bestimmungen den Charakter von sekundärem Gemeinschaftsrecht, wenn sie vorab in Kraft gesetzt sind. Die Auslegungsbefugnis des EuGH ergibt sich aus Art 234 EGV (Art 267 AEUV). Tritt das HUntStProt 2007 in Kraft und gehört die EG zu den ursprünglichen Teilnehmern oder tritt sie danach dem HUntStProt 2007 bei, so handelt es sich bei dem Protokoll ab dem in Art 25 HUntStProt 2007 festgelegten Zeitpunkt um unmittelbar anwendbare Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrages in allen Mitgliedstaaten. Der EuGH sieht die von der Gemeinschaft geschlossenen völkerrechtlichen Verträge 23 als Handlung der Organe der Gemeinschaft an und stützt darauf seine Auslegungskompetenz nach Art 234 Abs 1 lit b EGV (Art 267 AEUV).30 Die Auslegungskompetenz ist insoweit in Bezug auf die EG-UntVO und dem HUntStProt 2007 identisch. Die Einheitlichkeit der Auslegungskompetenz fördert den nach Erwägungsgrund 8 hervorgehobenen engen Zusammenhang zwischen der EG-UntVO und dem HUntVerfÜbk 2007 sowie dem HUntStProt 2007. Für die Auslegung von EG-UntVO und HUntStProt 2007 selbst sind die unterschied- 24 lichen Quellen zu beachten. Für die EG-UntVO steht im Vordergrund die gemeinschaftsrechtliche autonome integrationsfördernde Auslegung,31 soweit die rechtsvergleichende Auslegungsmethode mit herangezogen wird, ist sie auf die Mitgliedstaaten bezogen. 32 Das HUntStProt 2007 ist unter Beachtung seines internationalen Charakters und der Notwendigkeit, eine einheitliche Anwendung zu fördern, auszulegen. 33 Ausgehend von seinem Wortlaut sind unter diesen Gesichtspunkten Gegenstand, Ziel, Sinn und Zweck des Protokolls und sein Zusammenhang mit dem HUntVerfÜbk 2007 zu würdigen und für die Auslegung nutzbar zu machen. 29

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31

32 33

Zur räumlich-personellen Abgrenzung der Haager Kollisionsrechtsübereinkommen siehe Art 18 HUntStProt 2007 Rn 6. EuGH Rs C-181/73 Haegeman/Belgischer Staat EuGHE 1974, 449 Rn 2/6; hierzu auch Calliess/Ruffert /Schmalenbach Art 300 EGV Rn 85. Zur Brüssel I-VO Kropholler Einl Rn 41 ff; Rauscher/Staudinger Einl Brüssel I-VO Rn 35 ff. Für die EGUntVO selbst Einl Rn 34. Vgl Kropholler Einl Rn 48 ff. Art 20 HUntStProt 2007.

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Art 15 EG-UntVO 25, 26

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

25 Andererseits ist eine übereinstimmende Auslegung von EG-UntVO und HUntStProt 2007 anzustreben, wenn in beiden Rechtsakten dieselben Begriffe verwandt werden, zumal der eine durch Art 15 auch rechtstechnisch mit dem anderen zusammengebracht wird. Von besonderer Bedeutung ist dies für die sachliche Gegenstandsbestimmung in Art 1 Abs 1 und Art 1 HUntStProt 2007 und für die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt. Dies ist ein Gebot der Rechtssicherheit und für die Verständlichkeit des Rechts für die Bürger unerlässlich. Für die EG-UntVO bedeutet dies, dass bei ihrer Auslegung das HUntStProt 2007 in die Betrachtung einbezogen wird und – da das HUntStProt 2007 auf die anderen Haager Übereinkommen zum Unterhalt aufbaut – auch diese. 26 Für die Teilnehmerstaaten, die Nichtmitgliedstaaten der EG sind, stellen sich die Entscheidungen des EuGH als nicht bindende Entscheidungen des Gerichts der beigetretenen Organisation der regionalen Wirtschaftsorganisation dar und zugleich als Entscheidungen eines Gerichts der Mitgliedstaaten, die iSd Art 24 Abs 5 HUntStProt 2007 als Vertragsstaaten behandelt werden. Die Entscheidungen werden in die Sammlung der Rechtsprechung zum HUntStProt 2007 der Haager Konferenz (Art 21 Abs 2 HUntStProt 2007) eingehen, und sie werden durch die Gerichte von Vertragsstaaten, die Nichtmitgliedstaaten sind, bei ihrer Rechtsprechung in die Betrachtung einbezogen, um die einheitliche Anwendung des Protokolls zu fördern. Umgekehrt haben die Gerichte der Mitgliedstaaten und der EuGH die Rechtsprechung der anderen Teilnehmerstaaten bei ihrer Rechtsprechung mit zu verfolgen, um Art 20 HUntStProt 2007 Rechnung zu tragen. Anders als bei den LugÜbk34 gibt es für das HUntStProt 2007 keine Erklärungen über die wechselseitige Berücksichtigung der Rechtsprechung, schon weil das Protokoll ein beitrittsoffener Staatsvertrag ist.

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Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988 (Protokolle abgedruckt bei Jayme/Hausmann Anh zu LugÜbk Nr 152) und vom 30.10.2007 (Protokolle abgedruckt in ABl EU L 147/5 S 27 ff).

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Kapitel IV Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen

Vorbem Artt 16 ff EG-UntVO 1-3

Kapitel IV Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen Vorbemerkungen zu den Artt 16 ff

Für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen sieht die EG-UntVO 1 zwei verschiedene Verfahren vor. Jenes in Abschnitt 2 entspricht in auf Unterhaltsentscheidungen angepasster Form dem der Brüssel I-VO. Das Verfahren in Abschnitt 1 enthält die wesentlichen Neuerungen im europäischen grenzüberschreitenden Vollstreckungsrecht, die auf die Tagung von Tampere zurückgehen1. Danach sind Entscheidungen aus Mitgliedstaaten, die durch das HUntStProt 2007 gebunden sind, in anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen, ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. Darüber hinaus sind vollstreckbare Entscheidungen aus einem Mitgliedstaat, der durch das HUntStProt 2007 gebunden ist, unmittelbar in anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar. Ein Zwischenverfahren, dh eine Vollstreckbarerklärung, ist hierfür nicht mehr erforderlich. Im Vergleich zu dem Verfahren nach der Brüssel I-VO und nach Abschnitt 2 wurden 2 die Anerkennungsversagungsgründe eingeschränkt und als Vollstreckungsversagungsgründe in die Ebene der Vollstreckung verlagert. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die Gewährung des rechtlichen Gehörs, auf das verfahrenseinleitende Schriftstück hin, gelegt (vgl Art 21 Abs 3 UAbs 1 iVm Art 19). Die Abschaffung eines Zwischenverfahrens geht einher mit der Abschaffung des ordre 3 public Einwandes im Vollstreckungsmitgliedstaat. Der verfahrensrechtliche ordre public findet nur noch vereinzelte Ausprägungen, zB in Art 19.2 Der materiell-rechtliche ordre public hat nur noch Bedeutung bei der Anwendung ausländischen Rechts durch das Ursprungsgericht, Art 15 iVm Art 13 HUntStProt 2007. 3 Maßstab der Prüfung ist mithin immer das ordre public Niveau des Ursprungsmitgliedstaates. Die Bedeutung dieser Einschränkung wird jedoch dadurch geschmälert, dass die besondere Anknüpfung in den Artt 3 ff HUntStProt 2007, insbesondere das Zusammenspiel zwischen Artt 3 und 6 HUntStProt 2007, bereits auf kollisionsrechtlicher Ebene eine Vielzahl von kritischen Fällen ausschließt. 4 Darüber hinaus ermöglicht die notwendige Prüfung des sachlichen Anwendungsbereiches der Verordnung5 (zB für Unterhaltsansprüche

1 2 3 4 5

Vgl dazu Einl Rn 6. Vgl dazu Art 19 Rn 4. Vgl dazu Art 21 Rn 37 ff. Vgl dazu Art 6 HUntStProt 2007 Rn 5 f. Vgl dazu Art 1 Rn 1 ff.

Marianne Andrae /Martin Schimrick

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Art 16 EG-UntVO 1-3

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

aufgrund einer eingetragenen Lebenspartnerschaft) durch das Vollstreckungsorgan eine Einschränkung hinsichtlich der zu vollstreckenden Entscheidungen.

Artikel 16

Geltungsbereich dieses Kapitels (1) Dieses Kapitel regelt die Anerkennung, die Vollstreckbarkeit und die Vollstreckung der unter diese Verordnung fallenden Entscheidungen. (2) Abschnitt 1 gilt für Entscheidungen, die in einem Mitgliedstaat, der durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, ergangen sind. (3) Abschnitt 2 gilt für Entscheidungen, die in einem Mitgliedstaat, der nicht durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, ergangen sind. (4) Abschnitt 3 gilt für alle Entscheidungen. I. Sachlicher Anwendungsbereich (Abs 1) 1. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Gegenstand der Entscheidung . . . . . . . 5 3. Grenzüberschreitender Bezug . . . . . . . . 6 4. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 7 5. Territorialer Anwendungsbereich . . . . 8 6. Prüfung der Eröffnung des Geltungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 7. Besonderheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

II. Spezielle Anwendungsvoraussetzungen

1. Abschnitt 1 (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschnitt 2 (Abs 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abschnitt 3 (Abs 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12 13 14

1 Abs 1 umschreibt den Geltungsbereich des Kapitels in sachlicher Hinsicht, Abs 2-4 bestimmen den Anwendungsbereich der drei Abschnitte dieses Kapitels. I.

Sachlicher Anwendungsbereich (Abs 1)

2 Das Kapitel regelt die Anerkennung und Vollstreckbarkeit sowie die Vollstreckung von Entscheidungen der Gerichte und Behörden eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat in Bezug auf Unterhaltspflichten, die aus einem Familienverhältnis, Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft resultieren. 1.

Entscheidung

3 Der Begriff der Entscheidung ist in Art 2 Abs 1 Nr 1 legaldefiniert und entspricht dem der Brüssel I-VO. Diese Definition bestimmt den sachlichen Anwendungsbereich des Kapitels IV. Danach werden alle Entscheidungen eines staatlichen Gerichts eines Mitgliedstaates ungeachtet ihrer Bezeichnung erfasst. Gemäß Art 2 Abs 2 sind auch Verwaltungsentscheidungen aus Mitgliedstaaten eingeschlossen, in denen Verwaltungsbehörden in Unterhaltssachen zuständig sind, wie zB in Finnland.1 Die betreffenden 1

586

EuGH Rs C-435/06 EuGHE 2007 I 10141 =IPRax 2008, 509-513; Anm Andrae EuLF 2008, I-189.

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Kapitel IV Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen

Art 16 EG-UntVO 4, 5

Behörden werden in Anhang X der Verordnung aufgeführt werden. Ausgenommen sind Exequaturentscheidungen, dh Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten, die eine drittstaatliche Entscheidung in Anwendung völkerrechtlicher Verträge oder ihres innerstaatlichen Rechts für vollstreckbar erklären (keine Doppelexequatur).2 Gleiches gilt für Maßnahmen der Zwangsvollstreckung, da diese keinen Streit zwischen den Parteien entscheiden. Erfasst werden Kostenentscheidungen in Unterhaltssachen. Auch vorläufig vollstreckbare Entscheidungen, vgl Art 39, und Entscheidungen im 4 vorläufigen Rechtsschutz, wie Arreste und einstweilige Anordnungen, können erfasst werden. 3 Als Voraussetzung dafür wird aber die Gewährung des rechtlichen Gehörs des Schuldners in einem kontradiktorischen Verfahren (Ladung zur Anhörung in einer mündlichen Verhandlung) verlangt, bevor die Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt werden kann. 4 Es genügt, wenn dem Schuldner die Möglichkeit eines kontradiktorischen Verfahrens eingeräumt wurde. Dies gilt nach neuerer Rechtsprechung des EuGH selbst dann, wenn erst nach der Bekanntgabe einer ex parte Entscheidung, dh ohne Anhörung des Schuldners, die Möglichkeit einer kontradiktorischen Erörterung durch Einwände oder Rechtsmittel für den Schuldner bestanden hätte, bevor die Anerkennung und Vollstreckung begehrt wird.5 Daher können unter diesen Voraussetzungen sowohl die italienische richterliche Zahlungsanordnung „ordinanza d'ingiunzione“ bzw „ordonanza ingiuntiva di pagamento“ (Art 186ter ital cpc),6 als auch die französische einstweilige Anordnung „ordonnance de référé“ (Art 808 NCPC)7 sowie die englische ,,freezing orde“ (,,mareva injunctio“),8 nicht aber ein schwedischer Arrestbeschluss9 anerkannt werden. 2.

Gegenstand der Entscheidung

Die Entscheidung muss eine Unterhaltspflicht zum Gegenstand haben. Der Begriff ist 5 autonom auszulegen.10 Die Unterhaltspflicht muss ihren Grund in einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder in einer Schwägerschaft haben. Dabei sind die Institutionen Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft autonom

2 3 4

5 6

7 8 9 10

MünchKommZPO /Gottwald Art 32 Brüssel I-VO Rn 12; Rauscher/Leible Art 32 Brüssel I-VO Rn 14. Kropholler Art 32 Brüssel I-VO Rn 21 ff; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 32 Brüssel I-VO Rn 34 f. EuGH Rs 125/79 Denilauler/Couchet Frères EuGHE 1980, 1553; ua auch BGH NJW-RR 2007, 1573; BGH FamRZ 2009, 1297, 1299. EuGH Rs 39/02 Mærsk Olie & Gas /de Haan en de Boer EuGHE 2004 I, 9657. OLG Frankfurt RIW 1992, 677; OLG Stuttgart RIW 1997, 684; OLG Düsseldorf RIW 2001, 620; OLG Zweibrücken RIW 2006, 863. OLG Hamm RIW 1994, 243 = NJW-RR 1995, 189. OLG Karlsruhe FamRZ 2001, 1623 = IPRspr 2001 Nr 189. BGH WRP 2007, 330; krit Anm Geimer LMK 2007, 212640. Vgl Erwägungsgrund 11. Hierzu wird verwiesen auf die Ausführungen in Art 1 Rn 22 ff.

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Art 16 EG-UntVO 6- 8

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

auszulegen.11 Beide, Ursprungsgericht und das mit der Vollstreckbarerklärung oder der Vollstreckung befasste Organ im Zweitstaat, müssten insoweit zu einer übereinstimmenden Beurteilung kommen. Die Ansicht des Gerichts im Erkenntnisverfahren bindet jedoch die zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaates nicht.12 Dagegen richtet sich die Qualifikation einer davon nicht erfassten Beziehung als Familienbeziehung nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaates, einschließlich seines IPR.13 Für die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung kommt es hierbei auf die Sicht im Zweitstaat an. Nicht entscheidend ist, ob das Erstgericht die Sache als Familienbeziehung qualifiziert hat oder ob es die Anwendbarkeit der EG-UntVO überhaupt geprüft hat. Es kann durchaus sein, dass sich für das Ursprungsgericht die Frage der Anwendung der Verordnung nicht gestellt hat, weil es im Zeitpunkt des Verfahrens überhaupt keinen grenzüberschreitenden Bezug in der Unterhaltssache gab. Auch dann ist die Verordnung anwendbar, wenn das zuständige Organ des Zweitstaates den Familiencharakter der Beziehung bejaht. Nimmt es an, dass keine Beziehung iSd Art 1 Abs 1 vorliegt, ist für die Anerkennung, Vollstreckbarkerklärung und Vollstreckung die Brüssel I-VO anzuwenden, da es sich dann um eine Zivilsache mit nicht unterhaltsrechtlichem Charakter handelt. Voraussetzung ist natürlich, dass deren zeitlicher Anwendungsbereich eröffnet ist. 3.

Grenzüberschreitender Bezug

6 Der der Entscheidung in der Unterhaltssache zugrunde liegende Sachverhalt braucht selbst keinen grenzüberschreitenden Bezug aufzuweisen. Der grenzüberschreitende Bezug für die Anwendung dieses Kapitels wird dadurch hergestellt, als es um die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung der Entscheidung in einem Mitgliedstaat geht. 4.

Zeitlicher Anwendungsbereich

7 Der zeitliche Anwendungsbereich des Kapitel IV wird durch Artt 75 Abs 1 und 2, 76 UAbs 3 geregelt.14 5.

Territorialer Anwendungsbereich

8 Entscheidungs- und Anerkennungs- bzw Vollstreckungsstaat müssen Mitgliedstaaten iSd Art 1 Abs 2 sein, dh keine Anwendung auf drittstaatliche Entscheidungen.15

11 12 13 14 15

588

Hierzu im Einzelnen Art 1 Rn 1 ff. Siehe Rn 9. Hierzu im Einzelnen Art 1 Rn 16 ff. Hierzu näher unter Art 75 Rn 1 ff. Zu den Besonderheiten zu Dänemark und dem Vereinigten Königreich s Art 1 Rn 48 ff.

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Kapitel IV Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen

6.

Art 16 EG-UntVO 9-11

Prüfung der Eröffnung des Geltungsbereichs

Die zuständige Behörde im Vollstreckungsstaat hat die Eröffnung des Geltungs- 9 bereichs des Kapitel IV zu prüfen. Das betrifft auch das Vorliegen der sachlichen Anwendungsvoraussetzungen nach Art 1 Abs 1. Sie ist dabei nicht an die Beurteilung dieser Frage durch das Gericht des Ursprungsmitgliedstaates gebunden.16 Dies ergibt sich daraus, dass es für die Vollstreckung gar nicht darauf ankommt, ob das erkennende Gericht seine internationale Zuständigkeit auf die EG-UntVO gegründet hat oder ob es deren Bestimmungen richtig angewendet hat.17 Zudem darf die Reichweite einer unmittelbaren Vollstreckungsmöglichkeit nicht durch eine möglicherweise falsche Rechtsanwendung des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaates erweitert werden.18 Gegen diese Sicht spricht auch nicht die Titelfreizügigkeit. Über den Anwendungsbereich wird gerade bestimmt, welche Titel frei im europäischen Rechtsraum zirkulieren können. Dass aus der ungebundenen Bestimmung des Anwendungsbereichs „Familienbeziehungen“ durch das Vollstreckungsgericht unterschiedliche Beurteilungen desselben Sachverhalts resultieren können (Umqualifikation), lässt sich nicht vermeiden.19 Die zuständige Behörde hat von Amts wegen zu entscheiden, ob die Verordnung an- 10 wendbar ist, denn bei fehlender Anwendbarkeit würde ein für die Vollstreckung erforderlicher vollstreckungsfähiger Titel fehlen. 20 Eine Vollstreckungsmaßnahme, die ohne die Existenz eines Titels vorgenommen wird, ist nichtig. 21 Der Vollstreckungsschuldner kann in diesem Fall mit einer prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 Abs 1 ZPO beantragen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt wird. 22 Soweit die allgemeinen Voraussetzungen für die Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens vorliegen (Art 234 EGV (Art 267 AEUV)), kann der EuGH in Zweifelsfällen angerufen werden, ob im konkreten Fall der Anwendungsbereich eröffnet ist. 7.

Besonderheiten

Besonderheiten gelten für den Rechtsbehelf des Schuldners im Ursprungsstaat nach 11 Art 19 und die Bestimmungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit von Entscheidungen gemäß Art 39. Auch hier muss Gegenstand der Entscheidung jeweils eine Unterhalts16

17 18 19 20 21 22

Zum Anwendungsbereich des Titels III des EuGVÜ EuGH Rs 29/76 Eurocontrol EuGHE 1976, 1541; Kondring EWS 1995, 217, 219 ff mwN. Für die EuGVVO vgl BGH, 12.8.2009, Az: XII ZB 12/05 (juris); aA Schmidt EWS 1993, 388, 394 ff, 397. Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 32 Brüssel I-VO Rn 9. So zur Brüssel I-VO Kropholler Art 32 Brüssel I-VO Rn 3. Geimer NJW 1977, 492. Thomas/Putzo/Hüßtege § 750 ZPO Rn 1. Thomas/Putzo/Hüßtege Vorb § 704 ZPO Rn 58. BGH NJW 2005, 1577; BGHZ 124, 164; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann Grundz § 704 ZPO Rn 57.

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Art 16 EG-UntVO 12, 13

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

sache iSd Art 1 Abs 1 sein. Jedoch ist nicht erforderlich, dass die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung oder Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat betrieben wird. Diese beiden Bestimmungen dienen der Harmonisierung prozessrechtlicher Vorschriften im Erkenntnisverfahren natürlich letztlich mit dem Ziel, die Titelfreizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern. Sie erstrecken sich jedoch auf alle Unterhaltssachen. II.

Spezielle Anwendungsvoraussetzungen

1.

Abschnitt 1 (Abs 2)

12 Zusätzlich zu den allgemeinen Anwendungsvoraussetzungen fordert Abs 2, dass der Staat, dessen Gericht/Behörde die Entscheidung erlassen hat, durch das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (HUntStProt 2007) gebunden ist. Die Vorschrift hat deshalb auf zweierlei Weise Bedeutung. a) Da ein Junktim zwischen der Anwendung des Kollisionsrechts des HUntStProt 2007 und der Geltung des Abschnitts 1 hergestellt ist, kann dieser nur Entscheidungen erfassen, deren Verfahren ab dem 18.6.2011 eingeleitet werden.23 b) Sie führt dazu, dass Entscheidungen der Behörden und Gerichte eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat ab dem 18.6.2011 nach Abschnitt 1 anzuerkennen und zu vollstrecken sind, unter der Voraussetzung, dass die Bestimmungen des HUntStProt 2007 bis zu diesem Zeitpunkt für die Mitgliedstaaten der Verordnung in Kraft gesetzt sind. Besonderheiten gelten für Dänemark und das Vereinigte Königreich, weil diese an das HUntStProt 2007 nicht gebunden sein werden. Deshalb ist Abschnitt 1 auf Entscheidungen von Gerichten und Behörden Dänemarks und des Vereinigten Königreiches auch ab dem 18.6.2011 nicht anzuwenden, sondern Abschnitt 2. Dagegen sind Entscheidungen der anderen Mitgliedstaaten, weil sie durch das HUntStProt 2007 gebunden sein werden, in allen anderen Mitgliedstaaten, dh auch in Dänemark und im Vereinigten Königreich, nach Abschnitt 1 anzuerkennen und zu vollstrecken. Fraglich ist, ob die Bindung an das HUntStProt 2007 als einseitiges Kriterium wirklich gewollt ist. Das Prinzip der Gleichbehandlung der Entscheidungen im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander wäre damit verletzt. Sinnvoll wäre es jedenfalls, die Anwendung von Abschnitt 1 – wenn diese Voraussetzung schon aufgestellt wird – daran festzumachen, dass Entscheidungs- und Anerkenungs- und Vollstreckungsstaat beide an das HUntStProt 2007 gebunden sind. 2.

Abschnitt 2 (Abs 3)

13 Er findet Anwendung, wenn keine Bindung an das HUntStProt 2007 für den Entscheidungsstaat besteht. Abschnitt 2 ist also anzuwenden, wenn zwar der sachliche 23

590

Vgl Art 75 Abs 1, der sich auch auf Art 15 erstreckt.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 16 EG-UntVO, 14 Art 17 EG-UntVO

Anwendungsbereich der EG-UntVO eröffnet ist, jedoch die spezielle Voraussetzung des Abs 2 nicht zutrifft. Zu beachten ist, dass mit Abschnitt 2 und 3 die entsprechenden Bestimmungen der Brüssel I-VO abgelöst werden, soweit der sachliche Anwendungsbereich der EG-UntVO eröffnet ist. Dies ergibt sich im Einzelnen aus Art 75 Abs 2. 24 Daraus ergibt sich, dass Abschnitt 2 anzuwenden ist, a) für Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden aus Dänemark und dem Vereinigten Königreich, soweit deren Anerkennung bzw Vollstreckbarerklärung in einem anderen Mitgliedstaat ab dem 18.6.2011 begehrt wird, denn sie beruhen mangels Anwendbarkeit des HUntStProt 2007 auf dem von der lex fori Dänemarks oder des Vereinigten Königreichs berufenen Recht. b) für Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden, die Gegenstand der Überleitungsvorschrift des Art 75 Abs 2 sind, denn hierfür wird gemäß Art 22 HUntStProt 2007 und dem Beschluss des Rates der EG zum HUntStProt 2007 noch nicht vereinheitlichtem Kollisionsrecht angewendet. 25 3.

Abschnitt 3 (Abs 4)

Abs 4 stellt klar, dass der Abschnitt 3 des Kapitels IV für alle Entscheidungen zur An- 14 wendung kommt, die der EG-UntVO unterliegen.

Abschnitt 1 In einem Mitgliedstaat, der durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, ergangene Entscheidungen Artikel 17

Abschaffung des Exequaturverfahrens (1) Eine in einem Mitgliedstaat, der durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, ergangene Entscheidung wird in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. (2) Eine in einem Mitgliedstaat, der durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, ergangene Entscheidung, die in diesem Staat vollstreckbar ist, ist in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf.

24 25

Vgl die Erläuterungen dazu. Vgl hierzu Art 15 Rn 19 ff.

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Art 17 EG-UntVO 1, 2

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

I. Anerkennung 1. Ipso iure und bedingungslos . . . . . . . . . . 2. Kein Anerkennungsfeststellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Widersprechende Entscheidungen . . .

I.

Anerkennung

1.

Ipso iure und bedingungslos

II. Vollstreckbarkeit ohne

1 2 3 4

Zwischenverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

III. Rechtsschutz des

Vollstreckungsschuldners . . . . . . . . . . . . . .

10

1 Die Anerkennung erfolgt, wie bereits bei der Brüssel I-VO, ipso iure, dh ohne ein Verfahren, in dem die Anerkennung festgestellt werden müsste. Es gibt keine Anerkennungsversagungsgründe. Daraus folgt, dass die Unterhaltsentscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist, unmittelbare Wirkung in einem anderen Mitgliedstaat zeitigt. Die Anerkennung kann nicht mehr geprüft, sondern nur noch festgestellt werden. Sie ist demnach auch unumstößlich. Um die Anerkennung einer Entscheidung außerhalb der Erlassstaaten zu beseitigen, muss die Entscheidung im Erlassstaat angegriffen werden. Es gibt keine Gründe, die die Anerkennung hindern könnten. Vollstreckungshindernisse im Vollstreckungsstaat, die im Art 21 geregelt sind, sind keine Anerkennungshindernisse. 2.

Kein Anerkennungsfeststellungsverfahren

2 Anders als nach der Brüssel I-VO (vgl Art 33 Abs 2 Brüssel I-VO) und dem Abschnitt 2 (vgl Art 23 Abs 2) kann die Anerkennung nicht mehr in einem gesonderten Verfahren festgestellt werden. Hierfür fehlt dem Antragsteller das Rechtschutzbedürfnis, weil es keine Versagungsgründe gibt, die einer Anerkennung entgegenstehen könnten. Stellt sich in einem Erkenntnisverfahren die Vorfrage, ob eine Unterhaltsentscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat anzuerkennen ist, zB in einem Abänderungsverfahren, so hat das Gericht zu prüfen, ob die Verordnung und speziell ihr Kapitel IV Abschnitt 1 hierauf anwendbar ist.1 Trifft dies zu, ergibt sich die Anerkennung selbst aus Art 17 Abs 1. Ist die Unterhaltsentscheidung als Annexentscheidung in einem Statusverfahren ergangen, so erstreckt sich die Anerkennung nach Art 17 Abs 1 allein auf den unterhaltsrechtlichen Teil. Dies wird durch Art 22 bestätigt. 2 Andererseits wird die Anerkennung der Unterhaltsentscheidung nicht dadurch berührt, dass die Statusentscheidung selbst nicht anerkannt wird. Problematisch ist die Situation jedoch dann, wenn 1

2

592

Für das entsprechende Problem in der Brüssel I-VO: OLG Hamm FamRZ 1993, 189; Hohloch FPR 2004, 315, 324. Vgl dazu Art 22 Rn 1 ff.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 17 EG-UntVO 3-5

es im Anerkennungsstaat eine unvereinbare Statusentscheidung gibt oder die Nichtanerkennung der Statusentscheidung formell festgestellt ist. Die EG-UntVO bietet hierfür nur eine Lösung bezogen auf die Vollstreckung (Art 21 Abs 2 UAbs 2), nicht jedoch für die Anerkennung. 3.

Wirkungen

Mit der Anerkennung werden die Wirkungen, die die Entscheidung im Ursprungs- 3 mitgliedstaat hat, grundsätzlich auf das Inland erstreckt (Grundsatz der Wirkungserstreckung).3 Die automatische Anerkennung steht einem erneuten Leistungsurteil im Zweitstaat in derselben Sache zwischen denselben Parteien entgegen. Hierfür fehlt bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weil ein im Inland vollstreckbarer Titel vorliegt. Das gilt selbst dann, wenn Vollstreckungsverweigerungsgründe nach der Verordnung oder dem nationalen Recht bestehen, die im Rahmen der Verordnung Geltung haben. Vom Grundsatz des Verbots einer Zweitentscheidung im Anerkennungsstaat wird nicht die Zulässigkeit einer Abänderungsentscheidung berührt. Dies ist nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich jedoch aus dem Gesamtzusammenhang (zB Art 8, Art 21 UAbs 3, Art 56 Abs 1 lit f). 4.

Widersprechende Entscheidungen

In Ausnahmefällen kann es zu divergierenden Entscheidungen in zwei Mitgliedstaaten 4 kommen. Dies ist denkbar, wenn die doppelte Rechtshängigkeit oder die entgegenstehende Rechtskraft der früheren Entscheidung – aus welchen Gründen auch immer – nicht erkannt wurde. Dieses Problem ist nicht geregelt. Für Art 5 EG-VollstrTitelVO wird vertreten, dass 5 diese Frage von jener Verordnung nicht erfasst wird und daher auf die Brüssel I-VO zurückzugreifen sei. 4 Diese Auffassung kann aber nicht uneingeschränkt auf die EGUntVO übertragen werden. Die Brüssel I-VO wird nach Art 68 Abs 1 verdrängt, und Art 24 lit c im Abschnitt 2, der eine ähnliche Regelung wie Art 34 Nr 3 Brüssel I-VO enthält, ist nicht anzuwenden, wenn der Ursprungsmitgliedstaat an das HUntStProt 2007 gebunden ist. Denkbar wäre allenfalls eine Analogie mit der Folge, dass analog Art 24 lit c die frühere Entscheidung der Anerkennung der späteren entgegensteht. Möglich ist jedoch auch, eine Analogie zu Art 21 Abs 2 UAbs 2 mit der Folge, dass in den Fällen, in denen es um die Anerkennung als Vorfrage in einem anderen Verfahren geht, das Gericht einen Ermessensspielraum hat, welche Entscheidung es zu Grunde legt.

3

4

Ua BGH NJW 1986, 1440; MünchKommZPO /Gottwald § 328 ZPO Rn 4; Staudinger /Spellenberg (2005) § 328 ZPO Rn 130. Mit unterschiedlichem Ansatz: Coester-Waltjen FS Beys (2003) 183, 197; Rauscher/Pabst Art 5 EGVollstrTitelVO Rn 4 ff, 9.

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Art 17 EG-UntVO 6- 8

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

6 Eine Analogie zur Lösung eines vergleichbaren Problems im autonomen Recht ist nicht vorzuziehen. Im autonomen deutschen Recht wird ein vergleichbares Problem über § 580 Nr 7a ZPO gelöst.5 Danach stellt das Auffinden eines früheren Urteils einen Wiederaufnahmegrund für die Restitutionsklage dar. Dabei geht es jedoch um das Auffinden eines bisher unbekannten Urteils. Sonstige rechtskräftig ergangene, divergierende Urteile wären hinzunehmen. Dies wird dem vorliegenden Problem aber nicht gerecht. 7 Ein ähnliches Problem kann sich in einer Aufrechnungslage stellen, bei der eine der Forderungen eine Unterhaltsforderung ist, hinsichtlich der es divergierende Entscheidungen gibt. Dieses kann auftreten, wenn der Unterhaltsgläubiger in einem Mitgliedstaat mit seiner Klage unterliegt und in oben beschriebener Weise eine widersprechende Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat erwirkt, welche die Gegenpartei zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet. Diese zweite Entscheidung kann er im ersten Staat zwar nicht vollstrecken, weil der Schuldner gemäß Art 21 Abs 2 UAbs 2 mit der früheren entgegenstehenden Entscheidung die Verweigerung der Vollstreckung erwirken kann. Wegen der automatischen Anerkennung auch im ersten Staat stellt sich aber die Frage, wie eine Aufrechung des Unterhaltsgläubigers mit seiner titulierten Forderung zu behandeln ist, wenn er diese zB im Prozess gegen eine Forderung, die dem Schuldner ihm gegenüber zusteht, als Verteidigungsmittel erklärt. Das Gericht, das im Prozess über die Berechtigung der Aktivforderung entscheidet, prüft, welche der beiden rechtskräftigen Entscheidungen es hinsichtlich der Passivforderung zugrunde zu legen hat. Als Lösung kommt wiederum eine Analogie zu Art 21 Abs 2 UAbs 2 in Betracht. Das Gericht kann deshalb bei der materiell-rechtlichen Prüfung, ob die Forderung, mit der aufgerechnet wird, besteht, die frühere Entscheidung beachten oder ein dem Art 21 Abs 2 UAbs 2 entsprechendes Ermessen ausüben. Das würde einen Gleichlauf zur Vollstreckungsversagung herstellen. Eventuell lässt sich dies verallgemeinern. Wenn die Voraussetzungen des Art 21 Abs 2 UAbs 2 vorliegen, entfallen die Wirkungen der Anerkennung der ausländischen Entscheidung über die Vollstreckbarkeit hinaus, um innere Widersprüche zu verhindern. II.

Vollstreckbarkeit ohne Zwischenverfahren

8 Das wesentliche Merkmal des Abschnittes 1 besteht darin, dass es anders als nach der Brüssel I-VO (bzw nach dem Abschnitt 2) kein Vollstreckbarerklärungsverfahren gibt. Ebenso ist keine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel wie in der EGVollstrTitelVO erforderlich. Ein vollstreckbarer Unterhaltstitel, der in einem Mitgliedstaat ergangen ist, ist unmittelbarer Vollstreckungstitel in jedem Mitgliedstaat und dient damit unmittelbar als Grundlage der Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat. Auch die Kostenentscheidung ist der unmittelbaren Vollstreckung zugäng5

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Stein/Jonas/Leipold § 322 ZPO Rn 215.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 17 EG-UntVO 9, 10

lich. Dies ergibt sich aus Art 43, der die Gleichrangigkeit von Unterhalts- und Kostenentscheidung regelt. Da die Anerkennung ipso iure erfolgt, ohne dass Versagungsgründe bestehen, können die bisherigen Versagungsgründe für die Anerkennung, wie sie noch in der Brüssel I-VO enthalten sind, nicht in gleichem Umfang in die Vollstreckungsphase verlagert werden.6 Dies würde dem Grundsatz widersprechen, dass eine anerkannte Entscheidung prinzipiell auch vollstreckbar ist. Andernfalls würde ihr die für Leistungsentscheidungen wesentliche Wirkung – nämlich die Vollstreckbarkeit – genommen werden. Andererseits sind die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten im Zivilprozess, speziell im Unterhaltsverfahren, nicht angeglichen. Auch die Verordnung sieht keine Mindestvorschriften für das Verfahren vor. Insoweit konnte – auch zum Schutz des Titelgläubigers – auf Rechtsbehelfe nicht verzichtet werden, die der direkten Vollstreckbarkeit entgegengesetzt werden können. Die Abschaffung des Exequaturverfahrens und die damit verbundene Verlagerung des 9 Rechtsschutzes auf das ausländische Ursprungsgericht selbst verletzt nicht die Rechtsweggarantie des Art 19 Abs 4 GG. Dies folgt aus der Kompetenzübertragung auf die EG nach Art 23 GG iVm Art 61 lit c und Art 65 EGV, die einen gleichwertigen Rechtsschutz gewährleistet.7 III. Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners

Die EG-UntVO geht davon aus, dass der Titelschuldner vorrangig die Rechtsbehelfe 10 im Ursprungsmitgliedstaat in Anspruch nehmen muss, die zur Aufhebung der Entscheidung führen oder ihr ihre Vollstreckbarkeit nehmen. Sie regelt ausdrücklich folgende Rechtsbehelfe: (1) Rechtsbehelf des Schuldners wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs und der Nichtausübung der Verteidigungsrechte aus ansonsten nicht zu vertretenen Umständen (Art 19), der ein autonomer Rechtsbehelf gemeinschaftsrechtlichen Charakters ist. Er muss im Ursprungsstaat geltend gemacht werden. (2) Gemeinschaftsrechtliche Rechtsbehelfe, die einheitlich anzuwenden und im Vollstreckungsstaat zu erheben sind. Sie betreffen: – die Verjährung (Art 21 Abs 2 UAbs 1), – eine entgegenstehende Entscheidung (Art 21 Abs 2 UAbs 2), – die Aussetzung der Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat (Art 21 Abs 3). 6 7

Vgl oben Rn 1. Vgl dazu Hess IPRax 2001, 389, 394; Wagner IPRax 2002, 75, 86; Stein IPRax 2004, 181, 186; aA Kohler in: Baur/Mansel (Hrsg), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht (2002) 147, 160; Stadler IPRax 2004, 2, 8 f.

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Art 17 EG-UntVO, 11 Art 18 EG-UntVO, 1, 2

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

(3) Rechtsbehelfe gemäß dem einzelstaatlichen Vollstreckungsrecht des Vollstreckungsstaates, soweit sie der Verordnung nicht widersprechen (Art 21 Abs 1 ). Auch diese sind natürlich im Vollstreckungsstaat einzubringen. 11 Kein Vollstreckungshinderungsgrund ist, dass das entscheidende Gericht die Zuständigkeitsbestimmungen der Verordnung nicht oder nicht richtig angewendet hat. Das Gleiche gilt für die kollisionsrechtlichen Bestimmungen des HUntStProt 2007. Der ordre public Einwand kann nicht erhoben werden. Alle diese Aspekte (Zuständigkeit, anwendbares Recht und die ordre public Widrigkeit der Entscheidung) dürfen nicht geprüft werden, weil diese keine Vollstreckungsversagungsgründe darstellen.

Artikel 18

Sicherungsmaßnahmen Eine vollstreckbare Entscheidung umfasst von Rechts wegen die Befugnis, alle auf eine Sicherung gerichteten Maßnahmen zu veranlassen, die im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorgesehen sind. I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

IV. Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

II. Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . .

4

V. Rechtsbehelfe des Schuldners . . . . . . . . .

9

III. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

I.

Regelungszweck

1 Die Sicherungsmaßnahmen sollen ein Beiseiteschaffen des Vermögens und den vorrangigen Zugriff anderer Gläubiger auf das Vermögen verhindern, sie dürfen aber nicht zu einer Befriedigung des Gläubigers führen.1 Es erfolgt keine Überweisung gepfändeter Forderungen und keine Versteigerung gepfändeter Sachen. 2 Die Vorschrift hat ihren Ursprung in Art 47 Brüssel I-VO und ist der unmittelbaren Vollstreckungsmöglichkeit von Entscheidungen aufgrund des Fehlens eines Zwischenverfahrens angepasst. Im Entwurf der Verordnung war sie noch nicht enthalten, denn dieser sah mit Art 34 (Anordnung monatlicher Pfändungen) und Art 35 (Anordnung einer vorübergehenden Kontensperrung) autonome Bestimmungen für Sicherungspfändungen unter der Voraussetzung vor, dass die Entscheidung im Ursprungsstaat vollstreckbar ist. Es war vorgesehen, dass das Ursprungsgericht auf Antrag des Unterhaltsberechtigten solche Sicherungsmaßnahmen anordnen konnte, die unmittelbar Pfändungswirkungen in dem anderen Mitgliedstaat hatten. Dieses Konzept hat sich 1

596

Rauscher/Mankowski Art 47 Brüssel I-VO Rn 12 ff.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 18 EG-UntVO 3, 4

letztlich nicht durchgesetzt, weil eine Kompatibilität mit dem Vollstreckungsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten nicht gewährleistet ist. Eine solche Lösung setzt eine Angleichung des Vollstreckungsrechts der Mitgliedstaaten in Teilbereichen voraus, was die EG-UntVO nicht leisten kann. Die endgültige Fassung ermöglicht gleichfalls derartige Sicherungsmaßnahmen, greift jedoch hierfür nicht in das nationale Vollstreckungsrecht ein. Vielmehr bestimmt sie, dass der Titelgläubiger das Recht hat, die nach dem Recht des Vollstreckungsstaates vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen zu veranlassen. Zuständig hierfür sind jedoch nicht die Gerichte/Behörden des Ursprungs-, sondern die des Vollstreckungsstaates. Fraglich ist, welchen Sinn Art 18 für Entscheidungen in Unterhaltssachen macht, die 3 aufgrund der Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat die Eigenschaft der unmittelbaren Vollstreckbarkeit in den anderen Mitgliedstaaten erlangen. Sicherungsmaßnahmen für die Zeit eines Zwischenverfahrens, einschließlich einer Rechtsbehelfsfrist nach der Vollstreckbarerklärung bedarf es nicht. Die Sicherungsmaßnahmen stehen dem Titelgläubiger rechtspraktisch in folgender Hinsicht zur Verfügung: – Er kann anstelle der endgültigen Vollstreckung zunächst nur sichernde Maßnahmen beantragen. Der Vorteil gegenüber der endgültigen Zwangsmaßnahme besteht darin, dass es für die Sicherungsmaßnahme zur Wahrung des Überraschungseffekts keiner Zustellung des Vollstreckungstitels an den Vollstreckungsschuldner bedarf. 2 – Soweit in Deutschland für die Vollstreckung eine Vollstreckungsklausel erforderlich ist, kann der Gläubiger vor ihrer Erteilung Sicherungsmaßnahmen nach Art 18 beantragen, bis diese erteilt ist. – Hat der Schuldner nach Art 21 Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckung eingelegt und wird diese daraufhin ausgesetzt, so kann er Sicherungsmaßnahmen nach Art 18 für die Zeit bewirken, bis die Vollstreckung fortgesetzt oder endgültig eingestellt wird. Der Gläubiger kann auch bei Beantragung der Zwangsvollstreckung bereits vorbeugend Sicherungsmaßnahmen nach Art 18 beantragen für den Fall, dass die Vollstreckung aus den Gründen des Art 21 gehindert ist. II.

Sicherungsmaßnahmen

Bei den Sicherungsmaßnahmen nach Art 18 handelt es sich in Abgrenzung zu Art 14 4 um Maßnahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens. Welche Maßnahmen getroffen werden können, bestimmt das nationale Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates. 3 Dazu gehören im deutschen Recht etwa die Vorpfändung (§ 845 ZPO), die Arrestpfändung (§§ 829, 857, 930 ZPO), die Pfändung von beweglichen Sachen (§§ 803, 808, 931 ZPO) und die Arresthypothek (§ 932 ZPO).

2 3

Vgl dazu unten Rn 7. Jenard-Bericht zu Art 39 EuGVÜ; Schlosser-Bericht zum EuGVÜ Rn 221; MünchKommZPO /Gottwald Art 47 Brüssel I-VO Rn 8; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 47 Brüssel I-VO Rn 9; Kropholler Art 47 Brüssel I-VO Rn 12; Rauscher/Mankowski Art 47 Brüssel I-VO Rn 12a.

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Art 18 EG-UntVO 5-7

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

III. Voraussetzungen

5 Das Wahlrecht unter mehreren zur Verfügung stehenden Sicherungsrechten liegt beim Gläubiger, auch wenn dies im nationalen Recht dem Ermessen der zuständigen Behörde überlassen ist. 4 Die Maßnahme darf nicht über eine Sicherung hinaus gehen und nicht bereits zur Vollstreckung selbst führen. Die Unterhaltsentscheidung aus dem anderen Mitgliedstaat muss im Ursprungsmitgliedstaat (gegebenenfalls vorläufig) vollstreckbar sein. 6 Fraglich ist, ob in formeller Hinsicht die Anforderungen des Art 20 hinsichtlich der vorzulegenden Schriftstücke einzuhalten sind.5 Dafür spricht, dass nur auf ihrer Grundlage das zuständige Organ im Vollstreckungsstaat ermessen kann, ob eine vollstreckbare Entscheidung vorliegt, die die Voraussetzungen des Art 17 Abs 2 erfüllt. 7 Ungeachtet der nationalen Bestimmungen ist anders als bei einer endgültigen Vollstreckung keine vorherige Zustellung der zu vollstreckenden Entscheidung an den Schuldner erforderlich. Der Grund hierfür liegt darin, dass der mögliche Überraschungseffekt bei Sicherungsmaßnahmen nach europäischem Vollstreckungsrecht gewollt ist.6 Die Befugnis zur Sicherungsvollstreckung folgt unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht, welches deshalb die Voraussetzungen abschließend vorgibt.7 Gegen das Erfordernis der Zustellung der Entscheidung vor der Sicherungsvollstreckung sprechen zudem die Artt 36 Abs 2 und 31 Abs 2, die den Artt 47 Abs 2 und 42 Abs 2 Brüssel I-VO entsprechen. Danach ist spätestens mit Zustellung der Vollstreckbarerklärung, soweit noch nicht bereits geschehen, auch die Entscheidung dem Schuldner zuzustellen. 8 Sicherungsmaßnahmen nach Art 36 Abs 2 (Art 47 Abs 2 Brüssel I-VO) können aber bereits vor diesem Zeitpunkt getroffen werden. Die Übernahme dieser Regelung in Art 18 spricht dafür, dass der europäische Gesetzgeber daran auch für Unterhaltstitel, die der Vollstreckung nach Abschnitt 1 unterliegen, nichts ändern wollte. Begrüßenswert wäre eine Klarstellung gewesen. Die Realisierung der beantragten und im nationalen Recht vorgesehenen Sicherungsmaßnahme kann an keine weiteren Voraussetzungen gebunden werden (wie zB

4

5

6

7

8

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Anders nach Art 47 Brüssel I-VO, danach ist hierfür das Recht des Vollstreckungsstaates maßgebend; hierzu Schlosser-Bericht zum EuGVÜ Rn 221. Weil sich Artt 53 ff Brüssel I-VO nur auf die Vollstreckbarerklärung beziehen, ist diese Frage bei Art 47 Brüssel I-VO umstritten. So bereits zur Brüssel I-VO Kropholler Art 47 Brüssel I-VO Rn 13; MünchKommZPO /Gottwald Art 47 Brüssel I-VO Rn 7; LG Stuttgart RIW 1988, 563, 564 = NJW-RR 1988, 1344; LG Bonn RIW 2003, 388, 389. Für die Brüssel I-VO Kropholler Art 47 Brüssel I-VO Rn 9; Gebauer/Wiedmann/Gebauer Art 47 Brüssel I-VO Rn 231; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 47 Brüssel I-VO Rn 3 (der allerdings in Rn 5 dennoch die Zustellung der Entscheidung fordert). AA Thomas/Putzo/Hüßtege Art 47 Brüssel I-VO Rn 5, allerdings mit Verweis auf die Rechtsprechung zum EuGVÜ, welches keine mit Art 42 Abs 2 Brüssel I-VO vergleichbare Regelung enthält.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 18 EG-UntVO 8-11

Dringlichkeit oder Gefahr im Verzug), auch wenn das nationale Recht dies vorsieht.9 IV.

Dauer

Sicherungsmaßnahmen bleiben bestehen, bis sie aufgrund eines Rechtsbehelfs des 8 Vollstreckungsschuldners oder auf Veranlassung des Vollstreckungsgläubigers aufgehoben, sie infolge des weiteren Betreibens des Gläubigers in die endgültige Vollstreckungsphase übergeleitet werden oder die Vollstreckung endgültig eingestellt wird. Darüber hinaus kann sich ihr Ende aus nationalen Vorschriften ergeben, die aus der Spezifik der Sicherungsmaßnahme resultiert. Als Beispiel sei hier die Vorpfändung nach deutschem Recht genannt (§ 845 ZPO). V.

Rechtsbehelfe des Schuldners

Die Zulässigkeit der Sicherungsmaßnahme ist an die Existenz einer vollstreckbaren 9 Entscheidung gebunden. Die Sicherungsmaßnahme ist deshalb aufgrund des hierfür im nationalen Recht vorgesehenen Rechtsbehelfs aufzuheben, wenn die Entscheidung selbst aufgehoben wird oder ihr im Ursprungsstaat die Vollstreckbarkeit genommen wird. Hat der Titelschuldner mit Rechtsbehelfen nach Art 21 Abs 1 oder 2 im Vollstreckungsstaat Erfolg, zB im deutschen Recht bei einer Erinnerung gemäß § 766 ZPO in Bezug auf Pfändungsfreigrenzen, aufgrund einer Vollstreckungsabwehrklage oder wegen des Einwandes der Vollstreckungsverjährung, so sind die Sicherungsmaßnahmen aufzuheben oder ausgeschlossen. Ist nur ein Teil der titulierten Forderung betroffen, so ist die Sicherungsmaßnahme teilweise aufzuheben. Die Vollstreckungsversagungsgründe nach Art 21 Abs 1 und 2 können im Vollstreckungsstaat auch gegen die Sicherungsmaßnahme in dem dort vorgesehenen Verfahren selbst eingewandt werden. Liegen die Voraussetzungen des Art 21 Abs 3 UAbs 1 vor – dh ein Antrag gemäß 11 Art 19 wurde gestellt – erscheint die Aufrechterhaltung der Sicherungsmaßnahmen bzw eine Beschränkung einer Vollstreckung auf Sicherungsmaßnahmen angebracht. Die zuständige Behörde hat bei ihrer Ermessensentscheidung die Interessen beider beteiligter Parteien zu berücksichtigen. Solange die Entscheidung des zuständigen Gerichts des Ursprungsmitgliedstaates gemäß Art 19 aussteht, hat der Gläubiger ein berechtigtes Interesse an den die endgültige Vollstreckung sichernden Maßnahmen.

9

Jenard-Bericht zu Art 39 Abs 2 EuGVÜ; Kropholler Art 47 Brüssel I-VO Rn 9; MünchKommZPO / Gottwald Art 47 Brüssel I-VO Rn 6; Rauscher/Mankowski Art 47 Brüssel I-VO Rn 12 ff; EuGH Rs C-119/84 CapPeloni/Pelkmans EuGHE 1985, 3147.

Marianne Andrae /Martin Schimrick

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Art 19 EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Artikel 19

Recht auf Nachprüfung (1) Ein Antragsgegner, der sich im Ursprungsmitgliedstaat nicht auf das Verfahren eingelassen hat, hat das Recht, eine Nachprüfung der Entscheidung durch das zuständige Gericht dieses Mitgliedstaats zu beantragen, wenn a) ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, oder b) er aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage gewesen ist, Einspruch gegen die Unterhaltsforderung zu erheben, es sei denn, er hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. (2) Die Frist für den Antrag auf Nachprüfung der Entscheidung beginnt mit dem Tag, an dem der Antragsgegner vom Inhalt der Entscheidung tatsächlich Kenntnis genommen hat und in der Lage war, entsprechend tätig zu werden, spätestens aber mit dem Tag der ersten Vollstreckungsmaßnahme, die zur Folge hatte, dass die Vermögensgegenstände des Antragsgegners ganz oder teilweise dessen Verfügung entzogen wurden. Der Antragsgegner wird unverzüglich tätig, in jedem Fall aber innerhalb einer Frist von 45 Tagen. Eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ist ausgeschlossen. (3) Weist das Gericht den Antrag auf Nachprüfung nach Absatz 1 mit der Begründung zurück, dass keine der Voraussetzungen für eine Nachprüfung nach jenem Absatz erfüllt ist, bleibt die Entscheidung in Kraft. Entscheidet das Gericht, dass eine Nachprüfung aus einem der in Absatz 1 genannten Gründe gerechtfertigt ist, so wird die Entscheidung für nichtig erklärt. Die berechtigte Person verliert jedoch nicht die Vorteile, die sich aus der Unterbrechung der Verjährungs- oder Ausschlussfristen ergeben, noch das Recht, im ursprünglichen Verfahren möglicherweise zuerkannte Unterhaltsansprüche rückwirkend geltend zu machen. I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 6 7 8

1. Autonomer Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . 2. Kein grenzüberschreitender Bezug . . . 3. Nationale Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . III. Voraussetzungen

1. Formelle Voraussetzungen a) Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sonstige Verfahrensvorschriften . .

600

9 11 12 14

2. Nichteinlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsbehelfsmöglichkeit wahrgenommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nachprüfungsgründe a) Verletzung rechtlichen Gehörs (lit a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände (lit b) . . . . 5. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

I.

Art 19 EG-UntVO 1- 4

Regelungszweck

Art 19 stellt dem Unterhaltsverpflichteten einen Rechtsbehelf zur Verfügung, in dem 1 er geltend machen kann, dass ihm im Erkenntnisverfahren kein rechtliches Gehör gewährt wurde. Geschützt wird das Interesse des Schuldners an einem fairen Verfahren.1 Darüber hinaus verfolgt die Vorschrift auch eine Harmonisierungsfunktion, da das 2 Recht auf Nachprüfung auch bei reinen Inlandsfällen gegeben ist. II.

Einordnung

Die EG-UntVO sieht wie die anderen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen eine dop- 3 pelte Prüfung des rechtlichen Gehörs vor. Zunächst erfolgt eine Prüfung im Rahmen des Erkenntnisverfahrens durch das Ursprungsgericht, wenn der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat hat (Art 11 EG-UntVO). Anschließend kann auf Antrag eine nochmalige Prüfung im Zusammenhang mit der Anerkennung und Vollstreckung begehrt werden. Die EG-Verordnungen, die grenzüberschreitende Vollstreckung zum Gegenstand ha- 4 ben, unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der nochmaligen Überprüfung der Gewährung des rechtlichen Gehörs im verfahrenseinleitenden Stadium. Als besondere Ausformung des ordre public Vorbehaltes sieht die Brüssel I-VO in einem Zwischenverfahren die nochmalige Überprüfung der Gewährung des rechtlichen Gehörs im Vollstreckungsmitgliedstaat vor, wenn der Schuldner einen Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung einlegt (Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO). Mit der Abschaffung des Zwischenverfahrens in der EG-VollstrTitelVO, der EG-BagatellVO und der EG-MahnVO wird diese nochmalige Überprüfung in den Ursprungsmitgliedstaat verlagert und damit zur Voraussetzung für die Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel bzw als Europäischer Zahlungsbefehl durch das Ursprungsgericht gemacht, Art 12 EG-VollstrTitelVO, Art 20 Abs 2 EG-BagatellVO, Art 12 Abs 5 EG-MahnVO.2 Dies wurde in den drei vorgenannten Verordnungen dadurch begleitet, dass verfahrensrechtliche Mindestanforderungen an die Zustellung und den Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks sowie an die Belehrung hinsichtlich seiner Verteidigungsrechte geschaffen wurden. Die EG-VollstrTitelVO erleichtert dem Richter die Überprüfung der Gewährung rechtlichen Gehörs dahingehend, dass sie unwiderleg1 2

Erwägungsgrund 29. Gemäß Art 12 EG-VollstrTitelVO hat das Gericht vor der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zu prüfen, ob die folgenden Verfahrensvorschriften eingehalten wurden. Bei der EGBagatellVO wird gem Art 20 Abs 2, vom Erstgericht auf dem Formular bestätigt, dass der Titel in Übereinstimmung mit den Verfahrensvorschriften der EG-BagatellVO ergangen ist. Darin wird ua über Art 13 Abs 2 EG-BagatellVO auch auf die Mindestanforderungen der EG-VollstrTitelVO an die Zustellung verwiesen. Bei der EG-MahnVO prüft das Erlassgericht vor der Ausstellung, ob der Zahlungsbefehl gemäß den Mindestvorschriften Artt 13 ff zugestellt wurde, vgl Art 12 Abs 5 EGMahnVO.

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Art 19 EG-UntVO 5-7

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

bare Vermutungen aufstellt. Immer dann, wenn die in den Artt 13-17 EG-VollstrTitelVO kodifizierten Mindestanforderungen erfüllt sind, dann ist davon auszugehen, dass dem Schuldner eine hinreichende Verteidigungsmöglichkeit zur Verfügung stand.3 5 Kapitel IV Abschnitt 1 sieht, anders als die vorgenannten Verordnungen keine Mindestanforderungen vor, die das rechtliche Gehör im verfahrenseinleitenden Stadium sichern, auch gibt es keine einheitlichen verfahrensrechtlichen Regelungen. Die diesbezüglichen Bestimmungen des EG-UntVO-E (Artt 22 ff) wurden in die Verordnung nicht übernommen. Hiervon wurde abgesehen, weil diesbezüglich keine Einigung im Rat zu erzielen war.4 Zum Entwurf hieß es noch, dass eine Harmonisierung in gewissem Umfang mit der Abschaffung des Exequaturverfahrens zwingend einher gehen muss.5 Ebenso betrachtete die Literatur eine Harmonisierung oder zumindest Mindeststandards für erforderlich.6 1.

Autonomer Rechtsbehelf

6 Klarer als in dem EG-UntVO-E sieht die Verordnung nunmer einen autonomen Rechtsbehelf vor, mit dem der Antragsgegner geltend machen kann, dass ihm im verfahrenseinleitenden Stadium kein hinreichendes rechtliches Gehör gewährt wurde und außerdem dass außerordentliche Umstände vorlagen, die ihn daran hinderten, Einspruch gegen die Unterhaltsforderung zu erheben. Positiv ist hervorzuheben, dass damit auch Fälle abgedeckt werden können, in denen sich der Verpflichtete aus objektiven nicht voraussehbaren Gründen nicht verteidigen konnte, obwohl die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ordnungsgemäß erfolgte. Damit sind zwar nicht alle Fälle des verfahrenseinleitenden ordre public abgedeckt. Die Generalklausel ermöglicht jedenfalls, auch andere Fälle des tatsächlich fehlenden rechtlichen Gehörs mit einzubeziehen. Problematisch ist dieser Rechtsbehelf wie bei der EGVollstrTitelVO dann, wenn der Rechtsbehelf vor demselben Gericht eingelegt werden muss, das auch im Hauptsacheverfahren entschieden hat. Dies hängt davon ab, wie in den nationalen Rechtsordnungen die Zuständigkeit ausgestaltet wird. 2.

Kein grenzüberschreitender Bezug

7 Der Rechtsbehelf steht nicht erst zur Verfügung, wenn der Gläubiger in einem anderen Mitgliedstaat als dem Entscheidungsstaat die Vollstreckung beantragt hat. Dies ergibt sich daraus, dass die Einlegung des Rechtsbehelfs befristet ist und die Frist ab Kenntnis von der Entscheidung läuft, ungeachtet etwaiger Vollstreckungsmaßnahmen. Daraus folgt, dass hier der europäische Gesetzgeber für familienrechtliche Unterhaltssachen einen einheitlichen Rechtsbehelf in den Mitgliedstaaten geschaffen hat.

3 4 5

6

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Wagner NJW 2005, 1157, 1159; Erwägungsgrund 12 EG-VollstrTitelVO. Beyer FF 2007, 20, 26. Europäische Kommission, 12.5.2006, KOM (2006) 206 S 6 f; vgl auch Europäische Kommission, 15.12. 2005, KOM (2005) 649 Erwägungsgrund 18. Linke FPR 2006, 237, 238 f; Beyer FF 2007, 20, 26; Sujecki ZEuP 2008, 458, 476.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 19 EG-UntVO 8-11

Weder muss die Unterhaltssache einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen noch die Vollstreckung im Ausland bevorstehen. 3.

Nationale Rechtsbehelfe

Daneben stehen dem Schuldner auch Rechtsbehelfe des nationalen Rechts des Ur- 8 sprungsmitgliedstaates weiterhin zur Verfügung, solange diese nicht mit Art 19 unvereinbar sind.7 Gegen ein Versäumnisurteil steht dem Verpflichteten zB im deutschen Recht ein Einspruch nach den §§ 338 ff ZPO zu. III. Voraussetzungen

1.

Formelle Voraussetzungen

a) Antrag Die Nachprüfung erfolgt auf Antrag des Schuldners im Ursprungsstaat. Im Vollstre- 9 ckungsstaat wird von der zuständigen Vollstreckungsbehörde nicht geprüft, ob dem Vollstreckungsschuldner im Verfahren vor dem Ursprungsgericht hinreichend rechtliches Gehör gewährt wurde. Hat jedoch der Schuldner im Ursprungsstaat den Rechtsbehelf nach Art 19 eingelegt, so kann er im Vollstreckungsstaat einen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung nach Art 21 Abs 3 UAbs 1 stellen. Für die Überprüfung durch ein Gericht des Ursprungsmitgliedstaates spricht, dass dieses dem Verfahren näher steht und besser vertraut ist mit den nationalen Verfahrensvorschriften. Außerdem entspricht dies dem Grundsatz der ipso iure Anerkennung der ausländischen Entscheidung, ohne dass Anerkennungsversagungsgründe bestehen. Die Verordnung spricht nur von „Antragsteller“ und „Antragsgegner“, obwohl es 10 sich bei den von der Verordnung erfassten Entscheidungen sowohl um Beschlüsse als auch um Urteile handeln kann.8 Daher werden davon auch Kläger und Beklagte erfasst. Der Grund hierfür liegt darin, dass diese Unterscheidung in einzelnen Sprachen nicht vorgenommen wird, zB englisch „defendant“ und französisch ,,défendeur“. Erst in einer Erläuterung im Anhang, Fußnote (*) in dem Formular im Anhang I, stellt der europäische Gesetzgeber die Bedeutung des Begriffs klar.9 b) Zuständigkeit Der Antrag auf Nachprüfung ist bei dem zuständigen Gericht des Ursprungsmitglied- 11 staates einzureichen. Um welches Gericht es sich dabei handelt, ist von den Mitgliedstaaten noch gemäß Art 71 Abs 1 lit c mitzuteilen.

7 8

9

Erwägungsgrund 29. Vgl Art 2 Abs 1 Nr 1, Art 16 Rn 4 sowie EuGH Rs C-39/02 Mærsk Olie & Gas /de Haan en de Boer EuGHE 2004 I 9657 Rn 46. „Sind die Parteien in der Entscheidung/dem gerichtlichen Vergleich nicht als Antragsteller oder Antragsgegner ausgewiesen, so sind sie unterschiedslos als Antragsteller oder Antragsgegner anzugeben.“

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Art 19 EG-UntVO 12-15

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

c) Frist 12 Die Frist innerhalb derer der Nachprüfungsantrag einzulegen ist, beträgt 45 Tage. Sie beginnt, wenn der Antragsgegner tatsächlich Kenntnis vom Inhalt der Entscheidung erlangt und er (zB nach Krankheit) in der Lage ist, den Antrag auf Nachprüfung zu stellen.10 Es kommt daher insoweit nicht auf den Zeitpunkt der Zustellung an. Die Frist beginnt jedoch spätestens an dem Tage, an welchem dem Schuldner Vermögensgegenstände zum Zwecke der Vollstreckung zum ersten Mal entzogen werden.11 Ihre Dauer ist einheitlich, es wird anders als nach Art 43 Abs 5 Brüssel I-VO nicht unterschieden, ob der Vollstreckungsschuldner im In- oder Ausland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 13 Der Beginn der Vollstreckung ist keine Voraussetzung für die Einlegung des Rechtsbehelfs gemäß Art 19. Dieser Schluss lässt sich aus der Fristbestimmung in Abs 2 ziehen. Will der Schuldner nicht auf die Überprüfung verzichten, so muss er die Verletzung rechtlichen Gehörs im Ursprungsmitgliedstaat rügen, auch wenn noch keine Anzeichen für eine Vollstreckung im Ausland bestehen, weil für den Fristbeginn allein auf die Kenntnis von der Entscheidung abgestellt wird. Infolgedessen kann dem Schuldner dieser Rechtsschutz nicht mit dem Argument verwehrt werden, es handele sich um einen reinen Inlandsfall. d) Sonstige Verfahrensvorschriften 14 Die zur Durchführung im jeweiligen Mitgliedstaat noch erforderlichen Angaben sind von den Mitgliedstaaten gemäß Art 71 Abs 1 lit c noch zu bestimmen. Dazu zählen die Einzelheiten des Nachprüfungsverfahrens, dessen Ausgestaltung den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, sowie das für das Verfahren zuständige Gericht. Ohne Sonderregelung wäre wegen § 113 Abs 1 FamFG in Deutschland das Aufhebungsverfahren nach § 321a ZPO durchzuführen. 2.

Nichteinlassung

15 Ob dem Schuldner hinreichend rechtliches Gehör gewährt wurde oder er aufgrund höherer Gewalt bzw außergewöhnlicher Umstände nicht in der Lage war, sich zu verteidigen, kann nur nachgeprüft werden, wenn sich dieser im Ursprungsmitgliedstaat nicht auf das Verfahren eingelassen hat.12 Der Begriff der Nichteinlassung ist autonom auszulegen. Hierfür kann die Auslegung zu Artt 34 Nr 2 Brüssel I-VO, 22 Nr 2 Brüssel IIa-VO herangezogen werden. Einlassung ist danach jedes Verhandeln aus dem sich ergibt, dass der Antragssteller „von dem gegen ihn eingeleitenden Verfahren Kenntnis erlangt hat und die Möglichkeit der Verteidigung gegen den Angriff des Klägers erhalten hat.“13 Sie ist jedoch nicht schon dann gegeben, wenn der Schuldner allein die 10

11 12 13

604

Zur Fristberechnung ist die Verordnung (EWG, Euratom) Nr 1182/71 heranzuziehen, vgl Erwägungsgrund 41. Vgl Erwägungsgrund 29. Vgl hierzu Art 11 Rn 5. EuGH Rs C-39/02 Mærsk Olie & Gas /de Haan en de Boer EuGHE 2004 I 9657 Rn 77; Kropholler Art 34 Brüssel I-VO Rn 27.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 19 EG-UntVO 16, 17

Zuständigkeit des Gerichts14 oder die fehlerhafte oder nicht rechtzeitige Zustellung rügt.15 3.

Rechtsbehelfsmöglichkeit wahrgenommen

Der Rechtsbehelf gemäß Art 19 ist ausgeschlossen, wenn der Antragsgegner nicht den 16 im nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaats vorgesehenen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt hat, Art 19 Abs 1 aE.16 Er wird danach ausgeschlossen, wenn a) das nationale Recht einen Rechtsbehelf vorsieht, mit dem Einspruch gegen die Entscheidung wegen der in Abs 1 genannten Gründen erhoben werden kann, er b) die tatsächliche Möglichkeit hatte diesen einzulegen und c) diese Möglichkeit nicht wahrgenommen hat. 4.

Nachprüfungsgründe

a) Verletzung rechtlichen Gehörs (lit a) Der Rechtsbehelfsgrund ist in Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO und in Art 22 Nr 2 Brüssel IIa- 17 VO als Anerkennungshindernis geregelt. Ihm ist für die Verordnung derselbe Inhalt beizumessen, Rechtsprechung und Literatur für die anderen Verordnungen können für lit a herangezogen werden. Die Regelungen stimmen darin überein, dass die nicht rechtzeitige Zustellung zur Versagung der Anerkennung führt. Der Tatbestand ist dann erfüllt, wenn dem Antragsgegner innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Frist nach Zustellung nicht genügend Zeit zur Vorbereitung einer sachgerechten Beteiligung am Verfahren blieb.17 Hierzu sind die Umstände des Einzelfalls – wie Erforderlichkeit einer Übersetzung und Zeit für die Kontaktaufnahme zu einem spezialisierten Anwalt – abzuwägen.18 Der Zeitraum beginnt grundsätzlich erst zu laufen, wenn der Adressat von dem zugestellten Schriftstück Kenntnis nehmen konnte. Nicht notwendig ist, dass der Antragsgegner rechtzeitig tatsächlich von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück Kenntnis genommen hat. Im Allgemeinen beginnt die Frist mit einer ordnungsgemäßen Zustellung, jedoch können außergewöhnliche Umstände vorliegen, dass die Zustellung, obgleich sie ordnungsgemäß erfolgt ist, nicht genügte, um dem Antragsgegner ausreichend Zeit zur Verteidigung zu geben.19 Auch hier bedarf es einer Einzelfallbewertung der Umstände, wie Art und Weise der Zustellung,

14 15 16 17

18

19

EuGH Rs 39/02 Mærsk Olie & Gas /de Haan en de Boer EuGHE 2004 I 9657 Rn 57. OLG Stuttgart IPRspr 1983 Nr 173; OLG Köln IPRax 1991, 114. Vgl die gleich lautende Regelung in Art 34 Nr 2 Brüssel I-VO im Gegensatz zu Art 27 Nr 2 EuGVÜ. Ua EuGH Rs C-39/02 Maersk/de Boer EuGHE 2004 I 09657 Rn 61; Kropholler Art 34 Brüssel I-VO Rn 35. Ua OLG Hamm IPRax 1988, 289, 271 Anm Geimer; OLG Hamm IPRax 2004, 258; Kropholler Art 34 Brüssel I-VO Rn 35 mwN. EuGH Rs C-166/80 Klomps/Michel EuGHE 1981 I 1593; hierzu Kropholler Art 34 Brüssel I-VO Rn 39.

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Art 19 EG-UntVO 18-20

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

der Beziehungen zwischen Gläubiger und dem Schuldner und die erforderlichen Maßnahmen zur Verteidigung. 20 18 Ein weiterer Versagungsgrund betrifft Mängel in der Art und Weise der Zustellung. Formale Zustellungsmängel, welche die Verteidigung nicht hindern, führen nicht zur Ablehnung der Anerkennung.21 Vielmehr sind Zustellungsmängel darauf zu prüfen, ob sie so schwerwiegend sind, dass durch sie die Verteidigungsmöglichkeit der Gegenseite eingeschränkt wurde. Dabei sind beide Kriterien – Nichtrechtzeitigkeit und Art und Weise der Zustellung – in ihrem Zusammenwirken auf die Verteidigungsmöglichkeit zu werten. So kann eine fehlerhafte Zustellung bezüglich der Sprache durch Einlassungsfristen kompensiert werden, die die Einholung einer Übersetzung ohne Weiteres ermöglichen. 22 Schwerwiegende Zustellungsmängel (zB Zustellung an einen ehemaligen Wohnsitz) sind regelmäßig ein starkes Indiz dafür, dass dem Schuldner bei der Verfahrenseinleitung im Ursprungsmitgliedstaat kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt wurde.23 b) Höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände (lit b) 19 In lit b ist eine Generalklausel enthalten, wonach eine Nachprüfung der ursprünglichen Entscheidung gerechtfertigt ist, wenn die fehlende Verteidigungsmöglichkeit auf höhere Gewalt oder außergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist. 24 Die Verordnung enthält keine präzisierenden Kriterien. Die Begriffe sind unter autonomen Gesichtspunkten zu bestimmen. Der Tatbestand ermöglicht es, Umstände zu berücksichtigen, die nach der Zustellung eingetreten sind und die der Antragsgegner nicht zu vertreten hat. Fälle höherer Gewalt sind solche, die völlig außerhalb des Einflussbereichs des Antragsgegners liegen, zB wenn er wegen eines Naturereignisses gehindert ist zum Termin zu erscheinen und eine Vertretung nicht mehr zu organisieren war. Außergewöhnliche Umstände können durchaus im Machtbereich des Antragsgegners liegen, wie zB schwere Krankheit. Der Hinderungsgrund darf nicht durch eigenes Verschulden herbeigeführt sein. Im Gegensatz zu lit a wird in lit b verlangt, dass den Antragsgegner kein Verschulden an den außergewöhnlichen Umständen trifft. 5.

Beweislast

20 Die Beweislast trägt für beide Nachprüfungsgründe der Schuldner. Dies folgt zum einen daraus, dass nach den allgemeinen Beweislastregeln jede Partei die für sie günstigen Tatsachen vorzutragen und zu beweisen hat. Darüber hinaus zeigt der Blick auf 20 21

22 23 24

606

EuGH Rs C-166/80 Klomps/Michel EuGHE 1981 I 1593. Hierzu Europäische Kommission, 14.7.1999, KOM (1999) 348, 25, hierzu auch Kropholler Art 34 Brüssel I-VO Rn 39, 40. Vgl AnwK-BGB /Andrae Anh I zum III Abschnitt EGBGB, Art 22 Brüssel IIa-VO 2003 Rn 11 mwN. BGH FamRZ 2008, 586. Vgl zum entsprechenden Art 19 Abs 1 lit b EG-VollstrTitelVO Kropholler Art 19 EG-VollstrTitelVO Rn 8; Rauscher/Pabst Art 19 EG-VollstrTitelVO Rn 11.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 19 EG-UntVO, 21-23 Art 20 EG-UntVO

den Entwurf, dass der europäische Gesetzgeber ganz bewusst die Beweislast in dieser Weise verteilt hat. Nach Art 24 Abs 1 lit a EG-UntVO-E25 war die Beweislast noch umgekehrt. Es genügte, dass nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob der Schuldner das verfahrenseinleitende Schriftstück erhalten hat. Die Umformulierung lässt den Rückschluss auf die Geltung der allgemeinen Regelung zu. Liegt keine öffentliche Zustellung vor und ist die Zustellung an den Antragsgegner erfolgt, hat er zur Klärung der Frage, wann sie erfolgt ist, die Zustellungsurkunde vorzulegen. 26 6.

Rechtsfolgen

Ist der Antrag unbegründet, so bleibt die Entscheidung in Kraft, Art 19 Abs 3 21 UAbs 1. Anderenfalls erklärt das Gericht die angegriffene Entscheidung für nichtig, Art 19 Abs 3 UAbs 2 S 1. Das ursprüngliche Verfahren wird jedoch nicht fortgesetzt, wie bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens, sondern es wäre eine erneute Klage des Unterhaltsberechtigten zu erheben. Deshalb sieht S 2, eine Unterbrechung von Verjährungs- und Ausschlussfristen für die Zeit des ursprünglichen Verfahrens bis zum Abschluss des Verfahrens nach Art 19 vor. Zudem stellt S 2 klar, dass die im ursprünglichen Verfahren begehrten Unterhaltsleistungen rückwirkend erneut geltend gemacht werden können. Mit dem Antrag nach Art 19 kann für die Zeit bis zu einer Entscheidung über diesen 22 Antrag die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung im Ursprungsstaat beantragt werden.27 Daneben kann zudem gemäß Art 21 Abs 3 die Aussetzung bzw Beschränkung einer Vollstreckung in anderen Mitgliedstaaten beantragt werden. Art 21 Abs 3 sieht eine Ermessensentscheidung vor. Hierbei hat die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaates die aus seiner Sicht bestehende Begründetheit/Nichtbegründetheit des Antrages zu berücksichtigen. Der Gläubiger seinerseits kann bei Aussetzung der Vollstreckung Sicherungsmaßnahmen nach Art 18 veranlassen, damit die Vollstreckungsgegenstände weiterhin zur Verfügung stehen. Die Entscheidung über den Antrag auf Nachprüfung kann nicht angefochten wer- 23 den.28

Artikel 20

Schriftstücke zum Zwecke der Vollstreckung (1) Für die Vollstreckung einer Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat legt der Antragsteller den zuständigen Vollstreckungsbehörden folgende Schriftstücke vor:

25

KOM (2005) 649.

26

So auch zur Brüssel I-VO Schlosser Artt 34-36 Brüssel I-VO Rn 21. In Deutschland anlog § 707 ZPO. So auch bei Art 19 EG-VollstrTitelVO und Art 20 EG-MahnVO anders als zB Art 44 Brüssel I-VO, Art 34 Brüssel IIa-VO.

27 28

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Art 20 EG-UntVO 1, 2

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

a) eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, b) einen Auszug aus der Entscheidung, den die zuständige Behörde des Ursprungsmitgliedstaats unter Verwendung des in Anhang I vorgesehenen Formblatts erstellt hat; c) gegebenenfalls ein Schriftstück, aus dem die Höhe der Zahlungsrückstände und das Datum der Berechnung hervorgehen; d) gegebenenfalls eine Transskript oder eine Übersetzung des Inhalts des in Buchstabe b genannten Formblatts in die Amtssprache des Vollstreckungsmitgliedstaats oder – falls es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt – nach Maßgabe des Rechts dieses Mitgliedstaats in die Verfahrenssprache oder eine der Verfahrenssprachen des Ortes, an dem die Vollstreckung betrieben wird, oder in eine sonstige Sprache, für die der Vollstreckungsmitgliedstaat erklärt hat, dass er sie zulässt. Jeder Mitgliedstaat kann angeben, welche Amtssprache oder Amtssprachen der Organe der Europäischen Union er neben seiner oder seinen eigenen für das Ausfüllen des Formblatts zulässt. (2) Die zuständigen Behörden des Vollstreckungsmitgliedstaats können vom Antragsteller nicht verlangen, dass dieser eine Übersetzung der Entscheidung vorlegt. Eine Übersetzung kann jedoch verlangt werden, wenn die Vollstreckung der Entscheidung angefochten wird. (3) Eine Übersetzung aufgrund dieses Artikels ist von einer Person zu erstellen, die zur Anfertigung von Übersetzungen in einem der Mitgliedstaaten befugt ist. I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Vorzulegende Schriftstücke . . . . . . . . . . . .

2

2. Übersetzung der Entscheidung . . . . . . . 3. Anforderungen an die Übersetzung . .

9 10

IV. Bestimmbarkeit bei indexierten III. Übersetzungen

1. Übersetzung des Auszugs (Art 20 Abs 1 lit d) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

5

Unterhaltstiteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

V. Einzelheiten zum Formblatt . . . . . . . . . . . .

14

Regelungszweck

1 Um dem Gläubiger die Durchsetzung der Unterhaltsansprüche zu erleichtern, sollen Formalitäten für die Vollstreckung so weit wie möglich reduziert werden (vgl Erwägungsgrund 27). II.

Vorzulegende Schriftstücke

2 Da ein Zwischenverfahren nicht mehr erforderlich ist, kann der Gläubiger unmittelbar das Vollstreckungsverfahren bei der zuständigen Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaates einleiten. Die hierfür vom Gläubiger vorzulegenden Schriftstücke werden in Abs 1 abschließend aufgezählt.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 20 EG-UntVO 3-7

3 Hierzu zählen: – Eine Ausfertigung der zu vollstreckenden Entscheidung in der Originalsprache. Diese Ausfertigung muss die zur Authentifizierung erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.1 Diese Voraussetzungen bestimmt das Recht des Mitgliedstaates, dessen Gericht die Entscheidung erlassen hat.2 Nach deutschem Recht ist gemäß § 317 Abs 4 ZPO eine Ausfertigung mit der Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und dem Gerichtssiegel erforderlich. – Ferner ein Auszug der Entscheidung, den die zuständige Behörde im Ursprungsstaat unter Verwendung des Formblattes in Anhang I erstellt. – Wenn dies angebracht erscheint (englisch „where appropriate“) ein Schriftstück, aus dem sich der Betrag für alle Rückstände ergibt und welches das Datum angibt, an dem dieser Betrag berechnet wurde. Angebracht erscheint die Auflistung der Rückstände immer dann, wenn sich diese nicht aus dem Titel selbst ergeben, sondern diese Rückstände im Titel noch als laufende Unterhaltsansprüche ausgeurteilt wurden. Für den geltend gemachten Betrag, der für die Zeit nach der Entscheidung begehrt wird, ist daher eine Auflistung erforderlich. – Wenn nötig (englisch „where necessary“) darf eine Transkription (lateinisch /griechisch) oder Übersetzung nur des Auszuges der Entscheidung, dh des Formblattes in Anhang I von der zuständigen Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat verlangt werden. 4

Darüber hinaus dürfen keine weiteren Dokumente verlangt werden. III. Übersetzungen

1.

Übersetzung des Auszugs (Art 20 Abs 1 lit d)

Eine Übersetzung des Auszugs der Entscheidung, dh des ausgefüllten Formblattes nach 5 Anhang I darf nur in Ausnahmefällen verlangt werden. Bereits für Art 55 Brüssel I-VO und den gleichlautenden Art 20 Abs 2 lit c EG- 6 VollstrTitelVO ist umstritten, wann die Übersetzung des Auszuges nötig ist. Für Art 48 Abs 2 EuGVÜ und Art 55 Brüssel I-VO wird vertreten, dass es dem Ge- 7 richt überlassen bleibt („Auf Verlangen des Gerichts“), eine unbeglaubigte Übersetzung zu akzeptieren. 3

1

2

3

Vgl zur identischen Formulierung in Art 53 Abs 1 Brüssel I-VO: Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 53 Brüssel I-VO Rn 3; Rauscher/Staudinger Art 53 Brüssel I-VO Rn 2; Kropholler Art 53 Brüssel I-VO Rn 2. Zu Art 20 Abs 2 lit a EG-VollstrTitelVO vgl Rauscher/Pabst Art 20 EG-VollstrTitelVO Rn 9 ff; MünchKommZPO /Adolphsen § 1082 ZPO Rn 6. Jenard-Bericht zum EuGVÜ zu Art 46 EuGVÜ; BGHZ 75, 167; Rauscher/Staudinger Art 53 Brüssel I-VO Rn 2; Kropholler Art 53 Brüssel I-VO Rn 2. Zum EuGVÜ: BGHZ 75, 167, 170. Zur Brüssel I-VO: MünchKommZPO /Gottwald Art 55 Brüssel I-VO Rn 3; Rauscher /Staudinger Art 55 Brüssel I-VO Rn 3; Laut Kropholler Art 55 Brüssel I-VO

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Art 20 EG-UntVO 8, 9

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Im Gegensatz dazu wird für Art 20 EG-VollstrTitelVO („kann ... verlangt werden“) die Übersetzung als zwingende Voraussetzung verlangt, sobald individuelle Angaben im Formular gemacht werden, die über Namen, Zahlen sowie ein bloßes Ankreuzen hinaus gehen. 4 Andere halten eine Übersetzung immer für zwingend erforderlich. Darauf könne man nur dann verzichten, wenn die Sprache, in der der Auszug ausgefüllt wurde, auch Amtssprache im Vollstreckungsstaat ist oder in diesem zugelassen wurde.5 In Deutschland wurde für die EG-VollstrTitelVO von dieser Möglichkeit kein Gebrauch gemacht, vgl § 1083 ZPO. Daher ist davon auszugehen, dass für die EG-UntVO ebenfalls keine weitere Sprache neben dem Deutschen zugelassen werden wird und von der Möglichkeit des Art 71 Abs 1 lit c deshalb kein Gebrauch gemacht werden wird. 8 Gegen eine Übertragung der letzteren Ansicht auf die EG-UntVO spricht Erwägungsgrund 28, der zur Kostenbegrenzung nahelegt, keine Übersetzung zu verlangen, es sei denn, der Schuldner setzt sich gegen die Vollstreckung zur Wehr. Zudem ist das Formular im Anhang I so detailliert, dass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass keine Übersetzung erforderlich ist. 2.

Übersetzung der Entscheidung

9 Art 20 Abs 2 stellt klar, dass vom Antragsteller zunächst keine Übersetzung der vollständigen Entscheidung verlangt werden darf.6 Nur für den Fall, dass der Schuldner sich mit einem nationalen Rechtsbehelf gegen die Vollstreckung zur Wehr setzt, vgl Art 21 Abs 1, oder gemäß Art 21 Abs 2 oder 3 die Verweigerung oder Aussetzung der Vollstreckung beantragt, kann eine Übersetzung der Entscheidung durch eine zur Übersetzung befugten Person vom Gläubiger nachzureichen sein. Das wird das Gericht in seinem Ermessen immer dann verlangen können, wenn es Sinn und Zweck der Entscheidung erfassen muss. Dass die Übersetzung der gesamten Entscheidung entgegen den normalen Beweisregeln durch den Gläubiger zu erbringen ist, ergibt sich aus dem Wortlaut des Art 20 Abs 2. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dieser letztlich auch die Kosten hierfür zu tragen hat. Die Kostenlast ergibt sich aus dem nationalen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates.7 Nach deutschem Recht hat somit der Schuldner die Kosten der Übersetzung der gesamten Entscheidung für den Fall zu tragen, dass sein Rechtsbehelf gegen die Zwangsvollstreckungsmaßnahme erfolglos bleibt.

4

5 6 7

610

Rn 3 sowie Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 55 Brüssel I-VO Rn 14 kann das Gericht auch ganz auf die Übersetzung verzichten. Kropholler Art 20 EG-VollstrTitelVO Rn 7; MünchKommZPO /Adolphsen § 1083 ZPO Rn 1. So auch Europäische Kommission, 18.4.2002, KOM (2002) 159, 8 f zu Art 21 lit c EG-VollstrTitelVO-E. Rauscher/Pabst Art 20 EG-VollstrTitelVO Rn 13 f. Außer dies ist für eine Zustellung nach der EG-ZustellVO erforderlich. Vgl Rn 12.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

3.

Art 20 EG-UntVO 10-14

Anforderungen an die Übersetzung

Der Gläubiger hat die Wahl, in welchem Mitgliedstaat er die Entscheidung von einer 10 befugten Person übersetzen lässt. 8 Eine Übersetzung genügt, auch wenn damit nach diesem Vollstreckungsversuch noch in einem anderen Mitgliedstaat, der diese Sprache ebenfalls zulässt, vollstreckt werden soll. 9 Der Wortlaut ist so auszulegen, dass wie in den Parallelregelungen Art 55 Brüssel I-VO und Art 20 EG-VollstrTitelVO auch die Beglaubigung einer bereits vorgenommenen Übersetzung ausreicht. Selbst eine beglaubigte Übersetzung kann von der zuständigen Vollstreckungsbehörde 11 zurückgewiesen werden, wenn sie unverständlich oder missverständlich ist.10 Die Verordnung macht keine Ausführungen zu den Übersetzungskosten. Sie sind nach 12 dem Recht des Vollstreckungsstaates zu bestimmen.11 IV.

Bestimmbarkeit bei indexierten Unterhaltstiteln

Zur Vermeidung von Problemen bezüglich der Bestimmbarkeit von deutschen Unter- 13 haltstiteln im Ausland eröffnet § 245 FamFG (ehemals § 790 Abs 1 ZPO) die Möglichkeit, einen nach § 1612a BGB dynamisierten Unterhaltstitel kostenfrei durch den Rechtspfleger beziffern zu lassen.12 Der Auszug des Titels auf dem Formblatt in Anhang I der EG-UntVO sieht jedoch auch die Möglichkeit vor, unter Ziff 5.2.1.4. die Modalität für eine Berechnung der Unterhaltsforderung anzugeben, sodass folglich auch dynamisierte Unterhaltstitel der Vollstreckung nach der EG-UntVO zugänglich sind. V.

Einzelheiten zum Formblatt

Die auf den Formblättern nach Anhang I und II zu machenden Angaben sind iden- 14 tisch. Die Formblätter unterscheiden sich zum einen in der Überschrift und zum anderen enthält das Formblatt in Anhang I den Hinweis, dass die Entscheidung unanfechtbar in anderen Mitgliedstaaten anerkannt und direkt vollstreckt wird. In der Überschrift bei Anhang I wird auf die Art 20 und Art 48 und für Anhang II auf Art 28 und 75 Abs 2 Bezug genommen. Der im Amtsblatt in deutscher Sprache veröffentlichte Text enthält dabei in der Überschrift für Anhang II einen Fehler. Statt „in Unterhaltssachen, die /der keinem ...“ müsste es heißen „in Unterhaltssachen, die /der ei8

9 10

11

12

Genau wie bei Art 55 Brüssel I-VO genügt abweichend von § 142 Abs 3 ZPO eine Übersetzung in einem der Mitgliedstaaten. Zur Brüssel I-VO vgl MünchKommZPO /Gottwald Art 55 Brüssel I-VO Rn 2; Jenard-Bericht zum EuGVÜ zu Art 48 EuGVÜ. MünchKommZPO /Gottwald Art 55 Brüssel I-VO Rn 3. Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 55 Brüssel I-VO Rn 15; Rauscher/Staudinger Art 55 Brüssel I-VO Rn 3. Rauscher/Staudinger Art 55 Brüssel I-VO Rn 3; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 55 Brüssel I-VO Rn 16. Hierzu Leible/Lehmann NotBZ 2004, 453, 462.

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Art 20 EG-UntVO 15, 16

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nem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren unterliegt.“ Außerdem ist die Überschrift insofern inhaltlich unrichtig, als auch diese Entscheidungen ipso iure anerkannt werden und insoweit nicht davon gesprochen werden dürfte, dass sie einem Anerkennungsverfahren unterliegen. 15 Beide Formblätter beziehen sich auf Entscheidungen und gerichtliche Vergleiche. Die Angaben, die auf dem Formblatt zu leisten sind, müssen in der Entscheidung oder dem gerichtlichen Vergleich stehen. Sie können jedoch entsprechend dem einführenden Hinweis auch dem Ursprungsgericht mitgeteilt worden sein, insofern umfasst der Begriff „Auszug aus der Entscheidung“ nicht den gesamten Inhalt des Formblattes. 16 Die Angaben betreffen das Ursprungsgericht, Antragsteller und Antragsgegner (gegebenenfalls auch mehrere Personen auf jeder Seite), die Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie Kosten- und Gebührenfreiheit bzw die Möglichkeit, ein unentgeltliches Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde im Ursprungsmitgliedstaat in Anspruch nehmen zu können. In Bezug auf den Tenor der Entscheidung /des gerichtlichen Vergleichs selbst sind anzugeben, wer an wen tatsächlich die Unterhaltsforderung zu leisten hat und wer im Rechtssinne Unterhaltsberechtigter ist. Es gibt eine Rubrik für Einmalzahlungen, einschließlich möglicher Ratenzahlungen sowie eine Rubrik für regelmäßig wiederkehrende Leistungen (Turnus, Betrag mit Angabe der Währung, Beginn der Zahlung, Fälligkeit, Dauer und Angaben bei Indexierungen), einschließlich Unterhaltsrückständen und Zinsen, weitere Spalten für Sachleistungen, sonstige Zahlungsarten sowie für Kosten und Gebühren. Nach der Rechtskraft der Entscheidung wird nicht gefragt. Dies ist insoweit verständlich, als es hierauf für die Vollstreckung in anderen Mitgliedstaaten nicht ankommt. Entscheidend ist vielmehr die Vollstreckbarkeit, auch die vorläufige Vollstreckbarkeit genügt. Das Formblatt sieht jedoch für die Unterhaltsforderungen auch keine Rubrik für die Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat, einschließlich für vorläufige Vollstreckbarkeit oder Vollstreckbarkeit nur gegen Sicherheitsleistung vor. Dies wird dadurch abgefangen, dass auf dem Formblatt vorweg der Hinweis vorgesehen ist, dass es nur auszufüllen ist, wenn die Entscheidung/der gerichtliche Vergleich im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist. Problematisch ist dies jedoch insoweit, wenn die Entscheidung nur teilweise vorläufig vollstreckbar ist oder nur gegen Sicherheitsleistung, zB bei Einmalzahlungen. Außerdem ist dem Formblatt auf diese Weise nur mittelbar die Vollstreckbarkeit zu entnehmen, direkt wird sie nicht bezeugt. Dass eine andere Lösung möglich ist, zeigt die standardisierte Bescheinigung nach Art 54 Brüssel I-VO, wonach die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat anzugeben ist. UE sollte das Formblatt dahingehend ergänzt werden. Auch wenn dies nur deklaratorischen Charakters wäre, würde dadurch die Vermutung der Vollstreckbarkeit verstärkt.13 Der Antragsgegner muss in diesen Fällen gegen die Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat mit den dafür vorgesehenen Rechtsbehelfen (in Deutschland analog § 767 ZPO14) mit dem Argument vorgehen, dass kein vollstreckungsfähiger Titel vorliegt. Dies erfordert die Vorlage jener öffentlichen Urkunde, gegebenenfalls mit 13

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Vgl Art 21 Rn 12, 35, Art 39 Rn 6 f.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 20 EG-UntVO 17, 18

Übersetzung (analog Art 20 Abs 2, 3) durch den Vollstreckungsschuldner aus der sich ergibt, dass einer dieser Fälle vorliegt. Das Formblatt enthält gleichfalls keine Angaben darüber, aus denen im Vollstre- 17 ckungsstaat auf die Eröffnung des Anwendungsbereiches der Unterhaltsverordnung im Allgemeinen und speziell des Kapitels IV Abschnitt 1 und 3 geschlossen werden kann. Zwar kann dem Formblatt entnommen werden, dass es sich um Unterhaltszahlungen handelt, nicht ersichtlich ist jedoch, ob diese in Familienbeziehungen überhaupt und in welcher Art von Familienbeziehungen sie ihre Grundlage haben. Nicht mitgeteilt ist, wann das Unterhaltsverfahren eingeleitet worden ist, was jedoch entscheidendes intertemporales Kriterium für die Freistellung vom Vollstreckbarerklärungsverfahren gemäß Art 75 Abs 1 ist. Stattdessen heißt es unter Punkt 1 des Formblattes (fettgedruckt und umrahmt): „Die Entscheidung /der gerichtliche Vergleich wird in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und kann dort vollstreckt werden, ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann und ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf ...“ Das Formblatt verleiht jedoch der Entscheidung selbst nicht diesen Charakter, die Verlautbarung hat nur deklaratorische Bedeutung. Sie bindet das zuständige Organ im Vollstreckungsmitgliedstaat nicht bei der Prüfung der Frage, ob der Anwendungsbereich der EG-UntVO allgemein oder speziell des Kapitels IV Abschnitt 1 und 3 eröffnet ist. Das gilt schon deshalb, weil sich im Erkenntnisverfahren im Ursprungsmitgliedstaat die Frage der Anwendbarkeit der EG-UntVO nicht stellen muss und insoweit das Ursprungsgericht hierüber auch nicht entschieden haben muss. Selbst soweit dies inzident erfolgt ist, sind die Voraussetzungen für die Anwendung der Artt 16 ff EG-UntVO im Vollstreckungsmitgliedstaat zu prüfen. Bei dem Formblatt, ausgestellt von dem Gericht eines anderen Mitgliedstaates, han- 18 delt es sich, vom Standpunkt des deutschen Prozessrechts, um eine ausländische öffentliche Urkunde. Sie steht – befreit von Legalisation und anderen Förmlichkeiten (Art 65 EG-UntVO) – mangels eigenständiger autonomer europarechtlicher Regelung einer inländischen öffentlichen Urkunde gleich. Nicht auf sie selbst, sondern nur auf die Ausfertigung der Entscheidung (Abs 1 lit a) ist § 417 ZPO anzuwenden. Letztere erbringt vollen Beweis, dass die Entscheidung nach Inhalt und den angegebenen Begleitumständen (wie Ort und Zeit) ergangen ist.15 Möglich ist jede Beweisführung gegen die Echtheit der Urkunde.16

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BGH NJW 2005, 1577; BGHZ 124, 164; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann Grundz § 704 ZPO Rn 57. Thomas/Putzo/Reichold § 417 ZPO Rn 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann vor § 415 ZPO Rn 4, § 417 ZPO Rn 1, 3; Stein/Jonas /Leipold § 415 ZPO Rn 17, § 417 ZPO Rn 1, 2; Zöller / Geimer § 417 ZPO Rn 1; Musielak/Huber § 417 ZPO Rn 1. Zöller /Geimer § 417 ZPO Rn 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann § 417 ZPO Rn 3; Stein/Jonas/Leipold § 417 ZPO Rn 4.

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Art 20 EG-UntVO 19-21

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Für das ausgefüllte Formblatt selbst trifft § 418 ZPO zu. Dieses begründet vollen Beweis der in ihm bezeugten Tatsachen. Der volle Beweis bezieht sich auf den Auszug aus der Entscheidung (Punkt 5 des Formblattes) und auf die Tatsache der Gewährung von Prozesskostenhilfe, Kosten- und Gebührenfreiheit sowie eines unentgeltlichen Verwaltungsverfahrens iSd Art 2. Der Beweis der Unrichtigkeit der bezeugten Tatsachen, also vor allem die Nichtübereinstimmung des wiedergegebenen Inhalts der Entscheidung mit der Entscheidung selbst ist zulässig.17 Da die Vollstreckbarkeit der ausländischen Entscheidung im Formblatt nicht bezeugt, sondern nur vorausgesetzt wird, erstreckt sich § 418 ZPO hierauf nicht. Dasselbe gilt für die klauselartige Feststellung, dass die Entscheidung die in Art 17 geregelte Wirkung in anderen Mitgliedstaaten hat. Es handelt sich hier um keine Tatsache, sondern um eine rechtliche Würdigung, auf die § 418 ZPO unanwendbar ist.18 19 Die Verordnung sieht keine standardisierten Formblätter für die Fälle vor, dass eine Entscheidung aufgehoben wird, nach Art 19 für nichtig erklärt wird sowie die Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat aufgehoben oder ausgesetzt wird. 20 Die Formblätter können gemäß Art 72 im Verfahren nach Art 73 geändert werden, ohne dass es der Änderung der Verordnung selbst bedarf. Folgende Punkte müssten aus unserer Sicht geändert werden: Die Überschrift des Formblattes nach Anhang II müsste geändert werden, soweit es bei einem selbständigen Formblatt für das Verfahren nach Abschnitt 2 bleibt.19 Da sich die Formblätter nach Anhang I und II hinsichtlich der Angaben gleichen, können sie zu einem Formblatt zusammengefasst werden. Die Formblätter bedürfen einer Ergänzung hinsichtlich der Angaben zur Vollstreckbarkeit und zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens.20 Letztlich sollte auf den eingerahmten Hinweis der unanfechtbaren Anerkennung und direkten Vollstreckbarkeit in anderen Mitgliedstaaten verzichtet werden. Darüber hinaus sollte das Formblatt eine Rubrik zu dem zugrunde liegenden Familienverhältnis enthalten (Verwandtschaft, eherechtliches Verhältnis, Schwägerschaft oder sonstige Familienbeziehung).21 21 Hinsichtlich des zweiten Mangels in der Überschrift des Formblattes im Anhang II („keinem“ anstelle von „einem“) handelt es sich lediglich um einen Übersetzungsfehler, dessen Korrektur nicht des formalen Ausschussverfahrens nach Artt 72, 73 bedarf.

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Stein/Jonas/Leipold § 418 ZPO Rn 12; MünchKommZPO /Schreiber § 418 Rn 8. MünchKomZPO /Schreiber § 418 ZPO Rn 7; Stein/Jonas /Leipold § 418 ZPO Rn 3; Musielak/Huber § 418 ZPO Rn 3. Siehe Rn 14 („Anerkennungsverfahren“). Siehe Rn 16 und 17. Siehe Rn 17.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 21 EG-UntVO

Artikel 21

Verweigerung oder Aussetzung der Vollstreckung (1) Die im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorgesehenen Gründe für die Verweigerung oder Aussetzung der Vollstreckung gelten, sofern sie nicht mit der Anwendung der Absätze 2 und 3 unvereinbar sind. (2) Die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats verweigert auf Antrag der verpflichteten Person die Vollstreckung der Entscheidung des Ursprungsgerichts insgesamt oder teilweise, wenn das Recht auf Vollstreckung der Entscheidung des Ursprungsgerichts entweder nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats oder nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats verjährt ist, wobei die längere Verjährungsfrist gilt. Darüber hinaus kann die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats auf Antrag der verpflichteten Person die Vollstreckung der Entscheidung des Ursprungsgerichts insgesamt oder teilweise verweigern, wenn die Entscheidung mit einer im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangenen Entscheidung oder einer in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat ergangenen Entscheidung, die die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung im Vollstreckungsmitgliedstaat erfüllt, unvereinbar ist. Eine Entscheidung, die bewirkt, dass eine frühere Unterhaltsentscheidung aufgrund geänderter Umstände geändert wird, gilt nicht als unvereinbare Entscheidung im Sinne des Unterabsatzes 2. (3) Die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats kann auf Antrag der verpflichteten Person die Vollstreckung der Entscheidung des Ursprungsgerichts insgesamt oder teilweise aussetzen, wenn das zuständige Gericht des Ursprungsmitgliedstaats mit einem Antrag auf Nachprüfung der Entscheidung des Ursprungsgerichts nach Artikel 19 befasst wurde. Darüber hinaus setzt die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats auf Antrag der verpflichteten Person die Vollstreckung der Entscheidung des Ursprungsgerichts aus, wenn die Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat ausgesetzt ist. I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Nachprüfungsverfahren vor dem Ursprungsgericht (Abs 3 UAbs 1) . . . 5. Aussetzung der Vollstreckung (Abs 3 UAbs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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III. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Keine ordre public-Kontrolle

1

II. Voraussetzungen

1. Nationale Vorschriften (Abs 1) . . . . . 2. Vollstreckungsverjährung (Abs 2 UAbs 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unvereinbarkeit mit einer anderen Entscheidung (Abs 2 UAbs 2) . . . . . . a) Unvereinbare Entscheidung . . . . . . b) Keine zeitliche Priorität . . . . . . . . . . c) Entgegenstehende Statusentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . d) Abänderungsentscheidungen . . . .

Marianne Andrae /Martin Schimrick

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1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorsorge in Bezug auf den materiellrechtlichen ordre public . . . . . . . . . . . . . 3. Verfahrensrechtlicher ordre public . . 4. Verfassungsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verletzung der EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Schadensersatz als Kompensation . . .

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Art 21 EG-UntVO 1-3

I.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Regelungszweck

1 Zur Beschleunigung der Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen soll nur eine begrenzte Zahl von Gründen der Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat entgegenstehen dürfen.1 Gegenüber der Brüssel I-VO wurden demgemäß die Verweigerungsgründe eingeschränkt. Die Aufzählung der möglichen Gründe, aufgrund derer die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat die Vollstreckung verweigern bzw aussetzen darf, soll gewährleisten, dass dadurch nur in Ausnahmefällen der Entscheidung zum Schutze des Unterhaltsschuldners ihre Wirkung genommen werden darf. 2 Dadurch dass Abs 1 einen Rückgriff auf Rechtsbehelfe des nationalen Rechts des Vollstreckungsmitgliedstaates zulässt, wird das Ziel jedoch nicht erreicht, die in der Praxis wesentlichen Gründe zu vereinheitlichen und zu reduzieren. II.

Voraussetzungen

1.

Nationale Vorschriften (Abs 1)

2 Die Entscheidungen der Gerichte/Behörden anderer Mitgliedstaaten werden den innerstaatlichen Entscheidungen für die Vollstreckung gleichgestellt. Sie werden nach den gleichen nationalen Verfahrensvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaates vollstreckt (Art 41 Abs 1). Folgerichtig stellt Art 21 Abs 1 klar, dass sich neben den in Abs 2 und 3 geregelten Gründen einzelne Vollstreckungsverweigerungsgründe aus dem nationalen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates ergeben können.3 Auch wenn die Versagungsgründe in der Verordnung gegenüber denen in der Brüssel I-VO reduziert wurden, soll dies die nationalen Verweigerungsgründe möglichst nicht beeinträchtigen. 4 Begrenzt werden die nationalen Gründe nur dadurch, dass sie den Versagungsgründen in der Verordnung nicht widersprechen dürfen. Die in der Verordnung geregelten Fallgestaltungen sind insoweit abschließend. Hat der Verpflichtete im Ursprungsstaat einen Rechtsbehelf nach Art 19 eingelegt, darf die Vollstreckung daher nur nach Abs 3 UAbs 1 ausgesetzt werden, nationale Rechtsbehelfe stehen insoweit nicht zur Verfügung. 3 Als Beispiele für nationale Verweigerungsgründe werden in Erwägungsgrund 30 die zeitlich nach der Entscheidung erfolgte Erfüllung und Pfändungsschutzvorschriften genannt. Daher kann sich der Schuldner im Vollstreckungsmitgliedstaat zB auf die dort geltenden Pfändungsfreigrenzen berufen.5 Hingegen ist der Pfändungsschutz im Ursprungsstaat für die Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat ohne Bedeu-

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Erwägungsgrund 30. Vgl Europäische Kommission, 12.5.2006, KOM (2006) 206 zu Art 33; Garbe/Ullrich /Andrae § 11 Rn 454. Im Entwurf wurde hingegen versucht, nationale Versagungsgründe auszuschließen. Erwägungsgrund 30 S 2. Im dt Recht also §§ 850 ff ZPO. Zu den Schuldnerschutzbestimmungen in den einzelnen europäischen Mitgliedstaaten vgl Hess Study 18.4.2004 JAI /A3/02/2002 S 67, abrufbar unter www.euzpr.eu.

Januar 2010

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 21 EG-UntVO 4-7

tung.6 Voraussetzung für die grenzüberschreitende Vollstreckung ist nur die formelle Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsstaat, materielle Vollstreckungshindernisse im Ursprungsstaat, wie zB dortige Pfändungsfreigrenzen sind unerheblich.7 Wünschenswert wäre jedoch eine europäische Kollisionsvorschrift zu den Pfändungsfreigrenzen. Viel spräche für das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Schuldners, denn ihm soll der notwendige Lebensbedarf belassen werden. Daher kommt es dem Sinn und Zweck entsprechend eigentlich auf die dortigen Lebenshaltungskosten an. Dies würde insoweit einen Gleichlauf mit dem Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners im materiellen Recht herstellen. Auch sonstige Vollstreckungsbeschränkungen, wie zB die Unpfändbarkeit von Sa- 4 chen, sind vom Standpunkt des Vollstreckungsmitgliedstaats zu beurteilen. Ist die Pfändbarkeit einer Forderung an deren Übertragbarkeit gekoppelt, bestimmt sich diese materiell-rechtliche Vorfrage nach dem Forderungsstatut. 8 Welche Rechtswirkungen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf die Vollstreck- 5 barkeit einer Forderung gegen den Gemeinschuldner (= Unterhaltsschuldner) hat, der den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in einem Mitgliedstaat hat, bestimmt sich nach dem Insolvenzeröffnungsstatut, Artt 3 Abs 1, 4 Abs 2 lit f EuInsVO. Als nationale Rechtsbehelfe des deutschen Rechts stehen dem Vollstreckungsschuld- 6 ner die Rechtsbehelfe nach §§ 765a, 766, 767, 775, 776, 793 ZPO zur Verfügung. Die Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO richtet sich gegen die Art und Weise 7 der Zwangsvollstreckung. Mit ihr können prozessual zB Pfändungsschutzvorschriften geltend gemacht werden. Dies betrifft auch die vom Rechtspfleger erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse. Denn bei Vollstreckungsmaßnahmen verdrängt nach herrschender Auffassung § 766 ZPO die Rechtspflegererinnerung, da die Entscheidung des Rechtspflegers ohne Anhörung des Schuldners (§ 834 ZPO) lediglich anstelle der richterlichen Entscheidung getroffen wird und gegen jene ebenfalls § 766 ZPO statthaft wäre.9 Nur gegen eine Entscheidung nach erfolgter Anhörung des Schuldners ohne mündliche Verhandlung, ist die Beschwerde (§ 793 ZPO) statthaft.10

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Schack IPRax 1997, 318, 320; offen gelassen LSG Essen HVBG-INFO 2000, 1012. Im Bezug auf die Vollstreckbarerklärung EuGH Rs 267/97 Corsier EuGHE 1999 I 2543, 2571 Rn 29; OLG Frankfurt OLGR 2002, 29, 30 = IPRax 2003, 246; Kropholler Art 38 Brüssel I-VO Rn 9; Thomas/ Putzo/Hüßtege Art 38 Brüssel I-VO Rn 6. Schack IPRax 1997, 318, 320 mwN. Thomas/Putzo/Putzo § 766 ZPO Rn 2, § 850d ZPO Rn 18; Zöller /Stöber § 766 ZPO Rn 3; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann § 766 ZPO Rn 6, § 829 ZPO Rn 84; MünchKommZPO / Smid § 829 ZPO Rn 82, § 850d ZPO Rn 29. Ausnw aber § 11 Abs 2 RPflG im Privatinsolvenzverfahren vgl AG Göttingen NdsRpfl 2002, 120; MünchKommZPO /Smid § 850d ZPO Rn 32. Thomas/Putzo/Putzo § 829 ZPO Rn 55; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann § 829 ZPO Rn 84; MünchKommZPO /Smid § 829 ZPO Rn 84.

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Art 21 EG-UntVO 8-10

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

8 Will der Schuldner eine Vollstreckung mit dem Einwand der Erfüllung abwenden, so steht ihm § 775 Nr 4 oder 5 ZPO zur Verfügung, wenn er dies durch Urkunden belegen kann. Anderenfalls kann er die Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO erheben. Entgegen der im Rahmen der EG-VollstrTitelVO geführten Diskussion11 lässt Art 21 Abs 1 im Hinblick auf die Statthaftigkeit der Vollstreckungsabwehrklage keine Zweifel zu. Der entsprechend noch im Kommissionsentwurf vorgesehene europäische Rechtsbehelf Art 33 lit a VO-E wurde in die Verordnung nicht übernommen. Die Gründe dafür sind dahingehend zu vermuten, dass insgesamt der Vorstoß der Kommission, in das Zwangsvollstreckungsrecht mit ersten europäischen Regelungen einzugreifen, nicht zu einem Konsens gebracht werden konnte. 9 Die Vollstreckungsabwehrklage ist von der Verweisung auf das nationale Vollstreckungsrecht erfasst und steht dem Schuldner neben der Möglichkeit, sich gegen den Titel im Ursprungsmitgliedstaat zu wehren, wahlweise zur Verfügung.12 Bei der Abwägung der Vor- und Nachteile sprächen für die Vollstreckungsabwehrklage im Vollstreckungsmitgliedstaat allein prozessökonomische Erwägungen. Hat der Schuldner nur vollstreckbares Vermögen in einem Mitgliedstaat, kann er sich das mit höherem Aufwand verbundene ausländische Verfahren im Ursprungmitgliedstaat ersparen. Zu bedenken ist, dass sich die Vollstreckungsabwehrklage nur gegen die Vollstreckbarkeit im Inland richtet, auf den Titel selbst aber keinen Einfluss hat. Durch die mit der EG-UntVO verbesserte Titelfreizügigkeit kann der Schuldner sogar ein gesteigertes Interesse daran haben, mögliche Einwendungen mit Wirkung für den gesamten europäischen Rechtsraum geltend zu machen, indem er die Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat angreift. Wird die Vollstreckbarkeit daraufhin eingeschränkt oder aufgehoben, kann er dies mithilfe des jeweiligen nationalen Rechtsbehelfs in allen anderen Mitgliedstaaten geltend machen. Für die unmittelbare Vollstreckungsmöglichkeit gemäß Art 17 Abs 2 fehlt es dann an einem erforderlichen vollstreckungsfähigen Titel. Eine Vollstreckungsmaßnahme, die ohne die Existenz eines Titels vorgenommen wird, ist nichtig.13 Der Vollstreckungsschuldner kann in diesem Fall mit einer prozessualen Gestaltungsklage analog § 767 Abs 1 ZPO beantragen, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Titel für unzulässig erklärt wird.14 Auch die Verwirkung der titulierten Unterhaltsansprüche wäre mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen.15 10 Mit dem Wegfall des Exequaturverfahrens entfällt für die unmittelbare Vollstreckungsmöglichkeit nach Abschnitt 1 die (für die Frage der Präklusion entscheidende) umstrittene Abgrenzung, ob nachträgliche rechtsvernichtende oder rechtshemmende 11 12 13 14

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Vgl Garbe/Ulrich /Andrae § 11 Rn 493 sowie Wagner IPRax 2005, 401, 405 mwN. So auch schon zur EG-VollstrTitelVO Wagner IPRax 2005, 401, 405; Geimer IZVR Rn 3198. Thomas/Putzo/Hüßtege Vorb § 704 ZPO Rn 58 für das dt Recht. BGH NJW 2005, 1577; BGHZ 124, 164; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann Grundz § 704 ZPO Rn 57. OLG Brandenburg FamRZ 2008, 906; BGH NJW-RR 1991, 899 = FamRZ 1991, 1040; aA OLG Köln NJWE-FER 2000, 144 = FamRZ 2000, 1043 für das dt Recht.

Januar 2010

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 21 EG-UntVO 11, 12

Einwendungen im Exequaturverfahren oder mit einer Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen sind.16 Die Vollstreckungsabwehrklage steht dem Schuldner auch bei gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden zur Verfügung.17 Eine Vollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO ist streng von einem Antrag auf 11 Abänderung einer Unterhaltsentscheidung (§ 238 FamFG) zu unterscheiden. Einwendungen, dass die Umstände, die zur Verurteilung zur Leistung im ausländischen Titel geführt haben, sich geändert haben, können im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage nicht erhoben werden. Der Schuldner ist insoweit auf die Erhebung eines Abänderungsantrags im Erkenntisverfahren angewiesen.18 Eine Vollstreckungsabwehrklage darf nur bei punktuell eintretenden Ereignissen, wie der Erfüllung oder einem dem wirtschaftlich gleichkommenden Vorgang zugelassen werden. Hingegen ist ein Abänderungsantrag statthaft, wenn die geltend gemachten Gegengründe die titulierten künftigen Unterhaltsansprüche dauerhaft entkräften und nicht selbst vollständig oder teilweise wieder entfallen können.19 Der Wegfall des Geschiedenenunterhaltes für die Zukunft einerseits wegen Wegfalls der Betreuungsbedürftigkeit des gemeinsamen Kindes der Parteinen aufgrund des Eintritts der Volljährigkeit und andererseits wegen der nunmehr eingetretenen Eigenverantwortlichkeit der Ehefrau ist mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machen. 20 Indessen ist ein Abänderungsantrag einzulegen, wenn eine Veränderung des tatbestandsbegründenden Sachverhaltes eingewendet wird, sich also die im Laufe der Zeit stets wandelbaren Verhältnisse verändert haben.21 Die ist zB der Fall, wenn der Unterhaltsschuldner erneut Vater geworden ist und deshalb die daraus neu entstandenen Unterhaltspflichten die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse verändert haben.22 Sollte sich der deutsche Gesetzgeber für die Notwendigkeit einer Klauselerteilung im 12 Inland entscheiden, wären bei fehlender Bestimmtheit des Titels die Rechtsbehelfe im Klauselerteilungsverfahren statthaft. 23 Anderenfalls käme die Erinnerung gemäß § 766 ZPO bei der Vollstreckung unbestimmter Titel bzw bei der Ablehnung eines Vollstreckungsgesuchs aufgrund mangelnder Bestimmtheit in Betracht.

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Vgl hierzu nur BGHZ 171, 310; Martiny FamRZ 2008, 1681, 1688 f; Hess IPRax 2008, 25 ff; Strasser FPR 2007, 451, 454. Siehe zu den diesbzgl Besonderheiten Art 48 Rn 19. BGHZ 171, 310, 318 f, Rn 21. AG Wiesbaden FamRZ 2009, 141 mit Bezug auf Graba, Die Abänderung von Unterhaltstiteln, Rn 157. AG Wiesbaden FamRZ 2009, 141. BGHZ 171, 310, 319, Rn 22, vgl dazu Hess IPRax 2008, 25, 29 f; BGHZ 163, 187; OLG Sachsen-Anhalt FamRZ 2006, 347; OLG Brandenburg OLG-NL 2004, 108; AG Wiesbaden FamRZ 2009, 141. BGHZ 171, 310. Vgl dazu Art 41 Rn 2 ff.

Marianne Andrae /Martin Schimrick

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Art 21 EG-UntVO 13-15

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Die Vollstreckung darf wegen der Zahlung einer Abwendungssicherheit (gemäß § 711 ZPO) nur dann verweigert werden, wenn eine solche im Ursprungsmitgliedstaat zugelassen und im Vollstreckungsstaat oder einem dritten Mitgliedstaat erbracht wurde. Dies nähme der zugrunde liegenden Entscheidung ihre Vollstreckbarkeit. 24 Wurde die Abwendungssicherheit bereits im Ursprungsmitgliedstaat erbracht und daraufhin die Vollstreckung dort eingestellt, hätte dies gemäß Abs 3 UAbs 2 Wirkung im gesamten europäischen Rechtsraum. 2.

Vollstreckungsverjährung (Abs 2 UAbs 1)

13 Neu ist die Regelung hinsichtlich der Vollstreckungsverjährung. Die Vollstreckung ist danach erst dann ausgeschlossen, wenn die Verjährung sowohl nach dem Recht des Ursprungs- als auch nach dem Recht des Vollstreckungsstaates eingetreten ist (Art 21 Abs 2 UAbs 1). Aufgrund der Kumulation gilt die längere Frist. Der Verweis in UAbs 1 bezieht sich nicht auf die materiell-rechtliche Verjährungsregelung des Unterhaltsanspruchs, die im Erkenntnisverfahren zu beachten ist. Eine Regelung zu jener findet sich in Art 11 lit e HUntStProt 2007, der auf das Unterhaltsstatut verweist. Allerdings entspricht zB nach deutschem Recht die Vollstreckungsverjährung bei zukünftigen, wiederkehrenden Leistungen der materiell-rechtlichen Verjährungsfrist. 25 Der Anwendungsbereich erstreckt sich sowohl auf Unterhaltsrückstände als auch auf festgestellte fortlaufende Unterhaltsansprüche.26 14 Der Verweis auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaates sowie des Vollstreckungsmitgliedstaates stellt eine Sachnormverweisung dar. Verwiesen wird im deutschen Recht auf § 197 Abs 1 Nr 3 sowie Abs 2 BGB. Dies hat zur Folge, dass die Vollstreckungsmöglichkeit titulierter Rückstände nach 30 Jahren verjährt. Hingegen unterliegen titulierte künftig wiederkehrende Leistungen von ihrer Fälligkeit (§ 201 S 1 aE BGB) an der regelmäßigen Verjährung, §§ 195, 199 BGB. 27 Die Verjährung kann der Gläubiger zB verhindern, indem er mit einem Vollstreckungsversuch ihren Neubeginn bewirkt, § 212 Abs 1 Nr 2 BGB.28 Dabei reichen auch adäquate Vollstreckungsversuche in anderen Staaten aus. 15 Durch welche Verfahrensweise die Vollstreckungsverjährung im Vollstreckungsverfahren geltend zu machen ist, wird gemäß Art 71 lit f noch durch die Mitgliedstaaten mitgeteilt. In Betracht käme im deutschen Recht die Vollstreckungsabwehrklage gemäß

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Vgl Rn 35, Art 20 Rn 16, Art 39 Rn 6 f. § 197 Abs 2 BGB verweist insoweit auf § 195 BGB. Die 30jährige Verjährungsfrist nach § 197 Abs 1 Nr 3 BGB gilt mithin nur für Unterhaltsrückstände etc. Die entsprechende Regelung für die Vollstreckungsverjährung im HUntVerfÜbk 2007 (Art 32 Abs 5) beschränkt sich hingegen ausdrücklich nur auf Unterhaltsrückstände. Staudinger /Peters (2004) § 197 BGB Rn 37. Erman/Schmidt-Räntsch § 212 BGB Rn 13.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 21 EG-UntVO 16-18

§ 767 ZPO.29 Die Verjährung wird nur auf Antrag des Verpflichteten vom Vollstreckungsorgan beachtet, selbst wenn die Vollstreckungsverjährung im Vollstreckungsstaat von Amts wegen zu beachten wäre. 3.

Unvereinbarkeit mit einer anderen Entscheidung (Abs 2 UAbs 2)

Die Regelung in Art 21 Abs 2 UAbs 2 korreliert mit Art 34 Nr 3 und 4 Brüssel 16 I-VO. a) Unvereinbare Entscheidung Der Begriff der Entscheidung ist in Art 2 Abs 1 Nr 1 legaldefiniert. Wann zwei Ent- 17 scheidungen unvereinbar sind, ist autonom zu bestimmen. Das trifft zu, wenn sich deren Rechtsfolgen wechselseitig ausschließen. Dabei sind die Wirkungen der Entscheidungen im Vollstreckungsstaat zu betrachten. 30 Es braucht sich nicht um denselben Streitgegenstand iSd ZPO zu handeln.31 Es kommt allein darauf an, ob die Kernpunkte der Entscheidungen unvereinbar sind.32 Die entgegenstehende Entscheidung muss gleichrangig sein, um einen Vollstreckungsversagungsgrund begründen zu können. Gleichrangigkeit ist zB bei einer inländischen Versagung der Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht und einer dem entgegenstehenden ausländischen Entscheidung nicht gegeben. 33 Gleiches gilt bei einer Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz in Bezug auf eine Hauptsacheentscheidung. 34 Die in einem Mitgliedstaat vollstreckbaren gerichtlichen Vergleiche und öffentlichen Urkunden sind gemäß Art 48 gerichtlichen Entscheidungen gleichgestellt und können daher einer Vollstreckung entgegenstehen. b) Keine zeitliche Priorität Das Gericht kann nach seinem Ermessen einer früheren oder späteren innerstaatli- 18 chen oder anzuerkennenden Entscheidung den Vorzug geben und aus diesem Grunde die Vollstreckung der Entscheidung des Ursprungsmitgliedstaates verweigern. Aus der Verordnung ergeben sich keine Anhaltspunkte für die Ermessensausübung, sodass Rechtsgedanken aus vergleichbaren Regelungen herangezogen werden können. Interessanterweise weist die Regelung eine Veränderung zu Art 34 Nr 3 und 4 Brüssel I-VO auf. Dort wurden alle innerstaatlichen Entscheidungen hingegen nur spätere ausländische Entscheidungen als Anerkennungshindernis berücksichtigt, was zu Recht auf

29 30

31 32

33 34

BayObLG ZMR 2000, 189. EuGH Rs C-145/86 Hoffmann/Krieg EuGHE 1988 645 Rn 22; Schack IZVR Rn 858 ff; MünchKommZPO /Gottwald Art 34 Brüssel I-VO Rn 35; Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rn 45 f. Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rn 45; Kropholler Art 34 Brüssel I-VO Rn 49. Vgl die Kernpunkttheorie des EuGH Rs C-144/86 Gubisch Maschinenfabrik/Palumbo EuGHE 1987 4861 Rn 16; OLG Hamm FamRZ 2001, 1015. BGHZ 88, 17. EuGH Rs C-80/00 Italiean Leather/ WECO Polstermöbel EuGHE 2002 I 4995 Rn 47; Rauscher/Leible Art 34 Brüssel I-VO Rn 46

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Art 21 EG-UntVO 19-23

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Kritik gestoßen ist. 35 Anders ist auch die Regelung in Art 21 Abs 1 EG-VollstrTitelVO, wonach jeweils nur „frühere“ Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Für die Priorität nur früherer Entscheidungen hätte gesprochen, dass damit dem Kläger die Motivation genommen wird, in einem anderen Mitgliedstaat zu versuchen, eine positive, die frühere Rechtskraft missachtende Entscheidung zu erwirken. 19 Bei Art 24 lit e und f Brüssel IIa-VO hat sich der europäische Gesetzgeber dafür entschieden, späteren Entscheidungen über die elterliche Verantwortung den Vorrang einzuräumen, davon ausgehend, dass diese im Allgemeinen dem Kindeswohl mehr entspricht. Eine Übertragung dieses Rechtsgedankens auf die EG-UntVO ist möglich. Im Allgemeinen wird die spätere Entscheidung den aktuellen Lebensumständen der Parteien mehr entsprechen. Im Einzelfall kann dies jedoch anders sein, insoweit ist dies bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen. 20 Eine inländische oder anzuerkennende Abänderungsentscheidung steht der Vollstreckung der Entscheidung entgegen, welche abgeändert wurde. Darüber hinaus kann auch eine spätere Unterhaltsentscheidung, die nicht als Abänderungsentscheidung ergangen ist, aber deren Voraussetzungen erfüllt, der Vollstreckung einer vorhergehenden entgegenstehen. 21 Hinsichtlich einer zweiten ausländischen entgegenstehenden Entscheidung kommt es zusätzlich darauf an, dass sie die Voraussetzungen der Anerkennung erfüllt. Nach welchen Vorschriften sich dies richtet, hängt vom Herkunftsland und bei einer zweiten mitgliedstaatlichen Entscheidung auch von den intertemporalen Bestimmungen (Art 75) ab. c) Entgegenstehende Statusentscheidung 22 Einer ausländischen Unterhaltsentscheidung kann auch eine inländische oder anzuerkennende ausländische Statusentscheidungen (Scheidungsurteil, Vaterschaftsfeststellung, Adoptionsanerkennung) entgegenstehen. 36 Eine besondere Bedeutung kommt einer späteren Statusentscheidung deshalb zu, weil Statussachen zT lediglich inzident im Unterhaltsverfahren inter partes geprüft werden. Die Partei, welche die Gefahr sieht, im ausländischen Verfahren zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet zu werden oder bereits verpflichtet worden ist, kann im Inland eine entgegenstehende Statusentscheidung anstreben, soweit die internationale Zuständigkeit hierfür gegeben ist. 23 Bei solchen Statusentscheidungen erscheint die Berücksichtigung auch späterer Entscheidungen gerechtfertigt. Das Gericht kann in Ausübung seines Ermessens berück35

36

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Hess IPRax 2001, 301, 304 Fn 54 (= Anm zu EuGH Krombach und EuGH Renault); Geimer IZPR Rn 2891; Schack IZVR Rn 855. EuGH Rs 145/86 Hoffmann/Krieg EuGHE 1988 645 = NJW 1989, 663 = RIW 1988, 820 = Rev crit DIP 1988, 598; dazu Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 34 Brüssel I-VO Rn 171; Henrich IFR § 5 V 3 c S 213 f; für die Brüssel I-VO Kropholler Art 34 Brüssel I-VO Rn 49 f.

Januar 2010

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 21 EG-UntVO 24, 25

sichtigen, dass die aktuellere Statusentscheidung der derzeitigen Situation eher entspricht als die dem ausländischen Unterhaltstitel zugrunde liegende, die uU nur auf einer gesetzlichen Vermutung beruhte, ähnlich dem § 1592 Nr 1 BGB, welche im Wege der Anfechtung auch widerlegt werden kann. Beispiele für die Unvereinbarkeit sind: Ein ausländisches Urteil, das zum ehelichen Unterhalt im Verhältnis zu einem inländischen Scheidungsurteil verpflichtet37 sowie ein ausländisches Urteil, das zum Kindesunterhalt unvereinbar mit einer positiven Entscheidung zur Vaterschaftsanfechtung ist. Eine Unvereinbarkeit kann sich auch dadurch einstellen, dass in Bezug auf eine der 24 ausländischen Unterhaltsentscheidung zugrunde liegende Entscheidung zum Personenstand (wie Scheidung, Feststellung der Existenz/Nichtexistenz der Ehe oder Vaterschaft) eine inländische Feststellungsentscheidung zur Nichtanerkennungsfähigkeit getroffen wird. Für die Entscheidungen in Ehesachen von Gerichten anderer Mitgliedstaaten besteht die Möglichkeit eines fakultativen Feststellungsverfahrens nach Art 21 Abs 3 Brüssel IIa-VO, die Entscheidung des Familiengerichts hat erga omnes Wirkung. 38 Für drittstaatliche Entscheidungen in Ehesachen steht das Verfahren nach § 107 FamFG, für andere Statussachen das fakultative Verfahren nach § 108 FamFG zur Verfügung, für ausländische Adoptionen ist ein fakultatives Verfahren nach § 2 AdoptWirkG39 vorgesehen. Entscheidungen in diesen Anerkennungs- bzw Nichtanerkennungsverfahren binden die inländischen Gerichte und Behörden,40 sie haben erga omnes Wirkung.41 Diese Feststellungsentscheidungen können insoweit einer entgegenstehenden Statusentscheidung gleichgestellt werden, wenn sie der Unterhaltsentscheidung ihre Grundlage nehmen. So würde einem ausländischen Urteil auf nachehelichen Unterhalt eine inländische negative Anerkennungsfeststellungsentscheidung bezüglich der Scheidung42 genauso entgegenstehen wie einem Urteil auf Kindesunterhalt eine negative Anerkennungsfeststellung der Vaterschaftsentscheidung43. d) Abänderungsentscheidungen Klarstellend regelt Abs 2 UAbs 3, dass der Vollstreckung einer Abänderungsentschei- 25 dung aufgrund geänderter Umstände nicht eine vorhergehende Unterhaltsentscheidung in derselben Sache entgegensteht. 44 37 38

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EuGH Rs 145/86 Hoffmann/Krieg EuGHE 1988 645 Nr 25; krit Schack IPRax 1989, 139, 141. Umstritten: Dafür Andrae ERA 2003, 28, 29, 45 ff; Rauscher /Rauscher Art 21 Brüssel IIa-VO Rn 33. Dagegen: Helms FamRZ 2001, 257, 261; Schack RabelsZ 65 (2001) 615, 629; Hausmann EuLF 2000/ 01, 345, 351. Gesetz über Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (Adoptionswirkungsgesetz) vom 5.11.2001, BGBl 2001 I 2950, Jayme/Hausmann Nr 193. §§ 107 Abs 9, 108 Abs 2 S 2 FamFG. So ausdrücklich § 4 Abs 2 S 1 AdoptWirkG. OLG Hamm MDR 1982, 504 = IPRspr 1981 Nr 187. OLG Hamm IPRax 2004, 437, 438. Dies entspricht der bisherigen allg Auffassung, vgl Andrae IFR § 8 Rn 108; Kropholler Art 34 Brüssel I-VO Rn 51; Schack IPRax 1986, 218, 220; Henrich IFR § 5 V 3 c S 212.

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Art 21 EG-UntVO 26-29

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

26 Der Grund dafür liegt darin, dass die Rechtskraft von Unterhaltsentscheidungen aufgrund materiell-rechtlicher Überlegungen auch prozessual eingeschränkt ist. Wenn eine ausländische Entscheidung eine inländische oder eine frühere drittstaatliche Entscheidung abgeändert hat, dann ist sie, obwohl sie zeitlich später erlassen worden ist, vollstreckbar, weil sie mit der früheren Entscheidung nicht unvereinbar ist. 45 Dabei genügt die faktische Abänderung, dh die Entscheidung muss nicht als Abänderungsentscheidung ergangen sein, sofern die Abänderungsvoraussetzungen tatsächlich vorgelegen haben. 46 Dies trifft zu, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse von Unterhaltsgläubiger und -schuldner derart geändert haben, dass eine Abänderung gerechtfertigt erscheint. Auch der Wechsel des anzuwendenden Unterhaltsrechts kann eine Anpassung des bestehenden Unterhaltstitels ermöglichen. 47 Einer Vollstreckung steht auch eine frühere abweisende Entscheidung nicht entgegen, wenn die spätere Entscheidung auf veränderten Umständen (Bedürftigkeit oder Leistungsfähigkeit) beruht. Hier ist die Situation vergleichbar mit der einer Abänderung. 4.

Nachprüfungsverfahren vor dem Ursprungsgericht (Abs 3 UAbs 1)

27 Die Vollstreckung kann von der zuständigen Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat auf Antrag hin insgesamt oder teilweise ausgesetzt werden, wenn der Vollstreckungsschuldner ein Nachprüfungsverfahren der Ursprungsentscheidung vor dem Ursprungsgericht gemäß Art 19 der Verordnung angestrengt hat. 28 Erforderlich ist ein Antrag des Vollstreckungsschuldners. Von Amts wegen darf die Vollstreckung nicht ausgesetzt werden. Selbst wenn deshalb die Vollstreckung im Ursprungsmitgliedstaat ausgesetzt wurde, ist hierfür noch ein Antrag erforderlich, vgl Art 21 Abs 3 UAbs 2. 29 Die Behörde verfügt über ein doppeltes Ermessen. Sie kann entscheiden, ob sie tätig wird und wie. Es besteht wie in den Parallelvorschriften in EG-Verordnungen kein Anspruch des Schuldners auf Aussetzung. 48 Das Gericht soll prüfen, ob der Antrag auf Aussetzung willkürlich zur Verzögerung der Vollstreckung eingelegt wurde oder das im Ursprungsstaat eingelegte Rechtsmittel mutmaßlich Aussicht auf Erfolg haben wird. 49 Zu berücksichtigen sind auch mögliche Schäden beim Schuldner, die bei einer

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49

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OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 33, 34; OLG Köln IPRax 1988, 30; zum HUntAVÜbk 1958 Staudinger /Kropholler (2003) Anh III zu Art 18 EGBGB Rn 78; zu § 328 ZPO Rahm/Künkel/Breuer Bd 3 Kap VIII Rn 260; MünchKommZPO /Gottwald § 328 ZPO Rn 89. AG Gummersbach IPRax 1986, 235, 236; AG Gelsenkirchen FamRZ 1995, 1160; Rahm/Künkel/ Breuer Bd 3 Kap VIII Rn 260; Schack IPRax 1986, 218, 220; aA OVG Münster FamRZ 1975, 47, 50; OLG Hamm FamRZ 1976, 528, 531. BGH FamRZ 2009, 1402. Rauscher/Pabst Art 23 EG-VollstrTitelVO Rn 5; Rauscher /Rauscher Art 35 Brüssel IIa-VO Rn 6; ebenso Art 22 HUntVerfÜbk 2007, vgl Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 508. Thomas/Putzo/Hüßtege Art 35 Brüssel IIa-VO Rn 4; Kropholler Art 46 Brüssel I-VO Rn 5.

Januar 2010

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 21 EG-UntVO 30-32

Vollstreckung nicht wieder gut zu machen wären.50 Die Entscheidung ist ebenso wie bei den entsprechenden Vorschriften (Art 35 Brüssel IIa-VO, Art 23 EG-VollstrTitelVO) nicht anfechtbar.51 Auf reine Inlandsfälle ist dieser Rechtsbehelf zur Aussetzung der Vollstreckung nicht 30 anzuwenden. Zwar können Ursprungs- und Vollstreckungsstaat in Bezug auf Art 19 zusammenfallen, Sinn und Zweck dieser Regelung ist es aber, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass mit der Abschaffung eines Zwischenverfahrens bei der grenzüberschreitenden Vollstreckung die Vollstreckungsorgane unmittelbar aufgrund einer ausländischen Entscheidung hoheitlich tätig werden. Zum Schutz der Rechtssubjekte im Vollstreckungsmitgliedstaat sollen die Rechtsschutzgarantien bis in die Phase der Vollstreckung hinein gewährleistet bleiben. Eine Aussetzung der Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat kann sich in diesem Falle nur aus dem nationalen Recht ergeben.52 Auch dann, wenn der Unterhaltsschuldner anstelle des Nachprüfungsantrages nach 31 Art 19 einen gleichwertigen Rechtsbehelf des nationalen Rechts zur Überprüfung der Verletzung seines rechtlichen Gehörs einlegt, kann die Vollstreckung gemäß Abs 3 UAbs 2 ausgesetzt werden. Erforderlich hierfür ist, dass die Voraussetzungen des Art 19 vorliegen. Die Anwendung dieses Aussetzungsgrundes über den Wortlaut hinaus auf einen nationalen Rechtsbehelf folgt daraus, dass der Schuldner anderenfalls den Rechtsbehelf des Art 19 neben dem des nationalen Rechts einlegen müsste unabhängig davon, ob letzterer bereits zum Erfolg führen würde. Dies würde eine unnötige Belastung der Gerichte nach sich ziehen. Erfolgt die Entscheidung auf den nationalen Rechtsbehelf hin jedoch nicht innerhalb der Frist des Art 19 Abs 2, kann der Schuldner gleichwohl gezwungen sein, zusätzlich den Nachprüfungsantrag nach Art 19 zu stellen, damit dieser nicht verfristet. 5.

Aussetzung der Vollstreckung (Abs 3 UAbs 2)

Der letzte UAbs regelt die Wirkungen einer Aussetzung der Vollstreckbarkeit im Ur- 32 sprungsmitgliedstaat auf den Vollstreckungsstaat. Die Regelung ist erforderlich, weil nach dem Grundprinzip der Verordnung die Ursprungsentscheidung nur im Ursprungsstaat angefochten und überprüft werden kann. Erforderlich ist, dass im Ursprungsmitgliedstaat die Vollstreckbarkeit bereits ausgesetzt wurde. Dh im Unterschied zu Art 46 Brüssel I-VO genügt das bloße Einlegen eines Rechtsbehelfs nicht. Dortige nationale Rechtsbehelfe haben zunächst unmittelbar nur Auswirkung auf die Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass eine Entscheidung im Vollstreckungsstaat nicht weitergehende Wirkungen hat 50

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Rauscher/Pabst Art 23 EG-VollstrTitelVO Rn 5; EuGH Rs 183/90 Van Dalfsen EuGHE 1991 I 4743 Rn 29 zu Art 38 EuGVÜ; BGH NJW 1994, 2156 = IPRax 1995, 243 m Anm Grunsky 218 sowie Stadler, 220. Zur Brüssel IIa-VO vgl Rauscher/Rauscher Art 35 Brüssel IIa-VO Rn 6, insb weil vorliegend nicht einmal gegen die Entscheidung über den Antrag auf Nachprüfung gemäß Art 19 vorgegangen werden kann, vgl dort. Im dt Recht bieten die Vorschriften der §§ 707 ff ZPO entsprechende Schutzmöglichkeiten.

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Art 21 EG-UntVO 33-37

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

als im Ursprungsstaat, muss die Aussetzung der Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat durchwirken auf die Vollstreckbarkeit in anderen Mitgliedstaaten.53 Dies wird durch die Vorschrift klargestellt. 33 Entgegen dem Wortlaut ist kein Antrag des Schuldners erforderlich. Auch hier ist zu beachten, dass eine ausländische Entscheidung im Inland nicht weitergehende Wirkungen haben kann als im Ausland. Deshalb muss eine Aussetzung der Vollstreckung von Amts wegen erfolgen. Eine Initiative des Schuldners wird aber in der Regel erforderlich sein, um das Gericht von der Beschränkung bzw Aussetzung der Vollstreckung im Ursprungsmitgliedstaat in Kenntnis zu setzen. 34 Für die Aussetzung der Vollstreckung im Vollstreckungsstaat kommt es nicht auf die Art des eingelegten Rechtsbehelfs an, sondern nur darauf, ob dieser die Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat beschränkt. 35 Soweit die Vollstreckbarkeit einer für vorläufig vollstreckbar erklärten Entscheidung von einer Sicherheitsleistung nach dem nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaates abhängt, ist dies auch im Vollstreckungsstaat zu beachten. Auch hier darf die Wirkung der Entscheidung nicht weiter gehen, als im Ursprungsmitgliedstaat. Die Vermutung der bedingungslosen Vollstreckbarkeit aufgrund eines ausgefüllten Entscheidungsauszuges auf dem Formblatt in Anhang I ist widerlegbar.54 III. Verfahren

36 Welche Behörden für die Verweigerung oder Aussetzung der Vollstreckung zuständig sind, wird gemäß Art 71 lit f von den Mitgliedstaaten noch mitgeteilt. Zweckmäßig erscheint es, das Vollstreckungsgericht (§ 764 ZPO) mit der Entscheidung über die Anträge auf Verweigerung oder Aussetzung der Vollstreckung zu betrauen.55 IV.

Keine ordre public-Kontrolle

1.

Grundsatz

37 Kein Versagungsgrund stellt dar, dass die Entscheidung aus dem anderen Mitgliedstaat der öffentlichen Ordnung des Vollstreckungsstaates widerspricht. Der Ausschluss der ordre public Kontrolle, der bereits in der EG-VollstrTitelVO, der EG-MahnVO und der EG-BagatellVO vollzogen wurde, wird auf den wichtigen Bereich der Unterhaltsverpflichtungen ausgedehnt. Dies ist ein konsequenter Schritt im Zusammenhang mit der Abschaffung des Exequaturverfahrens, in dessen Folge die ausländische Entscheidung unmittelbare Vollstreckungswirkung in den anderen Mitgliedstaaten erlangt.

53 54 55

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Vgl Stein EuZW 2004, 679, 682 zur EG-VollstrTitelVO. Vgl Rn 12, Art 20 Rn 16, Art 39 Rn 6 f. Wagner IPRax 2002, 75, 93.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 21 EG-UntVO 38, 39

Es handelt sich in erster Linie um eine rechtspolitische Entscheidung. In diesem Zusammenhang ist zu sehen, dass die Exequaturentscheidung einen Hoheitsakt darstellt und nur aufgrund dessen die eigenen Gerichte für die Durchsetzung der Entscheidung in Anspruch genommen werden können. Folgerichtig wird vertreten, dass der eigentliche vollstreckbare Titel im Inland nicht die ausländische Entscheidung, sondern die Vollstreckbarerklärung ist.56 Die Abschaffung des Exequaturverfahrens stellt insoweit einen Systemwandel dar. In das gerichtliche Durchsetzungsmonopol von Entscheidungen für das betreffende Staatsgebiet werden die Entscheidungen der Gerichte der anderen Mitgliedstaaten direkt einbezogen, indem sie den inländischen gleichgestellt werden. In dieses System passt der ordre public Vorbehalt nicht.57 Er müsste natürlich beibehalten werden – mit der Folge, dass der Systemwandel nicht vollzogen wird –, wenn es gewichtige Gründe hierfür gäbe. Vorstellbar sind durchaus einzelne Entscheidungen, die in Bezug auf ihren Inhalt oder in Bezug auf die Art und Weise des Zustandekommens den ordre public des Vollstreckungsstaates verletzen. Schon bisher gibt es jedoch kaum Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten, denen aus ordre public Gründen die Anerkennung versagt wurde. Es fragt sich, ob solche extrem selten auftretenden Einzelfälle es rechtfertigen, ein Exequaturverfahren beizubehalten oder ein anderes Rechtsbehelfsverfahren zu installieren. Dagegen spricht zum einen, dass Schuldner solche Rechtsbehelfsverfahren ausnutzen werden für Fälle, in denen kein ordre public Verstoß vorliegt, um die Vollstreckung hinaus zu zögern. Zum anderen ist mit der EG-UntVO Vorsorge getroffen worden, dass der materiellrechtliche ordre public eines Mitgliedstaates grundsätzlich nicht berührt wird, es sei denn, es handelt sich bei der konkreten Entscheidung um ein Fehlurteil. Solche sind jedoch auch in der eigenen Gerichtspraxis möglich. Der Betroffene kann in solchen Fällen die zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe des Entscheidungsstaates nutzen. 2.

Vorsorge in Bezug auf den materiell-rechtlichen ordre public

a) Der Begriff Familienbeziehungen im Art 1 Abs 1 ist offengehalten.58 Den Mit- 38 gliedstaaten ist es möglich, die EG-UntVO auf solche Beziehungen nicht anzuwenden, die vom Standpunkt der eigenen Rechtsordnung – unter Einschluss des IPR – nicht als Familienbeziehung angesehen werden. Ausgenommen sind die Beziehungen aus Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft. Damit können sie die Anwendung der Verordnung für die Beziehungen ausschließen, deren familienrechtlichen Charakter sie auch aus fundamentalen Gesichtspunkten ablehnen und bei denen sie deshalb auch eine Unterhaltspflicht verneinen. b) Das spezielle Anknüpfungssystem des HUntStProt 2007 führt dazu – wenn es 39 richtig zur Anwendung kommt –, dass der materiell-rechtliche ordre public in Bezug auf Entscheidungen, die auf dieser Grundlage erlassen werden, noch mehr an Bedeutung verliert. 56 57 58

Ua Mankowski ZZPInt 4 (1999) 276 mwN; Roth IPRax 2006, 38 f mwN. So auch Hohloch FS Kropholler (2008) 809, 818. Hierzu Art 1 Rn 9 ff.

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Art 21 EG-UntVO 40

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Art 4 HUntStProt 2007 begünstigt mit der Kaskadenanknüpfung die Gewährung von Unterhalt an Kinder in Eltern-Kind-Beziehungen. Art 6 betrifft alle Unterhaltspflichten, es sei denn, es handelt sich um solche der Eltern gegenüber einem Kind oder um die, die durch die Ehe begründet sind. Die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unterscheiden sich erheblich in der Frage, ob bezogen auf diese Beziehungen eine gesetzliche Unterhaltspflicht besteht. Die kollisionsrechtliche Lösung des Art 6 ist so getroffen, dass grundsätzlich kein mitgliedstaatliches Gericht veranlasst sein dürfte, eine Entscheidung, die aufgrund dieser Bestimmung getroffen worden ist, aus ordre public Gründen abzulehnen. Unterhalt wird nämlich nur dann gewährt – soweit der Verpflichtete von seinem Einspruchsrecht Gebrauch macht –, wenn sowohl das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten als auch des -verpflichteten dies vorsehen. Haben beide eine gemeinsame Staatsangehörigkeit ist zusätzlich eine Unterhaltspflicht gegeben, wenn das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts und die gemeinsame Staatsangehörigkeit dies bestimmen. Die kollisionsrechtliche Kumulation schließt zwar nicht die Anwendung des ordre public aus, schränkt jedoch mögliche Anwendungsfälle ein. Art 8 HUntStProt 2007 trifft Vorsorge, dass die Parteiautonomie nicht dazu benutzt wird, eine Vertragspartei, die die Konsequenzen der Rechtswahl nicht ermessen kann, an eine für sie unvorteilhafte Rechtswahl zu binden. Ein wesentliches Grundprinzip des materiellen Unterhaltsrechts, nämlich, dass bei Bemessung der Leistungspflicht die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten zu berücksichtigen sind, ist als einheitliche Sachnorm in Art 14 HUntStProt 2007 aufgenommen worden. Problematisch ist, dass ein mitgliedstaatliches Gericht in Bezug auf Art 13 HUntStProt 2007 das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts und damit auch des Rechts anderer Mitgliedstaaten am ordre public der eigenen Rechtsordnung misst. Perspektivisch kommt es darauf an, dem ordre public möglichst eine gemeinschaftsrechtliche Seite beizumessen, um ihm die gemeinsamen Grundwerte zugrunde zu legen, vor allem, wenn es um die Heranziehung des ordre public gegenüber dem Ergebnis der Anwendung des Rechts eines anderen Mitgliedstaates geht.59 40 c) Die Anerkennung nach der EG-UntVO umfasst nur den unterhaltsrechtlichen Teil einer Entscheidung, nicht jedoch den Teil, der das zugrundeliegende Statusverhältnis betrifft. Die Gerichte haben mitunter die Anwendung des ordre public erwogen, wenn die der ausländischen Entscheidung zugrunde liegende Klärung der Vorfrage, insbesondere der Vaterschaft, nicht mit den Grundsätzen des deutschen Rechts übereinstimmt.60 Die Ablehnung der Vollstreckung aus diesem ordre public Grund gegenüber einer mitgliedstaatlichen Entscheidung ist nicht mehr zulässig. Jedoch kann der Betroffene eine inländische Statusentscheidung mit erga omnes Wirkung herbei59 60

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Siehr FS Kropholler (2008) 211, 222; eingeschränkt auch Rühl FS Kropholler (2008) 187, 208. OLG Köln FamRZ 2008, 58 bzgl eine Vaterschaftsfeststellung ohne Blutgruppengutachten.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 21 EG-UntVO 41

führen, wenn es eine solche ausländische Entscheidung nicht gibt oder wenn diese nicht anzuerkennen ist. Diese steht dann zu der ausländischen Unterhaltsentscheidung iSd Art 21 Abs 2 UAbs 2 im Widerspruch, so dass der Rechtsbehelf Erfolg haben dürfte. 3.

Verfahrensrechtlicher ordre public

Gegen die Verletzung des verfahrensrechtlichen ordre public61 hat der europäische Ge- 41 setzgeber weniger Barrieren als in der EG-VollstrTitelVO, EG-MahnVO und EGBagatellVO aufgestellt. In Art 19 hat er immerhin einen autonomen Rechtsbehelf für die Fälle der Verletzung des rechtlichen Gehörs in der verfahrenseinleitenden Phase geschaffen. Die darüber hinaus denkbaren Fälle, wie zB die Verletzung des rechtlichen Gehörs nach der Verfahrenseinleitung, der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts, der Gleichbehandlung der Parteien sowie des Fehlens eines fairen Verfahrens können außerhalb des Ursprungsstaates einer unmittelbaren Vollstreckungsmöglichkeit nach Abschnitt 1 nicht entgegengehalten werden.62 Der Verzicht auf die Kontrolle stützt sich wie im Bereich des materiell-rechtlichen ordre public auf das gegenseitige allgemeine Vertrauen der Mitgliedstaaten in eine rechtstaatliche Rechtspflege. Der gezeichnete einheitliche Rechtsraum wird jedoch vielfach als Fiktion beschrieben.63 Es fehlt andererseits an rechtstatsächlichen Untersuchungen, welche elementaren Mängel es in Unterhaltsverfahren in anderen Mitgliedstaaten gibt.64 Es kommt beim ordre public nicht darauf an, dass die ausländische Verfahrenspraxis mit der deutschen gleichwertig ist, sondern nur darauf, dass allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts nicht verletzt werden, auf deren Einhaltung zu bestehen ist, wenn die Entscheidung im Inland durchgesetzt werden soll. Die Forderung aus der Literatur, die Versagungsgründe des Entwurfs um die justiziellen Garantien des GG und der EMRK zu erweitern, fand mit Recht kein Gehör, weil der prozessrechtliche ordre public nur in einem anderen Gewand erschienen wäre. Das Wegfallen des ordre public beschränkt den Rechtsschutz des Schuldners nicht substantiell. Er zwingt ihn dazu, die Verstrickung in einem im Ausland geführten Verfahren ernst zu nehmen.65

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64

65

Zum Begriff des verfahrensrechtlichen ordre public Hohloch FS Kropholler (2008) 809, 811 ff. Weitere Beispielen bei Hohloch FS Kropholler (2008) 809, 816 f. Oberhammer JBl 2006, 477, 497; Rauscher/Pabst Einl EG-VollstrTitelVO Rn 15; Sujecki ZEuP 2008, 458, 469. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Erfahrungsbericht von Hohloch als Mitglied eines Zivilsenats eines OLG, in dessen Zuständigkeit das Beschwerdeverfahren gem §§ 11 ff AVAG liegt. Im Ergebnis der Untersuchung stellt Hohloch fest, dass der Vorbehalt des verfahrensrechtlichen ordre public nur seltenst mit Erfolg bemüht werden kann; siehe Hohloch FS Kropholler (2008) 809 ff. Hohloch FS Kropholler (2008) 809, 818.

Marianne Andrae /Martin Schimrick

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Art 21 EG-UntVO 42- 44

4.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Verfassungsbeschwerde

42 Einer eigenen Untersuchung bedarf es, ob der Titelschuldner gegen die inländische Vollstreckungsmaßnahme als Akt der öffentlichen Gewalt iSv Art 19 Abs 4 GG mit einer Verfassungsbeschwerde vorgehen kann, wenn im Verfahren vor dem ausländischen Gericht sein Recht auf rechtliches Gehör oder andere elementare, auf Grundrechte zurückzuführende Verfahrensgrundsätze verletzt wurden. Dies setzt zumindest voraus, dass die Unterhaltssache einen solchen Inlandsbezug aufweist und deshalb die Grundrechte Geltung verlangen. Erforderlich ist weiterhin, dass der Beschwerdeführer zuvor den Rechtsweg im Ursprungsstaat ausgeschöpft hat. Sodann fragt sich, ob die Grundrechtsprüfung nicht durch die Solange II-Rechtsprechung des BVerfG66 versperrt ist. Dazu wird vertreten, dass wenn der EuGH bei Überprüfung des EG-Rechts auch das nationale Recht des Erststaats mit einbezieht, die Solange II-Rechtsprechung des BVerfG einer Grundrechtsprüfung durch das Bundesverfassungsgericht entgegensteht.67 5.

Verletzung der EMRK

43 Dem Titelschuldner verbleibt die Möglichkeit, soweit die Entscheidung die EMRK verletzt, eine Menschenrechtsbeschwerde vor dem EuGHMR zu erheben.68 Daraufhin kann der EuGHMR im Erfolgsfall eine „gerechte Entschädigung“ zusprechen, wenn das nationale Recht keine ausreichende Wiedergutmachung bei Verletzung der EMRK vorsieht.69 Effektiver jedoch wäre eine Verknüpfung zwischen der Individualbeschwerde zum EGMR und der Aussetzung der Vollstreckung,70 was jedoch wegen der langen Verfahrensdauer vor dem EGMR zu nicht hinnehmbaren Verzögerungen des Vollstreckungsverfahrens führen würde. Wünschenswert wäre auf europäischer Ebene die Ausgestaltung einer europäischen Grundrechtskontrolle in Form einer Individualbeschwerde vor dem EuGH gegen Verletzungen von Verfahrensgrundrechten bei grenzüberschreitenden Zivilverfahren.71 6.

Schadensersatz als Kompensation

44 Unabhängig von diesen grundsätzlichen Betrachtungen, die auch aus der fehlenden Harmonisierung und unterschiedlichen Niveaus der nationalen Systeme folgen, sind Fälle des Prozessbetrugs oder Täuschungen von Gericht oder Beklagten nicht gänzlich auszuschließen.72 Diese Problematik folgt jedoch nicht aus der Grenzüberschreitung zum Zwecke der Vollstreckung. In Deutschland steht gegen die Durchsetzung eines er66

BVerfGE 73, 339.

67

Pfeiffer FS Jayme (2004) 675, 690. Leipold FS Stoll (2001) 625, 645. Sittinger NJW 2001, 1238, 1239; Wagner IPRax 2002, 75, 92; Oberhammer JBl 2006, 477, 498. Rauscher/Pabst Einl EG-VollstrTitelVO Rn 46; Oberhammer JBl 2006, 477, 502. Stadler IPRax 2004, 2, 10; Rauscher /Pabst Einl EG-VollstrTitelVO Rn 43 sowie Art 5 EG-VollstrTitelVO Rn 14. Darauf, dass der EuGH nur Sekundärrecht auf Grundrechtsverstöße überprüft, verweist auch Pfeiffer FS Jayme (2004) 675, 689 f.

68 69 70 71

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 1 . Entscheidungen aus HUntProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 22 EG-UntVO 1

schlichenen Titels oder der arglistigen Ausnutzung eines Titels die Klage nach § 826 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung bzw Schadensersatz (gegebenenfalls in Kombination mit einem Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 ZPO für die Zeit bis zu einer Entscheidung73) zur Verfügung.74 Dies stünde als nationaler Rechtsbehelf zur Verweigerung der Vollstreckung iSv Art 21 Abs 1 nicht im Widerspruch zu den übrigen Aussetzungsgründen der folgenden Absätze des Art 21. Insoweit wäre im Vollstreckungsstaat in diesen Fällen ein gewisses Äquivalent zur ordre public Kontrolle durch den Rechtsschutz im Vollstreckungsverfahren gegeben.

Artikel 22

Keine Auswirkung auf das Bestehen eines Familienverhältnisses Die Anerkennung und Vollstreckung einer Unterhaltsentscheidung aufgrund dieser Verordnung bewirkt in keiner Weise die Anerkennung von Familien-, Verwandtschafts-, oder eherechtlichen Verhältnissen oder Schwägerschaft, die der Unterhaltspflicht zugrunde liegen, die zu der Entscheidung geführt hat.

Die Regelung entspricht Art 3 HUntAVÜbk 1973 und Art 19 Abs 2 HUntVerfÜbk 1 2007, ohne die ein Konsens hinsichtlich einer Anerkennung und grenzüberschreitenden Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen nicht hätte erzielt werden können. Die Bestimmung beruht auf dem Grundsatz, dass die unanfechtbare Anerkennung und die direkte Vollstreckbarkeit sich nur auf den Unterhaltsteil der Entscheidung beziehen. Deren Wirksamkeit ist völlig unabhängig von dem Teil der Entscheidung, die dem Personenstand gewidmet ist.1 Damit soll die Akzessorietät dieser beiden Seiten der Entscheidung, die materiell-rechtlich gegeben ist, für die Anerkennung und Vollstreckung nicht zur Geltung kommen. Für die EG-UntVO besteht auch nicht die Möglichkeit, diese Akzessorietät über den ordre public wiederherzustellen. Zum einen gibt es den ordre public Einwand nicht mehr, zum anderen wäre er wegen der speziellen Regelung, zu dieser Frage ausgeschlossen.

72

73

74

1

Wagner IPRax 2002, 75, 93; Sujecki ZEuP 2008, 458, 477; Mankowski RIW 2004, 587, 588; Stadler IPRax 2004, 2, 8. LG Berlin MDR 2005, 1254; OLG Zweibrücken NJW 1991, 3041; OLG Karlsruhe FamRZ 1986, 1141; aA OLG Stuttgart NJW-RR 1998, 70 (§ 826 BGB ist eine Leistungsklage und keine prozessuale Gestaltungsklage, daher komme nur eine einstweilige Verfügung gegen die Realisierung des Titels in Betracht); ebenso OLG Frankfurt NJW-RR 1992, 511. Oberhammer JBl 2006, 477, 500, mwN. Vgl zu den Voraussetzungen für die Durchbrechung der Rechtskraft mittels § 826 BGB BGHZ 101, 380, 383 ff und BGH NJW 2006, 154, 156 sowie OLG Köln 17.11.2008, Az 16 W 27/08 (allerdings wegen Präklusion ablehnend). Art 5 Nr 2 HUntStÜbk 1973 und Art 22 lit b HUntVerfÜbk 2007 sehen demgegenüber noch den Verweigerungsgrund der betrügerischen Machenschaft vor. Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 38.

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Art 22 EG-UntVO, 2, 3 Vorbem Artt 23 ff EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Die Wertung von Art 22 ist insoweit eingegrenzt, als sie nicht die Herbeiführung einer entgegenstehenden Statusentscheidung iSd Art 21 Abs 2 UAbs 2 ausschließt. 2 2 Konkret bedeutet dies für Art 22: Die Anerkennung erstreckt sich nicht auf das der Unterhaltsentscheidung zugrunde liegende Familienverhältnis von Gläubiger und Schuldner, dh zB ob eine Ehe besteht, eine Verwandtschaft oder wirksame Adoption vorliegt. Bejaht das Ursprungsgericht einen Unterhaltsanspruch auf der Grundlage einer gesetzlichen Vermutung, wie zB für die Vaterschaft § 1592 Nr 1 BGB, hat dies keinen Einfluss auf die Beurteilung dieser Frage im Anerkennungsstaat. Selbst wenn die Unterhaltsentscheidung im Zusammenhang mit einer formellen Entscheidung zu der betreffenden Statusfrage, wie etwa der Ehescheidung oder Vaterschaftsfeststellung, getroffen wurde, verleiht die EG-UntVO der Statusentscheidung in anderen Mitgliedstaaten keine Wirkung. 3 Anderseits ist die Vollstreckung einer Unterhaltsentscheidung nicht davon abhängig, ob eine ihr zugrunde liegende Statusentscheidung im Inland anerkannt wird. Folglich wird zum Zwecke der Vollstreckung auch nicht die Anerkennungsfähigkeit der Statusentscheidung geprüft. 3 Es kommt auch nicht darauf an, ob überhaupt eine Entscheidung zur Statusfrage im Ursprungsmitgliedstaat erlassen wurde oder ob das Statusverhältnis lediglich als Vorfrage inzident beurteilt wurde.

Abschnitt 2 In einem Mitgliedstaat, der nicht durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, ergangene Entscheidungen Vorbemerkungen zu den Artt 23 ff I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

III. Änderungen und Präzisierungen

zur Brüssel I-VO 1. Entgegenstehende Entscheidungen (Art 24 S 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3

632

2. Geltendmachung einer angefochtenen Entscheidung (Art 25) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckbarkeit (Art 26) . . . . . . . . . . . 4. Örtliche Zuständigkeit/gewöhnlicher Aufenthalt (Art 27) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verfahren der Vollstreckbarerklärung (Art 28) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4 7 8 9

3

Hierzu bereits Art 21 Rn 22 ff. Andrae IFR § 8 Rn 115; Martiny FamRZ 2008, 1681,1686; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 34 Brüssel I-VO Rn 158; zum HUntAVÜbk 1973 OLG Karlsruhe NJW-RR 1999, 82, 83 m Anm Gottwald FamRZ 1999, 310; Staudinger /Kropholler (2003) Anh III zu Art 18 EGBGB Rn 20; MünchKommZPO /Gottwald § 328 ZPO Rn 207. Dies war nach Art 27 Nr 4 EuGVÜ noch anders, vgl Garbe/Ullrich/Andrae § 11 Rn 549 ff.

Januar 2010

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 2 . Entscheidungen aus Nicht-HUntStProt 2007 – Mitgliedstaaten 6. Rechtsbehelf gegen Vollstreckbarerklärung (Art 32) . . . . . 7. Vollstreckung einer angefochtenen Entscheidung (Art 35) . . . . . . . . . . . . . .

I.

Vorbem Artt 23 ff EG-UntVO 1- 4

12

8. Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . .

15

13

IV. Übersicht zu den Veränderungen . . . . . .

16

Allgemeines

Der Abschnitt 2 entspricht in speziell auf Unterhaltsfälle angepasster Form dem Sys- 1 tem der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nach der Brüssel I-VO.1 Daher kann bis auf wenige Ausnahmen auf die Kommentierung zu Artt 32-56 Brüssel I-VO verwiesen werden. Für den Fall, dass der Abschnitt 2 Anwendung findet, ersetzt er die Brüssel I-VO.2 II.

Anwendbarkeit

2 Abschnitt 2 hat zwei Anwendungsfelder: a) Für Entscheidungen, deren Verfahren ab dem 18.6.2011 in einem Mitgliedstaat eingeleitet werden, der nicht durch das HUntStProt 2007 gebunden ist. Nach dem bisherigen Stand trifft dies auf Entscheidungen von Gerichten und Behörden aus Dänemark und dem Vereinigten Königreich zu.3 b) Für Entscheidungen der Gerichte und Behörden aller Mitgliedstaaten, die davor eingeleitet worden sind, wenn sich die Anwendung von Abschnitt 2 aus der intertemporalen Regelung des Art 75 Abs 24 ergibt. III. Änderungen und Präzisierungen zur Brüssel I-VO

1.

Entgegenstehende Entscheidungen (Art 24 S 2)

In Art 24 S 2, der dem Art 21 Abs 2 UAbs 3 entspricht,5 wird klargestellt, dass der 3 Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung einer Abänderungsentscheidung nicht diejenige inländische oder anzuerkennende Entscheidung entgegensteht, welche abgeändert wurde. 2.

Geltendmachung einer angefochtenen Entscheidung (Art 25)

Die Regelung des Art 25 hat die Aussetzung eines Verfahrens zur Folge, in dem die 4 Anerkennung einer Entscheidung begehrt wird, die aus einem Mitgliedstaat stammt, der nicht an das HUntStProt 2007 gebunden ist. Das sind neben den Entscheidungen 1 2 3 4 5

Erwägungsgrund 26. Erwägungsgrund 44; Art 68 Abs 1. Hierzu Art 1 Rn 48 ff. Hierzu Art 75 Rn 7 ff. Vgl daher die diesbzgl Kommentierung zu Art 21 Rn 25 f.

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Vorbem Artt 23 ff EG-UntVO 5- 9

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

iSd Überleitungsvorschrift d Art 75 Abs 2 Entscheidungen aus Dänemark und dem Vereinigten Königreich. Voraussetzung für die Aussetzung ist allein, dass ein Rechtsbehelf gegen die vorläufig vollstreckbare Entscheidung eingelegt wurde und dass daraufhin die Vollstreckung dieser Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat einstweilen eingestellt wurde. Durch die Aussetzung des Verfahrens sollen letztlich sich widersprechende Entscheidungen vermieden werden. 5 Art 25 übernimmt die Sonderregelung des Art 37 Abs 2 Brüssel I-VO für Irland und das Vereinigte Königreich. Diese Regelung entstammt schon dem EuGVÜ und war infolge der Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des Begriffs des „ordentlichen Rechtsbehelfs“6 notwendig, weil das nationale Recht dieser beiden Staaten keine Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfen kennt und die angefochtene Entscheidung nicht automatisch ihre Vollstreckbarkeit verliert.7 6 Wird die Anerkennung einer solchen Entscheidung in einem Gerichtsverfahren eines anderen Mitgliedstaates begehrt, so ist dieses Verfahren auszusetzen. Es handelt sich, anders als nach der Brüssel I-VO um eine gebundene Entscheidung. 3.

Vollstreckbarkeit (Art 26)

7 Von der Vorschrift des Art 38 Brüssel I-VO wurde nur der erste Abs übernommen. Anstelle der deutschen Klauselerteilung erfolgt im Vereinigten Königreich eine Registrierung ausländischer Entscheidungen in dem jeweiligen Teilstaat England und Wales, Schottland bzw Nordirland. Dieses Registrierungserfordernis aus Art 38 Abs 2 Brüssel I-VO wurde für Art 26 nicht übernommen. 4.

Örtliche Zuständigkeit /gewöhnlicher Aufenthalt (Art 27)

8 Angelehnt an die Haager Übereinkommen wird die frühere Anknüpfung durch die Brüssel I-VO an den Wohnsitz durch die am gewöhnlichen Aufenthalt ersetzt. 8 Dies gilt auch für Vollstreckbarerklärungsverfahren, vgl Artt 27, 32 Abs 4, 5. 5.

Verfahren der Vollstreckbarerklärung (Art 28)

9 Die Erfordernisse an einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung sind in der EG-UntVO ausführlicher geregelt als in der Brüssel I-VO. So stellt zB Art 28 detaillierte Anforderungen an die beizufügenden Schriftstücke. Dazu gehört der Auszug der Entscheidung, der auf dem Formblatt in Anhang II vom Ursprungsgericht auszufüllen ist. Der Auszug entspricht mit Ausnahme der Überschrift demjenigen in Anhang I für die unmittelbare Vollstreckungsmöglichkeit nach Abschnitt 2. Für die Anforderungen an die Übersetzungen kann auf die Kommentierung zu Art 20 verwiesen werden. 6 7 8

634

EuGH Rs 47/77 Industrial Diamond Supplies/Riva EuGHE 1997 I 2175. Kropholler Art 37 Brüssel I-VO Rn 6. Vgl Art 3 Rn 23 ff.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 2 . Entscheidungen aus Nicht-HUntStProt 2007 – Mitgliedstaaten

Vorbem Artt 23 ff EG-UntVO 10-14

Für die Anforderungen an den entsprechenden Antrag, die sich nicht aus der Verord- 10 nung selbst ergeben, beinhaltete Art 40 Abs 1 Brüssel I-VO noch einen Verweis auf das Recht des Staates, in dem die Vollstreckbarerklärung beantragt wird. Trotz der ausführlicheren Regelungen in der EG-UntVO sind verfahrensrechtliche Fragen denkbar, die nicht in der Verordnung geregelt werden, etwa die Frage der Form des Antrages (vgl § 4 Abs 2 AVAG). Hierfür kann auf den Verweis auf das nationale Recht in Art 41 Abs 1 S 1 zurückgegriffen werden. Die Zeit innerhalb der eine Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung 11 ergehen soll, wird zur Beschleunigung durch eine Fristsetzung in Art 30 auf 30 Tage begrenzt. 9 6.

Rechtsbehelf gegen Vollstreckbarerklärung (Art 32)

Wie die Brüssel I-VO (aber anders als Art 19 Abs 2) enthält Art 32 Abs 5 eine abge- 12 stufte Rechtsmittelfrist, je nach gewöhnlichem Aufenthalt des Vollstreckungsschuldners. Befindet sich dieser außerhalb des Vollstreckungsstaates, wurde die Frist im Verhältnis zur Brüssel I-VO auf 45 Tage verkürzt. Hat er seinen Aufenthalt im Vollstreckungsmitgliedstaat, gilt eine 30 Tagesfrist. 7.

Vollstreckung einer angefochtenen Entscheidung (Art 35)

Art 35 regelt im Wesentlichen das Gleiche wie Art 25, jedoch in einem anderen Ver- 13 fahrensstadium. Hat der Schuldner die Entscheidung des Ursprungsgerichts mit einem Rechtsbehelf angefochten und wurde daraufhin die Vollstreckung der Entscheidung einstweilen eingestellt, kann der Schuldner, wenn er einen Rechtsbehelf nach Art 32 oder Art 33 im Vollstreckungsmitgliedstaat eingelegt hat, beantragen, das Verfahren, in welchem über seinen Rechtsbehelf im Vollstreckbarerklärungsverfahren zu befinden ist, auszusetzen ist. Diese Aussetzung ist für ihn vorteilhaft, weil gemäß Art 36 Abs 3 bis zur Entscheidung im Rechtsbehelfsverfahren nur eine Sicherheitsvollstreckung möglich ist. Auch dieses Konzept ist aus der Brüssel I-VO bekannt. Jedoch verlangte Art 46 Abs 1 14 iVm Abs 2 Brüssel I-VO lediglich die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Entscheidung des Ursprungsgerichts. Art 35 hingegen verlangt als zusätzliche Voraussetzung, dass die Vollstreckung aufgrund dessen im Ursprungsmitgliedstaat eingestellt worden ist. Dies stellt einen Gleichlauf zu Art 25 her. Die Rechtsfolge wurde genau wie bei Art 25 verschärft. Das Gericht trifft bei Vorliegen der Voraussetzungen eine gebundene Entscheidung und hat das Rechtsbehelfsverfahren auszusetzen. Die Möglichkeit, zugleich mit der Aussetzung des Rechtsbehelfsverfahrens die Sicherheitsvollstreckung (Art 36 Abs 3) von einer Sicherheitsleistung durch den Gläubiger abhängig zu machen, sieht die EG-UntVO anders als Art 46 Abs 3 Brüssel I-VO nicht mehr vor. Dadurch wurde der Gläubigerschutz zulasten des Schuldnerschutzes zusätzlich eingeschränkt. 9

Erwägungsgrund 26.

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Vorbem Artt 23 ff EG-UntVO 15, 16

8.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden

15 Zu den erheblichen Unterschieden wird auf die Kommentierung zu Art 48 verwiesen. IV.

Übersicht zu den Veränderungen

16 Inhalt

EG-UntVO

Brüssel I-VO

Änderungen/Anmerkungen

Anerkennung

Art 23

Art 33

keine

Anerkennungsversagungsgründe

Art 24 lit a

Art 34 Nr 1, 35 Abs 3 S 2

Art 35 Abs 3 S 2 Brüssel I-VO wird direkt zum ordre public gezogen – beides jetzt in lit a

Art 24 lit b

Art 34 Nr 2

keine

Art 24 lit c

Art 34 Nr 3

keine

Art 24 lit d

Art 34 Nr 4

Art 24 S 2

keine Hinweis, dass eine Abänderungsentscheidung nicht unvereinbar ist mit der Entscheidung, die sie abändert

Aussetzung des Verfahrens, in Art 25 dem Anerkennung begehrt wird

Art 37 Abs 2

Übernimmt die Sonderregelung für Irland und das Vereinigte Königreich aus der Brüssel I-VO. Die Aussetzung erfolgt jedoch aufgrund gebundener Entscheidung, wenn die Vollstreckung im Ursprungsmitgliedstaat wegen der Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweilen eingestellt wurde.

Vollstreckbarkeit

Art 26

Art 38

Das Erfordernis der Registrierung im Vereinigten Königreich aus Art 38 Abs 2 Brüssel I-VO wurde nicht übernommen.

örtliche Zuständigkeit

Art 27

Art 39

In Abs 2 tritt an die Stelle des Wohnsitzes der gewöhnliche Aufenthalt der Person, gegen die sich die Vollstreckung richten soll

Verfahren

Art 28

Art 40

Kein Verweis mehr auf Geltung des Rechts des Vollstreckungsmitgliedstaates für Antrag

Verfahren

Art 28

Artt 53, 54

Auszug der Entscheidung auf detaillierterem Formblatt; Übersetzung kann durch Gericht nur verlangt werden, wenn Rechtsbehelf nach Artt 32, 33 eingelegt (iÜ vgl Art 20); Konkretisierung zur Person des Übersetzers eingefügt

Nichtvorlage des Auszugs

Art 29

Art 55

keine

Vollstreckbarerklärung

Art 30

Art 41

Eine Frist von 30 Tagen ab der Erfüllung der Förmlichkeiten aus Art 28 wurde für die Vollstreckbarerklärung zusätzlich eingefügt.

Mitteilung der Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckung

Art 31

Art 42

keine

Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über den Antrag

Art 32

Art 43

In Abs 4, 5 nunmehr gewöhnlicher Aufenthalt statt Wohnsitz; in Abs 5 Frist von 30 Tagen anstelle eines Monats / bzw 45 Tage anstelle zweier Monate

Rechtsmittel gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf

Art 33

Art 44

keine

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 2 . Entscheidungen aus Nicht-HUntStProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 23 EG-UntVO

Inhalt

EG-UntVO

Brüssel I-VO

Änderungen/Anmerkungen

Versagung oder Aufhebung einer Vollstreckbarerklärung

Art 34

Art 45

Für Verfahren nach Art 32 Entscheidungsfrist von grds 90 Tagen nach Befassung; für Verfahren nach Art 33 bleibt es bei einer unverzüglichen Entscheidung

Aussetzung des Verfahrens

Art 35

Art 46

Als strengere Voraussetzung für eine Aussetzung muss die Vollstreckung im Ursprungsmitgliedstaat wegen der Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweilen eingestellt sein. Die Aussetzung erfolgt aufgrund einer gebundenen Entscheidung. Eine Sicherheitsleistung für die Vollstreckung kann vom Rechtsbehelfsgericht nicht mehr angeordnet werden.

Einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen

Art 36

Art 47

keine

Teilvollstreckbarkeit

Art 37

Art 48

keine

Keine Stempelabgaben oder Gebühren

Art 38

Art 52

keine

Vorläufige Vollstreckbarkeit

Art 39

Art 36

keine

Durchsetzung einer anerkann- Art 40 ten Entscheidung Vollstreckungsverfahren und Bedingungen für die Vollstreckung

Art 41

Verbot der sachlichen Nachprüfung

Art 42

Kein Vorrang der Eintreibung von Kosten

Art 43

Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden

Art 48

Entspricht Art 43 Abs 1 HUntVerfÜbk 2007 Artt 57, 58

Zu den erheblichen Unterschieden vgl die Kommentierung zu Art 48 Rn 1 ff.

Artikel 23

Anerkennung (1) Die in einem Mitgliedstaat, der nicht durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. (2) Bildet die Frage, ob eine Entscheidung anzuerkennen ist, als solche den Gegenstand eines Streites, so kann jede Partei, welche die Anerkennung geltend macht, in dem Verfahren nach diesem Abschnitt die Feststellung beantragen, dass die Entscheidung anzuerkennen ist. (3) Wird die Anerkennung in einem Rechtsstreit vor dem Gericht eines Mitgliedstaats, dessen Entscheidung von der Anerkennung abhängt, verlangt, so kann dieses Gericht über die Anerkennung entscheiden.

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Art 24-26 EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Artikel 24

Gründe für die Versagung der Anerkennung Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, a) wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widersprechen würde. Die Vorschriften über die Zuständigkeit gehören nicht zur öffentlichen Ordnung (ordre public); b) wenn dem Antragsgegner, der sich in dem Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Antragsgegner hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte; c) wenn sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist; d) wenn sie mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien in einem Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird. Eine Entscheidung, die bewirkt, dass eine frühere Unterhaltsentscheidung aufgrund geänderter Umstände geändert wird, gilt nicht als unvereinbare Entscheidung im Sinne der Buchstaben c oder d.

Artikel 25

Aussetzung des Anerkennungsverfahrens Das Gericht eines Mitgliedstaats, vor dem die Anerkennung einer Entscheidung geltend gemacht wird, die in einem Mitgliedstaat ergangenen ist, der nicht durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, setzt das Verfahren aus, wenn die Vollstreckung der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat wegen der Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweilen eingestellt ist.

Artikel 26

Vollstreckbarkeit Eine Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat ergangen ist, der nicht durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, die in diesem Staat vollstreckbar ist, wird in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden ist.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 2 . Entscheidungen aus Nicht-HUntStProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 27-29 EG-UntVO

Artikel 27

Örtlich zuständiges Gericht (1) Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist an das Gericht oder an die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats zu richten, das beziehungsweise die der Kommission von diesem Mitgliedstaat gemäß Artikel 71 notifiziert wurde. (2) Die örtliche Zuständigkeit wird durch den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, oder durch den Ort, an dem die Vollstreckung durchgeführt werden soll, bestimmt.

Artikel 28

Verfahren (1) Dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung sind folgende Schriftstücke beizufügen: a) eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, b) einen durch das Ursprungsgericht unter Verwendung des Formblatts in Anhang II erstellten Auszug aus der Entscheidung, unbeschadet des Artikels 29; c) gegebenenfalls eine Transskript oder eine Übersetzung des Inhalts des in Buchstabe b genannten Formblatts in die Amtssprache des Vollstreckungsmitgliedstaats oder – falls es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt – nach Maßgabe des Rechts dieses Mitgliedstaats – in die oder eine der Verfahrenssprachen des Ortes, an dem der Antrag gestellt wird, oder in eine sonstige Sprache, die der Vollstreckungsmitgliedstaat für zulässig erklärt hat. Jeder Mitgliedstaat kann angeben, welche Amtssprache oder Amtssprachen der Organe der Europäischen Union er neben seiner oder seinen eigenen für das Ausfüllen des Formblatts zulässt. (2) Das Gericht oder die zuständige Behörde, bei dem beziehungsweise bei der der Antrag gestellt wird, kann vom Antragsteller nicht verlangen, dass dieser eine Übersetzung der Entscheidung vorlegt. Eine Übersetzung kann jedoch im Rahmen des Rechtsbehelfs nach Artikel 32 oder Artikel 33 verlangt werden. (3) Eine Übersetzung aufgrund dieses Artikels ist von einer Person zu erstellen, die zur Anfertigung von Übersetzungen in einem der Mitgliedstaaten befugt ist.

Artikel 29

Nichtvorlage des Auszugs (1) Wird der Auszug nach Artikel 28 Absatz 1 Buchstabe b nicht vorgelegt, so kann das Gericht oder die zuständige Behörde eine Frist bestimmen, innerhalb deren er vorzulegen ist, oder sich mit einem gleichwertigen Schriftstück begnügen oder von der Vorlage des Auszugs befreien, wenn es eine weitere Klärung nicht für erforderlich hält. (2) In dem Fall nach Absatz 1 ist auf Verlangen des Gerichts oder der zuständigen Behörde eine Übersetzung der Schriftstücke vorzulegen. Die Übersetzung ist von einer Person zu erstellen, die zur Anfertigung von Übersetzungen in einem der Mitgliedstaaten befugt ist.

Marianne Andrae /Martin Schimrick

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Art 30-32 EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Artikel 30

Vollstreckbarerklärung Sobald die in Artikel 28 vorgesehenen Förmlichkeiten erfüllt sind, spätestens aber 30 Tage nachdem diese Förmlichkeiten erfüllt sind, es sei denn, dies erweist sich aufgrund außergewöhnlicher Umstände als nicht möglich, wird die Entscheidung für vollstreckbar erklärt, ohne dass eine Prüfung gemäß Artikel 24 erfolgt. Die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, erhält in diesem Abschnitt des Verfahrens keine Gelegenheit, eine Erklärung abzugeben.

Artikel 31

Mitteilung der Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung (1) Die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung wird dem Antragsteller unverzüglich in der Form mitgeteilt, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht. (2) Die Vollstreckbarerklärung und, soweit dies noch nicht geschehen ist, die Entscheidung werden der Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, zugestellt.

Artikel 32

Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über den Antrag (1) Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann jede Partei einen Rechtsbehelf einlegen. (2) Der Rechtsbehelf wird bei dem Gericht eingelegt, das der betreffende Mitgliedstaat der Kommission nach Artikel 71 notifiziert hat. (3) Über den Rechtsbehelf wird nach den Vorschriften entschieden, die für Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör maßgebend sind. (4) Lässt sich die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, in dem Verfahren vor dem mit dem Rechtsbehelf des Antragstellers befassten Gericht nicht ein, so ist Artikel 11 auch dann anzuwenden, wenn die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat. (5) Der Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung ist innerhalb von 30 Tagen nach ihrer Zustellung einzulegen. Hat die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als dem, in dem die Vollstreckbarerklärung ergangen ist, so beträgt die Frist für den Rechtsbehelf 45 Tage und beginnt von dem Tage an zu laufen, an dem die Vollstreckbarerklärung ihr entweder in Person oder in ihrer Wohnung zugestellt worden ist. Eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ist ausgeschlossen.

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Januar 2010

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 2 . Entscheidungen aus Nicht-HUntStProt 2007 – Mitgliedstaaten

Art 33-36 EG-UntVO

Artikel 33

Rechtsmittel gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf Die über den Rechtsbehelf ergangene Entscheidung kann nur im Wege des Verfahrens angefochten werden, das der betreffende Mitgliedstaat der Kommission nach Artikel 71 notifiziert hat.

Artikel 34

Versagung oder Aufhebung einer Vollstreckbarerklärung (1) Die Vollstreckbarerklärung darf von dem mit einem Rechtsbehelf nach Artikel 32 oder Artikel 33 befassten Gericht nur aus einem der in Artikel 24 aufgeführten Gründe versagt oder aufgehoben werden. (2) Vorbehaltlich des Artikels 32 Absatz 4 erlässt das mit einem Rechtsbehelf nach Artikel 32 befasste Gericht seine Entscheidung innerhalb von 90 Tagen nach seiner Befassung, es sei denn, dies erweist sich aufgrund außergewöhnlicher Umstände als nicht möglich. (3) Das mit einem Rechtsbehelf nach Artikel 33 befasste Gericht erlässt seine Entscheidung unverzüglich.

Artikel 35

Aussetzung des Verfahrens Das mit einem Rechtsbehelf nach Artikel 32 oder Artikel 33 befasste Gericht setzt auf Antrag der Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, das Verfahren aus, wenn die Vollstreckung der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat wegen der Einlegung eines Rechtsbehelfs einstweilen eingestellt ist.

Artikel 36

Einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen (1) Ist eine Entscheidung nach diesem Abschnitt anzuerkennen, so ist der Antragsteller nicht daran gehindert, einstweilige Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats in Anspruch zu nehmen, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung nach Artikel 30 bedarf. (2) Die Vollstreckbarerklärung umfasst von Rechts wegen die Befugnis, solche Maßnahmen zu veranlassen. (3) Solange die in Artikel 32 Absatz 5 vorgesehene Frist für den Rechtsbehelf gegen die Vollstreckbarerklärung läuft und solange über den Rechtsbehelf nicht entschieden ist, darf die Zwangsvollstreckung in das Vermögen der Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, nicht über Maßnahmen zur Sicherung hinausgehen.

Marianne Andrae /Martin Schimrick

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Art 37, 38 EG-UntVO Art 39 EG-UntVO, 1, 2

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Artikel 37

Teilvollstreckbarkeit (1) Ist durch die Entscheidung über mehrere mit dem Antrag geltend gemachte Ansprüche erkannt worden und kann die Vollstreckbarerklärung nicht für alle Ansprüche erteilt werden, so erteilt das Gericht oder die zuständige Behörde sie für einen oder mehrere dieser Ansprüche. (2) Der Antragsteller kann beantragen, dass die Vollstreckbarerklärung nur für einen Teil des Gegenstands der Entscheidung erteilt wird.

Artikel 38

Keine Stempelabgaben oder Gebühren Im Vollstreckungsmitgliedstaat dürfen im Vollstreckbarerklärungsverfahren keine nach dem Streitwert abgestuften Stempelabgaben oder Gebühren erhoben werden.

Abschnitt 3 Gemeinsame Bestimmungen Artikel 39

Vorläufige Vollstreckbarkeit Das Ursprungsgericht kann die Entscheidung ungeachtet eines etwaigen Rechtsbehelfs für vorläufig vollstreckbar erklären, auch wenn das innerstaatliche Recht keine Vollstreckbarkeit von Rechts wegen vorsieht.

I.

Vorläufige Vollstreckbarkeit

1 Das Ursprungsgericht kann die vorläufige Vollstreckbarkeit anordnen, auch wenn seine nationalen Verfahrensvorschriften diese nicht kennen, Art 39.1 Dies gilt selbst für den Fall, dass die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat mittels eines Rechtsbehelfs angefochten wurde oder dessen Anfechtung noch möglich ist. 2 Die Verordnung formuliert hierfür keine Voraussetzungen. Art 39 ermöglicht eine Ermessensentscheidung. Nach Erwägungsgrund 22 soll grundsätzlich die vorläufige Vollstreckbarkeit angeordnet werden. In Anbetracht dieses Ausgangspunktes sowie des Umstandes, dass die Vorschrift einen Antrag des Berechtigten nicht vorsieht, kann geschlussfolgert werden, dass das Gericht über die Frage, ob es eine vorläufige Vollstreckbarkeit anordnet, von Amts wegen zu entscheiden hat. 1

642

Vgl Erwägungsgrund 22.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 39 EG-UntVO 3-5

Die Vorschrift erfasst nicht nur grenzüberschreitende Sachverhalte, sondern auch rei- 3 ne Inlandsfälle, denn es ist mitunter bei Erlass des Urteils nicht absehbar, ob im Ausland vollstreckt werden soll. Ebenso wie es für ein Gericht im Erkenntnisverfahren unerheblich ist, ob der Schuldner zur Zeit des Urteilserlasses überhaupt über vollstreckungsfähiges Vermögen verfügt, kann es nicht darauf ankommen, ob der Gläubiger im Ausland vollstrecken will oder kann. Wäre eine Auslandsbeziehung zu verlangen, so fragt sich, welche Anforderungen da- 4 ran zu stellen sind. Der Verordnung selbst sind keine Kriterien zu entnehmen. Auch enthält sie kein gestuftes Verfahren, welches zwischen anfänglichen und späteren Auslandsfällen unterscheidet, wie zB Art 41 Abs 3 Brüssel IIa-VO. Dort ist bei Fällen nachträglichen Auslandsbezuges ein Antrag erforderlich. In Fällen, bei denen der Auslandsbezug von Anfang an besteht, hat das Gericht von Amts wegen über die Vollstreckbarerklärung zu entscheiden. Ausgehend von dem Grundgedanken dieser Regelung ließe sich annehmen, dass die vorläufige Vollstreckbarkeit erst nachträglich anzuordnen ist, wenn der Berechtigte die Kurzfassung der Entscheidung nach Anhang I oder II für die Vollstreckung im Ausland beantragt. Da hierzu jedoch eine Ergänzung des Titels erforderlich wäre, müsste ein entsprechendes Verfahren zur Verfügung gestellt werden. Zudem würde es die Erteilung der Kurzfassung deutlich verzögern. Dies verstößt jedoch gegen das Regelungsziel der beschleunigten Vollstreckung von Unterhaltsforderungen, weshalb mangels Regelung ein solch gestuftes Verfahren auch nicht durch Auslegung hineinzuinterpretieren ist. Blieben nur von Anfang an definierbare Kriterien des Auslandsbezuges. Entsprechend dem oben Gesagten muss dabei jedoch allein die Möglichkeit genügen, dass der Vollstreckungsschuldner innerhalb der Vollstreckungsverjährung irgendwann in einem anderen Mitgliedstaat Vermögen haben wird. Da dies nie generell auszuschließen ist, gäbe es kein taugliches Kriterium zur Bestimmung des Auslandsbezuges iSv Art 39. Die Erstreckung auf Inlandsfälle respektiert auch den Grundsatz, dass ein Urteil im Ausland nicht weitere Wirkungen entfalten kann als im Ursprungsstaat. 2 Eine Entscheidung im Anwendungsbereich der EG-UntVO kann daher in jedem Falle auch ohne Auslandsbezug für vorläufig vollstreckbar erklärt werden und daraufhin auch im Inland vollstreckt werden. Dadurch bewirkt die Norm eine Harmonisierung der Regelungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit. Hier stellt sich die Frage nach der Regelungskompetenz der Europäischen Gemein- 5 schaft. 3 Art 61 lit c iVm Art 65 EGV fordern grenzüberschreitende Bezüge. Die Kompetenz ließe sich daher allenfalls über Art 65 lit c EGV begründen. Das Problem der Inlandsfälle wurde bereits im Grünbuch Unterhaltspflichten gesehen. 4 Die dort bezeichnete Studie empfiehlt, alle Entscheidungen der Mitgliedstaaten in Unterhalts2 3

4

Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 33 Brüssel I-VO Rn 11. Krit Linke FPR 2006, 237, 239. Ebenso bzgl der gleichen Frage bei der Brüssel IIa-VO Rauscher/Rauscher Art 41 Brüssel IIa-VO Rn 13. Europäische Kommission, 15.4.1004, KOM (2004) 254, 22.

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Art 39 EG-UntVO 6, 7

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

sachen von Rechts wegen mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit auszustatten. Dies ersetzt aber nicht die fehlende Kompetenz, die mangels Binnenmarktbezug bei reinen Inlandsfällen bleibt. Aus deutscher Sicht ist das Kompetenzproblem jedoch nicht wesentlich, da die vorläufige Vollstreckbarkeit von Amts wegen zu prüfen ist und die Regelung somit keine Änderung des nationalen Verfahrensrechts bewirkt. II.

Sicherheitsleistung

6 Anders als im Entwurf (Art 26 S 2 EG-UntVO-E) wird die Anordnung einer Sicherheitsleistung nicht mehr ausdrücklich ausgeschlossen.5 Da aber die vorläufige Vollstreckbarkeit regelmäßig angeordnet werden soll, darf nur in Ausnahmefällen eine Entscheidung nur gegen Sicherheitsleistung für vollstreckbar erklärt werden und nur wenn dies mit dem Sinn und Zweck der Verordnung nicht im Widerspruch steht. Diese sind auf die schnelle und effektive Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gerichtet. Mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit soll die Deckung des aktuellen Unterhaltsbedarfs gewährleistet werden. Die Regelung soll einen Mindeststandard setzen. Ein Ausnahmefall wäre zB dann gegeben, wenn der Unterhalt einmalig in Form einer Pauschalzahlung (lump sum) zu leisten ist,6 hier kann die Anordnung einer Sicherheitsleistung sinnvoll sein. Denkbar ist es auch, die vorläufige Vollstreckbarkeit an eine Sicherheit zu binden, wenn der Unterhaltsgläubiger seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hat. Auch kann ein Gericht die vorläufige Vollstreckbarkeit größerer Unterhaltsrückstände von einer Sicherheitsleistung abhängig machen. Für diesen Fall enthält das deutsche Recht in § 708 Nr 8 ZPO bereits eine Regelung. Diese ist mit der EG-UntVO auch vereinbar, denn selbst wenn der Unterhaltsgläubiger die Sicherheitsleistung nicht aufbringen kann, gefährdet dies nicht sein aktuelles finanzielles Auskommen, denn für den laufenden Unterhalt ist eine bedingungslose Vollstreckung möglich. Diese Regelung des deutschen Rechts dient dem Schuldnerschutz. Er soll nicht mit einer Summe, die sich über mehrere Monate angesammelt hat, überfordert werden, zumal er regelmäßig auch den laufenden Unterhalt leisten muss. Da die Sicherheitsleistung selbst in der Verordnung nicht geregelt ist, ergeben sich ihre Voraussetzungen, insbesondere auch das Erfordernis der Antragstellung, aus dem nationalen Recht. 7 Beantragt der Gläubiger die Erstellung eines Auszuges der Entscheidung in Form des Formulars in Anhang I, so ist dieser erst dann zu erteilen, wenn die Sicherheitsleistung erbracht wurde,7 denn vor dieser Leistung ist eine derartige Entscheidung auch im Ursprungsmitgliedstaat nicht vollstreckbar. Mithin fehlt auch die Grundlage für eine unmittelbare Vollstreckungsmöglichkeit nach Abschnitt 1. Wenn andererseits das Ursprungsgericht einen Entscheidungsauszug unter Verwendung des Formblattes in An5

6 7

644

Die Regelung des Entwurfes kritisierte wegen ihrer Vernachlässigung des Schuldnerschutzes bereits Linke FPR 2006, 237, 239, insb für den Fall eines eingelegten Rechtsbehelfs, dessen Erfolg absehbar ist. Vgl OLG Celle FamRZ 2009, 359. Vgl Art 20 Rn 16, Art 21 Rn 12, 35.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 40 EG-UntVO 1

hang I erstellt ohne darin anzugeben, dass die Vollstreckbarkeit der Entscheidung unter der Bedingung einer Sicherheitsleistung steht, ist die Entscheidung nicht bedingungslos vollstreckbar. Die gleiche Situation tritt ein, wenn die Vollstreckbarkeit eines Versäumnisurteils nachträglich auf den Einspruch des Schuldners hin von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wird. Betreibt der Gläubiger dennoch die Vollstreckung, hat das zuständige Vollstreckungsorgan die Durchführung zu verweigern, bis die für die Vollstreckung erforderliche Sicherheit im Ursprungsmitgliedstaat oder im Vollstreckungsmitgliedstaat geleistet wurde. Die Rechtsfolge einer Vollstreckungsmaßnahme ohne Titel bestimmt sich nach dem nationalen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates, nach deutschem Recht ist jene Vollstreckungsmaßnahme unwirksam. UE sollte das Formular für den Entscheidungsauszug in Anhang I um ein Feld für eventuell erforderliche Sicherheitsleistungen ergänzt werden. Das Formular in Anhang I sieht bisher keine Möglichkeit vor, derartige Angaben zu machen. Derzeit könnte das Erfordernis einer Sicherheitsleistung allenfalls unter 5.2.1.8. (sonstige Zahlungsart) angegeben werden.

Artikel 40

Durchsetzung einer anerkannten Entscheidung (1) Eine Partei, die in einem anderen Mitgliedstaat eine im Sinne des Artikel 17 Absatz 1 oder des Abschnitt 2 anerkannte Entscheidung geltend machen will, hat eine Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. (2) Das Gericht, bei dem die anerkannte Entscheidung geltend gemacht wird, kann die Partei, die die anerkannte Entscheidung geltend macht, gegebenenfalls auffordern, einen vom Ursprungsgericht erstellten Auszug unter Verwendung des Formblatts in Anhang I beziehungsweise in Anhang II vorzulegen. Das Ursprungsgericht erstellt diesen Auszug auch auf Antrag jeder betroffenen Partei. (3) Gegebenenfalls übermittelt die Partei, die die anerkannte Entscheidung geltend macht, eine Transskript oder eine Übersetzung des Inhalts des in Absatz 2 genannten Formblatts in die Amtssprache des betreffenden Mitgliedstaats oder – falls es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt – nach Maßgabe der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats – in die oder eine der Verfahrenssprachen des Ortes, an dem die anerkannte Entscheidung geltend gemacht wird, oder in eine sonstige Sprache, die der betreffende Mitgliedstaat für zulässig erklärt hat. Jeder Mitgliedstaat kann angeben, welche Amtssprache oder Amtssprachen der Organe der Europäischen Union er neben seiner oder seinen eigenen für das Ausfüllen des Formblatts zulässt. (4) Eine Übersetzung aufgrund dieses Artikels ist von einer Person zu erstellen, die zur Anfertigung von Übersetzungen in einem der Mitgliedstaaten befugt ist.

Die Vorschrift betrifft nicht die Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen, son- 1 dern deren Beachtung in anderen Verfahren. Beispiele sind Abänderungsanträge oder der Fall einer Aufrechnung des Gläubigers mit Forderungen aus diesem Unterhaltstitel etc. Denkbar wäre auch der Einwand entgegenstehender Rechtskraft einer ausländischen Entscheidung. Marianne Andrae /Martin Schimrick

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Art 40 EG-UntVO, 2 Art 41 EG-UntVO, 1

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Begehrt eine Partei, dass eine Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat von einem Gericht für dessen Entscheidungsfindung beachtet wird, so hat die Partei die in Art 40 aufgeführten Schriftstücke beizubringen. 2 Die Vorschrift ist genauso auszulegen, wie Art 20 und Art 28, die die Erfordernisse für die Vollstreckung bzw für die Erteilung einer Vollstreckbarerklärung statuieren. Im Gegensatz dazu ist gemäß Art 40 Abs 2 jedoch nicht zwingend ein Auszug der Entscheidung in Form des Formulars in Anhang I oder II erforderlich. Ob diese Kurzform des Titels verlangt wird, steht im Ermessen des Gerichts. Die Regelung ermöglicht damit eine flexible Gestaltung des Verfahrens. Nur für den Fall, dass der Inhalt der Entscheidung relevant ist oder (bei Entscheidungen nach Abschnitt 2) deren Anerkennungsfähigkeit bestritten wird, stellt sich dem Gericht die Frage, ob es mithilfe eigener Sprachkenntnisse den Inhalt der Entscheidung ergründen bzw die Einwände gegen eine Anerkennung ausräumen kann.

Artikel 41

Vollstreckungsverfahren und Bedingungen für die Vollstreckung (1) Vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Verordnung gilt für das Verfahren zur Vollstreckung der in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. Eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung, die im Vollstreckungsmitgliedstaat vollstreckbar ist, wird dort unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie eine im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene Entscheidung. (2) Von der Partei, die die Vollstreckung einer Entscheidung beantragt, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangen ist, kann nicht verlangt werden, dass sie im Vollstreckungsmitgliedstaat über eine Postanschrift oder einen bevollmächtigten Vertreter verfügt, außer bei den Personen, die im Bereich der Vollstreckungsverfahren zuständig sind. I. Grundsatz der Anwendung der lex fori im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . .

IV. Bestimmtheitsanforderungen. . . . . . . . . . .

9

V. Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

1

II. Erfordernis einer vollstreckbaren

Ausfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

VI. Zustellungen an den Vollstreckungs-

gläubiger (Art 41 Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . .

11

III. Gleichstellung mit inländischen

Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

8

Grundsatz der Anwendung der lex fori im Vollstreckungsverfahren

1 Die Vollstreckung erfolgt unter Anwendung der nationalen Vollstreckungsvorschriften des Vollstreckungsmitgliedstaates (Abs 1 S 1). Die Verweisung führt für das deutsche Recht zu den noch ausstehenden Ausführungsregelungen und im Übrigen über

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 41 EG-UntVO 2-5

§ 120 FamFG zu den §§ 704 ff ZPO. Die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Vollstreckungsorgans sind der lex fori zu entnehmen. II.

Erfordernis einer vollstreckbaren Ausfertigung

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob für eine Vollstreckung in Deutsch- 2 land eine vollstreckbare Ausfertigung (Klausel) erforderlich ist. Grundsätzlich ist diese eine notwendige Voraussetzung für eine Vollstreckung in Deutschland. Art 20 jedenfalls verlangt die Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung für die Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat nicht.1 Ein Blick auf vergleichbare Regelungen verwehrt dieses Erfordernis allerdings nicht. 3 Selbst in den Fällen, in denen auf das Klauselerfordernis nach nationalem Recht verzichtet wird, halten die Regelungen jeweils einen äquivalenten Ersatz vor. Bei einer Vollstreckung nach der Brüssel I-VO wird die vollstreckbare Ausfertigung dadurch ersetzt, dass gemäß Art 40 Brüssel I-VO iVm §§ 8, 9 AVAG die ausländische Entscheidung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle mit einer Vollstreckungsklausel versehen wird.2 Bei dem Europäischen Vollstreckungstitel (§ 1082 ZPO), bei dem Europäischen Zahlungsbefehl (§ 1093 ZPO) und bei einer Entscheidung nach der EGBagatellVO (§ 1107 ZPO) bedarf es keiner Vollstreckungsklausel. Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nach Art 9 EG-VollstrTitelVO3, die Vollstreckbarerklärung gemäß Art 18 EG-MahnVO4 und die Bestätigung als in dem Verfahren nach der EG-BagatellVO ergangener Titel nach Art 20 Abs 2 EG-BagatellVO5 ersetzen eine vollstreckbare Ausfertigung mit Klausel. Eine nach der EG-UntVO ergangene Entscheidung ist in den anderen Mitgliedstaaten 4 jedoch vollstreckbar, ohne dass es einer Bestätigung bedarf. Eine Bestätigung (EGVollstrTitelVO, EG-BagatellVO), welche die vollstreckbare Ausfertigung ersetzen könnte, sieht die EG-UntVO jedoch nicht vor. Es ist fraglich, ob die vollstreckbare Ausfertigung durch die vom Ursprungsgericht ge- 5 mäß Art 20 Abs 1 lit b auszustellende Kurzfassung des Titels auf dem Formblatt in Anhang I ersetzt wird. Diese gibt nur Auskunft über die Vollstreckbarkeit und stellt die für die Vollstreckung wesentlichen Daten zusammen, damit auf die Übersetzung der gesamten Entscheidung verzichtet werden kann. Deshalb kann darin nicht per se ein gleichwertiges Äquivalent gesehen werden.

1

2

3 4

5

Zur gleichlautenden Regelung in der EG-VollstrTitelVO Rauscher /Pabst Art 20 EG-VollstrTitelVO Rn 9 ff. MünchKommZPO /Gottwald Art 40 Brüssel I-VO Rn 1, 5; Rauscher/Mankowski Art 41 Brüssel I-VO Rn 11; Kropholler Art 41 Brüssel I-VO Rn 3. MünchKomZPO /Adolphsen § 1082 ZPO Rn 1. Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung, BR-Drs 95/ 08 S 36. Ebenda S 44.

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Art 41 EG-UntVO 6- 9

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

6 Der deutsche Gesetzgeber muss sich folglich in den Ausführungsbestimmungen zur Verordnung entscheiden, ob die Schriftstücke nach Art 20 ausreichen, ohne dass der Vollstreckungstitel einer Klausel bedarf oder ob der zu vollstreckende ausländische Unterhaltstitel in Deutschland noch mit einer Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Für Letzteren würde zuvor anhand der vorzulegenden Ausfertigung geprüft, ob eine wirksame Entscheidung vorliegt, sie der EG-UntVO unterliegt, sie den zu vollstreckenden Anspruch als Gegenstand der Vollstreckung erkennen lässt und sie vollstreckungsreif ist.6 Gegen die Klausel wären sodann die Rechtsbehelfe des nationalen Rechts gegeben, dh die Klauselerinnerung gemäß § 732 ZPO zB für den Fall mangelnder Bestimmtheit. Ließe der deutsche Gesetzgeber hingegen die Vollstreckung ohne Klauselerteilung zu, wäre der Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners mittels einer Vollstreckungsgegenklage analog § 767 ZPO sichergestellt.7 7 Für das Klauselerfordernis spricht, dass ein kompetentes Organ prüft, – ob der Anwendungsbereich der Unterhaltsverordnung und speziell des Kapitels IV Abschnitt 1 eröffnet ist, – die Entscheidung, öffentliche Urkunde oder gerichtlicher Vergleich im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist und die für die inländische Vollstreckbarkeit notwendige Bestimmtheit aufweist. Gegebenenfalls kann dieses Organ, wenn die Kriterien für die Bestimmbarkeit vorliegen, die Konkretisierung vornehmen. Das Klauselerfordernis verstößt nicht gegen das Verbot der révision au fond, denn die Entscheidung selbst wird bei der Klauselerteilung nicht überprüft. Zudem stellt es auch kein verstecktes Exequaturverfahren dar. Für sie spricht, dass sie auch Voraussetzung der Vollstreckung aus einer inländischen Entscheidung ist und zum inländischen Vollstreckungsverfahren gehört. Ausländische Entscheidungen werden insoweit den inländischen gleichgestellt, was in Übereinstimmung mit Art 41 Abs 1 steht. III. Gleichstellung mit inländischen Entscheidungen

8 Art 41 Abs 1 S 2 beschreibt die Wirkung ausländischer Entscheidungen im nationalen Vollstreckungsverfahren. Sie werden diesbezüglich inländischen Entscheidungen gleichgestellt. An sie dürfen keine höheren Anforderungen gestellt werden, die über die zusätzlich nach Art 20 bzw Art 28 geforderten Schriftstücke hinausgehen. IV.

Bestimmtheitsanforderungen

9 Die Gleichstellung mit inländischen Vollstreckungstiteln hat zur Folge, dass der ausländische Titel den Bestimmtheitsanforderungen entsprechen muss, die das deutsche Recht an einen Vollstreckungstitel stellt. 8 Bisher wurde, wenn die ausländische Ent6 7 8

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Vgl MünchKommZPO /Wolfsteiner § 724 ZPO Rn 30 ff. BGH NJW 2006, 695; BGHZ 114, 230, 234. Eingehend hierzu BGHZ 122, 16, 17 ff = NJW 1993, 1801, 1802 f m zustimm Anm Roth IPRax 1994, 350; BGH NJW 1986, 1440 f = FamRZ 1986, 45, 46 f; Wagner FS Sonnenberger (2004) 727, 735 ff; Zöller /Geimer § 722 ZPO Rn 58; MünchKommZPO /Gottwald § 722 ZPO Rn 17.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 41 EG-UntVO 10

scheidung diesen Erfordernissen nicht entsprach, diese auf Antrag im Exequaturverfahren konkretisiert. Für die EG-VollstrTitelVO stellt sich dieses Problem nicht, weil von ihr nur Forderungen, die auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme lauten, erfasst sind. Wird ein Klauselerteilungserfordernis in der deutschen Ausführungsregelung vorgesehen, dann könnte auf dieser Ebene die erforderliche Bestimmtheit des Titels, gegebenenfalls auf Antrag des Gläubigers auf entsprechenden Hinweis des Gerichts hin, hergestellt werden. Im Übrigen müsste sonst das Vollstreckungsorgan selbst diese Aufgabe wahrnehmen. Eine Konkretisierung, um den Bestimmtheitsanforderungen zu entsprechen, setzt voraus, dass sich die Kriterien, nach denen sich die Leistungspflicht bestimmt, aus den ausländischen Vorschriften oder ähnlichen im Inland gleichermaßen zugänglichen oder sicher feststellbaren Umständen ergeben.9 Das trifft ua zu für Verurteilungen zu gesetzlichen Zinsen,10 Entscheidungen, die den Unterhaltstitel mit einem Preis- oder Lohnindex durch Gesetz verknüpfen und sich demgemäß kraft Gesetzes und ohne Umschreibung des Titels erhöhen,11 sowie Entscheidungen, die Währungsanpassungsklauseln in Bezug auf den bezifferten Unterhaltsbetrag enthalten.12 Die Konkretisierung muss nach ausländischem Recht automatisch und nicht erst im Wege nachträglicher gerichtlicher Ergänzung eintreten,13 der ausländische Titel demnach zumindest mittelbar eindeutig über die Höhe der Forderung befinden.14 Scheitert eine hinreichend genaue Fassung des Vollstreckungstitels insbesondere am Verbot der Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der ausländischen Entscheidung, ist der Antrag auf Vollstreckung zurückzuweisen.15 Unbestimmtheit ist auch gegeben, wenn die ausländische Entscheidung den Unterhalt an anspruchsbegründende Bedingungen knüpft, die eine Sachaufklärung im Erkenntnisverfahren erfordern.16 V.

Zustellung

Für das Erfordernis der Zustellung der Entscheidung an den Schuldner vor der Vollstre- 10 ckung gibt es keine Regelung in der Verordnung. Deshalb gilt hierfür das Recht des Vollstreckungsstaates.

9

BGH NJW 1986, 1440, 1441 = FamRZ 1986, 45, 46; Rahm/Künkel/Breuer Bd 3 VIII Rn 293 mwN.

10

Ua mwN BGH NJW 1990, 3084, 3085; OLG Hamburg OLGReport 1998, 87; OLG Frankfurt aM OLGReport 1992, 34; fehlerhaft OLG München IPRax 1988, 291, 292. Entsprechende Entscheidungen ergehen zB in den Niederlanden (siehe OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 1019, 1020) und den skandinavischen Ländern (vgl mwN KG DAVorm 2000, 1147 = IPRspr 2000 Nr 162, 356, 358 f; OLG Schleswig FamRZ 1994, 53 (Finnland)). BGHZ 122, 16, 20 = NJW 1993, 1801, 1803. BGHZ 122, 16, 20 = NJW 1993, 1801, 1803; OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 1019, 1020 mwN. MünchKommZPO /Gottwald Art 31 EuGVÜ Rn 9. Für das Klauselerteilungsverfahren: BGHZ 122, 16, 19 = NJW 1993, 1801, 1803; OLG Zweibrücken OLGReport 2004, 260, 262 = RPfleger 2004, 300 (Prozesskosten = unbezifferte Kostengrundentscheidung); MünchKommZPO /Gottwald § 722 ZPO Rn 17. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1420, 1421 (Unterhalt bei ernsthaftem zielstrebigem Studium).

11

12 13 14 15

16

Marianne Andrae /Martin Schimrick

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Art 41 EG-UntVO, 11, 12 Art 42 EG-UntVO, 1

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

VI. Zustellungen an den Vollstreckungsgläubiger (Art 41 Abs 2)

11 In Abweichung zu Art 40 Abs 2 Brüssel I-VO muss der Gläubiger, der die Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat nachsucht, dort kein Wahldomizil begründen oder dort anstelle dessen einen Zustellungsbevollmächtigten benennen. Dadurch sollen die Kosten, die dem Unterhaltsberechtigten im Vollstreckungsverfahren entstehen können, gering gehalten werden.17 Die Einschränkung in der schwer verständlichen deutschen Fassung des letzten Halbsatzes stellt klar, dass dies nicht das eventuelle Erfordernis der Vertretung durch einen zugelassenen Rechtsanwalt für die Postulationsfähigkeit ausschließt. In die nationalen Vorschriften zur Gestaltung des Vollstreckungsverfahrens der Mitgliedstaaten, die ein solches Erfordernis vorsehen könnten, soll ausdrücklich nicht durch den Verzicht auf einen Zustellungsbevollmächtigten eingegriffen werden.18 12 Art 40 Abs 2 Brüssel I-VO soll eine Verzögerung des Vollstreckungsverfahrens durch andernfalls notwendige Auslandszustellungen an den Antragsteller vermeiden. Vor allem für den Fall eines Rechtsbehelfs des Schuldners im Vollstreckbarerklärungsverfahren ist eine zeitnahe Zustellungsmöglichkeit an den Vollstreckungsgläubiger vonnöten.19 Mit der Abschaffung eines Zwischenverfahrens in Abschnitt 1 der EG-UntVO wird zum großen Teil der Rechtsschutz des Schuldners in den Ursprungsmitgliedstaat verlegt, in dem Zustellungen an den Gläubiger in den allermeisten Fällen im Inland erfolgen können. Unter Abwägung der Interessen der Prozessbeteiligten erscheint es daher angemessen, für eine rasche und einfache, grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsforderungen auf dieses Erfordernis hier zu verzichten. Folge dessen ist, dass bei Rechtsbehelfen, die der Unterhaltsschuldner gegen die Vollstreckung im Vollstreckungsstaat einlegt, grenzüberschreitende Zustellungen erforderlich sind. Dadurch kann es zu Verzögerungen des Rechtsbehelfsverfahrens kommen.

Artikel 42

Verbot der sachlichen Nachprüfung Eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung darf in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung, die Vollstreckbarkeit oder die Vollstreckung beantragt wird, in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden.

1 Art 42 beinhaltet den fundamentalen Grundsatz für die grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung, wonach ein Gericht /eine Behörde im Vollstreckungsstaat die Ursprungsentscheidung nicht daraufhin überprüfen darf, ob das Ursprungsgericht /die Ursprungsbehörde den Fall tatsächlich und rechtlich fehlerfrei gewürdigt

17 18 19

650

Vgl Erwägungsgrund 27 S 1. Vgl Erwägungsgrund 27 S 2 aE. Kropholler Art 40 Brüssel I-VO Rn 5.

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Kapitel IV . Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung Abschnitt 3 . Gemeinsame Bestimmungen

Art 42 EG-UntVO, 2 Art 43 EG-UntVO, 1

hat (sog Verbot der révision au fond).1 Dies bedeutet nicht, dass eine ausländische Unterhaltsentscheidung nicht abgeändert werden kann, wenn seit der Entscheidung Umstände eingetreten sind, die nach dem nun maßgeblichen Recht eine Änderung gebieten. 2 Es stellt sich dann die Frage, inwieweit eine Bindung an die Entscheidung des Ursprungsgerichts besteht. Die Abänderung hat jedenfalls unter Wahrung der Grundlagen der Erstentscheidung zu erfolgen. 3 Praktische Bedeutung hat die Bestimmung für Abschnitt 2 des Kapitels. Dort gibt es 2 noch das Vollstreckbarerklärungsverfahren und Anerkennungsversagungsgründe. Folgerichtig ist deshalb das Verbot in die EG-UntVO aufzunehmen. Für Abschnitt 1, so könnte man sagen, schadet der Grundsatz nicht, er hat jedoch keine Funktion mehr.4 Aus ihm kann der Umkehrschluss gezogen werden, dass die Nachprüfung in der Sache allein in der Kompetenz der zuständigen Behörden/Gerichte des Ursprungsstaates liegt.

Artikel 43

Kein Vorrang der Eintreibung von Kosten Die Eintreibung von Kosten, die bei der Anwendung dieser Verordnung entstehen, hat keinen Vorrang vor der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen.

Während Art 36 EG-UntVO-E noch vorsah, dass Unterhaltsforderungen vorrangig 1 vor allen anderen Forderungen gegen den Unterhaltsschuldner einschließlich der Vollstreckungskosten zu befriedigen seien, schließt Art 43 nur jegliche Rangverhältnisse der Forderungen zueinander aus.

1

OLG Düsseldorf RIW 2004, 391. Zu Einzelheiten dieses Prinzips Rauscher/Rauscher Art 26 Brüssel IIa-VO Rn 1; Rauscher/Leible Art 36 Brüssel I-VO Rn 1 mwN.

2 3 4

Siehe hierzu Einl HUntStProt 2007 Rn 32. Hierzu im Einzelnen Einl HUntStProt 2007 Rn 32 f. Zum EG-UntVO-E siehe Linke FPR 2006, 237, 239 (Verbot ginge mangels Anerkennungsprüfung ins Leere).

Marianne Andrae /Martin Schimrick

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Vorbem Artt 44 ff EG-UntVO 1, 2

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Kapitel V Zugang zum Recht Vorbemerkungen zu den Artt 44 ff I. Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Verhältnis zu anderen

Rechtsinstrumentarien 1. Richtlinie 2003/8 EG . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Übereinkommen und Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

2 3

Gegenstand

1 Kapitel V umfasst im Kern die Prozesskostenhilfe für Verfahren mit grenzüberschreitenden Bezügen, die in den Geltungsbereich der EG-UntVO fallen, einschließlich der Kostentragung für vorprozessuale Rechtsberatung. Die Kostentragung für die Inanspruchnahme der eigenen Dienste der Zentralen Behörden nach Kapitel VII ist gesondert in Art 54 geregelt. Zentrale Bestimmungen bilden zum einen Art 45, der den Gegenstand der Prozesskostenhilfe einheitlich festlegt und ihre Zielrichtung näher umschreibt und zum anderen Art 46, der den Grundsatz der Unentgeltlichkeit des Zugangs zum Recht in Bezug auf den Unterhalt von Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres festlegt, soweit die Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten in Anspruch genommen werden. II.

Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumentarien

1.

Richtlinie 2003/8 EG

2 Eine unmittelbare Beziehung besteht zur Richtlinie 2003/8 / EG1 (iF PKH-RL). Nach Erwägungsgrund 36 werden die aufgrund der PKH-RL bestehenden Vorschriften über die Prozesskostenhilfe durch spezifische Vorschriften ergänzt, mit denen ein besonderes System der Prozesskostenhilfe in Unterhaltssachen geschaffen wird. Das Besondere des Kapitels V besteht darin, dass die Prozesskostenhilfe erstmals mit dem Rechtsinstrument der Verordnung geregelt ist, die allgemeine Geltung hat und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt. Die EG-UntVO nimmt inhaltlich wesentliche Elemente der PKH-RL auf und verbindet sie mit Elementen aus dem HUntVerfÜbk 2007 zu einer speziellen Regelung für Unterhaltssachen, insbesondere soweit noch Art 54 in das System einbezogen wird. 1

652

Richtlinie 2003/8 / EG des Rates vom 27.1.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen, ABl EG 2003 L 26/41.

Januar 2010

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Kapitel V Zugang zum Recht

Vorbem Artt 44 ff EG-UntVO 3, 4

Die Regelungen in der EG-UntVO sind unvollständig, die Voraussetzungen für die Gewährung der Prozesskostenhilfe bestimmen sich teilweise nach nationalem Recht (Art 47 Abs 1). Auch wird das Verfahren zur Gewährung der Prozesskostenhilfe nicht gesondert geregelt. Insoweit sind die nationalen Vorschriften, einschließlich der umgesetzten Bestimmungen der PKH-RL, mit heranzuziehen, soweit die EG-UntVO keine speziellen Vorschriften vorsieht. Art 68 Abs 3 bestimmt ausdrücklich, dass die Anwendung der PKH-RL vorbehaltlich des Kapitels V unberührt bleibt. Für die Auslegung können auch die Erwägungsgründe der PKH-RL mitherangezogen werden. 2.

Internationale Übereinkommen und Vereinbarungen

Das Verhältnis von Kapitel V zu internationalen Übereinkommen und Vereinbarun- 3 gen, denen die Mitgliedstaaten angehören und die die Prozesskostenhilfe in Unterhaltssachen regeln, ergibt sich aus Art 69. Danach haben die Bestimmungen der EGUntVO Vorrang im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander. Derselbe Grundsatz gilt nach Art 20 PKH-RL im Verhältnis der Richtlinie zu den von den Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen Verträgen und multilateralen Übereinkünften. Der Vorrang von Kapitel V und der PKH-RL im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander besteht in Bezug auf multilaterale Übereinkommen, insbesondere in Bezug auf das Straßburger Europäische Übereinkommen über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe vom 27.1.1977 mit dem Moskauer Zusatzprotokoll vom 4.10.20012 sowie das Haager Übereinkommen über die Erleichterung des internationalen Zugangs zu den Gerichten vom 25.10.1980.3 Deutschland hat zwar beide Übereinkommen gezeichnet, jedoch nicht ratifiziert. Für das Verhältnis des Kapitels V zu den entsprechenden Bestimmungen des HUnt- 4 VerfÜbk 2007 nach dem Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zu diesem Übereinkommen wird auf Art 68 Rn 9 ff verwiesen. Kapitel V liegt kein eigenständiges Konzept zugrunde. Zusammengefügt wurden Regelungen der PKH-RL mit Bestimmungen des HUntVerfÜbk 2007 über juristische Unterstützung (Art 3 lit c HUntVerfÜbk 2007) sowie über den effektiven Zugang zu den Verfahren und die unentgeltliche juristische Unterstützung (Artt 14-17 HUntVerfÜbk 2007). Im HUntVerfÜbk 2007 sind diese Bestimmungen Teil des Kapitels III und betreffen nur die juristische Hilfeleistung in Bezug auf Anträge, die über die Zentralen Behörde des Vertragsstaates, in dem der Antragsteller seinen Aufenthalt hat, an die Zentrale Behörde des ersuchten Vertragsstaates geleitet werden. Dagegen regelt Kapitel V die Prozesskostenhilfe unabhängig davon, ob die Anträge über die Zentralen Behörden übermittelt werden oder direkt bei dem Gericht /der Behörde gestellt werden. Der Regelungsgegenstand stimmt deshalb eher mit der PKH-RL bezogen auf Unterhaltssachen überein.

2 3

Text in dt Sprache abrufbar unter http://conventions.coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/092.htm. Text in engl und franz Sprache in RabelsZ 46 (1982) 768-794.

Marianne Andrae

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Vorbem Artt 44 ff EG-UntVO, 5 Art 44 EG-UntVO, 1

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

5 Die Zusammenfügung von Regelungen, denen unterschiedliche Konzepte zugrunde liegen, führt dazu, dass die Bestimmungen des Kapitels V nicht in allen Teilen in sich stimmig sind, das trifft insbesondere auf Art 44 zu.

Artikel 44

Anspruch auf Prozesskostenhilfe (1) Die an einem Rechtsstreit im Sinne dieser Verordnung beteiligten Parteien genießen nach Maßgabe der in diesem Kapitel niedergelegten Bedingungen effektiven Zugang zum Recht in einem anderen Mitgliedstaat, einschließlich im Rahmen von Vollstreckungsverfahren und Rechtsbehelfen. In den Fällen gemäß Kapitel VII wird der effektive Zugang zum Recht durch den ersuchten Mitgliedstaat gegenüber jedem Antragsteller gewährleistet, der seinen Aufenthalt im ersuchenden Mitgliedstaat hat. (2) Um einen solchen effektiven Zugang zu gewährleisten, leisten die Mitgliedstaaten Prozesskostenhilfe im Einklang mit diesem Kapitel, sofern nicht Absatz 3 gilt. (3) In den Fällen gemäß Kapitel VII ist ein Mitgliedstaat nicht verpflichtet, Prozesskostenhilfe zu leisten, wenn und soweit die Verfahren in diesem Mitgliedstaat es den Parteien gestatten, die Sache ohne Prozesskostenhilfe zu betreiben, und die Zentrale Behörde die nötigen Dienstleistungen unentgeltlich erbringt. (4) Die Voraussetzungen für den Zugang zu Prozesskostenhilfe dürfen nicht enger als diejenigen, die für vergleichbare innerstaatliche Fälle gelten, sein. (5) In Verfahren, die Unterhaltspflichten betreffen, wird für die Zahlung von Verfahrenskosten keine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung gleich welcher Bezeichnung auferlegt. I. Effektiver Zugang zum Recht (Abs 1)

1

II. Anwendungsbereich (Abs 1 S 1) . . . . . .

4

III. Antragsberechtigung nach Kapitel VII

10

IV. Pflicht zur Prozesskostenbefreiung

und Ausnahme (Abs 2 und 3) . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendbarkeit auf deutsches Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12 13 17

V. Regime national (Abs 4) . . . . . . . . . . . . . . .

20

18

VI. Befreiung von

Sicherheitsleistungen (Abs 5). . . . . . . . . .

I.

21

Effektiver Zugang zum Recht (Abs 1)

1 Der Begriff effektiver Zugang zum Recht wird in der EG-UntVO nicht definiert. Ein solcher Begriff findet sich in Art 3 Abs 1 PKH-RL und in Art 14 Abs 1 HUntVerfÜbk 2007. Bezug besteht zu dem in Art 47 Charta der Grundrechte der EU1 geregelten Zugang zu den Gerichten. Danach wird Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, 654

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Kapitel V Zugang zum Recht

Art 44 EG-UntVO 2, 3

Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten. Der Begriff Zugang zum Recht wurde gewählt, da es im Kapitel V und in dem damit 2 verbundenen Kapitel VII nicht nur um den Zugang zu den Gerichten und zu Behörden, die auf dem Gebiet der Unterhaltsverpflichtungen Entscheidungen treffen, sondern auch um vorprozessuale Rechtsberatung und außergerichtliche Streitbeilegung geht. Im Prinzip ist die EG-UntVO als Ganzes vom Grundsatz der Gewährleistung des effektiven Zugangs zum Recht in grenzüberschreitenden Fällen gekennzeichnet. Kapitel V betrifft den Teilbereich der Prozesskostenhilfe. Fehlende finanzielle Mittel einer Partei sollen diese nicht daran hindern, effektiven Zugang zum Recht zu erhalten. Dies ist in Unterhaltssachen von besonderer Bedeutung, da Unterhaltsberechtigte im Allgemeinen nur sehr begrenzte finanzielle Ausstattungen besitzen. Selbst finanziell geringe Hürden könnten sie deshalb davon abhalten, die Möglichkeiten, die die EG-UntVO bietet, zu nutzen. Die Kosten sollen deshalb nicht die Ursache sein, Dienste und Verfahren nach der EG-UntVO nicht in Anspruch zu nehmen. Andererseits sind die Kosten für die Inanspruchnahme des Zugangs zum Recht, die für die Mitgliedstaaten entstehen, zu begrenzen. Die Kosten sollten nicht disproportional zu dem Nutzen sein, der in Bezug auf den Kindesunterhalt und den Unterhalt sonstiger Bedürftiger erreicht wird und der in der Konsequenz zur Reduzierung des Sozialhilfebudgets beiträgt. 2 Der Begriff „effektiver Zugang zum Recht“ stellt keine Art Generalklausel dar, viel- 3 mehr werden die hiervon erfassten Dienste und Verfahren durch die Phrase „nach Maßgabe, der in diesem Kapitel niedergelegten Bedingungen“ eingegrenzt. Zentrale Regelung bildet dabei Art 45, in dem der Gegenstand der Prozesskostenhilfe näher umschrieben ist. Mit effektivem Zugang zum Recht ist der Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe umschrieben, dieses Kriterium bildet den Maßstab für die teleologische Auslegung der Bestimmungen dieses Kapitels. Zu berücksichtigen ist auch, dass es in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Systeme der rechtlichen Durchsetzung von Unterhaltspflichten, insbesondere gegenüber Kindern gibt, die im Ergebnis hinsichtlich des effektiven Zugangs zum Recht äquivalent sind. Auf der einen Seite gibt es – wie in Schweden – ein effektives, einfaches Verwaltungsverfahren, ohne dass rechtliche Vertretung und kostenpflichtige Rechtsberatung erforderlich ist und gerichtliche Gebühren anfallen. In anderen Mitgliedstaaten müssen die Ansprüche gegenüber zahlungsunwilligen Unterhaltsschuldnern im gerichtlichen Verfahren mit komplizierten Verfahrensvorschriften wie in Deutschland geltend gemacht werden. Hinzu kommt, dass das gerichtliche Verfahren selbst kostenpflichtig ist.

1

ABl EG 2000 C 364/1.

2

Zum HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht Rn 371.

Marianne Andrae

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Art 44 EG-UntVO 4- 6

II.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Anwendungsbereich (Abs 1 S 1)

4 Abs 1 S 1 ist dem Anwendungsbereich dieses Kapitels gewidmet, er regelt ihn jedoch nur unvollständig. Anspruch auf Prozesskostenhilfe haben die Parteien der Streitsache, also sowohl der Unterhaltsberechtigte als auch der Unterhaltsverpflichtete. Unterhaltsberechtigte oder -verpflichtete Person ist iSv Art 2 Abs 1 Nr 10 und 11 zu verstehen. Außerdem lässt sich aus Abs 1 ableiten, dass sich das Kapitel auf alle Unterhaltssachen iSd Art 1 Abs 1, also nicht nur auf die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern bezieht. Erfasst wird sowohl die Prozesskostenhilfe für die Parteien im Erkenntnisverfahren als auch in Bezug auf das Vollstreckungsverfahren und, soweit nach der Verordnung noch die Vollstreckbarerklärung erforderlich ist, auch darauf. Die Prozesskostenhilfe erstreckt sich auch auf gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden. 5 Fraglich ist, ob dieser Anspruch auch einer öAwE zusteht. Hierbei ist insbesondere Erwägungsgrund 14 zu beachten. Nach S 2 Erwägungsgrund 14 soll eine öAwE Anspruch auf die gleichen Dienste und die gleiche Prozesskostenhilfe wie eine berechtigte Person haben, wenn sie für die unterhaltsberechtigte Person handelt oder selbst die Erstattung von Leistungen fordert, die der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbracht wurden. Liest man S 2 in Zusammenhang mit S 1, könnte geschlussfolgert werden, dies gelte nur für die Zwecke eines Antrags auf Anerkennung und Vollstreckung einer Unterhaltsentscheidung. Der Grundsatz der Gewährleistung des effektiven Zugangs zum Recht gebietet es aber, Prozesskostenhilfe nicht nur für die Zwecke eines Antrags auf Anerkennung und Vollstreckung zu gewähren, zumal wenn die öAwE für die unterhaltsberechtigte Person handelt. Einer solchen Sichtweise steht auch nicht der Wortlaut von S 2 entgegen. Dieser nimmt auf S 1 nur insoweit Bezug, als es um das Tätigwerden in „dieser Eigenschaft“ geht, also in der Eigenschaft für eine unterhaltsberechtigte Person zu handeln oder die Erstattung von Leistungen zu fordern, die der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbracht wurden. Geht man – wie hier vertreten – davon aus, dass eine öAwE für alle Anträge nach Art 56 berechtigt ist,3 so ist es nur konsequent, die unentgeltliche Prozesskostenhilfe auf alle Antragsarten zu erstrecken. Daraus ergibt sich, dass für die Prozesskostenhilfe eine öAwE den gleichen Anspruch auf Prozesskostenhilfe wie eine unterhaltsberechtigte Person hat, wenn sie für die unterhaltsberechtigte Person handelt oder selbst die Erstattung von Leistungen fordert, die der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbracht wurden. 6 Art 44 Abs 1 findet nur bei Unterhaltssachen Anwendung, die „den effektiven Zugang zum Recht in einem anderen Mitgliedstaat“ betreffen. Daraus folgt, dass die Unterhaltssache Beziehungen zu mindestens zwei Mitgliedstaaten aufweisen muss. Nicht geregelt ist, welche Art der Verbindung als Anwendungsvoraussetzung bestehen muss. Abs 1 S 2 kann nicht direkt angewandt werden, denn dieser regelt die Antragsberechtigung zu den Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten nach Kapitel VII und gehört regelungstechnisch dort hin. Dies wäre nur dann der Fall, wenn sich die Rege3

656

Siehe hierzu Art 64 Rn 5.

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Kapitel V Zugang zum Recht

Art 44 EG-UntVO 7-10

lungen des Kapitels V auf die Prozesskostenhilfe in den Fällen beschränken würde, in denen Anträge über die Vermittlung der Zentralen Behörden gestellt werden. Dies trifft auf die entsprechenden Bestimmungen des HUntVerfÜbk 2007 zu. Dort erstreckt sich deshalb Art 9, der mit Abs 1 S 2 übereinstimmt, auch auf die Regelungen zur juristischen Unterstützung, die auch die Prozesskostenhilfe mit erfasst. Anders ist dies jedoch für die Prozesskostenhilfe nach der EG-UntVO, weil sie auch Unterhaltssachen erfasst, in denen sich der Antragsteller direkt an die zuständigen Gerichte/Behörden wendet. Nur für Art 46 ist mit Abs 1 S 2 zugleich der räumlich-personelle Anwendungsbe- 7 reich bestimmt. Für die verbleibenden Fälle gibt es mE zwei Möglichkeiten. Die eine besteht darin, 8 Abs 1 S 2 entsprechend heranzuziehen. Das würde bedeuten, die antragstellende Person hat ihren Aufenthalt in einem Mitgliedstaat und es geht um die Gewährung der Prozesskostenhilfe in einer Unterhaltssache durch das zuständige Gericht /die Behörde in einem anderen Mitgliedstaat. Für diese Lösung spricht, dass damit für die Prozesskostenhilfe nach Kapitel V ein einheitliches Kriterium besteht und nach Inkrafttreten des HUntVerfÜbk 2007 eine Abgrenzung zwischen beiden Rechtsinstrumenten ermöglicht wird. Die andere Möglichkeit besteht darin, den diesbezüglichen Anwendungsbereich in Übereinstimmung mit der PKH-RL festzulegen. Dafür spricht, dass die Bestimmungen der EG-UntVO und der PKH-RL verzahnt sind.4 Hinzu kommt, dass Art 47 Abs 1 auf das innerstaatliche Recht verweist. Dies umfasst auch die nationalen Bestimmungen, die die PKH-RL umsetzen, bei deren Anwendung der räumlichpersonelle Anwendungsbereich der PKH-RL zu beachten ist. Dieser ist nach Art 2 PKH-RL eröffnet, wenn die beantragende Partei ihren Wohnsitz iSd Art 59 Brüssel I-VO oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat des Gerichtsstandes oder dem Vollstreckungsmitgliedstaat hat. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der der Stellung des Antrags auf Prozesskostenhilfe. Da die EGUntVO in keinem Kapitel auf den Wohnsitz iSd Brüssel I-VO abstellt, sollte er auch nicht als Abgrenzungskriterium für die Gewährung der Prozesskostenhilfe nach der EG -UntVO dienen. Das räumlich-personelle Anwendungskriterium besteht deshalb darin, dass die betref- 9 fende Partei entweder ihren Aufenthalt5 oder gewöhnlichen Aufenthalt6 in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Gerichtsstandes oder dem Vollstreckungsmitgliedstaat hat. Besonderheiten gelten für Art 47 Abs 2. III. Antragsberechtigung nach Kapitel VII

Abs 1 S 2 regelt, welche Verbindung zu einem Mitgliedstaat eine Person aufweisen 10 muss, um die in Kapitel VII geregelten Anträge (Art 56) in einem anderen Mitglied4 5 6

Siehe Erwägungsgrund 36, 37 sowie Vor Kapitel V Rn 2. Kriterium in Abs 1 S 2. Kriterium in Art 2 Abs 1 PKH-RL.

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Art 44 EG-UntVO 11-14

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

staat stellen zu können und in diesem Zusammenhang in den Vorzug der in jenem Kapitel geregelten Unterstützungen zu kommen. Die Bestimmung gehört an sich zu Art 55 oder Art 56. 11 Der Antragsteller muss seinen Aufenthalt in dem Mitgliedstaat haben, der im Kapitel VII als ersuchender Mitgliedstaat bezeichnet wird. Der Begriff resultiert daraus, dass nach der Konzeption der EG-UntVO, wie des HUntVerfÜbk 2007, der Antragsteller seinen Antrag nicht unmittelbar bei der Zentralen Behörde einreicht, deren juristische Unterstützung er in Anspruch nehmen will, sondern bei der Zentralen Behörde seines Aufenthaltsstaates, die den Antrag dann an die Zentrale Behörde eines anderen, nämlich des ersuchten Mitgliedstaates weiterleitet. Das Kriterium des Aufenthalts ist weniger streng als das Anknüpfungskriterium des „gewöhnlichen Aufenthalts“, jedoch reicht eine bloße Anwesenheit nicht aus.7 Damit soll die Inanspruchnahme der Dienste der Zentralen Behörden erleichtert werden. Insbesondere das Kriterium der sozialen Integration, zB eines Kindes, entfällt. Auch an die Dauer des Aufenthalts sind nicht zu strenge Anforderungen zu stellen, eine gewisse Stetigkeit des Aufenthalts ist jedoch erforderlich. IV.

Pflicht zur Prozesskostenbefreiung und Ausnahme (Abs 2 und 3)

12 Abs 2 sieht die Pflicht der Mitgliedstaaten vor, Prozesskostenhilfe nach Maßgabe des Kapitels V zu gewähren. Diese besteht nicht, wenn die Voraussetzungen des Abs 3 vorliegen. Dieser ist an Art 14 Abs 3 HUntVerfÜbk 2007 angelehnt, die deutsche Fassung von Art 44 Abs 3 ist kaum verständlich.8 Das betrifft die Phrase „den Parteien gestatten, die Sache ohne Prozesskostenhilfe zu betreiben“, in der englischen Version heißt es dagegen „enable the parties to make the case without the need for legal aid“. 1.

Voraussetzungen

13 Die Pflicht, Prozesskostenhilfe zu leisten, besteht kumulativ unter folgenden Voraussetzungen nicht: 14 a) Es muss ein Fall gemäß Kapitel VII vorliegen. Gemeint ist damit wohl, dass die die Prozesskostenhilfe beanspruchende Partei einen Antrag gemäß Art 56 gestellt haben muss. Dem Wortlaut nach ist Abs 3 nicht anzuwenden, wenn die Partei das Verfahren in einem Mitgliedstaat betreibt, der nicht der Staat seines (gewöhnlichen) Aufenthalts ist, ohne die Dienste der Zentralen Behörden in Anspruch zu nehmen, obwohl dazu nach Art 56 die Möglichkeit besteht. In einem solchen Fall kann ergänzend für die Auslegung der Erwägungsgrund 16 PKH-RL herangezogen werden. Da7 8

658

Vgl Erwägungsgrund 32; Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 239. Die engl Fassung von Art 14 Abs 3 HUntVerfÜbk 2007 lautet: “The requested State shall not be obliged to provide such free legal assistance if and to the extent that the procedures of that State enable the applicant to make the case without the need for such assistance, and the Central Authority provides such services as are necessary free of charge.”

Januar 2010

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Kapitel V Zugang zum Recht

Art 44 EG-UntVO 15-19

nach stellt die Möglichkeit, im konkreten Fall auf andere Regelungen zurückzugreifen, die einen effektiven Zugang zum Recht gewährleisten – hier die Hilfeleistung durch die Zentralen Behörden nach Kapitel VII – keine Form der Prozesskostenhilfe dar. Nimmt die betreffende Person diese Möglichkeiten jedoch nicht in Anspruch, so kann das die Annahme rechtfertigen, dass sie trotz ungünstiger finanzieller Verhältnisse die Prozesskosten tragen kann. b) Es muss sich um ein so organisiertes Verfahren handeln, das den Parteien ermög- 15 licht, ihre Rechte ohne juristischen Beistand oder Vertretung im Verfahren wahrzunehmen, so dass ein Bedarf nach Prozesskostenhilfe nicht entsteht. Hierbei ist insbesondere an Verwaltungsverfahren iSv Art 2 Abs 2 gedacht, in denen weder ein Erfordernis der rechtlichen Vertretung noch der persönlichen Anwesenheit besteht. 9 Wird jedoch Rechtsmittel gegen die Verwaltungsentscheidung bei Gericht eingelegt, kann Prozesskostenhilfe in diesem Stadium des Verfahrens aufgrund der Kompliziertheit oder Komplexität des Verfahrens erforderlich sein. c) Letztlich muss die Zentrale Behörde die für die Verfahrensführung notwendigen 17 Dienstleistungen unentgeltlich erbringen. 2.

Rechtsfolge

Treffen die Voraussetzungen zu, ist der Mitgliedstaat nicht verpflichtet, Prozesskosten- 17 hilfe zu leisten. Dabei kann sich dies auch nur auf Teilbereiche beziehen, die nach Art 45 Gegenstand der Prozesskostenhilfe bilden. Dies folgt aus der Phrase „wenn und soweit“. 3.

Anwendbarkeit auf deutsches Verfahren

Gerichtliche Verfahren und die Vollstreckung sind kostenpflichtig, die Gewährung 18 von Prozesskostenhilfe hierfür wird durch Abs 3 nicht berührt. Dasselbe gilt für die Beiordnung eines Rechtsanwalts im streitigen Verfahren, da hierfür Anwaltszwang besteht.10 Auch das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger fällt nicht unter Abs 3, da selbst bei fehlendem internationalen Bezug wegen der immer noch gegebenen Kompliziertheit des Antragsverfahrens nach überwiegender Auffassung11 ein Rechtsanwalt beizuordnen ist.12 In Betracht kommt die Anwendung von Abs 3 auf die rechtliche Vertretung im Voll- 19 streckungsverfahren bei entsprechenden Dienstleistungen der Zentralen Behörden, solange der Unterhaltsverpflichtete keine Rechtsbehelfe gegen die Vollstreckung ein9 10 11

12

Borrás/Degeling-Bericht Rn 411. § 113 Abs 1 FamFG, § 78 Abs 1 ZPO. Ua OLG München FamRZ 1999, 792; OLG Schleswig MDR 2000, 706; OLG Hamm NJW-RR 2002, 799 = FamRZ 2002, 403; einschränkend OLG Dresden FamRZ 2001, 634; hierzu auch van Els FamRZ 1999, 1356. Zu beachten ist Art 56 Abs 3.

Marianne Andrae

659

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Art 44 EG-UntVO 20, 21

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

legt. Jedoch darf dem Gläubiger bei der Unterhaltsvollstreckung im Allgemeinen und bei der Lohnpfändung im Besonderen die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht ohne Prüfung des Einzelfalls versagt werden. Hierbei sind die Schwierigkeiten der im konkreten Fall zu bewältigenden Rechtsmaterie und andererseits die persönlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des Antragstellers zu bewerten.13 Es kann durchaus sein, dass im Einzelfall diese und weitere zusätzlich durch den Auslandsaufenthalt des Antragstellers hervorgerufenen besonderen Defizite durch die Inanspruchnahme der deutschen Zentralen Behörde und ihrer Dienstleistungen behoben werden und deshalb ein Rechtsanwalt nicht erforderlich ist. V.

Regime national (Abs 4)

20 Abs 4 entspricht dem Art 14 Abs 4 des HUntVerfÜbk 2007. Er zielt darauf, zu verhindern, dass Antragsteller aus anderen Mitgliedstaaten schlechter gestellt werden als bei rein inländischen Fällen. Soweit in vergleichbaren innerstaatlichen Fällen Prozesskostenhilfe gewährt wird, ist sie auch unter den gleichen oder äquivalenten Bedingungen in den von Kapitel V erfassten grenzüberschreitenden Unterhaltssachen zu gewähren. Abs 4 findet sowohl Anwendung, wenn die Unterstützung der Zentralen Behörden in Anspruch genommen wird als auch dann, wenn die Gerichte/Behörden direkt angerufen werden. Die Gleichstellung ist eine Mindestregelung, die Voraussetzungen für die Gewährung der Prozesskostenhilfe dürfen gegenüber rein nationalen Fällen nicht strenger bestimmt sein. Die Bestimmung bezieht sich auf die Voraussetzungen und auf den Umfang iSd vollständigen Übernahme, der Beteiligung an den Kosten oder einer Ratenzahlung. Der Gegenstand der Prozesskostenhilfe ist in Art 45 autonom bestimmt. Abs 4 findet sowohl zugunsten des Unterhaltsberechtigten als auch -verpflichteten Anwendung. VI. Befreiung von Sicherheitsleistungen (Abs 5)

21 Auch Abs 5 ist dem Art. 14 HUntVerfÜbk 2007 entnommen. Vorbild sind Art 9 New Yorker UN-Übereinkommen sowie Art 16 HUntAVÜbk 1973. Er geht weiter als Art 51 Brüssel I-VO, denn er erstreckt sich nicht nur auf das Vollstreckungs-, sondern auch auf das Erkenntnisverfahren. Außerdem schließt er nicht nur die Anwendung innerstaatlicher Bestimmungen aus, die eine Sicherheitsleistung oder eine Hinterlegung von einer Partei verlangen, weil sie Ausländer ist oder im Ausland ihren Wohnsitz bzw gewöhnlichen Aufenthalt hat. Vielmehr werden Sicherheitsleistungen für die Verfahrenskosten generell ausgeschlossen, unabhängig davon, aus welchem Grund und in welcher Art sie nach nationalem Recht erhoben werden. Abs 5 hat keinen eigenständigen Anwendungsbereich, insoweit wird auf Rn 4 verwiesen.

13

660

Ua BGH NJW 2003, 3136; BGH NJW 2006, 1597.

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Art 45 EG-UntVO 1

Kapitel V Zugang zum Recht

Artikel 45

Gegenstand der Prozesskostenhilfe Nach diesem Kapitel gewährte Prozesskostenhilfe ist die Unterstützung, die erforderlich ist, damit die Parteien ihre Rechte in Erfahrung bringen und geltend machen können und damit sichergestellt werden kann, dass ihre Anträge, die über die Zentralen Behörden oder direkt an die zuständigen Behörden übermittelt werden, in umfassender und wirksamer Weise bearbeitet werden. Sie umfasst soweit erforderlich Folgendes: a) eine vorprozessuale Rechtsberatung im Hinblick auf eine außergerichtliche Streitbeilegung; b) den Rechtsbeistand bei Anrufung einer Behörde oder eines Gerichts und die rechtliche Vertretung vor Gericht; c) eine Befreiung von den Gerichtskosten und den Kosten für Personen, die mit der Wahrnehmung von Aufgaben während des Prozesses beauftragt werden, oder eine Unterstützung bei solchen Kosten; d) in Mitgliedstaaten, in denen die unterliegende Partei die Kosten der Gegenpartei übernehmen muss, im Falle einer Prozessniederlage des Empfängers der Prozesskostenhilfe auch die Kosten der Gegenpartei, sofern die Prozesskostenhilfe diese Kosten umfasst hätte, wenn der Empfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts gehabt hätte; e) Dolmetschleistungen; f) Übersetzung der vom Gericht oder von der zuständigen Behörde verlangten und vom Empfänger der Prozesskostenhilfe vorgelegten Schriftstücke, die für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich sind; g) Reisekosten, die vom Empfänger der Prozesskostenhilfe zutragen sind, wenn das Recht oder das Gericht des betreffenden Mitgliedstaats die Anwesenheit der mit der Darlegung des Falles des Empfängers befassten Personen bei Gericht verlangen und das Gericht entscheidet, dass die betreffenden Personen nicht auf andere Weise zur Zufriedenheit des Gerichts gehört werden können. I. Autonome Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Zentrale Behörden oder

direkter Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

III. Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

I.

IV. Umfang der Prozesskostenhilfe . . . . . . . .

4

1. Gerichtliche Vertretung und Beistand (lit b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übersetzungskosten (lit f) . . . . . . . . . . . . 3. Reisekosten (lit g) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 6 7

Autonome Regelung

Art 45 hat eine doppelte Funktion. Zum einen wird allgemein bestimmt, was Gegen- 1 stand der Prozesskostenhilfe sein kann. Zum anderen werden die Kriterien festgelegt, nach denen sich der Gegenstand der Prozesskostenhilfe im Einzelfall richtet. Es handelt sich um eine autonome Regelung unter Ausschluss des innerstaatlichen Rechts. Dies folgt zum einen aus Art 44 Abs 4, der nur in Bezug auf die Voraussetzungen für Marianne Andrae

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Art 45 EG-UntVO 2-5

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

den Zugang zu der Prozesskostenhilfe eine Mindestgleichstellung mit vergleichbaren innerstaatlichen Fällen vorsieht und aus Art 47 Abs 1, der ausdrücklich Art 45 vorbehält. II.

Zentrale Behörden oder direkter Zugang

2 Es ist sowohl die Prozesskostenhilfe erfasst, wenn die betreffende Partei einen Antrag nach Art 56 stellt, als auch dann, wenn sie die zuständigen Gerichte/Behörden unmittelbar anruft. Art 45 bezieht sich auf beide Parteien und schließt die öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtungen mit ein.1 III. Kriterien

3 S 1 stellt die Verbindung zwischen dem effektiven Zugang zum Recht nach Art 44 Abs 1 und dem Gegenstand der Prozesskostenhilfe im Einzelfall her, indem ihr Sinn und Zweck näher umschrieben wird. Durch das Wort erforderlich wird zum Ausdruck gebracht, dass die in S 2 genannten Gegenstände im Einzelfall nur dann von der gewährten Prozesskostenhilfe umfasst werden, wenn sie im konkreten Fall für den effektiven Zugang zum Recht erforderlich sind. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung. Ob hier ein strenger oder weniger strenger Maßstab anzulegen ist, wird erst die Rechtspraxis zeigen. Die Einschränkung dient dazu, eine zu starke Belastung der Haushalte der Mitgliedstaaten zu verhindern, ihr liegen fiskalische Erwägungen zugrunde. Ausgeschlossen werden jedoch nur nicht erforderliche Leistungen; alle Gegenstände, die in S 2 aufgelistet werden und erforderlich sind, müssen von der Prozesskostenhilfe erfasst werden. Die Kriterien – Rechte in Erfahrung bringen und geltend machen zu können sowie Sicherstellung der umfassenden und wirksamen Bearbeitung der Anträge der Partei – sind alternativ zu begreifen. Welchen Einfluss die Nichtinanspruchnahme der Zentralen Behörden für Hilfeleistungen auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe und ihren Umfang hat, ist in der EG-UntVO nicht geregelt. Für die Lösung kann Bezug genommen werden auf den Erwägungsgrund 16 der PKH-RL. 2 IV.

Umfang der Prozesskostenhilfe

4 S 2 lit a-g sind Art 3 Abs 2 und Art 7 PKH-RL entnommen, es wird insoweit auf die Kommentierung hierfür verwiesen. 1.

Gerichtliche Vertretung und Beistand (lit b)

5 Für lit b trifft Art 56 Abs 3 eine spezielle Regelung. Sie bezieht sich auf die Fälle, in denen der Empfänger der Prozesskostenhilfe einen Antrag nach Art 56 Abs 1 oder 2 gestellt hat. Danach werden Beistand und Vertretung durch die Zentrale Behörde des 1 2

662

Hierzu Art 44 Rn 5. Hierzu bereits Art 44 Rn 14.

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Kapitel V Zugang zum Recht

Art 45 EG-UntVO, 6, 7 Art 46 EG-UntVO

ersuchten Mitgliedstaates, entweder unmittelbar oder über öAwE (zB Jugendamt) oder andere Stellen beziehungsweise Personen, geleistet. Erbringt die Zentrale Behörde diesen Service selbst, so regelt sich die Kostentragung nach Art 54 Abs 1 und 2 S 1. Die Kosten, die durch die Bestellung Dritter, einschließlich von Rechtsanwälten für die Vertretung und den Beistand vor Gericht entstehen, werden von der Kostenbefreiung nach Art 54 nicht erfasst. 3 Sie können deshalb dem Antragsteller auferlegt werden. Insoweit müssen diese Kosten dann auch in die Prozesskostenhilfe nach lit b eingehen. Die Lösung ist auch deshalb sinnvoll, weil im Falle des Obsiegens des Antragstellers diese Kosten der Gegenpartei in den Mitgliedstaaten auferlegt werden, in denen die verlierende Partei die Prozesskosten der obsiegenden Partei zu tragen hat. 2.

Übersetzungskosten (lit f)

Kosten für die Übersetzung nach lit f werden dadurch reduziert, dass für Beweisunter- 6 lagen, die in einer anderen Sprache als der Verfahrenssprache vorliegen, nur dann eine Übersetzung verlangt werden kann, wenn das Gericht der Ansicht ist, dass dies für seine Entscheidung oder für die Wahrung der Verteidigungsrechte erforderlich ist (Art 66). Auch bei der Antragstellung über die Zentralen Behörden reduziert sich das Erfordernis von Übersetzungs- und Dolmetscherleistungen aufgrund der verwendeten Formblätter und der Vertretung der Partei seitens der Zentralen Behörden oder einer von dieser bestellten Person. Zum Zwecke der Vollstreckung kann die Übersetzung der Entscheidung nicht, sondern nur gegebenenfalls des Formblattes, seitens des Vollstreckungsorgans verlangt werden (Art 20 Abs 1 lit d). 3.

Reisekosten (lit g)

Auch die Reisekosten sind möglichst zu reduzieren. Dabei hat das Gericht vor allem 7 die Möglichkeiten auszuschöpfen, die sich aus der EG-BewVO ergeben. 4

Artikel 46

Unentgeltliche Prozesskostenhilfe bei Anträgen auf Unterhaltsleistungen für Kinder, die über die Zentralen Behörden gestellt werden (1) Der ersuchte Mitgliedstaat leistet unentgeltliche Prozesskostenhilfe für alle von einer berechtigten Person nach Artikel 56 gestellten Anträge in Bezug auf Unterhaltspflichten aus einer Eltern-Kind-Beziehung gegenüber einer Person, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. (2) Ungeachtet des Absatzes 1 kann die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats in Bezug auf andere Anträge als solche nach Artikel 56 Absatz 1 Buchstaben a und b die Gewährung unentgeltlicher Prozesskostenhilfe ablehnen, wenn sie den Antrag oder einen Rechtsbehelf für offensichtlich unbegründet erachtet.

3 4

So für die entsprechende Bestimmung im HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht Rn 225. Ausdrücklich Erwägungsgrund 19 PKH-RL.

Marianne Andrae

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Art 46 EG-UntVO 1-3

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

I. Direkte Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Voraussetzungen

1. Antrag nach Art 56 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstand des Antrags . . . . . . . . . . . . . 3. Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erfolgsaussichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2 5 6 7

III. Einschränkungen

1. Einschränkung nach Art 44 Abs 3 . . 2. Offensichtliche Unbegründetheit . . . a) Erfasste Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständige Behörde . . . . . . . . . . . . . . . c) Ablehnungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . .

8 9 10 11 12

IV. Gegenstand und Unentgeltlichkeit . . . .

13

V. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14

VI. Kostentragung eines unterlegenen

Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

15

Direkte Regelung

1 Art 46 regelt die Gewährung von Prozesskostenhilfe autonom, dh unabhängig vom Recht des Staates des angerufenen Gerichts. Einheitlich werden bestimmt: Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe, welcher Mitgliedstaat sie leisten muss und dass sie unentgeltlich ist. Es handelt sich um eine der zentralen Bestimmungen der EG-UntVO, um die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsforderungen von Kindern innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu erleichtern. II.

Voraussetzungen

1.

Antrag nach Art 56

2 Prozesskostenhilfe wird für Anträge nach Art 56 geleistet. Sie wird folglich sowohl dem Unterhaltsberechtigten als auch dem Unterhaltsverpflichteten gewährt, da Art 56 Abs 1 die möglichen Anträge des Unterhaltsberechtigten und Abs 2 die Anträge des Unterhaltsverpflichteten regeln. Damit soll die Gleichheit der Parteien im Verfahren erreicht werden. Aus den den Parteien nach Art 56 zur Verfügung stehenden Anträgen wird jedoch ersichtlich, dass der Schwerpunkt auf der Erleichterung der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen liegt. Unterhaltsberechtigte und -verpflichtete Personen sind iSd Art 2 Abs 1 Nr 10 und 11 zu verstehen, außerdem werden öAwE erfasst.1 3 Der Antrag nach Art 56 ist bei der ersuchenden Zentralen Behörde des Mitgliedstaates einzureichen, in dem der Antragsteller seinen Aufenthalt2 hat. Der Antrag selbst richtet sich an die Zentrale Behörde des Mitgliedstaates, in dem der Gerichtsstand be1 2

664

Hierzu Art 44 Rn 5, vgl auch Art 1 Rn 38 ff. Hierzu Art 44 Rn 11.

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Kapitel V Zugang zum Recht

Art 46 EG-UntVO 4- 8

legen ist oder die Vollstreckung des Unterhaltstitels erfolgen soll. Für die Einreichung ist der in Art 55 vorgeschriebene Übermittlungsweg einzuhalten. Art 46 ist nicht anzuwenden, wenn der Antragsteller seinen Antrag direkt bei dem zuständigen Gericht / der Behörde stellt oder er andere Gegenstände betrifft. Weiterhin muss der räumlich-personelle Anwendungsbereich für Anträge nach 4 Art 56 eröffnet sein. Der Antragsteller muss deshalb seinen Aufenthalt3 im Mitgliedstaat der ersuchenden Zentralen Behörde haben. Art 45 findet keine Anwendung auf die Prozesskostenhilfe für die Gegenpartei. Art 46 gilt nicht im Verhältnis zu Dänemark. Dänemark beteiligt sich nicht am Kapitel VII, so dass Art 56 keine Anwendung findet. Es ist weder ersuchter noch ersuchender Mitgliedstaat iSd Artt 46 und 56. 2.

Gegenstand des Antrags

Gegenstand des Antrags ist die Unterhaltspflicht gegenüber einer Person, die noch 5 nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat. Er kann sich auf rückständige Unterhaltszahlungen oder auch auf künftige Unterhaltsverpflichtungen bis zur Erreichung dieser Altersgrenze beziehen. Die Verpflichtung muss auf einer Eltern-Kind-Beziehung beruhen, diese kann auch durch Adoption begründet sein.4 3.

Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse

Prozesskostenhilfe nach Art 46 wird unabhängig von den persönlichen und wirt- 6 schaftlichen Verhältnissen des Antragstellers gewährt. Die finanzielle Situation des Antragstellers ist erst bei der Kostenerstattung nach Art 67 zu berücksichtigen. 4.

Erfolgsaussichten

Gleichfalls ist als positive Voraussetzung nicht zu prüfen, ob der Antrag hinreichende 7 Aussicht auf Erfolg hat. Die Prozesskostenhilfe kann nur bei bestimmten Anträgen wegen offenkundiger Unbegründetheit abgelehnt werden. III. Einschränkungen

1.

Einschränkung nach Art 44 Abs 3

Der Ausschluss bzw die Einschränkung nach Art 44 Abs 3 gilt auch für die Gewäh- 8 rung der Prozesskostenhilfe nach Art 46.5

3 4 5

Hierzu Art 44 Rn 11. Hierzu Art 1 Rn 7. Für das HUntVerfÜbk 2007 Barrás/Degeling-Bericht Rn 420.

Marianne Andrae

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Art 46 EG-UntVO 9-12

2.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Offensichtliche Unbegründetheit

9 Der Ablehnungsgrund dient dazu, die Belastung des Haushalts des ersuchten Mitgliedstaates durch Gewährung von Prozesskostenhilfe in Fällen zu verhindern, in denen der Antrag offensichtlich unbegründet ist. Indirekt führt dies tatsächlich zugleich dazu, dass solche Anträge erst gar nicht gestellt oder zurückgenommen werden und insoweit die Zentralen Behörden und die zuständigen Behörden/Gerichte von solchen Anträgen verschont werden. a) Erfasste Anträge 10 Die offensichtliche Unbegründetheit eines Antrags nach Art 56 Abs 1 lit a und b stellt keinen Ablehnungsgrund für die Gewährung der Prozesskostenhilfe dar. Das betrifft Anträge der berechtigten Person auf Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und/ oder Vollstreckung einer Entscheidung.6 Für andere Anträge nach Art 56 kann die Prozesskostenhilfe abgelehnt werden, wenn der Antrag offensichtlich unbegründet ist. Erfasst sind alle Anträge der unterhaltsverpflichteten und berechtigten Person, die auf die Herbeiführung einer Entscheidung im Erkenntnisverfahren gerichtet sind.7 b) Zuständige Behörde 11 Die Ablehnung kann nur durch die nach nationalem Recht dafür zuständige Behörde erfolgen. In Deutschland wäre dafür das Prozessgericht zuständig. Die Zentrale Behörde des ersuchten Staates kann nur die Bearbeitung des Antrags nach Art 56 selbst aus den in Art 58 Abs 8 genannten Gründen zurückweisen. Rechtsbehelfe gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe wegen offensichtlicher Unbegründetheit sind in der EG-UntVO nicht geregelt, ob sie eingelegt werden können und gegebenenfalls welche Behörde/welches Gericht hierfür zuständig ist, bestimmt sich nach nationalem Recht. c) Ablehnungsgrund 12 Der Ablehnungsgrund „offensichtliche Unbegründetheit“ ist, wie für Art 6 Abs 1 PKH-RL, unter Beachtung des Erwägungsgrundes 17 der PKH-RL auszulegen. Vom Kriterium in § 114 ZPO „hinreichende Aussicht auf Erfolg“ unterscheidet sich das Kriterium der offensichtlichen Unbegründetheit zum einen dahingehend, dass es sich um einen Ausschlussgrund handelt. Zum anderen ist das Kriterium für die Nichtgewährung strenger, ohne nähere Prüfung muss ersichtlich sein, dass der Antrag unbegründet ist. Das trifft zB zu, wenn nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaates unter Einschluss des IPR der für den Unterhalt in Anspruch genommene Mann nicht der Vater des Kindes ist, wenn Unterhalt für die Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres verlangt wird, jedoch nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaates unter Einschluss des IPR der Anspruch nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres besteht oder es um die Prozesskostenhilfe im Rechtsmittelverfahren geht und offensichtlich ist, dass die Einlegung keinen rechtlichen Erfolg haben wird.

6 7

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Hierzu näher Art 56. Hierzu näher Art 56.

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Kapitel V Zugang zum Recht

IV.

Art 46 EG-UntVO 13-17

Gegenstand und Unentgeltlichkeit

Der Gegenstand der Prozesskostenhilfe bestimmt sich nach Art 45. Der Antragsteller 13 hat den Anspruch auf Unterstützung, die erforderlich ist, um ihm den effektiven Zugang zum Recht im konkreten Fall zu gewährleisten. Die Unterstützung ist unentgeltlich, nationale Vorschriften, die eine Beteiligung an den Verfahrenskosten – einschließlich von Ratenzahlungen – vorsehen, sind nicht anzuwenden. Die Prozesskostenhilfe erfasst alle Verfahrensstadien, einschließlich Rechtsbehelfe, auch wenn diese von der Gegenseite eingelegt werden. 8 V.

Verfahren

Art 46 sieht kein Verfahren für die Gewährung der Prozesskostenhilfe vor. Es ist des- 14 halb davon auszugehen, dass die nationalen Vorschriften, unter Einschluss der Bestimmungen, die die PKH-RL umsetzen, Anwendung finden. Dies leitet sich daraus ab, dass die Vorschriften der EG-UntVO im Verhältnis zu der PKH-RL ergänzenden Charakter tragen und deshalb deren umgesetzte nationale Bestimmungen mangels spezieller Regelungen Anwendung finden. Die Zentralen Behörden haben in diesem Zusammenhang die Maßnahmen zu treffen, damit dem Antragsteller die Prozesskostenhilfe gewährt wird. 9 Die Vollmacht nach Art 52 umfasst die Vertretungsmacht für die hierfür nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaates erforderlichen Rechtshandlungen. Rechtspraktisch kann dies so ablaufen, dass die Zentrale Behörde oder ein nach Art 52 ernannter Vertreter den erforderlichen Antrag bei dem zuständigen Gericht /der zuständigen Behörde des ersuchten Mitgliedstaates direkt stellt.10 Die PKH-RL sieht Mindestvorschriften vor. Die innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der EG-UntVO können in Bezug auf die Gewährung der Prozesskostenhilfe ein erleichtertes Verfahren vorsehen oder auch auf ein solches verzichten. VI. Kostentragung eines unterlegenen Antragstellers

Art 67 eröffnet die Möglichkeit, von der unterlegenen Partei, die Prozesskostenhilfe 15 nach Art 46 erhalten hat, die Erstattung dieser Kosten einzufordern. Zuständig für die Entscheidung über die Rückerstattung der Kosten ist die „zuständige 16 Behörde“. Das ist das Gericht /die Behörde, die nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaates für die Gewährung der Prozesskostenhilfe zuständig ist, nicht jedoch die Zentrale Behörde. Die Kosten können jeder Partei auferlegt werden, der für einen Antrag nach Art 56 17 Prozesskostenhilfe nach Art 46 gewährt wurde und die im Verfahren hinsichtlich dieses Antrags unterlegen ist. Die Auferlegung der Kosten stellt eine Ermessensentschei8 9 10

Art 9 und Erwägungsgrund 20 PKH-RL. Art 51 Abs 2 lit a. Möglich nach Art 13 Abs 1 lit b PKH-RL.

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Art 46 EG-UntVO, 18-20 Art 47 EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

dung dar. Von der Möglichkeit ist nur in Ausnahmefällen Gebrauch zu machen, folglich ist ein strenger Maßstab anzulegen. 18 Durch die Verbindung „in Ausnahmefällen und wenn deren finanziellen Verhältnisse es zulassen“ wird zum Ausdruck gebracht, dass zunächst ein Ausnahmefall vorliegen muss und wenn dies zutrifft, die finanzielle Situation abzuwägen ist. Die Anwendung von Art 67 kommt insbesondere in Betracht, wenn der Antragsteller, der die Prozesskostenhilfe bezieht, wider Treu und Glauben in Bezug auf den gestellten Antrag gehandelt hat. Das trifft zB zu, wenn er wissentlich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben zum Streitverhältnis getätigt oder Umstände verschwiegen hat11 und deshalb die zuständige Behörde nicht veranlasst war, die Prozesskostenhilfe nach Art 46 Abs 2 abzulehnen. Ein solcher Fall kann auch dann vorliegen, wenn der Antragsteller trotz Kenntnis davon, dass die Vollstreckung in das Vermögen des Verpflichteten offensichtlich erfolglos sein wird, den Antrag auf Vollstreckung nach Art 56 gestellt hat. Für diese Anträge kann die Gewährung der Prozesskostenhilfe nicht vorweg nach Abs 2 abgelehnt werden, eine Kostenerstattung nach Art 67 ist jedoch zulässig. Ein Ausnahmefall iSd Art 67 liegt mE nicht vor, wenn die Unbegründetheit des Antrags bei Gewährung der Prozesskostenhilfe offensichtlich war und die zuständige Behörde deshalb nach Art 46 Abs 2 den Antrag hätte ablehnen können. 19 Die Auferlegung der Kosten im Ausnahmefall ist nur dann zulässig, wenn die finanziellen Verhältnisse der antragstellenden Partei dies rechtfertigen. Die Erwägungsgründe sprechen hier von einer „vermögenden Person“.12 Nicht geregelt ist, ob Maßstab die die Lebens-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Staat der ersuchenden oder der ersuchten Zentralen Behörde ist. Insoweit sollte die Betrachtungsweise der PKH-RL zu Grunde gelegt werden. Maßstab sind diesbezüglich die Verhältnisse im ersuchten Mitgliedstaat. Der Inanspruchgenommene kann jedoch vorbringen, dass seine finanzielle Situation im Vergleich zu den Lebensumständen in seinem Aufenthaltsstaat die Anwendung von Art 67 ausschließt. 20 Art 67 betrifft nur die Rückerstattung der Prozesskostenhilfe iSd Art 45, nicht die Kosten der Zentralen Behörden.

Artikel 47

Fälle, die nicht unter Artikel 46 fallen (1) In Fällen, die nicht unter Artikel 46 fallen, kann vorbehaltlich der Artikel 44 und 45 die Gewährung der Prozesskostenhilfe gemäß dem innerstaatlichen Recht insbesondere von den Voraussetzungen der Prüfung der Mittel des Antragstellers oder der Begründetheit des Antrags abhängig gemacht werden. 11 12

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Vergleichbar § 124 Nr 1 ZPO. Vgl Erwägungsgrund 36.

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Art 47 EG-UntVO 1

Kapitel V Zugang zum Recht

(2) Ist einer Partei im Ursprungsmitgliedstaat ganz oder teilweise Prozesskostenhilfe oder Kosten- und Gebührenbefreiung gewährt worden, so genießt sie ungeachtet des Absatzes 1 in jedem Anerkennungs-, Vollstreckbarerklärungs- oder Vollstreckungsverfahren hinsichtlich der Prozesskostenhilfe oder der Kosten- und Gebührenbefreiung die günstigste oder umfassendste Behandlung, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht. (3) Hat eine Partei im Ursprungsmitgliedstaat ein unentgeltliches Verfahren vor einer in Anhang X aufgeführten Verwaltungsbehörde in Anspruch nehmen können, so hat sie ungeachtet des Absatzes 1 in jedem Anerkennungs-, Vollstreckbarerklärungs- oder Vollstreckungsverfahren Anspruch auf Prozesskostenhilfe nach Absatz 2. Zu diesem Zweck muss sie ein von der zuständigen Behörde des Ursprungsmitgliedstaats erstelltes Schriftstück vorgelegen, mit dem bescheinigt wird, dass sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt, um ganz oder teilweise Prozesskostenhilfe oder Kosten- und Gebührenbefreiung in Anspruch nehmen zu können. Die für die Zwecke dieses Absatzes zuständigen Behörden sind in Anhang XI aufgelistet. Dieser Anhang wird nach dem Verwaltungsverfahren des Artikels 73 Absatz 2 erstellt und geändert. I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Prozesskostenhilfe gemäß

innerstaatlichem Recht. . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

2

III. Fortführung der Prozesskostenhilfe

im Vollstreckungsverfahren 1. Prozesskostenhilfe im Ursprungsmitgliedstaat (Abs 2). . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unentgeltliches Erkenntnisverfahren vor Verwaltungsbehörden (Abs 3) . . .

6 11

Anwendungsbereich

Art 47 ist anzuwenden, wenn der Anwendungsbereich des Kapitels V im Allgemeinen 1 eröffnet ist und kein Fall des Art 46 vorliegt. Die Partei, der Prozesskostenhilfe zu gewähren ist, muss ihren (gewöhnlichen) Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem Gerichtsstaat haben.1 Die Bestimmung bezieht sich auf beide Verfahrensbeteiligte gleichermaßen und schließt öAwE ein2. Art 47 ist deshalb auf Prozesskostenhilfe in Unterhaltssachen anzuwenden, in denen es nicht um den Unterhalt aus einem Eltern-Kind-Verhältnis gegenüber einer Person geht, die noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat oder es zwar um einen solchen Unterhalt geht, jedoch die Prozesskosten in Anspruch nehmende Partei keinen Antrag an die Zentrale Behörde iSd Art 56 gestellt hat.

1 2

Hierzu Art 44 Rn 8 f. Hierzu Art 44 Rn 5.

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Art 47 EG-UntVO 2- 6

II.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Prozesskostenhilfe gemäß innerstaatlichem Recht

2 Aus Abs 1 leitet sich ab, dass Prozesskostenhilfe gemäß innerstaatlichem Recht zu leisten ist. Die Voraussetzungen für den Zugang zur Prozesskostenhilfe dürfen dabei nicht enger sein als diejenigen, die für vergleichbare innerstaatliche Fälle gelten (Art 44 Abs 4). Macht die innerstaatliche Gesetzgebung die Gewährung der Prozesskostenhilfe von der persönlichen finanziellen Situation des Antragstellers und den Erfolgsaussichten des Antrags abhängig, so können diese Regelungen auch auf die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe Anwendung finden. Die Prozesskostenhilfe muss nicht unentgeltlich erfolgen, sie kann eine Selbstbeteiligung oder Ratenzahlungen vorsehen. Wenn die nationale Rechtsordnung nur natürlichen Personen Prozesskostenhilfe gewährt, so führt dies zum Ausschluss öAwE, soweit sie den Unterhaltsregress in eigenem Namen gerichtlich durchsetzen. 3 Der Verweis auf innerstaatliches Recht schließt die Anwendung der Bestimmungen ein, die der Umsetzung der PKH-RL in dem betreffenden Mitgliedstaat dienen sowie die Auslegung der nationalen Vorschriften unter Beachtung der Ziele der Richtlinie. 4 Wird Prozesskostenhilfe gewährt, so erstreckt sie sich auf das gesamte Verfahren, einschließlich der Vollstreckung. Sie schließt auch die Prozesskostenhilfe für den Fall ein, dass gegen den Empfänger oder auch von ihm selbst Rechtsbehelfe eingelegt werden, sofern die Voraussetzungen im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse und den Inhalt der Streitsache weiter vorliegen. 3 5 Für ein Gesuch auf Prozesskostenhilfe kann der Antragsteller das Verfahren nach der PKH-RL nutzen, deren diesbezügliche Bestimmungen in Deutschland in den §§ 1076 ff ZPO umgesetzt sind. Wenn er einen Antrag an die Zentrale Behörde nach Art 56 stellt, so kann er dies mit einem Antrag auf Gewährung der Prozesskostenhilfe oder auf Erleichterung von Gewährung der Prozesskostenhilfe verbinden,4 dem Antrag sind dann die erforderlichen Nachweise beizufügen (Art 57 Abs 5). III. Fortführung der Prozesskostenhilfe im Vollstreckungsverfahren

1.

Prozesskostenhilfe im Ursprungsmitgliedstaat (Abs 2)

6 Abs 2 ist Art 50 Brüssel I-VO entlehnt. Eine entsprechende Bestimmung sieht bereits Art 15 HUntAVÜbk 1973 vor, sie ist in Art 17 lit b HUntVerfÜbk 2007 übernommen worden. Die Regelung ist auf beide Parteien anwendbar. Hierin unterscheidet sie sich von Art 50 Brüssel I-VO, der nur den Antragsteller personell erfasst. Rechtspraktisch kommt sie vor allem dem Unterhaltsberechtigten zugute. Die Vorschrift erleichtert einem bedürftigen Gläubiger die grenzüberschreitende Vollstreckung des Titels in einem anderen Mitgliedstaat. Ist ihm im Ursprungsmitgliedstaat Prozesskostenhilfe gewährt 3 4

670

Art 9 PKH-RL, Erwägungsgrund 20. Art 51 Abs 2 lit a.

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Kapitel V Zugang zum Recht

Art 47 EG-UntVO 7-10

worden, so genießt er im Vollstreckungsmitgliedstaat diesbezüglich die Meistbegünstigung. Das bedeutet, er erhält die günstigste Behandlung im Anerkennungs-, Vollstreckbarerklärungs- oder Vollstreckungsverfahren, die das Recht des Vollstreckungsstaates vorsieht. Das trifft auch dann zu, wenn im Ursprungsstaat nur teilweise Prozesskostenhilfe gewährt wurde. Dies trägt wesentlich zur Vereinfachung der Prozesskostengewährung im Zweitstaat bei. In Deutschland führt der Grundsatz der Meistbegünstigung dazu, dass die Prozesskostenhilfe ohne Eigenbeteiligung gewährt wird. Die zu gewährende Prozesskostenhilfe erstreckt sich auf sämtliche Verfahrensstadien,5 sie umfasst in der Vollstreckung auch die Verfahren, die durch Rechtsbehelfe des Schuldners eingeleitet werden. Der Umfang der Prozesskostenhilfe regelt sich nach Art 45. Die Begünstigung nach Abs 2 wird ipso iure gewährt, ein Bewilligungsverfahren im 7 Vollstreckungsstaat findet nicht statt.6 Der Inanspruchnehmende hat den Nachweis zu erbringen, dass ihm im Ursprungsmit- 8 gliedstaat die vorausgesetzte Prozesskostenhilfe oder Freistellung von Kosten gewährt wurde. Das Formblatt „Auszug aus der Entscheidung“, abgedruckt als Anhang I und II, sieht eine Spalte für Prozesskostenhilfe und Kosten- und Gebührenbefreiung vor.7 Dem Antrag über die Zentralen Behörden nach Art 56 Abs 1 lit a und b ist zum Nachweis ein Schriftstück beizufügen, aus dem hervorgeht, dass der Antragsteller im Ursprungsmitgliedstaat Prozesskostenhilfe oder Kosten- und Gebührenbefreiung in Anspruch genommen hat.8 Das Schriftstück bedarf keiner Legalisation oder sonstiger Förmlichkeiten (Art 65). Soweit der Antrag auf Anerkennung, Vollstreckbarerklärung oder Vollstreckung bei dem zuständigen Gericht /der Behörde des Vollstreckungsstaates direkt, also nicht über die Zentralen Behörden gestellt wird, genügt ebenfalls der Nachweis durch das ausgefüllte Formblatt sowie das oben genannte Schriftstück. Für das Schriftstück sieht die EG-UntVO – einschließlich ihrer Anhänge – keine Formalien vor. Abs 2 will die betreffende Partei begünstigen. Er schließt deshalb die Gewährung der 9 Prozesskostenhilfe nach Abs 1 nicht aus. ZB kann eine Partei, der im Ursprungsmitgliedstaat wegen ihrer wirtschaftlichen Situation keine Prozesskostenhilfe gewährt wurde oder eine erst nach dem Erstprozess verarmte Partei, Prozesskostenhilfe nach Abs 1 im Vollstreckungsstaat erlangen. Abgeleitet aus seiner Herkunft, Art 15 HUntAVÜbk 1973, Art 44 Abs 1 EuGVÜ und 10 Art 50 Brüssel I-VO, hat Abs 2 einen eigenständigen räumlichen Anwendungsbereich. Einziges diesbezügliches Kriterium ist, dass es um eine Entscheidung eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat geht. Auf den Aufenthalt, gewöhnlichen Aufenthalt, den Wohnsitz oder die Staatsangehörigkeit der Partei kommt es nicht an. 5 6

7 8

Für die Brüssel I-VO Rauscher /Mankowski Art 50 Brüssel I-VO Rn 5. Für Art 50 Brüssel I-VO Kropholler Art 50 Brüssel I-VO Rn 4; Rauscher/Mankowski Art 50 Brüssel I-VO Rn 3; siehe auch Gottwald IPRax 1991, 285, 286; aA Linke IZPR4 (2006) Rn 252. Die Anhänge finden sich im Anschluss an die EG-UntVO. Anhang VI.

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Art 47 EG-UntVO, 11, 12 Art 48 EG-UntVO

2.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Unentgeltliches Erkenntnisverfahren vor Verwaltungsbehörden (Abs 3)

11 Abs 3 betrifft ebenfalls den Anspruch auf Prozesskostenhilfe bei der Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung eines Unterhaltstitels aus einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat. Der Titel muss in einem Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde des Ursprungsmitgliedstaates errichtet worden sein. Um welche Verwaltungsbehörden sich es in den einzelnen Mitgliedstaaten handelt, wird in Anhang X aufgelistet. 9 Das Verfahren vor dieser Verwaltungsbehörde muss für die nunmehr Prozesskostenhilfe beanspruchende Partei unentgeltlich gewesen sein. 12 Für die Gewährung der Prozesskostenhilfe ist eine Bescheinigung der zuständigen Behörde des Ursprungsmitgliedstaates darüber vorzulegen, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen erfüllt sind, um ganz oder teilweise Prozesskostenhilfe oder Kosten- und Gebührenfreiheit in Anspruch nehmen zu können. Maßstab hierfür sind die Voraussetzungen im Ursprungsmitgliedstaat, einschließlich der umgesetzten PKH-RL, soweit die Partei von deren räumlich-personellen Anwendungsbereich erfasst wird.10 Die zuständigen Behörden für die Ausstellung der Bescheinigung sind nicht die Zentralen Behörden. Sie werden für die Mitgliedstaaten in Anhang XI aufgelistet.11 Für die Prozesskostenhilfe selbst findet Abs 2 Anwendung, siehe deshalb Rn 6. Auch Abs 3 stellt eine Ergänzung zu Abs 1 dar. Das Günstigkeitsprinzip findet Anwendung, die Gewährung der Prozesskostenhilfe nach Abs 1 bleibt möglich.

Kapitel VI Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden Artikel 48

Anwendung dieser Verordnung auf gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden (1) Die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbaren gerichtlichen Vergleiche und öffentlichen Urkunden sind in einem anderen Mitgliedstaat ebenso wie Entscheidungen gemäß Kapitel IV anzuerkennen und in der gleichen Weise vollstreckbar. (2) Die Bestimmungen dieser Verordnung gelten, soweit erforderlich, auch für gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden. (3) Die zuständige Behörde des Ursprungsmitgliedstaats erstellt auf Antrag jeder betroffenen Partei einen Auszug des gerichtlichen Vergleichs oder der öffentlichen Urkunde unter Verwendung, je nach Fall, der in den Anhängen I und II oder in den Anhängen III und IV vorgesehenen Formblätter. 9 10 11

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Dieser Anhang war zum Zeitpunkt der Kommentierung noch nicht veröffentlicht. Hierzu Art 44 Rn 8. Dieser Anhang war zum Zeitpunkt der Kommentierung ebenfalls noch nicht veröffentlicht.

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Art 48 EG-UntVO 1, 2

Kapitel VI Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden

a) Rechtsbehelfe des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Autonome Einwände . . . . . . . . . . . . c) Rechtsbehelfe nach dem Recht des Vollstreckungsstaates . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckung mit Exequaturverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Öffentliche Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

III. Gerichtliche Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . .

4

IV. Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

V. Änderungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . .

9

VI. Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

der EG-UntVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

1. Vollstreckung ohne Exequaturverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

VIII. Intertemporale Regelung. . . . . . . . . . . . . .

22

15 16

17 20

VII. Anwendung der Bestimmungen

I.

Einführung

In der Rechtspraxis kommt der Errichtung öffentlicher Urkunden über die Verpflich- 1 tung zur Unterhaltszahlung gegenüber Kindern eine erhebliche Bedeutung zu. Unterhaltsverfahren werden nicht selten statt durch gerichtliche Entscheidungen, durch vom Gericht aufgenommene Vergleiche beendet. Art 48 unterscheidet sich erheblich von den Artt 57, 58 Brüssel I-VO. Öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche werden in der EG-UntVO weitgehend Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten gleichgestellt.1 Das dokumentiert sich in der Gleichstellung hinsichtlich der Vollstreckung, der Einführung des Begriffs Anerkennung hinsichtlich dieser Instrumente sowie im Verweis des Abs 2 auf die Bestimmungen der Verordnung. II.

Öffentliche Urkunde

Der Begriff ist in Art 2 Abs 1 Nr 3 definiert, übernommen ist er von Art 4 Nr 3 EG- 2 VollstrTitelVO. Er beruht auf der Rechtsprechung des EuGH zu Art 50 EuGVÜ. 2 Es handelt sich um eine Urkunde, die im Ursprungsmitgliedstaat förmlich errichtet oder in ein Register eingetragen worden ist. Die Beurkundung oder Registrierung hat durch eine Behörde oder eine andere – gemäß der Rechtsordnung dieses Staates – hierzu ermächtigte Person/Stelle, vielfach ein Notar, zu erfolgen. 3 In Deutschland sind es Urkunden, die von einem Notar (§ 794 Abs 1 Nr 5 ZPO) oder einem Gericht4 1 2

3

4

Siehe zur Brüssel I-VO Rauscher/Staudinger Art 57 Brüssel I-VO Rn 10. EuGH Rs C-260/97 Unibank A / S /Flemming G Christensen EuGHE 1999, 3715 Rn 14 = IPRax 2000, 409, 410. Der Begriff ist bereits näher im Bericht von Jenard/Möller zum LugÜ Rn 72 umschrieben. Keine Urkunden iSd Vorschrift sind mangels Mitwirkung einer schwedischen Behörde deshalb Vereinbarungen, die auf einem Formular der schwedischen „Försäkringskassan“ geschlossen wurden, vgl OLG Karlsruhe FamRZ 2007, 1581 f. §§ 794 Abs 1 Nr 5 ZPO, 62 BeurkG, Zuständigkeit des Amtsgerichts für die Beurkundung von Verpflichtungen zur Erfüllung von Unterhaltsansprüchen eines Kindes oder nach § 1615l BGB. Besonderes Merkmal dieser Urkunden ist, dass sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft.

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Art 48 EG-UntVO 3-5

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

errichtet werden. Die Beurkundung oder Registrierung muss nach dem Recht des Errichtungsstaates Beweis für den Inhalt der Urkunde und die Unterschrift geben. Zu den öffentlichen Urkunden werden nach Art 2 Abs 1 Nr 3 lit b auch die mit einer Verwaltungsbehörde des Ursprungsmitgliedstaates geschlossene oder von ihr beglaubigte Unterhaltsvereinbarung gezählt. Beispiel hierfür ist ein vor der schwedischen Unterhaltskasse geschlossener und vollstreckbarer Unterhaltsvertrag.5 Dazu gehören aber auch vor solchen Verwaltungsbehörden abgegebene und von diesen aufgenommene einseitige Verpflichtungen des Untehaltsschuldners.6 Beispiel hierfür sind die durch deutsche Jugendämter aufgenommenen Zahlungsverpflichtungserklärungen.7 Die öffentliche Urkunde muss im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sein, dh, es muss sich um eine beurkundete Vereinbarung oder einseitige Erklärung handeln, aus denen die Zwangsvollstreckung nach dem Recht des Ursprungsstaates zugelassen ist. Es wäre angebracht, wenn die Mitgliedstaaten die Informationen, die im Rahmen des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen zu übermitteln sind, darauf erstrecken, welche Art von öffentlichen vollstreckbaren Urkunden in ihrem Land errichtet werden und wie die Vollstreckbarkeit nachgewiesen wird. 3 Ursprungsmitgliedstaat ist der Staat, dessen Behörde auf seinem Territorium die öffentliche Urkunde aufgenommen hat. Außerdem sind ihm Urkunden zuzurechnen, die durch seine diplomatischen Vertreter im Ausland aufgenommen wurden. Behörde ist im weiten Sinne zu verstehen, hierzu gehören auch Personen, wie Notare, die ermächtigt sind, solche Urkunden aufzusetzen. III. Gerichtliche Vergleiche

4 Der Begriff ist in Art 2 Abs 1 Nr 2 legal definiert. Erfasst werden von einem Gericht gebilligte oder vor einem Gericht im Laufe eines Verfahrens geschlossene Vergleiche in Unterhaltssachen. 8 Der Vergleich ist dabei im weiten Sinne zu verstehen, es werden auch solche Vereinbarungen erfasst, bei der die materielle Rechtslage beim Abschluss nicht mehr streitig ist. Art 48 fordert als zusätzliche Voraussetzung die Vollstreckbarkeit des Vergleichs nach der Rechtsordnung des Ursprungsstaates. IV.

Anerkennung

5 Nach Abs 1 sind die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbaren gerichtlichen Vergleiche und öffentlichen Urkunden in den anderen Mitgliedstaaten nach Kapitel IV anzuerkennen.

5 6 7

8

674

Siehe zB OLG Düsseldorf FamRZ 2002, 1422 f = IPRspr 2002 Nr 199. Ausdrücklich in die Begriffsbestimmung von Art 4 Nr 3 EG-VollstrTitelVO aufgenommen. § 60 SGB VIII, § 794 Abs 1 Nr 5 ZPO. Besonderes Merkmal dieser Urkunden ist, dass sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Zum Anwaltsvergleich und einem Vergleich im Mediationsverfahren siehe Rauscher /Staudinger Art 57 Brüssel I-VO Rn 5, 6.

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Kapitel VI Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden

Art 48 EG-UntVO 6- 8

Die Anerkennung hat einen anderen Charakter als bei Entscheidungen. Dort geht es 6 um die Erstreckung der Urteilswirkungen als Hoheitsakt einer Behörde /eines Gerichts eines Mitgliedstaates auf die anderen Mitgliedstaaten. 9 Öffentliche Urkunden enthalten dagegen privatrechtliche vertragliche oder einseitige rechtsgeschäftliche Verpflichtungserklärungen, der gerichtliche Vergleich ist jedenfalls auch ein materielles Rechtsgeschäft.10 Die Anerkennung bedeutet zweierlei. Die in der öffentlichen Urkunde oder im gerichtlichen Vergleich getroffene Regelung zu den Unterhaltspflichten ist in den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen, wenn sie nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates wirksam zustande gekommen ist. Der Urkunde kommt dabei die Beweiskraft zu, die sie in dem Ursprungsmitgliedstaat hat. Zum anderen wird zum Ausdruck gebracht, dass solche Instrumentarien ausschließlich vor den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaates anzufechten sind.11 Anfechtung ist dabei im weiten Sinne zu verstehen, sie umfasst auch die Geltendmachung von materiellen, inhaltlichen Unwirksamkeitsgründen. Art 17 Abs 1 findet auf öffentliche Urkunden und Vergleiche entsprechend Anwen- 7 dung, wenn der Ursprungsmitgliedstaat an das HUntStProt 2007 gebunden ist. Das trifft auf alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme des Vereinigten Königreiches und Dänemarks zu. Die Anerkennung erfolgt demnach ipso iure und ohne Anfechtungsmöglichkeit. Art 48 Abs 1 iVm Art 17 Abs 1 entzieht den Gerichten aus anderen Mitgliedstaaten die Kompetenz, hierüber zu entscheiden. Selbst die Verletzung des ordre public stellt kein Anerkennungsversagungsgrund dar. Ist der Ursprungsmitgliedstaat nicht durch das HUntStProt 2007 gebunden, so sind 8 die gerichtlichen Vergleiche und öffentlichen Urkunden ebenfalls ipso iure anzuerkennen. Jedoch gibt es Anerkennungsversagungsgründe, Art 48 Abs 1 verweist insoweit auch auf Art 24. Eine Nachprüfung in der Sache ist nach Art 42 ausgeschlossen. Über die Anerkennung kann in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Art 23 Abs 2 und 3 gerichtlich entschieden werden. Möglich ist ein Anerkennungsfeststellungsverfahren sowie eine Inzidentanerkennung. Nicht verständlich ist, warum die Ablehnungsgründe für gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden nicht gesondert geregelt sind, wie in Artt 57, 58 Brüssel I-VO. Die Vorschriften der Brüssel I-VO verweisen zudem nur auf die Vollstreckung dieser Dokumente und bringen so zum Ausdruck, dass eine Anerkennung wie bei einer Entscheidung schon nicht erforderlich ist. Die Ablehnungsgründe in Art 24 sind nämlich auf Entscheidungen ausgerichtet. Wie in der Brüssel I-VO hätte der ordre public Vorbehalt ausgereicht. Zwar bildet die Unvereinbarkeit mit Entscheidungen von Gerichten des Vollstreckungsmitgliedstaates oder anderer Staaten einen möglichen Ausschlussgrund, jedoch passt die Formulierung vor allem in Art 24 lit d nicht.12 9

10 11 12

EuGH Rs C-145/86 Horst Ludwig Martin Hoffmann/Adelheid Krieg EuGHE 1988, 645 = NJW 1989, 663. Zur Doppelnatur nach dt Recht ua BGH NJW 2005, 3576, 3577; NJW 1981, 823, 823; 2193, 2194. So indirekt auch Erwägungsgrund 13. Ein Beispiel für eine eigenständige Regelung bildet Art 30 Abs 4 HUntVerfÜbk 2007.

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Art 48 EG-UntVO 9-12

V.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Änderungsentscheidung

9 Die Anerkennung einer öffentlichen Urkunde oder eines gerichtlichen Vergleichs hindert nicht eine Änderungsentscheidung im Anerkennungsmitgliedstaat, wenn sich die der Vereinbarung oder der Verpflichtungserklärung zugrunde liegenden Umstände geändert haben.13 Die Zuständigkeit für die abändernde Entscheidung ergibt sich aus Artt 3 ff. Für die Gerichte des Anerkennungsstaates besteht keine Zuständigkeitssperre, Art 8 ist nicht entsprechend auf öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche anzuwenden. Dies folgt schon daraus, dass mit Art 8 der Art 18 HUntVerfÜbk 2007 umgesetzt wurde und dieser jedenfalls die Sperrung definitiv nur für Entscheidungen vorsieht. VI. Vollstreckung

10 Die Vollstreckung gerichtlicher Vergleiche und öffentlicher Urkunden, die in einem anderen Mitgliedstaat geschlossen oder errichtet wurden, erfolgt nach Kapitel IV. Für die Vollstreckung ist erforderlich, dass der gerichtliche Vergleich und die öffentliche Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind. Ursprungsmitgliedstaat ist der Staat, in dem die Urkunde errichtet oder der Vergleich geschlossen wurde. Wiederum wird danach differenziert, ob im Ursprungsstaat das HUntStProt 2007 zur Anwendung kommt oder nicht.14 Dies stellt zwar ein einfaches Abgrenzungskriterium dar, inhaltlich trägt es jedoch die Differenzierung nicht. 1.

Vollstreckung ohne Exequaturverfahren

11 In entsprechender Anwendung von Art 17 ist für gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat geschlossen oder errichtet worden sind, in dem das HUntStProt 2007 angewendet wird, das Exequaturverfahren ausgeschlossen. 12 Die Eigenschaft der Vollstreckbarkeit wird unmittelbar nach Artt 48 Abs 1, 17 Abs 2 auf die anderen Mitgliedstaaten erstreckt. Der aus dem Vergleich oder der öffentlichen Urkunde Berechtigte kann die Sicherungsmaßnahmen nach Art 18 im Vollstreckungmitgliedstaat in Anspruch nehmen. Art 20 iVm Art 48 Abs 3 beschreibt, welche Schriftstücke der Antragsteller für die Zwangsvollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat vorzulegen hat. Zwingend gehören hierzu: Eine Ausfertigung der öffentlichen Urkunde oder des Vergleichs sowie ein Auszug aus diesen Urkunden, der unter Verwendung der in den Anhängen I und III vorgesehenen Formblätter zu erstellen ist. Nicht gefordert wird, dass es sich um eine vollstreckbare Ausfertigung handelt. Auch hat der Auszug nicht die Funktion, eine solche zu ersetzen oder die Vollstreckbarkeit zu bestätigen. Sie stellt nur die für die Vollstreckung wesentlichen Daten zusammen und erspart vor allem die Übersetzung des gesamten Titels. Dies lässt

13 14

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Argument aus Artt 21 Abs 2 UAbs 3, 24 S 2. Hierzu Rn 7 f.

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Kapitel VI Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden

Art 48 EG-UntVO 13, 14

sich sowohl aus dem Inhalt des Formblattes als auch aus dem Umstand ableiten, dass jeder Partei auf Antrag ein solcher Auszug zu erteilen ist. Nach Art 41 iVm Art 48 Abs 1 und 2 gilt für das Verfahren der Vollstreckung das 13 Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates. Die Zwangsvollstreckung nach deutschem Recht erfordert, dass in Bezug auf den gerichtlichen Vergleich oder die öffentliche Urkunde eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt wird (§§ 797, 795, 724 ZPO). Ohne sie ist die Zwangsvollstreckung unzulässig. Dieser Grundsatz wurde auch bei Anwendung der Rechtsakte zum Europäischen Verfahrensrecht bisher auf unterschiedliche Weise gewahrt. So wird aufgrund der Vollstreckbarerklärung nach der Brüssel I-VO die Vollstreckungsklausel durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts oder durch einen deutschen Notar erteilt (§§ 8, 9, 55 Abs 3 AVAG). Für die EGVollstrTitelVO ersetzt die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel die Vollstreckungsklausel (§ 1082 ZPO). Auch die EG-BagatellVO kennt die Bestätigung (Art 20 Abs 2 EG-BagatellVO). In Deutschland ist hierfür das Gericht zuständig, dem die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels obliegt (§ 1106 Abs 1 ZPO). Ein ausländischer Vollstreckungstitel, der nach der EG-BagatellVO ergangen ist, bedarf nicht zusätzlich der Erteilung der Vollstreckungsklausel. Auch hier ersetzt von der Funktion her die Bestätigung die inländische Vollstreckungsklausel. Nach der EGMahnVO wird der Europäische Zahlungsbefehl – unter Verwendung eines hierfür geschaffenen Formblattes – durch das Gericht im Ursprungsmitgliedstaat für vollstreckbar erklärt und der Antragsteller erhält dann diesen vollstreckbaren Europäischen Zahlungsbefehl. Auf dieser Grundlage wird folgerichtig – da es nicht der doppelten Vollstreckungsklausel bedarf – in § 1093 ZPO auf die Erteilung der Vollstreckungsklausel verzichtet. Die EG-UntVO bietet vergleichbare Lösungen nicht. Der deutsche Gesetzgeber hat 14 sich zu entscheiden, ob für die inländische Zwangsvollstreckung die ausländische öffentliche Urkunde oder der gerichtliche Vergleich mit einer Vollstreckungsklausel zu versehen ist, die bezeugt, dass der Titel besteht, der EG-UntVO unterliegt, die Vollstreckungsreife besitzt und einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist. Hat der Titel nicht die für die Vollstreckung erforderliche Bestimmtheit, ist er jedoch bestimmbar, so kann die Konkretisierung in der vollstreckbaren Ausfertigung vorgenommen werden. Ist der Titel teilweise bestimmt und teilweise unbestimmt (zB hinsichtlich der Zinsen), kann die Klausel teilweise erteilt werden. Dem Schuldner stünden, wie bei einem inländischen Titel, die Rechtsbehelfe der Klauselerinnerung (§ 732 ZPO) und die Klage gegen die Vollstreckungsklausel (§ 768 ZPO) zur Verfügung. Das Erfordernis einer Vollstreckungsklausel steht nicht im Widerspruch zu Art 17 Abs 2, weil es sich nicht um eine Vollstreckbarerklärung handelt. Letztere verleiht dem Titel erst die inländische Vollstreckbarkeit, während die Vollstreckungsklausel lediglich die Vollstreckbarkeit bezeugt. Sie verlagert die der Zwangsvollstreckung vorausgehende Prüfung der Vollstreckungsreife vom Gerichtsvollzieher auf eine dafür fachlich ausgerüstete Stelle. Würde auf das Erfordernis der Vollstreckungsklausel verzichtet werden, stünden dem Schuldner im Inland keine geeigneten Rechtsbehelfe in Bezug auf die Vollstreckungsfähigkeit des Titels zur Verfügung. Weder die Erinnerung nach § 766 ZPO, die die Art und Weise der Zwangsvollstreckung betrifft, noch die Vollstreckungsgegenklage Marianne Andrae

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Art 48 EG-UntVO 15-18

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

gemäß § 767 ZPO, mit der die Vollstreckbarkeit des Titels aufgrund von materiellrechtlichen Einwendungen gegen den Anspruch gehemmt oder beseitigt wird, sind hierfür heranzuziehen. Möglich ist wohl eine Klage, dass die Zwangsvollstreckung unzulässig ist, weil der Titel keinen vollstreckungsfähigen Inhalt besitzt.15 Im Ursprungsmitgliedstaat muss nach der EG-UntVO dem Gläubiger keine vollstreckungsfähige Ausfertigung erteilt sein, so dass in diesem Fall dem Schuldner vergleichbare Rechtsbehelfe im Ursprungstaat nicht zur Verfügung stehen. a) Rechtsbehelfe des Schuldners 15 Art 19 ist seinem Inhalt nach nicht auf gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden anwendbar, jedoch Art 21, der direkte autonome Einwendungen in Abs 2 und 3 vorsieht und im Übrigen auf die Rechtsbehelfe des Vollstreckungsstaates verweist. b) Autonome Einwände 16 Der Einwand der Vollstreckungsverjährung nach Art 21 Abs 2 UAbs 1 kann in Bezug auf gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden erhoben werden.16 Dasselbe gilt auch für den Einwand entgegenstehender Entscheidungen eines Gerichts des Vollstreckungsstaates oder eines Drittstaates, die im Vollstreckungsstaat anerkannt werden (Art 21 Abs 2 UAbs 2). Die Regelung kann analog für das Verhältnis verschiedener vollstreckbarer öffentlicher Urkunden zueinander herangezogen werden. Dabei ist Art 21 Abs 2 UAbs 3 entsprechend auf abändernde Instrumente anzuwenden. Bezogen auf Art 21 Abs 3 kommt nur der Einwand der Aussetzung der Vollstreckbarkeit für gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden in Betracht. Indirekt ergibt sich aus Art 21 Abs 3 UAbs 2, dass die Einleitung eines Verfahrens im Ursprungstaat, in dem die sich aus der Urkunde oder dem Vergleich ergebende Unterhaltsverpflichtung angefochten wird, keinen Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung im Vollstreckungsstaat begründet. Vielmehr muss der Antragsgegner die Aussetzung der Vollstreckbarkeit im Ursprungstaat erreichen. c) Rechtsbehelfe nach dem Recht des Vollstreckungsstaates 17 Der Schuldner kann die im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates vorgesehenen Gründe für die Verweigerung oder Aussetzung der Vollstreckung geltend machen. Sie dürfen jedoch nicht mit Art 21 Abs 2 und 3 unvereinbar sein. Zu beachten ist außerdem das Verbot der Sachüberprüfung nach Art 42, das entsprechend auf gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden anzuwenden ist. 18 Im deutschen Recht kommen als Rechtsbehelfe des Schuldners im Verfahren der Vollstreckung ausländischer Unterhaltstitel vorrangig die Erinnerung nach § 766 ZPO und die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO in Betracht.17 Nach innerstaatlichem Verfahrensrecht erstreckt sich die Präklusionswirkung des § 767 Abs 2 ZPO wegen des Ausschlusses in § 797 Abs 4 ZPO und der fehlenden Rechtskraftpräklusion 15

BGH NJW 2006, 695 ff in Bezug auf einen inländischen Titel.

16

Hierzu Art 21 Rn 13 ff. BGH NJW 2006, 695-698; BGHNJW 2005, 1576-1579; BGHZ 124, 164-173.

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Kapitel VI Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden

Art 48 EG-UntVO 19

bei gerichtlichen Vergleichen18 nicht auf gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden. Deshalb kann der Schuldner auch Einwände vortragen, die auf Gründen beruhen, die vor dem Abschluss des Vergleichs oder der Errichtung der öffentlichen Urkunde liegen. Infolge der Gleichstellung dieser Titel mit gerichtlichen Entscheidungen für die grenzüberschreitende Vollstreckung (Art 48) kann die Ausnahme von der Präklusion nach deutschem Recht keine Geltung haben. Daher muss bei einer Vollstreckung nach der EG-UntVO die Präklusionswirkung wie bei Entscheidungen beachtet werden. Zur Klarstellung dessen sollte in den deutschen Ausführungsbestimmungen zur EG-UntVO eine dem § 1086 Abs 2 ZPO entsprechende Regelung aufgenommen werden. Gegen diese Titel gerichteten materiell-rechtlichen Einwendungen können nur vorgebracht werden, wenn die Gründe erst nach der Errichtung der öffentlichen Urkunde oder des gerichtlichen Vergleichs entstanden sind. Eine Abweichung von der Präklusionsregel des § 767 Abs 2 ZPO ist ausgeschlossen, denn das Verbot der Sachüberprüfung ist nach Art 41 für diese Titel im Vollstreckungsverfahren zu beachten.19 Die Schlussfolgerung wird auch durch Erwägungsgrund 13 gestützt, der die betroffene Partei auf die Möglichkeiten der Anfechtung vor den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaates verweist. Der Schuldner kann jedoch vortragen, dass der Anspruch nicht der EG-UntVO unterliegt und deshalb der Vollstreckbarerklärung bedarf, keine öffentliche Urkunde vorliegt oder sie nicht ordnungsgemäß errichtet wurde. Dies hätte zur Folge, dass es an einem vollstreckbaren Titel fehlt. Ungeachtet dessen vorgenommene Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind unwirksam und können analog § 767 ZPO angefochten werden.20 Mittels eines Rechtsbehelfs, wie der Vollstreckungsabwehrklage, kann der Schuldner 19 die Vollstreckbarkeit im Vollstreckungsmitgliedstaat hemmen oder beseitigen. Dies zeitigt jedoch Wirkungen nur für den jeweiligen Vollstreckungsmitgliedstaat. Will der Schuldner die Vollstreckbarkeit für den gesamten europäischen Justizraum beseitigen, muss er die Vollstreckbarkeit aus der öffentlichen Urkunde oder den gerichtlichen Vergleich im Ursprungsmitgliedstaat angreifen. Wird die Vollstreckbarkeit daraufhin im Ursprungsmitgliedstaat aufgehoben, hat dies Wirkungen auch für die anderen Mitgliedstaaten, da für die unmittelbare Vollstreckungsmöglichkeit gemäß Art 17 Abs 2 dann kein vollstreckbarer Titel mehr vorliegt. Vollstreckungsmaßnahmen, die ungeachtet dessen ergehen, sind aus deutscher Sicht unwirksam und können daher analog § 767 ZPO angegriffen werden. 21 Geht der Schuldner gegen eine deutsche öffentliche Urkunde bzw gerichtlichen Vergleich mit einer Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO im Inland vor, dann gilt 18

BGH NJW-RR 1987, 1022, 1023.

19

Insoweit ist die Rechtslage anders als nach Art 57 Brüssel I-VO, hierzu Kropholler Art 57 Brüssel I-VO Rn 16. Thomas/Putzo/Hüßtege Vorb § 704 ZPO Rn 58; BGH NJW 2005, 1577; BGHZ 124, 164; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann Grundz § 704 ZPO Rn 57. Ebenda.

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Art 48 EG-UntVO 20-22

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

natürlich die Präklusionswirkung des Abs 2 aufgrund des § 794 Abs 4 ZPO nicht. Die auf dieser Grundlage beseitigte Vollstreckbarkeit zeitigt Wirkung in allen Mitgliedstaaten. 2.

Vollstreckung mit Exequaturverfahren

20 Ist die öffentliche Urkunde oder der gerichtliche Vergleich in einem Mitgliedstaat aufgenommen worden, in dem das HUntStProt 2007 keine Anwendung findet, so bedarf es zur Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat der Vollstreckbarerklärung, vgl Artt 26 ff. Das Verfahren hierfür entspricht den Regelungen in der Brüssel I-VO. 22 VII. Anwendung der Bestimmungen der EG-UntVO

21 Die Bestimmungen der EG-UntVO über den Zugang zum Recht, die Zusammenarbeit der Zentralen Behörden und zu den öAwE erstrecken sich auch auf öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche. Diese sind nach Art 65 von der Legalisation und ähnlichen Förmlichkeiten, wie der Apostille, befreit. Eine Übersetzung ist zur Rechtsverfolgung in anderen Mitgliedstaaten nur nach den für Entscheidungen getroffenen Regelungen erforderlich (Artt 20, 28, 40, 66). Die Zuständigkeitsvorschriften der Artt 3 ff erfassen nicht die internationale und örtliche Beurkundungszuständigkeit. VIII. Intertemporale Regelung

22 Art 48 ist auf öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche anwendbar, die ab dem 18.6.2011 errichtet bzw geschlossen werden. Sind sie davor errichtet, wird ihre Anerkennung oder Vollstreckbarkeit in einem anderen Mitgliedstaat jedoch ab diesem Zeitpunkt beantragt, ist hierauf Kapitel IV Abschnitt 2 und 3 anzuwenden, wenn sie zuvor der Brüssel I-VO unterlagen (Art 75 Abs 2). Es bedarf folglich der Vollstreckbarerklärung; die Vorschriften entsprechen weitgehend der Brüssel I-VO. Die EG-UntVO beschränkt, anders als Art 57 Abs 1 S 2 Brüssel I-VO, die Versagungsgründe für die Vollstreckbarerklärung nicht ausdrücklich auf den ordre public. Von dieser Eingrenzung ist jedoch auch weiterhin auszugehen, denn die EG-UntVO hat die Erleichterung der grenzüberschreitenden Vollstreckung zum Ziel und will keine zusätzliche Hürde errichten. Aus diesem Grund können Titel, die bis zum 18.6.2011 erwirkt werden, als Europäische Vollstreckungstitel nach der EG-VollstrTitelVO bestätigt werden, wenn sie in den zeitlichen Anwendungsbereich fallen, um dann die Vollstreckung zu betreiben. Eine diesbezügliche ausdrückliche Überleitungsregelung fehlt leider in der EG-UntVO.

22

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Vgl dazu Vorbem Art 23 ff Rn 3 ff.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Vorbem Artt 49 ff EG-UntVO 1-3

Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden Vorbemerkungen zu den Artt 49 ff

Kapitel VII überträgt das bewährte Modell der grenzüberschreitenden behördlichen 1 Zusammenarbeit und der Rechtshilfe, wie es in der Brüssel IIa-VO sowie in den Haager Übereinkommen über Kindesentführung,1 zur Adoption2 und zum Schutz von Kindern vorgesehen3 ist, auf den Unterhalt und passt es den spezifischen Erfordernissen der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Unterhaltsverpflichtungen an. Bisher erfolgt die Rechtshilfe auf diesem Gebiet im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander unter Anwendung des New Yorker UN-Übereinkommens über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20.6.1956.4 Diese bedarf der Neugestaltung, um die Zusammenarbeit effektiver zu gestalten und größere Erfolge in Bezug auf die grenzüberschreitende Beitreibung von Unterhaltsforderungen zu erreichen. Auf internationaler Ebene ist dies durch das HUntVerfÜbk 2007 erfolgt. Kapitel VII 2 lehnt sich an die Regelungen des HUntVerfÜbk 2007 zur Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene (Kapitel II) und über die Anträge über die Zentralen Behörden (Kapitel III) an. Das Besondere der EG-UntVO besteht darin, dass diese das Kapitel VII auf alle Unterhaltspflichten gemäß Art 1 Abs 1 erstreckt, während das HUntVerfÜbk 2007 die entsprechenden Kapitel nur auf die Unterhaltspflichten aus einer Eltern-Kind-Beziehung gegenüber einer Person, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, bezieht.5 Auch innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wird der Schwerpunkt der Zusam- 3 menarbeit der Zentralen Behörden bei den Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern liegen. Es wäre durchaus vertretbar gewesen, das Kapitel auf den Kindesunterhalt zu beschränken oder hierfür günstigere ergänzende Regelungen zu treffen. Dies hätte 1

2

3

4 5

Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980, BGBl 1990 II 207, Jayme/Hausmann Nr 222, Artt 6 ff. Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.5.1993, BGBl 2001 II 1035, Jayme/Hausmann Nr 223, Artt 6 ff. Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996, Jayme/Hausmann Nr 54, Artt 29 ff. BGBl 1959 II 150 ff. Art 2 Abs 1 HUntVerfÜbk 2007. Die Teilnehmerstaaten können eine Eingrenzung auf Personen vornehmen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Art 2 Abs 2). Sie können zudem durch Erklärung den personellen Anwendungsbereich erweitern (Art 2 Abs 3 HUntVerfÜbk 2007). Die Erweiterung gilt nur im Verhältnis zu den Vertragsstaaten, die die gleiche Erklärung abgegeben haben.

Marianne Andrae

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Vorbem Artt 49 ff EG-UntVO, 4-6 B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Art 49 EG-UntVO Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

mit dem besonderen Schutz- und Förderungsgebot für Kinder innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, ua auch unter Hinweis auf Art 3 und 27 des UN-Übereinkommens vom 20.11.19896, begründet werden können. Danach sollen die Vertragsstaaten alle geeigneten Maßnahmen treffen, um die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes gegenüber den Eltern und gegenüber anderen verantwortlichen Personen sicherzustellen, insbesondere, wenn die betreffenden Personen in einem anderen Staat leben als das Kind. 4 Die Europäische Gemeinschaft hat zwar den Anwendungsbereich der behördlichen Zusammenarbeit erweitert, geht jedoch inhaltlich nicht über die Kapitel II und III des HUntVerfÜbk 2007 hinaus. Kritisch ist vor allem anzumerken, dass zwar Art 3 lit b dem unterhaltsberechtigten Kind im eigenen Staat einen Gerichtsstand für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zur Verfügung stellt, die Nutzung dieses Gerichtsstandes durch die Regelungen im Kapitel VII jedoch nicht gefördert wird.7 5 Kapitel VII regelt vier Komplexe: die Bildung und die Zusammenarbeit der Zentralen Behörden im Allgemeinen (Artt 49, 50, 51); Anträge natürlicher Personen und öffentliche Aufgaben wahrnehmender Einrichtungen iSd Art 64 (Artt 51, 52, 54 bis 59); Ersuchen um Durchführung besonderer Maßnahmen (Artt 51, 53, 54); Zugang der Zentralen Behörden zu Informationen über personenbezogene Daten und deren Schutz (Artt 61 bis 63). 6 Dänemark beteiligt sich nicht am Kapitel VII.8 Es ist deshalb als Nichtmitgliedstaat für dieses Kapitel anzusehen. Anwendung findet aufgrund dessen weiterhin das zwischen Dänemark und Deutschland geltende New Yorker UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland von 1956,9 solange das HUntVerfÜbk 2007 nicht in Kraft ist und sowohl die EG mit Wirkung für Deutschland als auch Dänemark ihm nicht beigetreten sind.

Artikel 49

Bestimmung der Zentralen Behörden (1) Jeder Mitgliedstaat bestimmt eine Zentrale Behörde, welche die ihr durch diese Verordnung übertragenen Aufgaben wahrnimmt. (2) Einem Mitgliedstaat, der ein Bundesstaat ist, einem Mitgliedstaat mit mehreren Rechtssystemen oder einem Mitgliedstaat, der aus autonomen Gebietseinheiten besteht, steht es frei, mehrere Zentrale Behörden zu bestimmen, deren räumliche und persönliche Zuständigkeit er festlegt. Macht ein Mitgliedstaat von dieser Möglichkeit Gebrauch, so bestimmt er die Zentrale Behörde, an die Mitteilungen zur Übermittlung an die zuständige Zentrale Behörde in diesem Staat gerichtet werden können. Wurde eine Mitteilung an eine nicht 6

BGBl 1992 II 990.

7

Hierzu Art 53 Rn 25 f, Vorbem Art 61 bis 63 Rn 8, 17. ABl EU 2009 L 149/80. BGBl 1959 II 150.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 49 EG-UntVO, 1, 2 Art 50 EG-UntVO

zuständige Zentrale Behörde gerichtet, so hat diese die Mitteilung an die zuständige Zentrale Behörde weiterzuleiten und den Absender davon in Kenntnis zu setzen. (3) Jeder Mitgliedstaat unterrichtet die Kommission im Einklang mit Artikel 71 über die Bestimmung der Zentralen Behörde oder der Zentralen Behörden sowie über deren Kontaktdaten und gegebenenfalls deren Zuständigkeit nach Absatz 2.

Abs 1 bestimmt die Pflicht jedes Mitgliedstaates, eine Zentrale Behörde zu bestim- 1 men, welche die ihr nach der EG-UntVO obliegenden Aufgaben wahrnimmt, als zentrale Einrichtung für die Kooperation auf administrativer Ebene zu fungieren. Die Pflicht, die Zentrale Behörde zu bestimmen, schließt ein, sie mit Ressourcen und Befugnissen so auszustatten, dass sie die in der EG-UntVO vorgesehenen Aufgaben realisieren kann. Zwar nicht zwingend, jedoch zweckmäßig ist es, dieselbe Institution damit zu betrauen, welche die Funktionen der Zentralen Behörde nach dem HUntVerfÜbk 2007 wahrnimmt, soweit die Mitgliedstaaten durch dieses Übereinkommen gebunden werden. Die Möglichkeit, mehrere Zentrale Behörden zu bestimmen, besteht für Mitgliedstaa- 2 ten, die eines der Kriterien in Abs 2 S 1 erfüllen. In diesem Fall hat der Mitgliedstaat ihre räumliche und personelle Zuständigkeit festzulegen und außerdem eine Zentrale Behörde zu bestimmen, welche die Funktion der Haupt-Zentralen Behörde wahrnimmt, an die die Mitteilungen aus anderen Mitgliedstaaten gesendet werden können. Damit wird erreicht, dass bei Zweifeln über die Zuständigkeit, die mitunter vom Ausland her schwer durchschaubar ist, Mitteilungen, zu denen auch die Ersuchen nach Art 53 und die Anträge nach Art 56 gehören, an die Haupt-Zentrale Behörde gerichtet werden können. Die deutsche Zentrale Behörde ist bisher noch nicht bestimmt worden. Es ist nicht davon auszugehen, dass solche Behörden für einzelne Bundesländer gebildet werden. Zu rechnen ist vielmehr damit, dass dem Bundesamt für Justiz diese Aufgabe übertragen wird.

Artikel 50

Allgemeine Aufgaben der Zentralen Behörden (1) Die Zentralen Behörden a) arbeiten zusammen, insbesondere durch den Austausch von Informationen, und fördern die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden ihrer Mitgliedstaaten, um die Ziele dieser Verordnung zu verwirklichen; b) suchen, soweit möglich, nach Lösungen für Schwierigkeiten, die bei der Anwendung dieser Verordnung auftreten. (2) Die Zentralen Behörden ergreifen Maßnahmen, um die Anwendung dieser Verordnung zu erleichtern und die Zusammenarbeit untereinander zu stärken. Hierzu wird das mit der Entscheidung 2001/470/ EG eingerichtete Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen genutzt.

Marianne Andrae

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Art 50 EG-UntVO 1-3

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

1 Während in Art 51 präzise Aufgaben der Zentralen Behörden in Bezug auf einzelne Unterhaltssachen aufgelistet sind, werden in Art 50 die Funktionen allgemeiner Art bestimmt und damit zugleich eine gewisse Flexibilität erreicht. Die Flexibilität erlaubt es, einerseits die unterschiedlichen Ressourcen und Befugnisse der Zentralen Behörden in den Mitgliedstaaten zu berücksichtigen und gleichzeitig Raum für die Erweiterung und Verbesserung der Dienste, die durch die Zentralen Behörden geleistet werden können, zu geben.1 Die in Art 50 vorgesehenen Aufgaben können nicht an andere Einrichtungen oder Stellen weitergeleitet, sondern müssen von der Zentralen Behörde selbst wahrgenommen werden. Ausdrücklich ist zudem die Integration der Zentralen Behörden in das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen vorgesehen. I.

Kooperation

2 Abs 1 lit a verpflichtet die Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten selbst zur Zusammenarbeit, wobei hier insbesondere der Informationsaustausch genannt wird. Solche Informationen betreffen nicht nur die Veränderungen der Gesetzeslage, sondern auch Rechtsprechungstendenzen auf diesem Gebiet, woraus sich wiederum Schlussfolgerungen über die Erfolgsaussichten von Anträgen nach Art 56 allgemein ableiten lassen. Zum anderen haben die Zentralen Behörden die Zusammenarbeit der zuständigen Gerichte/Behörden ihrer Mitgliedstaaten zu fördern. Sie haben in diesem Zusammenhang zu sichern, dass die zuständigen Gerichte/Behörden über den Inhalt der EG-UntVO und die sich daraus für ihre Institution ergebenden Aufgaben im Rahmen der Zusammenarbeit informiert werden. Zudem sollen sie unterstützend tätig werden, damit diese Aufgaben effektiv realisiert werden. II.

Lösungen für Schwierigkeiten

3 Abs 1 lit b betrifft Schwierigkeiten, die bei der Anwendung der EG-UntVO im Allgemeinen auftreten, aber auch die einzelnen Fälle betreffen können. Die Schwierigkeiten können sowohl rein innerstaatlich entstehen, zB wenn das innerstaatliche System nicht in allen Teilen mit der EG-UntVO kompatibel ist oder die nationalen Behörden noch nicht ausreichend genug kooperieren. Sie können auch dadurch bedingt sein, dass die EG-UntVO in einzelnen Mitgliedstaaten durch die Verwaltungsbehörden unterschiedlich ausgelegt wird oder Lücken und Ungereimtheiten der EGUntVO selbst auftreten. Die möglichen Schwierigkeiten sind vielfältig, Abs 1 lit b ermöglicht es, hierauf flexibel zu reagieren. Die regelmäßigen Zusammenkünfte der Zentralen Behörde nach Art 60 bilden einen wichtigen organisatorischen Rahmen für die Organisation und Verbesserung der Zusammenarbeit sowie die Lösung von Schwierigkeiten.

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Für Art 5 HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 86.

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Art 51 EG-UntVO

Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Artikel 51

Besondere Aufgaben der Zentralen Behörden (1) Die Zentralen Behörden leisten bei Anträgen nach Artikel 56 Hilfe, indem sie insbesondere a) diese Anträge übermitteln und entgegennehmen; b) Verfahren bezüglich dieser Anträge einleiten oder die Einleitung solcher Verfahren erleichtern. (2) In Bezug auf diese Anträge treffen die Zentralen Behörden alle angemessenen Maßnahmen, um a) Prozesskostenhilfe zu gewähren oder die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu erleichtern, wenn die Umstände es erfordern; b) dabei behilflich zu sein, den Aufenthaltsort der verpflichteten oder der berechtigten Person ausfindig zu machen, insbesondere in Anwendung der Artikel 61, 62 und 63; c) die Erlangung einschlägiger Informationen über das Einkommen und, wenn nötig, das Vermögen der verpflichteten oder der berechtigten Person einschließlich der Belegenheit von Vermögensgegenständen zu erleichtern, insbesondere in Anwendung der Artikel 61, 62 und 63; d) gütliche Regelungen zu fördern, um die freiwillige Zahlung von Unterhalt zu erreichen, wenn angebracht durch Mediation, Schlichtung oder ähnliche Mittel; e) die fortlaufende Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen einschließlich der Zahlungsrückstände zu erleichtern; f) die Eintreibung und zügige Überweisung von Unterhalt zu erleichtern; g) unbeschadet der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 die Beweiserhebung, sei es durch Urkunden oder durch andere Beweismittel, zu erleichtern; h) bei der Feststellung der Abstammung Hilfe zu leisten, wenn dies zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen notwendig ist; i) Verfahren zur Erwirkung notwendiger vorläufiger Maßnahmen, die auf das betreffende Hoheitsgebiet beschränkt sind und auf die Absicherung des Erfolgs eines anhängigen Unterhaltsantrags abzielen, einzuleiten oder die Einleitung solcher Verfahren zu erleichtern; j) unbeschadet der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 die Zustellung von Schriftstücken zu erleichtern. (3) Die Aufgaben, die nach diesem Artikel der Zentralen Behörde übertragen sind, können in dem vom Recht des betroffenen Mitgliedstaats vorgesehenen Umfang von öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtungen oder anderen der Aufsicht der zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats unterliegenden Stellen wahrgenommen werden. Der Mitgliedstaat teilt der Kommission gemäß Artikel 71 die Bestimmung solcher Einrichtungen oder anderen Stellen sowie deren Kontaktdaten und Zuständigkeit mit. (4) Dieser Artikel und Artikel 53 verpflichten eine Zentrale Behörde nicht zur Ausübung von Befugnissen, die nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats ausschließlich den Gerichten zustehen. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Marianne Andrae

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II. Hilfeleistung für Anträge nach Art 56

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1. Übermittlung und Entgegennahme der Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einleitung von Verfahren . . . . . . . . . . . .

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Art 51 EG-UntVO 1, 2

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

III. Angemessene Maßnahmen (Abs 2) . . .

6

IV. Einzelne Aufgaben (Abs 2)

1. Prozesskostenhilfe (lit a) . . . . . . . . . . . . . 2. Ausfindigmachung des Aufenthaltsortes (lit b) . . . . . . . . . . . . . . 3. Informationen über das Einkommen (lit c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Freiwillige Unterhaltszahlungen (lit d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fortlaufende Vollstreckung einschließlich von Rückständen (lit e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

7 8

6. Unterhaltsüberweisung (lit f) . . . . . . . . 7. Unterstützung bei der Beweiserhebung (lit g). . . . . . . . . . . . . . . . 8. Feststellung der Abstammung (lit h) 9. Sichernde einstweilige Maßnahmen (lit i) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Zustellung von Schriftstücken (lit j)

15 16 19 23 24

10 12

V. Wahrnehmung durch andere Einrichtungen (Abs 3) . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VI. Die den Gerichten vorbehaltenen

13

Zuständigkeiten (Abs 4) . . . . . . . . . . . . . . .

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Allgemeines

1 Art 51 regelt, welche Maßnahmen die Zentralen Behörden in einer konkreten Unterhaltssache zu ergreifen haben. Diese brauchen sie nicht selbst durchzuführen, sie können von anderen Einrichtungen oder Stellen gemäß Abs 3 wahrgenommen werden. 2 Abs 1 beinhaltet zwingende Funktionen in Bezug auf die Weiterleitung der Anträge und die Ingangsetzung von Verfahren in Bezug auf Anträge nach Art 56. In Abs 2 sind Maßnahmen aufgelistet, die gleichfalls diese Anträge betreffen und zwingend zu ergreifen sind. Jedoch wird die Art der Erledigung mit „angemessenen Maßnahmen“ umschrieben, was Flexibilität zulässt. Die Art der Realisierung hängt von den Kompetenzen und den Ressourcen ab sowie von dem einzelstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaates.1 Die Aufgaben, die in Art 51 genannt sind, sind dem Charakter nach Funktionen der Verwaltung; den Zentralen Behörden werden keine Funktionen auferlegt, die den Gerichten nach dem innerstaatlichen Recht des betreffenden Staates obliegen. Soweit eine Zentrale Behörde gemäß dem nationalen Recht mit Justizgewalt ausgestattet ist, kann sie diese zur Realisierung der Aufgaben einsetzen. 2 Maßnahmen nach Art 51 sind nur bei Anträgen nach Art 56 zu ergreifen, außerdem im Umfang des Art 53 bei Ersuchen einer Zentralen Behörde, nicht jedoch, wenn eine Person, die ihren Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hat, in einem anderen Mitgliedstaat direkt ein Erkenntnisverfahren einleitet oder die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und/oder Vollstreckung betreibt. Unterstützungsleistungen der Zentralen Behörden im letzteren Fall wären freiwillig erbracht und würden nicht unter die Verordnung fallen.

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In Bezug auf die entsprechende Regelung im HUntVerfÜbk 2007 (Art 6) Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 87, 103. In Bezug auf die übereinstimmende Bestimmung des Art 6 HUntVerfÜbk 2007 Borrás/DegelingBericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 105.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

II.

Art 51 EG-UntVO 3- 6

Hilfeleistung für Anträge nach Art 56

Abs 1 bestimmt, dass die Zentralen Behörden Hilfeleistungen in Bezug auf die Anträ- 3 ge nach Art 56 erbringen. Die beiden genannten Aufgaben, Vermittlung und Verfahrenseinleitung oder -erleichterung, sind zwingende – jedoch nicht abschließende – Maßnahmen der Hilfeleistung. In Betracht kommen weitere Hilfeleistungen, vor allem solche, die nicht in Abs 2 gesondert aufgelistet sind. Beispiele wären die rechtliche Beratung, die es dem Antragsteller ermöglicht, die Erfolgsaussichten seines Vorhabens einzuschätzen, Unterstützung bei der Antragstellung und der Beschaffung der erforderlichen Übersetzungen. 1.

Übermittlung und Entgegennahme der Anträge

Es handelt sich um Hauptaufgaben der Zentralen Behörden, die in Art 58 spezifiziert 4 sind. Die Aufgaben selbst können auf Einrichtungen oder Behörden nach Abs 3 übertragen werden. 2.

Einleitung von Verfahren

Die Anträge nach Art 56 sind auf die Herbeiführung von Entscheidungen oder auf die 5 Anerkennung, Vollstreckbarerklärung oder Vollstreckung aus einem Unterhaltstitel gerichtet. Je nach den Kompetenzen der Zentralen Behörde des ersuchten Mitgliedstaates und der in diesem Staat zur Verfügung stehenden (behördlichen oder gerichtlichen) Verfahren für Unterhaltssachen hat diese entweder solche Verfahren einzuleiten oder ihre Einleitung zu erleichtern. Dabei ist das Verfahren auszuwählen, das effektiven Zugang zum Recht in Bezug auf den gestellten Antrag gewährleistet. Zu den Maßnahmen gehören vor allem Personen, wie Rechtsanwälte, die spezielle Kenntnisse in Bezug auf grenzüberschreitende Unterhaltssachen besitzen, mit der Wahrnehmung der rechtlichen Vertretung zu beauftragen. 3 Bestimmte Maßnahmen, die die Einleitung des Verfahrens erleichtern, sind im Abs 2 aufgelistet. III. Angemessene Maßnahmen (Abs 2)

Abs 2 listet Aufgaben der Zentralen Behörden in Bezug auf die Anträge nach Art 56 6 auf. Nicht alle Aufgaben treffen im Einzelfall zu. Welche Aufgaben zu lösen sind, ergibt sich aus dem jeweiligen Antrag und den Besonderheiten des Einzelfalls. Die Regelungen in Abs 2 sind hinsichtlich der Zielstellung – wie den Aufenthaltsort ausfindig zu machen oder Beweiserleichterung zu erreichen – verbindlich, soweit dies der Antrag erfordert. Die Art und Weise der Realisierung ist umschrieben mit „angemessenen Maßnahmen“. Welche Maßnahmen konkret ergriffen werden, hängt vom nationalen Recht des betreffenden Vertragsstaates ab und von den Kompetenzen und Ressourcen der ersuchten Zentralen Behörde. 4 Anzustreben ist eine Angleichung in 3 4

Zu der hierfür erforderlichen Vollmacht siehe die Ausführungen zu Art 52. Für die entsprechende Regelung im HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 120.

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Art 51 EG-UntVO 7, 8

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Bezug auf Kompetenzen und Ressourcen, beitragen hierzu kann der Erfahrungsaustausch zwischen den Zentralen Behörden und positive Beispiele der Realisierung von Aufgaben. Die Formulierung ist flexibel. Sie ermöglicht es, den Maßnahmenkatalog schrittweise aufgrund von Erfahrungen, besserer Ausnutzung oder Erweiterung der Kompetenzen zu vervollkommnen und zu effektivieren, sog „progressive implementation“.5 Als geringste Maßnahme kommt die Weiterverweisung an zuständige Einrichtungen oder kompetente Personen bzw die Beratung des Antragstellers in Bezug auf einzuleitende oder zu unternehmende Schritte in Betracht.6 Das Wort „angemessen“ ist auch auf das Verhältnis der Maßnahme des damit verbundenen Einsatzes von Ressourcen und dem voraussichtlichen Erfolg anzuwenden. Es sind nur solche Maßnahmen gefordert, die hinsichtlich des Aufwandes im angemessenen Verhältnis zu dem wahrscheinlichen Erfolg stehen. IV.

Einzelne Aufgaben (Abs 2)

1.

Prozesskostenhilfe (lit a7)

7 Die Prozesskostenhilfe selbst ist im Kapitel V geregelt. Die Verpflichtung, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, damit dem Antragsteller (Art 56) Prozesskostenhilfe gewährt wird, besteht nur dann, wenn die Umstände es erfordern, also nicht in jedem Einzelfall. Das trifft zB nicht zu, wenn es sich um ein Verfahren iSd Art 44 Abs 38 handelt oder ipso iure Prozesskostenhilfe, wie nach Art 47 Abs 2 oder 3 zu gewähren ist. Erfolgt die Gewährung der Prozesskostenhilfe durch zuständige Gerichte/Behörden auf Antrag, so in Bezug auf Art 47 Abs 1, besteht folglich die Unterstützung, vor allem in der Antragstellung durch die Zentrale Behörde bzw von ihr beauftragte Einrichtungen oder kundige Personen. Die Vollmacht nach Art 52 umfasst auch das Prozesskostenhilfeersuchen. Lit a bezieht sich nur auf die Prozesskostenhilfe im ersuchten Mitgliedstaat. Er betrifft nur die Prozesskostenhilfe für den Antragsteller nach Art 56, nicht für die Gegenpartei. 2.

Ausfindigmachung des Aufenthaltsortes (lit b)

8 Diese Aufgabe kann entweder aus einem Antrag nach Art 56 oder aus einem Ersuchen nach Art 53 resultieren, wenn bekannt ist oder vermutet wird, dass sich die Person im ersuchten Mitgliedstaat aufhält. In der Mehrzahl der Fälle wird der Aufenthaltsort des Unterhaltsverpflichteten ausfindig zu machen sein. Die Feststellung des Aufenthaltsortes des Unterhaltsberechtigten kann im Zusammenhang mit Anträgen nach Art 56 Abs 2 erforderlich sein.

5 6 7

8

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Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 122. Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007Rn 123. Die Regelung in Art 6 Abs 2 lit a HUntVerfÜbk 2007 ist weiter und bezieht sich auf die juristische Unterstützung, die die Prozesskostenhilfe mit einschließt. Hierzu Art 44 Rn 12.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 51 EG-UntVO 9-12

Die Zentralen Behörden haben alle erforderlichen Maßnahmen zur Ausfindigma- 9 chung des Aufenthaltsortes zu treffen. Die Verpflichtung ist im Hinblick auf die Informationserlangung von Behörden, Verwaltungen und juristischen Personen im ersuchten Staat in Art 61 näher spezifiziert. Der Zugang zu den Daten sowie der Datenschutz für die betroffene Person ist im Einzelnen in Artt 61, 62 geregelt, sie wird nach Art 63 über die Erhebung von Daten informiert. Das Wort „insbesondere“ in Abs 2 lit b macht deutlich, dass sich die Tätigkeit der ersuchten Zentralen Behörde nicht in der Anfrage bei Behörden und Verwaltungen nach Art 61 erschöpft, vielmehr auch andere Möglichkeiten in Betracht kommen. 3.

Informationen über das Einkommen (lit c)

Auch diese Aufgabe kann sich aus einem Antrag nach Art 56 oder einem besonderen 10 Ersuchen nach Art 53 Abs 1 ergeben. Lit c bezieht sich sowohl auf den Unterhaltsberechtigten als auch -verpflichteten. Die Informationen betreffen das Einkommen und – soweit erforderlich – weitere finanzielle Umstände9 sowie die Belegenheit des Vermögens. Ob neben dem Einkommen über weitere Vermögensverhältnisse Informationen einzuholen sind, hängt von der mit dem Antrag angestrebten Entscheidung ab. Informationen über weitere Vermögensverhältnisse sind für das Erkenntnisverfahren dann erforderlich, wenn nach dem maßgeblichen Recht die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung nicht nur vom Einkommen, sondern auch von der übrigen Vermögenslage abhängig ist. Die Feststellung der Belegenheit des Vermögens, des Arbeitgebers und der Bankverbindungen dient der Vorbereitung der Vollstreckung oder auch von vorläufigen sichernden Maßnahmen (hierzu lit i). Welche Feststellungen im Einzelnen für Anträge nach Art 56 erforderlich sind, obliegt dem Ermessen der ersuchten Zentralen Behörde unter Beachtung der Hinweise in den Anträgen. Das Ersuchen nach Art 53 ist durch die ersuchende Behörde zu spezifizieren und zu begründen, dabei ist das Erfordernis der Information über die anderen finanziellen Verhältnisse und die Belegenheit von Vermögen besonders zu begründen. Die Zentrale Behörde kann ihre diesbezüglichen Aufgaben dadurch erfüllen, dass sie 11 den Unterhaltsschuldner /-gläubiger auffordert, freiwillig die entsprechenden Informationen zu liefern. Die Informationsbeschaffung auf andere Weise hat insbesondere unter Anwendung des Art 61 zu erfolgen, der jedoch im Abs 2 die Informationsbeschaffung auf diese Weise für die Verwendung im Erkenntnisverfahren ausschließt. 4.

Freiwillige Unterhaltszahlungen (lit d)

Die Hauptverpflichtung der Zentralen Behörden nach lit d ist es, zur Vermeidung ei- 12 nes Prozesses die freiwillige Erfüllung der Unterhaltspflichten zu fördern. Welche Möglichkeiten zu nutzen sind und in welcher Intensität dieser Aufgabe nachzukommen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Mediation, Schlichtung oder ähnliche Verfahren sind hierfür den Parteien nahezubringen, wenn dies angebracht 9

Im engl Text sowie im HUntVerfÜbk 2007 „other financial circumstances“, in der dt Fassung nur mit „Vermögen“ wiedergegeben.

Marianne Andrae

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Art 51 EG-UntVO 13-16

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

ist. Solche freiwilligen Verfahren dürfen dem Unterhaltsschuldner nicht ermöglichen, die Unterhaltszahlungen hinauszuschieben. Zu nutzen sind die sich aus den nationalen Systemen ergebenden Möglichkeiten, auf den Unterhaltsschuldner einzuwirken, damit dieser freiwillig eine vollstreckbare Unterhaltsverpflichtung abgibt. 5.

Fortlaufende Vollstreckung einschließlich von Rückständen (lit e)

13 Eine fortlaufende Vollstreckung soll nicht in jedem Fall angestrebt werden, sondern nur bei wiederholten Unterhaltsrückständen.10 Lit e umfasst nicht die Kontrolle der laufenden Unterhaltszahlungen und die Mahnung eines säumigen Unterhaltsschuldners, wie sie in Mitgliedstaaten mit administrativen Systemen praktiziert werden. 14 Die Vollstreckung von Zahlungsrückständen kann sich auf einen Titel beziehen, der allein diese Rückstände betrifft. Sie kann auch einen Titel umfassen, der zur laufenden Zahlung von Unterhalt verpflichtet, dem der Unterhaltsschuldner nicht nachgekommen ist. Als erleichternde Maßnahme für die fortlaufende Vollstreckung kommt zB die Feststellung des Arbeitgebers oder der Bankverbindung in Frage, um die laufende monatliche Pfändung beantragen zu können. Zu den erleichternden Maßnahmen gehört die Beauftragung einer kompetenten Person, die entsprechende Anträge bei dem zuständigen Gericht /der Behörde für die fortlaufende Vollstreckung oder die Vollstreckung wegen der Rückstände stellt.11 6.

Unterhaltsüberweisung (lit f)

15 Gefördert werden soll eine kostengünstige, risikoarme und schnelle Überweisung des Unterhalts. Soweit es ein nationales System der Eintreibung laufender Unterhaltszahlungen gibt, kann darauf zurückgegriffen werden. 7.

Unterstützung bei der Beweiserhebung (lit g)

16 Die darauf gerichteten Maßnahmen kommen insbesondere bei entsprechenden Ersuchen nach Art 53 in Frage. Typisch ist der Fall, dass in einem Mitgliedstaat ein Prozess geführt wird, es zB um die Änderung eines Unterhaltstitels geht, und für die Entscheidung Tatsachen in Bezug auf den konkreten Fall, aber auch zu den allgemeinen Lebensumständen in dem anderen Mitgliedstaat zu ermitteln sind. Das Gericht kann hier das ausdrücklich vorbehaltende Verfahren der EG-BewVO wählen. Es kann jedoch auch den weniger formellen Weg über die eigene Zentrale Behörde gehen, die dann ein Ersuchen nach Art 53 stellt. Welcher Weg gewählt werden sollte, hängt von den zu ermittelnden Tatsachen ab und welche Beweise hierfür in Betracht kommen.

10 11

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So Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 155, zu Art 6 Abs 2 lit e HUntVerfÜbk 2007. Zur Vollmacht siehe Art 52.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 51 EG-UntVO 17-21

Lit g stellt eine Ergänzung zu lit c dar und findet Anwendung, wenn es um erforderli- 17 che Informationen geht, die nicht das Einkommen, die Vermögensverhältnisse und das Vermögen der Parteien betrifft. Der Begriff Beweis ist weit auszulegen Er umfasst alle Daten, die öffentlich im ersuch- 18 ten Staat verfügbar sind; es können aber auch Dokumente sein, die nur auf Nachfrage zu erhalten sind oder auch solche, die nur im Rahmen eines gerichtlichen Prozesses zugänglich sind.12 Im letzteren Fall ist vor allem abzuwägen, ob nicht ein Ersuchen nach der EG-BewVO der effektivere Weg wäre, zB für eine Beweiserhebung durch eidesstattliche Versicherung. 8.

Feststellung der Abstammung (lit h)

Die Abstammung eines Kindes von einem Elternteil ist nicht Gegenstand der EG- 19 UntVO. Eine Unterhaltspflicht aus dem Eltern-Kind-Verhältnis besteht nur, wenn die Elternschaft der in Anspruch genommenen Person feststeht. Deshalb ist es zweckmäßig, die Zusammenarbeit der Zentralen Behörden in Bezug auf die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern auch auf die Feststellung der Elternschaft zu erstrecken. Die Hilfeleistung in Bezug auf die Feststellung der Abstammung ist beschränkt darauf, 20 dass sie zur Geltendmachung der Unterhaltspflicht erforderlich ist. Anträge zur Herbeiführung von Entscheidungen im ersuchten Mitgliedstaat nach Art 56 Abs 1 lit d können die Feststellung der Abstammung mit einschließen. Ein isolierter Antrag nach Art 56, die Feststellung der Abstammung herbeizuführen, ist nicht möglich. Anders ist es bei Ersuchen nach Art 53. Ein Ersuchen um Hilfeleistung bei der Feststellung der Abstammung ist darauf gerichtet, die Vorfrage zu klären, ob die betreffende Person Unterhaltsverpflichteter ist, bevor ein Antrag nach Art 56 Abs 1 lit d gestellt wird. Die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten unterscheiden sich erheblich 21 hinsichtlich der Feststellung der Elternschaft für den Unterhalt und die zur Verfügung stehenden Verfahren. So kann zB in Frankreich inzident im Unterhaltsprozess die Abstammung als Vorfrage geklärt werden, jedoch nur mit Wirkung für diesen begrenzten Zweck.13 In anderen Ländern, wie in Deutschland, muss die Abstammung erga omnes feststehen, um den Anspruch auf Unterhalt zu begründen. In einigen Ländern kann der genetische Test nur durch gerichtlichen Beschluss angeordnet werden. Grenzüberschreitend bedarf es dann eines Rechtshilfeersuchens nach der EG-BewVO. Ein solches Ersuchen kommt jedoch auch im Zusammenhang mit der Durchführung eines Unterhaltsverfahrens oder eines Verbundverfahrens, in dem die Abstammung geklärt wird, im ersuchenden Mitgliedstaat in Frage. In diesem Fall, – wenn bereits ein Gericht des ersuchenden Staates befasst ist –, kann die unmittelbare Rechtshilfe nach der 12 13

Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 166. Siehe Artt 342-324-8 CC. Die deutsche Übersetzung dieser Artt des franz Zivilgesetzbuches findet sich bei Bergmann/Ferid/Henrich /Chaussade-Klein/Henrich Frankreich 10.5.2007.

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Art 51 EG-UntVO 22-24

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

EG-BewVO in Bezug auf die Klärung der Abstammung in Anspruch genommen wer-

den.14 22 Die möglichen Hilfsmaßnahmen sind abhängig vom Recht des ersuchten Mitgliedstaates. Beispiele sind Information über die rechtlichen Erfordernisse für einen genetischen Test, die zuständigen Institutionen, Hilfe bei dem Nachweis der Elternschaft, wenn nach dem Recht des ersuchten Staates die Elternschaft kraft gesetzlicher Vermutung besteht, Aufnahme eines Kontaktes mit dem vermeintlichen Vater, damit dieser die Vaterschaft anerkennt oder sich freiwillig einem genetischen Test unterzieht oder auch die Einleitung eines gerichtlichen Prozesses zur Feststellung der Elternschaft.15 9.

Sichernde einstweilige Maßnahmen (lit i)

23 Von Bedeutung sind insbesondere Maßnahmen, die Vermögensverschiebungen und -verschleierungen unterbinden, um die Durchsetzung von Unterhaltsverpflichtungen zu sichern. Solche Maßnahmen können bei Anträgen nach Art 56 ergriffen werden. Sie kommen jedoch auch bei entsprechenden Ersuchen nach Art 53 in Betracht, zB, wenn im ersuchenden Mitgliedstaat ein Unterhaltsverfahren eingeleitet ist und der Unterhaltsverpflichtete Vermögen im ersuchten Mitgliedstaat hat. Die Kriterien für die Einleitung oder die Unterstützung zur Einleitung solcher Verfahren stimmen überein mit denen für die Inanspruchnahme der Zuständigkeit für solche Verfahren nach Art 14.16 Es muss sich um eine vorläufige oder zeitlich begrenzte Maßnahme handeln. Sie muss hinsichtlich ihrer Wirkungen auf das Territorium des ersuchten Staates begrenzt sein. Es kann sich auch um Maßnahmen in einem Verfahren handeln, in dem die Gegenseite kein rechtliches Gehör erhält.17 Die Maßnahme muss erforderlich für die Absicherung des Erfolges des anhängigen Unterhaltsverfahrens sein. Das Erfordernis ist im Ersuchen nach Art 53 darzulegen. Bei einem Antrag nach Art 56 kommt sowohl ein zusätzliches diesbezügliches Ersuchen der ersuchenden Zentralen Behörde als auch die Einleitung einer sichernden einstweiligen Maßnahme – kraft eigener Initiative – der ersuchten Behörde gemäß den Umständen des Einzelfalls in Frage. 10. Zustellung von Schriftstücken (lit j) 24 Lit j behält die Anwendung der EG-ZustellVO vor, ermöglicht jedoch die Zustellung auf einem zweiten Weg über die Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten. Diese Möglichkeit erleichtert die Zustellung, wenn die Zentralen Behörden oder andere von einer Zentralen Behörde beauftragte Institution Schriftstücke an die Beteiligten oder umgekehrt zu übersenden haben. Der Vorteil besteht auch darin, dass alle Schriftstü14 15

16 17

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Näheres hierzu ua Rauscher/vHein Art 1 EG-BewVO Rn 28 ff. Zur entsprechenden Regelung im HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 176. Hierzu Art 14. Zur entsprechenden Regelung im HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 182.

Januar 2010

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 51 EG-UntVO, 25-27 Art 52 EG-UntVO

cke, die sich auf die einzelne Unterhaltssache beziehen, die Zentralen Behörden passieren, womit sie den Gang des Verfahrens verfolgen können. Lit j begründet nicht die Verpflichtung der Zentralen Behörden, die Zustellung selbst zu übernehmen. Die Zustellung ist nach der Regelung zu erleichtern. Möglich ist die Organisation unter Wahrung der rechtlichen Erfordernisse unter Hinzuziehung anderer Institutionen, selbst privater Einrichtungen.18 V.

Wahrnehmung durch andere Einrichtungen (Abs 3)

Die in Art 51 Abs 1 und 2 aufgelisteten Aufgaben der Zentralen Behörden können auf 25 öffentliche Einrichtungen übertragen werden. Möglich ist auch die Übertragung auf andere Stellen, jedoch müssen diese hinsichtlich der übertragenden Aufgaben der Aufsicht der zuständigen Behörden unterliegen. Die Anforderungen an die Überwachung müssen bereits aus Gründen des Datenschutzes streng sein.19 Abs 3 schafft für die Mitgliedstaaten Flexibilität für die institutionelle Anpassung in das jeweilige rechtliche Verwaltungssystem. Die Übertragung von Aufgaben auf öffentliche Einrichtungen und andere Stellen muss im Recht des betreffenden Mitgliedstaates vorgesehen sein, dabei ist der Umfang ihrer Zuständigkeiten festzulegen. Nur Einrichtungen und andere Stellen, denen durch die innerstaatliche rechtliche Regelung selbst oder auf der Grundlage dieser Regelung im formalen Sinne Aufgaben nach Abs 1 und 2 übertragen werden, fallen unter Abs 3. Sie sind vom Mitgliedstaat, einschließlich von Kontaktdaten und Zuständigkeiten der Kommission, gemäß Art 71 mitzuteilen. Andere Einrichtungen, Stellen und Personen, denen sich die Zentrale Behörde zur Er- 26 füllung der Aufgaben nach Art 51 bedient, sind nicht von Abs 3 erfasst. VI. Die den Gerichten vorbehaltenen Zuständigkeiten (Abs 4)

Abs 4 hat klarstellende Funktion. Die Regelungen zu den Aufgaben der Zentralen Be- 27 hörden berühren nicht die in den Mitgliedstaaten den Gerichten ausschließlich vorbehaltenen Zuständigkeiten. Soweit dies der Fall ist, kann sich die Hilfeleistung der Zentralen Behörde nur auf die Einleitung eines solchen Verfahrens und die Unerstützung bei der Prozessführung beziehen.

Artikel 52

Vollmacht Die Zentrale Behörde des ersuchten Mitgliedstaats kann vom Antragsteller eine Vollmacht nur verlangen, wenn sie in seinem Namen in Gerichtsverfahren oder in Verfahren vor anderen Behörden tätig wird, oder um einen Vertreter für diese Zwecke zu bestimmen. 18

19

Zur entsprechenden Regelung im HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 190. Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 193 in Bezug auf die entsprechende Bestimmung im HUntVerfÜbk 2007.

Marianne Andrae

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Art 52 EG-UntVO, 1-5 Art 53 EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

1 Art 52 regelt nur Teilaspekte einer Vollmacht, die ein Antragsteller der Zentralen Behörde des ersuchten Mitgliedstaates erteilt. Er bezieht sich nur auf die Frage, in welchen Fällen eine Vollmachterteilung verlangt werden kann. Die Zentrale Behörde muss im Namen des Antragstellers in einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren tätig werden. Um welches Verfahren es sich dabei konkret handelt, ergibt sich aus dem Antrag nach Art 56. Im Einzelfall kann auch im Rahmen der Realisierung besonderer Maßnahmen eine Vollmachterteilung erforderlich sein, zB bei Ersuchen um einstweilige sichernde Maßnahmen. 2 Die Vollmacht kann auch einschließen, Untervollmacht zu erteilen, zB an einen Rechtsanwalt oder eine Behörde, die in dem Mitgliedstaat die Vertretung in Unterhaltssachen übernimmt. 3 Die Worte „kann vom Antragsteller eine Vollmacht nur verlangen“ bedeuten, dass mit Art 52 die Vollmacht nicht begründet wird, sondern die Zentrale Behörde ein Recht auf Vollmachterteilung im geregelten Umfang hat. Der zwingende Inhalt eines Antrags gemäß Art 57 sieht eine Vollmachterteilung nicht vor, auch die Formblätter für die Anträge enthalten die Vollmacht nicht. In Bezug auf Anträge nach Art 56 ist es vorstellbar, dass die innerstaatlichen Ausführungsbestimmungen zur EG-UntVO – ähnlich § 6 Abs 2 IntFamRVG für das HKEntfÜ – die Bevollmächtigung der deutschen Zentralen Behörden in dem durch Art 52 vorgeschriebenen Umfang gesetzlich festlegen. Dies würde Rechtssicherheit schaffen und die Erteilung von rechtsgeschäftlichen Vollmachten erübrigen. Wird die Vollmacht gesetzlich nicht vorgesehen, müsste insoweit eine rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilt werden. Fehlt es an einer ausdrücklichen Vollmachtserteilung, so ist von einer konkludenten auszugehen, wenn die Realisierung des Antrags erfordert, dass die ersuchte Zentrale Behörde oder eine andere von ihr bevollmächtigte Person im Namen des Antragstellers tätig wird. Dies steht auch in Übereinstimmung mit Art 56 Abs 3, der den Beistand oder die Vertretung des Antragstellers durch die Zentrale Behörde in Fällen der Prozesskostenhilfe vorsieht. 4 Der Inhalt der Vollmacht bestimmt sich nach dem Recht des angerufenen Gerichts bzw der Behörde, in dem durch Art 52 umschriebenen Rahmen. 5 Für die besonderen Maßnahmen nach Art 53 gibt es keinen Antrag der unterhaltsberechtigten oder -verpflichteten Person. Soll in deren Namen im Mitgliedstaat der ersuchten Zentralen Behörde ein Verfahren, zB im einstweiligen Rechtsschutz, eingeleitet werden, bedarf es hierzu einer ausdrücklich erteilten Vollmacht.

Artikel 53

Ersuchen um Durchführung besonderer Maßnahmen (1) Eine Zentrale Behörde kann unter Angabe der Gründe eine andere Zentrale Behörde auch dann ersuchen, angemessene besondere Maßnahmen nach Artikel 51 Absatz 2 Buchstaben b, c, g, h, i und j zu treffen, wenn kein Antrag nach Artikel 56 anhängig ist. Die ersuchte Zentrale Behörde trifft, wenn sie es für notwendig erachtet, angemessene Maßnah-

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Art 53 EG-UntVO 1

Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

men, um einem potenziellen Antragsteller bei der Einreichung eines Antrags nach Artikel 56 oder bei der Feststellung behilflich zu sein, ob ein solcher Antrag gestellt werden soll. (2) Im Falle eines Ersuchens hinsichtlich besonderer Maßnahmen im Sinne des Artikels 51 Absatz 2 Buchstaben b und c holt die ersuchte Zentrale Behörde die erbetenen Informationen ein, erforderlichenfalls in Anwendung von Artikel 61. Informationen nach Artikel 61 Absatz 2 Buchstaben b, c und d dürfen jedoch erst eingeholt werden, wenn die berechtigte Person eine Ausfertigung einer zu vollstreckenden Entscheidung, eines zu vollstreckenden gerichtlichen Vergleichs oder einer zu vollstreckenden öffentlichen Urkunde, gegebenenfalls zusammen mit dem Auszug nach den Artikeln 20, 28 oder 48, vorlegt. Die ersuchte Zentrale Behörde übermittelt die eingeholten Informationen an die ersuchende Zentrale Behörde. Wurden diese Informationen in Anwendung von Artikel 61 eingeholt, wird dabei nur die Anschrift des potenziellen Antragsgegners im ersuchten Mitgliedstaat übermittelt. Im Rahmen eines Ersuchens im Hinblick auf die Anerkennung, die Vollstreckbarkeitserklärung oder die Vollstreckung wird dabei im Übrigen nur angegeben, ob überhaupt Einkommen oder Vermögen der verpflichteten Person in diesem Staat bestehen. Ist die ersuchte Zentrale Behörde nicht in der Lage, die erbetenen Informationen zur Verfügung zu stellen, so teilt sie dies der ersuchenden Zentralen Behörde unverzüglich unter Angabe der Gründe mit. (3) Eine Zentrale Behörde kann auf Ersuchen einer anderen Zentralen Behörde auch besondere Maßnahmen in einem Fall mit Auslandsbezug treffen, der die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen betrifft und im ersuchenden Mitgliedstaat anhängig ist. (4) Die Zentralen Behörden verwenden für Ersuchen nach diesem Artikel das in Anhang V vorgesehene Formblatt. I. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Fallsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

2. Notwendigkeit und Angemessenheit der Maßnahme . . . . 3. Anwendung von Art 61 . . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 11 15

III. Antragsvorbereitung (Abs 1 und 2)

1. Maßnahmenkatalog und angemessene Maßnahmen. . . . . . . . . . . . a) Erkenntnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung. . .

I.

IV. Verfahren im ersuchenden Mitgliedstaat

3 4 8

1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Maßnahmenkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen besonderer Maßnahmen . . . 4. Ablauf der Zusammenarbeit/ Ermessensentscheidung . . . . . . . . . . . . . .

20 23 28 30

Anwendungsbereich

Art 53 regelt die Zusammenarbeit der Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten in ei- 1 nem Einzelfall, in dem kein Antrag der berechtigten oder verpflichteten Person iSd Art 56 gestellt ist. Die ersuchte Zentrale Behörde ergreift bestimmte Maßnahmen nach Art 51 Abs 2, um die sie die Zentrale Behörde eines anderen Mitgliedstaates ersucht hat.

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Art 53 EG-UntVO 2- 4

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

In Abgrenzung zu den Maßnahmen, die im Zusammenhang mit den Anträgen nach Art 56 getroffen werden, sind sie als besondere Maßnahmen bezeichnet. Die unterhaltsberechtigte oder -verpflichtete Person bzw eine öAwE nach Art 64 hat kein Antragsrecht in Bezug auf die besonderen Maßnahmen. II.

Fallsituationen

2 Die erste Situation ist in Abs 1 und 2 geregelt. Es gibt einen potentiellen Antragsteller im Mitgliedstaat der ersuchenden Zentralen Behörde für einen Antrag gemäß Art 56. Die speziellen Maßnahmen dienen der Vorbereitung der Antragstellung oder auch dazu, den Antragsteller mit den Kenntnissen auszustatten, die es ihm ermöglichen, zu entscheiden, ob er überhaupt einen Antrag stellt. Sie können auch vorläufige Sicherungsmaßnahmen einschließen. Eine weitere Situation ist von Abs 3 erfasst: Ein Verfahren, das die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen betrifft, ist im Mitgliedstaat der ersuchenden Behörde anhängig. Die besonderen Maßnahmen dienen der Unterstützung der Durchführung dieses gerichtlichen Verfahrens und können auch auf vorläufige Sicherungsmaßnahmen gerichtet sein. III. Antragsvorbereitung (Abs 1 und 2)

1.

Maßnahmenkatalog und angemessene Maßnahmen

3 Die von Abs 1 erfassten besonderen Maßnahmen sind auf zweierlei Weise beschränkt. Zum einen muss es sich um Maßnahmen nach Art 51 Abs 1 lit b, c, g, h, i und j handeln. Der Maßnahmenkatalog ist nicht erweiterungsfähig. Die Maßnahmen müssen zum anderen in angemessener Relation zu den Gründen stehen, die das Ersuchen um die besonderen Maßnahmen hervorrufen. Angemessenheit bedeutet, dass die Informationen nicht weitergehen müssen und zum Schutz des Unterhaltsverpflichteten nicht weitergehen dürfen, als dies zur Entscheidungsfindung erforderlich ist. Sie haben nur soweit zu gehen, einen Antrag zu ermöglichen und Entscheidungshilfe in Bezug auf die Zweckmäßigkeit eines Antrags zu geben bzw Ansprüche durch einstweilige Maßnahmen zu sichern. Die besonderen Maßnahmen sind nicht dazu bestimmt, vorweg die im Verfahren zu ermittelnden Umstände zu klären. a) Erkenntnisverfahren 4 Für das Erkenntnisverfahren ist das Ersuchen um Ausfindigmachung des Aufenthaltsortes des Unterhaltsverpflichteten oder Unterhaltsberechtigten von besonderer Bedeutung (Art 51 Abs 2 lit b). Zwar muss der Antrag nach Art 56 Abs 2 lit c-e die Anschrift des Antragsgegners nicht enthalten, wenn sie nicht bekannt ist. Die vorhergehende Klärung kann jedoch dazu dienen, festzustellen, ob er überhaupt seinen gewöhnlichen Aufenthalt im ersuchten Staat als Voraussetzung für die Zuständigkeit der Gerichte dieses Staates für Entscheidungen in der Sache hat. Einschlägige Informationen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Gegenpartei (Art 51 Abs 2 lit c) würden zwar wesentlich die Entscheidung über die Einleitung eines Verfahrens in der Unterhaltssache erleichtern. Eine restriktive Handhabung folgt aus dem notwendigen Schutz personenbezogener Daten und daraus, dass die für den Unter696

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 53 EG-UntVO 5- 8

haltsanspruch relevanten Einkommens- und Vermögensverhältnisse auf der Grundlage des maßgeblichen Rechts im Verfahren zu klären sind. Derartige Informationen, die von den Zentralen Behörden nach Art 61 eingeholt werden, sind nach Art 61 Abs 2 S 2 für die Herbeiführung einer Sachentscheidung und damit auch in ihrem Vorfeld ausgeschlossen. Fehlen für einen Antrag nach Art 56 erforderliche Urkunden aus dem anderen Mit- 5 gliedstaat, so können deren Zentrale Behörden ersucht werden, diese zu beschaffen (Art 51 Abs 2 lit g). Im Vorfeld der Antragstellung kann als besondere Maßnahme um Unterstützung der Feststellung der Abstammung ersucht werden. Die diesbezüglichen Möglichkeiten bestimmen sich nach dem Recht des ersuchten Staates, vorbehalten sind die Befugnisse, die ausschließlich den Gerichten zukommen.1 Der Verweis auf Art 51 Abs 2 lit i kann nur dahingehend verstanden werden, dass es 6 eines anhängigen Unterhaltsantrags bei Ersuchen nach Art 53 Abs 1 nicht bedarf. Für die erfassten Fälle ist gerade charakteristisch, dass ein Antrag nach Art 56 noch nicht gestellt ist, mit der Folge, dass im Mitgliedstaat der ersuchten Behörde noch kein Unterhaltsverfahren anhängig ist. Möglich ist deshalb ein Ersuchen, ein Verfahren bei dem zuständigen Gericht /der zuständigen Behörde einzuleiten oder zu fördern, um eine vorläufige Anordnung über Unterhaltszahlung zu erreichen. Hierbei ist die Notwendigkeit der vorläufigen Maßnahme zu begründen. Für die Maßnahme selbst bedarf es einer Bevollmächtigung durch den potentiellen Antragsteller. Die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke (Art 51 Abs 2 lit j) ist zwar auch im 7 Rahmen der EG-ZustellVO möglich. Eine Zustellung über die Zentrale Behörde des Mitgliedstaates, in dem voraussichtlich das Verfahren eingeleitet wird, weist jedoch Vorteile auf. Sie unterliegt zum einen nicht dem Verfahrensgang und den Formalien der EG-ZustellVO. Zum anderen kann das Ersuchen um Aufenthaltsermittlung mit der Zustellung zB einer Leistungsaufforderung, die den Schuldner in Verzug setzt, verbunden werden. Letztlich wird damit die ersuchte Behörde frühzeitig mit der Unterhaltssache befasst. b) Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung Für die Entscheidung über eine Antragstellung oder die Vorbereitung des Antrags 8 auf Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung ist gleichfalls das Ersuchen um Feststellung des Aufenthaltsortes des Unterhaltsverpflichteten von besonderer Bedeutung (Art 51 Abs 1 lit b). Vorabinformationen über seine finanzielle Situation (Art 51 Abs 2 lit c) sind notwendig, wenn nicht ausgeschlossen ist, dass er kein regelmäßiges Einkommen hat oder ein Einkommen, das unter der Pfändungsgrenze liegt und außerdem möglicherweise kein pfändbares Vermögen vorhanden ist. Sie erleichtern die Entscheidung darüber, ob die Vollstreckbarerklärung und/oder die Vollstreckung im Mitgliedstaat des ersuchten Gerichts betrieben werden sollte. Von besonderer Bedeutung ist außerdem ein Ersuchen um vorläufige sichernde Maßnahmen nach Art 51 Abs 2 lit i. Auch hier ist nach dem Sinn der 1

Hierzu Art 51 Rn 27.

Marianne Andrae

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Art 53 EG-UntVO 9-13

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Verweisung auf Art 53 Abs 1 vom Erfordernis eines anhängigen Unterhaltsantrags abzusehen. Rechtspraktisch kann das Ersuchen um einschlägige Informationen nach Art 51 Abs 2 lit c zur Einkommens- und Vermögenssituation mit einem Ersuchen auf vorläufige sichernde Maßnahmen verbunden werden, wie sie nach der Rechtsordnung des Mitgliedstaates der ersuchten Behörde zulässig sind. Zwar ist der ersuchenden Behörde nach Abs 2 UAbs 2 auf das Ersuchen hin nur anzugeben, ob überhaupt Einkommen oder Vermögen vorhanden ist, soweit die Information auf Art 61 beruht; jedoch berührt die Einschränkung nicht die Möglichkeit der ersuchten Behörde, aufgrund des Ersuchens eine einstweilige sichernde Maßnahme einzuleiten. Auch hierfür bedarf es wiederum einer entsprechenden Bevollmächtigung durch den potentiellen Antragsteller. 2.

Notwendigkeit und Angemessenheit der Maßnahme

9 Die ersuchte Zentrale Behörde braucht die besondere Maßnahme, um die sie ersucht wird, nur zu tätigen, wenn sie diese für notwendig hält. Die Entscheidung liegt also bei der ersuchten Behörde, auf ihre Sicht kommt es an. Die Notwendigkeit ist zu messen an dem Zweck der besonderen Maßnahme, den potentiellen Antragsteller bei der Einreichung des Antrags oder bei der Entscheidung darüber zu unterstützen, ob ein Antrag gestellt werden sollte. 10 Ist die Maßnahme notwendig, so hat sie selbst in Bezug auf die konkrete Maßnahmenrealisierung angemessen zu sein. Wenn also zB das Ersuchen um Feststellung des Aufenthaltsortes angemessen (Abs 1 S 1) und zugleich notwendig ist, um die Entscheidung in Bezug auf die Antragstellung zu unterstützen, dann hat die ersuchte Behörde hierfür die Maßnahmen im Rahmen des nationalen Rechts zu treffen, die angemessen unter Berücksichtigung des Zwecks der Feststellung sind. 3.

Anwendung von Art 61

11 Informationen über den Aufenthalt einer Person, über ihr Einkommen und über die sonstige Vermögenssituation, einschließlich der Belegenheit von Vermögen, sind von der ersuchten Behörde, erforderlichenfalls in Realisierung der besonderen Maßnahme, unter Anwendung von Art 61 zu beschaffen. 12 Die Zentralen Behörden haben also, soweit die Einholung der Informationen erforderlich und angemessen ist, die nach Art 61 gegebenen Informationsquellen in Anspruch zu nehmen. Dabei sieht Abs 2 erhebliche Einschränkungen vor, um die betroffene Partei vor Datenmissbrauch zu schützen. Es soll gesichert werden, dass die Informationen allein für den in Abs 1 S 2 genannten Zweck der Maßnahme genutzt werden. Verhindert werden soll, dass auf diese Weise Informationen beschafft werden, die ansonsten nicht frei zugänglich sind, um sie dann in anderem Zusammenhang ausnutzen zu können. 13 Keinen besonderen Beschränkungen unterliegt die Informationsermittlung über die in Art 61 genannten Institutionen und ihre Weitergabe an die ersuchende Zentrale 698

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 53 EG-UntVO 14-16

Behörde in Bezug auf die Anschrift der verpflichteten oder berechtigten Person nach Art 61 Abs 2 S 2 lit a. Der potentielle Antrag kann auf die Herbeiführung einer Sachentscheidung oder auf die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung oder Vollstreckung gerichtet sein. Anderes gilt für Informationen über das Einkommen der verpflichteten Person, Nen- 14 nung des Arbeitgebers und/oder der Bankverbindungen der verpflichteten Person und über ihr Vermögen (Art 61 Abs 2 S 2 lit b, c, d). Betrifft der potentielle Antrag ein Erkenntnisverfahren (Erstentscheidung oder Änderungsentscheidung), so können solche Informationen nach Art 61 nicht eingeholt und weitergeleitet werden. Das folgt sowohl aus Art 61 Abs 2 S 3 als auch aus Art 53 Abs 2 S 2. Ihre Erteilung ist in Bezug auf ein Ersuchen zulässig, das sich auf einen potentiellen Antrag auf Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und/oder Vollstreckung bezieht. Als Beweis dafür hat die berechtigte Person eine Ausfertigung des vollstreckbaren Titels (Entscheidung, gerichtlicher Vergleich oder öffentliche Urkunde) der ersuchenden Behörde vorzulegen, gegebenenfalls einen Auszug des Titels gemäß Formblatt nach Art 20, 28 oder 48. Gegebenenfalls bedeutet, dass der entsprechende Auszug nur vorzulegen ist, wenn er im konkreten Fall ausgefertigt wurde oder seine Ausstellung erwirkt werden kann. Soll zB aus einem Titel, der im ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist, vollstreckt werden, so bedarf es keines Auszugs. Handelt es sich um einen Titel aus einem Nichtmitgliedstaat, so entfällt natürlich gleichfalls das Erfordernis eines solchen Auszugs. Ausfertigung und Auszug sind der ersuchten Zentralen Behörde nicht zu übersenden. Die Vorlage ist im Formblatt für das Ersuchen durch die ersuchende Behörde zu vermerken. Von den unter Anwendung des Art 61 erhaltenen Informationen leitet die ersuchte Behörde an die ersuchende Behörde nur die Angabe weiter, ob überhaupt Einkommen und Vermögen in diesem Staat vorhanden sind, alle anderen Informationen werden vorbehalten. 4.

Verfahrensablauf

Für ein Ersuchen nach Abs 1 bedarf es keines formellen Antrags. Rechtspraktisch 15 wird sich eine Person an die Zentrale Behörde ihres Aufenthaltsstaates gewandt haben und diese wird – wenn dies die konkrete Situation für zweckmäßig erscheinen lässt – empfehlen, dass sie zunächst vorweg um besondere Maßnahmen in dem anderen Mitgliedstaat ersucht. Der potentielle Antragsteller muss seinen Aufenthalt im ersuchenden Staat haben, denn nur dann kommt ein Antrag nach Art 56 in Frage. Die erwünschten Maßnahmen sind im Ersuchen zu bestimmen. Soll eine vorläufig sichernde Maßnahme nach Art 51 Abs 2 lit i ergriffen werden, ist eine entsprechende Bevollmächtigung durch den potentiellen Antragsteller beizufügen. Eine Ablehnung der Antragsbearbeitung kommt in Betracht, wenn sich die ersuchte 16 Behörde nicht in der Lage sieht, die ersuchte Maßnahme einzuleiten oder zu fördern. Dies kann zutreffen, wenn sie die Maßnahme nicht für notwendig oder angemessen hält (Abs 1) oder wenn sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen (Abs 2 UAbs 3) daran gehindert ist. Die Ablehnung der Maßnahme ist unverzüglich unter Angabe von Gründen mitzuteilen. Unverzüglich bedeutet so schnell wie möglich unMarianne Andrae

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Art 53 EG-UntVO 17-21

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

ter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Falls und der Ressourcen der Zentralen Behörde. Eingeschlossen in der Frist ist die Prüfung der Maßnahme auf ihre Notwendigkeit, Angemessenheit und die Möglichkeiten ihrer Umsetzung sowie eine Überlegungsfrist für die Mitteilung. Insgesamt steht hierbei entsprechend dem Sinn und Zweck der Regelung nur eine kurze Frist zur Verfügung. Die 60-Tage-Frist nach Art 58 Abs 4 gibt insoweit keine Orientierung, da sie eine angemessene Frist ist, aber nicht das Kriterium der Unverzüglichkeit erfüllt. 17 Soweit die ersuchte Behörde für die ersuchte Maßnahme Kostenübernahme nach Art 54 Abs 2 und 3 einfordert, hat sie dies der ersuchenden Behörde mitzuteilen, damit diese die Zustimmung des potentiellen Antragstellers einholt, es sei denn, diese liegt bereits vorweg vor. 18 Ergibt sich im Verlauf der Bearbeitung, dass die ersuchten Informationen nicht zur Verfügung stehen, so hat hierüber gleichfalls unverzüglich eine Information an die untersuchende Behörde zu erfolgen. 19 Die Ablehnung der Bearbeitung und ein negatives Informationsergebnis in Bezug auf die ersuchte Maßnahme sind zu begründen. Aus der Begründung lassen sich eventuell Schlussfolgerungen für eine Antragstellung nach Art 56 ziehen. Unverzügliche Mitteilung und Begründung der Nichtzurverfügungstellung der Informationen der ersuchten Zentralen Behörde gegenüber der ersuchenden Zentralen Behörde sind verpflichtend. Anders als die Durchführung der Maßnahme selbst, hat die ersuchte Behörde hierfür keinen Ermessensspielraum. IV.

Verfahren im ersuchenden Mitgliedstaat

1.

Anwendungsbereich

20 Abs 3 betrifft die Situation, dass im Staat der ersuchenden Zentralen Behörde ein Verfahren anhängig ist, das die Geltendmachung von Unterhalt betrifft. Dabei kann es sich um ein Erstverfahren oder um ein Abänderungsverfahren handeln. Das Verfahren muss anhängig sein. Abs 3 findet keine Anwendung, wenn es um eine Vorbereitung geht. Die Anhängigkeit bestimmt sich nach Art 9. 21 Die Regelung ist im Hinblick auf die allgemeine Zuständigkeit in Art 3 von besonderer Bedeutung. Möglich ist, den Antrag auf Leistung von Unterhalt in dem Mitgliedstaat einzubringen, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Gerade bei der Durchführung eines solchen Verfahrens an diesem Gerichtsstand können die Notwendigkeit und das Bedürfnis entstehen, die Unterstützung der Zentralen Behörden eines anderen Mitgliedstaates in Anspruch zu nehmen. Art 56 ist nicht einschlägig, weil das Verfahren im Staat der ersuchenden und nicht der ersuchten Zentralen Behörde stattfindet und deshalb auch Art 51 Abs 2 keine unmittelbare Anwendung findet.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 53 EG-UntVO 22-26

Abs 3 beschränkt sich nicht auf Fälle der Inanspruchnahme der Zuständigkeit nach 22 Art 3 lit b. Erforderlich ist lediglich, dass die Unterhaltssache einen Auslandsbezug aufweisen muss. Worin dieser bestehen könnte, ist nicht näher, auch nicht beispielhaft, umschrieben. Oft besteht er darin, dass einer der Beteiligten seinen (gewöhnlichen) Aufenthalt im ersuchten Mitgliedstaat hat; er kann aber auch darin gesehen werden, dass einer oder beide Parteien die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzen und zB Urkunden oder andere Schriftstücke aus diesem Staat erforderlich sind oder die verpflichtete Person Einkommen oder Vermögen in diesem Staat hat. 2.

Maßnahmenkatalog

Ob der Maßnahmenkatalog des Abs 1 auch für Abs 3 zutrifft, kann offen gelassen wer- 23 den, weil die dort nicht aufgenommenen Maßnahmen aus Art 51 Abs 2 für die in Abs 3 geregelten Fälle tatsächlich nicht in Frage kommen. Das Ersuchen um Hilfe, den Aufenthalt des Antragsgegners im Verfahren ausfindig zu 24 machen (Art 51 Abs 2 lit b), ist für dieses Verfahren von zentraler Bedeutung, um die Zustellung der Schriftstücke, insbesondere des verfahrenseinleitenden, zu erreichen und damit für den Antragsgegner nicht das Recht auf Nachprüfung der Entscheidung nach Art 19 entstehen zu lassen. Eingeschränkt sind die tatsächlichen Möglichkeiten der Gerichte, über ein Ersuchen 25 der Zentralen Behörde des Gerichtsstaates zu einschlägigen Informationen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der verpflichteten Person in einem anderen Mitgliedstaat zu kommen (Art 51 Abs 2 lit c). Der Zugang der ersuchten Zentralen Behörde zu solchen Informationen regelt sich nach Art 61, soweit Informationsträger Behörden, Verwaltungen und juristische Personen sind. Nach Art 61 Abs 2 S 3 kann die ersuchte Zentrale Behörde solche Informationen nicht anfordern, wenn es im gerichtlichen Verfahren um die Herbeiführung oder Änderung einer Entscheidung geht. Anders ausgedrückt, die wichtigsten Informationsquellen für diese für das Erkenntnisverfahren wichtigen Umstände sind den Zentralen Behörden versperrt. In diesem Zusammenhang ist wiederum kritisch der weite Anwendungsbereich des Kapitels VII anzumerken, der sich leider, anders als das HUntVerfÜbk 2007 in Bezug auf die behördliche Zusammenarbeit, nicht auf den Unterhalt gegenüber Kindern bis zur Vollendung des 18. oder 21. Lebensjahres beschränkt. Eine solche Beschränkung hätte es erleichtert, den grenzüberschreitenden Zugang zu Informationen dieser Art für die Gerichte in derartigen Unterhaltsverfahren bei gleichzeitiger Wahrung des Datenschutzes zu ermöglichen. 2 Ob und unter welchen Voraussetzungen für das Unterhaltsverfahren Auskünfte Drit- 26 ter über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Verfahrensbeteiligten ein2

In dem Bericht von Borrás/Degeling zu der entsprechenden Bestimmung des HUntVerfÜbk 2007 wird besonders hervorgehoben, dass ausschließlich für den Kindesunterhalt ein Ersuchen um besondere Maßnahmen in Frage kommt, weil sich die Kapitel II und III des Übereinkommens, die die in Kapitel VII EG-UntVO geregelten Fragen umfassen, nur auf diesen Unterhalt erstrecken.

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Art 53 EG-UntVO 27

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

geholt werden können, bestimmt sich nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem das Verfahren anhängig ist. Sind sie zulässig und sind sie nur in einem anderen Mitgliedstaat zu erlangen, so ist es effektiver, hierfür nach der EG-BewVO vorzugehen, als die Möglichkeit nach Abs 3, Art 51 Abs 2 lit c zu nutzen, weil letztere aufgrund von Art 61 Abs 2 S 3 beschränkt ist und die Unterstützung nach Abs 3 weder verpflichtend noch ein verbindliches Verfahren der Erledigung vorgegeben ist. Zwar ist die justizielle Informationsbeschaffung in Art 1 EG-BewVO nicht ausdrücklich genannt, auch fehlt der Einschluss anderer gerichtlicher Handlungen.3 Wird der Begriff der Beweisaufnahme weit ausgelegt,4 kann sie darunter subsumiert werden. Um den Anforderungen eines Ersuchens nach der EG-BewVO gerecht zu werden, können über die Zentralen Behörden die notwendigen Informationen darüber eingeholt werden, welche Institutionen, Behörden oder andere juristische Personen im konkreten Fall für eine Auskunft in Frage kommen, die dann im Beweishilfeersuchen bezeichnet werden. Für die Erleichterung der Beweiserhebung (Art 51 Abs 2), insbesondere durch Urkunden, gelten die Ausführungen in Art 51 Rn 16 ff entsprechend. In Bezug auf die Feststellung der Abstammung kommen in Betracht: Beschaffung entsprechender Urkunden, aus der sich die Elternschaft ergibt, Unterstützung dahingehend, eine rechtswirksame Anerkennung der Elternschaft zu erreichen oder – in Übereinstimmung mit der Rechtsordnung des ersuchten Mitgliedstaates – Vaterschaftstest oder eine Blutentnahme zu ermöglichen, die anschließend zur Analyse und gerichtlichen Verwertung ins Inland verbracht wird. Im letzteren Fall hat das Gericht abzuwägen, ob ein Ersuchen nach der EG -BewVO nicht aussichtsreicher ist.5 Denkbar ist es auch, die Zentrale Behörde eines anderen Mitgliedstaates zu ersuchen, einen Abstammungsprozess einzuleiten, wenn nach dem Recht des Gerichtsstaates, unter Einschluss des IPR, die Elternschaft erga omnes als Voraussetzung für die Verteilung zum Unterhalt festgestellt werden muss. Als Alternative hierzu stehen die Einleitung eines solchen Verfahrens im Gerichtsstaat des Unterhaltsverfahrens und die Beschaffung erforderlicher Beweise mit Unterstützung der Zentralen Behörden oder durch Ersuchen nach der EG-BewVO. 27 Ist das Unterhaltsverfahren in einem Mitgliedstaat anhängig und lebt der Unterhaltsverpflichtete in einem anderen Mitgliedstaat und/oder hat er dort Einkommen und Vermögen, so kann nach Abs 3 in Verbindung mit Art 51 Abs 2 lit i um vorläufige sichernde Maßnahmen ersucht werden. Hat das Gericht in der Unterhaltssache durch einstweilige Maßnahme den Unterhalt vorläufig in einem vollstreckbaren Titel geregelt, so kann der Berechtigte, der seinen Aufenthalt im Gerichtsstaat hat, einen Antrag nach Art 56 stellen, um seine Vollstreckbarerklärung und/oder Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat – unter Inanspruchnahme der Zentralen Behörden – zu betreiben.

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Anders Art 1 Abs 1 HBÜ. Hierfür Alio NJW 2004, 2706, 2707; Hess/Müller ZZPInt 6 (2001), 149, 152; Schlosser Art 1 EG-BewVO Rn 6; hierzu ausführlich Rauscher /vHein Art 1 EG-BewVO Rn 13. Zur Anwendbarkeit der EG-BewVO mit umfangreichen Literaturhinweisen Rauscher/vHein Art 1 EGBewVO Rn 29, 30.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

3.

Art 53 EG-UntVO 28-30

Grenzen besonderer Maßnahmen

Auf Maßnahmen nach Abs 3 findet Art 51 Abs 4 entsprechend Anwendung. Die er- 28 suchte Behörde wird keine Maßnahmen treffen, die nach dem innerstaatlichen Recht ausschließlich den Gerichten obliegt.6 Die Inanspruchnahme besonderer Maßnahmen nach Abs 3 hat ihre Grenzen in den nationalen verfahrensrechtlichen Bestimmungen des ersuchenden Mitgliedstaates. Deren Einhaltung ist jedoch eine interne Angelegenheit im ersuchenden Staat und wird von der ersuchten Behörde nicht überprüft. Ist ein Unterhaltsverfahren in Deutschland anhängig, so sind in Bezug auf Informa- 29 tionen über die Einkommens- und Vermögenssituation der verpflichteten und berechtigten Person (Art 51 Abs 2 lit c) die §§ 235, 236 FamFG zu beachten. Danach hat die Auskunftserteilung der Partei auf Anordnung des Gerichts Vorrang vor der Einforderung von Auskünften und Belegen seitens Dritter. Ein deutsches Gericht kann demnach eine Information zu diesen Gegenständen erst über die Zentralen Behörden als besondere Maßnahme oder ein Ersuchen nach der EG-BewVO stellen, wenn die betreffende Partei innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist nicht oder nicht vollständig Auskunft erteilt hat. Im Übrigen ist § 236 FamFG nur auf Unterhaltssachen zugeschnitten, in denen Auskünfte bei inländischen Behörden und Institutionen einzuholen sind. Insoweit besteht eine Regelungslücke, die dadurch zu schließen ist, dass auch adäquate ausländische Informationsquellen unter Einschluss der Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten und Vertragsstaaten des HUntVerfÜbk 2007 mit eingeschlossen werden. 4.

Ablauf der Zusammenarbeit/Ermessensentscheidung

Im Falle des Abs 3 ersucht die Zentrale Behörde des Gerichtsstaates die Zentrale Be- 30 hörde eines anderen Mitgliedstaates um eine konkretere Maßnahme nach Art 51 Abs 2. Rechtlich gibt es, anders als bei Art 56, keinen Antrag seitens eines Antragstellers an die ersuchte Zentrale Behörde. Nicht geregelt ist, auf wen das Ersuchen zurückzuführen ist, dies könnte Gegenstand der nationalen Ausführungsbestimmungen sein. Die EG-UntVO lässt es zu, dass sich eine Partei des Verfahrens an die Zentrale Behörde des Gerichtsstaates wendet, damit diese ein Ersuchen nach Abs 3 stellt, zB wenn eine vorläufige sichernde Maßnahme angestrebt wird. Dabei kann dies darauf beruhen, dass das Gericht die Partei auffordert oder sie anregt, sich an die Zentrale Behörde zu wenden, zB um die Anschrift des Antragsgegners in einem anderen Mitgliedstaat in Erfahrung zu bringen oder um Urkunden zu erhalten. Möglich ist es jedoch auch, dass sich das Prozessgericht direkt an die Zentrale Behörde seines Landes wegen Einleitung besonderer Maßnahmen wendet. Das betrifft zB die Unterstützung der Beweiserhebung durch die Beschaffung von Urkunden oder durch andere Beweismittel.

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Hierzu Art 51 Rn 27.

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Art 53 EG-UntVO, 31 Art 54 EG-UntVO

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

31 Ob die ersuchte Behörde aufgrund eines solchen Ersuchens eine besondere Maßnahme trifft, steht in ihrem Ermessen. Eine Rechtspflicht besteht nicht, dies bringt das Wort „kann“ zum Ausdruck. Bei der Entscheidung, ob und welche Maßnahmen in Frage kommen, wird sie wie für Abs 1 die Notwendigkeit und die Angemessenheit der Maßnahmen abwägen und dabei ihre eigenen Ressourcen berücksichtigen. Um diese Ermessensentscheidung zu ermöglichen, sind im Ersuchen die Gründe für die eingeforderten Maßnahmen darzulegen.7 Die Mitteilung über die Ablehnung der Bearbeitung des Ersuchens ist nicht geregelt, hierfür ist Abs 2 UAbs 3 entsprechend anzuwenden, was die Mitteilung über die Ablehnung und den Zeitpunkt der Mitteilung betrifft. Eine Begründung ist wünschenswert, aber nicht zwingend, da die Bearbeitung des Ersuchens im Ermessen der ersuchenden Behörde steht. Zwischeninformationen über den Gang der Bearbeitung, einschließlich Fristen, sind nicht vorgesehen; Art 58 findet keine analoge Anwendung. Erbringt die Bearbeitung nicht die Informationen, um die ersucht wurde oder hat eine andere besondere Maßnahme, um die ersucht wurde, keinen Erfolg, hat eine Mitteilung entsprechend Abs 2 UAbs 3 zu erfolgen.

Artikel 54

Kosten der Zentralen Behörde (1) Jede Zentrale Behörde trägt die Kosten, die ihr durch die Anwendung dieser Verordnung entstehen. (2) Die Zentralen Behörden dürfen vom Antragsteller für ihre nach dieser Verordnung erbrachten Dienstleistungen keine Gebühren erheben, außer für außergewöhnliche Kosten, die sich aus einem Ersuchen um besondere Maßnahmen nach Artikel 53 ergeben. Für die Zwecke dieses Absatzes gelten die Kosten im Zusammenhang mit der Feststellung des Aufenthaltsorts der verpflichteten Person nicht als außergewöhnlich. (3) Die ersuchte Zentrale Behörde kann sich die außergewöhnlichen Kosten nach Absatz 2 nur erstatten lassen, wenn der Antragsteller im Voraus zugestimmt hat, dass die Dienstleistungen mit einem Kostenaufwand in der betreffenden Höhe erbracht werden. I. Gegenstand der Regelung . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

III. Eigene Kostentragung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

IV. Gebührenfreiheit für den

Antragsteller nach Art 56 . . . . . . . . . . . . .

7

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V. Kosten für Ersuchen nach Art 53 . . . . .

7

VI. Kosten der Feststellung des

Aufenthaltsortes der verpflichteten Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII. Übersetzungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

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Analog Abs 1.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

I.

Art 54 EG-UntVO 1-5

Gegenstand der Regelung

Gegenstand der Regelung ist die Tragung der Kosten, die den Zentralen Behörden 1 entstehen für die Erfüllung ihrer Aufgaben nach der EG-UntVO. Einbezogen sind auch die Leistungen der in Art 51 Abs 3 genannten Einrichtungen und Institutionen. Dies folgt daraus, dass sich aus der innerstaatlichen Aufteilung der Funktionen keine Benachteiligung für andere Mitgliedstaaten oder für Antragsteller ergeben dürfen. II.

Kosten

Erfasst sind die durch die administrative Tätigkeit entstandenen Kosten der Zentralen 2 Behörden, zB Empfang, Weiterleitung und Bearbeitung der Anträge, und die Einleitung von Maßnahmen nach Art 51 Abs 2, die als administrative Kosten bezeichnet werden können, weiterhin solche, die als eigene Dienstleistungen erbracht werden, zB, wenn die Zentrale Behörde oder die in Art 51 Abs 3 genannten Einrichtungen Dienstleistungen iSd Art 44 Abs 3 erbringen oder gemäß Art 56 Abs 3 den Beistand und die Vertretung nach Art 45 lit b unmittelbar wahrnehmen. Nicht erfasst werden die Kosten, die durch die Einbeziehung Dritter entstehen und 3 die dem Antragsteller unmittelbar oder der Zentralen Behörde in Rechnung gestellt werden, auch, soweit sie der Realisierung des Antrags dienen,1 für die Beurkundung von außergerichtlichen Erklärungen und Einigungen, Labortests, Mediation und Schlichtung, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts oder Beistands, sowie die Kosten und Auslagen für die Prozessführung. Letztere sind Gegenstand der Prozesskostenhilfe nach Art 45. III. Eigene Kostentragung

Abs 1 betrifft die Kostentragung im Verhältnis der Zentralen Behörden zueinander. 4 Jede Zentrale Behörde hat die Kosten, die in Anwendung der EG-UntVO entstehen, selbst zu tragen. Ein Ausgleich /eine Verrechnung zwischen den Zentralen Behörden findet nicht statt. IV.

Gebührenfreiheit für den Antragsteller nach Art 56

Abs 2 findet sowohl Anwendung auf die Kosten der ersuchenden als auch der ersuch- 5 ten Zentralen Behörde. S 1 regelt den Grundsatz der Gebührenfreiheit für den Antragsteller hinsichtlich der von den Zentralen Behörden erbrachten Dienstleistungen. Der Begriff Antragsteller ist im Sinne des Art 56 zu verstehen, neben einer natürlichen Person kann es auch eine öAwE iSd Art 64 sein. Gebührenfreiheit ist also einer Person zu gewähren, die im ersuchenden Mitgliedstaat ihren Aufenthalt hat und einen Antrag mit dem durch Art 56 vorgegebenen Inhalt über Vermittlung der Zentralen

1

Für die entsprechende Bestimmung von Art 8 HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 222.

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Art 54 EG-UntVO 6-10

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Behörde ihres Aufenthaltstaates (ersuchende Behörde) an die Zentrale Behörde eines anderen Mitgliedstaates (ersuchte Behörde) stellt. 6 Andere Personen sind von der Gebührenfreiheit nicht erfasst. Es ist Sache der nationalen Gesetzgebung, sie von den Gebühren freizustellen oder Gebühren zu verlangen. So können zB einem Unterhaltsschuldner, der im Gerichtsprozess unterliegt oder dem Arbeitgeber, der eine Lohnpfändung missachtet, die der Zentralen Behörde in diesem Zusammenhang entstandenen Kosten auferlegt werden.2 V.

Kosten für Ersuchen nach Art 53

7 Vom Grundsatz gilt auch hier für die Person, in deren Interesse das Ersuchen erfolgt, der Grundsatz der Gebührenfreiheit. Die in Abs 2 S 1 HS 2 geregelte Kostentragung für außergewöhnliche Kosten ist als Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit zu verstehen. 8 Für außergewöhnliche Kosten kann Kostenerstattung nur verlangt werden, wenn die betreffende Person (in der Regelung gleichfalls als Antragsteller bezeichnet) vorher zugestimmt hat, dass die betreffende Dienstleistung mit einem bestimmten Kostenaufwand erbracht wird. Die Auferlegung der Kosten ist eine Ermessensentscheidung, die Zentrale Behörde ist nach der EG-UntVO nicht verpflichtet, die Kosten geltend zu machen. Außergewöhnliche Kosten sind solche, die ungewöhnlich im Vergleich zu den normalen Dienstleistungen der Zentralen Behörden sind. Die Bestimmung lässt Spielraum für eine Differenzierung nach der Art der Dienstleistungen und der Person des Antragstellers. Durch die Handhabung lassen sich inhaltlich nicht vertretbare Differenzierungen hinsichtlich der Kostentragung in Bezug auf Anträge nach Art 56 und Ersuchen nach Art 53b vermeiden, insbesondere soweit es den Kindesunterhalt betrifft. 10 Die Regelung selbst ist mE nicht in allen Teilen überzeugend, weil sie nicht vordergründig Gebührenfreiheit für Dienste gewährt, die der Durchsetzung der Unterhaltsverpflichtung im Eltern-Kind-Verhältnis gegenüber Kindern dienen. Art 56 erfasst neben Anträgen, die den Kindesunterhalt betreffen, den sonstigen Verwandtenunterhalt sowie den aus der Ehe und anderen Familienbeziehungen resultierenden Unterhalt. Art 54 gewährt hier Gebührenfreiheit. Dagegen können für Dienstleistungen nach Art 53 Abs 3, auch wenn es den Kindesunterhalt betrifft, Gebühren für außerordentliche Kosten erhoben werden. Art 3 ermöglicht es den Unterhaltsberechtigten, eine Entscheidung, einschließlich einer Änderungsentscheidung zum Unterhalt in seinem Aufenthaltsstaat, herbeizuführen, also keinen Prozess in einem anderen Mitgliedstaat zu führen. Dies wird er regelmäßig nutzen, zumal die EG-UntVO die Vollstreckung des Titels ohne Hindernisse in anderen Mitgliedstaaten ermöglicht. Für dieses Erkenntnisverfahren sind möglicherweise Dienstleistungen einer Zentralen Behörde zweckmäßig, was Art 53 Abs 3 ermöglicht. Es ist kein Grund ersichtlich, warum in diesen Fällen Gebühren für Dienstleistungen, die nach Art 51 Abs 2 in Bezug auf den Kindesunter2

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So für die entsprechende Bestimmung im HUntVerfÜbk 2007 Borrás /Degeling-Bericht Rn 224.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 54 EG-UntVO 10-13

halt erbracht werden, erhoben werden können, wenn die gleichen Dienstleistungen gebührenfrei wären, wenn über einen Antrag nach Art 56 die Zuständigkeit der Gerichte des ersuchten Mitgliedstaates in Anspruch genommen werden. VI. Kosten der Feststellung des Aufenthaltsortes der verpflichteten Person

Die Kosten der Feststellung des Aufenthaltsortes der verpflichteten Person gelten 10 nicht als außergewöhnlich und dürfen deshalb auch bei Ersuchen nach Art 53 nicht dem Antragsteller, der hinter einem solchen Ersuchen steht, auferlegt werden. Abs 2 S 2 gilt nicht, wenn der Aufenthaltsort der berechtigten Person ermittelt werden soll, diese Dienstleistung kann als außergewöhnlich und deshalb als kostenpflichtig angesehen werden. Fraglich ist, ob Abs 2 S 2 weit auszulegen ist und alle Kosten umfasst, die durch die 11 Einleitung von Maßnahmen nach Art 51 Abs 2 Lit b im ersuchten Staat anfallen. Dafür spricht, dass der Aufenthaltsort der verpflichteten Person regelmäßig nicht durch die Zentrale Behörde, sondern durch die Einschaltung anderer Institutionen festgestellt werden wird. Die eigenen Kosten der Zentralen Behörden sind dann äußerst gering, einer speziellen Regelung hätte es nicht bedurft. VII. Übersetzungskosten

Kosten für die notwendigen Übersetzungen sind nur in Art 44 geregelt. Danach er- 12 fasst die Prozesskostenhilfe die Übersetzungen der vom Gericht oder von der zuständigen Behörde verlangten und vom Empfänger der Prozesskosten vorzulegenden Schriftstücke, die für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich sind. Daraus lässt sich folgern, dass diese Kosten von einer Partei selbst zu tragen sind, wenn sie keine Prozesskostenhilfe erhält. In der EG-UntVO fehlt eine spezielle Kostenregelung für Anträge an die Zentralen 13 Behörden. 3 Es ist deshalb davon auszugehen, dass auch die Kosten der Übersetzung im Zusammenhang mit Anträgen nach Art 56 und Ersuchen nach Art 53 von Art 54 erfasst wurden. Kosten, die in Realisierung des Art 59 entstehen, sind administrative Kosten und können dem Antragsteller nicht auferlegt werden, soweit es sich um Anträge nach Art 56 handelt. Bei Ersuchen nach Art 53 ist es möglich, die Erstattung der Übersetzungskosten – soweit sie die Übersetzung anderer Schriftstücke als des Formblattes betrifft – als außerordentliche Kosten vom Antragsteller zu verlangen.

3

Art 45 Abs 2 und 3 HUntVerfÜbk 2007 sind nicht übernommen worden. Nach Abs 2 trägt danach der ersuchende Staat die Übersetzungskosten, sofern die Zentralen Behörden der betreffenden Staaten keine anderen Vereinbarungen getroffen haben. Abs 3 sieht vor, dass die ersuchende Zentrale Behörde dem Antragsteller die Kosten für die Übersetzung eines Antrags und der damit verbundenen Schriftstücke auferlegen kann, es sei denn, die Kosten können durch ihr System der juristischen Unterstützung gedeckt werden.

Marianne Andrae

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Art 55 EG-UntVO 1-3

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Artikel 55

Übermittlung von Anträgen über die Zentralen Behörden Anträge nach diesem Kapitel sind über die Zentrale Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Antragsteller seinen Aufenthalt hat, bei der Zentralen Behörde des ersuchten Mitgliedstaats zu stellen.

1 Geregelt wird, wer einen Antrag nach Art 56 an eine Zentrale Behörde eines Mitgliedstaates stellen kann und über welche Zentrale Behörde dies zu erfolgen hat. Die Bestimmung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Art 44 Abs 1 S 2.1 Der Antragsteller muss seinen Aufenthalt in dem ersuchenden Mitgliedstaat haben. Aufenthalt meint einen Aufenthalt von gewisser Beständigkeit, der nicht den Anforderungen des gewöhnlichen Aufenthalts genügen muss, jedoch mehr als der schlichte Aufenthalt ist.2 Ersuchender Mitgliedstaat ist der Staat, dessen Zentrale Behörde den Antrag entgegennimmt und diesen nach Sicherstellung seiner Ordnungsgemäßheit an die ersuchte Zentrale Behörde weiterleitet. 2 Nicht dem Kapitel VII unterliegt die Fallkonstellation, dass der Antragsteller, der in einem Mitgliedstaat seinen Aufenthalt hat, sich unmittelbar an die Zentrale Behörde eines anderen Mitgliedstaates mit einem Antrag wendet. Die Regelung entspricht der Lösung im Art 9 HUntVerfÜbk 2007. 3 Der Sinn dieser Beschränkung besteht darin, möglichst sicherzustellen, dass die Anträge alle erforderlichen Angaben für die Bearbeitung enthalten. Dies ist durch die Zentrale Behörde bzw von Behörden und Einrichtungen iSd Art 51 Abs 3 des Staates, in dem sich der Antragsteller aufhält, aufgrund der Nähe effektiver zu erreichen, als durch die Zentrale Behörde des ersuchten Mitgliedstaates. Außerdem reduzieren sich für die Zentrale Behörde des ersuchten Staates die Kosten für die Antragsbearbeitung, da die ersuchende Behörde sicherzustellen hat, dass der Antrag den Erfordernissen des Art 57 entspricht. 3 Die Artt 55 ff finden Anwendung auf alle Anträge, die ab dem 18.6.2011 gestellt werden, auch wenn es um die Vollstreckung von Entscheidungen geht, die zuvor erlassen wurden, Art 75 Abs 3. Abgrenzungskriterium zum HUntVerfÜbk 2007 Kapitel III bildet auch der Aufenthalt des Antragstellers. Die diesbezüglichen Bestimmungen des HUntVerfÜbk 2007 finden nach seinem Inkrafttreten und seiner Verbindlichkeit für die Mitgliedstaaten Anwendung, wenn der Antragsteller einen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat.

1 2 3

708

Hierzu Art 44 Rn 10 f. Siehe hierzu Erwägungsgrund 32. Anders zB Art 8 Abs 1 HKEntfÜbk, dort leitet sich die Möglichkeit der direkten Inanspruchnahme der Zentralen Behörde des ersuchten Vertragsstaates aus der besonderen außerordentlichen Eilbedürftigkeit der Angelegenheit ab.

Januar 2010

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 55 EG-UntVO, 4, 5 Art 56 EG-UntVO

Die Artt 55 ff haben keinen eigenständigen sachlichen Anwendungsbereich. Der Antrag kann eine Unterhaltspflicht aus jeder der in Art 1 Abs 1 genannten Familienbeziehung betreffen. Die EG-UntVO schließt es nicht aus, dass sich ein Antragsteller, der in einem Mit- 4 gliedstaat lebt, direkt an die Zentrale Behörde eines anderen Mitgliedstaates wendet. Denkbar wäre dies zB in einem Fall, in dem der Staatsangehörige des Mitgliedstaates A, der nunmehr im Mitgliedstaat B lebt, sich unmittelbar an die Zentrale Behörde des Mitgliedstaates A wendet, um die Vollstreckung eines Unterhaltstitels aus diesem Mitgliedstaat A gegenüber einem Unterhaltsschuldner zu erreichen, der im Mitgliedstaat A lebt. Ob und wie ein solcher direkter Antrag durch die Zentrale Behörde des Mitgliedstaates A bearbeitet wird, bestimmt sich nach dem innerstaatlichen Recht dieses Staates. Die Vorschriften des Kapitels VII finden keine Anwendung.4 Die Inanspruchnahme der Zentralen Behörden in Angelegenheiten, die in Art 56 5 geregelt sind, ist fakultativ. Der Antragsteller kann, ohne die Unterstützung der Zentralen Behörden in Anspruch zu nehmen, direkt seinen Antrag bei dem zuständigen Gericht oder bei der zuständigen Behörde eines Mitgliedstaates einbringen.

Artikel 56

Zur Verfügung stehende Anträge (1) Eine berechtigte Person, die Unterhaltsansprüche nach dieser Verordnung geltend machen will, kann Folgendes beantragen: a) Anerkennung oder Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung; b) Vollstreckung einer im ersuchten Mitgliedstaat ergangenen oder anerkannten Entscheidung; c) Herbeiführen einer Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat, wenn keine Entscheidung vorliegt, einschließlich, soweit erforderlich, der Feststellung der Abstammung; d) Herbeiführen einer Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat, wenn die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung, die in einem anderen Staat als dem ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist, nicht möglich ist; e) Änderung einer im ersuchten Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung; f) Änderung einer Entscheidung, die in einem anderen Staat als dem ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist. (2) Eine verpflichtete Person, gegen die eine Unterhaltsentscheidung vorliegt, kann Folgendes beantragen: a) Anerkennung einer Entscheidung, die die Aussetzung oder Einschränkung der Vollstreckung einer früheren Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat bewirkt; b) Änderung einer im ersuchten Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung;

4

So die Lösung für die entsprechende Bestimmung des HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 240.

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Art 56 EG-UntVO 1

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

c) Änderung einer Entscheidung, die in einem anderen Staat als dem ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist. (3) Bei Anträgen nach diesem Artikel werden der Beistand und die Vertretung nach Artikel 45 Buchstabe b durch die Zentrale Behörde des ersuchten Mitgliedstaats entweder unmittelbar oder über öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen oder andere Stellen oder Personen geleistet. (4) Sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist, werden Anträge gemäß den Absätzen 1 und 2 nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats behandelt und unterliegen den in diesem Mitgliedstaat geltenden Zuständigkeitsvorschriften. I. Antragskatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

IV. Prozesskostenhilfe für gerichtliche

Vertretung und Beistand (Abs 3) . . . . .

18

V. Rechtsgrundlagen (Abs 4) . . . . . . . . . . . . .

20

II. Anträge des Unterhaltsberechtigten

1. Unterhaltsberechtiger . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärung (Abs 1 lit a) . . . . . . . . . . . . 3. Vollstreckung einer Entscheidung (Abs 1 lit b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Herbeiführung einer Sachentscheidung (Abs 1 lit c bis f) . . . . . . . . .

2 3 5 6

1. Administrative Bearbeitung des Vorgangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herbeiführung einer Entscheidung . . 3. Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Änderung einer Unterhaltsentscheidung . . . . . . . . . . . . . .

21 22 24 25

III. Anträge der unterhaltsverpflichteten

Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anerkennung einer Entscheidung . . . 2. Änderung einer Entscheidung . . . . . . .

I.

12 15 17

Antragskatalog

1 Getrennt für den Unterhaltsberechtigten und den Unterhaltsverpflichteten werden die möglichen Anträge bestimmt. Die Regelung stimmt fast wörtlich mit Art 10 HUntVerfÜbk 2007 überein, nur Abs 4 findet sich dort nicht wieder. Vermisst wird ein Antragskatalog, der den Besonderheiten der EG-UntVO gegenüber dem HUntVerfÜbk 2007 gerecht wird. Es wäre durchaus zweckmäßig gewesen, bei den Anträgen, die die Vollstreckung von Entscheidungen betreffen, zwischen den Mitgliedstaaten und anderen Staaten zu unterscheiden. Der Katalog der möglichen Anträge ist zwingend. Anträge mit diesem Inhalt müssen von der ersuchten Zentralen Behörde bearbeitet werden, eine Ablehnung ist nur unter den Voraussetzungen des Art 58 Abs 8 zulässig.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

II.

Anträge des Unterhaltsberechtigten

1.

Unterhaltsberechtiger

Art 56 EG-UntVO 2- 4

Unterhaltsberechtigter iSd Art 56 ist der unmittelbar Unterhaltsberechtigte oder ei- 2 ne Person, die für den Unterhaltsberechtigten handelt.1 ÖAwE iSd Art 64 können im Namen des Unterhaltsberechtigten und im eigenen Namen Anträge stellen. 2 Es sind keine Gründe ersichtlich, warum die öAwE der Mitgliedstaaten für die Prozessführung gegen einen Schuldner in einem anderen Mitgliedstaat im Erkenntnisverfahren nicht die Unterstützung der Zentralen Behörden in Anspruch nehmen können. Das Interesse der Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um grenzüberschreitend die effektivere Durchsetzung der Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern zu erreichen und dadurch auch die Staatsbudgets zu entlasten, erfordert es, ihnen diese Unterstützung zu gewähren. Damit wird auch vermieden, dass allein zum Zwecke der Prozessführung im Ausland Ansprüche, die bereits gesetzlich auf die öAwE nach innerstaatlichem Recht übergegangen sind, rückübertragen werden. 3 Dem Zessionar einer Unterhaltsforderung stehen im Übrigen die Anträge nicht zur Verfügung. 2.

Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärung (Abs 1 lit a)

Der Antrag geht auf Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärung einer für die ersuchte 3 Zentrale Behörde ausländischen Entscheidung. Erfasst werden sowohl Entscheidungen aus den Mitgliedstaaten als auch aus anderen Staaten. Dafür spricht zunächst der Wortlaut der Regelung in lit a, weiterhin die Auslegung des entsprechenden Art 10 lit a HUntVerfÜbk 2007.4 Danach beziehen sich die Anträge auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus anderen Vertragsstaaten. Jedoch ist es durchaus möglich, einen diesbezüglichen Antrag für eine Entscheidung aus einem Nichtvertragsstaat einzureichen, auf den dann das innerstaatliche Recht oder ein Staatsvertrag, der zwischen dem Ursprungsstaat und dem ersuchten Mitgliedstaat gilt, Anwendung findet. Für diese Auslegung spricht auch die Ausgestaltung des Formblattes für derartige Anträge.5 Dort gibt es eine besondere Rubrik im Hinblick auf die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer in einem Drittstaat ergangenen Entscheidung. Der notwendige Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat wird also nicht durch die Herkunft der Entscheidung, sondern durch den Aufenthalt der Person des Antragstellers vermittelt. In Bezug auf Mitgliedstaaten umfasst der Begriff „Entscheidungen“ gerichtliche Ent- 4 scheidungen und Entscheidungen der Verwaltungsbehörden iSd Art 2 Abs 2 sowie die 1 2 3

4 5

Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 246. Hierzu siehe bereits Art 64 Rn 5, sowie Erwägungsgrund 14. Vgl § 7 Abs 4 S 2 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder Ausfallleistungen in der Fassung vom 17.7.2007, BGBl I 1446. Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 252. Siehe EG-UntVO Anhang VI.

Marianne Andrae

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Art 56 EG-UntVO 5-7

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

ihnen nach Art 48 Abs 2 gleichgestellten gerichtlichen Vergleiche und öffentlichen Urkunden. Für Vertragsstaaten des HUntVerfÜbk 2007 sind vollstreckbare Vergleiche oder Vereinbarungen mit eingeschlossen, die vor einem Gericht /einer Behörde geschlossen oder genehmigt wurden, das /die eine Unterhaltsentscheidung treffen kann.6 In Bezug auf mitgliedstaatliche Entscheidungen kann dieser Antrag nur Entscheidungen betreffen, die intertemporal nicht der EG-UntVO unterliegen7 oder bei der sich die Anerkennung und Vollstreckung nach Kapitel IV Abschnitt 2 richtet. Für die anderen entfällt das Exequaturverfahren, die Entscheidungen sind im anderen Mitgliedstaat unmittelbar vollstreckbar.8 Für ein Anerkennungsverfahren in Bezug auf solche Entscheidungen besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, weil die Anerkennung ipso iure erfolgt und nicht angefochten werden kann.9 Der alternative Antrag auf „Anerkennung und Vollstreckbarkeit“ ist nicht so zu verstehen, dass die Anerkennung förmlich festgestellt werden muss, wenn das für die Vollstreckbarerklärung nicht erforderlich ist. 3.

Vollstreckung einer Entscheidung (Abs 1 lit b)

5 Lit b betrifft zum einen den Antrag auf Vollstreckung von Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden, die im ersuchten Mitgliedstaat selbst ergangen sind bzw aufgesetzt wurden. Zum anderen sind solche ausländischen Titel gemeint, die im ersuchten Staat keiner Anerkennungs- oder Vollstreckbarerklärung bedürfen, weil diese bereits vorliegt oder weil der Titel von der Vollstreckbarerklärung befreit ist. Letzteres trifft für einen Unterhaltstitel aus einem anderen Mitgliedstaat zu, für den die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nach der EG-VollstrTitelVO erfolgt ist oder für den sich die Vollstreckung nach Kapitel IV Abschnitt 1 EG-UntVO richtet. 4.

Herbeiführung einer Sachentscheidung (Abs 1 lit c bis f)

6 Der Antrag kann auf Herbeiführung einer Sachentscheidung gerichtet sein. Lit c regelt den Antrag für den Fall, dass in der Unterhaltssache bisher keine Sachentscheidung getroffen wurde. Der Begriff Entscheidung umfasst wiederum auch einen vollstreckbaren gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde. 7 Ist als Voraussetzung für eine solche Entscheidung die Abstammung bisher nicht rechtlich festgestellt, so kann der Antrag auch die Feststellung der Abstammung mit erfassen, und zwar in der Form und mit dem Inhalt, wie es im ersuchten Staat für den Erlass der Unterhaltsentscheidung erforderlich ist. Ein isolierter Antrag auf Feststellung der Abstammung ist nicht verfügbar und insoweit unzulässig. Er muss direkt bei dem zuständigen Gericht des betreffenden Mitglied6 7 8 9

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Art 19 Abs 1 S 2 HUntVerfÜbk 2007. Hierzu Art 75. Hierzu Art 17 Rn 8. Art 17 Abs 1.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 56 EG-UntVO 8-11

staates eingereicht werden. Die Zentralen Behörden werden hierfür nicht tätig. Die Möglichkeit, einen verbundenen Antrag einzureichen, ist in Verbindung mit Abs 4 zu begreifen. Durch die Zulassung dieses Antrags werden nicht präjudiziert: die Zuständigkeit, die Voraussetzungen und die Wirkungen einer Entscheidung über die Abstammung, also, ob sie nur als erga omnes oder auch beschränkt mit Wirkung nur für die Unterhaltsverpflichtung getroffen werden kann. Dies bestimmt sich nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaates.10 Lit d betrifft den spezifischen Fall, dass in einem anderen Staat bereits eine Sachent- 8 scheidung vorgenommen wurde, diese jedoch im ersuchten Staat nicht anerkannt ist. Die Folge ist, dass diese Entscheidung dort keine Wirkungen entfaltet und deshalb die Rechtslage so ist, als wenn keine Entscheidung vorliegen würde. Die Bestimmung ist auch auf Entscheidungen anzuwenden, bei denen die Durchset- 9 zung im ersuchten Staat daran scheitert, dass der Entscheidung die erforderliche Bestimmtheit der Leistungsverpflichtung fehlt, wenn zB der Unterhalt im Prozentsatz zum Arbeitseinkommen des Verpflichteten ausgedrückt ist.11 In diesem Fall müsste jedoch der Antrag auf Konkretisierung der ursprünglichen Entscheidung hinsichtlich der Höhe der Unterhaltszahlung gerichtet sein, weil im Übrigen die Entscheidung selbst anzuerkennen ist. Daraus kann die allgemeine Schlussfolgerung gezogen werden, dass lit d bei Teilanerkennung sich nur auf den nicht anerkannten Teil bezieht. Die Nichtanerkennung der Entscheidung oder eines Teils der Entscheidung muss 10 nicht zuvor förmlich festgestellt werden, wenn sich bereits aus den maßgeblichen Vorschriften über die Anerkennung ausländischer Entscheidung die Nichtanerkennungsfähigkeit ergibt.12 Das trifft zB dann zu, wenn eine Voraussetzung für die Anerkennung die Anerkennungszuständigkeit der Gerichte des Entscheidungsstaates ist13 und diese im konkreten Fall nicht vorlag. Bei den übrigen Fällen, in denen eine Nichtanerkennung möglich erscheint – zB wegen Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs oder allgemein aus ordre public Gründen – kommt eine Verbindung des Antrags auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung und hilfsweise auf Entscheidung in Frage. Lit d hat keine Bedeutung für mitgliedstaatliche Titel, für die Kapitel IV Abschnitt 1 zutrifft, sowie für solche, die der EG-VollstrTitelVO unterliegen. Lit e und f ermöglichen einen Antrag auf Änderung einer ergangenen Entscheidung. 11 Dabei betrifft lit e die Änderung einer Entscheidung der Gerichte/Behörden des ersuchten Staates und lit f die eines anderen als den ersuchten Staat. Es kann sich dabei 10 11 12

13

Hierzu unter Rn 23. Siehe hierzu Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 269. Für die entsprechende Bestimmung in HUntVerfÜbk 2007 Borrás /Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 271. So für Entscheidungen von Gerichten der Vertragsstaaten des HUntVerfÜbk 2007 und soweit sich die Anerkennung nach nationalem Recht richtet. Jedoch nicht, wenn die Entscheidung der EG-UntVO, Brüssel I-VO oder dem LugÜbk unterliegt.

Marianne Andrae

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Art 56 EG-UntVO 12-16

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

um die Entscheidung des Gerichts /der Behörde eines Mitgliedstaates, eines Vertragsstaates des HUntVerfÜbk 2007 oder eines anderen Staates handeln. Die Änderung einer ausländischen Entscheidung setzt deren Anerkennung voraus. Hierzu bedarf es keines gesonderten Antrags, weil die Anerkennung inzident im Änderungsverfahren zu prüfen ist. Für die Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags findet Abs 4 Anwendung. III. Anträge der unterhaltsverpflichteten Person

12 Abs 2 ermöglicht auch der unterhaltsverpflichteten Person, bestimmte Anträge zu stellen. Damit wird deutlich, dass die Zentralen Behörden von der Konzeption her nicht Interessenvertreter des Unterhaltsberechtigten in grenzüberschreitenden Unterhaltssachen sind, sondern staatliche Funktionen in Realisierung der EG-UntVO bzw des HUntVerfÜbk 2007 wahrnehmen.14 13 Ein Schuldner soll auch grenzüberschreitend nur insoweit in Anspruch genommen werden, wie seine Leistungsfähigkeit reicht und er rechtlich zum Unterhalt verpflichtet ist. Einerseits soll verhindert werden, dass der grenzüberschreitende Bezug es dem Schuldner ermöglicht, sich der Unterhaltspflicht zu entziehen. Andererseits soll dieser Umstand ihn nicht daran hindern, seine Leistungspflicht zu reduzieren oder zu eliminieren, wenn hierfür die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. 14 Anträge der verpflichteten Person betreffen nur bereits existierende Entscheidungen, einschließlich vollstreckbarer gerichtlicher Vergleiche und öffentlicher Urkunden. Nicht möglich ist die Beantragung einer Erstentscheidung, in der festgestellt wird, dass keine Unterhaltspflicht oder diese nur in einer bestimmten Höhe besteht. Nicht ausgeschlossen sind natürlich direkte Anträge an das dafür zuständige Gericht. 1.

Anerkennung einer Entscheidung

15 Lit a betrifft folgende Fallsituation: Es gibt zwei Entscheidungen in der Unterhaltssache. Die erste Entscheidung ist jedenfalls eine Sachentscheidung. Es kann sich um eine Entscheidung eines Gerichts /einer Behörde des ersuchten Staates oder eines anderen Staates handeln. Im letzteren Fall muss die Entscheidung im ersuchten Staat anerkannt und vollstreckbar sein. Es gibt eine zweite, spätere ausländische Entscheidung, typisch wäre eine Änderungsentscheidung oder eine Entscheidung, die ohne Rücksicht auf die Erstentscheidung ergangen ist. Möglich sind auch Prozessentscheidungen, zB über die Wiederaufnahme des Verfahrens. 16 In einer solchen Konstellation sieht Abs 2 lit a die Möglichkeit vor, die Anerkennung der Zweitentscheidung herbeizuführen, um die Aussetzung oder Einschränkung der Vollstreckung der früheren Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat zu erreichen. Der Antrag auf Anerkennung der Zweitentscheidung ist nicht der zweckmäßigste, weil außerdem noch die Aussetzung oder Einschränkung der Vollstreckung beantragt 14

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Hierzu Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 283.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 56 EG-UntVO 17-21

werden müsste. Eventuell sind hierfür unterschiedliche Gerichte/Behörden zuständig. Sinnvoller wäre es, den Antrag gleich auf die Aussetzung oder Einschränkung der Vollstreckung zu richten, in diesem Verfahren könnte dann die Anerkennungsfähigkeit der Zweitentscheidung als Vorfrage geklärt werden. 2.

Änderung einer Entscheidung

Lit b und c sehen die Möglichkeit des Antrags auf Änderung einer Unterhaltsent- 17 scheidung des ersuchten Mitgliedstaates (lit b) und eines anderen Staates (lit c) vor. Hierfür gelten die Ausführungen in Rn 11 entsprechend. IV.

Prozesskostenhilfe für gerichtliche Vertretung und Beistand (Abs 3)

Abs 3 gehört zu Art 45 lit b. Wird dem Antragsteller Prozesskostenhilfe gewährt, so 18 umfasst diese den juristischen Beistand und die Vertretung von dem Gericht oder der Behörde, wenn es zum Prozess kommt. Der Antragsteller kann sich in diesem Fall Beistand und Vertreter nicht frei wählen. Diese Aufgaben werden von der Zentralen Behörde unmittelbar, von Einrichtungen iSv Art 51 Abs 3 oder einer von diesen in Untervollmacht bestellten Person erfüllt. Diese Lösung ist aus zwei Gründen gerechtfertigt. Zum einen wird erreicht, dass der 19 Beistand und die Vertretung von Personen realisiert werden, die speziell mit Rechtsfragen der grenzüberschreitenden Unterhaltsbeziehungen befasst sind. Insoweit werden Voraussetzungen für ein hohes Niveau der Vertretung geschaffen. Zum anderen liegen der Regelung fiskalische Erwägungen zugrunde. Die Zentralen Behörden und die dazu gehörenden Einrichtungen sind von dem jeweiligen Mitgliedstaat zu finanzieren. Die Mitarbeiter müssen sich mit jedem Antrag inhaltlich befassen, um die geeigneten Maßnahmen einzuleiten oder die Einleitung zu fördern. Die Einschränkung in der freien Wahl des Beistandes oder des Vertreters kann zu Einsparungen führen, weil Doppelgleisigkeit verhindert wird und Kosten minimiert werden können. Zu der Vertretungsmacht siehe Art 52, zur Prozesskostenhilfe Art 45 und zu den Kosten der Zentralen Behörden Art 54. V.

Rechtsgrundlagen (Abs 4)

Abs 4 erläutert pauschal die Rechtsgrundlagen für die Behandlung der Anträge im er- 20 suchten Mitgliedstaat und nennt hierbei die Zuständigkeiten gesondert. Vorrang hat die EG-UntVO und im Übrigen findet das Recht des ersuchten Mitgliedstaates Anwendung. Daraus ergibt sich Folgendes: 1.

Administrative Bearbeitung des Vorgangs

Die administrative Bearbeitung des Vorgangs richtet sich in erster Linie nach den Vor- 21 schriften der EG-UntVO. Nicht geregelte Fragen werden durch die Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaates ergänzt. Marianne Andrae

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Art 56 EG-UntVO 22-24

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Welche Institutionen und Möglichkeiten zur Realisierung von Maßnahmen nach Art 51 Abs 2 zur Verfügung stehen, bestimmt sich nach innerstaatlichem Recht des ersuchten Staates. 2.

Herbeiführung einer Entscheidung

22 Die internationale und örtliche Zuständigkeit für die Herbeiführung einer Entscheidung in der Unterhaltssache, einschließlich der Änderung einer Entscheidung regelt sich nach Artt 3 ff EG-UntVO. Die sachlich-funktionelle Zuständigkeit ergibt sich aus dem nationalen Recht. Die Begründetheit wird nach dem gemäß Kollisionsrecht maßgeblichen Recht entschieden, für unterhaltsrechtlich zu qualifizierende Rechtsfragen findet einheitlich das HUntStProt 2007 für die Mitgliedstaaten Anwendung, die daran gebunden sind.15 23 Besonderheit: Abstammungsfeststellung Die Abstammungsfeststellung kann freiwillig erfolgen. Vor welcher Behörde die erforderlichen Erklärungen abgegeben werden können, bestimmt sich nach dem Recht des ersuchten Staates. Die Anforderungen an das Anerkenntnis und die notwendigen Zustimmungserklärungen, ihre formelle und materielle Wirksamkeit und ihre Wirkungen regeln sich unter Einschluss des IPR nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaates. Für die gerichtliche Feststellung der Abstammung ist zunächst zu klären, ob die Feststellung erga omnes als eigenständige Entscheidung getroffen werden muss, auch wenn sie im Verbund mit dem Unterhalt ergeht, oder ob sie inzident im Unterhaltsverfahren als Vorfrage geprüft werden kann. Es wäre sinnvoll, wenn die Mitgliedstaaten, die durch das HUntStProt 2007 gebunden sind, diese Frage einheitlich dem Unterhaltsstatut zuordnen würden (Qualifikationsproblem), weil nur so der Entscheidungseinklang in einer Unterhaltssache herbeigeführt wird.16 Die internationale Zuständigkeit für eine eigenständige Entscheidung zur Abstammung und die kollisionsrechtliche Anknüpfung bestimmt sich nach dem autonomen Recht des ersuchten Mitgliedstaates. 3.

Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung

24 Diese Frage richtet sich nach der EG-UntVO, soweit der vollstreckbare Titel aus einem Mitgliedstaat stammt und der zeitliche Anwendungsbereich der EG-UntVO eröffnet ist (hierzu Art 75). Für vollstreckbare Titel aus anderen Staaten finden die zwischen dem ersuchten Mitgliedstaat und dem betreffenden Staat bestehenden Staatsverträge zu dieser Frage oder das autonome Recht des ersuchten Mitgliedstaates Anwendung.

15 16

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Siehe Art 15. So bereits die Lösung in Deutschland auf der Grundlage des HUntStÜbk 1973, siehe hierzu Kapitel II Rn 22.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

4.

Art 56 EG-UntVO, 25, 26 Art 57 EG-UntVO

Änderung einer Unterhaltsentscheidung

Die internationale Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts für die Änderung 25 einer Unterhaltsentscheidung bestimmt sich nach Kapitel II. Die Änderung einer ausländischen Unterhaltsentscheidung setzt deren Anerkennung voraus. Die Anerkennung muss nicht förmlich festgestellt werden, dies kann inzident im Abänderungsverfahren erfolgen. Die Rechtsgrundlagen hierfür sind vom Ursprungsstaat abhängig. Für Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten, deren Verfahren vor dem 18.6.2011 eingeleitet worden sind, richtet sich dies nach Art 23 und für Verfahren ab diesem Datum nach Art 17 Abs 1. In Bezug auf andere Staaten kommt die Anerkennung gemäß eines Staatsvertrags, der zwischen dem Mitgliedstaat und dem Erstentscheidungsstaat besteht, zB dem LugÜbk oder dem HUntAVÜbk 1973, oder dem autonomen Recht in Frage. Die sachlichen Voraussetzungen eines Abänderungsantrags bestimmen sich nach 26 dem Recht des Staates, dessen Gericht die Abänderung vornimmt17 und nicht nach dem Recht des Staates, dessen Gericht die Erstentscheidung getroffen hat. Auf Rechtsfragen, die materiell-rechtlich zu qualifizieren sind, findet das nach dem HUntStProt 2007 berufene Sachrecht Anwendung. Aufgrund dessen kann es zum Statutenwechsel kommen. Dieser kann dadurch hervorgerufen sein, dass die Umstände, an die die Kollisionsnorm anknüpft, sich geändert haben. Er kann jedoch auch Folge der Ablösung des bisher geltenden Kollisionsrechts durch Kollisionsnormen des HUntStProt 2007 sein.18 Prozessrechtlich zu qualifizierende Rechtsfragen unterliegen der lex fori des Zweitgerichts.19

Artikel 57

Inhalt des Antrags (1) Für Anträge nach Artikel 56 ist das in Anhang VI oder in Anhang VII vorgesehene Formblatt zu verwenden. (2) Anträge nach Artikel 56 müssen mindestens folgende Angaben enthalten: a) eine Erklärung in Bezug auf die Art des Antrags oder der Anträge; b) den Namen und die Kontaktdaten des Antragstellers, einschließlich seiner Anschrift und seines Geburtsdatums; c) den Namen und, sofern bekannt, die Anschrift sowie das Geburtsdatum des Antragsgegners; d) den Namen und das Geburtsdatum jeder Person, für die Unterhalt verlangt wird; e) die Gründe, auf die sich der Antrag stützt; f) wenn die berechtigte Person den Antrag stellt, Angaben zu dem Ort, an dem die Unterhaltszahlungen geleistet oder an den sie elektronisch überwiesen werden sollen; 17

BGH FamRZ 1992, 1060, 1062; grundlegend BGH NJW 1983, 1976, 1977 = FamRZ 1983, 806, 808; OLG Köln FamRZ 2005, 534, 535; Garbe/Ullrich /Andrae § 11 Rn 319.

18 19

Hierzu Einl zum HUntStProt 2007 Rn 32. Zur Abgrenzung Einl zum HUntStProt 2007 Rn 37 ff.

Marianne Andrae

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Art 57 EG-UntVO 1-3

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

g) den Namen und die Kontaktdaten der Person oder Stelle in der Zentralen Behörde des ersuchenden Mitgliedstaats, die für die Bearbeitung des Antrags zuständig ist. (3) Für die Zwecke des Absatzes 2 Buchstabe b kann die persönliche Anschrift des Antragstellers im Falle familiärer Gewalt durch eine andere Anschrift ersetzt werden, sofern das innerstaatliche Recht des ersuchten Mitgliedstaats nicht vorschreibt, dass der Antragsteller für die Zwecke des Verfahrens seine persönliche Anschrift angibt. (4) Wenn angebracht und soweit bekannt, muss der Antrag außerdem Folgendes enthalten: a) Angaben über die finanziellen Verhältnisse der berechtigten Person; b) Angaben über die finanziellen Verhältnisse der verpflichteten Person, einschließlich des Namens und der Anschrift des Arbeitgebers der verpflichteten Person, sowie Art und Belegenheit der Vermögensgegenstände der verpflichteten Person; c) alle anderen Angaben, die es gestatten, den Aufenthaltsort des Antragsgegners ausfindig zu machen. (5) Dem Antrag sind alle erforderlichen Angaben oder schriftlichen Belege einschließlich gegebenenfalls Unterlagen zum Nachweis des Anspruchs des Antragstellers auf Prozesskostenhilfe beizufügen. Anträgen nach Artikel 56 Absatz 1 Buchstaben a und b und Absatz 2 Buchstabe a sind je nach Fall nur die in den Artikeln 20, 28 oder 48 oder die in Artikel 25 des Haager Übereinkommens von 2007 aufgeführten Schriftstücke beizufügen. I. Formblätter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

IV. Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

II. Inhalt eines Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

V. Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

III. Unterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

1 Die Vorschrift betrifft nur die Anträge nach Art 56, nicht jedoch ein Ersuchen nach Art 53. I.

Formblätter

2 Der Inhalt der Anträge wird standardisiert durch Formblätter. Damit wird sowohl für die vermittelnde Behörde als auch für die ersuchte Behörde Klarheit über die zu erteilenden bzw die abverlangten Angaben geschaffen, um eine schnellere und kostenreduzierende Bearbeitung zu ermöglichen. Die Übersetzung wird vereinfacht. 3 Es gibt ein Formblatt für einen Antrag im Hinblick auf die Anerkennung, die Vollstreckbarerklärung oder die Vollstreckung einer Entscheidung1 sowie im Hinblick auf die Herbeiführung einer Entscheidung, die auch den Antrag auf Änderung einer Entscheidung einschließt. 2 Die Formblätter enthalten jeweils einen Teil A, der durch die ersuchende Zentrale Behörde und einen Teil B, der vom Antragsteller oder gegebenenfalls von der Person/Behörde auszufüllen ist, die im ersuchenden Mitgliedstaat befugt ist, das Formblatt im Namen des Antragstellers auszufüllen. Die Sprache, in der 1 2

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Anhang VI. Anhang VII.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 57 EG-UntVO 4-7

das Formblatt auszufüllen ist, ist in Art 59 geregelt. Die Benutzung des Formblattes ist zwingend, ausgefüllt werden müssen zumindest die Rubriken, die die Angaben betreffen, die nach Abs 2 zwingend sind. Die Änderung der Formblätter unterliegt nicht dem Verfahren der Änderung der EG-UntVO, sondern dem gesonderten Verfahren des Art 72. Die Regelung zu den Formblättern unterscheidet sich von der diesbezüglichen Lösung 4 im HUntVerfÜbk 2007. Nach Art 11 Abs 4 HUntVerfÜbk 2007 hat die Nutzung eines von der Haager Konferenz empfohlenen und veröffentlichten Formulars fakultativen Charakter. Der zwingende Charakter der Formblätter würde die notwendige Flexibilität für ihre möglichen Änderungen behindern.3 Die Antragsformulare sind deshalb nicht Bestandteil des HUntVerfÜbk 2007 und unterliegen nicht dem Verfahren der Änderung der Konvention. II.

Inhalt eines Antrags

Abs 2 regelt den zwingenden Inhalt eines Antrags. Gestattet wird nach Abs 3 in Fäl- 5 len der persönlichen Gewalt die persönliche Anschrift des Antragstellers durch eine andere Anschrift zu ersetzen, soweit die Rechtsordnung des ersuchten Mitgliedstaates zum Zwecke der Einleitung des Verfahrens nicht zwingend die persönliche Anschrift erfordert. Darüber müsste die ersuchte Behörde die ersuchende Behörde informieren, denn diese Detailkenntnis von der ausländischen Rechtsordnung ist von der ersuchenden Behörde nicht zu erwarten. Gegebenenfalls müsste eine Ergänzung des Antrags nach Art 58 Abs 9 erfolgen. Die in Abs 4 aufgelisteten Angaben sind zu machen, wenn sie angebracht und be- 6 kannt sind. Sie sind also nicht fakultativ, die Auskunft darüber steht nicht im Ermessen des Antragstellers, vielmehr ist ihre Angabe zwingend, wenn die Kriterien zutreffen. So bedarf es Angaben über die finanzielle Situation der berechtigten Person nicht, wenn es um die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung oder Vollstreckung einer Unterhaltsentscheidung geht. Für eine Entscheidung im Erkenntnisverfahren sind dagegen solche Angaben regelmäßig erforderlich. Welche Angaben für die einzelnen Arten von Anträgen regelmäßig zu leisten sind, ergibt sich im Übrigen aus den betreffenden Antragsformularen. III. Unterlagen

Abs 5 betrifft zum einen die Beifügung erforderlicher Belege und Unterlagen für die 7 Gewährung von Prozesskostenhilfe, zum anderen die Schriftstücke, die dem Antrag auf Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung beizufügen sind. Letzteres ist geregelt für Titel, die diesbezüglich der EG-UntVO unterliegen. Es handelt sich um vollstreckbare Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden aus einem anderen Mitgliedstaat als dem ersuchten Mitgliedstaat. Die einzureichenden Schriftstücke ergeben sich aus Artt 20, 28 und 48. Weiterhin betrifft 3

Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 294.

Marianne Andrae

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Art 57 EG-UntVO 8-10

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

die Regelung Entscheidungen von Gerichten/Behörden der Vertragsstaaten des HUntVerfÜbk 2007 sowie vollstreckbare Unterhaltsvereinbarungen gemäß Art 30 HUntVerfÜbk 2007. Die einzureichenden Schriftstücke sind in Art 25 HUntVerfÜbk 2007 aufgelistet, für vollstreckbare Unterhaltsvereinbarungen ist diesbezüglich Art 30 Abs 3 HUntVerfÜbk 2007 einschlägig. 8 Nicht geregelt sind die einzureichenden Schriftstücke, wenn die Vollstreckung einer im ersuchten Mitgliedstaat selbst ergangenen Entscheidung oder eines anderen dort errichteten vollstreckbaren Titels beantragt wird. Ausreichend dürfte jedenfalls die Beifügung der nach dem Recht dieses Mitgliedstaates erforderlichen Urkunden sein. Weiterhin ist nicht geregelt, welche Schriftstücke einzureichen sind, wenn es um eine Entscheidung aus einem Nichtmitgliedstaat geht, der auch nicht Vertragsstaat des HUntVerfÜbk 2007 ist. Die erforderlichen Schriftstücke ergeben sich je nach Herkunftsland aus der Brüssel I-VO (Art 53 Brüssel I-VO) in Bezug auf Dänemark, dem LugÜbk [Artt 46, 47 LugÜbk 1988, Art 53 LugÜbk 2007 (nach dessen Inkrafttreten)] in Bezug auf Island, Norwegen und die Schweiz, aus anderen Staatsverträgen wie Art 17 HUntAVÜbk 1973 und im Übrigen aus dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Staates. Notwendige Ergänzungen können auf der Grundlage von Art 58 Abs 9 angefordert werden. IV.

Übersetzungen

9 Die Anträge und die ihnen beizufügenden Schriftstücke müssen den Übersetzungsanforderungen von Art 59 genügen. 4 V.

Datenschutz

10 Die Anträge enthalten Informationen über den Unterhaltsverpflichteten und den Unterhaltsberechtigten, einschließlich ihrer finanziellen Verhältnisse sowie Art und Belegenheit von Vermögensgegenständen. Artt 62 und 63 betreffen den Datenschutz von Informationen, die auf der Grundlage von Art 61 gewonnen werden, nicht jedoch die Informationen, die sich aus den Anträgen selbst ergeben. Der Schutz letzterer Daten regelt sich nach den nationalen Vorschriften des ersuchenden und des ersuchten Staates, unter Einschluss der umgesetzten Richtlinie 95/46 / EG,5 auf Letztere weist Erwägungsgrund 34 hin.

4 5

720

Vgl insoweit die Kommentierung zu Art 59 EG-UntVO. Richtlinie 95/46 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl EG 1995 L 281/31.

Januar 2010

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Art 58 EG-UntVO

Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Artikel 58

Übermittlung, Entgegennahme und Bearbeitung der Anträge und Fälle durch die Zentralen Behörden (1) Die Zentrale Behörde des ersuchenden Mitgliedstaats ist dem Antragsteller behilflich, sicherzustellen, dass der Antrag alle Schriftstücke und Angaben umfasst, die nach Kenntnis dieser Behörde für seine Prüfung notwendig sind. (2) Nachdem sich die Zentrale Behörde des ersuchenden Mitgliedstaats davon überzeugt hat, dass der Antrag den Erfordernissen dieser Verordnung entspricht, übermittelt sie ihn der Zentralen Behörde des ersuchten Mitgliedstaats. (3) Innerhalb von 30 Tagen ab dem Tag des Eingangs des Antrags bestätigt die ersuchte Zentrale Behörde den Eingang des Antrags unter Verwendung des in Anhang VIII vorgesehenen Formblatts, benachrichtigt die Zentrale Behörde des ersuchenden Mitgliedstaats über die ersten Maßnahmen, die zur Bearbeitung des Antrags getroffen wurden oder werden, und fordert gegebenenfalls die von ihr für notwendig erachteten zusätzlichen Schriftstücke oder Angaben an. Innerhalb derselben Frist von 30 Tagen teilt die ersuchte Zentrale Behörde der ersuchenden Zentralen Behörde den Namen und die Kontaktdaten der Person oder Dienststelle mit, die damit beauftragt ist, Fragen im Hinblick auf den Stand des Antrags zu beantworten. (4) Innerhalb von 60 Tagen nach der Empfangsbestätigung unterrichtet die ersuchte Zentrale Behörde die ersuchende Zentrale Behörde über den Stand des Antrags. (5) Die ersuchende und die ersuchte Zentrale Behörde unterrichten einander a) über die Person oder Dienststelle, die für einen bestimmten Fall zuständig ist; b) über den Stand des Verfahrens und beantworten Auskunftsersuchen rechtzeitig. (6) Die Zentralen Behörden behandeln einen Fall so zügig, wie es eine sachgemäße Prüfung seines Gegenstands zulässt. (7) Die Zentralen Behörden benutzen untereinander die schnellsten und effizientesten Kommunikationsmittel, die ihnen zur Verfügung stehen. (8) Eine ersuchte Zentrale Behörde kann die Bearbeitung eines Antrags nur ablehnen, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen dieser Verordnung nicht erfüllt sind. In diesem Fall unterrichtet die betreffende Zentrale Behörde die ersuchende Zentrale Behörde umgehend unter Verwendung des in Anhang IX vorgesehenen Formblatts über die Gründe für ihre Ablehnung. (9) Die ersuchte Zentrale Behörde kann einen Antrag nicht allein deshalb ablehnen, weil zusätzliche Schriftstücke oder Angaben erforderlich sind. Die ersuchte Zentrale Behörde kann die ersuchende Zentrale Behörde jedoch auffordern, solche zusätzlichen Schriftstücke oder Angaben zu übermitteln. Geschieht dies nicht innerhalb von 90 Tagen oder einer von der ersuchten Zentralen Behörde gesetzten längeren Frist, so kann diese Behörde beschließen, die Bearbeitung des Antrags zu beenden. In diesem Fall unterrichtet sie die ersuchende Zentrale Behörde unter Verwendung des in Anhang IX vorgesehenen Formblatts. I. Klare Verfahrensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zügige Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Marianne Andrae

1

III. Verfahrensschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

2

1. Ersuchende Zentrale Behörde . . . . . . . . 2. Ersuchte Zentrale Behörde . . . . . . . . . . .

3 4 7

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Art 58 EG-UntVO 1-3

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

IV. Kommunikation mit dem Antragsteller

8

V. Zurückweisung des Antrags . . . . . . . . . . .

9

VI. Unvollständige Angaben

und Schriftstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

12

Klare Verfahrensregeln

1 Art 58 regelt detailliert das Verfahren der Bearbeitung der Anträge und die Ablehnung der Bearbeitung durch die Zentralen Behörden. Die Aufgaben der Zentralen Behörden nach diesem Artikel können auch von Einrichtungen und Behörden nach Art 51 Abs 3 wahrgenommen werden. Vorgesehen ist ein strenges und klares Reglement, um eine zügige, einfache und kostensparende Bearbeitung zu erreichen. Die EG-UntVO übernimmt im Wesentlichen die entsprechenden Regelungen des Art 12 HUntVerfÜbk 2007. Die Einführung einer strengen Abfolge wird damit begründet, dass das Fehlen klarer Verfahrensregelungen zu einem Hauptproblem bisheriger Instrumente der Zusammenarbeit, wie des New Yorker UN-Übereinkommens 1956, wurde.1 II.

Zügige Bearbeitung

2 Hauptanliegen von Art 58 ist es, die zügige Bearbeitung des Antrags zu erreichen. Dies ist als Grundsatz in Abs 6 geregelt. In der Anfangsphase der Bearbeitung werden der ersuchten Behörde Fristen für bestimmte Verfahrensschritte für alle Anträge gleichermaßen gesetzt (Abs 2 und 3) und damit der Grundsatz konkretisiert. Für die späteren Phasen ist dies nicht möglich, weil die Erledigung von den für die einzelnen Anträge zu ergreifenden Maßnahmen abhängig ist. Unter dem Gebot der Schnelligkeit der Bearbeitung soll ihre Effizienz nicht leiden. Die Behandlung des Falls hat deshalb so zügig zu erfolgen, wie es die ordnungsgemäße Prüfung seines Gegenstandes zulässt. Das schließt ein, dass alle im Fall erforderlichen Maßnahmen nach Art 51 Abs 2 getroffen werden und für ihre zügige Realisierung gesorgt wird. Die zügige Bearbeitung soll durch die Nutzung schnellster und effizienter Kommunikationsmittel, die zur Verfügung stehen, gefördert werden (Abs 7). Weiterhin dient dazu die unmittelbare Kommunikation zwischen den Personen oder Dienststellen, die im ersuchenden und ersuchten Mitgliedstaat für die Bearbeitung des konkreten Falls zuständig sind. Dies wird durch die wechselseitige Unterrichtung über die diesbezügliche Zuständigkeit (Abs 5 lit a) ermöglicht. III. Verfahrensschritte

3 Folgende Verfahrensschritte sind geregelt: Antragstellung (Abs 1), Übermittlung des Antrags (Abs 2), Einleitung des Verfahrens im ersuchten Mitgliedstaat (Abs 3), Zwischenbericht (Abs 4).

1

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Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 330.

Januar 2010

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

1.

Art 58 EG-UntVO 4-7

Ersuchende Zentrale Behörde

Abs 1 und 2 verdeutlichen die Verantwortung der ersuchenden Zentralen Behörde für 4 die ordnungsgemäße Antragstellung, was sowohl die Angaben im Antrag selbst als auch die dem Antrag beizufügenden Schriftstücke betrifft. Die Verantwortung wird auch darin deutlich, dass die Formblätter für die Anträge (Art 57 Abs 1) einen Teil A enthalten, der von der ersuchenden Zentralen Behörde auszufüllen ist. Die Verantwortung der ersuchenden Behörde resultiert daraus, dass im Allgemeinen 5 sie und nicht der Antragsteller die notwendige Kenntnis davon hat, welche Informationen der Antrag enthalten muss und welche Schriftstücke beizufügen sind. Sie kann dabei die Kenntnisse nutzen, die sich aufgrund allgemeiner Zusammenarbeit zwischen den Zentralen Behörden sowie aufgrund des Informationsaustausches ergeben und auf das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen zurückgreifen. In diesem Sinne ist die Hilfe der ersuchenden Behörde bei der Antragstellung zu verstehen. Wie diese Hilfe im Einzelnen ausgestaltet ist, ist Sache der inneren Organisation jeder Zentralen Behörde. Das Formblatt selbst enthält bereits die Möglichkeit, dass das Formblatt von einer Person/Behörde im Namen des Antragstellers ausgefüllt wird, die im ersuchenden Mitgliedstaat hierzu befugt ist. Vor der Übermittlung des Antrags hat sich die ersuchende Zentrale Behörde davon zu 6 überzeugen, dass der Antrag den Erfordernissen der EG-UntVO entspricht (Abs 2). Nicht explizit geregelt sind Ablehnungsgründe für die Weiterleitung. Aus Abs 2 lässt sich jedoch ableiten, dass eine Weiterleitung so lange abzulehnen ist, bis der Antrag den Erfordernissen der EG-UntVO entspricht. Die Ablehnung ist endgültig, wenn auch mit Hilfe der ersuchenden Zentralen Behörden der Antrag nicht mit ihr in Übereinstimmung gebracht wird. Die Ablehnung als Verwaltungsakt unterliegt den Rechtsbehelfen nach dem jeweiligen nationalen Recht. 2 Die Weiterleitung kann nicht aus dem Grund abgelehnt werden, weil die ersuchende Zentrale Behörde der Auffassung ist, dass der Antrag unbegründet ist. Dies folgt daraus, dass die Zentralen Behörden nach der Konzeption der EG-UntVO nur administrative und organisatorische Funktionen haben und die Sachentscheidungen durch die im ersuchten Mitgliedstaat zuständigen Gerichte und Behörden zu treffen sind. 3 2.

Ersuchte Zentrale Behörde

Abs 3 legt verbindlich fest, dass die ersuchte Zentrale Behörde innerhalb von 30 Ta- 7 gen nach Eingang des Antrags der ersuchenden Behörde den Eingang unter Nutzung des Formblatts4 hierfür zu bestätigen hat.

2

3

4

Mangels spezieller Regelung wäre die Entscheidung ein Justizverwaltungsakt nach § 23 EGGVG, entsprechend § 3 IntFamRVG für vergleichbare Kompetenzen nach Art 53 Brüssel IIa-VO. Für die entsprechende Regelung im HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 337. Anhang VIII.

Marianne Andrae

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Art 58 EG-UntVO 8-11

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Geregelt sind weiterhin, welche Informationen innerhalb dieser Frist der ersuchenden Behörde zu geben sind. Für die Frist kommt es auf die Absendung an. Dabei ist für den Übertragungsweg das schnellste und effizienteste Kommunikationsmittel, das zur Verfügung steht, zu nutzen. Ein weiterer Bericht über den Stand der Bearbeitung hat dann innerhalb von 60 Tagen nach der Empfangsbestätigung zu erfolgen. IV.

Kommunikation mit dem Antragsteller

8 Das Verfahren ist interbehördlich ausgestaltet. Eine direkte Kommunikation zwischen dem Antragsteller und der ersuchten Zentralen Behörde ist gesetzlich nicht vorgesehen. Sie ist jedoch nicht ausgeschlossen. Wenn es für die zügige und sachgemäße Bearbeitung angezeigt ist, unmittelbaren Kontakt mit dem Antragsteller aufzunehmen, dann sollte dies auch erfolgen. Dies könnte zB dann zutreffen, wenn der Antragsteller der Sprache des ersuchten Staates mächtig ist. Die direkte Kontaktaufnahme kann der ersuchenden Behörde im Rahmen der Unterrichtung nach Abs 5 lit b mitgeteilt werden. Im Übrigen ist es Sache der ersuchenden Behörde, den Antragsteller über den Stand der Bearbeitung des Antrags zu informieren, diese Frage ist in der EGUntVO nicht geregelt und unterliegt deshalb der nationalen Gesetzgebung. V.

Zurückweisung des Antrags

9 Einziger Ablehnungsgrund für die Bearbeitung des Antrags durch die ersuchte Zentrale Behörde ist, dass der Antrag offensichtlich nicht die Voraussetzungen der EGUntVO erfüllt. Mit dem Begriff „offensichtlich“ wird ausgedrückt, dass sich bereits klar und eindeutig aus den Dokumenten ergeben muss, dass die Voraussetzungen nicht vorliegen.5 Kein Ablehnungsgrund ist die Unbegründetheit des Antrags.6 Fälle, die direkt unter Abs 8 fallen, werden selten auftreten, weil eine Antragstellung, die nicht den Anforderungen der EG-UntVO entspricht, meist von Abs 9 erfasst wird. Ein Beispiel für Abs 8 wäre, wenn ein Antrag gestellt wird, der nicht mit Art 56 korrespondiert. 10 Abs 8 betrifft nur die Ablehnung der Bearbeitung. Wenn sich während der Bearbeitung erst herausstellt, dass die Voraussetzungen der Verordnung nicht vorliegen oder die Unbegründetheit des Antrags zweifelsfrei feststeht, hindert Abs 8 die ersuchte Behörde nicht, den Fall abzuschließen, ohne dass ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wird. Möglich ist auch eine vorläufige Einstellung, zB wenn eine Vollstreckung gegenwärtig keine Aussicht auf Erfolg hat, weil der Unterhaltsschuldner mittellos ist. 11 Über die Ablehnung der Bearbeitung ist die ersuchende Behörde umgehend, unter Einschluss der Gründe, zu informieren. Hierfür steht ein besonderes Formblatt zur 5

6

724

Zur entsprechenden Bestimmung im HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 358. Über diesen Ablehnungsgrund wurde bei der Ausarbeitung des HUntVerfÜbk 2007 diskutiert, letztlich wurde er aber nicht aufgenommen; siehe Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 358.

Januar 2010

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 58 EG-UntVO, 12 Art 59 EG-UntVO, 1

Verfügung.7 Der Antragsteller selbst braucht von der ersuchten Behörde nicht informiert zu werden. Dies ist die Konsequenz daraus, dass die Antragsbearbeitung als interbehördliche Zusammenarbeit ausgestaltet ist. Daraus folgt weiterhin, dass dem Antragsteller gegen diese Entscheidung der ersuchten Behörde kein Rechtsbehelf zur Verfügung steht. Dem Antragsteller bleibt unbenommen, das Verfahren selbst bei dem zuständigen Gericht /der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaates einzuleiten. VI. Unvollständige Angaben und Schriftstücke

Abs 9 schränkt die Anwendung von Abs 8 ein, denn, wenn Angaben und Schriftstü- 12 cke offensichtlich unvollständig sind, liegen die Voraussetzungen nach der EG-UntVO nicht vor. Dies stellt nur unter qualifizierten Voraussetzungen einen Ablehnungsgrund dar. Die Unvollständigkeit und/oder das Fehlen von Schriftstücken allein begründet kein Ablehnungsrecht. Zunächst hat die ersuchte Behörde die fehlenden Angaben und Schriftstücke spezifiziert anzufordern. Dann besteht eine Frist zur Heilung der Mängel von 90 Tagen oder eine gesetzte Frist, die mindestens 90 Tage betragen muss. Für den Beginn und das Ende der Frist, die nicht geregelt sind, ist einheitlich auf den Zugang abzustellen. Erst nach Verstreichen der Nachfrist kann die weitere Bearbeitung abgelehnt werden. Aus dem Wort „kann“ folgt, dass die Ablehnung keine zwingende Rechtsfolge ist.

Artikel 59

Sprachenregelung (1) Das Formblatt für das Ersuchen oder den Antrag ist in der Amtssprache des ersuchten Mitgliedstaats oder, wenn es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem sich die betreffende Zentrale Behörde befindet, oder in einer sonstigen Amtssprache der Organe der Europäischen Union, die der ersuchte Mitgliedstaat für zulässig erklärt hat, auszufüllen, es sei denn, die Zentrale Behörde dieses Mitgliedstaats verzichtet auf eine Übersetzung. (2) Unbeschadet der Artikel 20, 28, 40 und 66 werden die dem Formblatt für das Ersuchen oder den Antrag beigefügten Schriftstücke nur dann in die gemäß Absatz 1 bestimmte Sprache übersetzt, wenn eine Übersetzung für die Gewährung der beantragten Hilfe erforderlich ist. (3) Die sonstige Kommunikation zwischen den Zentralen Behörden erfolgt in der nach Absatz 1 bestimmten Sprache, sofern die Zentralen Behörden nichts anderes vereinbaren.

Art 59 regelt die Sprachenproblematik für die Zusammenarbeit der Zentralen Behör- 1 den nach Kap VII. Danach unterscheiden sich die sprachlichen Anforderungen an die Kommunikation zwischen den zuständigen Stellen nach der Art der Dokumente.

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Anhang IX.

Marianne Andrae

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Art 59 EG-UntVO 2- 6

I.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Formblätter für ein Ersuchen/einen Antrag (Abs 1)

2 Grundsätzlich müssen Formblätter für ein Ersuchen/einen Antrag – dies betrifft die Formblätter in den Anhängen V-IX – in der Amtssprache des Mitgliedstaates abgefasst sein, dessen Zentrale Behörden um eine Zusammenarbeit ersucht werden. Wenn der betreffende Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen kennt, ist diejenige des Ortes zu verwenden, an dem sich die ersuchte Behörde befindet. Darüber hinaus steht es allen Mitgliedstaaten frei, die sonstigen Amtssprachen der Organe der Europäischen Gemeinschaft für ein Ersuchen für zulässig zu erklären.1 Das zwingende Abfassen in einer zulässigen Sprache rechtfertigt sich durch die Standardisierung der Formblätter, denn diese sind in allen Mitgliedstaaten identisch und oftmals durch bloßes Ankreuzen auszufüllen. 2 3 Die Bestimmung der zulässigen Sprache ist der Kommission bis zum 18.9.2010 mitzuteilen. 3 Für die vergleichbare Problematik in der EG-BewO haben die Mitgliedstaaten jedoch nur sehr zurückhaltend von der Sprachwahl Gebrauch gemacht. 4 4 Gegenüber der EG-BewO ist die Kommunikation insoweit erleichtert, als die ersuchte Zentrale Behörde auf eine Übersetzung auch verzichten kann.5 II.

Beigefügte Schriftstücke zu den Formblättern (Abs 2)

5 Den Formblättern beigefügte Schriftstücke müssen dagegen gemäß Abs 2 grundsätzlich nicht in die nach Abs 1 zulässige Sprache übersetzt werden.6 Die Verordnung geht insoweit davon aus, dass die standardisierten Formblätter die für einen Antrag oder ein Ersuchen wesentlichen Angaben zutreffend beinhalten. Diese Spracherleichterung kommt etwa in Betracht für die Anlagen zum Antrag – auf Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung einer Entscheidung nach dem Formblatt in Anhang VI – auf Herbeiführung oder Änderung einer Entscheidung nach dem Formblatt in Anhang VII. 6 Lediglich im Ausnahmefall ist eine Übersetzung der Anlagen erforderlich, wenn andernfalls die beantragte Hilfe nicht gewährt werden könnte. Dies muss wegen der grundsätzlichen Festlegung in Abs 2 die ersuchte Behörde im Einzelfall darlegen. Da 1

2

3 4 5 6

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Eine Übersicht über die derzeitig zulässigen Amtssprachen der Europäischen Gemeinschaft ist zu finden unter: http://europa.eu/abc/european_countries/languages/index_de.htm. Zur entsprechenden Regelung in der EG-BewVO Gebauer/Wiedmann/Huber Art 5 EG-BewVO Rn 88. Vgl Art 71 Abs 1 lit h. Übersicht bei Gebauer/Wiedmann/Huber Art 5 EG-BewVO Rn 90. Vgl Art 5 EG-BewO. Diese Regelung bringt eine weitere Erleichterung gegenüber der Sprachproblematik in der EG-BewO, welche die Sprache für Anlagen zu den Formblättern nicht festschreibt, hierzu Gebauer/Wiedmann/ Huber Art 5 EG-BewVO Rn 90.

Januar 2010

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Art 59 EG-UntVO, 7, 8 Art 60 EG-UntVO, 1

Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

die EG-UntVO eine einfache und schnelle Beilegung von Rechtsstreitigkeiten anstrebt,7 kann von der ersuchten Behörde jedoch keine umfassende Begründung verlangt werden. In Abs 2 ist darüber hinaus klar gestellt, dass die Spracherleichterung hinsichtlich der 7 Anlagen nicht für die besonderen Übersetzungsanforderungen nach Art 20 Abs 1 lit d (Vollstreckung),8 Art 28 Abs 1 lit c (Vollsteckbarerklärung), Art 40 Abs 3 und Art 66 (Beweisunterlagen) gilt. Die Übersetzungsanforderungen nach den genannten Vorschriften sind vorrangig zu beachten und gehen Art 59 Abs 2 immer vor. III. Sonstige Kommunikation (Abs 3)

Sonstige Kommunikation zwischen den Zentralen Behörden, die nicht über die Form- 8 blätter und den Anlagen hierzu erfolgt, bedarf einer Übersetzung in die nach Abs 1 von den Mitgliedstaaten festgelegte Sprache. Es steht den Zentralen Behörden aber frei, für die Verständigung untereinander hierzu eine Abweichung zu vereinbaren. Außerhalb der Formblätter sind die Zentralen Behörden damit nicht an Formvorgaben gebunden.

Artikel 60

Zusammenkünfte (1) Zur leichteren Anwendung dieser Verordnung finden regelmäßig Zusammenkünfte der Zentralen Behörden statt. (2) Die Einberufung dieser Zusammenkünfte erfolgt im Einklang mit der Entscheidung 2001/ 470/ EG.

Vorbemerkungen zu Artt 61 bis 63

I.

I. Zielstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Information über die Adresse . . . . . . . . .

3

III. Informationen über die Einkommens-

und Vermögenssituation . . . . . . . . . . . . . . .

7

IV. Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

Zielstellung

Artt 61 bis 63 stellen zentrale Bestimmungen im Kapitel VII dar. Sie regeln einheitlich 1 in den Mitgliedstaaten den Zugang der Zentralen Behörden zu Informationen, die in ihrem Staat andere Institutionen über die Anschriften der unterhaltsberechtigten oder -verpflichteten Person sowie über Einkommens- und Vermögensverhältnisse des 7 8

Vgl Erwägungsgrund 4. Hierzu Art 20 Rn 5 ff.

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Art 60 EG-UntVO 2- 4

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Unterhaltsverpflichteten besitzen, die Weiterleitung und die Verwendung dieser Informationen für die konkrete Unterhaltssache sowie die Informationen des Betroffenen von der Erhebung. Sie führen zu einer erheblichen Erleichterung für die grenzüberschreitende Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen. 2 Die Bestimmungen sind eingeordnet in das System der Zusammenarbeit der Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten in konkreten Unterhaltssachen. Das betrifft einerseits die Anträge nach Art 56 und andererseits die Ersuchen um besondere Maßnahmen nach Art 53. Zugleich beachten sie die Anforderungen der Richtlinie 95/46 / EG.1 Art 68 bestimmt ausdrücklich, dass die Anwendung der Richtlinie 95/46 / EG von der EG-UntVO unberührt bleibt. Inhaltlich sind in die Regelung die Hinweise in der Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zum Entwurf der EGUntVO2 aufgenommen worden. Zusammenfassend kann die mit Artt 61-63 verfolgte Zielstellung beschrieben werden: Erleichterung des Zugangs zu bestimmten personenbezogenen Daten (Adresse sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse) unter Einhaltung der Anforderungen, die sich aus der Richtlinie 95/46 / EG ergeben. II.

Information über die Adresse

3 Die Geltendmachung und Durchsetzung von Forderungen in grenzüberschreitenden Unterhaltssachen ist bisher dadurch tatsächlich erheblich behindert worden, dass es äußerst schwierig ist, eine unbekannte Adresse der anderen Seite in einem anderen Mitgliedstaat zu ermitteln. Zwar werden in den meisten Mitgliedstaaten die Anschriften aller Einwohner in Melderegistern verzeichnet. Diese Register werden jedoch auf unterschiedlichste Weise geführt. In manchen Mitgliedstaaten gibt es Register auf kommunaler Ebene, in anderen Zentralregistern, die Zugangsmöglichkeiten zu den Registern sind unterschiedlich ausgestaltet. 3 4 Art 61 berührt die verschiedenen Meldesysteme der Mitgliedstaaten nicht. Erleichtert wird jedoch das Ausfindigmachen der Adresse der anderen Seite in Unterhaltssachen durch den einheitlich geregelten Zugang der Zentralen Behörden zu diesen Registern bei Anträgen nach Art 56 und bei einem besonderen Ersuchen nach Art 53 Abs 1 und 3, soweit sie auf die Register keinen direkten Zugriff haben. Die Information über die Adresse des Unterhaltsberechtigten oder -verpflichteten kann durch die Zentrale Behörde bei der hierfür zuständigen Institution ihres Landes eingeholt werden, wenn dies den Erlass, die Änderung, die Anerkennung, die Vollstreckbarerklärung oder Vollstreckung einer Entscheidung in einer konkreten Unterhaltssache erleichtert.

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2 3

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Richtlinie 95/46 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ABl EG 1995 L 281/31. Europäischer Datenschutzbeauftragter, 7.10.2006, ABl EU 2006 C 242/20. Siehe hierzu Europäische Kommission, Grünbuch [...] Transparenz des Schuldnervermögens, 6.3.2008, KOM (2008) 128, 7.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 60 EG-UntVO 5- 8

Alle Anträge nach Art 56 können über die ersuchende Zentrale Behörde des Mit- 5 gliedstaates, in dem der Antragsteller seinen Aufenthalt hat, an die Zentrale Behörde des Mitgliedstaates weitergeleitet werden, in dem der Aufenthalt der anderen Partei vermutet wird, auch ohne Angabe der Adresse, wenn diese nicht bekannt ist. Die Zentrale Behörde ist dann nach Art 51 Abs 2 lit b verpflichtet, behilflich zu sein, den Aufenthalt (besser die Adresse), insbesondere unter Anwendung der Artt 61-63, ausfindig zu machen. Die Adresse darf der antragstellenden Person nicht offen gelegt werden (Art 62 Abs 2), sie wird lediglich darüber informiert, ob eine Adresse im ersuchten Mitgliedstaat besteht. Bei dem Ersuchen der Zentralen Behörde nach Art 53 an die Zentrale Behörde eines 6 anderen Mitgliedstaates erfordert dies einen Austausch der Information zwischen den Zentralen Behörden. Die eine Zentrale Behörde ersucht die andere Zentrale Behörde um die Information über die Adresse des Unterhaltsberechtigten oder -verpflichteten, entweder zur Vorbereitung eines Antrags nach Art 56 (Art 53 Abs 1) oder für ein bereits im Mitgliedstaat der ersuchenden Behörde anhängiges Erkenntnisverfahren (Art 53 Abs 3). Für den letzteren Fall ist die Information vor allem wichtig für die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks an den Antragsgegner.4 III. Informationen über die Einkommens- und Vermögenssituation

Informationen über die Einkommens- und Vermögenssituation der unterhaltsberech- 7 tigten und -verpflichtenten Person sind bereits wichtig für die Entscheidung darüber, ob überhaupt und in welcher Höhe Unterhalt geschuldet wird. Unterhalt ist nur zu leisten, wenn die eine Seite bedürftig und die andere Seite wirtschaftlich leistungsfähig ist. Für ein Gericht ist es äußerst kompliziert die Einkommenssituation einer Partei für die Entscheidung ausfindig zu machen, wenn diese im Ausland ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Einkommen bzw Vermögen hat, soweit diese selbst darüber nicht oder nicht vollständig Auskunft erteilt. Die nationalen Bestimmungen über die Auskunftserteilung durch Dritte, wie § 236 8 FamFG, helfen in diesen Fällen nicht weiter, weil sie sich auf Informationsquellen im betreffenden Mitgliedstaat beziehen. Die EG-UntVO führt für dieses Verfahrensstadium nicht zu einer Verbesserung der Informationsbeschaffung der Gerichte der Mitgliedstaaten in solchen grenzüberschreitenden Fällen. Zwar haben nach Art 51 Abs 2 lit c die Zentralen Behörden allgemein angemessene Maßnahmen zur Erlangung einschlägiger Informationen über das Einkommen und, wenn nötig, das Vermögen der verpflichteten oder der berechtigten Person – insbesondere unter Anwendung der Artt 61-63 – zu treffen. Art 61 Abs 2 S 3 schließt die Anforderung dieser Informationen durch die Zentralen Behörden innerhalb ihres Landes bei Institutionen aus, soweit diese den Verpflichtungen des Datenschutzes unterliegen. Der gewisse Widerspruch in den Regelungen ist damit zu erklären, dass Art 51 Abs 2 den Art 6 Abs 2 des HUntVerfÜbk 2007 übernimmt, dieses aber nicht eine Art 61 vergleichbare Bestimmung vorsieht, sondern in Artt 38-40 allgemein den Schutz perso4

Hierzu auch Art 53 Rn 24.

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Art 60 EG-UntVO 9-11

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

nenbezogener Daten, ihre Vertraulichkeit und die Nichtoffenlegung von Informationen regelt. 9 Dagegen erreicht die EG-UntVO eine wesentliche Verbesserung hinsichtlich der Transparenz des Schuldnervermögens in Fällen, in denen der Unterhaltsgläubiger seinen Aufenthalt in dem einen Mitgliedstaat hat und die Vollstreckung aus einem vollstreckbaren Titel in einem anderen Mitgliedstaat betreiben will, wenn er hierfür die Unterstützung der Zentralen Behörden in Anspruch nimmt. Nach Art 61 Abs 2 S 4 kann die ersuchte Zentrale Behörde alle in Abs 2 S 2 aufgelisteten Informationen für die Zwecke der Anerkennung, der Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung anfordern, wobei bis auf die Anschrift der verpflichteten Person die Informationen vor allem für die Vollstreckung von entscheidender Bedeutung sind. Die in Abs 2 S 2 aufgelisteten Informationen sind den Zentralen Behörden durch die Behörden und Institution ihres Staates auch dann zur Verfügung zu stellen, wenn diese Informationsquelle für die Vollstreckungsorgane bzw die Gläubiger nach nationalem Recht nicht zur Verfügung stehen. 10 Bisher war die Eintreibung von Forderungen aus vollstreckbaren Titeln, einschließlich Unterhaltsforderungen, erheblich durch die Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtssystemen und die unzureichende Kenntnis der Gläubiger von der Informationsstruktur für die Vollstreckung in den einzelnen Mitgliedstaaten erschwert.5 Im Grünbuch Transparenz des Schuldnervermögens, das auf einer Studie über die effizientere Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen innerhalb der Europäischen Union6 beruht, in dem die Rechtslage in 15 Mitgliedstaaten untersucht wurde, werden zwei verschiedene Vorgehensweisen bei der Erlangung von Auskünften unterschieden, die zT in den Mitgliedstaaten kombiniert sind. Bei der einen werden die Auskünfte vom Schuldner selbst erteilt in Form einer Offenlegung seines gesamten Vermögens7 oder, soweit es zur Befriedigung der Forderung notwendig ist (zB Spanien und Portugal). In anderen Mitgliedstaaten bilden Register und andere Informationsquellen die Hauptinformationsquelle. 8 11 Die modernen Vollstreckungsordnungen9 ermöglichen den befugten Stellen den Zugang zu nichtöffentlichen Dateien für vermögensrelevante Informationen, die für die Vollstreckung erforderlich sind. Dabei sind die Zugangsvoraussetzungen unterschiedlich ausgestaltet. Charakteristisch ist, dass nicht der Gläubiger unmittelbaren Zugang zu den Daten hat, sondern das Vollstreckungsorgan, das Gericht oder zB in Frankreich der Staatsanwalt eingeschaltet werden muss.10 Art 61 geht von diesen „modernen“ 5

6 7 8

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Europäische Kommission, Grünbuch [...] Transparenz des Schuldnervermögens, 6.3.2008, KOM (2008) 128, 4. Hess Study 18.4.2004, JAI /A3/02/2002, abrufbar unter www.euzpr.eu. ZB Griechenland und Deutschland. Europäische Kommission, Grünbuch [...] Transparenz des Schuldnervermögens, 6.3.2008, KOM (2008) 128, 4. So der Ausdruck bei Europäische Kommission, Grünbuch [...] Transparenz des Schuldnervermögens, 6.3.2008, KOM (2008) 128, 8.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 60 EG-UntVO 12-15

Systemen des Informationszugangs in einer Reihe von Mitgliedstaaten aus. Er bestimmt einheitlich die Zentralen Behörden im jeweiligen Mitgliedstaat als zugangsberechtigte Behörde und regelt zugleich den Umfang und die Begrenzung ihres Zugangs zu Informationen, die bei Behörden und Verwaltungen im Rahmen derer gewöhnlichen Tätigkeit vorhanden sind. Dies ermöglicht den Zentralen Behörden bei Anträgen, insbesondere nach Art 56 lit b, die Vollstreckung aus der Unterhaltsentscheidung in vielen Fällen effizient zu erreichen. Grundsätzlich findet zwischen den Zentralen Behörden kein Austausch der Informa- 12 tionen in Bezug auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse einer Person, die nach Art 61 erlangt werden, statt. Die Informationen werden von der ersuchten Behörde an das zuständige Gericht oder Vollstreckungsorgan ihres Landes, und nicht an die ersuchende Zentrale Behörde, weitergegeben. Diese Lösung rechtfertigt sich daraus, dass – anders als nach dem EG-UntVO-E – die EG-UntVO weder eine grenzüberschreitende Anordnung einer monatlichen Pfändung, noch eine vorübergehende Kontensperrung vorsieht. Ein Ausnahme vom fehlenden Informationsaustausch regelt Art 53 Abs 1 und 2. 13 Hiernach kann im Vorfeld eines Antrags nach Art 56 Abs 1 lit a und b die Zentrale Behörde eines Mitgliedstaates die andere Zentrale Behörde um Informationen zu diesem Gegenstand ersuchen, wobei sich die Information darauf beschränkt, ob überhaupt Einkommen und Vermögen in dem betreffenden Staat erzielt wird oder vorhanden ist, soweit die Information auf Art 61 beruht. Weiß der Unterhaltsgläubiger, der seinen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hat nicht, ob und in welchem Mitgliedstaat der Unterhaltsschuldner Einkommen oder Vermögen hat, so kann die Anfrage als Ersuchen der Zentralen Behörde seines Aufenthaltslandes an die Zentralen Behörden der in Frage kommenden Mitgliedstaaten einzeln erfolgen. Eine Zusammenfügung der Informationen zu einem Ganzen findet nicht statt. Die Informationsbeschaffung nach Art 61 hat keinen ausschließlichen Charakter, 14 vielmehr stellt sie eine zusätzliche Möglichkeit im Rahmen der Zusammenarbeit der Zentralen Behörden der Mitgliedstaaten bei Anträgen nach Art 56 und bei Ersuchen nach Art 53 dar. Die auf den nationalen Bestimmungen beruhenden Informationszugänge können in diesen Verfahren genutzt werden. IV.

Fallgruppen

Rechtspraktisch sind zusammenfassend hauptsächlich folgende Fallgruppen in Bezug 15 auf Informationen über das Einkommen und Vermögen des Unterhaltsschuldners zu unterscheiden: 1. Es gibt einen vollstreckbaren Unterhaltstitel (Entscheidung, gerichtlicher Vergleich oder öffentliche Urkunde) und der Unterhaltsberechtigte hat einen Antrag nach Art 56 Abs 1 lit a oder b gestellt. Die ersuchte Zentrale Behörde kann in 10

Beispielhaft dargestellt Europäische Kommission, Grünbuch [...] Transparenz des Schuldnervermögens, 6.3.2008, KOM (2008) 128, 8.

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Art 60 EG-UntVO, 16, 17 Art 61 EG-UntVO

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B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

diesem Fall Informationen nach Art 61 einholen und sie weiterleiten an die Gerichte und Vollstreckungsorgane ihres Staates nach Art 62. Außerdem stehen die nach allgemeiner rechtlicher Regelung bestehenden Informationsmöglichkeiten über das Schuldnervermögen im Vollstreckungsstaat zur Verfügung. In Deutschland kommt deshalb auch eine Offenbarungsversicherung nach § 807 ZPO in Frage. Von der abgenommenen eidesstattlichen Versicherung ist dem Gläubiger bzw seinem Vertreter eine Abschrift zuzuleiten (§ 900 Abs 5 ZPO). Einer Zuleitung an einen Antragsteller in einem anderen Mitgliedstaat steht kein Hindernis entgegen, Artt 61-63 finden keine Anwendung. Zu dieser Fallgruppe gehört auch die Vorabinformation über das Vorhandensein von Schuldnereinkommen und -vermögen nach Art 53 Abs 1 und 2. 2. Es ist ein Antrag auf Herbeiführung einer Entscheidung oder die Änderung einer Entscheidung im ersuchten Mitgliedstaat gestellt (Art 56 Abs 1 lit c-f, Abs 2 lit b und c). Eine Information der ersuchten Zentralen Behörde über die finanzielle und Vermögenssituation eines Verfahrensbeteiligten nach Art 61 ist ausgeschlossen. Das in der Unterhaltssache angerufene Gericht kann für seine Entscheidung die Informationsmöglichkeiten nutzen, die den Gerichten in diesem Staat für Verfahren dieser Art im Allgemeinen zur Verfügung stehen, zB in Deutschland könnte es Auskünfte nach § 236 FamFG einholen, wenn der Unterhaltsschuldner seiner Auskunftspflicht nicht oder nicht ausreichend nachkommt. 3. Der Unterhaltsberechtigte leitet ein Verfahren in dem Mitgliedstaat ein, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, und im Laufe des Verfahrens sind Informationen über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Unterhaltsschuldners in einem anderen Mitgliedstaat für die Entscheidung erforderlich, die das Gericht nicht über die ihm zur Verfügung stehenden Informationsquellen im eigenen Land erhalten kann. Die EG-UntVO schließt zwar eine diesbezügliche Zusammenarbeit der Zentralen Behörden nicht aus. Da aber Informationsbeschaffung seitens der ersuchten Zentralen Behörde nach Art 61 für diesen Zweck ausgeschlossen ist, führt sie zu keiner deutlichen Verbesserung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand.11

Artikel 61

Zugang der Zentralen Behörden zu Informationen (1) Nach Maßgabe dieses Kapitels und abweichend von Artikel 51 Absatz 4 setzt die ersuchte Zentrale Behörde alle geeigneten und angemessenen Mittel ein, um die Informationen gemäß Absatz 2 einzuholen, die erforderlich sind, um in einem bestimmten Fall den Erlass, die Änderung, die Anerkennung, die Vollstreckbarerklärung oder die Vollstreckung einer Entscheidung zu erleichtern. Die Behörden oder Verwaltungen, die im Rahmen ihrer gewöhnlichen Tätigkeit im ersuchten Mitgliedstaat über die Informationen nach Absatz 2 verfügen und für ihre Verarbeitung im Sinne der Richtlinie 95/46 / EG verantwortlich sind, stellen diese Informationen

11

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Hierzu Rn 8 sowie Art 53 Rn 25.

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Art 61 EG-UntVO

Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

vorbehaltlich der Beschränkungen, die aus Gründen der nationalen oder öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt sind, der ersuchten Zentralen Behörde auf Anfrage in den Fällen, in denen die ersuchte Zentrale Behörde keinen direkten Zugang zu diesen Informationen hat, zur Verfügung. Die Mitgliedstaaten können die Behörden oder Verwaltungen bestimmen, die geeignet sind, der ersuchten Zentralen Behörde die Informationen nach Absatz 2 zur Verfügung zu stellen. Nimmt ein Mitgliedstaat eine solche Bestimmung vor, so achtet er darauf, dass er die Behörden und Verwaltungen so auswählt, dass seine Zentrale Behörde Zugang zu den erforderlichen Informationen gemäß diesem Artikel erhält. Andere juristische Personen, die im ersuchten Mitgliedstaat über die Informationen nach Absatz 2 verfügen und für ihre Verarbeitung im Sinne der Richtlinie 95/46 / EG verantwortlich sind, stellen diese Informationen der ersuchten Zentralen Behörde auf Anfrage zur Verfügung, wenn sie nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats dazu befugt sind. Die ersuchte Zentrale Behörde leitet die so erlangten Informationen erforderlichenfalls an die ersuchende Zentrale Behörde weiter. (2) Bei den Informationen im Sinne dieses Artikels muss es sich um solche handeln, über die die Behörden, Verwaltungen oder Personen nach Absatz 1 bereits verfügen. Diese Informationen sind angemessen und erheblich und gehen nicht über das Erforderliche hinaus; sie betreffen Folgendes: a) Anschrift der verpflichteten oder der berechtigten Person, b) Einkommen der verpflichteten Person, c) Nennung des Arbeitgebers der verpflichteten Person und /oder der Bankverbindung(en) der verpflichteten Person und d) Vermögen der verpflichteten Person. Zur Herbeiführung oder Änderung einer Entscheidung kann die ersuchte Zentrale Behörde nur die Angaben nach Buchstabe a anfordern. Für die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung oder Vollstreckung einer Entscheidung kann die ersuchte Zentrale Behörde alle Angaben nach Unterabsatz 1 anfordern. Die Angaben nach Buchstabe d können jedoch nur dann angefordert werden, wenn die Angaben nach den Buchstaben b und c nicht ausreichen, um die Vollstreckung der Entscheidung zu ermöglichen. I. Gegenstand der Regelung . . . . . . . . . . . . . . II. Keine Anwendung von Art 51 Abs 4

1

V. Andere juristische Personen . . . . . . . . . . .

13

2

VI. Gegenstand der Information . . . . . . . . . . .

14

III. Anforderungen an die

Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . .

VII. Einschränkungen der

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Informationsbeschaffung . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Zugang zu Informationen von

Behörden und Verwaltungen. . . . . . . . . . .

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Art 61 EG-UntVO 1- 4

I.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Gegenstand der Regelung

1 Die Pflicht der Zentralen Behörden, angemessene Maßnahmen zu treffen, um erforderliche Informationen in Bezug auf den Aufenthaltsort von verpflichteter und berechtigter Person, sowie über ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erhalten, ist bereits in Art 51 Abs 2 lit a und b für Anträge nach Art 56 geregelt. Außerdem kann ein Ersuchen um besondere Maßnahmen nach Art 53 auf solche Informationen gerichtet sein. Art 61 präzisiert diese Pflicht in Bezug auf Informationen, die in Abs 2 S 2 aufgelistet sind und regelt zugleich einheitlich den Zugang der Zentralen Behörden zu diesen Informationen, soweit sie über diese selbst nicht verfügen und diese auch allgemein öffentlich nicht zugänglich sind. Er stellt sicher, dass die Zentralen Behörden Zugang zu solchen Angaben bei Behörden oder Verwaltungen erhalten, die im Rahmen ihrer üblichen Tätigkeit über die betreffenden Angaben verfügen.1 Da es sich um personenbezogene Daten handelt, zu denen den Zentralen Behörden der Zugang ermöglicht wird, sind die Anforderungen aus der Richtlinie 95/46 / EG in die Regelung aufgenommen. II.

Keine Anwendung von Art 51Abs 4

2 Die Zentralen Behörden können die in Abs 2 S 2 aufgelisteten Informationen bei den Behörden und anderen Stellen auch anfordern, wenn nach nationalem Recht die Einforderung in der ausschließlichen Kompetenz der Gerichte liegt. Eine diesbezügliche Schranke des Informationszugangs nach nationalem Recht wird durch die verordnungsrechtliche Regelung für die Zentralen Behörden aufgehoben. III. Anforderungen an die Informationsbeschaffung

3 Die Information muss erforderlich sein, um im konkreten Fall den Erlass, die Änderung, die Anerkennung, die Vollstreckbarerklärung oder die Vollstreckung zu erleichtern. Welche Informationen bei Anträgen nach Art 56 erforderlich sind, ergibt sich aus dem konkreten Antrag und den Umständen des Einzelfalls und steht im pflichtgemäßen Ermessen der ersuchten Zentralen Behörde. Bei Ersuchen um besondere Maßnahmen hat die ersuchende Zentrale Behörde das Ersuchen zu begründen, woraus die ersuchte Zentrale Behörde dann die erforderlichen Maßnahmen ableiten kann. 4 Der in Abs 1 UAbs 1 bestimmte Zweck der Informationsbeschaffung wird für Informationen, die nicht die Adresse des Unterhaltsverpflichteten oder -berechtigten betreffen, durch Abs 2 S 3-5 eingeschränkt bzw präzisiert. 2 Um diese erforderlichen Informationen zu erlangen, hat die Zentrale Behörde alle geeigneten und angemessenen Mittel einzusetzen. In Abs 1 ist dies als Pflicht der Zentralen Behörde im Zusammenhang mit der Realisierung ihrer sich aus Kapitel VII ergebenden Aufgaben formuliert.

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Erwägungsgrund 33. Hierzu Rn 15.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 61 EG-UntVO 5- 8

Angemessenheit, Erheblichkeit und Erforderlichkeit sind gleichfalls Kriterien für den 5 Zugang zu den personenbezogenen Daten (Abs 2 S 2) und sind dort vor allem unter datenschutzrechtlichen Aspekten auszulegen. Geeignet ist die Nutzung solcher Informationsquellen, bei denen nicht nur gelegentlich /zufällig Informationen der betreffenden Art vorhanden sind, nicht jedoch solcher, die der Sammlung von Informationen ganz anderer Art dienen. Angemessen bedeutet, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei den Mitteln der Informationsbeschaffung gewahrt wird. Die Zentrale Behörde braucht keine Mittel einzusetzen, deren Aufwand in keiner angemessenen Relation zu dem zu erwartenden Informationsergebnis steht. IV.

Zugang zu Informationen von Behörden und Verwaltungen

Abs 1 UAbs 2 und 3 ermöglicht den Zentralen Behörden in ihrem Staat einen Zugang 6 zu den in Abs 2 S 2 bestimmten personenbezogenen Informationen bei Behörden und Verwaltungen, unabhängig davon, wer nach nationalem Recht den Zugang zu diesen Daten hat. Es handelt sich um eine gemeinschaftsrechtliche Sachregelung, die insoweit Vorrang vor den einzelstaatlichen Bestimmungen hat. Die Befugnis der Zentralen Behörden und die Pflicht zur Weitergabe von Informationen an sie seitens der Behörden und Verwaltungen in den einzelnen Mitgliedstaaten werden vereinheitlicht. Dies ist von besonderer Bedeutung, weil der Zugang der Gerichte und Vollstreckungsbehörden zu diesen Informationen in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ist. 3 Diese Ebene wird durch Abs 1 nicht berührt. Jedoch werden für grenzüberschreitende Unterhaltssachen innerhalb der Gemeinschaft diese Unterschiede dadurch überbrückt, dass der Zugang der Zentralen Behörden in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen besteht. Der Vorteil besteht darin, dass die nationalen Systeme der Informationsbeschaffung und ihrer Eingrenzung außerhalb der Zentralen Behörden nicht angetastet werden. Die Regelung stellt eine Rechtsvorschrift iSd Art 13 RL 95/46 / EG als rechtliche Vo- 7 raussetzung für den Zugang der Zentralen Behörden zu personenbezogenen Daten dar, über die die einzelnen nationalen Behörden und Verwaltungen bereits verfügen. Diese Daten sind zu anderen Zwecken, als für die Erleichterung des Erlasses, der Änderung oder der Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen erhoben worden. Als Beispiel seien die Informationen bei den Finanzverwaltungen, den KFZ-Meldestellen oder den Sozialversicherungsträgern genannt. Die Weitergabe der Information an die Zentralen Behörden und deren Weiterreichung an die Zentrale Behörde eines anderen Mitgliedstaates (Abs 1 UAbs 4) sowie an Gerichte und Behörden nach Art 62 Abs 1 führt zur Veränderung des ursprünglichen Verwendungszwecks. Damit ist ein elementares Prinzip des Schutzes personenbezogener Daten, nämlich der 8 Grundsatz der Zweckbeschränkung, betroffen. 4 Danach werden personenbezogene Daten für festgelegte eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und in einer mit diesen Zweckbestimmungen zu vereinbarenden Weise weiter verarbeitet.5 Die Zuläs3 4 5

Hierzu Vorbemerkung zu Artt 61-63 Rn 3ff. Europäischer Datenschutzbeauftragter, 7.10.2006, ABl EU 2006 C 242/20, S 21. Art 6 Abs 1 RL 95/46 / EG.

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Art 61 EG-UntVO 9-12

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

sigkeit der Änderung des Zwecks, zu dem personenbezogene Daten verarbeitet werden, ist in Art 13 der Richtlinie 95/46 / EG geregelt. Sie muss in Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates angeordnet sein – diesem Erfordernis wird auch eine diesbezügliche gemeinschaftsrechtliche Vorschrift gerecht – und sie muss sich auf einen der dort festgelegten Gründe berufen. In Betracht kommt die Notwendigkeit aus Gründen des Schutzes der Rechte anderer Personen. 9 Folgende Voraussetzungen sind in Abs 2 für den Zugang zu den personenbezogenen Daten bestimmt: 1. Informationsträger sind Behörden und Verwaltungen im ersuchten Mitgliedstaat. Das sind staatliche oder kommunale Institutionen, auch Selbstverwaltungsorgane, die administrative oder Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Welche im Einzelnen hierunter fallen, ergibt sich aus der staatlichen und der Verwaltungsorganisation des betreffenden Mitgliedstaates. Nach UAbs 3 können die Mitgliedstaaten die Behörden und Verwaltungen bestimmen, die der Zentralen Behörde ihres Landes die Informationen zur Verfügung stellen. Der Vorteil besteht darin, Rechtssicherheit hinsichtlich der erfassten Institutionen zu schaffen. Die Bestimmung nach Abs 3 hat zur Folge, dass die nicht genannten Behörden und Verwaltungen der Zentralen Behörden keine Daten nach Abs 2 zur Verfügung stellen. Die Mitgliedstaaten haben die Behörden und Verwaltungen so auszuwählen, dass die Zentrale Behörde den Zugang zu den Informationen nach Abs 2 erhält. 10 2. Es handelt sich um Informationen, über welche die Behörde oder Verwaltung im Rahmen der gewöhnlichen Tätigkeit verfügen und für deren Verarbeitung sie nach der RL 95/46 / EG verantwortlich sind. Letzteres bedeutet, dass sie allein oder gemeinsam mit anderen Institutionen über die Verarbeitung personenbezogener Daten entscheiden, wobei die Verarbeitung auch ihre Weitergabe durch Übermittlung umfasst.6 Die Information muss eine oder mehrere in Abs 2 S 2 geregelten Gegenstände betreffen und die Zentrale Behörde dieses Staates darf keinen direkten Zugang zu ihr haben. 11 3. Es bedarf eines Ersuchens der ersuchten Zentralen Behörde an den Informationsträger.7 Damit wird deutlich, dass ein Ersuchen um Information nur ergehen kann, wenn ein Antrag nach Artt 55, 56 von einer Zentralen Behörde eines anderen Mitgliedstaates übermittelt wurde oder diese ein Ersuchen um besondere Maßnahmen nach Art 53 gerichtet hat. Die Zentrale Behörde eines Mitgliedstaates hat nicht den unmittelbaren Zugang zu Informationen bei Behörden und Verwaltungen eines anderen Mitgliedstaates. 12 Die nach Abs 1 UAbs 2 ersuchte Institution ist verpflichtet, die angeforderten Informationen der Zentralen Behörde ihres Landes zur Verfügung zu stellen, soweit sie bei ihr vorhanden sind. Vorbehalten sind Beschränkungen aus Gründen der nationalen

6 7

736

Art 2 RL 95/46 / EG. Im dt Text ist, wohl um die Doppelung der Begriffe zu vermeiden, der Begriff „Anfrage“ gewählt worden, im engl Text heißt es request. Der Begriff „Anfrage“ wird nicht der daran geknüpften Informationspflicht gerecht.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 61 EG-UntVO 13-15

oder öffentlichen Sicherheit. Die Modalitäten des Zugangs sind in der EG-UntVO nicht geregelt, sie unterliegen der einzelstaatlichen Regelung. V.

Andere juristische Personen

UAbs 4 eröffnet die Möglichkeit, für die einzelnen Mitgliedstaaten den Zugang der 13

Zentralen Behörde ihres Landes zu personenbezogenen Daten zu erweitern. Durch Rechtsvorschrift können sie die Weiterleitung der Informationen an die zentrale Behörde entsprechend der Regelung im UAbs 2 bestimmen, die bei anderen juristischen Personen vorhanden sind. Nur wenn eine solche nationale Regelung getroffen wird, kann die Zentrale Behörde aus den oben genannten Gründen von diesen anderen juristischen Personen Informationen nach Abs 2 erlangen. Hiervon ist vor allem Gebrauch zu machen, wenn Daten – der in Abs 2 S 2 genannten Art – regelmäßig bei einer juristischen Person konzentriert sind, die nicht unter Abs 2 und 3 fällt und diese Informationen bei einer Behörde oder Verwaltung dieses Staates nicht konzentriert sind. VI. Gegenstand der Information

Die von der Zentralen Behörde eingeforderten Informationen können nur die in 14 Abs 2 S 2 genannten Gegenstände betreffen, die Regelung hat abschließenden Charakter. Nur die Information über die Adresse bezieht sich auf die unterhaltsberechtigte und -verpflichtete Person, die Information über Einkommen, Arbeitgeber, Bankverbindungen und Vermögen nur auf den Unterhaltsverpflichteten. Die unterschiedliche Personenbezogenheit resultiert aus dem Verwendungszweck, der für die Verfahrensstadien unterschiedlich bestimmt ist. VII. Einschränkungen der Informationsbeschaffung

Zur Herbeiführung oder Änderung einer Entscheidung, also bei Anträgen nach Art 56 15 Abs 1 lit d-f, Abs 2 lit b und c, sowie bei Ersuchen nach Art 53 Abs 3, kann nur eine Information über die Adresse der Gegenseite angefordert werden. Für die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung können alle aufgelisteten Informationen eingefordert werden, die Regelung differenziert hier nicht zwischen dem Stadien der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung sowie der Vollstreckung. In rechtlicher Hinsicht ist die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung unabhängig davon, ob der Schuldner Einkommen oder Vermögen in dem betreffenden Mitgliedstaat hat. Rein tatsächlich ist eine Information darüber vorweg sinnvoll, um über die Zweckmäßigkeit der Vollstreckbarerklärung zu entscheiden. Zum Schutz des Unterhaltsverpflichteten hat sich die Informationsbeschaffung für dieses Verfahrensstadium darauf zu beschränken, ob es überhaupt Einkommen oder Vermögen der verpflichteten Person in diesem Mitgliedstaat gibt. 8 Für die Informationsbeschaffung seitens der ersuchten Behörde ist diese Einschränkung aus Abs 2 S 2 abzuleiten. 8

So für die Weitergabe von Informationen aufgrund eines Ersuchens nach Art 53 Abs 1 in Art 53 Abs 2 UAbs 2 S 2 geregelt.

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Art 61 EG-UntVO, 16 Art 62 EG-UntVO, 1

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

16 Die Einforderung von Informationen zum Vermögen (Abs 2 S 2 lit d) steht unter Vorbehalt. Sie kann nur erfolgen, wenn entweder die Informationen zum Einkommen, Arbeitgeber und Bankverbindungen ergeben, dass eine Vollstreckung des Titels nicht oder nur teilweise möglich ist oder die Informationen selbst nicht ausreichend für eine erfolgreiche Vollstreckung sind. Abs 2 S 2 HS 1 beruht auf Art 6 Abs 1 lit c RL 95/46 / EG. Für jede einzelne Unterhaltssache ist zu prüfen, welche Informationen angemessen und erheblich sind und ob sie nicht über das Erforderliche hinausgehen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu prüfen, welche der potentiell verfügbaren Daten konkret angefordert und gemäß Art 62 weitergeleitet werden. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nur insoweit rechtlich gedeckt, wie dies im konkreten Fall für die Ermittlung der Adresse des Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten und für die Vollstreckung erforderlich und hilfreich ist. 9

Artikel 62

Weiterleitung und Verwendung der Informationen (1) Die Zentralen Behörden leiten die in Artikel 61 Absatz 2 genannten Informationen innerhalb ihres Mitgliedstaats je nach Fall an die zuständigen Gerichte, die für die Zustellung von Schriftstücken zuständigen Behörden und die mit der Vollstreckung einer Entscheidung betrauten zuständigen Behörden weiter. (2) Jede Behörde oder jedes Gericht, der/dem Informationen aufgrund von Artikel 61 übermittelt wurden, darf diese nur zur Erleichterung der Durchsetzung von Unterhaltsforderungen verwenden. Mit Ausnahme der Informationen, die sich einzig darauf beziehen, ob eine Anschrift, Einkommen oder Vermögen im ersuchten Mitgliedstaat bestehen, dürfen, vorbehaltlich der Anwendung von Verfahrensregeln vor einem Gericht, die Informationen nach Artikel 61 Absatz 2 nicht der Person gegenüber offen gelegt werden, die die ersuchende Zentrale Behörde angerufen hat. (3) Jede Behörde, die eine ihr aufgrund von Artikel 61 übermittelte Information bearbeitet, bewahrt diese nur so lange auf, wie es für die Zwecke, für die die Information übermittelt wurde, erforderlich ist. (4) Jede Behörde, die ihr aufgrund von Artikel 61 übermittelte Informationen bearbeitet, gewährleistet die Vertraulichkeit dieser Informationen nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts.

I.

Weiterleitung von Informationen

1 Für die Weiterleitung der Informationen, die die ersuchte Zentrale Behörde nach Art 61 erhalten hat, ist zu unterscheiden: die Weiterleitung: 1. an die ersuchende Zentrale Behörde; 2. seitens der ersuchten oder ersuchenden Zentralen Behörden an das 9

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Hierzu insgesamt Europäischer Datenschutzbeauftragter, 7.10.2006, ABl EU 2006 C 242/20, S 23 ff.

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Kapitel VII Zusammenarbeit der zentralen Behörden

Art 62 EG-UntVO 2-5

Gericht oder die für die Unterhaltssache zuständige Behörde im eigenen Land und 3. an die Person, die die ersuchende Behörde angerufen hat. Eine direkte Weiterleitung von Informationen von der ersuchten Zentralen Behörde an das Gericht im Land der ersuchenden Zentralen Behörde ist in der EG-UntVO nicht vorgesehen. Für die Verarbeitung, einschließlich der Weiterleitung, sind die Grundsätze der Daten- 2 verarbeitung nach Art 61 Abs 2 S 2 HS 1 zu beachten: Erforderlichkeit, Angemessenheit und Erheblichkeit.1 1. Die Weiterleitung von Informationen an die ersuchende Zentrale Behörde ist in 3 Art 61 Abs 1 UAbs 5 geregelt. Eine Weiterleitung erfolgt nur dann, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist. Konkret ist die Weiterleitung in Art 53 Abs 2 UAbs 2 geregelt, soweit die Informationsbeschaffung der ersuchten Zentralen Behörde aufgrund eines Ersuchens um besondere Maßnahmen erfolgt ist. Eine darüber hinausgehende Weitergabe von Informationen, die nach Art 61 erworben wurden, an die ersuchende Zentrale Behörde, ist auch bei Anträgen nach Art 56 im Allgemeinen nicht erforderlich. 2. Die Institutionen in den Mitgliedstaaten, an die die Zentralen Behörden Informa- 4 tionen nach Art 61 Abs 2 weiterleiten können, sind in Abs 1 abschließend aufgelistet. Dies sind namentlich das zuständige Gericht, die für die Zustellung von Schriftstücken zuständige Behörde und das Vollstreckungsorgan. 3. Die Person, die die ersuchende Behörde angerufen hat (Art 62 Abs 2 UAbs 2) 5 ist diejenige, die einen Antrag nach Art 56 gestellt hat oder von der das Ersuchen um besondere Maßnahmen nach Art 53 ausgegangen ist. Grundsätzlich sind ihr keine nach Art 61 Abs 2 erhaltenen Informationen offenzulegen. Ausgenommen sind die Informationen, ob eine Anschrift (also nicht die Anschrift selbst) und Einkommen oder Vermögen (also nicht Art und Höhe, auch nicht, ob sie zur Vollstreckung zur Verfügung stehen) im ersuchten Mitgliedstaat bestehen. Damit hat der Antragsteller im Grundsatz keinen Zugang zu personenbezogenen Daten, die im Rahmen der Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs ermittelt werden. Dies dient dem Schutz der am Verfahren Beteiligten, insbesondere dem Schutz von Kindern, zB in Fällen von häuslicher Gewalt. 2 Nicht erfasst durch diese Einschränkung werden Informationen, die diese Person aufgrund der Anwendung verfahrensrechtlicher Bestimmungen im gerichtlichen Verfahren erhält, zB Kenntnis von der Adresse der Gegenpartei durch Schriftsätze.

1 2

Siehe hierzu Art 61 Rn 3 ff. Zur ähnlichen Regelung in Art 40 HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 627.

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Art 62 EG-UntVO, 6-8 Art 63 EG-UntVO

II.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Weitere Festlegungen zum Schutz personenbezogener Daten

6 Abs 2 UAbs 1, 3 und 4 zielen auf den Schutz personenbezogener Daten ab, indem sie ein einheitliches Schutzniveau hinsichtlich der nach Art 61 erlangten Informationen aufstellen und dabei die sich aus der RL 95/46 / EG ergebenden Anforderungen in dem gemeinschaftsrechtlich unmittelbar anwendbaren Rechtsakt umsetzen. Im Abs 2 wird dem Grundprinzip der Zweckbeschränkung und -bindung Wirkung verliehen. 3 Hierdurch können zugleich Hemmnisse bei der Übermittlung solcher Informationen möglichst gering gehalten werden, da die Informationen übermittelnden Institutionen sich darauf verlassen können, dass diese Daten nicht für andere Zwecke als für die Erleichterung der Durchsetzung von Unterhaltsforderung verwendet werden. 4 7 Die Aufbewahrung der nach Art 61 übermittelten Informationen ist gemäß Abs 3 nur solange statthaft, wie es für den Zweck der Informationsübermittlung erforderlich ist. Damit wird die Vorgabe des Art 6 lit e der Richtlinie 96/46 / EG erfüllt, welcher vorsieht, dass personenbezogene Daten nicht länger aufbewahrt werden, als es für die Realisierung der Zwecke, für die sie an die Zentrale Behörde weitergeleitet wurden, nötig ist. 8 Die Regelung ergänzt in sinnvoller Weise den vorhergehenden Absatz. Dürfen die übermittelten Informationen für keine anderen Zwecke als zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen verwendet werden, so hat ihre weitere Aufbewahrung nach Durchsetzung der Unterhaltsforderung keinen Sinn. Die Aufbewahrungsfrist ist flexibel und hängt vom Verarbeitungszweck ab. Für die Durchsetzung von Unterhaltsforderungen kann durchaus eine längere Aufbewahrung sinnvoll sein, damit zB der Richter regelmäßig die Gewährung und die Höhe des Unterhalts überprüfen kann.5 Gemäß Abs 4 richtet sich der Schutz der nach Art 61 übermittelten Informationen nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht, unter Einschluss der innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der RL 95/46 / EG. Insoweit existiert in allen Mitgliedstaaten ein harmonisiertes Mindestschutzniveau, da die Richtlinie inzwischen von allen Mitgliedstaaten umgesetzt wurde.6

Artikel 63

Benachrichtigung der von der Erhebung der Informationen betroffenen Person (1) Die Benachrichtigung der von der Erhebung der Informationen betroffenen Person über die Übermittlung dieser Informationen in Teilen oder ihrer Gesamtheit erfolgt gemäß dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Mitgliedstaats. 3 4

5 6

740

Europäischer Datenschutzbeauftragter, 7.10.2006, ABl EU 2006 C 242/20, S 23. Vgl die ähnliche Regelung in Art 38 HUntVerfÜbk 2007, Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 625. Europäischer Datenschutzbeauftragter, 7.10.2006, ABl EU 2006 C 242/20, S 24. Europäische Kommission, Stand des Arbeitsprogramms für eine bessere Durchführung der Datenschutzrichtlinie, 7.3.2007, KOM (2007) 87, 5.

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Kapitel VIII Öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen

Art 63 EG-UntVO, 1 Art 64 EG-UntVO

(2) Falls diese Benachrichtigung die Gefahr birgt, die wirksame Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs zu beeinträchtigen, kann sie um höchstens 90 Tage ab dem Tag, an dem die Informationen der ersuchten Zentralen Behörde übermittelt wurden, aufgeschoben werden.

Einheitlich wird die Pflicht zur Benachrichtigung der Person, die von der Übermitt- 1 lung der Daten an die Zentralen Behörden und deren weitere Übermittlung nach Art 62 betroffen ist, festgelegt. Wem die Benachrichtigung obliegt, innerhalb welcher Fristen sie vorzunehmen ist und welchen Inhalt sie hat, bestimmt sich nach dem Recht des ersuchten Mitgliedstaates. Einheitliche Mindestanforderungen sind durch die Umsetzung der Art 10 und 11 RL 95/46 / EG erreicht. Unabhängig von den diesbezüglichen innerstaatlichen Vorschriften kann die Benachrichtigung für maximal 90 Tage ausgesetzt werden, wenn sie die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs in Gefahr bringen würde.

Kapitel VIII Öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen Artikel 64

Öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen als Antragsteller (1) Für die Zwecke eines Antrags auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen oder für die Zwecke der Vollstreckung von Entscheidungen schließt der Begriff „berechtigte Person“ eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung, die für eine unterhaltsberechtigte Person handelt, oder eine Einrichtung, der anstelle von Unterhalt erbrachte Leistungen zu erstatten sind, ein. (2) Für das Recht einer öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtung, für eine unterhaltsberechtigte Person zu handeln oder die Erstattung der der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbrachten Leistung zu fordern, ist das Recht maßgebend, dem die Einrichtung untersteht. (3) Eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung kann die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung oder Vollstreckung folgender Entscheidungen beantragen: a) einer Entscheidung, die gegen eine verpflichtete Person auf Antrag einer öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtung ergangen ist, welche die Bezahlung von Leistungen verlangt, die anstelle von Unterhalt erbracht wurden; b) einer zwischen einer berechtigten und einer verpflichteten Person ergangenen Entscheidung, soweit der der berechtigten Person Leistungen anstelle von Unterhalt erbracht wurden.

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Art 64 EG-UntVO 1, 2

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

(4) Die öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung, welche die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung geltend macht oder deren Vollstreckung beantragt, legt auf Verlangen alle Schriftstücke vor, aus denen sich ihr Recht nach Absatz 2 und die Erbringung von Leistungen an die berechtigte Person ergeben. I. Begriff der öffentlichen Aufgaben wahrnehmenden Einrichtung . . . . . . . . . .

1

II. Arten des Tätigwerdens . . . . . . . . . . . . . . . .

3

III. Berechtigte Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

I.

IV. Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

V. Anerkennung und Vollstreckung . . . . .

8

VI. Nachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

VII. Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

Begriff der öffentlichen Aufgaben wahrnehmenden Einrichtung

1 Art 64 ist der Situation gewidmet, dass eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung (iF öAwE) für eine unterhaltsberechtigte Person oder für die Einrichtung selbst die Anerkennung, Vollstreckbarkeit oder Vollstreckung einer Entscheidung nach Kapitel IV betreibt. Die Bestimmung ist weitgehend identisch mit Art 36 HUntVerfÜbk 2007. Der Begriff öAwE, der auch in den Haager Übereinkommen von 1973 und 2007 verwandt wird, wird in keiner der Regelungen definiert. Der Ausdruck ist im weiten Sinne zu verstehen.1 Die Einrichtung muss Fürsorgeleistungen mit Unterhaltsfunktion erbringen. 2 Maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung ist, dass diese Leistungen auf der Grundlage eines öffentlichen Auftrages erfolgen. 3 Der Begriff der Leistung ist dabei weit zu verstehen, neben Geld können darunter auch Sachund Dienstleistungen fallen. 4 Eine generelle Verpflichtung der Einrichtung, Fürsorgeleistungen mit Unterhaltsfunktion zu erbringen, ist eine wichtiges Indiz für den Charakter als öAwE.5 Dieser kann sich daraus ergeben, dass die diesbezügliche Tätigkeit staatlich anerkannt ist und im öffentlichen Interesse liegt. Nur gemeinnützige Einrichtungen werden erfasst, nicht jedoch solche, die mit dem primären Ziel der Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden.6 2 Zu den öAwE gehören öffentliche Behörden im eigentlichen Sinne, wie eine öffentliche Sozialbehörde oder ein Jugendamt. Auch halbstaatliche oder private gemeinnützige Organisationen, selbst Einzelpersonen, können darunter subsumiert werden, wenn ihnen die Befähigung (imperium) verliehen wurde, im Rahmen der Unterhaltsbeziehungen zwischen Unterhaltsverpflichteten und Unterhaltsberechtigten tätig zu wer1 2 3 4

5 6

742

Verwilghen-Bericht zum HUntAVÜbk1973 Rn 90; Eschenbruch/Klinkhammer /Dörner Kap 7 Rn 120. Brückner S 91 ff; Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 90. Brückner S 94. Brückner S 92. Anders Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 87 ff, der nur von Geldleistungen ausgeht. Brückner S 93. Brückner S 95.

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Kapitel VIII Öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen

Art 64 EG-UntVO 3, 4

den.7 Für eine solche Stellung sprechen in Sozialgesetzen vorgesehene Übertragungen bzw Überlassungen solcher Aufgaben, ihre Anerkennung, selbst ihre Erwähnung,8 sie kann sich jedoch auch aus anerkannter Rechtspraxis ergeben. Welche Einrichtungen im Einzelnen dazu gehören, wenn sie diese allgemeinen Voraussetzungen erfüllen, bestimmt sich nach dem Recht des Staates, dem sie angehören. II.

Arten des Tätigwerdens

Die Regelung unterscheidet zwei Fallsituationen des Tätigwerdens der öAwE. In der 3 ersten handelt sie für den Unterhaltsberechtigten. Damit sind alle Formen der Vertretung gemeint. 9 Unerheblich ist, ob sie auf gesetzlicher Anordnung oder rechtsgeschäftlicher Übertragung beruht. Der im Unterhaltstitel verbriefte Anspruch steht materiell-rechtlich zum Zeitpunkt der Vollstreckung dem Unterhaltsberechtigten zu.10 Für diesen Fall muss die öAwE noch keine Leistung an den Unterhaltsverpflichteten anstelle von Unterhalt erbracht haben. Der zu vollstreckende Titel kann sich auf rückständige und laufend fällig werdende Leistungen beziehen. Möglich ist hier eine Vollstreckung in Form einer fortwährenden monatlichen Pfändung für den laufenden Unterhalt.11 Im zweiten Fall handelt die öAwE nicht für den Unterhaltsberechtigten, sondern für 4 sich selbst. Es geht um die Erstattung von Leistungen, die die Einrichtung anstelle des Unterhaltsschuldners an den Unterhaltsberechtigten erbracht hat.12 Nur jene Leistungen sind erfasst, die von der Funktion her den Unterhalt ersetzt haben. Die Regelung geht nicht so weit wie Art 18 HUntAVÜbk 1973, in dem das Wort „anstelle von Unterhalt“ fehlt.13 Die öAwE kann im zweiten Fall die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung einer Entscheidung nur für die Leistungen betreiben, die sie bereits anstelle von Unterhalt erbracht hat. Hierfür kann auch Abs 4 angeführt werden, wonach auf Verlangen Schriftstücke vorzulegen sind, aus denen sich die Erbringung der Leistung an den Unterhaltsberechtigten ergibt. Daraus folgt, dass die öAwE nicht die Vollstreckung aus einem Titel, bezogen auf die laufenden Unterhaltspflichten in Vorgriff auf ihre wiederkehrenden Leistung – wie dies etwa § 7 Abs 4 S 1 Unterhaltsvorschussgesetz14 vorsieht –, nach der EG-UntVO betreiben kann. Vielmehr muss sie die Leistung zunächst selbst erbringen, um dann gegen den säumigen Unterhalts7

8 9

10 11 12 13 14

Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 90; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 186 f. Brückner S 95 mit Beispielen. Vgl Erwägungsgrund 14, wonach öAwE als berechtigte Person zu behandeln sind, „die das Recht haben, für eine unterhaltsberechtigte Person zu handeln“. Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 608. In Bezug auf das HUntAVÜbk 1973 OLG Hamm FamRZ 1994, 453. Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 614. Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 614. Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder Ausfallleistungen in der Fassung vom 17.7.2007, BGBl 2007 I 1446. Der Gebrauch der in § 7 Abs 4 S 2 Unterhaltsvorschussgesetz enthaltenen Möglichkeit des Landes, die ge-

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Art 64 EG-UntVO 5, 6

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

verpflichteten vorzugehen. Es kommt nicht darauf an, ob es sich um einen Anspruch handelt, der aufgrund von Zession vom Unterhaltsberechtigten auf die öAwE übergegangen ist oder ob es ein originärer Erstattungsanspruch ist. Ansprüche, die aus eigener Tätigkeit der öAwE stammen (zB Aufwendungsersatz), sind nicht erfasst. III. Berechtigte Person

5 Abs 1 bestimmt, dass der Begriff „berechtigte Person“15 für den Antrag auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung oder für den Zweck der Vollstreckung von Entscheidungen die öAwE mit einschließt. Die Regelung macht nach dem Wortlaut wenig Sinn, da im Kapitel IV die Beteiligten als Parteien oder Antragsteller und Antragsgegner bezeichnet sind. Lediglich an einer Stelle, im Art 19 Abs 3 S 3, ist von der berechtigten Person die Rede. Die Bestimmung ist jedoch im weiten Sinne zu verstehen. Sie soll auch zum Ausdruck bringen, dass die öAwE den Anspruch auf die gleichen Dienste und die gleiche Prozesskostenhilfe wie eine berechtigte Person nach der EG-UntVO hat.16 Sie können folglich Anträge gemäß Art 56 Abs 1 an die Zentrale Behörde stellen und die unentgeltliche Prozesskostenhilfe nach Art 46 in Anspruch nehmen. Fraglich ist, ob sich die Gleichstellung hierfür nur auf die Anträge auf Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung von Entscheidungen bezieht, also nur auf Art 56 Abs 1 lit a und b oder für alle möglichen Anträge nach Art 56 gilt. Für diese Beschränkung kann der Wortlaut von Art 64 angeführt werden. Dagegen jedoch, dass anders als im Art 36 Abs 1 HUntVerfÜbk 2007, der die Einschränkung ausdrücklich vorsieht, Abs 1 eine solche Eingrenzung nicht kennt. Auch lässt Erwägungsgrund 14 S 2 durchaus eine über seinen S 1, der sich auf die Anerkennung und Vollstreckung bezieht, hinausgehende Interpretation zu. Dies macht auch Sinn: wenn – wie hier vertreten – der personelle Anwendungsbereich von Kapitel II (Internationale Zuständigkeit) auf öAwE erstreckt wird, so sollten sie auch Berechtigte für alle Anträge nach Art 56 sein und dabei die unentgeltliche Prozesskostenhilfe nach Art 46 erhalten. IV.

Kollisionsrecht

6 Abs 2 enthält eine kollisionsrechtliche Regelung für die Berechtigung der öAwE, für den Unterhaltsberechtigten zu handeln oder die Erstattung der erbrachten Leistung zu fordern. Maßgeblich ist das Sachrecht, dem die öAwE untersteht. Die Regelung stimmt im letzten Teil mit Art 10 HUntStProt 2007 überein. Für den Unterhaltsberechtigten zu handeln, schließt ein, den Anspruch für diesen gegenüber dem Unterhaltsverpflichteten geltend zu machen und ihn gegebenenfalls einzuklagen sowie eine ergangene Entscheidung auch zur Vollstreckung zu bringen. Art 11 lit d HUntStProt 2007 unterstellt die Frage, welche Person zur Einleitung eines Unterhaltsverfahrens

15 16

744

setzlich übergegangene Forderung wieder auf den Unterhaltsberechtigten im Wege einer Zession zu übertragen, hat zur Folge, dass auch der ursprüngliche Unterhaltsgläubiger nicht vom Anwendungsbereich der EG-UntVO profitiert, hierzu auch Art 2 Rn 13. Differenziert in Art 2 Nr 10. Erwägungsgrund 14.

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Kapitel VIII Öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen

Art 64 EG-UntVO 7-11

berechtigt ist, dem Unterhaltsstatut. Abs 2 HS 1 (auch Art 36 Abs 2 HS 1 HUntVerfÜbk 2007) ist in Bezug auf die Berechtigung der öAwE eine speziellere Regelung und verdrängt deshalb Art 11 lit d HUntStProt 2007. Auch diese Frage richtet sich nach dem Sachrecht, dem die Einrichtung untersteht. Das Recht der öAwE bestimmt, ob und unter welchen Voraussetzungen der Unter- 7 haltsanspruch auf die öAwE übergeht bzw ein selbständiger Ersatzanspruch besteht.17 Damit ein solcher Anspruch der EG-UntVO unterliegt, ist erforderlich, dass die öAwE eine Leistung an den Unterhaltsberechtigten anstelle des Unterhalts erbracht hat. Dies setzt eine Unterhaltspflicht voraus, die nicht erfüllt wurde. Die Unterhaltspflicht selbst stellt in diesem Zusammenhang eine Vorfrage dar, die sich natürlich nicht nach Abs 2, sondern nach dem Unterhaltsstatut bestimmt.18 V.

Anerkennung und Vollstreckung

Abs 3 regelt, für welche Entscheidungen die öAwE als Prozesspartei die Anerkennung, 8 Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung nach der EG-UntVO beantragen kann. Das sind: a) solche Entscheidungen, die Verfahren betreffen, in denen die öAwE selbst im Er- 9 kenntnisverfahren Antragsteller war. Die Aktivlegitimation für die Führung eines solchen Prozesses bestimmt sich nach dem Recht der Einrichtung. Der Antrag selbst muss darauf gerichtet gewesen sein, den Unterhaltsschuldner zur Erstattung von Leistungen zu verpflichten, die anstelle des Unterhalts erbracht wurden. Rechtsgrund kann wiederum die Zession oder ein selbständiger Erstattungsanspruch sein. b) solche Entscheidungen, die zugunsten des Unterhaltsberechtigten als Partei gegen 10 den Unterhaltsverpflichteten selbst ergangen sind. Die Entscheidung kann rückständigen, aber auch laufend fällig werdenden Unterhalt betreffen. Voraussetzung ist, dass nach dem Recht, dem die öAwE unterliegt, der titulierte Anspruch auf die öAwE übergegangen ist. Die Anerkennung und Vollstreckung kann die öAwE nur in Höhe des Teils der Entscheidung betreiben, den sie anstelle des Unterhaltsverpflichteten als Leistungen an den Unterhaltsberechtigten erbracht hat. VI. Nachweise

Abs 4 ist den Nachweisen gewidmet. Die öAwE hat auf Verlangen des zuständigen 11 Gerichts des Zweitstaates durch Schriftstücke nachzuweisen, dass sie nach dem Recht, dem sie untersteht, berechtigt ist, für den Unterhaltsberechtigten zu handeln oder die Erstattung erbrachter Leistungen vom Unterhaltsschuldner einzufordern. Wenn diese Befugnis sich aus dem Gesetz ergibt, reicht die Vorlage des Gesetzestextes. Weiterhin muss ein schriftlicher Nachweis darüber geführt werden, dass eine Leistung anstelle des Unterhalts an den Berechtigten erbracht worden ist.

17 18

Zu Einzelheiten Art 10 HUntStProt 2007. Hierzu im Einzelnen Art 11 HUntStProt 2007 Rn 2.

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Art 64 EG-UntVO, 12 Art 65 EG-UntVO, 1, 2

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

VII. Dänemark

12 Abs 1, 3 und 4 gelten auch im Verhältnis zu Dänemark.19 Fraglich ist, ob die Anwendung von Abs 2 seitens dänischer Gerichte und Behörden von der Beteiligungserklärung Dänemarks durch Schreiben vom 14.1.2009 an die Kommission auf der Grundlage von Art 3 Abs 2 des Abkommens der EG mit Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen gedeckt ist. Dagegen spricht, dass es sich um eine Bestimmung kollisionsrechtlichen Inhalts handelt und insoweit über den sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel I-VO hinausgeht. Außerdem beschränkt sich die Beteiligungserklärung erkennbar auf die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen und den Zugang zum Recht. Andererseits ist Art 64 Abs 2 in der Beteiligungserklärung nicht ausdrücklich ausgeschlossen.

Kapitel IX Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen Artikel 65

Legalisation oder ähnliche Förmlichkeiten Im Rahmen dieser Verordnung bedarf es weder der Legalisation noch einer ähnlichen Förmlichkeit.

1 Befreit werden Urkunden von der Legalisation oder sonstigen Förmlichkeiten, wie der Apostille. Anders als Art 56 Brüssel I-VO und Art 52 Brüssel IIa-VO werden die Urkunden nicht spezifiziert, sondern allgemein umschrieben mit im „Rahmen dieser Verordnung“. Es werden alle öffentlichen Urkunden aus den anderen Mitgliedstaaten erfasst, wie Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden iSd Art 48, Auszüge aus Entscheidungen, öffentlichen Urkunden und gerichtlichen Vergleichen unter Verwendung der Formblätter, Nachweise über die Befreiung von den Prozesskosten nach Art 47 Abs 2, Bescheinigungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse nach Art 47 Abs 3, Ersuchen und Anträge nach Art 53 und Art 56. 2 Rechtsfolge in Deutschland ist, dass die erfassten öffentlichen Urkunden den inländischen gleichgestellt werden und deshalb die Vermutung der Echtheit für sich haben.1 19 1

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Hierzu Art 1 Rn 50. §§ 438, 437 ZPO, hierzu ua Thomas/Putzo/Hüßtege Art 56 Brüssel I-VO Rn 1; Geimer/Schütze/Geimer EuZVR Art 56 Brüssel I-VO Rn 1.

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Kapitel IX Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen

Art 66 EG-UntVO, 1, 2 Art 67 EG-UntVO, 1

Auf private Urkunden trifft Art 65 nicht zu. Wird Vollmacht durch öffentliche Urkunde erteilt, so wird diese von der Legalisation befreit. 2 Fraglich ist, ob sich Art 65 auch auf das Erkenntnisverfahren bezieht, da hierfür nur die internationale Zuständigkeit geregelt ist. ME ist hier zu differenzieren. Art 65 findet Anwendung, wenn das Verfahren auf Antrag der Partei nach Art 56 über die Zentralen Behörden in einem anderen Mitgliedstaat eingeleitet wird. Im Übrigen ist Art 65 nicht anzuwenden, die Befreiung von der Legalisation kann sich jedoch aus anderen Staatsverträgen ergeben.

Artikel 66

Übersetzung der Beweisunterlagen Unbeschadet der Artikel 20, 28 und 40 kann das angerufene Gericht für Beweisunterlagen, die in einer anderen Sprache als der Verfahrenssprache vorliegen, nur dann eine Übersetzung von den Parteien verlangen, wenn es der Ansicht ist, dass dies für die von ihm zu erlassende Entscheidung oder für die Wahrung der Verteidigungsrechte notwendig ist.

Wie Art 59 schränkt Art 66 die Übersetzungsanforderungen für Anlagen – hier für Be- 1 weisunterlagen – im gerichtlichen Verfahren ein. Die Vorschrift differenziert nicht und findet daher sowohl im Erkenntnis- als auch im Vollstreckungsverfahren Anwendung. Es bedarf grundsätzlich keiner Übersetzung der Beweisunterlagen, etwa der Einkommensnachweise, es sei denn, das Gericht hält eine Übersetzung für die von ihm zu erlassende Entscheidung oder für die Wahrung der Verteidigungsrechte für erforderlich. Die Entscheidung hierüber steht im Ermessen des Gerichts. Hierbei muss es die Entscheidung des Verordnungsgebers gegen eine generelle Übersetzungspflicht beachten und darf die Erstellung einer Übersetzung nur im Einzelfall anordnen. Die besonderen Übersetzungsanforderungen nach Art 20 Abs 1 lit d, Art 28 Abs 1 2 lit c und Art 40 Abs 3 sind von dieser Übersetzungserleichterung ausgenommen.

Artikel 67

Kostenerstattung Unbeschadet des Artikels 54 kann die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats von der unterliegenden Partei, die unentgeltliche Prozesskostenhilfe aufgrund von Artikel 46 erhält, in Ausnahmefällen und wenn deren finanzielle Verhältnisse es zulassen, die Erstattung der Kosten verlangen.

1

Vergleiche hierzu Art 46 Rn 13.

2

Für die Brüssel IIa-VO Rauscher/Rauscher Art 52 Brüssel IIa-VO Rn 3.

Marianne Andrae

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Art 68 EG-UntVO 1-3

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Artikel 68

Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten der Gemeinschaft (1) Vorbehaltlich des Artikels 75 Absatz 2 wird mit dieser Verordnung die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 dahin gehend geändert, dass deren für Unterhaltssachen geltende Bestimmungen ersetzt werden. (2) Diese Verordnung tritt hinsichtlich Unterhaltssachen an die Stelle der Verordnung (EG) Nr. 805/2004, außer in Bezug auf Europäische Vollstreckungstitel über Unterhaltspflichten, die in einem Mitgliedstaat, der nicht durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, ausgestellt wurden. (3) Im Hinblick auf Unterhaltssachen bleibt die Anwendung der Richtlinie 2003/8/ EG vorbehaltlich des Kapitels V von dieser Verordnung unberührt. (4) Die Anwendung der Richtlinie 95/46 / EG bleibt von dieser Verordnung unberührt.

1 Geregelt wird nur das Verhältnis der EG-UntVO zu den Rechtsinstrumenten der Gemeinschaft, zu deren Gegenständen die EG-UntVO Bestimmungen enthält. Unberührt bleibt die Anwendung von anderen Rechtsakten der Gemeinschaft auf Unterhaltssachen, die in Ausfüllung der Artt 61c, 65 EGV (Artt 67, 81 AEUV) – Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen – ergangen sind. Dazu gehören vor allem die EG-ZustellVO, die EG-BewVO, und die EG-MahnVO. Die EG-BagatellVO schließt in ihrem Art 2 Abs 2 lit b das Unterhaltsrecht vom sachlichen Anwendungsbereich aus, insoweit besteht keine Konkurrenz zur EG-UntVO. I.

Brüssel I-VO

2 Die Brüssel I-VO erfasst vom sachlichen Gegenstand Unterhaltssachen und regelt die Zuständigkeit, die Beachtung der Rechtshängigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung sowie die Abgrenzung zu anderen Rechtsakten der Gemeinschaft und zu Staatsverträgen. Damit besteht eine erhebliche Überschneidung der geregelten Gegenstände in Bezug auf Unterhaltssachen. Abs 1 bringt das Verhältnis beider Verordnungen auf juristisch nicht exakte Weise zum Ausdruck. Danach wird die Brüssel I-VO dahingehend geändert, dass die für Unterhaltssachen geltenden Bestimmungen ersetzt werden. Es wird nicht geregelt, welche Bestimmungen geändert oder ersetzt werden. An einer diesbezüglichen Änderung des Wortlauts einzelner Bestimmungen der Brüssel I-VO selbst fehlt es bisher. Abs 1 ist dahingehend auszulegen, dass soweit der sachliche1 und zeitliche2 Anwendungsbereich der EG-UntVO eröffnet ist, die Anwendung der Brüssel I-VO ausgeschlossen ist. 3 Die EG-UntVO hat gegenüber der Brüssel I-VO Priorität, soweit die Gegenstände: Zuständigkeit, doppelte Rechtshängigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung betroffen sind. Die Zusammenarbeit der Behörden regelt allein die EG-UntVO. Insoweit gibt es keine Konkurrenz zur Brüssel I-VO.3 Die Geltung des Prioritätsgrundsatzes 1 2

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Hierzu Art 1. Hierzu Artt 75, 76.

Januar 2010

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Kapitel IX Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen

Art 68 EG-UntVO 4, 5

bei übereinstimmender Regelungsmaterie ergibt sich aus Art 67 Brüssel I-VO. Danach berührt die Brüssel I-VO nicht die Anwendung der Bestimmungen, die für besondere Rechtsgebiete die gerichtliche Zuständigkeit oder die Anerkennung und Vollstreckung regeln und in gemeinschaftlichen Rechtsakten enthalten sind.4 Mit der Formulierung in Art 68 Abs 1 sollte wohl das Verfahren der Beteiligung Dänemarks an der EG-UntVO erleichtert werden. Die Formulierung ist angelehnt an Art 3 Abs 2 des Abkommens vom 10.10.2005 zwischen der EG und Dänemark5, durch das die Brüssel I-VO auf das Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und Dänemark erstreckt wird. Nach dieser Vorschrift teilt Dänemark bei jeder Änderung der Brüssel I-VO der Kommission mit, ob es diese Änderungen umsetzt. Diese Mitteilung für die EG-UntVO seitens Dänemarks ist mit Schreiben vom 14.01.2009 erfolgt.6 Umgesetzt ist die EGUntVO im Wege eines Verwaltungsakts. Auf diese Wiese wurde das Erfordernis des Abschlusses eines Abkommens zur Erstreckung der EG-UntVO auf Dänemark vermieden und die Umsetzung vereinfacht. Rechtspraktisch ist für die Abgrenzung im konkreten Fall Folgendes zu prüfen, wobei 4 die Reihenfolge nach Zweckmäßigkeit gewählt werden kann: a) Ist die EG-UntVO zeitlich anwendbar (Artt 75, 76)? Trifft dies nicht zu, kommt nur die Anwendung der Brüssel I-VO in Frage. b) Ist Gegenstand eine Unterhaltspflicht aus Familien-, Verwandtschafts- oder ehelichen Beziehungen bzw Schwägerschaft (Art 1 Abs 1)?7 Soweit das bejaht wird, ist die EG-UntVO maßgebend. II.

EG-VollstrTitelVO

Die EG-VollstrTitelVO hat den gleichen sachlichen Anwendungsbereich wie die 5 Brüssel I-VO und erstreckt sich auch auf Unterhaltssachen. Sie gilt für alle Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Dänemark. Auf Antrag werden Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden über unbestrittene Forderungen, die im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind, als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt, wenn sie Mindestvoraussetzungen für die Gewährung des rechtlichen Gehörs erfüllen. Eine als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung wird – ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf – in jedem Mitgliedstaat wie eine inländische Entscheidung vollstreckt. 8 Zur EG-UntVO besteht insoweit Konkurrenz, als beide die grenzüberschreitende Vollstreckung von Unterhaltstiteln zum Gegen-

3 4 5 6 7 8

Prozesskostenhilfe für die Vollstreckung wird bereits nach Art 50 Brüssel I-VO gewährt. Hierzu Rauscher /Mankowski Art 67 Brüssel I-VO Rn 1 mit weiteren Literaturhinweisen. ABl EU 2005 L 299/62. ABl EU 2009 L 149/80. Hierzu Anm zu Art 1 Abs 1 Rn 1 ff. Zu Einzelheiten mit Literaturhinweisen Rauscher/Pabst Einl EG-VollstrTitelVO Rn 14 ff.

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Art 68 EG-UntVO 6, 7

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

stand haben, nur ist die EG-VollstrTitelVO auf unbestrittene Forderungen9 begrenzt. Außerdem hat die Forderung auf eine bestimmte Geldsumme zu lauten.10 Die Bestimmtheit kann insbesondere hinsichtlich eines Zins- oder Aufwertungsbetrages (indexierte Forderungen) problematisch sein. Eine Forderung ist nicht erst mit ihrer Bezifferung bestimmt iSd EG-VollstrTitelVO. Es genügt, wenn sich die konkrete Forderungshöhe mit den im Europäischen Vollstreckungstitel angegebenen Vorgaben bestimmen lässt.11 6 Nach Art 68 Abs 2 verdrängt die EG-UntVO die EG-VollstrTitelVO im übereinstimmenden Anwendungsbereich. Dies gilt nach HS 2 jedoch nur für solche Entscheidungen, gerichtlichen Vergleiche und öffentlichen Urkunden, die in einem Mitgliedstaat ergangen bzw errichtet worden sind, die durch das HUntStProt 2007 gebunden sind. Der Ausschluss rechtfertigt sich, weil die EG-UntVO gegenüber der EG-VollstrTitelVO die grenzüberschreitende Vollstreckung dieser Unterhaltstitel erheblich erleichtert. Der Priorität der EG-UntVO im Verhältnis zur EG-VollstrTitelVO liegt insoweit das Günstigkeitsprinzip zugrunde. Die EG-VollstrTitelVO bleibt anwendbar auf Titel über unbestrittene Unterhaltsforderungen, bei denen das Verfahren bis zum 18.6.2011 eingeleitet oder die öffentliche Urkunde bis dahin errichtet wurde. Hier kann es eine Konkurrenz zur Anwendung von Kapitel IV Abschnitt 2, 3 EG-UntVO geben. Nach Maßgabe des Art 75 Abs 2 wird die Brüssel I-VO diesbezüglich durch entsprechende Bestimmungen der EG-UntVO ersetzt. 7 Das Verhältnis der EG-UntVO zur EG-VollstrTitelVO ist hinsichtlich dieser Titel entsprechend Art 27 EG-VollstrTitelVO12 zu lösen. Dies lässt sich damit begründen, dass das Verfahren für die grenzüberschreitende Vollstreckung bezogen auf diese Unterhaltstitel weitgehend der Brüssel I-VO nachgebildet ist. Ist der Anwendungsbereich beider Verordnungen eröffnet, dann kann der Vollstreckungsgläubiger wählen, nach welcher Verordnung er die Vollstreckung betreibt. Er kann die Vorzüge beider Verordnungen abwägen.13 Es steht ihm auch frei, beide Verfahren parallel zu betreiben.14 Wird die Erteilung eines Europäischen Vollstreckungstitels nach der EG-VollstrTitelVO abgelehnt, so behält der Vollstreckungsgläubiger die Möglichkeit, nach Kapitel IV 9

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12 13

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Zum Begriff der unbestrittenen Forderung vgl Art 3 EG-VollstrTitelVO und die Literaturnachweise bei Rauscher/Pabst Art 3 EG-VollstrTitelVO Rn 4 ff. Vgl Art 4 Nr 2 EG-VollstrTitelVO. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, welche Anforderungen an die Bestimmtheit der Forderung im Titel zu stellen sind. Rauscher/Pabst Art 4 EG-VollstrTitelVO Rn 9. Dies entspricht der herrschenden Auffassung, die sich schon zu den Anforderungen an die Bestimmtheit der erststaatlichen Entscheidung nach Art 38 Brüssel I-VO bzw Art 31 EuGVÜ herausgebildet hat, vgl BGH IPRax 1994, 367, 368; OLG Zweibrücken IPRax 2006, 49, 50; OLG Köln IPRax 2006, 51; Rauscher/Mankowski Art 38 Brüssel I-VO Rn 22 ff; Roth IPRax 1994, 350, 351. Hierzu Rauscher /Pabst Art 27 EG-VollstrTitelVO Art 27. Hierzu die entsprechenden Vergleiche zwischen der EG-VollstrTitelVO und Brüssel I-VO, Rauscher / Pabst Art 27 EG-VollstrTitelVO Rn. 3. So im Verhältnis zur Brüssel I-VO Rauscher/Pabst Art 27 EG-VollstrTitelVO Rn 4; Wagner IPRax 2005, 189, 190.

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Kapitel IX Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen

Art 68 EG-UntVO, 8 Art 69 EG-UntVO

Abschnitt 2 EG-UntVO die Vollstreckbarkeitsklauseln im Vollstreckungsstaat zu erwirken.15 Missbrauchsfällen einer Doppelvollstreckung aus demselben Titel kann der Schuldner auch mit Mitteln des Zwangsvollstreckungsrechts des Vollstreckungsstaates begegnen.16 Im Verhältnis zum Vereinigten Königreich gilt die EG-UntVO nicht, stattdessen die Brüssel I-VO für Unterhaltssachen. Das Verhältnis zur Brüssel I-VO regelt sich nach Art 27 EG-VollstrTitelVO. III. PKH-RL und Datenschutz-RL

Vorbehaltlich der besonderen Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhil- 8 fe für Unterhaltssachen in den Artt 44-47 EG-UntVO bleiben die nationalen Umsetzungsvorschriften17 der Prozesskostenrichtlinie18 anwendbar. Uneingeschränkt ist weiterhin die Datenschutzrichtlinie anwendbar.19

Artikel 69

Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkommen und Vereinbarungen (1) Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Übereinkommen und bilateralen oder multilateralen Vereinbarungen, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören und die die in dieser Verordnung geregelten Bereiche betreffen, unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gemäß Artikels 307 des Vertrags. (2) Ungeachtet des Absatzes 1 und unbeschadet des Absatzes 3 hat diese Verordnung im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander jedoch Vorrang vor Übereinkommen und Vereinbarungen, die sich auf Bereiche, die in dieser Verordnung geregelt sind, erstrecken und denen Mitgliedstaaten angehören. (3) Diese Verordnung steht der Anwendung des Übereinkommens vom 23. März 1962 zwischen Schweden, Dänemark, Finnland, Island und Norwegen über die Geltendmachung von Unterhaltsforderungen durch die ihm angehörenden Mitgliedstaaten nicht entgegen, da dieses Übereinkommen in Bezug auf die Anerkennung, die Vollstreckbarkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen Folgendes vorsieht: 15

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19

Für die Brüssel I-VO Kropholler Art 27 EG-VollstrTitelVO Rn 4; Rauscher/Pabst Art 27 EGVollstrTitelVO Rn 8. Für das Verhältnis zur Brüssel I-VO Leible/Lehmann NotBZ 2004, 453, 454; Rauscher/Pabst Art 28 EG-VollstrTitelVO Rn 10. Im dt Recht §§ 1076-1078 ZPO, BGBl 2004 I 3392. Richtlinie 2003/8 / EG des Rates vom 27.1.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen, ABl EG L 26/41; sie gilt nicht für Dänemark. Richtlinie 95/46 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, ABl EG L 281/31; dt Umsetzung durch das Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes vom 18.5. 2001, BGBl 2001 I 904.

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Art 69 EG-UntVO 1- 4

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

a) vereinfachte und beschleunigte Verfahren für die Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen und b) eine Prozesskostenhilfe, die günstiger ist als die Prozesskostenhilfe nach Kapitel V dieser Verordnung. Die Anwendung des genannten Übereinkommens darf jedoch nicht bewirken, dass dem Antragsgegner der Schutz nach den Artikeln 19 und 21 dieser Verordnung entzogen wird. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Mehrseitige Übereinkommen . . . . . . . . . .

4

1. Haager Übereinkommen a) HUntAVÜbk 1958 und HUntAVÜbk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) HUntVerfÜbk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

2. New Yorker Übereinkommen . . . . . . . . 3. Lugano Übereinkommen . . . . . . . . . . . . .

15 16

III. Bilaterale Verträge und

Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

5 9

Einführung

1 In Art 69 ist – anders als in der Brüssel I-VO – das Verhältnis zu internationalen Übereinkommen und Vereinbarungen allgemein geregelt. Es wird nicht mehr zwischen bilateralen und multilateralen internationalen Rechtsakten unterschieden. Die Regelung bezieht sich nicht nur auf Übereinkommen und Verträge, sondern umfasst mit dem Begriff Vereinbarungen auch solche, die auf Ministerialebene, insbesondere zur Untersetzung von Übereinkommen und Staatsverträgen geschlossen wurden. 2 Vom Grundsatz hat die EG-UntVO im überschneidenden Anwendungsbereich Vorrang vor den internationalen Übereinkommen und Verträgen. Die Ausnahme bildet das Übereinkommen zwischen Schweden, Dänemark, Finnland, Island und Norwegen vom 23.3.1962 über die Geltendmachung von Unterhaltsforderungen, das nach Maßgabe des Abs 3 weiter angewandt werden kann. 3 Art 69 bezieht sich auf alle Staatsverträge und Vereinbarungen, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten am 18.12.2008 angehörten und die Regelungsbereiche betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind. II.

Mehrseitige Übereinkommen

4 Die Anwendung der mehrseitigen Übereinkommen wird durch die EG-UntVO nicht berührt (Abs 1). Jedoch hat im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander die EGUntVO Vorrang (Abs 2). Der Vorrang tritt erst ein, wenn die EG-UntVO intertemporal auf den betreffenden Vorgang Anwendung findet.1

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Hierzu Artt 75, 76.

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Kapitel IX Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen

1.

Art 69 EG-UntVO 5-7

Haager Übereinkommen

a) HUntAVÜbk 1958 und HUntAVÜbk 1973 Die EG-UntVO überschneidet sich im sachlichen Anwendungsbereich mit folgenden 5 Haager Übereinkommen:2 – Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958 (HUntAVÜbk 1958).3 – Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (HUntAVÜbk 1973).4 Beide Übereinkommen regeln die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen, das HUntAVÜbk 1973 auch die von vollstreckbaren Vergleichen. Das HUntAVÜbk 1958 beschränkt sich auf den Unterhalt von Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, es ist auf Unterhaltspflichten zwischen Verwandten in der Seitenlinie nicht anwendbar. Das HUntAVÜbk 1973 umfasst alle Unterhaltspflichten aus Familie, Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft.5 Beide Übereinkommen werden von der EG-UntVO in Bezug auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat verdrängt. Das gilt auch für Verfahren, die nach Art 75 Abs 2 für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung Kapitel IV Abschnitt 2 unterliegen. Für die Anwendung des HUntAVÜbk 1973 bleibt ein kleiner Bereich übrig: Art 21 6 bezieht in die Anerkennung und Vollstreckung „im Ursprungstaat vollstreckbare Vergleiche“ mit ein. Erfasst sind damit auch Privatvergleiche, wenn sie nach dem Recht des Ursprungstaates vollstreckbar sind. Von der EG-UntVO werden diese nur erfasst, wenn sie in öffentlichen Urkunden aufgenommen sind. Auf Privatvergleiche, die dieses Kriterium nicht erfüllen, findet das HUntAVÜbk 1973 weiterhin Anwendung. Ist die EG-UntVO intertemporal gemäß Artt 75, 76 nicht anwendbar, so ist für die 7 Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen eines Mitgliedstaates in einem anderen Mitgliedstaat die Brüssel I-VO, einschließlich ihrer intertemporalen Vor-

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Zu den Haager Übereinkommen auf dem Gebiet des Kollisionsrechts vgl HUntStProt 2007 sowie Art 18 HUntStProt 2007. BGBl 1961 II 1006. Wegen des Vorrangs des HUntAVÜbk 1973 gilt es nur noch im Verhältnis zu Belgien, Liechtenstein, Österreich, Suriname, Ungarn und den überseeischen franz Departements und Hoheitsgebieten. BGBl 1986 II 826. Eine Übersicht über die aktuellen Vertragsstaaten ist in engl Sprache abrufbar unter http://www.hcch.net/index_en.php?act=conventions.status&cid=85. Zum sachlichen Anwendungsbereich vgl Artt 1, 2 HUntAVÜbk 1973. Für öffentliche Vergleiche vgl Art 25 HUntAVÜbk 1973.

Marianne Andrae

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Art 69 EG-UntVO 8-11

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

schriften heranzuziehen. Für das Verhältnis zu dem HUntAVÜbk 1958 und dem HUntAVÜbk 1973 ist Art 71 Brüssel I-VO zu beachten.6 8 Beide Übereinkommen sind weiterhin anzuwenden, wenn es in einem Mitgliedstaat um die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung aus einem Teilnehmerstaat geht, der nicht Mitgliedstaat ist. Es ist auch uneingeschränkt anzuwenden auf Entscheidungen aus Verfahren, die im Ursprungs- oder Vollstreckungsmitgliedstaat – vor deren Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft oder zum LugÜbk 1988 – anhängig gemacht worden sind. b) HUntVerfÜbk 2007 9 Das noch nicht in Kraft getretene Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23.11.2007 (HUntVerfÜbk 2007) fällt nach seinem Inkrafttreten und dem Beitritt der Europäischen Gemeinschaft7 hierzu nicht unter die von Art 69 erfassten Übereinkommen. Art 51 Abs 4 HUntVerfÜbk 2007 regelt bereits vorsorglich das Verhältnis des Übereinkommens zu „Rechtsinstrumenten einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragspartei des Übereinkommens ist“. Hierzu gehört die EG-UntVO. 10 Unberührt vom HUntVerfÜbk 2007 bleiben die Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten. Es kommt dabei nicht darauf an, wann diese Rechtsinstrumente erlassen wurden. Vorrang haben danach die Brüssel I-VO, die EG-VollstrTitelVO und die EG-UntVO für den Bereich der Unterhaltsverpflichtungen. 11 Für die anderen im HUntVerfÜbk 2007 geregelten Komplexe ist das Verhältnis zu regionalen Instrumenten geregelt, die nach Abschluss des Übereinkommens am 18.12. 2007 erlassen wurden. Art 51 Abs 4 S 1 HUntVerfÜbk 2007 zielt dabei in erster Linie darauf ab, das Übereinkommen mit den Projekten der Europäischen Union zu den grenzüberschreitenden Unterhaltsbeziehungen zu koordinieren und ihr auf diese Weise den Beitritt zu dem Haager Übereinkommen zu ermöglichen. Das HUntVerfÜbk 2007 lässt die Anwendung der EG-UntVO in Bezug auf die im Übereinkommen geregelten Angelegenheiten unberührt. Sie stellt dies jedoch unter den Vorbehalt, dass die Verordnung im übereinstimmenden sachlichen Anwendungsbereich nicht das Verhältnis der Mitgliedstaaten zu den anderen Vertragsstaaten berührt. Die EG-UntVO hat dieser Regelung bei der Bestimmung ihres räumlichen Anwendungsbereiches und darüber hinaus in einzelnen Bestimmungen, in denen es Überschneidungen geben könnte, Rechnung getragen.

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Zur Auslegung Geimer IPRax 2004, 419, 420; Rauscher /Mankowski Art 71 Brüssel I-VO Rn 17; Mankowski IPRax 2000, 188; hierzu auch Einl zur EG-UntVO Rn 4. Für den Beitritt gibt es einen Beschluss-E, KOM (2009) 373; vorgesehen ist der Einschluss aller Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks, aaO S 12.

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Kapitel IX Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen

Art 69 EG-UntVO 12-15

Die Vorschriften der EG-UntVO über die internationale Zuständigkeit berühren das 12 HUntVerfÜbk 2007 direkt nicht, da es die Entscheidungszuständigkeit nicht regelt. Sie sind – wenn auch nicht in allen Einzelheiten – abgestimmt mit den Regelungen des Übereinkommens zur Anerkennungszuständigkeit in Art 20. Damit wird die Anerkennung und Vollstreckung mitgliedstaatlicher Entscheidungen in anderen Vertragsstaaten erleichtert. Art 8 stellt eine Umsetzung von Art 18 HUntVerfÜbk 2007 (Verfahrensbegrenzung) dar, um Unstimmigkeiten zwischen beiden Rechtsinstrumenten vorzubeugen. Das HUntVerfÜbk 2007 regelt die doppelte Rechtshängigkeit sowie zusammenhän- 13 gende Verfahren nicht. In Bezug auf die Zusammenarbeit der Zentralen Behörden hat die EG-UntVO die 14 Abgrenzung so vorgenommen, dass andere Vertragsstaaten nicht berührt werden. Zum einen betrifft die EG-UntVO nur die Zusammenarbeit der zentralen Behörden der Mitgliedstaaten. Für die Antragsberechtigung ist dasselbe Kriterium wie in dem Haager Übereinkommen gewählt. Es kommt auf den Aufenthalt des Antragstellers in einem Mitgliedstaat an, und es ist die Tätigkeit der Zentralen Behörden eines anderen Mitgliedstaates gefordert. Die Bestimmungen des HUntVerfÜbk 2007 über den effektiven Zugang zum Recht umfassen die Prozesskostenhilfe in Verfahren, die über die Zentralen Behörden eingeleitet werden. Insoweit gelten dieselben Abgrenzungskriterien wie für die Inanspruchnahme der Zentralen Behörden. 2.

New Yorker Übereinkommen

Das New Yorker UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhalts- 15 ansprüchen im Ausland vom 20.6.19568 ist ein Rechtshilfeübereinkommen zur Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen. Die Rechtshilfe erfolgt über die in den Vertragsstaaten bestehenden Übermittlungsstellen. Personell findet es Anwendung auf Antragsteller, die sich in einem Vertragsstaat (Ausgangsstaat) aufhalten. Der Verpflichtete muss der Gerichtsbarkeit eines anderen Vertragsstaates (Empfangsstaates) unterstehen.9 Im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander ersetzt die EG-UntVO das UN-Übereinkommen in Bezug auf Ersuche und Anträge, die ab dem 18.6.2011 eingereicht werden. Der Antragsteller muss seinen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat haben. Übermittelnde und entgegennehmende Zentrale Behörden müssen die eines Mitgliedstaates sein.

8

BGBl 1959 II 150. Eine Übersicht über die Vertragsstaaten findet sich bei Garbe/Ullrich /Andrae § 11

9

Rn 630 Fn 1000. Einzelheiten zum Übereinkommen nachzulesen bei Garbe/Ullrich /Andrae § 11 Rn 627 ff.

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Art 69 EG-UntVO 16-19

3.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Lugano-Übereinkommen

16 Die Anwendung des Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.10.198810 (LugÜbk 1988) wird von der EG-UntVO nicht berührt. Die Abgrenzung ist analog Art 54 b Abs 2 LugÜbk 1988 vorzunehmen. Für die Zuständigkeit hat das LugÜbk 1988 Vorrang, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in Norwegen, Island oder der Schweiz hat. Besonderheiten gelten für die Gerichtsstandsvereinbarungen. Hier muss ein Gerichtsstand in diesen Staaten vereinbart sein und wenigstens eine Partei muss ihren Wohnsitz in einem Vertragsstaat des LugÜbk 1988 haben. Die Regelungen des Übereinkommens zur Rechtshängigkeitssperre und zu zusammenhängenden Verfahren erfordern, dass ein Verfahren in Island, Norwegen oder in der Schweiz und ein anderes in einem Mitgliedstaat anhängig sind. Das LugÜbk 1988 regelt die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen, öffentlichen Urkunden und gerichtlichen Vergleiche, wenn Island, Norwegen oder die Schweiz Ursprungsstaat der Entscheidung sind oder es um die Anerkennung einer Entscheidung aus einem Mitgliedstaat in diesen Vertragsstaaten geht. 17 Das noch nicht in Kraft getretene Nachfolgeübereinkommen, das von der Europäischen Gemeinschaft, Dänemark, Island, Norwegen und der Schweiz am 30.10.2007 abgeschlossen wurde, wird von Art 69 nicht erfasst. Art 64 Abs 2 dieses Übereinkommens übernimmt den Inhalt von Art 54b LugÜbk 1988 für das Verhältnis zur Brüssel I-VO. Er ist entsprechend auf das Verhältnis zur EG-UntVO anzuwenden, wenn beide in Kraft getreten sind und in zeitlicher Hinsicht Anwendung finden. III. Bilaterale Verträge und Vereinbarungen

18 Soweit sich der Anwendungsbereich der zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden bilateralen Verträge und Vereinbarungen mit dem der EG-UntVO deckt, haben die Bestimmungen der EG-UntVO Vorrang. Grundsätzlich werden dadurch die bilateralen Verträge in Bezug auf den in Art 1 umschriebenen Anwendungsbereich verdrängt. Bilaterale Verträge mit Drittstaaten werden durch die EG-UntVO regelmäßig nicht berührt. 19 Mit dem Inkrafttreten der EG-UntVO erlangt die Gemeinschaft die ausschließliche Zuständigkeit für den Abschluss völkerrechtlicher Übereinkünfte in den von der Verordnung geregelten Bereichen, einschließlich des unterhaltsrechtlichen Kollisionsrechts.11 Andererseits besteht in Mitgliedstaaten das Bedürfnis, den Abschluss neuer 10

11

756

BGBl 1994 II 2660; Teilnehmerstaaten, die nicht Mitgliedstaaten der EU sind, sind Norwegen, Island und die Schweiz. Erwägungsgründe 5, 6 VO (EG) Nr 664/2009 des Rates zur Einführung eines Verfahrens für die Aushandlung und den Abschluss von Abkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten, die die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen und Entscheidungen in Ehesa-

Januar 2010

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Kapitel IX Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen

Art 70 EG-UntVO

oder die Revision bestehender Staatsverträge durch die Mitgliedstaaten mit Drittstaaten nicht auszuschließen. Als Beispiel sei das in Art 69 Abs 3 aufgeführte Übereinkommen der nordischen Staaten über die Geltendmachung von Unterhaltsforderungen genannt. Die VO (EG) Nr 664/2009 regelt ein Verfahren, welches die Mitgliedstaaten nutzen können, um ein bestehendes Abkommen mit Drittstaaten zu ändern oder ein neues Abkommen auszuhandeln und abzuschließen, „insbesondere solange die Gemeinschaft nicht ihr Interesse an der Wahrnehmung ihrer Außenkompetenzen und den Abschluss eines Abkommens im Wege eines bereits bestehenden oder eines geplanten Verhandlungsmandats bekundet hat“.12 Erfasst werden bilaterale und regionale Abkommen (Art 2 VO (EG) Nr 664/2009) nicht jedoch multilaterale Übereinkommen wie das HUntVerfÜbk 2007. Die VO (EG) Nr 664/2009 sieht ein Verfahren der Genehmigung zur Aufnahme förmlicher Verhandlungen sowie zum Abschluss des Abkommens mit dem Drittstaat vor. Das Genehmigungsverfahren soll sicherstellen, dass das reibungslose Funktionieren des durch die EG-UnterhalsVO geschaffenen Systems der rechtlichen Regelung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Unterhaltssachen sowie Gegenstand und Zweck der Gemeinschaftspolitik im Bereich der Außenbeziehungen der Gemeinschaft nicht beeinträchtigt werden.13 Das Verfahren berührt nicht die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft14 in dem von der EG-UntVO geregelten Bereich, vielmehr hat es seine Grundlage in dieser ausschließlichen Kompetenz. Der Abschluss und die Revision von Abkommen durch die Mitgliedstaaten mit Drittstaaten nach Inkrafttreten der Verordnung stellen einen Sonderfall dar und sind deshalb auch sachlich und zeitlich zu begrenzen,15 und sie sollen entsprechende Kündigungsmöglichkeiten vorsehen.16

Artikel 70

Der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellte Informationen Die Mitgliedstaaten übermitteln im Rahmen des durch die Entscheidung 2001/470/ EG eingerichteten Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen die folgenden Informationen im Hinblick auf ihre Bereitstellung für die Öffentlichkeit: a) eine Beschreibung der nationalen Rechtsvorschriften und Verfahren, die Unterhaltspflichten betreffen, b) eine Beschreibung der zur Erfüllung der Verpflichtungen aus Artikel 51 getroffenen Maßnahmen, c) eine Beschreibung darüber, wie ein effektiver Zugang zum Recht gemäß Artikel 44 gewährleistet wird, und

12 13 14 15 16

chen, in Fragen der elterlichen Verantwortung und in Unterhaltssachen sowie das anwendbare Recht in Unterhaltssachen betreffen vom 7.7.2009, ABl EU 2009 L 200/46; für die Brüssel I-VO im Verhältnis zum LugÜbk 2007 vgl Gutachten 1/03 des EuGH vom 7.2.2006, EuGHE 2006 I 1145. Erwägungsgrund 8 VO (EG) Nr 664/2009. Erwägungsgründe 11, 19, Art 4 Abs 2 VO (EG) Nr 664/2009. Erwägungsgrund 8 VO (EG) Nr 664/2009. Erwägungsgrund 8 VO (EG) Nr 664/2009; KOM (2008) 894, 6. Erwägungsgrund 13, Art 5 VO (EG) Nr 664/2009.

Marianne Andrae

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Art 71 EG-UntVO Art 72 EG-UntVO, 1

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

d) eine Beschreibung der nationalen Vollstreckungsvorschriften und -verfahren, einschließlich Informationen über alle Vollstreckungsbeschränkungen, insbesondere über Vorschriften zum Schutz von verpflichteten Personen und zu Verjährungsfristen. Die Mitgliedstaaten halten diese Informationen stets auf dem neuesten Stand.

Artikel 71

Informationen zu Kontaktdaten und Sprachen (1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission spätestens bis zum 18. September 2010 Folgendes mit: a) die Namen und Kontaktdaten der für Anträge auf Vollstreckbarerklärung gemäß Artikel 27 Absatz 1 und für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über derartige Anträge gemäß Artikel 32 Absatz 2 zuständigen Gerichte oder Behörden; b) die in Artikel 33 genannten Rechtsbehelfe; c) das Nachprüfungsverfahren zum Zweck der Anwendung von Artikel 19 sowie die Namen und Kontaktdaten der zuständigen Gerichte; d) die Namen und Kontaktdaten ihrer Zentralen Behörden sowie gegebenenfalls deren Zuständigkeitsbereiche gemäß Artikel 49 Absatz 3; e) die Namen und Kontaktdaten der öffentlichen oder sonstigen Stellen sowie gegebenenfalls deren Zuständigkeitsbereiche gemäß Artikel 51 Absatz 3; f) die Namen und Kontaktdaten der Behörden, die für Vollstreckungssachen im Sinne des Artikel 21 zuständig sind; g) die Sprachen, die für Übersetzungen der in den Artikeln 20, 28 und 40 genannten Schriftstücke zugelassen sind; h) die Sprache oder Sprachen, die von ihren Zentralen Behörden für die Kommunikation mit den anderen Zentralen Behörden gemäß Artikel 59 zugelassen sind. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über spätere Änderungen dieser Angaben. (2) Die Kommission veröffentlicht die gemäß Absatz 1 mitgeteilten Angaben im Amtsblatt der Europäischen Union, mit Ausnahme der in den Buchstaben a, c und f genannten Anschriften und anderen Kontaktdaten der Gerichte und Behörden. (3) Die Kommission hält alle gemäß Absatz 1 mitgeteilten Angaben auf andere geeignete Weise, insbesondere über das mit der Entscheidung 2001/470/ EG eingerichtete Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen, für die Öffentlichkeit zugänglich.

Artikel 72

Änderung der Formblätter Änderungen der in dieser Verordnung vorgesehenen Formblätter werden nach dem Beratungsverfahren gemäß Artikel 73 Absatz 3 beschlossen.

1 Die Bestimmung stellt sicher, dass die Änderung der Formblätter (Anh I bis XI) nicht demselben Verfahren unterliegt, wie dies für die Änderung der EG-UntVO selbst zutrifft.

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Kapitel IX Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen

Art 73 EG-UntVO, 1 Art 74 EG-UntVO, 1

Artikel 73

Ausschuss (1) Die Kommission wird von dem durch Artikel 70 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 eingesetzten Ausschuss unterstützt. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 4 und 7 des Beschlusses 1999/468/ EG. Der Zeitraum nach Artikel 4 Absatz 3 des Beschlusses 1999/468/ EG wird auf drei Monate festgesetzt. (3) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 3 und 7 des Beschlusses 1999/468/ EG.

Der in Abs 1 genannte Ausschuss hat die Funktion, die Kommission bei den ihr nach 1 der EG-UntVO obliegenden Aufgaben zu unterstützen. Es ist derselbe Ausschuss, der für die vergleichbaren Aufgaben nach Art 70 Brüssel IIa-VO zu bilden war und bereits arbeitet. Zu den Aufgaben gehören vor allem die Vorbereitung des Berichts nach Art 74 und notwendige Veränderungen der Formblätter. Der Beschluss 1999/468 / EG1 legt die Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse fest.

Artikel 74

Überprüfungsklausel Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss bis spätestens fünf Jahre nach dem Beginn der Anwendbarkeit gemäß Artikel 76, dritter Unterabsatz einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vor; dazu gehört auch eine Bewertung der praktischen Erfahrungen im Bereich der Zusammenarbeit zwischen den Zentralen Behörden, insbesondere hinsichtlich ihres Zugangs zu den Informationen, über die Behörden und Verwaltungen verfügen, und eine Bewertung der Funktionsweise des Anerkennungs-, Vollstreckbarerklärungs- und Vollstreckungsverfahrens, das auf Entscheidungen anwendbar ist, die in einem Mitgliedstaat, der nicht durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, ergangen sind. Dem Bericht werden erforderlichenfalls Vorschläge zur Anpassung dieser Verordnung beigefügt.

Art 74 füllt die Kontrollaufgabe der Kommission gemäß Art 211 EGV (Art 17 EuV) 1 aus. Diese überwacht die Anwendung des Gemeinschaftsrechts ua gegenüber den Mitgliedstaaten. Spätestens 2016 wird sie ihren Bericht gegebenenfalls mit Empfehlungen zur Verbesserung der Verordnung vorlegen. Ihr bleibt es unbenommen, diese Stellungnahme zu einem früheren Zeitpunkt abzugeben.

1

ABl EG 1999 L 184/23; geändert durch Beschluss 2006/512 / EG, ABl EU 2006 L 200/11.

Marianne Andrae

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Art 75 EG-UntVO 1-3

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Artikel 75

Übergangsbestimmungen (1) Diese Verordnung findet vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 nur auf nach dem Datum ihrer Anwendbarkeit eingeleitete Verfahren, gebilligte oder geschlossene gerichtliche Vergleiche und ausgestellte öffentliche Urkunden Anwendung. (2) Kapitel IV Abschnitte 2 und 3 findet Anwendung auf a) Entscheidungen, die in den Mitgliedstaaten vor dem Tag des Beginns der Anwendbarkeit dieser Verordnung ergangen sind und deren Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nach diesem Zeitpunkt beantragt wird; b) Entscheidungen, die nach dem Tag des Beginns der Anwendbarkeit dieser Verordnung in Verfahren, die vor diesem Zeitpunkt eingeleitet wurden, ergangen sind, soweit diese Entscheidungen für die Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 fallen. Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 gilt weiterhin für die am Tag des Beginns der Anwendbarkeit dieser Verordnung laufenden Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren. Die Unterabsätze 1 und 2 geltend sinngemäß auch für in den Mitgliedstaaten gebilligte oder geschlossene gerichtliche Vergleiche und ausgestellte öffentliche Urkunden. (3) Kapitel VII über die Zusammenarbeit zwischen Zentralen Behörden findet auf Ersuchen und Anträge Anwendung, die ab dem Tag des Beginns der Anwendung dieser Verordnung bei der Zentralen Behörde eingehen.

1 Art 75 regelt den intertemporalen Anwendungsbereich. Die Vorschrift soll für Unterhaltssachen den Übergang von der Brüssel I-VO zur EG-UntVO gewährleisten.1 I.

Grundsatz

2 Nach Abs 1 ist der intertemporale Anwendungsbereich der EG-UntVO an den Tag ihrer Anwendbarkeit geknüpft.2 Dies ist gemäß Art 76 Abs 3 der 18.6.2011. Auf ab diesem Tag eingeleitete Verfahren, gebilligte oder geschlossene Vergleiche und ausgestellte Urkunden findet die EG-UntVO Anwendung.3 3 Art 75 EG-UntVO ist Art 66 Brüssel I-VO nachgebildet, jedoch stellt die EG-UntVO statt auf die Klageerhebung auf die Verfahrenseinleitung ab. Was Verfahrenseinleitung meint, ist in der Verordnung nicht gesondert erläutert. In Abgrenzung zu Abs 2 kann Verfahrenseinleitung iSv Abs 1 nicht die Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens meinen, da Abs 2 den intertemporalen Anwendungsbereich der EG-UntVO gesondert für die Anerkennung und Vollstreckung nach Kapitel IV erweitert. Für ge1 2

3

760

Erwägungsgrund 44. Die Verordnung unterscheidet in Art 76 zwischen ihrem Inkrafttreten und ihrer Anwendbarkeit. Hieraus folgt, dass die Mitgliedstaaten durch die Verordnung schon vor deren Anwendbarkeit gebunden sind, etwa im Hinblick auf ihre Informationspflichten nach Art 71, die gerade der Vorbereitung zur Anwendung der Verordnung dienen. „after its date of application“ wurde unrichtig ins Deutsche übersetzt. Richtig hingegen ist die Übersetzung in Art 4 Abs 1 des Beschlusses zum HUntStProt 2007: „ab dem ...“.

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Kapitel IX Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen

Art 75 EG-UntVO 4- 6

richtliche Verfahren kommt es daher auf die Einleitung des Erkenntnisverfahrens an. Da die EG-UntVO in Art 2 Abs 2 auch Behörden uU den Gerichten gleichstellt, erfasst die Verfahrenseinleitung nach Abs 1 auch behördliche Verfahren, die in den Mitgliedstaaten zu einer Entscheidung in Unterhaltssachen führen. Eine autonome Festlegung über den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung hat der Verordnungsgeber nicht allgemein getroffen, sondern in Art 9 für das Kapitel über die Zuständigkeit den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts /der gleichgestellten Verwaltungsbehörde geregelt. Insoweit erinnert die Problematik an die Bestimmung des Zeitpunktes der Klageerhebung in Art 66 Brüssel I-VO. Für diese Vorschrift ist strittig, ob Art 30 Brüssel I-VO herangezogen werden kann oder ob für den intertemporalen Anwendungsbereich sich der Zeitpunkt der Klageerhebung nach den jeweiligen nationalen Vorschriften bestimmt. 4 Konsequenz der Anwendung der nationalen Vorschriften wäre jedoch ein Neben- 4 einander sowohl über die Bestimmung der Klageerhebung bei Gericht als auch über die Einleitung eines behördlichen Verfahrens. Dieser Umstand würde die Anwendbarkeit der EG-UntVO unnötig verkomplizieren und den Charakter als gemeinschaftliches Rechtsinstrument unterwandern.5 Daher ist eine autonome Auslegung zu befürworten und hierfür Art 9 heranzuziehen. Im Unterschied zu Art 9 stellt Art 75 zwar auf die Verfahrenseinleitung ab, nicht aber auf die Anrufung des Gerichts /einer gleichgestellten Verwaltungsbehörde.6 Letztlich kann jedoch nur von einer wirksamen Verfahrenseinleitung ausgegangen werden, wenn die das Verfahren einleitende Stelle sich als angesprochen betrachten muss. Die unterschiedliche Wortwahl in Art 9 und Art 75 Abs 1 ist daher unbeachtlich. Für gerichtliche Vergleiche kommt es grundsätzlich auf den Tag ihres Abschlusses an. 5 Ist für die Wirksamkeit erforderlich, dass das Gericht den Vergleich billigt,7 ist dieser Zeitpunkt maßgeblich. Bei öffentlichen Urkunden ist auf den Tag ihrer Ausstellung abzustellen. Um die An- 6 wendung des HUntStProt 2007 sicherzustellen, ist dies nicht erst der Tag ihrer Vollstreckbarkeit. 8

4

5 6

7 8

Auch Art 30 Brüssel I-VO bestimmt ausdrücklich nur den Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts für die Belange der Zuständigkeit. Für eine analoge Anwendung auf Art 66 Brüssel I-VO etwa Geimer/ Schütze/Geimer EuZVR Art 66 Brüssel I-VO Rn 2; Kropholler Art 66 Brüssel I-VO Rn 2. Für die Heranziehung der jeweiligen nationalen Regelungen BGH BGHZ 132, 105, 107; Rauscher /Staudinger Art 66 Brüssel I-VO Rn 2; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 66 Brüssel I-VO Rn 2 jeweils mwN. Vgl Erwägungsgrund 10. Im Unterschied hierzu verwendet die Brüssel I-VO die Begriffe Anrufung (Art 30) und Klageerhebung (Art 66). Wie etwa im engl Recht nach civ Proc Rules 40.6 [2001], hierzu auch Koch FS Schumann (2001) 276. Insoweit ist der Streit über den maßgeblichen Zeitpunkt der Errichtung einer öffentlichen Urkunden in Art 66 Abs 1 Brüssel I-VO hinfällig, der sich auf den Wortlaut von Art 66 und Art 57 Brüssel I-VO gründete, hierzu Rauscher/Staudinger Art 66 Brüssel I-VO Rn 5; Schlosser Art 66 Brüssel I-VO Rn 15.

Marianne Andrae

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Art 75 EG-UntVO 7- 9

II.

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

Erweiterung in Abs 2

7 Abs 2 betrifft nur die Anerkennung, Vollstreckbarerklärung und Vollstreckung von Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und Urkunden.9 Diese werden in den Anwendungsbereich der EG-UntVO einbezogen, wenn sie hinsichtlich dieser Fragen der Brüssel I-VO unterliegen würden. Letzteres ergibt sich aus Art 66 iVm Art 76 Brüssel I-VO. Die Verweisung auf die Vorschriften der EG-UntVO ist daher eingeschränkt, die Anerkennung und Vollstreckung richten sich nach Kapitel IV Abschnitt 2 und 3. Dies ist damit zu erklären, dass der Europäische Gesetzgeber für die Anwendung von Kapitel IV Abschnitt 1 ein Junktim zwischen der Bindung an das HUntStProt 2007 im Erkenntnisverfahren und der Abschaffung des Exequaturverfahrens zu Gunsten der direkten Vollstreckbarkeit von Entscheidungen eines Mitgliedstaates in anderen Mitgliedstaaten hergestellt hat.10 Das HUntStProt 2007 wird in den hierdurch gebundenen Mitgliedstaaten erst in Verfahren Anwendung finden, die ab dem 18.6.2011 eingeleitet werden. Demgegenüber übernimmt Kapitel IV Abschnitt 2 weitgehend die entsprechenden Vorschriften der Brüssel I-VO. Ihre Anwendung auf Entscheidungen, deren Verfahren zuvor der Brüssel I-VO unterlagen oder deren Anerkennung und Vollstreckung sich danach richteten, verändern deshalb weder die Rechtsstellung des Schuldners noch die des Gläubigers.11 8 Abs 2 orientiert sich an Art 66 Abs 2 der Brüssel I-VO, die Regelungen der Fallsituationen in lit a und b waren nicht erforderlich, weil sie sich bereits aus der Brüssel I-VO ergeben. 9 Die Regelung sichert, dass die EG-UntVO in ihrem sachlichen Anwendungsbereich die Brüssel I-VO tatsächlich ersetzt, jedoch Entscheidungen außen vor bleiben, die wegen ihres frühen Einleitungs- oder Erlasszeitdatums nicht der Brüssel I-VO unterlagen. Dieser Zusammenhang ist von besonderer Relevanz aufgrund jüngerer Beitritte von Mitgliedstaaten. Als Beispiel seien Ungarn und Polen genannt, beide sind am 1.4. 2004 Mitgliedstaaten geworden, Polen ist zudem am 1.2.2000 dem LugÜbk 1988 beigetreten.12 Soll eine Entscheidung, die in diesen Staaten im Jahr 2002 eingeleitet wurde und die im Jahr 2003 ergangen ist, für vollstreckbar erklärt werden, ist nach den Art 75 Abs 2 EG-UntVO, Art 66 Abs 2 Brüssel I-VO zu unterscheiden: Die ungarische Entscheidung ist außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs der Brüssel I-VO ergangen, weil Ungarn zur Zeit der Einleitung des Verfahrens nicht Mitgliedstaat der EG und auch nicht Teilnehmerstaat des LugÜbk war. Deshalb findet auch Kapitel IV Abschnitt 2 und 3 EG-UntVO keine Anwendung. Anders die polnische Entscheidung, 9

10 11

12

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Nur für in diesen Verfahren erlassene Entscheidungen richtet sich die Anerkennung und Vollstreckung nach Kapitel IV Abschnitt 2 und 3. Vgl hierzu Art 15, 17. Vom Grundsatz her unterliegen alle Entscheidungen, deren Verfahren bis zum 18.6.2011 eingeleitet werden und deren Vollstreckbarerklärung in dem anderen Mitgliedstaat noch nicht erfolgt bzw anhängig ist, dem Kapitel IV Abschnitt 2 und 3, soweit sie vom zeitlichen Anwendungsbereich der Brüssel I-VO erfasst sind. BGBl 2000 II 1246.

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Kapitel IX Allgemeine Bestimmungen und Schlussbestimmungen

Art 75 EG-UntVO 10-13

diese wurde eingeleitet nachdem Polen Teilnehmerstaat des LugÜbk 1988 wurde, so dass die Voraussetzungen des Art 66 Abs 2 lit a Brüssel I-VO erfüllt sind und damit auch von Art 75 Abs 2 lit a EG-UntVO. Wann eine Entscheidung als ergangen gilt, richtet sich nach den Vorschriften des je- 10 weiligen Mitgliedstaates.13 Im deutschen Recht bedarf es nach §§ 310 Abs 1 und 2, 329 Abs 1 und 2 ZPO der Verkündung bzw der Zustellung. Nicht erforderlich ist hingegen der Eintritt der Rechtskraft.14 Der Verweis hinsichtlich gebilligter oder geschlossener Vergleiche und ausgestellter 11 öffentlicher Urkunden in UAbs 3 ist dahingehend zu verstehen, dass sich Kapitel IV Abschnitte 2 und 3 insoweit auf sie erstreckt, als sie nach der intertemporalen Überleitungsregelung der Brüssel I-VO dieser unterliegen. Für eine öffentliche Urkunde trifft dies zu, wenn sie aufgenommen worden ist, nachdem die Brüssel I-VO in dem betreffenden Mitgliedstaat in Kraft getreten ist,15 entsprechendes hat für Prozessvergleiche zu gelten.16 Wurde das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren für eine Entscheidung, öf- 12 fentliche Urkunde oder einen gerichtlichen Vergleich bereits vor Datum der Anwendbarkeit der Verordnung beantragt, bleibt die Brüssel I-VO nach Abs 2 UAbs 2 anwendbar. Wurde ein Unterhaltsverfahren vor dem Stichtag eingeleitet und ein weiteres danach, 13 stellt sich die Frage nach der Rechtshängigkeit. Zur intertemporalen Beurteilung der Rechtshängigkeit trifft die EG-UntVO – wie schon die Brüssel I-VO – keine Aussage. Auf der Grundlage der EuGH-Rechtsprechung zum EuGVÜ /Brüssel I-VO17 ist hierfür Art 75 Abs 2 entsprechend anwendbar. Dh, das Zweitgericht setzt nach Art 9 vorläufig das Verfahren aus. Das Erstgericht entscheidet über die Zuständigkeit nach den Vorschriften der Brüssel I-VO, wenn die Zuständigkeit des Erstgerichts auf den Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO beruht. Bejaht es seine Zuständigkeit, hat sich das zweitangerufene für unzuständig zu erklären.18

13

14

15 16 17 18

Gebauer/Wiedmann/Gebauer Art 66 Brüssel I-VO Rn 277; Kropholler Art 66 Brüssel I-VO Rn 4; Thomas/Putzo/Hüßtege Art 66 Brüssel I-VO Rn 4; Rauscher/Staudinger Art 66 Brüssel I-VO Rn 10. MünchKommZPO /Gottwald Art 66 Brüssel I-VO Rn 4; Rauscher/Staudinger Art 66 Brüssel I-VO Rn 10. Vgl Art 66 Abs 1 Brüssel I-VO. Rauscher/Staudinger Art 66 Brüssel I-VO Rn 14; Kropholler Art 66 Brüssel I-VO Rn 7. EuGH Rs C-163/95 von Horn/Cinnamond EuGHE 1997 I 5451, 5475 Rn 19 = IPRax 1999, 100, 102. Zur entsprechenden Problematik in der Brüssel I-VO Gebauer/Wiedmann/Gebauer Art 66 Brüssel I-VO Rn 278; Kropholler Art 66 Brüssel I-VO Rn 8; MünchKommZPO /Gottwald Art 66 Brüssel I-VO Rn 6; Rauscher/Staudinger Art 66 Brüssel I-VO Rn 15.

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Art 75 EG-UntVO, 14 Art 76 EG-UntVO, 1

B.I.2 EG-Unterhaltsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Unterhaltssachen

III. Zusammenarbeit der Zentralen Behörden Abs 3

14 Die Zusammenarbeit der Zentralen Behörden richtet sich gemäß Abs 3 nach den Vorschriften der EG-UntVO für Anträge, die bei der Zentralen Behörde eingehen, nachdem die Verordnung anwendbar geworden ist.

Artikel 76

Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Artikel 2 Absatz 2, Artikel 47 Absatz 3, Artikel 71, 72 und 73 gelten ab dem 18. September 2010. Diese Verordnung findet, mit Ausnahme der in Unterabsatz 2 genannten Vorschriften, ab dem 18. Juni 2011 Anwendung, sofern das Haager Protokoll von 2007 zu diesem Zeitpunkt in der Gemeinschaft anwendbar ist. Anderenfalls findet diese Verordnung ab dem Tag des Beginns der Anwendbarkeit jenes Protokolls in der Gemeinschaft Anwendung.

1 Art 76 UAbs 1 gibt für das Inkrafttreten der Verordnung Art 254 Abs 1 EGV (Artt 297, 298 AEUV) wieder. Davon zu unterscheiden ist die Anwendbarkeit der Verordnung. Für letztere stellt die Verordnung auf zwei verschiedene Zeitpunkte ab. Zunächst sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, bis zum 18.9.2010 bestimmte Informationen zu übermitteln. Darüber hinaus ist die Verordnung jedoch erst ab dem 18.6.2011 anzuwenden. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Geschehen zu Brüssel am 18. Dezember 2008. Im Namen des Rates Der Präsident M. BARNIER

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Anh I EG-UntVO

Anhänge

Anhang I 1

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Anhänge

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Anh I EG-UntVO

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Anhänge

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Anh I EG-UntVO

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Anh II EG-UntVO

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Anhang II*



* Vom Abdruck weiterer Seiten von Anhang II wird abgesehen, da diese denen des Anhangs I entsprechen. † Anstelle von „KEINEM“ muss es hier „EINEM“ heißen. Das Formblatt wurde unrichtig aus dem Englischen übersetzt. Vgl hierzu Art 20 Rn 14.

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Anh VIII EG-UntVO

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Anhang VIII

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Anh IX EG-UntVO

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Anhang IX

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Anh X EG-UntVO Anh XI EG-UntVO

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Anhang X

Anhang XI

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B.I.5 Vorschlag vom 14.10.2009 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, KOM (2009) 154 Schrifttum Bajons, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht in grenzüberschreitenden Erbrechtsfällen innerhalb des europäischen Justizraums, in: FS Andreas Heldrich (2005) 495 Baldus, Normqualität und Untermaßverbot: Für eine privatrechtliche Logik der Kompetenzbestimmung am Beispiel des Europäischen Erbscheins, GPR 2006, 80 Bauer, Neues europäisches Kollisions- und Verfahrensrecht auf dem Weg: Stellungnahme des Deutschen Rates für IPR zum internationalen Erbund Scheidungsrecht, IPRax 2006, 202 Dörner, Das Grünbuch „Erb- und Testamentsrecht“ der Europäischen Kommission, ZEV 2005, 137 ders, Vorschläge für ein europäisches Internationales Erbrecht, in: FS Heinz Holzhauer (2005) 474 Dörner/Hertel/Lagarde/Riering, Auf dem Weg zu einem europäischen Internationalen Erb- und Erbverfahrensrecht, IPRax 2005, 1 Haas, Der europäische Justizraum in „Erbsachen“, in: Gottwald (Hrsg), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) 43 Heggen, Europäische Vereinheitlichungstendenzen im Bereich des Erb- und Testamentsrechtes, RNotZ 2007, 1 Herweg, Die Vereinheitlichung des Internationalen Erbrechts im Europäischen Binnenmarkt (2004)

Thomas Rauscher

Jud, Rechtswahl im Erbrecht: Das Grünbuch der Europäischen Kommission zum Erb- und Testamentsrecht, GPR 2005, 133 Junghardt, Die Vereinheitlichung des Erb- und Testamentsrechts im Rahmen einer Europäischen Verordnung – Rom IV-VO (2009); zitiert: Junghardt Lagarde, Familienvermögens- und Erbrecht in Europa, in: Gottwald (Hrsg), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) 1 Lehmann, Ernüchternde Entwicklung beim Europäischen Erbrecht?, FPR 2008, 203 ders, Internationale Reaktionen auf das Grünbuch zum Erb- und Testamentsrecht, IPRax 2006, 204 Leipold, Europa und das Erbrecht, in: FS Alfred Söllner (2000) 647 Stumpf, Europäisierung des Erbrechts: Das Grünbuch zum Erb- und Testamentsrecht, EuZW 2006, 587 Materialien Deutsches Notarinstitut/Dörner/Lagarde, Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen des Internationalen Verfahrensrechtes und Internationalen Privatrechts der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, Studie für die Europäische Kommission – Generaldirektion Justiz und Inneres, 18.9./8.11.2002

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Einf EG-ErbVO-E

B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch Erb- und Testamentsrecht, 1.3.2005, KOM (2005) 65 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Document de travail des services de la commission, Annex au Livre Vert sur les Successions et Testaments, 1.3.2005, SEC (2005) 270. Wirtschafts- und Sozialausschuß, Stellungnahme zu dem „Grünbuch“ [wie vorstehend], 26.10.2005, ABl EU 2006 C 26/1 Gargani, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, Bericht mit Empfehlungen an die Kommission zum Erb- und Testamentrecht, 16.10.2006, A6-0359/ 2006 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffent-

lichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, 14.10.2009, KOM (2009) 154 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Commission staff working document, Accompanying the Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on jurisdiction, applicable law, recognition and enforcement of decisions and authentic instruments in matters of successions and on the introduction of a European Certificate of Inheritance, Impact Assessment, 14.10.2009, SEC (2009) 410 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Begleitdokument zu dem Vorschlag [wie vorstehend], Zusammenfassung der Folgenabschätzung, 14.10.2009, SEK (2009) 411.

Einführung I. Grundlagen und Inhalte 1. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regelungsinhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Regelungsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1 4 7 9

II. Internationales Erb-Verfahrensrecht

1. Zuständigkeit a) Verhältnis zur lex fori b) Gerichtsbarkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeine Zuständigkeit . . . . . . . . . d) Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Restzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Hilfszuständigkeit für erbrechtliche Erklärungen . . . . . . . . h) Hilfzuständigkeit für sachenrechtliche Maßnahmen . . . . i) Verfahren bei Unzuständigkeit und Nichteinlassung . . . . . . . . . . . . . .

814

11 12 14 15 18 22 23 28

2. Konkurrierende Rechtshängigkeit a) Modell, Anwendungsbereich . . . . . b) Streitgegenstandsidentität . . . . . . . . c) Sachzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und Urkunden a) Anerkennung von Entscheidungen und Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anerkennungshindernisse . . . . . . . .

30 33 34

36 39

III. Internationales Erb-Kollisionsrecht

1. Prinzipien a) Erbstatut, Anknüpfungsmethodik b) Insbesondere: Nachlasseinheit . . . . 2. Grundsatzanknüpfung a) Aufenthaltsanknüpfung als Politikum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik der Sachargumente . . . . . . . . . 3. Alternativen a) Staatsangehörigkeit und domicile . . b) Haager Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43 47

49 50 53 55

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B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis 3. Rechtswahl a) Vorgeschlagene Regelung . . . . . . . . . b) Verhältnis zur Grundanknüpfung 4. Erbverträge, gemeinschaftliche Testamente a) Erbvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungslücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Besondere Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . 6. Erbenlose Nachlässe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Kommorienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

Grundlagen und Inhalte

1.

Entwicklung

57 60

Einf EG-ErbVO-E 1, 2

9. Formstatut a) Testamentsformstatut . . . . . . . . . . . . . b) Annahme, Ausschlagung . . . . . . . . .

77 79

IV. Europäisches Nachlasszeugnis

62 67 69 72 73 75

1. Konzeption, Zuständigkeit a) Fakultatives Nachlasszeugnis – Alternativvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80 83 84 85 89

Erstmals findet sich das Vorhaben einer erbverfahrensrechtlichen EG-Regelung im 1 Wiener Aktionsplan von 1998.1 Im Haager Programm vom 4./5.11.20042 bezieht das Vorhaben die Regelung des Erbkollisionsrechts sowie die Einführung eines Europäischen Erbscheins sowie eines Verfahrens zur Ermittlung vorhandener letztwilliger Verfügungen ein. Das grundsätzliche Bedürfnis, nach einem Rechtsinstrument im Bereich der internationalen Zuständigkeit und der Anerkennung von Entscheidungen in Erbsachen geht zurück auf die aus dem Brüsseler Übereinkommen in die Brüssel I-VO übernommene Ausnahme von Erbsachen (Art 1 Abs 2 lit a Brüssel I-VO) aus deren Anwendungsbereich. Diese Ausnahme betrifft sowohl streitige Erbsachen als auch solche der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, deren Kombination im vorliegenden Vorschlag eine noch nicht bewältigte Herausforderung darstellt. Auf der Grundlage einer von der Kommission beim Deutschen Notarinstitut in Auf- 2 trag gegebenen Studie vom November 20023 veröffentlichte die Kommission am 1.3. 2005 ein Grünbuch zum Erb- und Testamentsrecht4 mit nachfolgenden Stellungnahmen und einer Anhörung am 30.11.2006.5 Weiteren Vorarbeiten einer seitens der Kommission eingesetzten Sachverständigengruppe6 folgte eine Sitzung seitens der Mitgliedstaaten benannter nationaler Experten am 30.6.2008. 1

ABl EG 1999 C 19.

2

ABl EU 2005 C 53.

3

Deutsches Notarinstitut/Döner/Lagarde aaO Materialien; vgl auch Dörner/Hertel/Lagarde/Riering IPRax 2005, 1. Europäische Kommission, 1.3.2005, KOM (2005) 65. Die Stellungnahmen sind veröffentlicht unter http://ec.europa.eu/justice_home/news/consulting_public/ successions/news_contributions_successions_en.htm; weitere Beiträge zum Grünbuch: Jud GPR 2005, 133; Baldus GPR 2006, 80; Bauer IPRax 2006, 202; Lehmann IPRax 2006, 204; Stumpf EuZW 2006, 587. ABl EU 2006 C 51.

4 5

6

Thomas Rauscher

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Einf EG-ErbVO-E 3, 4

B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

3 Zu dieser Entstehungsgeschichte fällt auf, dass, trotz der formal umfänglich bestehenden Gelegenheit zu Stellungnahmen und wissenschaftlicher Beratung der Kommission, bereits im Grünbuch eine Festlegung in grundsätzlichen Fragen erfolgte.7 Im Grunde stand schon nach dem Dörner/Lagarde-Bericht die Fixierung auf eine IPR-Vereinheitlichung auf Grundlage einer Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt fest. Kritische Stellungnahmen zum Grünbuch gingen erkennbar weniger in die Entwicklung des Textes ein als zustimmende. So verwundert es nicht, dass der Bericht von der Sitzung nationaler Experten am 30.6.2008,8 bei der sich erstmals von den Mitgliedstaaten entsandter und nicht von der Kommission beauftragte Sachverstand traf, ein Kaleidoskop der Einwände zeichnet, die schon aus den Stellungnahmen zum Grünbuch vorhersehbar waren, ohne dass der Entwurf erkennbar hierauf einginge. Insbesondere gilt dies für den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungskriterium, das nach dem Scheitern der kollisionsrechtlichen Reform der Brüssel IIa-VO am Veto Schwedens ein weiteres Mal Sprengkraft in ein Vorhaben trägt, ohne dass Ansätze zu einer Relativierung (Fristen, autonome Definition etc) erkennbar wären. Die Verbindung durchaus dringender Regelungen im Bereich des Verfahrensrechts mit einer noch nicht ausgegorenen kollisionsrechtlichen Lösung birgt erneut die Gefahr eines umfassenden Scheiterns, wo doch schon ein Erfolg auf der verfahrensrechtlichen Seite zur Problemlösung auf hohem Niveau führen könnte. Das für die Kollisionsrechtsvereinheitlichung angeführte Argument, der Umzug eines späteren Erblassers berge auch bei Vereinheitlichung der Nachlasszuständigkeit die Gefahr eines unerkannten Statutenwechsels trifft zwar zu; der Glaube, man könne dies durch einen EU-einheitlichen Übergang zu einem höchst labilen Anknüpfungsmerkmal unter Aufgabe des Staatsangehörigkeits- bzw domicile-Prinzips beheben, setzt aber irrig voraus, der durchschnittliche Bürger werde EU-Kollisionsrecht eher verinnerlichen als nationales IPR. 2.

Rechtsgrundlage

4 Der Kommissionsvorschlag stützt sich, wie die übrigen Verordnungen zum internationalen Privat- und Verfahrensrecht, auf Art 61 lit c, 65, 67 EGV. Es erscheint inzwischen geradezu müßig, die Frage aufzuwerfen, ob diese Bestimmungen eine vollständige, auch im Verhältnis zu Drittstaaten wirkende Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts (Art 25 EG-ErbVO-E) erlauben; die Binnenmarktrelevanz (Art 65 EG)9 wird übergangen zugunsten eines Rechtsvereinheitlichungstrends. Die Entwurfsbegründung weist durchaus zutreffend darauf hin, dass die Abwicklung internationaler Erbfälle vor den Behörden verschiedener Staaten und nach bisherigem nationalen IPR mögliche Nachlassspaltung den Erblasser vor Vorhersehbarkeitsprobleme stellen und die Erben beträchtlichen Abwicklungsschwierigkeiten aussetzen.10 Dies kann durchaus ein Re7 8 9 10

816

Vgl Dörner ZEV 2005, 137, 138: „Das Grünbuch lässt keine Zweifel daran ...“ S. http://wko.at/ooe/Branchen/Industrie/Zusendungen/EU-VO_ERbrecht_2.pdf. Zur Problematik Junghardt 21 ff, 25. Zur Rechtslage in den Mitgliedstaaten Haas in: Gottwald (Hrsg), Perspektiven der Justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004).

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Einf EG-ErbVO-E 5- 8

gelungsbedürfnis im Binnenmarkt begründen, das nach der inzwischen verfestigten Lesart über das Verfahrensrecht hinaus auch das IPR erfasst. Hingegen bleibt unbeantwortet, warum die EG eine Kompetenz beanspruchen dürfte, das Erbkollisionsrecht allseitig zu regeln,11 also auch für einige Millionen in Deutschland und Frankreich lebender Staatsangehöriger der Türkei, des Iran und arabischer Staaten oder im UK lebender Pakistaner, Inder und Süd/Ostasiaten. Die Argumente verdünnen sich insoweit zu dem einen, freilich nicht tragfähigen, Vereinheitlichung sei besser als Vielfalt. Vor dem Hintergrund der als problematisch erkannten Aufenthaltsanknüpfung 5 kommt besondere Brisanz der streitigen Frage zu, ob die angestrebte Verordnung gemäß Art 67 Abs 5 EGV im Mitentscheidungsverfahren zu erlassen sein wird oder ob sie „familienrechtliche Aspekte“ berührt und daher der Einstimmigkeit im Europäischen Rat bedarf.12 Die Kommission stellt sich auf den Standpunkt, das Erbrecht sei vom Familienrecht auch für Zwecke des Art 67 Abs 5 EGV hinreichend abgrenzbar. Dies erscheint weder teleologisch zweifelsfrei, wenn man den hohen Grad von historischer und gesellschaftlicher Verwurzelung als wesentlichen Grund für die besondere Behandlung familienrechtlicher Verordnungen berücksichtigt. Vor allem aber ist offenkundig, dass die Regelung des Erbstatuts geradezu zwangsläufig das Ehegüterstatut präjudiziert und damit zum Kristallisationskern einer Europäisierung des Familien-IPR auf der Grundlage des Aufenthaltsprinzips würde. Wenn sich das Aufenthaltsprinzip im Mehrheitswege in einer EG-ErbVO durchsetzte, entstünde immenser Druck bei im Einstimmigkeitsverfahren zu verabschiedenden Verordnungen zum Ehescheidungsund Ehegüterrecht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Die Beteiligung des UK und Irlands an der VO ist derzeit noch fraglich (ErwGrund 6 Nr 35); nach dem Entwurf wird davon ausgegangen, dass Dänemark sich nicht beteiligt (ErwGrund Nr 36). 3.

Regelungsinhalte

Der EG-ErbVO-E strebt eine „große Lösung“ an, die Erbsachen der streitigen und der 7 freiwilligen Gerichtsbarkeit umfasst, die internationale Zuständigkeit der Mitgliedstaaten sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Erbsachen abschließend regelt und das anwendbare Recht als loi uniforme auch im Verhältnis zu Drittstaaten bestimmt. Überdies soll ein Europäisches Nachlasszeugnis geschaffen werden. Der Anwendungsbereich (Art 1 EG-ErbVO-E)13 ist strukturell anders zu verstehen, als 8 aus Art 1 Abs 2 Brüssel I-VO geläufig. Der positive Anwendungsbereich ist mit der „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ (Art 1 Abs 1 EG-ErbVO-E) beschrieben, die nach Art 2 lit a EG-ErbVO-E die gesetzliche Erbfolge und die gewillkürte Erbfolge durch 11 12 13

Hiergegen der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Grünbuch BR-Drs 174/05, 2. Hierzu Heggen RNotZ 2007, 1, 8. Europäische Kommission, 14.10.2009, KOM (2009) 154, 15.

Thomas Rauscher

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Einf EG-ErbVO-E 9

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Testament oder Erbvertrag umfasst. Neben den ausdrücklich ausgenommenen Materien des Verwaltungsrechts und des Steuer- und Zollrechts sind die in Art 1 Abs 3 EGErbVO-E aufgelisteten Rechtsgebiete nicht eigentlich Ausnahmen, die an sich, wie bei Art 1 Abs 1 Brüssel I-VO vom positiv beschriebenen Anwendungsbereich erfasst wären. Vielmehr sind hier Vorfragen (zB Personenstand, Rechtsfähigkeit) und abzugrenzende Materien (Ehegüterrecht, Gesellschaftsrecht; Übergang durch trust oder joint tenancy) erfasst. Dem kontinentalen Kollisionsrechtsverständnis begegnen hier keine Überraschungen; dass das Erbstatut nicht über personenstandsrechtliche Vorfragen bestimmt und gegen andere Mechanismen des Vermögensübergangs aus Anlass (jedoch nicht von wegen) des Todes abzugrenzen ist, ist geläufig. Die Wechselwirkungen werden freilich nicht einfacher bewältigbar, wenn insbesondere zuständigkeitsrechtlich unabgestimmt europäisches auf nationales Recht trifft. Es könnte zu Fällen kommen, in denen ein Gericht nach einer künftigen EG-ErbVO für die Erteilung eines deutschen Erbscheins über die Erbquoten nach §§ 1924 ff, 1931 BGB zuständig ist, nicht aber für die ehegüterrechtlich zu qualifizierende und damit auch zuständigkeitsrechtlich von der VO ausgenommene Quote nach § 1371 Abs 1 BGB.14 Ursache hierfür ist, dass deutsches Nachlassverfahrensrecht eine Erbscheinszuständigkeit beschreibt, während Art 1 EG-ErbVO-E von einer Erbrechtszuständigkeit ausgeht. 4.

Regelungsmethode

9 Erneut ist darauf hinzuweisen, dass die Regelungsmethode, welche Entwicklungen der Verordnungsvorschlag bis zum Erlass einer Verordnung auch nehmen wird, dem für die Praxis beklagenswerten systemlosen Verordnungsberg ein weiteres Instrument hinzufügen wird. Der Umstand, dass selbst die Einordnung in verfahrensrechtliche „Brüssel“- und kollisionsrechtliche „Rom“-Instrumente15 nicht gelingt, seitdem die Kommission den Weg des thematisch ausgerichteten Mischinstruments aus Verfahrensund Kollisionsrecht beschreitet, ist nur eine Facette des Problems, wenngleich der Mangel einer praktikablen Bezeichnung, wie sie bei „Rom I“ und „Rom II“ nun endlich offiziell etabliert wurde,16 kein zu vernachlässigendes Problem ist. Selbst die der Kürze nicht immer zugeneigten angelsächsischen Kodifikationen pflegen den guten Brauch, einen Namen zu bezeichnen. „This regulation shall be known as ‚1345/2015‘“ wäre gewiss nicht der beste, doch wenigstens ein eindeutiger Weg, dem vor allem in Deutschland verbreiteten Abkürzungs-Isolationismus abzuhelfen.17 Freilich: Kann man die vorliegende Verordnung als ein Mischinstrument noch „Rom IV“ nennen, wie dies als Arbeitstitel längere Zeit gebräuchlich war?

14 15 16

17

818

Vgl Europäische Kommission, 1.3.2005, KOM (2005) 65, 5. Rauscher/Pabst GPR 2007, 244, 250. Die Verordnung setzt nicht den bei Rom I und Rom II eingeschlagenen Weg fort, im Titel eine verbindliche Kurzbezeichnung zu etablieren. Setzt man den für keinen Europäer außerhalb Deutschlands noch verständlichen Abkürzungs-Wirrwar, der selbst bei Brüssel I und Brüssel IIa gepflogen wird, hier fort, so könnte „ErbGVARVO“ durchaus traurige Realität werden.

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Einf EG-ErbVO-E 10-12

Die Schaffung unverhältnismäßig voluminöser und in hohem Maß redundanter Ein- 10 zelverordnungen – der vorliegende Entwurf umfasst 51 Artikel und 41 Druckseiten – ist freilich weit über das Bezeichnungsproblem hinaus aus praktischer Sicht ein Missstand. Konnte man im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts erfreut beobachten, dass die Staaten Europas, teils selbst die wenig kodifikationsfreudigen des Common Law, kompakte Gesamtregelungen des IPR und des IZPR schufen, so ist nunmehr eine Entwicklung zu beklagen, die es dem nicht täglich mit der Materie arbeitenden Praktiker unmöglich macht, den Überblick zu wahren.18 Die Redundanz verwundert um so mehr, als gerade der vorliegende Entwurf an einigen Stellen eher unbedacht und ohne Rücksicht auf Besonderheiten rechtsfürsorgender Verfahren (Erbschein!) aus der Brüssel I-VO abgeschrieben wurde (vgl Art 11, 12 EG-ErbVO-E weitgehend entsprechend Art 25, 26 Brüssel I-VO, Art 13, 14 EG-ErbVO-E entsprechend Art 27, 28 Brüssel I-VO). Wenn die Konkurrenz zweier anhängiger Erbscheinsverfahren wirklich mit den prozessualen Regeln konkurrierender Rechtshängigkeit bewältigt werden soll, wie das Art 13, 14 EG-ErbVO-E annehmen lassen, dann muss man diese Normen wahrlich nicht mehrfach kopieren. Der Anspruch, den Rechtsverkehr in Europa zu erleichtern, hat auch mit Anwenderfreundlichkeit und Praktikabilität der Normsetzung zu tun, die hier verloren gehen. Vermeintlich einfache Normen, die der Rechtsanwender nicht kennt, sind jedenfalls für den Rechtssuchenden gefährlicher als Normen, die die Komplexität der Rechtsfragen widerspiegeln, aber systematisch und durchdacht zugänglich sind. Vor diesem Hintergrund wäre die Schaffung eines Code of European Conflict Law,19 der in Gestalt einer Verordnung erlassen, fortschreitenden Änderungen statt ständiger Neukodifikationen zugänglich wäre, höchst wünschenswert. II.

Internationales Erb-Verfahrensrecht

1.

Zuständigkeit

a) Verhältnis zur lex fori Der EG-ErbVO-E folgt dem Prinzip einer vollständigen Regelung der internationalen 11 Zuständigkeit, die auch Hilfszuständigkeiten umfasst und einen Rückgriff auf nationales Zuständigkeitsrecht nicht vorsieht (ErwGr Nr 13). Dies entspricht dem Anspruch einer Regelung auch im Verhältnis zu Drittstaaten, im Gegensatz zur Brüssel I-VO, die Binnensachverhalte über ihren Art 3 Abs 1 definiert. b) Gerichtsbarkeiten Der EG-ErbVO-E differenziert nicht zwischen Zuständigkeiten der streitigen und der 12 freiwilligen Gerichtsbarkeit.20 Dieser Ansatz vermeidet damit Abgrenzungsschwierigkeiten, die trotz der verfahrensrechtlichen Unterschiede in den Mitgliedstaaten freilich mit einer autonomen Abgrenzung lösbar wären. Andererseits kommt es zu einer 18

19 20

Basedow CML Rev 37 (2000) 687, 689: „undurchdringbares Labyrinth“; Remien CML Rev 38 (2001) 53, 54: „Dschungel“. Vorschläge zu einer Systematik unterbreitet bei Rauscher FS Machacek/Matscher (2008) 665. Europäische Kommission, 14.10.2009, KOM (2009) 154, 6.

Thomas Rauscher

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Einf EG-ErbVO-E 13-15

B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

merkwürdigen Mischung der Orientierung: Einerseits erweckt die Systematik (allgemeine Zuständigkeit, Verweisung, Restzuständigkeiten, Widerklage) den Eindruck einer Orientierung am streitigen Verfahren, die sich an vielen Stellen auch inhaltlich bestätigt; andererseits sind gerade die ermessensabhängigen Verweisungsregeln in Art 5 EG-ErbVO-E für einen Zivilprozess um das Erb- oder Pflichtteilsrecht wenig geeignet. 13 Auf „außergerichtliche Stellen“ finden die Zuständigkeitsbestimmungen nur „im Bedarfsfall Anwendung“ (Art 3 EG-ErbVO-E). Diese Bestimmung wird im weiteren Normsetzungsverfahren einer deutlichen Präzisierung bedürfen, sowohl, was die angesprochenen Behörden, als auch, was die Konkretisierung des „Bedarfsfalls“ angeht. In der gegenwärtigen Form ist nicht erkennbar, welche Stellen wohl gemeint sind, zumal der Begriff „Gericht“ (Art 2 lit b EG-ErbVO-E) bereits Justizbehörden und sonstige Stellen einschließt, die gerichtliche Aufgaben (auch Notare) wahrnehmen und die Erläuterungen zum Entwurf sich zu Art 3 EG-ErbVO-E nicht äußern. c) Allgemeine Zuständigkeit 14 Eine allgemeine Zuständigkeit soll für die Gerichte des Mitgliedstaats bestehen, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art 4 EG-ErbVO-E).21 Damit greift der Entwurf bereits zuständigkeitsrechtlich den gewöhnlichen Aufenthalt als Kriterium auf, der zB in Art 3 Brüssel IIa-VO Verwendung findet. Gegenüber dem Wohnsitz (Art 2 Brüssel I-VO), der in § 27 ZPO den besonderen Gerichtsstand für Erbstreitsachen und erst seit dem 1.9.2009 in §§ 105, 343 Abs 1 FamFG die internationale Zuständigkeit in Nachlasssachen bestimmt und der in der Definition des Art 59 Brüssel I-VO auch dann mehrfach sein kann, wenn keine betroffene Rechtsordnung für sich mehrere Wohnsitze gestattet, hat der gewöhnliche Aufenthalt den Vorteil der Vermeidung konkurrierender Gerichtsstände. Bewirkt werden soll zudem damit im Regelfall ein Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht. Freilich wird dies kaum erreichbar sein, wenn die dringend erforderliche stärkere Fixierung des Anknüpfungskriteriums im IPR im weiteren Normsetzungsverfahren noch erreicht wird. Selbstverständlich sollte auch bei Anwendung des Heimatrechts die internationale Zuständigkeit räumlich determiniert sein. d) Verweisung 15 Art 5 EG-ErbVO-E erlaubt im Fall der durch Art 17 EG-ErbVO-E ermöglichten Rechtswahl durch den Erblasser zu seinem Heimatrecht eine Verweisung durch das nach Art 4 EG-ErbVO-E zuständige Gericht an die Gerichte des Heimatstaates, soweit es sich um einen Mitgliedstaat handelt. Soweit das domicile kollisionsrechtlich an die Stelle des Heimatrechts tritt (vgl ErwGr Nr 32), kann auch nur in den domicileMitgliedstaat verwiesen werden. Die hierfür gewählte Methode ist in ähnlicher Weise konsensual gestaltet, wie die Verfahrensweise nach Art 15 Brüssel IIa-VO; es bedarf eines Antrags, der Einschätzung des befassten Gerichts, dass die Gerichte des Heimatstaats die Erbsache besser beurteilen können, einer Fristsetzung zur Anrufung der dor21

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So schon der Vorschlag der Dörner/Lagarde-Studie: Dörner/Hertel/Lagarde/Riering IPRax 2005, 1, 2.

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Einf EG-ErbVO-E 16-18

tigen Gerichte, deren Ausübung sowie einer aktiven Zuständigerklärung durch die verwiesenen Gerichte. Ein solches Verfahren ist für Nachlasssachen zu kompliziert und erscheint für Erbpro- 16 zesse höchst fragwürdig:22 Da schwerlich der Kläger die Verweisung des Rechtsstreits betreiben wird, gibt sie dem Beklagten die Möglichkeit, während des laufenden Verfahrens unter Mitwirkung des Gerichts die Zuständigkeit zu verlagern. Anstatt Einzelfalllösungen schon auf der Ebene der Zuständigkeit anzustreben, wie dies ausweislich der Begründung Zweck der Regelung ist,23 sollte eine klare Zuständigkeitsregelung getroffen werden. Für eine Verlagerung an die Gerichte des gewählten Rechts spräche der Gleichlauf; für den gewöhnlichen Aufenthalt hingegen die Unabhängigkeit von der Beurteilung der Wirksamkeit der Rechtswahl. Problematisch ist überdies, dass trotz universeller Anwendung der Anknüpfungsregeln 17 eine Verweisung in Drittstaatenfällen nicht möglich ist; zB könnten deutsche Gerichte eine Nachlasssache nicht an die Türkei verweisen, obgleich man in Deutschland lebenden Türken bei Inkrafttreten der in Art 16 EG-ErbVO-E vorgeschlagenen Aufenthaltsanknüpfung nur dringend zur Herstellung der Nachlasseinheit durch Heimatrechtswahl wird raten können. Auch diese Ungereimtheit spricht zuständigkeitsrechtlich dafür, auf eine Verweisung völlig zu verzichten. e) Restzuständigkeit Wie bemerkt, strebt die Kommission ein geschlossenes Zuständigkeitssystem an. Dies 18 erfordert Zuständigkeiten bei Fehlen einer allgemeinen Zuständigkeit im Gesamtgebiet der Mitgliedstaaten, die der EG-ErbVO-E eingedenk der früheren Anbindung solcher Zuständigkeiten an die lex fori „Restzuständigkeiten“ nennt.24 Die Bestimmung betrifft Fälle, in denen der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt25 in einem Nichtmitgliedstaat hat, also keine allgemeine Zuständigkeit eines Mitgliedstaats bestünde. In welchem Verhältnis die dort angeführten vier Zuständigkeitsalternativen (früherer gewöhnlicher Aufenthalt, der nicht länger als fünf Jahre zurückliegt; Heimatstaat; gewöhnlicher Aufenthalt eines Erben; Beschränkung auf in einem Staat belegene Gegenstände) stehen, die jeweils kumulativ die Belegenheit von Nachlass in dem jeweiligen Staat voraussetzen, sollte im weiteren Normsetzungsverfahren geklärt werden. Die jeweils verwendete Wendung „oder hilfsweise“ suggeriert gleichzeitig Alternativität und Subsidiarität, womöglich war den Entwurfsverfassern die Unterscheidung nicht geläufig: „oder“ würde bekanntlich nicht selten zu einer Mehrzahl von Zuständigkeiten führen, „hilfsweise“ jeweils nur eine der Restzuständigkeiten begründen.

22 23 24

25

Vgl Bericht von der Sitzung der nationalen Experten am 30.6.2008, S 7. Europäische Kommission, 14.10.2009, KOM (2009) 154, 5. Vgl auch den vorerst gescheiterten Entwurf einer Reform der Brüssel IIa-VO wo ebenfalls autonome Restzuständigkeiten an die Stelle von Art 7 Brüssel IIa-VO treten sollten. Die Begründung spricht von „Wohnsitz“, was wohl ein Versehen ist.

Thomas Rauscher

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Einf EG-ErbVO-E 19-21

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19 Dessen ungeachtet, werfen die Anknüpfungen manche Unklarheiten auf: Zum einen ist nicht einzusehen, warum die Gerichte des nach Art 6 lit a EG-ErbVO-E hilfszuständigen früheren Aufenthaltsstaats im Fall einer Rechtswahl nicht gemäß Art 5 EG-ErbVO-E an den Heimatstaat verweisen können, etwa bei einem zuletzt in den USA lebenden deutschen Erblasser, der seinen letzten gemeinschaftlichen Aufenthalt in Frankreich hatte; die Bindungen an den früheren Aufenthaltsstaat sind allemal geringer als die an den letzten (Art 4 EG-ErbVO-E), gleichwohl bezieht sich Art 5 EG-ErbVO-E nur auf Art 4 EG-ErbVO-E. 20 Art 6 lit c EG-ErbVO-E schafft auch bei subsidiärem Verständnis der Anknüpfungen ggf multiple internationale Zuständigkeiten, die überdies in Erbstreitigkeiten als konkurrierende fora actoris missbraucht werden können. Es kann kaum gewollt sein, dass es im Streit um den Nachlass eines in den USA verstorbenen US-Staatsangehörigen (ggf auch eines in den USA verstorbenen Deutschen, falls die Restzuständigkeiten alternativ angelegt sein sollten) zum Wettlauf um das heimische Forum zwischen einem in Deutschland und einem in Frankreich lebenden Kläger im Erbprätendentenstreit kommt. Es erscheint vielmehr zweifelhaft, ob der gewöhnliche Aufenthalt eines Erben (oder gar der eines Vermächtnisnehmers) überhaupt geeignet ist, um eine umfassende Zuständigkeit zu begründen; eine gegenständlich beschränkte ergäbe sich schon aus Art 6 lit d EG-ErbVO-E. Hier zeigen sich Ansätze zu einem EU-Isolationismus gegen den Rest der Welt, die an Normen vom Gewicht des Art 14 code civil erinnern. EUBürgerschaft oder -aufenthalt sind keine Gewähr für einen Gemeinschaftsgerichtsstand.26 Schließlich wäre auch zu klären, ob auch der gewöhnliche Aufenthalt des schuldrechtlichen Pflichtteilsberechtigten oder nur der eines dinglichen Noterben diese Restzuständigkeit begründet. 21 Nicht bedacht erscheint auch der mit dem Zuständigkeitsmosaik, das sich unter Art 6 lit d EG-ErbVO-E ergibt, verbundene unnötige Aufwand der Erbrechtsermittlung. Wenn schon der Gesetzgeber des FamFG die zwangsläufige Beschränkung des Fremdrechtserbescheins nach § 2369 aF BGB aufgegeben hat, obwohl mit der Anerkennung eines unbeschränkten Erbscheins derzeit noch kaum zu rechnen ist, erscheint es sinnwidrig, wenn sich nun die EU anschickt, einerseits die Anerkennung erbrechtlicher Entscheidungen zu etablieren, andererseits aber bei Erblassern mit gewöhnlichem Aufenthalt in Drittstaaten dieses Instrument nicht zu nutzen. Gerade in diesen Fällen, die bei universeller Anwendung der Aufenthaltsanknüpfung des Erbstatuts dem Recht jenes Drittstaates unterliegen, besteht ein besonderes Bedürfnis zur Zuständigkeitskonzentration, um mehrfache (gutachtliche) Rechtsermittlung zu ersparen. 27 Warum sollte nicht ein deutsches, niederländisches oder französisches Nachlassgericht ein den 26

27

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Sehr kritisch zu sehen sind daher auch die im Grünbuch zur Reform der Brüssel I-VO – Europäische Kommission, 21.4.2009, KOM (2009) 175 – aufscheinenden Tendenzen zu Klägergerichtsständen im Gewand der Restzuständigkeit bei innergemeinschaftlichem gewöhnlichem Aufenthalt bzw Wohnsitz des Klägers. So auch Bajons FS Heldrich (2005) 495, 504.

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ganzen in der EU belegenen Nachlass umfassendes Nachlasszeugnis nach einem in den USA lebenden Erblasser ausstellen, der Konten bei ABN Amro, der Deutschen Bank und Banque Paribas hinterlässt. Erst recht gilt dies für streitige Entscheidungen in Erbund Pflichtteilssachen. f) Widerklage Unproblematisch erscheint die Widerklagezuständigkeit (Art 7 EG-ErbVO-E) in den 22 Gerichtsständen der Art 4, 5 und 6 EG-ErbVO-E; insbesondere entscheidet weiterhin nationales Recht, ob eine Widerklage stattfindet, so dass sich die Beschränkung dieser nur auf die streitige Gerichtsbarkeit zugeschnittenen Bestimmung implizit ergibt. Der Anwendungsbereich der offenbar schematisch aus der Brüssel I-VO übernommenen Bestimmung ist allerdings äußerst eng, da die Zuständigkeiten der Art 4, 5 und 6 EGErbVO-E nicht an die Parteistellung anknüpfen und deshalb grundsätzlich auch der Beklagte die originär bestimmte Zuständigkeit nutzen kann, ohne sich auf die Widerklagezuständigkeit stützen zu müssen. Einen Anwendungsbereich hat die Norm wohl nur nach Verweisung des Ausgangsverfahrens gemäß Art 5 EG-ErbVO-E ; in diesem Fall könnte eine Widerklage sogleich vor den Gerichten erhoben werden, wo das Ausgangsverfahren anhängig ist; gerade Art 5 EG-ErbVO-E ist freilich die für Erbprozesse am wenigstens geeignete Zuständigkeitsnorm. g) Hilfszuständigkeit für erbrechtliche Erklärungen Einer Notwendigkeit, der unter jeder am Erblasser orientierten Konzeption des interna- 23 tionalen Nachlassverfahrensrechts Genüge getan werden muss, ist Art 8 EG-ErbVO-E geschuldet: Für Erklärungen, die das anwendbare Erbrecht – meist fristgebunden – für die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft oder für die Haftungsbegrenzung erfordert, bedarf es einer Zuständigkeit, die dem Erben oder Vermächtnisnehmer die Abgabe nicht erschwert.28 Art 8 EG-ErbVO-E sieht hierfür eine Zuständigkeit der Gerichte des gewöhnlichen Aufenthaltsstaates des Erben oder Vermächtnisnehmers vor, soweit solche Erklärungen vor einem Gericht abzugeben sind. Nicht ohne weiteres zu bewältigen ist mit der Bereitstellung einer solchen Zuständig- 24 keit allerdings das sich ggf stellende materielle Substitutionsproblem. Zwar wird man einer solchen Regelung den legislativen Willen entnehmen können, dass die Wirksamkeit solcher Erklärungen nicht von der Wertung eines Erbstatuts abhängen dürfe, das solche Erklärungen nur gegenüber inländischen Gerichten als wirksam ansieht. Konflikte ergeben sich gleichwohl, wenn die Erklärung Element eines Nachlassverfahrens ist, das vor nach Art 4 ff EG-ErbVO-E zuständigen Gerichten stattfindet. So lassen sich die in der deutschen nachlassgerichtlichen Rechtsprechung aufgetretenen Fragen der Wesensfremdheit einer Verrichtung nicht durch Art 8 EG-ErbVO-E lösen, wenn etwa eine Erbserklärung österreichischen Rechts entgegen zu nehmen ist. Auch Art 20 EG-ErbVO-E löst diesen Konflikt nicht, weil nur für die Form der Erklärung eine Sonderanknüpfung besteht, die sich auf die materielle Natur der Erklärung nicht erstrecken ließe. 28

Vgl Lehmann IPRax 2006, 204, 206; Haas in: Gottwald (Hrsg), Perspektiven der juristischen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) 43, 63.

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Einf EG-ErbVO-E 25-28

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25 Nicht mit einer bloßen Zuständigkeitsregel zu bewältigen sind auch Bestimmungen zur Haftungsbeschränkung, die eine Inventarerrichtung voraussetzen. 29 Für der Haftungsbeschränkung dienende Mitwirkungshandlungen des Gerichts ergibt sich aus Art 8 EG-ErbVO-E keine Hilfszuständigkeit, so dass die Anwendung auf Erklärungen zur Begrenzung der Haftung eher geringe Bedeutung haben wird. h) Hilfzuständigkeit für sachenrechtliche Maßnahmen 26 Art 9 EG-ErbVO-E schafft eine außerordentliche Zuständigkeit der Belegenheitsgerichte, soweit nach dem Sachenrecht des Belegenheitsstaates für die Übertragung von Nachlassgegenständen gerichtliche Verrichtungen, Umschreibungen oder Registereintragungen erforderlich sind. So überzeugend die Begründung erscheint, dieser Zuständigkeit bedürfe es wegen der engen Verbindung zwischen Erbstatut und Realstatut (ErwGr Nr 15), so unklar ist doch ihr Anwendungsbereich: Soweit diese Bestimmung sich auf rein sachenrechtlich zu qualifizierende Verrichtungen bezieht (etwa die Grundbuchberichtigung auf Grund einer erbrechtlichen Universalsukzession) läuft sie leer, denn das Sachenrecht ist in Ansehung der Arten dinglicher Rechte und ihrer Publizität ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommen (Art 1 Abs 3 lit j EG-ErbVO-E) und wäre es überdies schon nach Art 1 Abs 1 EG-ErbVO-E, da man sachenrechtlich zu qualifizierende Tatbestände schwerlich als Rechtsnachfolge von Todes wegen verstehen kann. 27 Bedeutung entfaltet diese Zuständigkeit also nur, wenn das Belegenheitsrecht in den erbrechtlichen Erwerbsvorgang konstitutive Übertragungsakte einschaltet. Hierunter kann man wohl die administration des Common law subsumieren, aber auch die Einantwortung des österreichischen Rechts. Beide Fälle zeigen, dass eine Zuständigkeit der in Art 9 EG-ErbVO-E vorgesehenen Art einen Einbruch der kollisionsrechtlichen Nachlassspaltung bedeutet: Da nach dem Entwurf das Erbstatut einheitlich zu bestimmen ist und insbesondere auch den Erbschaftserwerb umfasst (Art 19 Abs 2 lit f EG-ErbVO-E), sind Erwerbsregeln des Belegenheitsrechts nur anzuwenden, wenn sie sachenrechtlich zu qualifizieren sind. Sollte Art 9 EG-ErbVO-E davon ausgehen, dass Regelungen wie die Einantwortung des österreichischen Rechts sachenrechtlicher Natur sind, dann bedeutet dies nichts anderes, als dass den Mitgliedstaaten gestattet würde, Kollisionsnormen nach Art des § 32 östIPRG, die zwischen dem Erbstatut einerseits und dem Erb-Erwerbsstatut andererseits differenzieren, aufrecht zu erhalten. Für das Common Law – sollten denn das UK und Irland wider Erwarten teilnehmen – würde ohnehin Art 21 EG-ErbVO-E klarstellen, dass auch unter einem fremden Erbstatut die Erwerbsmodi der administration aufrecht erhalten werden können.30 i) Verfahren bei Unzuständigkeit und Nichteinlassung 28 Die Bestimmungen zur Prüfung der Zuständigkeit und zum Verfahren bei Unzuständigkeit sind in Art 11, 12 EG-ErbVO-E in Anlehnung an das Schema der Art 25, 26 Brüssel I-VO gestaltet. Hinsichtlich der Prüfung der Zuständigkeit (Art 11 EG-ErbVO-E) ergibt sich, da die Möglichkeit rügeloser Einlassung (ohne guten Grund) auch 29 30

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Dazu Heggen RNotZ 2007, 1, 4. Europäische Kommission, 14.10.2009, KOM (2009) 154, 7.

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B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

Einf EG-ErbVO-E 29-32

in streitigen Erbsachen nicht vorgesehen ist (weshalb nicht, wie in Art 25 und Art 26 Abs 1 Brüssel I-VO differenziert werden muss), eine sehr einfache Regelung, die vor allem den Bedürfnissen in Nachlasssachen (freiwillige Gerichtsbarkeit) entspricht: Das Gericht prüft von Amts wegen seine Zuständigkeit und erklärt sich für unzuständig, wenn es an einer Zuständigkeit nach der VO fehlt. Die prima facie auf Streitsachen zugeschnittene Regelung passt also zwanglos für Nachlasssachen, während sie für den Erbprozess nur um den Preis geeignet ist, dass rügelose Einlassung nicht vorgesehen ist. Hingegen passt Art 12 EG-ErbVO-E, der dem auf Art 26 Abs 2-4 Brüssel I-VO zurück 29 gehenden Art 18 Brüssel IIa-VO entspricht, kaum für Nachlasssachen. Schon nach ihrem Wortlaut stellt die Bestimmung auf eine streitige Parteilage („Beklagter“) ab, die in Nachlasssachen nicht nur fehlt, sondern auch angesichts der möglichen Vielzahl materiell Beteiligter nicht mutatis mutandis angenommen werden kann. Eine Orientierung am streitigen Verfahren, die schon für streitige Sorgerechtssachen (Art 18 Brüssel IIa-VO) nur mühsam umsetzbar ist, versagt vollends in einem auf Amtsermittlung zugeschnittenen Erbscheinsverfahren mit mehreren materiell Beteiligten. Sparsamkeit bei der Normsetzung ist gewiss nicht der Grund für diese dem Erbscheinsverfahren nicht angepasste Regelung. Eher schon handelt es sich um eine wenig bedachte Übernahme aus Art 25, 26 Brüssel I-VO, Art 18 Brüssel IIa-VO, die im Normsetzungsverfahren noch der Reifung bedarf. 2.

Konkurrierende Rechtshängigkeit

a) Modell, Anwendungsbereich Ausdrücklich am Modell der Brüssel I-VO orientiert (ErwGr Nr 16) sind die mit 30 Art 27, 28 Brüssel I-VO bis auf den Begriff „Verfahren“ wortgleichen Art 13, 14 EGErbVO-E. Im Zusammenhang hierzu zu sehen ist Art 10 EG-ErbVO-E, der die autonome Definition der Anrufung aus Art 30 Brüssel I-VO übernimmt. Auch insoweit stellt sich zum einen die Frage, ob die one size fits all-Strategie des Ent- 31 wurfs erfolgreich sein kann. Art 27, 28 Brüssel I-VO sind ausschließlich für Prozesse konzipiert und, wie zu zeigen ist, allenfalls mühsam auf Nachlasssachen anwendbar; Art 10 EG-ErbVO lässt sich auf Amtsverfahren überhaupt nicht und auf Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nur dann anwenden, wenn der Antrag der Zustellung bedarf. Zum anderen ist fraglich, ob das Zuständigkeitssystem der Art 3 bis 7 EG-ErbVO-E 32 überhaupt Raum für konkurrierende Zuständigkeiten lässt. Dies dürfte ersichtlich nur dann der Fall sein, wenn man die Zuständigkeiten in Art 6 EG-ErbVO-E untereinander als alternativ versteht, sowie in dem eher konstruierten Fall eines nach Art 5 EG-ErbVO-E verwiesenen Verfahrens, zu dem anschließend ein konkurrierendes vor dem nach Art 4 EG-ErbVO-E zuständigen Gericht anhängig gemacht wird. Ausgenommen von der Konkurrenzsituation bleiben ohnehin die Zuständigkeiten nach Art 8, 9 EG-ErbVO-E, die gerade nicht auf ein umfassendes Tätigwerden des danach

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Einf EG-ErbVO-E 33-36

B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

zuständigen Gerichts abstellen und deshalb typischerweise ein Nebeneinander von Verfahren voraussetzen. b) Streitgegenstandsidentität 33 Art 13 EG-ErbVO-E, also die Bestimmung zur engen Streitgegenstandsidentität, lässt sich auf Nachlasssachen nicht anwenden und kann daher nur auf Erbprozesse bezogen werden. Das signalisiert auch der Wortlaut, da die Entwurfsverfasser hier, anders als in Art 14 EG-ErbVO-E, den Begriff „Klage“ nicht gegen „Verfahren“ ausgetauscht haben. Anwendbar sollte die Norm gleichwohl auch in Fällen sein, in denen eine Rechtsordnung den Erbprätendentenstreit oder die Pflichtteilsbemessung einem streitigen Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuordnet. Entscheidend ist, dass Art 13 EG-ErbVO-E nur für den parteiorientierten Rechtsstreit passt. Mit dieser Einschränkung ist die Bestimmung absehbar ebenso anzuwenden wie Art 27 Brüssel I-VO. c) Sachzusammenhang 34 Hingegen ist Art 14 EG-ErbVO-E, der die Situation des Sachzusammenhangs aus Art 28 Brüssel I-VO übernimmt, offensichtlich (auch) als (einzige) Bestimmung zur Lösung von Anhängigkeitskonflikten in rechtsfürsorgenden Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gedacht. Soweit Art 4 ff EG-ErbVO-E für solche Verfahren überhaupt Raum für konkurrierende Zuständigkeiten lassen, ist das Verfahren nach Art 14 EG-ErbVO-E freilich nicht optimal geeignet. Konkurrierende Erbscheinsverfahren nach demselben Erblasser sollten zwingend vom erstangerufenen Gericht entschieden werden, weshalb sich eine andere Definition des Zusammenhangs (Orientierung an der Person des Erblassers) empfiehlt. Sodann lässt sich zwar auch die Situation zweier konkurrierend gestellter Erbscheinsanträge über das Modell des Aussetzung beim später angerufenen Gericht und der Alleinkompetenz des Erstgerichts zur Zuständigkeitsbeurteilung lösen. Gleichwohl macht das Fehlen einer bindenden Abgabe durch das zweitangerufene Gericht die Regelung unnötig schwerfällig, denn in der Frage, ob sich zwei konkurrierende Erbscheinsanträge verbinden lassen, sollte kein Beurteilungsspielraum bestehen. 35 Einer Nachbesserung bedarf jedenfalls Art 10 EG-ErbVO-E, der im idealtypischen Fall des Erbscheinsverfahrens einer sachgerechten Anwendung des Art 14 EG-ErbVO-E selbst mit den soeben dargestellten Einschränkungen entgegensteht. Wo es der Zustellung eines Antrags nicht bedarf oder gar ein Verfahren (in manchen Rechtsordnungen der Pflichtteilsschutz Minderjähriger) von Amts wegen eingeleitet wird, gibt Art 10 EG-ErbVO-E keine Antwort auf die Frage nach dem Zeitpunkt der Anrufung. 3.

Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und Urkunden

a) Anerkennung von Entscheidungen und Urkunden. 36 Die Anerkennung von Entscheidungen orientiert sich eng am Vorbild der Art 32 ff Brüssel I-VO (ErwGr Nr 25).31 Übernommen wird das Prinzip der Anerkennung ohne besonderes Verfahren samt der Möglichkeit der förmlichen Feststellung bei Präjudizia826

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B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

Einf EG-ErbVO-E 37-39

lität der Anerkennungsfrage (Art 29 EG-ErbVO-E). Für die Anerkennung von Entscheidungen ergeben sich nicht an dieser Stelle, wohl aber im Katalog der Anerkennungshindernisse wegen der Orientierung am streitigen Verfahren einige Probleme in Ansehung von Nachlasssachen (freiwillige Gerichtsbarkeit). 32 Die Einbeziehung Öffentlicher Urkunden in die Anerkennung (Art 34 EG-ErbVO-E) 37 ist hingegen insoweit ein Novum, als Art 57, 58 Brüssel I-VO nur die Anerkennung als Vollstreckungstitel erfassen. 33 Anerkannt werden damit insbesondere Urkunden, welche erbrechtlich relevante Erklärungen Beteiligter enthalten; dies eröffnet bei einer in notarieller Form errichteten letztwilligen Verfügung freilich Berührungspunkte zum Testamentsformstatut, das weiterhin dem Haager Testamentsformübereinkommen untersteht. Im Wege der Anerkennung werden notarielle Testamente nur substituierbar, erlangen aber keine Formwirksamkeit, die ihnen nur das Testamentsformstatut verleihen kann. Die Erläuterung in ErwGr Nr 26 lässt zudem Zweifel entstehen, ob mit der Anerken- 38 nung von erbrechtlichen Urkunden womöglich weitergehend in den Bereich des materiellen Erbrechts eingegriffen wird: Die Anerkennung verleihe der Urkunde dieselbe Beweiskraft und die gleichen Wirkungen wie im Ursprungsstaat. Dies kann freilich nicht bedeuten, dass über Art 34 EG-ErbVO materiellrechtliche Gutglaubenswirkungen erbrechtlicher Legitimationsurkunden (zB Erbschein) unbeschadet des bei Erteilung der Urkunde maßgeblichen Erbstatuts europäisiert werden sollen. Erbrechtliche Urkunden, die Ergebnis einer gerichtlichen Entscheidung sind, sollen von Art 34 EGErbVO offensichtlich nicht erfasst werden, sondern sind Gegenstand der Anerkennung als Entscheidung. b) Anerkennungshindernisse Auch die Prüfungssystematik folgt eng dem Vorbild der Brüssel I-VO.34 Eine revision au 39 fond ist ausgeschlossen (Art 31 EG-Erb-VO-E), die Anerkennungshindernisse sind in Art 30 EG-ErbVO-E katalogisiert. Bemerkenswert erscheint in dieser Systematik freilich, dass die Verletzung der weitgehend ausschließlichen internationalen Zuständigkeiten der Art 4 ff EG-ErbVO-E kein Anerkennungshindernis darstellt. Nach bisherigem Verständnis in Anwendung der Brüssel I-VO, das in Art 30 lit a EG-ErbVO-E ausdrücklich aufgegriffen wird, wird man (selbst bedingt vorsätzliche) Zuständigkeitsverletzungen auch nicht unter das Anerkennungshindernis des ordre public subsumieren können. Dies lässt sich, gemessen an Art 35 Abs 1 Brüssel I-VO damit erklären, dass die weitgehende Konzentration der Zuständigkeit in Art 4 ff EG-ErbVO-E nicht dem Schutz individueller oder staatlicher Interessen dient, sondern als rechtspolitischer Selbstzweck dem Ziel der Gerichtsstandsreduktion dient. Andererseits ermöglicht ge31 32

33 34

So schon der Vorschlag der Dörner/Lagarde-Studie: Dörner/Hertel/Lagarde/Riering IPRax 2005, 1, 3. Lagarde in: Gottwald (Hrsg), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) 1, 17. Europäische Kommission, 14.10.2009, KOM (2009) 154, 8; Junghardt S 198 ff. Haas in: Gottwald (Hrsg), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) 43, 79 f.

Thomas Rauscher

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Einf EG-ErbVO-E 40- 42

B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

rade dies eine durchaus nicht unwahrscheinliche Ignoranz der Praxis in der Anfangsphase einer Anwendung der VO: Der vom unzuständigen Gericht auf Antrag einträchtigter Erben erlassene Erbschein wird grundsätzlich in allen Mitgliedstaaten anzuerkennen sein. 40 Der Vorbehalt des ordre-public findet sich, manchen Illusionen zum Trotz, auch im Katalog des Art 30 EG-ErbVO-E (lit a) wieder. Auch im Jahr 2009 ist Europa nicht sicher vor Verstößen gegen Grundprinzipien der öffentlichen Ordnung.35 Eine neue Nuance zur Beschränkung dieses Vorbehalts bringt freilich der ErwGr Nr 24 ein, wonach ein ordre-public-Verstoß nur angenommen werden solle, wenn die Anerkennung gegen die Charta der Grundrechte der EU, insbesondere das Diskriminierungsverbot verstoßen würde. Diese Einschränkung ist jedenfalls systematisch nicht zutreffend, denn der ordre-public ist nach bisherigem Verständnis ein nationaler Maßstab des Anerkennungsmitgliedstaates und kann gerade nicht auf den durchaus lückenhaften Mindeststandard der EU-Grundrechtecharta reduziert werden. Erst recht ist eine Reduktion auf das der Kommission besonders angelegene Diskriminierungsverbot gerechtfertigt. Vor allem Verstöße gegen Verfahrensgrundrechte sind und bleiben ein wichtiger Anwendungsbereich des Vorbehalts. 41 Nicht ohne Mühe auf Nachlasssachen anwendbar ist das Anerkennungshindernis der nicht zur Verteidigung geeigneten Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (Art 30 lit b EG-ErbVO-E). Die Versagung rechtlichen Gehörs in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit wird damit, soweit es einer Zustellung an betroffene Beteiligte nicht bedarf, absehbar in den Anwendungsbereich des ordre-public verlagert, was problemlos ist, solange der ordre-public-Vorbehalt besteht. Auch hier wäre freilich eine auch die Besonderheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit berücksichtigende Bestimmung wohl wünschenswert. 42 Ebenfalls nicht problemlos lassen sich die Anerkennungshindernisse der Unvereinbarkeit mit einer Entscheidung aus dem Anerkennungs- (Art 30 lit c EG-ErbVO-E) oder einem Drittstaat (Art 30 lit d EG-ErbVO-E) in Nachlasssachen anwenden. Beide Bestimmungen stammen aus Art 34 Nr 3, 4 Brüssel I-VO. Nicht erklärbar ist, dass aus Art 34 Nr 3 Brüssel I-VO die Passage „Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird“ durch „ersuchten Mitgliedstaat“ ersetzt wurde. 36 Dies beiseite lassend, lässt sich diese Bestimmung nur auf Erbprozesse anwenden und erscheint selbst dort womöglich zu eng, wenn widersprüchliche Entscheidungen in zwei Erbprätendenten35

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Gerade die – zufällig in engem zeitlichem Zusammenhang zur Publikation des Entwurfs bekannt gewordenen – dramatischen Geschehnisse um den für den ordre-public-Vorbehalt wie kein anderer stehenden Fall Krombach (EuGH Rs C-7/98 Krombach/Bamberski EuGRZ 2000, 160; EGMR 29731/96 Krombach/Frankreich NJW 2001, 2387) werfen ein unerwartet grelles Licht auf die Erforderlichkeit solcher Vorbehalte trotz aller europäischer Euphorie. Wenn ein Mitgliedstaat der EU, der pikanter Weise im selben tatsächlichen Kontext bereits vom EGMR zu Schadensersatz verurteilt wurde, einen der Verschleppung verdächtigen eigenen Staatsangehörigen auf freien Fuß setzt und den aus einem anderen Mitgliedstaat in mafioser Manier Verschleppten in Untersuchungshaft nimmt, so ist dies nicht unbedingt eine Werbeveranstaltung zur Abschaffung des gegenseitigen ordre-public-Vorbehalts.

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Einf EG-ErbVO-E 43- 45

streitigkeiten zwischen verschiedenen Parteien aufeinander treffen. Selbst wenn man es in weiter Auslegung unternimmt, die formellen Beteiligten einer Nachlasssache als „Parteien“ zu verstehen, hält diese Bestimmung keine Regelung bereit, wenn Gegenstand der Anerkennung ein Erbschein oder Testamentsvollstreckerzeugnis ist, das in Widerspruch zu einer entsprechenden Entscheidung aus dem Anerkennungsmitgliedstaat (bzw einer früher ergangenen aus einem Drittstaat) steht. Eine solche Regelung wird notwendig im Normsetzungsverfahren zu entwickeln sein, zumal mit der Anerkennung von Erbscheinen und Testamentsvollstreckerzeugnissen vor dem Hintergrund der Vereinheitlichung des anwendbaren Rechts regelmäßig die vom jeweiligen Erbstatut vorgesehenen Gutglaubenswirkungen auch aus Sicht des Anerkennungsmitgliedstaates verbunden sind, der regelmäßig den Erbfall derselben Rechtsordnung unterstellt. Insoweit kommt nur die Orientierung an der Person des Erblassers, also Nichtanerkennung widersprechender Entscheidungen im selben Erbfall in Betracht. III. Internationales Erb-Kollisionsrecht

1.

Prinzipien

a) Erbstatut, Anknüpfungsmethodik Art 19 EG-ErbVO-E enthält eine enumerative Regelung der erbrechtlichen Qualifi- 43 kation. Diese an angelsächsische Gesetzgebungstechnik gemahnende Bestimmung mag einerseits sinnvoll sein, um eine einheitliche Sicht des Erbstatuts zu befördern, trägt aber, wie alle Enumerationen die Gefahr von Lücken in sich. Überdies sind problematische Fragen wie die Schenkung von Todes wegen, auf den Todesfall oder mortis causa, unter der bald jeder Rechtskreis etwas anderes versteht, nicht angesprochen. Alle Anknüpfungen sind als loi uniforme konzipiert (Art 25 EG-ErbVO-E), was schon 44 kompetenzrechtlich nicht unproblematisch ist (Rn 4).37 Überdies ergeben sich wegen der fehlenden Wechselseitigkeit der Kollisionsnormen im Verhältnis zu Drittstaaten im Entwurf nicht bedachte und wohl auch noch nicht untersuchte Probleme aus dem Zusammenwirken der Allseitigkeit, der Aufgabe des renvoi und der Nichtbeachtung kollisionsrechtlicher Nachlassspaltung, die nachfolgend nur angedeutet werden können. Alle Anknüpfungen sind Sachnormverweisungen (Art 26 EG-ErbVO-E), was für ein 45 wechselseitiges rechtsvereinheitlichendes Instrument die einzig sinnvolle Lösung ist. Nicht ebenso zwingend ist freilich die Anordnung einer Sachnormverweisung gegenüber Drittstaaten. Anders als für das internationale Schuldrecht, wo die Kollisionsnormen der Rom I- und Rom II-VOen zutreffend universelle Sachnormverweisungen vorsehen, hat sich in der deutschen Praxis die Gesamtverweisung im Erbrecht als durchaus sinnvoll erwiesen, weil sie insbesondere im Verhältnis zu den USA und Ca36

37

Läge hier nicht ein Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission vor, fühlte man sich an einen nicht korrigierten Diktatfehler eines Rechtsanwalts kurz vor Fristablauf erinnert; andere Lapsi in Erinnerung fürchtet der Verfasser, dass es sich tatsächlich um einen solchen handelt. Dörner ZEV 2005, 137, 138; ders FS Holzhauer (2005) 474, 476.

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Einf EG-ErbVO-E 46- 48

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nada zu einer Harmonisierung des angewendeten Rechts führt. Wird freilich die in Art 16 EG-ErbVO-E vorgesehene Aufenthaltsanknüpfung Wirklichkeit, so wird dieser bisherige Einklang ohnehin zerstört. Ein in Deutschland lebender US-Amerikaner würde dann aus deutscher Sicht ohnehin umfassend nach deutschem Recht beerbt, selbst wenn er sein domicile in den USA hat. Zudem würde nicht mehr die aus Sicht des US-Rechts eintretende Nachlassspaltung geachtet. Prozesse vor deutschen Gerichten um Pflichtteilsansprüche an US-Immobiliarvermögen, auf das der aus deutscher Sicht Pflichtteilsberechtigte als Erbe nie zugreifen könnte, wären die Konsequenz. 46 Bekannt und unproblematisch ist hingegen die Behandlung von Mehrrechts-Mitgliedstaaten; diese werden im Innenverhältnis nicht zur Anwendung der Verordnung verpflichtet, während im Außenverhältnis jede Gebietseinheit als Staat iSd VO gilt (Art 28 EG-ErbVO-E). b) Insbesondere: Nachlasseinheit 47 Der Entwurf geht aus vom Grundsatz der Nachlasseinheit,38 lehnt also insbesondere eine Differenzierung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen ab. Dies erscheint zunächst ein Erfolg für die mehrheitlich kontinental geprägten Mitgliedstaaten zu sein, deren IPR allerdings nicht geschlossen39 die Nachlasseinheit vorsieht. Freilich muss diese Festlegung in der für die EU-Gesetzgebung so typischen Suche nach banalen Kompromissen letztlich teuer mit der Fehlentscheidung zum grundsätzlichen Anknüpfungskriterium in Art 16 EG-ErbVO-E bezahlt werden (näher Rn 44 ff). Kompromiss bedeutet in der EU leider seltener, dass jeder zufrieden ist, sondern oft, dass niemand die Kröte, die er schlucken muss, für größer hält als die des Nachbarn. 48 In der Sache ist die Entscheidung für Nachlasseinheit ein weniger eindeutiges Dogma, als man dies etwa im Gutachten Dörner/Lagarde40 liest. Gerade der erst 1986 geschaffene Art 25 Abs 2 EGBGB zeigt, dass in der Praxis durchaus gute Gründe bestehen können, das Sachenrechtsstatut und das Erbstatut bei Immobilien zu harmonisieren. Nicht zuletzt ist die in ihrem Umfang noch klärungsbedürftige (oben Rn 26) Hilfszuständigkeit in Art 9 EG-ErbVO-E der erbrechtlichen Nachlasseinheit in Ansehung von Grundstücken geschuldet. Dass Art 25 Abs 2 EGBGB als einseitige Kollisionsnorm hinnehmbar ist, während eine allseitige situs-Anknüpfung bedenklich wäre,41 liegt nicht an der Anbindung an den Erblasserwillen, sondern gerade in der Art 25 Abs 2 EGBGB immanenten Kontrolle: Ein Erblasser, der deutsches Recht wählt, wählt eine Rechtsordnung mit starken Pflichtteilsrechten; er steigert mit der Wahl in aller Regel nicht seine wirtschaftliche Testierfreiheit (auch wenn er ggf vom Noterbrecht zum Pflichtteil wechselt) und wird daher sachlich und nicht familienfeindlich abwä38

39

40 41

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Hierfür schon mehrheitlich die Stellungnahmen zum Grünbuch: Lehmann IPRax 2006, 204, 205, Fn 23; ebenso der Deutsche Rat für IPR: Bauer IPRax 2006, 202, 203. So folgt Frankreich letztlich noch auf der Grundlage der Statutenlehre der situs-Anknüpfung für Immobilien. Dörner/Lagarde 232 ff. BR-Drs 174/05, 2; gleichwohl weist der Bundesrat darauf hin, dass der Wirtschaftsverkehr auf eine möglichst geringe Fehleranfälligkeit des Immobiliarverkehrs angewiesen ist.

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Einf EG-ErbVO-E 49

gen.42 Hingegen geriete eine situs-Anknüpfung zum probaten Mittel der Pflichtteilsvermeidung. Der pflichtteilsfreie geschlossene Immobilienfonds in England könnte zum Idealkonzept von Erblassern werden, denen ein Umzug zur Erbenbenachteiligung zu mühsam ist. 2.

Grundsatzanknüpfung

a) Aufenthaltsanknüpfung als Politikum Vorbehaltlich einzelner Ausnahmen (Art 17 ff EG-ErbVO-E) soll allgemeine Anknüp- 49 fungsregel des Erbstatuts der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes sein (Art 16 EG-ErbVO-E). Die grundsätzliche Entscheidung für das bereits in der Dörner/Lagarde-Studie43 vorgeschlagene Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts erstaunt nicht. Merkwürdig ist jedoch, dass die Kommission aus der nicht nur im Grünbuch zur Erbrechtsthematik,44 sondern auch im Grünbuch zum Ehescheidungsrecht selbst dargestellten und vielfach kritisch angesprochenen Problematik der hohen Wandelbarkeit keinerlei Konsequenzen zieht. Legt man die bisherige Rechtsprechung zu Grunde, so kann ein Erwachsener von einem auf den anderen Tag seinen gewöhnlichen Aufenthalt durch die Verlagerung seines sozialen Familien- und Berufsmittelpunktes verlegen, ohne dass hierzu die letzten Brücken zur früheren Heimat abgebrochen werden müssten. Instrumente zur Stabilisierung, etwa eine Mindestdauer des Aufenthalts werden nicht einbezogen. 45 Dies ist umso merkwürdiger, als das Haager Übereinkommen über das auf die Erbfolge anwendbare Recht vom 1.8.1989 trotz eines erheblich vorsichtiger angelegten Übergangs vom Heimatrechts- zum Aufenthaltsprinzip gänzlich erfolglos blieb. 46 Der Haager Trend, der für die Aufenthaltsanknüpfung gerne bemüht wird,47 kann also gerade für den kühnen Übergang zur unbeschränkten Aufenthaltsanknüpfung im Erbstatut nicht angeführt werden. Man kann nur mutmaßen, dass vor diesem Hintergrund die Kommission davon ausgeht, dass jedes Bemühen, einen realistischen Kompromiss bereits in den Entwurf aufzunehmen, im weiteren Normsetzungsverfahren zahlreichen Wendungen zum Opfer fiele. Bei realistischer Einschätzung ist Art 16 EG-ErbVO-E ein maximaler Affront gegenüber dem Staatsangehörigkeitsprinzip, der im Laufe der Normsetzung taktisch relativiert werden kann. Zudem ist der Vorschlag an dieser Stelle auch von dem Bestreben getragen, den bisher an Wohnsitz und domicile anknüpfenden Mitgliedstaaten die Türe zur Zustimmung zu öffnen, während die kontinentalen Mitgliedstaaten das Staats42

43 44 45 46 47

Dies erwartet auch die Europäische Kommission, 14.10.2009, KOM (2009) 154, 6, übersehend, dass der EG-ErbVO-E auch dem nicht diesem Ideal entsprechenden Erblasser Möglichkeiten zur Durchsetzung seines Willens eröffnet. Dörner/Lagarde 261 f. Europäische Kommission, 1.3.2005, KOM (2005) 65, 4. Dörner/Hertel/Lagarde/Riering IPRax 2005, 1, 4; Dörner FS Holzhauer (2005) 474, 478. Zum Hintergrund: Junghardt S 139 ff, 145. Hierzu bereits eingehend Rauscher FS Jayme (2004) 719, 736.

Thomas Rauscher

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angehörigkeitsprinzip um die Gegenleistung der Nachlasseinheit opfern sollen. Auch diese Zielsetzung wird wohl scheitern, weil das UK und Irland an der Verordnung absehbar nicht teilnehmen werden, solange ein relevantes Risiko besteht, dass dortige Gerichte überhaupt ein ausländisches Erbrecht anwenden müssen. Auch Dänemark, das bisher an den Wohnsitz anknüpft, nimmt nicht teil. Überdies entsteht ein interessanter Zielkonflikt zwischen dem postulierten informierten Erblasser, der die Rechtswahlbefugnis (Art 17 EG-ErbVO-E) nutzen soll und dem der Wirkung der Aufenthaltsanknüpfung als Beruhigungspille für Common Law-Rechtsordnungen. Das Mittel wird nur wirken, wenn der Bürger weiter untätig bleibt. b) Kritik der Sachargumente 50 Die Anknüpfung des Erbstatuts ist aus zahlreichen Gründen abzulehnen. Das Argument der Kommission,48 die in der Aufenthaltsanknüpfung ein die Diskriminierung nach der Staatsangehörigkeit vermeidendes Kriterium sieht, geht fehl: Die Suche nach einem den Interessen der Beteiligten entsprechenden Sitz des Rechtsverhältnisses kann nicht dadurch auf räumliche Anknüpfungen reduziert werden, dass man die Staatsangehörigkeit als Kriterium der Integration in einer Rechtsordnung49 desavouiert. Wer etwa behauptet, die Anwendung türkischen Erbrechts auf einen türkischen Staatsangehörigen sei diskriminierend, diskriminiert in Wirklichkeit selbst, weil er davon ausgeht, dem in einem Mitgliedstaat lebenden fremden Staatsangehörigen werde dadurch das (bessere?) inländische Erbrecht vorenthalten. Auch das vorgetragene Argument, Aufenthaltsanknüpfung entspreche der vom EGV geförderten Arbeitnehmermobilität belegt gerade das Gegenteil: Wer kurz- oder längerfristig, oft aus Erwerbsgründen in Europa mobil ist, kann nicht mit dem klassischen Auswanderer verglichen werden, der seine Sozialisation in einer Rechtskultur austauscht.50 Gerade die familien-und erbrechtliche Grundsozialisation nicht juristisch gebildeter Bürger wird bereits im Schulalter angelegt und erfährt aus Medien und Tagespresse vergleichsweise selten Anschübe in neue Erkenntnisrichtungen. Allenfalls werden einzelne große Reformen wahrgenommen. Grundelemente, zu denen insbesondere das Pflichtteilsrecht gehört, sind hingegen im Bewusstsein eher unflexibel verwurzelt. Eine Anknüpfung an den jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt wird daher absehbar bei uninformierten Erblassern zu erheblichen Fehlvorstellungen führen. Die parallel vorgeschlagene Rechtswahlbefugnis (Art 17 EG-ErbVO-E) vermag dies meist nicht zu korrigieren;51 es gibt keinerlei Indizien, dass die Einführung einer EG-ErbVO die Häufigkeit der Inanspruchnahme fachkundigen Rates steigern wird. Bedenkt man etwa, dass Art 25 Abs 2 EGBGB nahezu ausnahmslos nur in notariellen Testamenten in Anspruch genommen wird, so lässt sich leicht abschätzen, dass Rechtswahl eine Fehlentscheidung der Grundanknüpfung nicht kompensieren könnte.

48 49 50 51

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Europäische Kommission, 14.10.2009, KOM (2009) 154, 6. Das auch der EuGH anerkennt: EuGH Rs C-523/07 A FamRZ 2009, 843. Bauer IPRax 2006, 202, 203; Rauscher FS Jayme (2004) 719, 734. Lehmann IPRax 2006, 204, 206.

Januar 2010

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B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

Einf EG-ErbVO-E 51-53

Andererseits gibt die kurzfristig realisierbare Aufenthaltsanknüpfung dem informier- 51 ten Erblasser ein Instrument zur Verdrängung von Noterben und Pflichtteilsberechtigten in die Hand. Auch hier lehrt die notarielle Praxis: Unter den wenigen Erblassern, die den Weg zum Notar finden, strebt eine überproportional hohe Zahl die Verdrängung der Pflichtteile von Abkömmlingen an. Der Bundesrat52 hat zu Recht auf die hohe verfassungsrechtliche Bedeutung des Pflichtteilsrechts hingewiesen und vor dessen Aushöhlung durch Rechtswahlbefugnisse gewarnt. Ebenso ist das Pflichtteilsrecht durch Aufenthaltsverlegung des Erblassers, deren Folgen er nicht mehr lange zu tragen hat, in Gefahr. Da die Kollisionsnorm als loi uniforme vorgesehen ist (Rn 7), droht nicht das von Wetter wie Behandlungsstandards problematische Pflegeheim in England; auch der Lebensabend in California oder Florida wird mit dem Nebeneffekt der Beseitigung aller Pflichtteilsrechte versüßt. Absehbar in den Vordergrund treten wird das Argument des Gleichlaufs zwischen 52 Erbstatuts und Zuständigkeit. Hierfür spricht durchaus, dass wachsende Mobilität die Anzahl von Erbfällen mit Auslandsbezug mehrt und bei Anwendung einer ausländischen Erbrechtsordnung seitens der Gerichte kostenintensiv Sachkunde beschafft oder dilettiert werden muss. Freilich werden die Risiken für den Durchschnittsfall überschätzt. Die Feststellung der gesetzlichen Erbquoten gehört in aller Regel zu den einfacheren rechtsvergleichenden Aufgaben; ein verstärkter Informationsaustausch, dessen Qualität freilich die bisher erbrachten Leistungen in Ansehung des Scheidungsrechts auf der Web-site der Europäischen Union deutlich übersteigen sollte,53 wird meist das Problem der Informationsbeschaffung lösen. Überdies kehrt, wer das Erbstatut nach der Zuständigkeit ausrichtet, jedenfalls aus der bisherigen kontinentaleuropäischen Sicht die Wertungen um: Das Erbstatut sollte den Sitz des Rechtsverhältnisses ausweisen; der Sitz des Gerichts folgt reiner Praktikabilität. Zu deren Elementen gehört unter anderem ein Gleichlauf der Rechtsanwendung, den man als zuständigkeitsbestimmendes Kriterium abzuwägen hat gegen andere Faktoren. Dass diese Abwägung in unterschiedlicher Richtung ausfallen kann, lehrt der am 1.9.2009 erfolgte Übergang vom Gleichlaufgrundsatz (Zuständigkeit folgt Erbstatut, nicht umgekehrt!) zur Wohnsitzanknüpfung (§§ 105, 343 Abs 1 FamFG). 3.

Alternativen

a) Staatsangehörigkeit und domicile Ein wahrer Kompromiss zwischen der in den Mitgliedstaaten deutlich überwiegenden 53 Staatsangehörigkeitsanknüpfung und der im Common Law bestehenden domicile-Anknüpfung müsste darin bestehen, nicht beide Prinzipien zu überwinden, sondern sie zu vereinigen. Der in doppeltem Sinn „unerhörte“54 vom Verfasser gemachte detaillierte 52 53

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Stellungnahme zum Grünbuch BR-Drs 174/05, 3. Wahrscheinlich ließe sich der größte Erfolg durch eine Übersetzung von Werken wie Ferid/Firsching/ Lichtenberger/Hausmann Internationales Erbrecht; Süß, Erbrecht in Europa2 (2008); AnwKommBGB Erbrecht Band 5 Länderteile in das Englische und Französische erreichen. Dem Verfasser ist der schon im Jahre 2005 gegebene kollegiale Hinweis eines deutschen Kollegen aus dem Kreis jener, die der Kommission die Aufenthaltsanknüpfung nahelegen, in Erinnerung, der Vor-

Thomas Rauscher

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Einf EG-ErbVO-E 54-56

B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

Entwurf eines europäischen Personalstatuts55 ist hier nicht erneut vorzustellen. Er knüpft an die bereits in der Brüssel IIa-VO umgesetzte und auch im EG-ErbVO-E erneut aufgegriffene (ErwGr Nr 32) Erkenntnis an, dass eine Europäisierung des Staatsangehörigkeitsprinzips möglich ist, wenn man es für die Common-Law-Staaten (und andere Mitgliedstaaten im Optionswege) durch das domicile ersetzt. Dies kann zwar zur Doppelung des Anknüpfungskriteriums führen (Deutscher mit englischem domicile), die jedoch nach den Grundsätzen der effektiven Staatsangehörigkeit zu bewältigen sind. 54 Eine solche Anknüpfung bewahrt die Stabilität der bisherigen Anknüpfungskriterien und damit den durchschnittlich informierten Erblasser vor Überraschungen, die er nicht mehr korrigieren kann. Überdies dürfte sie die Abneigung des Common-LawRechtskreises gegen die Teilnahme an dem geplanten Instrument deutlich reduzieren, weil das gewohnte domicile-Prinzip die Regel bleibt. Eine maßvolle Rechtswahlbefugnis bei Schutz der Noterben und Pflichtteilsberechtigten könnte überdies für den Personenkreis, der mit seiner Mobilität auch erbrechtliche Folgerungen verbindet, sehr viel gezielter zum gewünschten Ergebnis führen als die Unterstellung gewollter Rechtsmobilität, die mit dem Vorschlag des Art 16 EG-ErbVO-E verbunden ist. b) Haager Modell 55 Einen anderen Weg weist Art 3 des Haager Erbstatutübereinkommens vom 1.8.1989 (HErbStÜbk; Rn 49); danach ist bei Übereinstimmung von gewöhnlichem Aufenthalt und Staatsangehörigkeit (zu substituieren wäre für UK und Irland das domicile) das Erbstatut hierdurch bestimmt (Art 3 Abs 1 HErbStÜbk). Bei mehr als fünfjährigem gewöhnlichem Aufenthalt in einem Nicht-Heimatstaat wechselt die Anknüpfung zum gewöhnlichen Aufenthalt (Art 3 Abs 2 HErbStÜbk). Bei nur kürzerfristigem Auslandsaufenthalt bleibt es hingegen bei der Staatsangehörigkeitsanknüpfung (Art 3 Abs 3 HErbStÜbk). Die im Bemühen um optimale Flexibilität in Art 3 Abs 2 und 3 HErbStÜbk vorgesehenen Ausweichklauseln lassen sich zwar angesichts ähnlicher Instrumente in der Rom I- VO und der Rom II-VO nicht rundweg ablehnen; doch dürfte eine dem Erblasser eingeräumte Rechtswahlbefugnis, wiederum unter Schutz der Pflichtteils- und Noterbrechte, zu besser vorhersehbaren Ergebnissen führen als nachträglicher gerichtlicher Beurteilungsspielraum. 56 Dieser Alternative wird absehbar entgegengehalten werden, eine Zeitgrenze sei immer willkürlich.56 Dies trifft zu, spricht aber nicht für den im EG-ErbVO-E gemachten Vorschlag eines Verzichts auf jede Stabilisierung der Aufenthaltsanknüpfung. Wie das Beispiel des § 2325 BGB, ja das Beispiel jeder Verjährung lehrt, lässt sich einem notwendigen Ziel nicht entgegenhalten, man verfolge es besser überhaupt nicht, als mit unvollkommenen, wenn auch in einer Vielzahl von Fällen wirksamen Mitteln. Zu erörtern wäre vor diesem Hintergrund lediglich, ob 5-jährige oder erst 10-jährige Ver-

55 56

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schlag sei interessant, aber der „Zug in der Kommission abgefahren“. Diese Formen kritikresistenter administrativer Entscheidungsbildung machen Europa seinen Bürgern nicht zu Unrecht suspekt. Rauscher FS Jayme (2004) 719, 741, zum Erbstatut 744. Jud GPR 2005, 133, 135.

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Einf EG-ErbVO-E 57- 60

bleibedauer die maßgebliche Schwelle setzt. Eine sachgerechte Lösung könnte sich hier auf der Grundlage soziologischer Erhebungen zur Dauer befristeter Arbeitsmigration in Europa erzielen lassen. 3.

Rechtswahl

a) Vorgeschlagene Regelung Art 17 Abs 1 EG-ErbVO-E sieht eine Rechtswahlbefugnis zum Heimatrecht vor, die 57 wohl im weiteren Normsetzungsverfahren durch eine Rechtswahl zum domicile aus Sicht des UK und Irlands ergänzt würde, wenn diese Mitgliedstaaten iSd Verordnung werden sollten (ErwGr Nr 32). Nicht zweifelsfrei geklärt ist durch die Formulierung, wie Doppelstaater zu behandeln sind. Bei wortlautentsprechender Anwendung dürfte die Wahl jedes Heimatrechts möglich sein; mittelbar wäre damit dem Erblasser gestattet, für Zwecke der Rechtswahl über die Effizienz eines seiner Heimatrechte zu entscheiden. Fraglich ist, ob eine Rechtswahl zum gegenwärtigen Heimatrecht auch wirksam bleiben soll, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes diesem Staat nicht mehr angehört. Nach dem Vorschlagstext ist dies wohl gewollt. Art 17 Abs 2 EG-ErbVO-E verlangt hierfür Ausdrücklichkeit sowie die Form einer 58 Verfügung von Todes wegen. Während letzteres, ebenso wie die entsprechende Vorschrift für Änderung und Widerruf (Art 17 Abs 4 EG-ErbVO-E) gewiss sinnvoll erscheint, erweckt die Beschränkung auf eine ausdrückliche Rechtswahl Bedenken. Da die Rechtswahlbefugnis gerade dem in seiner Heimatrechtsordnung erbrechtlich sozialisierten Erblasser die Möglichkeit eröffnen soll, die Aufenthaltsanknüpfung zu kompensieren, muss sie auch dem nicht Rechtsrat Suchenden offenstehen, der in seiner letztwilligen Verfügung mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen gibt, dass er von der Anwendung der Heimatrechtsordnung ausgeht. So muss es genügen, wenn ein sich gewöhnlich in England aufhaltender Deutscher Regelungen zum Pflichtteil oder zur Ausgleichungspflicht seiner Abkömmlinge trifft, die vor dem Hintergrund deutschen Rechts zu verstehen sind. Wohl sollte nicht die bei Auslegung letztwilliger Verfügungen im deutschen Recht geltende, dem Erblasserwillen zugeneigte „Anhalttheorie“ gelten; ein an Art 3 Rom I-VO orientiertes Maß der Gewissheit sollte hingegen auch für die Erbstatutswahl genügen. Für Zustandekommen und materielle Wirksamkeit der Rechtswahl verweist Art 17 59 Abs 3 EG-ErbVO-E, wiederum orientiert am Rom I-Vorbild, auf das gewählte Recht. Das kann nicht bedeuten, dass das gewählte Recht weitere kollisionsrechtliche Schranken gegen eine Wahl des Erbstatuts errichten dürfte. Es ist nur insoweit maßgeblich, als es bei grundsätzlicher Zulässigkeit gemäß Art 17 Abs 1 EG-ErbVO-E die rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen der Wahl bestimmt, zu denen insbesondere auch die Testierfähigkeit, somit auch Altersgrenzen rechnen, die auf die Erbstatutswahl erstreckt werden. b) Verhältnis zur Grundanknüpfung Die in Art 17 EG-ErbVO-E vorgeschlagene Rechtswahlbefugnis geht von einer Ab- 60 wägung zwischen den Erwartungen des Erblassers und denen der Erben und PflichtThomas Rauscher

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Einf EG-ErbVO-E 61- 63

B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

teilsberechtigten aus und will deshalb zu Recht strenge Anforderungen setzen (ErwGr Nr 18). Vor dem Hintergrund der hier abgelehnten Grundanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt wird die beschränkte Rechtswahlbefugnis zum Heimatrecht dieser Vorgabe gerecht. Da das Heimatrecht nur wenig Spielraum für Manipulation bietet, erscheinen die Rechte geschützter Nachlassbeteiligter ausreichend gewahrt.57 61 Anders würde sich die Entscheidung darstellen, sollte sich im Normsetzungsverfahren doch noch eine am Heimatrecht /domicile orientierte Grundanknüpfung durchsetzen. Dann würde als wählbares Recht im Interesse einer gezielten Integrationsentscheidung durch den Erblasser durchaus das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts anzustreben sein. Freilich besteht insoweit dieselbe Gefahr der gezielten Manipulation durch Aufenthaltswechsel, wie bei einer aufenthaltsrechtlichen Grundanknüpfung.58 Die Rechtswahl zum Recht des gewöhnlichen Aufenthalts müsste somit unbeschadet der Rechte von Pflichtteilsberechtigten, Noterben oder aus dem Nachlass Unterhaltsberechtigter wirken.59 Zudem verlöre eine Wahl zum Recht des gewöhnlichen Aufenthalts ihre Berechtigung, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes diesen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr innehat.60 4.

Erbverträge, gemeinschaftliche Testamente

a) Erbvertrag 62 Für Erbverträge sieht Art 18 EG-ErbVO-E detaillierte Regelungen vor. Einseitig letztwillig verfügende Erbverträge werden dem Erbstatut des letztwillig Verfügenden im Zeitpunkt der Errichtung unterstellt, können jedoch bei Unwirksamkeit nach dem Errichtungsstatut durch einen Statutenwechsel zu einem Erbstatut im Zeitpunkt des Todes geheilt werden. Abgesehen von der etwas umständlichen Formulierung des Art 18 Abs 1 EG-ErbVO-E entspricht dies dem Vertrauensschutz und einer ausdrücklich angestrebten Begünstigung der Wirksamkeit (ErwGr Nr 20). 63 Beidseitig letztwillig verfügende Erbverträge unterstellt Art 18 Abs 2 EG-ErbVO-E im Interesse der Wirksamkeitsbegünstigung alternativ den Erbstatuten der Verfügenden im Zeitpunkt der Errichtung; bei Wirksamkeit nach mehreren Rechtsordnungen ist das anwendbare Recht auf Grund der engsten Verbindung zu bestimmen. Letztere Regelung erinnert an die Vorstellung des Common law, wonach der Nachlassübergang aufgrund Testaments als abschließendes System erscheint. Diese Sicht verkennt, dass in den kontinentalen Rechtsordnungen neben dem Grund der Erbberufung zahlreiche erbrechtliche Regelungen existieren, die sowohl für gesetzliche als auch für letztwillige Erbfolge Anwendung finden. Daher dürfte durch die Bestimmung der engsten Verbindung nicht das gesamte Erbstatut der anderen Verfügenden überlagert werden, sondern lediglich spezifisch erbvertragliche Fragestellungen, die über die Wirksamkeit 57 58 59 60

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Europäische Kommission, 14.10.2009, KOM (2009) 154, 7. Jud GPR 2005, 133, 137 ff. Dazu Rauscher FS Jayme (2004) 719, 745. Dazu Rauscher FS Jayme (2004) 719, 745.

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hinausgehen, also insbesondere die Bindung. Dies sollte freilich im weiteren Normsetzungsverfahren noch klargestellt werden. Überhaupt ist fraglich, ob eine so starke Begünstigung der Wirksamkeit von Erbverträgen tunlich ist. Es ist nicht zu verkennen, dass die vorgesehene alternative Anknüpfung letztlich einen Einbruch in materieller Wertungen der romanischen Staaten bedeutet, deren Angehörigen bei gemeinsam verfügenden Erbverträgen ggf der bindende Erbvertrag eröffnet wird.61 Nicht systematisch erklärlich ist auch, warum im Fall beidseitig verfügender Erbver- 64 träge eine Heilung durch Statutenwechsel nicht vorgesehen ist. Gewiss wäre Art 18 Abs 2 EG-ErbVO-E sprachlich etwas lang geworden, was aber durch den Entwurfsverfassern zu wenig geläufige Formulierungen wie „Abs 1 S 2 gilt entsprechend“ durchaus begrenzbar ist. Art 18 Abs 3 EG-ErbVO-E erweitert die Rechtswahlbefugnisse dahingehend, dass ein 65 Erbvertrag dem Recht unterstellt werden darf, das eine der letztwillig verfügenden Personen (nicht aber eine nicht verfügende Person) als Erbstatut nach Art 17 EG-ErbVO-E hätte wählen können, wobei unausgesprochen wieder der Zeitpunkt der Errichtung maßgibt. Die dadurch eröffneten Risiken für Pflichtteils- und Noterbrechte werden in Art 18 66 Abs 4 EG-ErbVO-E dergestalt abgewendet, dass Personen, die nicht Partei des Erbvertrages sind und denen nach dem gemäß Art 16 oder 17 EG-ErbVO-E bezeichneten Recht solche Ansprüche zustünden, diese nicht aberkannt werden können. Die Formulierung lässt nicht erkennen, ob auf Art 16 oder 17 EG-ErbVO-E abzustellen ist. Nach dem Zweck der Regelung, keine über die Grundanknüpfung und die Rechtswahl durch einen Erblasser allein hinausgehende Zurücksetzung solcher Berechtigter zu gestatten, wäre die Bezugnahme auf Art 16, 17 EG-ErbVO-E alternativ zu verstehen: Der durch Erbvertrag Verfügende kann seine Noterben und Pflichtteilsberechtigten insoweit beschränken, als ihm dies nach der Grundanknüpfung oder seinem Heimatrecht möglich wäre. b) Regelungslücken Eine Art 18 Abs 1 EG-ErbVO entsprechende Bestimmung für Einzeltestamente fehlt; 67 deren materielle Wirksamkeit würde sich nach dem vorliegenden Vorschlagstext also nach dem Erbstatut im Zeitpunkt des Todes bestimmen, es sei denn, der Erblasser hat sein Heimatrecht zum Erbstatut bestimmt, weil Art 17 Abs 1 EGErbVO-E zwangsläufig auf die gegenwärtige Staatsangehörigkeit bei Rechtswahl abstellt. Theoretisch fraglich bleibt aber auch in diesem Fall, ob der Erblasser ggf durch eine spätere Rechtswahl unbeabsichtigt einem früher errichteten Testament die Wirksamkeit entziehen kann. Für diese Fälle sollte eine Regelung ergänzt werden, welche die materielle Wirksamkeit dem im Zeitpunkt der Errichtung nach Art 16, 17 EG-ErbVO-E anzuwendenden

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Für eine kumulative Anknüpfung daher Rauscher FS Jayme (2004) 719, 745.

Thomas Rauscher

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B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

Recht unterstellt; ggf bedarf es auch einer Heilungsregelung, die nicht anders gestaltet sein sollte als bei Erbverträgen. 68 Gänzlich unbedacht scheint die Problematik der materiellen Wirksamkeit und der Wirkungen gemeinschaftlicher Testamente. Nach Art 19 Abs 2 lit k EG-ErbVO-E wäre auf die materielle Gültigkeit somit kumulativ das Erbstatut jedes Testierenden anzuwenden. Diese tendenziell wirkungsunfreundliche Behandlung ist schwerlich mit der Begünstigung von Erbverträgen zu vereinbaren.62 Insoweit bedarf es einer Regelung im weiteren Normsetzungsverfahren, die wohl am ehesten durch Einbeziehung gemeinschaftlicher Testamente in Art 18 Abs 2 bis 4 EG-ErbVO-E zu erreichen ist. 5.

Besondere Vorschriften

69 Eine Bestimmung, die prima facie an den Vorrang des Einzelstatuts (Art 3a Abs 2 EGBGB) erinnert, enthält Art 22 EG-ErbVO-E. Das nach der VO bestimmte Erbstatut lässt die Anwendung besonderer Regelungen über die Rechtsnachfolge von Todes wegen, die für Immobilien (wegen ihrer wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Bestimmung) nach Belegenheitsrecht bestehen, unberührt. Hiermit sollen jedoch gerade nicht Kollisionsnormen und auch nicht Noterb- und Pflichtteilsregelungen des Belegenheitsrechts durchgesetzt werden (ErwGr Nr 22). Art 22 EG-ErbVO-E bestimmt somit nur den Vorrang materieller Sonderbestimmungen, wie der norddeutschen oder Tiroler HöfeO.63 70 Die Bestimmung gilt nach ihrem Wortlaut nur dem Schutz von Sondernormen im Recht eines Mitgliedstaats. Ob dies gewollt ist oder ob es sich lediglich um ein Redaktionsversehen handelt, das sich durch Nichtbeachtung der universellen Geltung der Kollisionsnorm an dieser Stelle erklären ließe, ist nicht erkennbar. Sinnvoll erscheint eine Beschränkung jedenfalls nicht, denn der in einem Drittstaat Sondernormen unterstellte Immobiliarnachlass sollte tunlich nicht einem Erbstatut unterstellt werden, das zu im Belegenheitsstaat ohnehin nicht durchsetzbaren Ergebnissen führt. Im Verhältnis zu Drittstaaten ist überdies die Ausnahme kollisionsrechtlicher Nachlassspaltung aus dem Kreis der zu beachtenden Vorschriften verfehlt. Während in Mitgliedstaaten belegenes Vermögen schon wegen der Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts in Art 16 ff EG-ErbVO-E aus Sicht des Belegenheitsstaates nicht mehr gespalten angeknüpft wird, insoweit das in ErwGr Nr 22 angesprochene Problem einer kollisionsrechtlichen Sonderanknüpfung überhaupt nicht mehr auftreten kann, provoziert die Durchsetzung des Gesamtstatuts gegen das Einzelstatut im Verhältnis zu Drittstaaten unsinnige Prozesse. So käme in dem nicht seltenen Fall der Zugehörigkeit einer US-Immobilie zum Nachlass eines in Deutschland lebenden und verstorbenen Deutschen künftig umfassend deutsches Erbrecht zur Anwendung. Deutsche Gerichte müssten also ggf Pflichtteilsansprüche zugunsten enterbter Abkömmlinge ausurteilen, die den Wert des US-Immobiliennachlasses einbeziehen; hingegen könnten nicht ent62 63

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Dörner/Hertel/Lagarde/Riering IPRax 2005, 1, 6. Europäische Kommission, 14.10.2009, KOM (2009) 154, 7 f.

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Einf EG-ErbVO-E 71-74

erbte Abkömmlinge nur nach Maßgabe des jeweiligen US-Erbrechts auf die Immobilie zugreifen, da US-Gerichte sich natürlich nicht der europäischen Kollisionsnorm beugen werden. Hingegen trägt Art 21 EG-ErbVO-E vor allem den besonderen nachlassverfahrens- 71 rechtlichen Bestimmungen in den Staaten des Common Law, also der administration Rechnung.64 Dies wird de facto verfahrensrechtlich qualifiziert, ihre Erwerbsmodi überlagern also das fremde Erbstatut. Dasselbe gilt für Bestimmungen, die den Nachlasserwerb bis zur Zahlung der Erbschaftssteuer suspendieren (Art 21 Abs 2 lit b EGErbVO-E). 6.

Erbenlose Nachlässe

Art 24 EG-ErbVO-E löst das Qualifikationsproblem der Behandlung erbenloser Nach- 72 lässe zugunsten der Rechtsordnungen, die den Staat nicht in die Reihe der gesetzlichen Erben einreihen, sondern ihm ein Aneignungsrecht gegenüber erbenlosen Nachlässen gewähren. Die Lösung ist zwar kollisionsrechtsvergleichend unbefriedigend, weil sie ein archaisches System über den kollisionsrechtlichen Ansatz stellt. Eine andere Lösung würde freilich mittelbar in das materielle Recht der Mitgliedstaaten einwirken, die ein Aneignungsrecht vorsehen; formal ließe sich zwar die Problematik als Qualifikationsproblem in Art 19 EG-ErbVO-E verbergen; faktisch bedeutete eine solche Lösung jedoch die Abschaffung solcher Aneignungsrechte. 7.

Kommorienten

Wird Art 23 EG-ErbVO-E Realität, so ist der schöne Fall des englischen /französischen 73 Vaters und seiner französischen/englischen Tochter Geschichte. Art 23 EG-ErbVO-E löst das Problem der Kommorienten im Sinne einer praktikablen Angleichung.65 Bei Widerspruch zwischen den Kommorientenregelungen oder Fehlen solcher Regelungen in den beteiligten Rechtsordnungen wird keiner der Kommorienten am Nachlass des anderen beteiligt. Freilich unterläuft bei Umsetzung dieser zustimmungswürdigen Regel in den Text des 74 Art 23 EG-ErbVO-E ein Fehler: Bestimmungen, welche bei unklarem Todeszeitpunkt zweier Personen die Reihenfolge von deren Tod festlegen sind verschollenheitsrechtlich zu qualifizieren; damit fallen sie gemäß Art 1 Abs 3 lit c EG-ErbVO-E nicht in deren Anwendungsbereich. Art 23 EG-ErbVO-E bezieht sich hingegen auf die Verschollenheitsregelungen des auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Rechts. Die Regelung wäre so zu fassen, dass nicht auf das (vereinheitlichte) Erbstatut, sondern auf das „auf den Zeitpunkt des Todes einer unter solchen Umständen verstorbenen Person nach dem Kollisionsregeln des zuständigen Gerichts anzuwendende Recht“ abgestellt wird.

64 65

Europäische Kommission, 14.10.2009, KOM (2009) 154, 6. Vgl schon zu dem Ansatz im Grünbuch Strumpf EuZW 2006, 587, 589.

Thomas Rauscher

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8.

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Ordre public

75 Auch im Kollisionsrecht (zur Anerkennung oben Rn 39) bleibt grundsätzlich zustimmungswürdig der ordre-public des Staates des angerufenen Gerichts vorbehalten (Art 27 Abs 1 EG-ErbVO-E). 76 Nachdrücklich abzulehnen ist hingegen die vorgesehene Beschränkung in Art 27 Abs 2 EG-ErbVO-E, wonach die Unvereinbarkeit einer Bestimmung des Erbstatuts nicht allein auf eine gegenüber der lex fori abweichende Regelung des Pflichtteilsanspruchs gestützt werden kann. Diese Ausnahme legt zumindest die Interpretation nahe, dass auch das gänzliche Fehlen von Pflichtteilsrechten der Angehörigen der Kernfamilie nicht dem ordre-public zugerechnet werden dürfe; diese Annahme wird bestärkt durch die Entwurfserläuterung, diese Bestimmung solle die Nachlasseinheit sichern.66 Das Pflichtteilsrecht ist, worauf zu Recht der Bundesrat67 hingewiesen hat, Bestandteil des deutschen ordre-public. Es liegt auf der Hand, dass die Entwurfsverfasser mit dieser Ausnahme eine Korrektur angesichts der hohen Manipulationsanfälligkeit der Wahl des gewöhnlichen Aufenthalts als Grundanknüpfung schaffen wollen. Eine solche Brüskierung der Grundwerte des deutschen Verfassungsrechts sollte tunlichst im weiteren Normsetzungsverfahren verhindert werden; wann, wenn nicht hier, wäre die Zeit gekommen, dass das BVerfG seiner „Solange-Rechtsprechung“ endlich ein quousque tandem! folgen lässt. 9.

Formstatut

a) Testamentsformstatut 77 Weise ist die Überlassung des Formstatuts an das Haager Testamentsformabkommen, soweit dieses von dem jeweils befassten Mitgliedstaat ratifiziert wurde (ErwGr Nr 19). Jede andere Lösung hätte zu Vorrangkonflikten iSd Art 45 EG-ErbVO-E geführt. 78 Noch weiser wäre freilich eine Implementierung der Bestimmungen des Haager Testamentsformabkommens in den EG-ErbVO-E; für die Staaten, die das Haager Abkommen nicht ratifiziert haben, bliebe es nach dem gegenwärtigen Stand des Vorschlags bei der Anwendung des nationalen IPR. Dies bedeutet gerade für regelungsbereite und -bewusste Erblasser und damit für die notarielle Praxis einen vermeidbaren Unsicherheitsfaktor. b) Annahme, Ausschlagung 79 Hingegen trifft für Annahme und Ausschlagung der Erbschaft oder eines Vermächtnisses sowie für Erklärungen zur Haftungsbegrenzung Art 20 EG-ErbVO-E eine Sonderanknüpfung, die von einer grundsätzlich erbrechtlichen Qualifikation dieser Erklärungen ausgeht. Solche Erklärungen sind danach gültig, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des Staates eingehalten werden, in dem der Erbe oder Vermächtnisnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Während der Normtext von „gültig“ 66 67

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Europäische Kommission, 14.10.2009, KOM (2009) 154, 8. Stellungnahme zum Grünbuch BR-Drs 174/05, 3.

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B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

Einf EG-ErbVO-E 80- 82

spricht, was durchaus auch die materielle Gültigkeit einschließen könnte, ergibt sich aus der Überschrift die Intention, lediglich eine alternative Anknüpfung der Erklärungsform zu schaffen. Dies sollte im weiteren Normsetzungsverfahren auch im Normtext deutlich werden. Eine Erstreckung auf die materielle Wirksamkeit kann nicht gewollt sein, würde sie doch dazu führen, dass insbesondere jeder Erbe nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten beschränken könnte. Auch bezogen auf Annahme und Ausschlagung käme es zu sonderbaren Ergebnissen, wenn jeder Erbe nach anderen Regeln die Rechtsnachfolge anträte. IV.

Europäisches Nachlasszeugnis

1.

Konzeption, Zuständigkeit

a) Fakultatives Nachlasszeugnis – Alternativvorschlag Art 36 ff EG-ErbVO-E sehen die Schaffung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vor, 80 das als fakultatives Zeugnis die nationalen Erben- und Testamentsvollstreckerzeugnisse nicht ersetzen (Art 36 Abs 2 EG-ErbVO-E), jedoch einen unmittelbaren, nicht von der Anerkennung abhängigen, Weg der Legitimation in allen Mitgliedstaaten bereitstellen soll. Dieses im Grundsatz praxisfreundliche Ziel droht freilich bereits im Ansatz in einer unglaublichen inhaltlichen Überfrachtung (Art 41 EG-ErbVO-E) zu ersticken.68 Das Ziel einer kostengünstigeren und effizienteren Nachlassabwicklung (ErwGr Nr 27) kann nur erreicht werden, wenn Verfahren und Inhalt des Nachlasszeugnisses so gestrafft werden, dass es einen ernsthaften Praxisvorteil gegenüber der durch die Anerkennungsregeln gesteigerten Verkehrsfähigkeit nationaler Erbenzeugnisse erbringt. Es könnte sich zudem erweisen, dass das Europäische Nachlasszeugnis just im Augen- 81 blick seiner Erfindung überflüssig wird: Geht man von der Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts und der umfassenden Zuständigkeit der Gerichte am letzten gewöhnlichen Erblasseraufenthalt aus, so werden dort ausgestellte nationale Erbzeugnisse ohnehin den gesamten EU-belegenen Nachlass umfassen und nach Art 29 ff EG-ErbVO-E in allen Mitgliedstaaten anerkennungsfähig sein.69 Mit der Anerkennungsfähigkeit wäre, anders als bisher, auch die Gutglaubenswirkung nach dem aus Sicht aller Mitgliedstaaten gleichermaßen anzuwendenden Erbstatut verbunden. Ein Europäisches Nachlasszeugnis hätte daneben nur den Sinn, im Erbstatut nicht vorgesehene Vermutungen hinsichtlich weiterer Umstände (Bestehen eines Ehevertrages: Art 41 Abs 2 lit c EG-ErbVO-E; Umfang von Vermächtnissen: Art 41 Abs 2 lit i EG-ErbVO-E jeweils iVm Art 42 Abs 2 EG-ErbVO-E) zu begründen, was massiv in das materielle Erbstatut und in das Ehegüterstatut eingreift. Im weiteren Normsetzungsverfahren sollte daher erwogen werden, die Einführung des 82 Europäischen Nachlasszeugnisses auf die Ebene der formellen Vereinheitlichung zu 68 69

Baldus GPR 2006, 80, 81. Ebenso Stumpf EuZW 2006, 587, 592.

Thomas Rauscher

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Einf EG-ErbVO-E 83- 85

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reduzieren und hierbei das Verfahrensmodell des Europäischen Vollstreckungstitels mutatis mutandis zu übernehmen.70 So könnte ein nationales Erben- oder Testamentsvollstreckerzeugnis in ein Europäisches Nachlasszeugnis transformiert werden, wobei die Wirkungen unangetastet bleiben, jedoch in hierfür vorzusehenden Formularfeldern mitgeteilt wird, welche Wirkungen dem jeweiligen Zeugnis zukommen. Ebenfalls in Anlehnung an den Europäischen Vollstreckungstitel könnte ein solches transformiertes Zeugnis sodann vorbehaltlich seiner Aufhebung oder Rücknahme im Ursprungsmitgliedstaat der unmittelbaren Geltung ohne Anerkennung nach Art 29 ff EG-ErbVO-E unterliegen, wenn mit seiner Erteilung im Ursprungsmitgliedstaat die Prüfung insbesondere der ordnungsgemäßen Gewährung rechtlichen Gehörs an alle materiell Beteiligten verbunden wird. b) Zuständigkeit 83 Art 37 Abs 2 EG-ErbVO-E sieht die Erteilung auf Antrag durch das gemäß Art 4, 5 und 6 EG-ErbVO-E zuständige Gericht vor. Fraglich ist, ob die in Abs 1 verwendete Formulierung „Person, die verpflichtet ist ... nachzuweisen“ eine zusätzlich beschränkende Erteilungsvoraussetzung verbunden werden soll oder diese Wendung lediglich Ausdruck ungelenker Sprachbeherrschung ist. Das Zeugnis sollte „auf Antrag eines Erben, Vermächtnisnehmers, Testamentsvollstreckers oder Fremdverwalters“ erteilt werden. Ob diese Person aktuell einen Nachweis ihrer Eigenschaft führen muss oder die Bescheinigung gleichsam „auf Vorrat“ beantragt, kann keine Rolle spielen; das Rechtsschutzinteresse folgt bereits aus der entsprechenden materiellrechtlichen Stellung. c) Verfahren 84 Art 38 bis 40, 43, 44 EG-ErbVO-E sowie Anhang I zeugen von der Lust der Entwurfsverfasser an der Neuerfindung des verfahrensrechtlichen Rades. Die Bestimmungen sind selbsterklärend und hier nicht zu erörtern. Der dabei entwickelte Aufwand zur Schaffung eines neben die nationalen Verfahren tretenden Verfahrens gibt freilich ein weiteres Argument für den hier gemachten Vorschlag einer Europäisierung nationaler Erbenzeugnisse (Rn 81). Auch dieser Weg erfordert, wie die EG-VollstrTitelVO lehrt, zusätzlichen Verfahrensaufwand, der aber zusätzlichen Wirkungen geschuldet ist und nicht nationales Verfahrensrecht dupliziert. 2.

Inhalt

85 Der nach Art 41 EG-ErbVO-E geplante Inhalt geht deutlich über den eines Erbscheins oder Testamentsvollstreckerzeugnisses hinaus. Dies steigert zwangsläufig den Aufwand, den das erteilende Gericht in Amtsermittlung anstellen muss, zumal offenbar der gesamte Inhalt von der Vermutung des Art 42 Abs 2 EG-ErbVO-E erfasst werden soll. Der Grundsatz „nur ein großes Formular ist ein gutes Formular“ ist hier ein weiteres Mal Leitprinzip der Ausformung vor allem der Anlagen. Ein Teil des etwas umständlich umschriebenen Inhalts betrifft im engeren Sinn die Berufung des Erben und erscheint als Inhalt des Zeugnisses sinnvoll:71 Gerichtszuständigkeit (Art 41 Abs 2 70

AA Heggen RNotZ 2007, 1, 13.

71

Vgl auch Dörner/Hertel/Lagarde/Riering IPRax 2005, 1, 8.

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Einf EG-ErbVO-E 86- 88

lit a EG-ErbVO-E), Bezeichnung des Erblassers (lit b),72 anzuwendendes Erbstatut mit Sachbegründung (lit d), Berufungs- bzw Berechtigungsgrund für Erben und Testamentsvollstrecker (lit e) und Angaben zu den Erben (lit h HS 1) sowie zur Annahme (lit g). Bei vernünftiger Auslegung ist auch die Angabe von Beschränkungen (lit j), etwa Nacherbrechten oder Bindungen durch Erbverträge sinnvoll, wobei hier je nach Qualität der Beschränkung die Vermutungswirkung problematisch sein kann. Ob ein solches Zeugnis den Antragsteller nennen muss (lit f), mag hingegen fraglich sein, da die Wirkungen ersichtlich nicht nur zugunsten des Antragstellers vorgesehen sind. Bedenken erweckt hingegen die in Art 41 Abs 2 lit c geforderte Angabe zum Vorhan- 86 densein von Eheverträgen. Da das Ehegüterrecht nicht zum sachlichen Anwendungsbereich rechnet, sind mit Vermutungswirkung ausgestattete Angaben zu ehegüterrechtlichen Instrumenten im Europäischen Nachlasszeugnis verfehlt. Bedenken bestehen auch gegen die Ansätze, Angaben zum Nachlassumfang in das 87 Zeugnis zu implementieren. Dies ist vorgesehen hinsichtlich von „Nachlassgütern, die einem bestimmten Erben zustehen“ (lit h HS 2), was sowohl Vorausvermächtnisse als auch Teilungsanordnungen betreffen kann, sowie von „Nachlassgütern, die einem Vermächtnisnehmer“ zustehen. Dies ist nicht nur unpraktikabel; man stelle sich nur ein Nachlasszeugnis vor, das in Vollständigkeit das Vorausvermächtnis nach § 1932 BGB ausweist. Eine solche Regelung durchbricht die dem Erbstatut zu überlassende Unterscheidung von Damnations- und Vindikationslegaten und die lege fori bestehenden Grenzen zwischen erbrechtlichen Entscheidungen der freiwilligen und streitigen Gerichtsbarkeit, in die einzugreifen es der EG an Kompetenz fehlt. Sollte etwa bei Aufnahme eines Vermächtnisses eine Bindung des Prozessgerichts an die vom Nachlassgericht begründete Vermutung des Art 42 Abs 2 EG-ErbVO-E bestehen? Bedenklich sind schließlich die nach Art 41 Abs 2 lit k EG-ErbVO-E geforderten An- 88 gaben zu Handlungen, die dem Erben etc gestattet sind. Gemessen an lit j (Beschränkungen) wird hier offenbar ein Positivkatalog von Befugnissen erwartet. Dies bedeutet freilich, dass das Nachlasszeugnis hier zum Erbrechtshandbuch des anwendbaren Erbstatuts mutiert, weil gerade nicht vom Normalfall abweichende Beschränkungen (insoweit lit j), sondern insbesondere kraft Gesetzes bestehende Befugnisse mitzuteilen wären. Solche Informationen sollten tunlich Gegenstand eines verstärkten Informationsaustauschs über die Rechtslage in den Mitgliedstaaten sein, haben aber in einem Nachlasszeugnis keinen Platz. Allenfalls individuell angeordnete Befugniserweiterungen (zB Befreiungen nach § 2136 BGB) lassen sich hier sinnvoll subsumieren.

72

Hierzu beunruhigt nur die Nennung der „Personenkennziffer (sofern vorhanden)“, die den Verfasser mutmaßen lässt, dass die Kommission zur Stärkung der Verkehrsfähigkeit der Bürger im Binnenmarkt die Einführung einer solchen nicht länger den Mitgliedstaaten und ihren womöglich zu liberalen Vorstellungen von Persönlichkeitsentfaltung wird überlassen können.

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Einf EG-ErbVO-E 89, 90

3.

B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

Wirkungen

89 Gravierende Spannungen zum materiellen Erbstatut sowie zu anderen Sach- und lässt Art 42 EG-ErbVO-E erwarten, für dessen Erlass es der Gemeinschaft schlicht an einer Kompetenz fehlt.73 Art 42 Abs 2 S 2, Abs 3, Abs 4 EG-ErbVO-E sind materiellrechtliche Vermutungswirkungen, die in Konkurrenz zum materiellen Erbrecht, aber auch zum Sachenrecht treten. Art 42 Abs 5 EG-ErbVO-E regelt nicht nur nebenbei eine grundbuchverfahrensrechtliche Frage, sondern setzt, soweit der Begriff „Titel“ bedacht gewählt wurde, implizit ein Sachenrecht voraus, das vom Titulus-Modus-Grundsatz geprägt ist. 90 Zudem greift die in Art 42 Abs 2 S 1 EG-ErbVO-E vorgesehene positive und negative Vermutungswirkungen in Ansehung des gesamten Inhalts auch über in das Ehegüterrecht. Das Bestehen eines Ehevertrages, das zum Inhalt des Nachlasszeugnisses rechnet, bedeutet auch dessen Wirksamkeit, nicht nur das schiere Vorhandensein einer entsprechenden Urkunde. Wie sich in Ansehung der in Art 41 EG-ErbVO-E teilweise vorgesehenen Angaben zum Nachlassbestand die Vermutung inhaltlicher Richtigkeit auswirken sollte, erscheint kaum klärbar.

Text des Verordnungsvorschlags: Der gegenwärtige Stand des Verfahrens wird repräsentiert durch den Kommissionsvorschlag vom 14.10.2009. Kommissionsvorschlag KOM (2009) 154

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION –

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 61 Buchstabe c und Artikel 67 Absatz 5 zweiter Gedankenstrich, auf Vorschlag der Kommission1, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses2, gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag, in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Europäische Gemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zum schrittweisen Aufbau dieses Raums erlässt die Gemeinschaft Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, soweit dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist.

73 1 2

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So auch Heggen RNotZ 2007, 1, 14; Lehmann IPRax 2006, 204, 207. ABl. C [...] vom [...], S. [...]. ABl. C [...] vom [...], S. [...].

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EG-ErbVO-E

(2) Nach Artikel 65 Buchstabe b EG-Vertrag betreffen solche Maßnahmen unter anderem die Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und der Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten. (3) Auf seiner Tagung vom 15./16. Oktober 1999 in Tampere hat der Europäische Rat den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung von Urteilen und anderen Entscheidungen von Justizbehörden als Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen unterstützt und den Rat und die Kommission ersucht, ein Maßnahmenprogramm zur Umsetzung dieses Grundsatzes anzunehmen. (4) Daraufhin hat der Rat am 30. November 2000 das Maßnahmenprogramm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen angenommen3. In diesem Programm sind Maßnahmen zur Harmonisierung der Kollisionsnormen aufgeführt, die die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen vereinfachen sollen. Zu diesen Maßnahmen zählt auch die Ausarbeitung eines Rechtsinstruments zum Erb- und Testamentsrecht. Dieser Rechtsbereich war aus der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen4 ausgeklammert worden. (5) Auf seiner Tagung in Brüssel vom 4./5. November 2004 beschloss der Europäische Rat ein neues Programm mit dem Titel „Haager Programm zur Stärkung von Freiheit, Sicherheit und Recht in der Europäischen Union“5. Danach soll bis 2011 ein Rechtsinstrument zum Erbrecht erlassen werden, das eine Regelung des Kollisionsrechts, der gerichtlichen Zuständigkeit, der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung erbrechtlicher Entscheidungen sowie die Einführung eines Europäischen Erbscheins und eines Verfahrens vorsieht, mit dem sich eindeutig feststellen lässt, ob eine in der Europäischen Union ansässige Person ein Testament oder eine sonstige Verfügung von Todes wegen hinterlassen hat. (6) Die Hindernisse für den freien Verkehr von Personen, denen die Durchsetzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit einem internationalen Erbfall derzeit noch Schwierigkeiten bereitet, sollten ausgeräumt werden, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu erleichtern. In einem europäischen Rechtsraum muss es den Bürgern möglich sein, ihren Nachlass im Voraus zu regeln. Die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer sowie der anderen mit dem Erblasser verbundenen Personen und der Nachlassgläubiger müssen gewahrt werden. (7) Um diese Ziele zu erreichen, bedarf es einer Verordnung, in der die Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie über ein Europäisches Nachlasszeugnis zusammengefasst sind. (8) Der Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich auf alle zivilrechtlichen Fragen erstrecken, die sich im Zusammenhang mit einer Rechtsnachfolge von Todes wegen stellen, und zwar auf alle Formen des Eigentumsübergangs von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch Testament oder Erbvertrag oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge. (9) Gültigkeit und Wirkungen unentgeltlicher Zuwendungen bestimmen sich nach der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I)6. Sie sollten daher vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden ebenso wie andere Rechte und Sachen, die auf anderem Weg als durch die Rechtsnachfolge von Todes wegen entstehen oder übertragen werden. Ob diese unentgeltli3

ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 1.

4

ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1.

5

ABl. C 53 vom 3.3.2005, S. 1.

6

ABl. L 177 vom 4.7.2008, S. 6.

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chen Zuwendungen oder sonstige Verfügungen unter Lebenden mit sofortiger dinglicher Wirkung bei der Bestimmung der Anteile von Erben oder Vermächtnisnehmern eine Verpflichtung zur Ausgleichung oder Anrechnung begründen, entscheidet sich nach dem Erbstatut, das nach Maßgabe dieser Verordnung bestimmt wird. (10) Während diese Verordnung die Art und Weise des Erwerbs eines dinglichen Rechts an einem körperlichen oder nicht körperlichen Gegenstand nach Maßgabe des anzuwendenden Erbstatuts regeln soll, sollte der Numerus Clausus der nach dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten zulässigen dinglichen Rechte, der sich grundsätzlich nach der lex rei sitae bestimmt, den einzelstaatlichen Kollisionsnormen unterliegen. Von der Verordnung ausgenommen werden sollte auch die Publizität dieser Rechte, insbesondere die Funktionsweise des Grundbuchs und die Wirkungen einer Grundbucheintragung oder einer unterlassenen Eintragung, die ebenfalls dem Belegenheitsrecht unterliegen. (11) Um den verschiedenen Vorgehensweisen bei der Abwicklung eines Erbfalls in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, sollte der Begriff „Gericht“ in dieser Verordnung weit ausgelegt werden, so dass die Verordnung auch die Zuständigkeit außergerichtlicher Stellen regelt, die insbesondere im Wege der Befugnisübertragung gerichtliche Aufgaben ausüben. (12) In Anbetracht der zunehmenden Mobilität der europäischen Bürger sollte die Verordnung im Interesse einer geordneten Rechtspflege in der Europäischen Union und einer konkreten Anknüpfung zwischen dem Nachlass und dem für dessen Abwicklung zuständigen Mitgliedstaat für den gesamten Nachlass die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats vorsehen, in dem der Erblasser seinen letzten Aufenthalt hatte. Aus denselben Gründen sollte diese Verordnung es dem zuständigen Gericht unter bestimmten Voraussetzungen gestatten, den Fall ausnahmsweise an ein Gericht des Heimatstaats des Erblassers zu verweisen, wenn dieses den Fall besser beurteilen kann. (13) Um die gegenseitige Anerkennung zu erleichtern, sollte ein Verweis auf die Zuständigkeitsvorschriften des einzelstaatlichen Rechts von nun an ausgeschlossen sein. In dieser Verordnung ist daher festzulegen, in welchen Fällen ein mitgliedstaatliches Gericht eine Auffangzuständigkeit ausüben kann. (14) Im Interesse der Erben und Vermächtnisnehmer, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat leben, dessen Gerichte für die Abwicklung des Nachlasses zuständig sind, sollte ihnen diese Verordnung die Möglichkeit geben, Erklärungen über die Annahme der Erbschaft oder des Vermächtnisses oder den Verzicht auf die Erbschaft oder das Vermächtnis gegebenenfalls vor den Gerichten des Staates ihres gewöhnlichen Aufenthalts in der Form abzugeben, die nach dem Recht dieses Staates vorgesehen ist. (15) Infolge der engen Verbindung zwischen dem Erbstatut und dem Realstatut sollte die Verordnung einen außerordentlichen Gerichtsstand am Belegenheitsort der Nachlassgegenstände vorsehen, wenn das Recht des Belegenheitsmitgliedstaats die Einschaltung seiner Gerichte vorschreibt, um sachenrechtliche Maßnahmen anzuordnen, die den Eigentumsübergang und die Eintragung der Sache in das Grundbuch betreffen. (16) Im Interesse einer geordneten Rechtspflege ist zu vermeiden, dass in zwei Mitgliedstaaten Entscheidungen ergehen, die miteinander unvereinbar sind. Hierzu sollte die Verordnung allgemeine Verfahrensvorschriften nach dem Vorbild der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vorsehen. (17) Damit die Bürger die Vorteile des Binnenmarkts ohne Einbußen bei der Rechtssicherheit nutzen können, sollte die Verordnung ihnen im Voraus Klarheit über das in ihrem Fall anwendbare Erbstatut verschaffen. Es sollten harmonisierte Kollisionsnormen eingeführt werden, um zu vermeiden, dass in den Mitgliedstaaten einander widersprechende Entscheidungen ergehen. Die allgemeine Kollisionsnorm sollte sicherstellen, dass der Erbfall einem im Voraus bestimmbaren Erbstatut unterliegt, zu dem eine enge Verbindung besteht. Im Interesse der Rechtssicherheit muss das Erbstatut für alle Nachlassgegenstände

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EG-ErbVO-E

gelten ungeachtet ihrer Art oder Belegenheit, um die aus einer Nachlassspaltung resultierenden Schwierigkeiten zu vermeiden. (18) Die Verordnung sollte den Bürgern durch die Wahl des anwendbaren Rechts mehr Möglichkeiten bieten, ihren Nachlass vorab zu regeln. Diese Rechtswahl sollte strengen Anforderungen unterliegen, damit die berechtigten Erwartungen der Erben und Vermächtnisnehmer gewahrt bleiben. (19) Die Formgültigkeit der Verfügungen von Todes wegen ist in dieser Verordnung nicht geregelt. In dieser Hinsicht ist das Haager Übereinkommen vom 5. Oktober 1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht für diejenigen Mitgliedstaaten maßgebend, die dieses Übereinkommen ratifiziert haben. (20) Um die Anerkennung der in einem Mitgliedstaat erworbenen Nachlassansprüche zu erleichtern, sollte die Kollisionsnorm die Gültigkeit von Erbverträgen durch Anerkennung alternativer Anknüpfungskriterien begünstigen. Die berechtigten Erwartungen Dritter sollten dabei gewahrt werden. (21) Soweit dies mit der allgemeinen Zielsetzung dieser Verordnung vereinbar ist, sollte die Verordnung, um die Übertragung eines erbrechtlich erworbenen dinglichen Rechts zu erleichtern, der Anwendung bestimmter erschöpfend aufgeführter zwingender Vorschriften des Belegenheitsrechts nicht entgegenstehen. (22) Bestimmte unbewegliche Sachen, Unternehmen oder andere Arten von Vermögenswerten unterliegen im Belegenheitsmitgliedstaat aufgrund ihrer wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Bestimmung besonderen Erbvorschriften, die durch diese Verordnung gewahrt werden sollten. Diese Ausnahme von der Anwendung des Erbstatuts ist eng auszulegen, damit sie der allgemeinen Zielsetzung der Verordnung nicht zuwiderläuft. Sie gilt insbesondere weder für Kollisionsnormen, die unbewegliche Gegenstände einem anderen Recht unterwerfen als bewegliche Gegenstände, noch für den Pflichtteilsanspruch. (23) Die unterschiedlichen Lösungen der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Beanspruchung eines erbenlosen Nachlasses durch den Staat sowie die unterschiedliche Vorgehensweise in Fällen, in denen die zeitliche Reihenfolge des Ablebens einer oder mehrerer Personen nicht bekannt ist, können zu widersprüchlichen Ergebnissen führen oder vielmehr ein Vakuum schaffen. Diese Verordnung sollte zu einem kohärenten Ergebnis im Einklang mit dem materiellen Recht der Mitgliedstaaten führen. (24) Aus Gründen des öffentlichen Interesses sollte den Gerichten der Mitgliedstaaten im Ausnahmefall die Möglichkeit gegeben werden, die Anwendung ausländischen Rechts in einer bestimmten Sache zu versagen, wenn seine Anwendung mit der öffentlichen Ordnung (ordre-public) des Staates des angerufenen Gerichts unvereinbar wäre. Die Gerichte sollten die Anwendung des Rechts eines anderen Mitgliedstaats oder die Anerkennung oder die Vollstreckung einer Entscheidung, einer öffentlichen Urkunde, eines gerichtlichen Vergleichs oder eines Europäischen Nachlasszeugnisses aus einem anderen Mitgliedstaat auf der Grundlage dieses Ordre-public-Vorbehalts allerdings nur dann versagen dürfen, wenn dies gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot in Artikel 21, verstoßen würde. (25) Diese Verordnung sollte in Anbetracht ihrer allgemeinen Zielsetzung, nämlich der gegenseitigen Anerkennung der in den Mitgliedstaaten ergangenen erbrechtlichen Entscheidungen, Vorschriften für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen nach dem Vorbild der Verordnung (EG) Nr. 44/ 2001 vorsehen, die gegebenenfalls an die besonderen Anforderungen des hier behandelten Rechtsgebiets anzupassen sind. (26) Um den verschiedenen Verfahren zur Regelung erbrechtlicher Fragen in den Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, sollte diese Verordnung die Anerkennung und Vollstreckung öffentlicher Urkunden gewährleisten. Öffentliche Urkunden können diesbezüglich allerdings gerichtlichen Entscheidungen nicht völlig gleichgestellt werden. Die Anerkennung öffentlicher Urkunden bedeutet, dass sie hinsichtlich ihres Inhalts die gleiche Beweiskraft und die gleichen Wirkungen wie im Ursprungsstaat haben und für sie die

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– widerlegbare – Vermutung der Rechtsgültigkeit gilt. Die Rechtsgültigkeit kann somit stets vor einem Gericht des Ursprungsmitgliedstaats nach den in diesem Staat geltenden Verfahrensvorschriften angefochten werden. (27) Internationale Erbschaftsangelegenheiten lassen sich in der Europäischen Union schneller, kostengünstiger und effizienter abwickeln, wenn der Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter seinen Status in den Mitgliedstaaten, in denen sich Nachlassgegenstände befinden, einfach und ohne ein Verfahren anstrengen zu müssen nachweisen kann. Um den freien Verkehr solcher Nachweise in der Europäischen Union zu erleichtern, sollte in dieser Verordnung ein einheitliches Muster für ein Europäisches Nachlasszeugnis festgelegt und die Behörde bestimmt werden, die zur Ausstellung dieses Zeugnisses berechtigt ist. Das Europäische Nachlasszeugnis ersetzt entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip nicht die innerstaatlichen Verfahren der Mitgliedstaaten. In der Verordnung ist zu klären, wie das Europäische Nachlasszeugnis und die innerstaatlichen Verfahren ineinandergreifen. (28) Um die internationalen Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten eingegangen sind, zu wahren, darf sich die Verordnung nicht auf internationale Übereinkommen auswirken, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören. Um die allgemeinen Ziele dieser Verordnung zu wahren, muss die Verordnung jedoch im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten Vorrang vor den Übereinkommen haben. (29) Um die Anwendung dieser Verordnung zu erleichtern, sollten die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, über das mit der Entscheidung 2001/470/ EG des Rates vom 28. Mai 20017 eingerichtete Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen bestimmte Angaben zu ihrem Erbrecht zu machen. (30) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468 /EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse8 beschlossen werden. (31) Der Kommission sollte insbesondere die Befugnis übertragen werden, Änderungen der in dieser Verordnung vorgesehenen Formblätter nach dem Verfahren in Artikel 3 des Beschlusses 1999/468 /EG zu beschließen. (32) Bestimmt sich das anzuwendende Recht nach der Staatsangehörigkeit, ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bestimmte Staaten, deren Rechtssystem auf dem Common Law gründet, das „domicile“ und nicht die Staatsangehörigkeit als gleichwertiges erbrechtliches Anknüpfungskriterium heranziehen. (33) Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Sicherstellung der Freizügigkeit und der Möglichkeit für europäische Bürger, ihren Nachlass in einem internationalen Kontext im Voraus zu regeln, sowie die Wahrung der Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer, der anderen mit dem Erblasser verbundenen Personen und der Nachlassgläubiger, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht hinreichend verwirklicht, sondern wegen des Umfangs und der Wirkungen dieser Verordnung besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können, darf die Gemeinschaft entsprechend dem in Artikel 5 EG-Vertrag niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. (34) Diese Verordnung achtet die Grundrechte und Grundsätze, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden, namentlich Artikel 21, wonach Diskriminierungen insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen An7

ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 25.

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ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

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schauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung verboten sind. Bei der Anwendung dieser Verordnung müssen die Gerichte der Mitgliedstaaten diese Rechte und Grundsätze achten. (35) Gemäß den Artikeln 1 und 2 des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und im Anhang zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft [haben das Vereinigte Königreich und Irland mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten]/[beteiligen sich das Vereinigte Königreich und Irland unbeschadet des Artikels 4 des Protokolls nicht an der Annahme dieser Verordnung, die somit für das Vereinigte Königreich und Irland weder bindend noch anwendbar ist]. (36) Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung, die somit für Dänemark weder bindend noch in Dänemark anwendbar ist – HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen Artikel 1

Anwendungsbereich 1. Diese Verordnung findet auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen Anwendung. Sie gilt nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. 2. In dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Mitgliedstaat“ alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks, [des Vereinigten Königreichs und Irlands]. 3. Vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen sind: (a) Fragen des Personenstands sowie Familienverhältnisse und Beziehungen, die vergleichbare Wirkungen entfalten; (b) die Rechts-, Geschäfts- und Handlungsfähigkeit natürlicher Personen vorbehaltlich des Artikels 19 Absatz 2 Buchstaben c und d; (c) die Verschollenheit, die Abwesenheit und der mutmaßliche Tod einer natürlichen Person; (d) Fragen des Ehegüterrechts sowie des Güterrechts, das auf Verhältnisse anwendbar ist, die mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten; (e) Unterhaltspflichten; (f) Rechte und Vermögenswerte, die auf andere Weise als durch die Rechtsnachfolge von Todes wegen entstehen oder übertragen werden, wie unentgeltliche Zuwendungen, gemeinschaftliches Eigentum mit Anwartschaft des Übergangs auf den Überlebenden, Rentenpläne, Versicherungsverträge und ähnliche Vereinbarungen vorbehaltlich des Artikels 19 Absatz 2 Buchstabe j;

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(g) Fragen des Gesellschaftsrechts wie Klauseln im Errichtungsakt oder in der Satzung einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer juristischen Person, die das Schicksal der Anteile verstorbener Gesellschafter beziehungsweise Mitglieder regeln; (h) die Auflösung, das Erlöschen und die Verschmelzung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen; (i) die Errichtung, Funktionsweise und Auflösung eines Trusts; (j) die Art der dinglichen Rechte an einem Gegenstand und die Publizität dieser Rechte.

Artikel 2

Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck (a) „Rechtsnachfolge von Todes wegen“ jede Form des Eigentumsübergangs von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch Testament oder Erbvertrag oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge; (b) „Gericht“ jede Justizbehörde oder jede sonstige zuständige Stelle eines Mitgliedstaats, die gerichtliche Aufgaben in Erbsachen wahrnimmt; den Gerichten gleichgestellt sind Stellen, die hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, die in die Zuständigkeit der Gerichte nach Maßgabe dieser Verordnung fallen; (c) „Erbvertrag“ eine Vereinbarung, durch die mit oder ohne Gegenleistung Rechte einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen am künftigen Nachlass begründet, geändert oder entzogen werden; (d) „gemeinschaftliches Testament“ ein von zwei oder mehr Personen in derselben Urkunde errichtetes Testament, in dem sich die Personen gegenseitig als Erben einsetzen und/oder in dem ein Dritter als Erbe eingesetzt wird; (e) „Ursprungsmitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, in dem je nach Fall die Entscheidung ergangen, der gerichtliche Vergleich gebilligt oder geschlossen oder die öffentliche Urkunde aufgenommen worden ist; (f) „ersuchter Mitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung und/oder Vollstreckung der Entscheidung, des gerichtlichen Vergleichs oder der öffentlichen Urkunde beantragt wird; (g) „Entscheidung“ jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats in Erbsachen erlassene Entscheidung ungeachtet ihrer Bezeichnung wie Urteil, Beschluss oder Vollstreckungsbescheid einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten; (h) „öffentliche Urkunde“ ein Schriftstück, das als öffentliche Urkunde förmlich errichtet oder eingetragen worden ist und dessen Beweiskraft – sich auf die Unterschrift und den Inhalt der öffentlichen Urkunde bezieht und – durch eine Behörde oder eine andere vom Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist; (i) „Europäisches Nachlasszeugnis“ eine von dem zuständigen Gericht nach Maßgabe des Kapitels VI erteilte Bescheinigung.

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EG-ErbVO-E

Kapitel II Zuständigkeit Artikel 3

Gerichte Die Bestimmungen dieses Kapitels gelten für alle Gerichte der Mitgliedstaaten, finden auf außergerichtliche Stellen aber nur im Bedarfsfall Anwendung.

Artikel 4

Allgemeine Zuständigkeit Für erbrechtliche Entscheidungen sind vorbehaltlich der Bestimmungen dieser Verordnung die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Artikel 5

Verweisung an ein zur Beurteilung des Falls geeigneteres Gericht 1. Hat der Erblasser als Erbstatut das Recht eines Mitgliedstaats gemäß Artikel 17 gewählt, kann das nach Artikel 4 befasste Gericht auf Antrag einer Partei und wenn nach seinem Dafürhalten die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht der Erblasser gewählt hat, die Erbsache besser beurteilen können, das Verfahren aussetzen und die Parteien auffordern, die Gerichte des betreffenden Mitgliedstaats anzurufen. 2. Das nach Artikel 4 zuständige Gericht setzt eine Frist, innerhalb deren die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht der Erblasser gewählt hat, gemäß Absatz 1 anzurufen sind. Werden die Gerichte innerhalb dieser Frist nicht angerufen, so bleibt das befasste Gericht zuständig. 3. Die Gerichte des Mitgliedstaats, dessen Recht der Erblasser gewählt hat, erklären sich spätestens acht Wochen, nachdem sie gemäß Absatz 2 angerufen wurden, für zuständig. Daraufhin erklärt sich das zuerst angerufene Gericht unverzüglich für unzuständig. Anderenfalls bleibt das zuerst angerufene Gericht zuständig.

Artikel 6

Restzuständigkeit Hatte der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat, sind die Gerichte eines Mitgliedstaats dennoch zuständig, wenn sich in diesem Mitgliedstaat Nachlassgegenstände befinden und wenn

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B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

(a) der Erblasser seinen vorhergehenden gewöhnlichen Aufenthalt in dem betreffenden Mitgliedstaat hatte, sofern dieser Aufenthalt nicht länger als fünf Jahre vor der Anrufung des Gerichts zurückliegt, oder hilfsweise (b) der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besaß, oder hilfsweise (c) ein Erbe oder Vermächtnisnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hat oder hilfsweise (d) der Antrag ausschließlich diese Gegenstände betrifft.

Artikel 7

Widerklage Das Gericht, bei dem ein Verfahren gemäß den Artikeln 4, 5 oder 6 anhängig ist, ist auch für die Prüfung einer Widerklage zuständig, soweit diese in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt.

Artikel 8

Zuständigkeit für die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses Die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Erbe oder Vermächtnisnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sind auch für die Entgegennahme von Erklärungen über die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses sowie für Erklärungen zur Begrenzung der Haftung des Erben oder Vermächtnisnehmers zuständig, wenn diese Erklärungen vor einem Gericht abzugeben sind.

Artikel 9

Zuständigkeit der Gerichte am Belegenheitsort Schreibt das Recht des Mitgliedstaats, in dem Nachlassgegenstände belegen sind, ein Tätigwerden seiner Gerichte vor, um sachenrechtliche Maßnahmen zu veranlassen, die die Übertragung dieser Gegenstände, deren Eintragung in ein öffentliches Register oder deren Umschreibung betreffen, sind die Gerichte dieses Mitgliedstaats für solche Maßnahmen zuständig.

Artikel 10

Anrufung eines Gerichts Für die Zwecke dieses Kapitels gilt ein Gericht als angerufen (a) zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Beklagten zu bewirken, oder

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(b) falls die Zustellung an den Beklagten vor Einreichung des Schriftstücks bei Gericht zu bewirken ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem die für die Zustellung verantwortliche Stelle das Schriftstück erhalten hat, vorausgesetzt, dass der Kläger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um das Schriftstück bei Gericht einzureichen.

Artikel 11

Prüfung der Zuständigkeit Das Gericht eines Mitgliedstaats, das in einer Sache angerufen wird, für die es nach dieser Verordnung nicht zuständig ist, erklärt sich von Amts wegen für unzuständig.

Artikel 12

Prüfung der Zulässigkeit 1. Lässt sich der Beklagte, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Staates als des Mitgliedstaats hat, in dem das Verfahren eingeleitet wurde, auf das Verfahren nicht ein, so setzt das zuständige Gericht das Verfahren so lange aus, bis festgestellt ist, dass es dem Beklagten möglich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, dass er sich verteidigen konnte oder dass alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden. 2. An die Stelle von Absatz 1 tritt Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Han9 delssachen in den Mitgliedstaaten , wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe jener Verordnung von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu übermitteln war. 3. Sind die Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr.1393/2007 nicht anwendbar, so gilt Artikel 15 des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nach Maßgabe des genannten Übereinkommens ins Ausland zu übermitteln war.

Artikel 13

Rechtshängigkeit 1. Werden bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Klagen wegen desselben Anspruchs zwischen denselben Parteien anhängig gemacht, so setzt das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aus, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht. 2. Sobald die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts feststeht, erklärt sich das später angerufene Gericht zugunsten dieses Gerichts für unzuständig.

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ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 79.

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Artikel 14

Aussetzung wegen Sachzusammenhang 1. Sind bei Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten Verfahren, die im Zusammenhang stehen, anhängig, so kann jedes später angerufene Gericht das Verfahren aussetzen. 2. Sind diese Verfahren in erster Instanz anhängig, so kann sich jedes später angerufene Gericht auf Antrag einer Partei auch für unzuständig erklären, wenn das zuerst angerufene Gericht für die betreffenden Verfahren zuständig ist und die Verbindung der Verfahren nach seinem Recht zulässig ist. 3. Verfahren stehen im Sinne dieses Artikels im Zusammenhang, wenn zwischen ihnen eine so enge Beziehung gegeben ist, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren möglicherweise widersprechende Entscheidungen ergehen.

Artikel 15

Einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen Die im Recht eines Mitgliedstaats vorgesehenen einstweiligen Maßnahmen einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, können bei den Gerichten dieses Staates auch dann beantragt werden, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache nach dieser Verordnung die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist.

Kapitel III Anzuwendendes Recht Artikel 16

Allgemeine Kollisionsnorm Sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt, unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Artikel 17

Freie Rechtswahl 1. Eine Person kann die Rechtsnachfolge in ihren gesamten Nachlass dem Recht des Staates unterwerfen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. 2. Die Wahl des auf die Rechtsnachfolge anzuwendenden Rechts muss ausdrücklich im Wege einer Erklärung erfolgen, die den Formerfordernissen einer Verfügung von Todes wegen entspricht. 3. Das Zustandekommen und die materielle Wirksamkeit der Rechtswahl unterliegen dem gewählten Recht.

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4. Die Änderung oder der Widerruf einer solchen Rechtswahl durch ihren Urheber muss den Formvorschriften für die Änderung oder den Widerruf einer Verfügungvon Todes wegen entsprechen.

Artikel 18

Erbverträge 1. Ein Erbvertrag, der den Nachlass einer einzigen Person betrifft, unterliegt dem Recht, das auf die Rechtsnachfolge dieser Person anwendbar gewesen wäre, wenn sie an dem Tag verstorben wäre, an dem der Erbvertrag errichtet worden ist. Ist der Erbvertrag nach diesem Recht unwirksam, so wird er dennoch als wirksam angesehen, wenn er nach dem Recht wirksam ist, das im Zeitpunkt des Todes nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge anzuwenden ist. Der Erbvertrag unterliegt dann diesem Recht. 2. Ein Erbvertrag, der den Nachlass mehrerer Personen betrifft, ist nur dann materiell wirksam, wenn er nach dem Recht als wirksam gilt, das nach Maßgabe von Artikel 16 auf die Rechtsnachfolge einer der beteiligten Personen anwendbar gewesen wäre, wenn sie an dem Tag verstorben wäre, an dem der Erbvertrag errichtet worden ist. Ist der Erbvertrag nach Maßgabe des auf die Rechtsnachfolge einer einzigen dieser Personen anzuwendenden Rechts wirksam, findet dieses Recht Anwendung. Ist der Erbvertrag nach Maßgabe des auf die Rechtsnachfolge mehrerer dieser Personen anzuwendenden Rechts wirksam, unterliegt der Erbvertrag dem Recht, zu dem er die engste Verbindung aufweist. 3. Die Parteien können ihren Erbvertrag dem Recht unterwerfen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Artikel 17 hätte wählen können. 4. Die Anwendung des in diesem Artikel vorgesehenen Rechts steht den Ansprüchen einer Person nicht entgegen, die nicht Partei des Erbvertrags ist und der nach dem gemäß Artikel 16 oder gemäß Artikel 17 bezeichneten Recht ein Pflichtteilsanspruch oder ein anderer Anspruch zusteht, der ihr von der Person, deren Nachlass betroffen ist, nicht aberkannt werden kann.

Artikel 19

Regelungsbereich des anzuwendenden Rechts 1. Dem nach Kapitel III bezeichneten Recht unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen vom Eintritt des Erbfalls bis zum endgültigen Übergang des Nachlasses auf die Berechtigten. 2. Diesem Recht unterliegen insbesondere: (a) die Gründe für den Eintritt des Erbfalls sowie Zeitpunkt und Ort; (b) die Berufung der Erben oder Vermächtnisnehmer einschließlich der Nachlassansprüche des überlebenden Ehegatten, die Bestimmung der Nachlassquoten dieser Personen, die ihnen vom Erblasser auferlegten Pflichten sowie sonstige Rechte auf den Nachlass, die mit dem Tod entstanden sind; (c) die Erbfähigkeit; (d) die besonderen Erbunfähigkeitsgründe; (e) die Enterbung und die Erbunwürdigkeit; (f) die Übertragung der Nachlassgüter auf die Erben und Vermächtnisnehmer einschließlich der Bedingungen für die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft oder des Vermächtnisses und deren Wirkungen; (g) die Rechte der Erben, Testamentsvollstrecker und anderer Nachlassverwalter, insbesondere zur Veräußerung der Güter und Befriedigung der Gläubiger;

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(h) die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten; (i) der frei verfügbare Teil des Nachlasses, die Pflichtteile und andere Beschränkungen der Testierfreiheit einschließlich Zuteilungen aus dem Nachlass durch ein Gericht oder eine andere Behörde zugunsten von Personen, die dem Erblasser nahe stehen; (j) die Ausgleichung und Anrechnung unentgeltlicher Zuwendungen bei der Bestimmung der Anteile von Erben oder Vermächtnisnehmern; (k) die Gültigkeit, Auslegung, Änderung und der Widerruf einer Verfügung von Todes wegen mit Ausnahme ihrer Formgültigkeit; (l) die Verteilung des Nachlasses.

Artikel 20

Formgültigkeit der Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses Unbeschadet des Artikels 19 ist die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses oder eine Erklärung zur Begrenzung der Haftung des Erben oder Vermächtnisnehmers gültig, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen des Staates, in dem der Erbe oder Vermächtnisnehmer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, eingehalten wurden.

Artikel 21

Anwendung des Belegenheitsrechts 1. Das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht steht der Anwendung des Rechts des Mitgliedstaats, in dem Nachlassgüter belegen sind, nicht entgegen, soweit dieses Recht für die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses Formvorschriften vorschreibt, die im Anschluss an die Formvorschriften zu erfüllen sind, die das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vorschreibt. 2. Das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht steht der Anwendung des Rechts des Mitgliedstaats, in dem Nachlassgüter belegen sind, nicht entgegen, soweit dieses Recht (a) die Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses von der Bestellung eines Verwalters oder Testamentsvollstreckers durch eine Behörde dieses Mitgliedstaats abhängig macht; das auf die Rechtsnachfolge anzuwendende Recht bestimmt die Personen wie Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Verwalter, die mit der Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses betraut werden können; (b) den endgültigen Übergang des Nachlasses auf die Berechtigten von der vorherigen Entrichtung der Erbschaftsteuern abhängig macht.

Artikel 22

Besondere Regelungen über die Rechtsnachfolge von Todes wegen Das nach dieser Verordnung anzuwendende Recht lässt die Anwendung besonderer Regelungen über die Rechtsnachfolge von Todes wegen unberührt, denen bestimmte unbewegliche Sachen, Unternehmen oder andere besondere Arten von Vermögenswerten wegen ihrer wirtschaftlichen, familiären oder sozia-

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len Bestimmung nach dem Recht des Mitgliedstaats unterliegen, in dem sie belegen sind, wenn nach diesem Recht diese Regelung unabhängig vom Erbstatut Anwendung findet.

Artikel 23

Kommorienten Sterben zwei oder mehr Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen verschiedenen Rechten unterliegt, unter Umständen, die es nicht zulassen, die Reihenfolge ihres Todes zu bestimmen, und regeln diese Rechte diesen Sachverhalt nicht oder durch miteinander unvereinbare Bestimmungen, so hat keine dieser Personen Anspruch auf den Nachlass der anderen.

Artikel 24

Erbenloser Nachlass Ist nach dem aufgrund dieser Verordnung anzuwendenden Recht weder ein durch Verfügung von Todes wegen eingesetzter Erbe oder Vermächtnisnehmer noch eine natürliche Person als gesetzlicher Erbe vorhanden, so hindert die Anwendung dieses Rechts einen Mitgliedstaat oder eine von ihm bestimmte Einrichtung nicht daran, sich den im Hoheitsgebiet dieses Staates belegenen Nachlass anzueignen.

Artikel 25

Universelle Anwendung Das nach dieser Verordnung bezeichnete Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaats ist.

Artikel 26

Rück- und Weiterverweisung Unter dem nach dieser Verordnung anzuwendenden Recht eines Staates sind die in diesem Staat geltenden Rechtsnormen unter Ausschluss derjenigen des Internationalen Privatrechts zu verstehen.

Artikel 27

Öffentliche Ordnung (ordre-public) 1. Die Anwendung einer Vorschrift des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts kann nur versagt werden, wenn ihre Anwendung mit der öffentlichen Ordnung (ordre-public) des Staates des angerufenen Gerichts unvereinbar ist. 2. Die Anwendung einer Vorschrift des nach dieser Verordnung bezeichneten Rechts kann nicht allein deshalb als mit der öffentlichen Ordnung des Staates des angerufenen Gerichts unvereinbar angesehen werden, weil sie den Pflichtteilsanspruch anders regelt als das Recht am Ort des angerufenen Gerichts.

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Artikel 28

Staaten ohne einheitliche Rechtsordnung 1. Umfasst ein Staat mehrere Gebietseinheiten, von denen jede eigene Rechtsnormen für die Rechtsnachfolge von Todes wegen hat, so gilt für die Bestimmung des nach dieser Verordnung anzuwendenden Rechts jede Gebietseinheit als Staat. 2. Ein Mitgliedstaat, in dem verschiedene Gebietseinheiten eigene Rechtsnormen für die Rechtsnachfolge von Todes wegen haben, ist nicht verpflichtet, diese Verordnung auf Normenkollisionen anzuwenden, die nur diese Gebietseinheiten betreffen.

Kapitel IV Anerkennung und Vollstreckung Artikel 29

Anerkennung einer Entscheidung Die in einem Mitgliedstaat in Anwendung dieser Verordnung ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Bildet die Frage, ob eine Entscheidung anzuerkennen ist, als solche den Gegenstand eines Streites, so kann jede Partei, welche die Anerkennung geltend macht, in dem Verfahren nach den Artikeln 38 bis 56 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 die Feststellung beantragen, dass die Entscheidung anzuerkennen ist. Wird die Anerkennung in einem Rechtsstreit vor dem Gericht eines Mitgliedstaats, dessen Entscheidung von der Anerkennung abhängt, verlangt, so kann dieses Gericht über die Anerkennung entscheiden.

Artikel 30

Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung Eine Entscheidung wird nicht anerkannt, wenn (a) die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre-public) des ersuchten Mitgliedstaats offensichtlich widersprechen würde, wobei die Vorschriften über die Zuständigkeit nicht zur öffentlichen Ordnung gehören; (b) dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte; (c) sie mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die zwischen denselben Parteien im ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist;

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(d) sie mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien in einem Rechtsstreit wegen desselben Anspruchs ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem ersuchten Mitgliedstaat erfüllt.

Artikel 31

Ausschluss einer Nachprüfung in der Sache Die ausländische Entscheidung darf keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.

Artikel 32

Aussetzung des Verfahrens Das Gericht eines Mitgliedstaats, vor dem die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung beantragt wird, kann das Verfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist.

Artikel 33

Vollstreckbarkeit Die in einem Mitgliedstaat ergangenen und dort vollstreckbaren Entscheidungen sowie die in einem Mitgliedstaat geschlossenen und dort vollstreckbaren gerichtlichen Vergleiche werden in den anderen Mitgliedstaaten gemäß den Artikeln 38 bis 56 und Artikel 58 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vollstreckt.

Kapitel V Öffentliche Urkunden Artikel 34

Anerkennung öffentlicher Urkunden Die in einem Mitgliedstaat aufgenommenen öffentlichen Urkunden werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, sofern ihre Gültigkeit nicht im Ursprungsmitgliedstaat nach den dort geltenden Verfahren angefochten wurde und unter dem Vorbehalt, dass diese Anerkennung nicht der öffentlichen Ordnung (ordre-public) des ersuchten Mitgliedstaats entgegensteht.

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Artikel 35

Vollstreckbarkeit öffentlicher Urkunden Öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, werden in einem anderen Mitgliedstaat auf Antrag nach dem Verfahren gemäß den Artikeln 38 bis 57 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 für vollstreckbar erklärt. Die Vollstreckbarerklärung ist von dem mit einem Rechtsbehelf nach Artikel 43 oder Artikel 44 befassten Gericht nur zu versagen oder aufzuheben, wenn die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde der öffentlichen Ordnung (ordre-public) des ersuchten Mitgliedstaats offensichtlich widersprechen würde oder wenn die Gültigkeit der Urkunde vor einem Gericht des Ursprungsmitgliedstaats angefochten wurde.

Kapitel VI Europäisches Nachlasszeugnis Artikel 36

Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses 1. Mit dieser Verordnung wird ein Europäisches Nachlasszeugnis eingeführt, das als Nachweis der Stellung als Erbe oder Vermächtnisnehmer und der Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Fremdverwalter gilt. Das Europäische Nachlasszeugnis wird von der nach Maßgabe dieses Kapitels zuständigen Behörde im Einklang mit dem gemäß Kapitel III anzuwendenden Erbstatut erteilt. 2. Die Verwendung des Europäischen Nachlasszeugnisses ist nicht verbindlich. Das Europäische Nachlasszeugnis tritt nicht an die Stelle der innerstaatlichen Verfahren. Die Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses werden jedoch auch in dem Mitgliedstaat anerkannt, dessen Behörden das Zeugnis nach Maßgabe dieses Kapitels erteilt haben.

Artikel 37

Zuständigkeit für die Erteilung des Europäischen Nachlasszeugnisses 1. Das Europäische Nachlasszeugnis wird auf Antrag jeder Person erteilt, die verpflichtet ist, die Stellung als Erbe oder Vermächtnisnehmer und die Befugnisse als Testamentsvollstrecker oder Fremdverwalter nachzuweisen. 2. Das Europäische Nachlasszeugnis wird von dem zuständigen Gericht des Mitgliedstaats ausgestellt, dessen Gerichte gemäß den Artikeln 4, 5 und 6 zuständig sind.

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Artikel 38

Inhalt des Antrags 1. Die Person, die die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses beantragt, teilt, soweit ihr bekannt, anhand des Formblatts in Anhang I Folgendes mit: (a) Angaben zum Erblasser: Name, Vorname(n), Geschlecht, Personenstand, Staatsangehörigkeit, Personenkennziffer (sofern vorhanden), Anschrift des letzten gewöhnlichen Aufenthalts, Todesort und -zeitpunkt; (b) Angaben zum Antragsteller: Name, Vorname(n), Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Personenkennziffer (sofern vorhanden), Anschrift, Verwandschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis zum Erblasser; (c) die sachlichen oder rechtlichen Umstände, die den Anspruch auf den Nachlass und/oder das Recht zur Nachlassverwaltung und/oder Testamentsvollstreckung begründen; hat der Antragsteller Kenntnis von einer Verfügung von Todes wegen, ist dem Antrag eine Kopie dieser Verfügung beizufügen; (d) ob sie an die Stelle anderer Erben oder Vermächtnisnehmer tritt und wenn ja, den Nachweis ihres Todes oder des Umstands, der sie daran gehindert hat, die Rechtsnachfolge anzutreten; (e) ob der Erblasser einen Ehevertrag geschlossen hatte; wenn ja, ist dem Antrag eine Kopie des Ehevertrags beizufügen; (f) ob sie Kenntnis von einer Erbschaftsanfechtung hat. 2. Der Antragsteller muss die Richtigkeit der Angaben anhand von Urkunden nachweisen. Können die Urkunden nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand vorgelegt werden, sind andere Beweismittel zulässig. 3. Das zuständige Gericht trifft geeignete Maßnahmen, um sich von der Richtigkeit der abgegebenen Erklärungen zu überzeugen. Das Gericht verlangt die Abgabe dieser Erklärungen unter Eid, wenn dies nach seinem innerstaatlichen Recht zulässig ist.

Artikel 39

Teilzeugnis Ein Teilzeugnis kann beantragt und erteilt werden, um Folgendes nachzuweisen: (a) die Rechte der einzelnen Erben oder Vermächtnisnehmer und deren Nachlassquote; (b) den Anspruch auf die Übertragung eines bestimmten Gegenstands, wenn dies nach dem auf die Rechtsnachfolge anzuwendenden Recht zulässig ist; (c) die Befugnis zur Verwaltung des Nachlasses.

Artikel 40

Erteilung des Nachlasszeugnisses 1. Das Europäische Nachlasszeugnis wird erst erteilt, wenn das zuständige Gericht die zur Begründung des Antrags angeführten Angaben als erwiesen ansieht. Das Nachlasszeugnis wird vom zuständigen Gericht unverzüglich erteilt.

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2. Das zuständige Gericht veranlasst von Amts wegen entsprechend den Erklärungen des Antragstellers und den von ihm vorgelegten Urkunden und sonstigen Beweismitteln die zur Überprüfung der Angaben notwendigen Untersuchungen und erhebt nachträglich die ihm zweckmäßig erscheinenden Beweise. 3. Für die Zwecke dieses Kapitels gewähren die Mitgliedstaaten den zuständigen Gerichten der anderen Mitgliedstaaten Zugang insbesondere zu den Personenstandsregistern, den Registern, in denen Urkunden oder Angaben zur Rechtsnachfolge oder zum Ehegüterrecht der Familie des Erblassers offen gelegt werden, und zu den Immobilienregistern. 4. Das ausstellende Gericht kann die Berechtigten und etwaige Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker vorladen sowie etwaige andere Nachlassberechtigte durch Bekanntmachung auffordern, ihre Rechte geltend zu machen.

Artikel 41

Inhalt des Nachlasszeugnisses 1. Das Europäische Nachlasszeugnis wird unter Verwendung des Formblatts in Anhang II erteilt. 2. Das Europäische Nachlasszeugnis enthält folgende Angaben: (a) das ausstellende Gericht, die sachlichen und rechtlichen Gründe, aus denen das Gericht seine Zuständigkeit für die Erteilung des Nachlasszeugnisses herleitet, sowie das Ausstellungsdatum; (b) Angaben zum Erblasser: Name, Vorname(n), Geschlecht, Personenstand, Staatsangehörigkeit, Personenkennziffer (sofern vorhanden), Anschrift des letzten gewöhnlichen Aufenthalts, Todesort und -zeitpunkt; (c) etwaige Eheverträge des Erblassers; (d) das nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge anzuwendende Recht sowie die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf deren Grundlage das anzuwendende Recht bestimmt wurde; (e) die sachlichen und rechtlichen Umstände, aus denen sich die Ansprüche und/oder Befugnisse der Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Fremdverwalter herleiten: gesetzliche und/oder testamentarische und/oder erbvertragliche Erbfolge; (f) Angaben zum Antragsteller: Name, Vorname(n), Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Personenkennziffer (sofern vorhanden), Anschrift, Verwandschafts- oder Schwägerschaftsverhältnis zum Erblasser; (g) gegebenenfalls für jeden Erben die Art der Annahme der Erbschaft; (h) bei mehreren Erben die Erbquote jedes Erben und gegebenenfalls das Verzeichnis der Nachlassgüter, die einem bestimmten Erben zustehen; (i) das Verzeichnis der Nachlassgüter, die den Vermächtnisnehmern nach dem auf die Rechtsnachfolge anzuwendenden Recht zustehen; (j) die erbrechtlichen Beschränkungen nach dem gemäß Kapitel III und/oder letztwilliger oder erbvertraglicher Bestimmungen auf die Rechtsnachfolge anzuwendenden Recht; (k) das Verzeichnis der Handlungen, die der Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker und/oder Verwalter nach dem auf die Rechtsnachfolge anzuwendenden Recht an den Nachlassgütern vornehmen kann.

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Artikel 42

Wirkungen des Europäischen Nachlasszeugnisses 1. Das Europäische Nachlasszeugnis wird in allen Mitgliedstaaten als Nachweis der Stellung der Erben und Vermächtnisnehmer sowie der Befugnisse der Testamentsvollstrecker oder Fremdverwalter von Rechts wegen anerkannt. 2. In allen Mitgliedstaaten wird die inhaltliche Richtigkeit des Nachlasszeugnisses während seiner Gültigkeitsdauer vermutet. Es wird vermutet, dass die Person, die im Nachlasszeugnis als Erbe, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker oder Verwalter ausgewiesen ist, erb- oder vermächtnisberechtigt ist oder über die im Nachlasszeugnis angegebenen Verwaltungsbefugnisse verfügt und keine anderen Bedingungen und Beschränkungen als die dort angegebenen gelten. 3. Jede Person, die Zahlungen an den Inhaber eines Nachlasszeugnisses leistet oder ihm Gegenstände übergibt, leistet mit befreiender Wirkung, wenn letzterer aufgrund des Nachlasszeugnisses zur Vornahme solcher Handlungen befugt war, es sei denn, die Person wusste, dass das Nachlasszeugnis inhaltlich nicht den Tatsachen entspricht. 4. Bei jeder Person, die Nachlassgüter vom Inhaber eines Nachlasszeugnisses erworben hat, der aufgrund des dem Nachlasszeugnis beigefügten Verzeichnisses zur Veräußerung berechtigt war, gilt die Vermutung, dass die Güter von einer verfügungsberechtigten Person erworben wurden, es sei denn, der Erwerber wusste, dass das Nachlasszeugnis inhaltlich nicht den Tatsachen entspricht. 5. Das Nachlasszeugnis stellt einen gültigen Titel für die Umschreibung oder für die Eintragung des Erwerbs von Todes wegen in die öffentlichen Register des Mitgliedstaats dar, in dem die Nachlassgegenstände belegen sind. Die Umschreibung erfolgt nach dem Recht des Mitgliedstaats, unter dessen Aufsicht das betreffende Register geführt wird, und entfaltet die nach diesem Recht vorgesehenen Wirkungen.

Artikel 43

Berichtigung, Aussetzung oder Einziehung des Europäischen Nachlasszeugnisses 1. Das Gericht, das das Europäische Nachlasszeugnis erteilt hat, bewahrt die Urschrift des Nachlasszeugnisses auf und stellt dem Antragsteller oder jeder anderen Person, die ein berechtigtes Interesse geltend macht, eine oder mehrere Ausfertigungen aus. 2. Die Ausfertigungen entfalten für einen begrenzten Zeitraum von drei Monaten die in Artikel 42 genannten Wirkungen. Nach Ablauf dieses Zeitraums müssen die Inhaber des Nachlasszeugnisses oder andere Berechtigte bei dem ausstellenden Gericht eine neue Ausfertigung beantragen, um ihre Rechte geltend zu machen. 3. Das Nachlasszeugnis wird auf Antrag eines Berechtigten bei dem ausstellenden Gericht oder von Amts wegen von dem betreffenden Gericht (a) im Falle eines materiellen Fehlers berichtigt; (b) mit einer Randbemerkung versehen, die eine Aussetzung seiner Wirkungen zur Folge hat, wenn bestritten wird, dass das Nachlasszeugnis den Tatsachen entspricht; (c) eingezogen, wenn das Nachlasszeugnis nachweislich nicht den Tatsachen entspricht. 4. Die Berichtigung des Nachlasszeugnisses, die Aussetzung seiner Wirkungen oder seine Einziehung wird von dem ausstellenden Gericht am Rande der Urschrift des Nachlasszeugnisses vermerkt und dem/ den Antragsteller(n) mitgeteilt.

Thomas Rauscher

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EG-ErbVO-E

B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

Artikel 44

Rechtsbehelfe Jeder Mitgliedstaat regelt die Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen über die Erteilung oder Nichterteilung, die Berichtigung, Aussetzung oder Einziehung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.

Kapitel VII Allgemeine und Schlussbestimmungen Artikel 45

Verhältnis zu bestehenden internationalen Übereinkünften 1. Diese Verordnung lässt unbeschadet der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus Artikel 307 EG-Vertrag die Anwendung bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte unberührt, denen ein oder mehrere Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme dieser Verordnung angehören und die Bereiche betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind. 2. Ungeachtet des Absatzes 1 geht diese Verordnung im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten Übereinkünften vor, denen die Mitgliedstaaten angehören und die Bereiche betreffen, die in dieser Verordnung geregelt sind.

Artikel 46

Informationen für die Öffentlichkeit Die Mitgliedstaaten stellen für die Öffentlichkeit über das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen eine Beschreibung ihrer innerstaatlichen erbrechtlichen Vorschriften und Verfahren sowie den Wortlaut einschlägiger Bestimmungen bereit. Die Mitgliedstaaten teilen alle späteren Änderungen dieser Bestimmungen mit.

Artikel 47

Änderung der Formblätter Jede Änderung der in den Artikeln 38 und 41 vorgesehenen Formblätter wird nach dem Beratungsverfahren gemäß Artikel 48 Absatz 2 beschlossen.

864

Januar 2010

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B.I.5 EG-Erbrechtsverordnung Zuständigkeit, IPR, Anerkennung und Vollstreckung in Erbsachen, Nachlasszeugnis

EG-ErbVO-E

Artikel 48

Ausschuss 1. Die Kommission wird von dem durch Artikel 75 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 eingesetzten Ausschuss unterstützt. 2. Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 3 und 7 des Beschlusses 1999/468/ EG unter Beachtung von dessen Artikel 8.

Artikel 49

Überprüfungsklausel Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss bis spätestens [...] einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vor. Diesem Bericht werden gegebenenfalls entsprechende Anpassungsvorschläge beigefügt.

Artikel 50

Übergangsbestimmungen 1. Diese Verordnung findet auf die Rechtsnachfolge von Personen Anwendung, die nach dem Beginn ihrer Anwendbarkeit verstorben sind. 2. Hatte der Erblasser vor Anwendbarkeit dieser Verordnung das auf seinen Nachlass anzuwendende Erbstatut gewählt, gilt diese Wahl als wirksam, soweit sie den Anforderungen des Artikels 17 genügt. 3. Hatten die Parteien eines Erbvertrags vor Anwendbarkeit dieser Verordnung das auf diesen Erbvertrag anzuwendende Erbstatut gewählt, gilt diese Wahl als wirksam, soweit sie den Anforderungen des Artikels 18 genügt.

Artikel 51

Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Ihre Anwendung beginnt am [ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten]. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Geschehen zu Brüssel Im Namen des Europäischen Parlaments Der Präsident Im Namen des Rates Der Präsident Anhänge Vom Abdruck wird abgesehen.

Thomas Rauscher

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B

Familien- und Erbrecht

B.IV Kollisionsrecht

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B.IV.1 Haager Protokoll vom 23. November 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht Übersetzung idF des Beschlusses 2009/941/EG des Rates vom 30.11.2009 über den Abschluss des Haager Protokolls vom 23. November 2007 [...] durch die Europäische Gemeinschaft, ABl EU 2009 L 331/17

Schrifttum Andrae, Internationales Familienrecht2 (2006), zitiert: Andrae, IFR dies, in: Garbe/Ullrich, Prozesse in Familiensachen2 (2009), zitiert: Garbe/Ulrich /Andrae dies, Zum Verhältnis der Haager Unterhaltskonvention 2007 und des Haager Protokolls zur geplanten EU-Unterhaltsverordnung, FPR 2008, 196 vBar, Prozesskostenhilfe und Haager Unterhaltsstatutsabkommen, IPRax 1988, 220 Boele-Woelki, Art 8 Haager Unterhaltsübereinkommen steht einer Rechtswahl nicht entgegen, IPRax 1998, 492 Boele-Woelki/Fuchs, Legal Recognition of SameSex Couples in Europe (2003) Boele-Woelki/Mom, Europäisierung des Unterhaltsrechts – Vereinheitlichung des Kollisionsrechts und Angleichung des materiellen Rechts, FPR 2006, 232 Bonomi, The Hague Protocol of 23 November 2007 on the law applicable to maintenance obligations, Yearbook of PIL, Volume 10 (2008), 333 Brückner, Unterhaltsregress im internationalen Privat- und Verfahrensrecht (1994) Coester, Vereinbarungen über Kindesunterhalt, IPRax 1991, 132 Courbe, Droit de la famille4 (2005) Dörner, in: Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess (2009), dort: Internationales Unterhaltsrecht, zitiert: Eschenbruch/ Klinkhammer /Dörner

Marianne Andrae

Eschenbruch, in: Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess (2009), dort: Ehegattenunterhalt, zitiert: Eschenbruch/Klinkhammer / Eschenbruch Griesbeck, Nacheheliche Unterhaltspflicht und ordre-public, FamRZ 1983, 961 Gruber, in: Dauner-Lieb /Heidel/Ring (Hrsg), BGB-Anwaltskommentar (2005), Art 18 EGBGB Gutdeutsch/Zieroth, Verbrauchergeldparität und Unterhalt – Bedarfskorrektur bei Auslandsberührung –, FamRZ 1993, 1152 Hausmann, Der Unterhaltsbegriff in Staatsverträgen des internationalen Privat- und Verfahrensrechts, IPRax 1990, 382 Henrich, Entscheidungsbesprechung zu OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.3.1996, IPRax 1997, 46 ders, in: Johannsen/Henrich, Kommentar zum Eherecht – Trennung, Scheidung, Folgen4 (2003), Art. 18 EGBGB, zitiert: Johannsen/Henrich / Henrich Art 18 EGBGB Rn ders, Internationales Familienrecht2 (2000), zitiert: Henrich, IFR ders, Zur Abänderung eines türkischen Unterhaltsurteils durch ein deutsches Gericht, IPRax 1989, 53 ders, Zur Anerkennung und Abänderung ausländischer Unterhalturteile, die unter Nichtbeachtung früherer deutscher Unterhaltsurteile ergangen sind, IPRax 1988, 21

869

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HUntStProt 2007

Hofer/Schwab/Henrich, Scheidung und nachehelicher Unterhalt im europäischen Vergleich (2003) Hohloch, Unterhaltsstatut und Rechtswahl, in: FS Hans Jürgen Sonnenberger (2004) 401 ders, in: Ermann Handkommentar Bürgerliches Gesetzbuch12, Band II (2008), Art 18 EGBGB, zitiert: Ermann/Hohloch Art 18 EGBGB Rn ders, Die Abänderung ausländischer Unterhaltstitel im Inland, DEuFamR 2000, 194 Janzen, Die neuen Haager Übereinkünfte zum Unterhaltsrecht und die Arbeiten an einer EG-Unterhaltsverordnung, FPR 2008, 218 Jayme, Türkisches Familienrecht und deutsche Praxis – Tagung Heidelberg, IPRax 1989, 330 Landfermann, Der Kreis der unterhaltspflichtigen Personen im europäischen Familien- und Sozialhilferecht, RabelsZ 35 (1971), 505 Leipold, Das anwendbare Recht bei der Abänderungsklage gegen ausländische Urteile, in: FS Heinrich Nagel (1987) 189 Linke, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht9 (2008), zitiert: Göppinger/Wax/Linke Rn Looschelders/Boos, Das grenzüberschreitende Unterhaltsrecht in der internationalen und europäischen Entwicklung, FamRZ 2006, 374 Mankowski, in: Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetzen und Nebengesetzen14, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche/ IPR, Art 18 EGBGB; Anhang I – III zu Art 18 EGBGB; Vorbem A + B zu Art 19 EGBGB (Internationales Unterhaltsrecht, Internationales Kindschaftsrecht 1) (2003), zitiert: Staudinger /Mankowski, Anh I zu Art 18 EGBGB Rn Martiny, Unterhaltsrückgriff durch öffentliche Träger im europäischen internationalen Privatund Verfahrensrecht, IPRax 2004, 195 ders, Unterhaltsrang und -rückgriff im Internationalen Privatrecht, in: FS Erik Jayme (2004) 575 ders, Maintenance Obligations in the Conflict of Laws, Recueil des Cours, Collected courses of the Hague Academy of International Law (1994) Band III (247), 131 ders, Unterhaltsrang und -rückgriff I (2000)

870

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht Pålsson, Rules, problems and trends in family conflict of laws: especially in Sweden, Recueil des Cours 199 (1986 IV), 313 Rahm/Künkel, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens46, Band 3 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4 (2006) Scherpe/Yassari, Die Rechtsstellung nichtehelicher Lebensgemeinschaften (2005), zitiert: Scherpe/ Yassari/Bearbeiter Ländername Siehr, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4 (2006), Art. 18 EGBGB, zitiert: MünchKommBGB /Siehr, Art 18 EGBGB Rn Spellenberg, Abänderung ausländischer Unterhaltsurteile und Statut der Rechtskraft, IPRax 1984, 304ff Süß/Ring, Eherecht in Europa (2006) Thorn, in: Palandt Bürgerliches Gesetzbuch68 (2009), Art 18 EGBGB, zitiert: Palandt/Thorn Art 18 EGBGB Rn Wandt, Zum Rückgriff im Internationalen Privatrecht, ZvglRWiss 1986, 272 Wagner R, Ein neues unterhaltsrechtliches Übereinkommen aus Den Haag – Eine Zwischenbilanz nach zwei Sitzungen der Spezialkommission unter besonderer Berücksichtigung der kollisionsrechtlichen Überlegungen, FamRZ 2005, 410. Materialien 1. Vorarbeiten der Haager Konferenz Ständiges Büro, Report on and Conclusions of the Special Commission on Maintenance Obligations, Apr 1999 http://www.hcch.net/upload/wop/maint 1999concl_e.pdf. 2. HUntStProt 2007 Working Group on the Law Applicable to Maintenance Obligations, Proposal – Report presented to the Special Commission, Mar 2005, Prel Doc No 14 Bonomi, Working Group on Applicable Law, Report, Jun 2006, Prel Doc No 22

November 2009

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Einl HUntStProt

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht Working Group on the Law Applicable to Maintenance Obligations, Working Draft on Applicable Law, Jan 2007, Prel Doc No 24 Bonomi, Working Group on Applicable Law, Report, Apr 2007, Prel Doc No 27, Borrás/Degeling, Hague Preliminary Draft Convention on the International Recovery of Child Support and other Forms of Family Maintenance, Draft Explanatory Report, Aug 2007, Prel Doc No 32

Bonomi, Preliminary Draft Protocol on the Law Applicable to Maintenance Obligations, Explanatory Report, Aug 2007, Prel Doc No 33. 3. Zeichnung und Ratifizierung des HUntStProt 2007 durch die Europäische Union Beschluss 2009/941/EG des Rates vom 30.11.2009 über den Abschluss des Haager Protokolls vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht durch die Europäische Gemeinschaft, ABl EU 2009 L 331/17.

Die Unterzeichnerstaaten dieses Protokolls – in dem Wunsch, gemeinsame Bestimmungen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht festzulegen, in dem Wunsch, das Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht und das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht zu modernisieren, in dem Wunsch, allgemeine Regeln in Bezug auf das anzuwendende Recht zu entwickeln, die das Haager Übereinkommen vom 23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen ergänzen können – haben beschlossen, zu diesem Zweck ein Protokoll zu schließen, und die folgenden Bestimmungen vereinbart:

Einleitung I. Geschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . . .

2

II. Verhältnis des HUntStProt 2007

zum HUntVerfÜbk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5

III. Wesentliche Änderungen . . . . . . . . . . . . . .

9

IV. Überblick über den Inhalt des Protokolls

1. Anwendungsbereich a) Sachlicher Anwendungsbereich . .

Marianne Andrae

b) Räumlich-personeller Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitlicher Anwendungsbereich . . . 2. Allgemeine Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anknüpfungen a) Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Objektive Anknüpfung . . . . . . . . . . . c) Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber einem Kind (Art 4) . . .

13 14 15 19 22 24

12

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Einl HUntStProt 1-3 d) Unterhaltspflicht des Kindes gegenüber einem Elternteil (Artt 4 und 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unterhaltspflicht gegenüber einer Person, die noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat (Artt 4 und 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

25

26

f) Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten und ehemaligen Ehegatten (Art 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Alle übrigen Unterhaltspflichten (Artt 3 und 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Abänderung einer Unterhaltsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Autonomes IPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 28 29 41

1 Das Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (im Weiteren HUntStProt 2007) wurde auf der 21. Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht angenommen. Es ist bisher noch nicht in Kraft getreten. Auf der Grundlage des Art 15 EG-UntVO ist vorgesehen, dass es ab dem 18.6.2011 gleichzeitig mit der EG-UntVO vorläufig in der Gemeinschaft Anwendung findet, sofern es bis dahin noch nicht in Kraft getreten ist. Hiervon ausgenommen ist Dänemark. Ob das Vereinigte Königreich eingeschlossen oder ausgenommen ist, steht noch offen.1 Gleichzeitig mit dem HUntStProt 2007 hat die 21. Tagung der Haager Konferenz das Übereinkommen vom 23.11.2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen (HUntVerfÜbk 2007) verabschiedet. I.

Geschichtlicher Hintergrund

2 Von der 18. Tagung der Haager Konferenz2 wurde eine Spezialkommission für Unterhaltspflichten beauftragt, die Wirksamkeit der vier existierenden Haager Übereinkommen auf diesem Gebiet und des New Yorker UN-Übereinkommens über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20.6.1956 zu prüfen. In diesem Zusammenhang sollte ermittelt werden, ob es wünschenswert sei, die Haager Übereinkommen zu revidieren und sie auf die juristische und administrative Zusammenarbeit zu erweitern. Im Abschlussbericht dieser Spezialkommission vom April 19993 wurde empfohlen ein neues, weltweites internationales Rechtsinstrument zu erarbeiten, das umfassender Natur ist und auf den positiven Bestandteilen der vorhandenen Übereinkommen aufbaut. Auf dieser Grundlage beschloss die Spezialkommission für allgemeine Angelegenheiten im Mai 2000, eine neue umfassende Konvention bezogen auf Unterhaltspflichten auszuarbeiten. 3 Während des ersten Treffens der neu eingesetzten Spezialkommission für Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen im Mai 2003 wurde die Frage diskutiert, ob das neue Rechtsinstrument das Kollisionsrecht enthalten sollte. 1 2 3

872

Hierzu Art 1 EG-UntVO Rn 48. Final Act of the Eighteenth Session 19th October 1996 under Part B 7. Report on and Conclusions of Special Commission on Maintance Obligations of April 1999, Permanent Bureau, December 1999 Rn 46, abrufbar unter http://www.hcch.net/upload/wop/maint1999 concl_e.pdf.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Einl HUntStProt 4-7

Hierzu gab es zwei gegensätzliche Standpunkte.4 Opposition gab es vor allem von Staaten, deren Gerichte in Unterhaltssachen grundsätzlich die lex fori anwenden. Diese Frage wurde aufgeschoben und zunächst für das Kollisionsrecht eine Arbeitsgruppe gebildet, die prüfen sollte 1. ob das HUntStÜbk 1973 der Revision bedarf und wenn ja, in welchem Ausmaß, 2. welche Kompromissmöglichkeiten hinsichtlich der gegenteiligen Auffassungen zum Kollisionsrecht bestehen und 3. welche Kompromissmöglichkeiten es zu streitigen Einzelfragen des Kollisionsrechts, wie der Verjährung, der Parteiautonomie, des ehelichen und nachehelichen Unterhalts und der rechtlichen Vertretung von Kindern, gibt. Bereits im Bericht der Arbeitsgruppe vom März 20055 wurde deutlich gemacht, dass 4 ein Kompromiss zwischen den Befürwortern einer kollisionsrechtlichen Regelung und den Vertretern des lex fori Prinzips nicht zu erreichen ist. Deshalb wurde vorgeschlagen, das Kollisionsrecht nicht in den zwingenden Teil der geplanten Konvention aufzunehmen. Daraufhin entschied die Spezialkommission im Mai 2007, dass das Kollisionsrecht nicht in dem Übereinkommen geregelt werden soll, sondern in einem Protokoll, das formal von der Konvention getrennt ist. II.

Verhältnis des HUntStProt 2007 zum HUntVerfÜbk 2007

Das Protokoll hat wie das HUntVerfÜbk 2007 selbst völkervertragsrechtlichen Cha- 5 rakter. Es bedarf wie dieses des Beitritts eines Staates bzw einer regionalen Wirtschaftsorganisation. Beide Instrumente sind von einander rechtlich unabhängig, ein Staat kann dem HUntVerfÜbk 2007 beitreten und dem HUntStProt 2007, er kann seinen Beitritt auch auf eines der beiden Rechtsinstrumente beschränken. Die inhaltliche Beziehung wird durch die Begriffe „Übereinkommen/Konvention“ 6 und „Protokoll“ verdeutlicht. Das HUntVerfÜbk 2007 ist das zentrale internationale rechtliche Instrumentarium in Bezug auf die grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsforderungen vor allem von Kindern. Es regelt ein System der Zusammenarbeit zwischen den Behörden der Vertragsstaaten, die Inanspruchnahme der Dienste der Zentralen Behörden der Vertragsstaaten durch Berechtigte und Verpflichtete in Unterhaltssachen, sowie die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung und Erleichterungen der Vollstreckung von Entscheidungen. Die direkte internationale Zuständigkeit in Unterhaltssachen wurde ausgeklammert, weil über diese Fragen in der Spezialkommission keine Einigung erzielt werden konnte.6 Die Aufnahme des Kollisionsrechts in ein rechtlich selbständiges Protokoll weist eine 7 Reihe von Vorteilen auf: 1. Der Europäischen Gemeinschaft ermöglicht die rechtliche Separation, das Haager Kollisionsrecht auf einfache Weise in die Unterhaltsverordnung zu inkorporieren. 4 5 6

Hierzu Art 15 EG-UntVO. Prel Doc Nr 14 Rn 7. Hierzu Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 27.

Marianne Andrae

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Einl HUntStProt 8, 9

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

2. Die Aufnahme des Kollisionsrechts in das Übereinkommen hätte es erforderlich gemacht, hierfür Vorbehalte vorzusehen, es also optional zu stellen, damit der kollisionsrechtliche Teil nicht zum Hinderungsgrund für den Beitritt zum Übereinkommen seitens der Staaten wird, die gegen eine kollisionsrechtliche Regelung auf internationaler Ebene sind. Der Anwendungsbereich des HUntVerfÜbk 2007 wird bereits durch Vorbehalte eingeschränkt oder erweitert. Vorbehalte für das Kollisionsrecht hätten dies noch ausgedehnt. 3. Der sachliche Anwendungsbereich des HUntVerfÜbk 2007 ist im Kern auf die Unterhaltspflichten gegenüber Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und die Unterhaltspflicht gegenüber Ehegatten und früheren Ehegatten beschränkt, wobei sich auf die Letztere nicht die Kapitel über die Zusammenarbeit und Inanspruchnahme der zentralen Behörden erstrecken. Dieser Anwendungsbereich kann durch Vorbehalte auf Kinder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres beschränkt werden und durch Vorbehalte auf andere Familienbeziehungen erweitert werden. Das HUntStProt 2007 hat wie das HUntStÜbk 1973 nicht einen solchen beschränkten sachlichen Anwendungsbereich, sondern erfasst alle Unterhaltsbeziehungen aus Familie, Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft. 8 Eine Separation ist inhaltlich möglich, weil die im HUntVerfÜbk 2007 geregelten Rechtsfragen und das Kollisionsrecht zwar zusammenhängen, aber der Bezug nicht so eng ist, dass eine Regelung in einem Dokument erforderlich ist. Beide können als separates Rechtsinstrument bestehen. Aus der Geschichte ihrer Erarbeitung und dem Zusammenhang, der durch die Begriffe Übereinkommen und Protokoll deutlich wird, folgt, dass übereinstimmende Begriffe in beiden Dokumenten möglichst einheitlich ausgelegt werden. III. Wesentliche Änderungen

9 Die Schlussfolgerung der von der 18. Tagung der Haager Konferenz eingesetzten Spezialkommission war,7 dass das HUntStÜbk 1973 sich grundsätzlich bewährt hat und nur moderate Änderungen angebracht sind. Auf der anderen Seite sind ihm nur wenige Staaten beigetreten. Um es für einen größeren Kreis von Staaten attraktiv zu machen, kommt der lex fori eine größere Bedeutung zu. Die Rechtswahl wird ermöglicht, ehelicher und nachehelicher Unterhalt werden anders gestaltet und das Günstigkeitsprinzip, das für das HUntStÜbk 1973 charakteristisch war, wird eingeschränkt. Beibehalten wird der breite sachliche Anwendungsbereich, die Struktur des Übereinkommens, sein universeller Charakter, die Sachnormverweisung, der gewöhnliche Aufenthalt der Unterhaltsberechtigten als Hauptanknüpfungspunkt, die Einbeziehung der öffentlichen Einrichtungen und die ordre-public Regelung. Kaum Änderungen gibt es in Bezug auf den Anwendungsbereich des Unterhaltsstatuts und der einheitlichen Sachnorm des Art 10 Abs 2 HUntStÜbk 1973.

7

874

Vgl Report on and Conclusions of Special Commission on Maintance Obligations of April 1999, Permanent Bureau, December 1999, abrufbar unter http://www.hcch.net/upload/wop/maint1999concl_e. pdf.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Einl HUntStProt 10-12

10 Folgende wesentliche Änderungen sind im Einzelnen zu nennen: 1. Das Protokoll sieht keine Vorbehaltsmöglichkeiten für die beitretenden Staaten vor, weder hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs noch zugunsten der lex fori in einer bestimmten Fallsituation. 8 2. Es ermöglicht die Wahl der lex fori für einen konkreten Prozess. 3. Den Parteien wird es ermöglicht, vorsorglich eine Rechtswahl zu treffen. Die Rechtswahlmöglichkeit ist auf bestimmte Rechtsordnungen begrenzt. Zugeschnitten ist sie auf eheliche und partnerschaftliche Beziehungen, für den Unterhalt von Kindern bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres und unterstützungsberechtigter Erwachsener ist sie ausgeschlossen. Vorsorge ist gegen die Übervorteilung einer Partei getroffen. 4. Für den ehelichen und nachehelichen Unterhalt ist eine einheitliche und von den anderen Unterhaltsbeziehungen eigenständige gesetzliche Anknüpfung getroffen worden. 5. Für den Unterhalt in den Eltern-Kind-Beziehungen und den Unterhalt von Personen vor Vollendung des 21. Lebensjahres kommt es regelmäßig rechtspraktisch zur Anwendung der lex fori, wenn der Unterhaltsberechtigte den Antrag bei einem Gericht /einer Behörde eines Vertragsstaates stellt. 6. Das Günstigkeitsprinzip der Artt 4-6 HUntStÜbk 1973 findet sich zum einen verändert hinsichtlich der Reihenfolge der Anknüpfungen und zum anderen rechtstatsächlich nur noch für den Unterhalt von Kindern gegenüber ihren Eltern wieder. 7. Die als Einrede ausgestaltete kumulative Anknüpfung9 wird auf alle Unterhaltspflichten mit Ausnahme zwischen Ehegatten und ehemaligen Ehegatten, sowie Kindern gegenüber ihren Eltern ausgedehnt. Im Ergebnis stellt die Neuregelung alles andere als eine moderate Veränderung des 11 Anknüpfungssystems des HUntStÜbk 1973 dar. IV.

Überblick über den Inhalt des Protokolls

1.

Anwendungsbereich

a) Sachlicher Anwendungsbereich Das HUntStProt 2007 findet Anwendung auf Unterhaltspflichten aus Familienbezie- 12 hungen, Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft. Die Begriffe Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft sind autonom auszulegen. „Ehe“ meint auch fehlerhafte Ehen, einschließlich absolut nichtiger Ehen und aufgelöster Ehen. Der Begriff „Familienbeziehung“ geht weiter als die aufgezählten Beziehungen. Welche neben Verwandt-

8

9

Art 27. Dagegen Art 24 HUntStÜbk 1973, der die in Artt 13-15 HUntStÜbk 1973 vorgesehenen Vorbehalte für zulässig erklärt. Art 7 HUntStÜbk 1973 ist nur auf den Unterhalt gegenüber Verwandten in der Seitenlinie und Verschwägerten beschränkt.

Marianne Andrae

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Einl HUntStProt 13-15

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

schaft, Ehe und Schwägerschaft dazugehören, ist durch funktionelle Qualifikation zu erschließen.10 Erfasst werden Unterhaltspflichten zwischen diesen Personengruppen, die sich aus Gesetz oder Vertrag ergeben.11 Das Protokoll bezieht weiterhin die Erstattungsansprüche öffentlicher Einrichtungen für Leistungen an Unterhaltsberechtigte ein, die sie anstelle des Unterhaltsverpflichteten erbracht haben.12 Das HUntStProt 2007 regelt in Bezug auf die genannten Beziehungen das auf die Unterhaltspflichten anwendbare Recht. Es enthält keine Kollisionsnormen, die das Bestehen oder Nichtbestehen der jeweils vorausgesetzten Familienbeziehung betreffen. b) Räumlich-personeller Anwendungsbereich 13 Von den Vertragsstaaten wird das Protokoll unabhängig davon angewandt, ob der Sachverhalt Bezüge zu einem Vertragsstaat oder Nichtvertragsstaat aufweist. Es ist in seinem Charakter loi uniforme und verdrängt im sachlichen Anwendungsbereich das autonome Kollisionsrecht eines Vertragsstaates, in Deutschland sowohl Art 18 als auch Art 17b EGBGB in Bezug auf die Unterhaltspflichten. c) Zeitlicher Anwendungsbereich 14 Es tritt für die Mitgliedstaaten der EG voraussichtlich am 18.6.2011 in Kraft, ausgenommen Dänemark und (noch offen) das Vereinigte Königreich. Für Verfahren, die ab dem 18.6.2011 in einem Mitgliedstaat eingeleitet werden, soll sich – so vorgesehen – das anwendbare Recht ausschließlich nach dem HUntStProt 2007 richten, auch soweit es um Unterhalt für die Zeit davor geht. Für Verfahren, die davor eingeleitet werden, kommt es auf den Zeitraum an, für den Unterhalt verlangt wird. Für Unterhaltsverpflichtungen bezogen auf die Zeit ab dem 18.6.2011 gilt das Protokoll, für die Zeit davor das bisherige Kollisionsrecht. 2.

Allgemeine Fragen

15 Alle Verweisungen sind Sachnormverweisungen. Das HUntStProt 2007 sieht die übliche ordre-public-Klausel vor und getrennt von ihr eine international einheitliche Sachnorm, wonach bei der Bemessung des Unterhalts die Bedürfnisse des Berechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zu berücksichtigen sind.13

10 11 12 13

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Hierzu im Einzelnen Art 1 Rn 4 ff. Hierzu im Einzelnen Art 1 Rn 8 f. Hierzu Art 10. Art 13 und Art 14 HUntStProt 2007.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Einl HUntStProt 16-21

Das Protokoll ist möglichst einheitlich in den Vertragsstaaten entsprechend seinem 16 internationalen Charakter auszulegen. Dabei ist die Rechtsprechung in den anderen Vertragsstaaten in die Betrachtung einzubeziehen. Das Ständige Büro der Haager Konferenz richtet eine Datenbank für Entscheidungen zum HUntVerfÜbk 2007 und zum HUntStProt 2007 ein,14 um auf diese Weise die international einheitliche Auslegung zu fördern. Da die deutsche Fassung keine authentische, sondern nur eine Übersetzung ist, sind bei Auslegungsproblemen die originalgetreuen verbindlichen Versionen in englischer und französischer Sprache zu verwenden. Durch den Beitritt der EG zum HUntStProt 2007 wird es Bestandteil des Gemein- 17 schaftsrechts. Der EuGH besitzt nach Art 234 Abs 1 lit b EGV (Art 267 AEUV) Auslegungskompetenz.15 Wie die Vorfragen des Bestehens oder Nichtbestehens eines vorausgesetzten Familien- 18 verhältnisses zu lösen sind, ist im HUntStProt 2007 nicht geregelt. Es sieht nur vor, dass unabhängig davon wie sie erfolgen, die in Anwendung des Protokolls ergangenen Entscheidungen dem Bestehen einer solchen Beziehung statusrechtlich nicht vorgreifen.16 3.

Anknüpfungen

a) Parteiautonomie Vorrang hat eine vom Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten getroffene Rechts- 19 wahl. Für einen konkreten Prozess ist die Wahl der lex fori möglich.17 Sie ist zulässig für alle 20 vom HUntStProt 2007 erfassten Unterhaltsbeziehungen. Eine Missbrauchskontrolle findet nicht statt. Möglich ist eine solche Rechtswahl nachdem der Prozess anhängig gemacht wurde. Sie muss ausdrücklich erfolgen, ist jedoch an keine Form gebunden. Die Rechtswahl kann auch vor Einleitung des Prozesses erfolgen, auch sie muss ausdrücklich sein. Es besteht dann Schriftformzwang. Dieser wird substituiert durch die Nutzung eines Datenträgers, dessen Inhalt für eine spätere Aufzeichnung zugänglich ist. Eine auf bestimmte Rechtsordnungen beschränkte Rechtswahl, die nicht die lex fori 21 beinhaltet und nicht auf einen bestimmten Prozess ausgerichtet ist, wird mit Art 8 zugelassen. Gewählt werden können das Heimatrecht oder das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts von Unterhaltsberechtigten oder -verpflichteten zum Zeitpunkt der Rechtswahl, sowie das auf die güterrechtlichen Beziehungen oder das auf die Ehe-

14 15 16 17

Hierzu Hierzu Hierzu Hierzu

Artt 20, 21. Art 15 EG-UntVO Rn 23. Art 1 Rn 15 ff. Art 7.

Marianne Andrae

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Einl HUntStProt 22-24

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

scheidung bzw Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anwendbare Recht.18 Mit der Begrenzung soll erreicht werden, dass das gewählte Recht eine reale Verbindung zu der Unterhaltssache oder zu den persönlichen bzw Vermögensbeziehungen der Parteien aufweist. Die Regelung trifft Vorsorge für den Schutz der schwächeren Partei in Unterhaltsbeziehungen, indem sie: aa) die Rechtswahl für Unterhaltspflichten gegenüber Personen ausschließt, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sowie gegenüber erwachsenen Personen, die nicht in der Lage sind, aufgrund der Beeinträchtigung oder Unzulänglichkeiten persönlicher Fähigkeiten, ihre Interessen zu schützen, bb) die Rechtswahl nicht auf die Zulässigkeit des Unterhaltsverzichts erstreckt und cc) eine allgemeine Missbrauchkontrollklausel vorsieht. Die Rechtswahl bedarf der Schriftform oder der Erfassung auf einem Datenträger, der eine spätere Einsichtnahme ermöglicht, Art 8 Abs 2. b) Objektive Anknüpfung 22 Nicht auf den ersten Anschein, jedoch tatsächlich, weist das HUntStProt 2007 eine stärkere Differenzierung gegenüber dem HUntStÜbk 1973 für die Anknüpfung je nach der Art der Unterhaltsbeziehung auf. Zwar ist der gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten als allgemeines Anknüpfungskriterium in Art 4 voran gestellt. Jedoch verdeutlicht bereits die Einschränkung in dieser Vorschrift, „soweit nichts anderes bestimmt ist“, dass erhebliche Abweichungen folgen, die nicht mehr bloß als Ausnahmen vom allgemeinen Prinzip zu begreifen sind. 23 Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Unterhaltsberechtigten ist wandelbar. Es kommt auf den gewöhnlichen Aufenthalt für den Zeitraum an, für den der Unterhalt eingefordert wird.19 c) Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber einem Kind (Art 4) 24 Maßgeblich ist das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes. Hat jedoch das Kind das Gericht /die Behörde im Land des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsverpflichteten angerufen, wendet dieses /diese die lex fori an. Aufgrund dieser Differenzierung kommt es regelmäßig zur Anwendung der lex fori, soweit der Antrag seitens des Kindes gestellt wird. Bei dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes bleibt es, wenn der unterhaltsverpflichtete Elternteil der Antragsteller ist. Zugunsten des unterhaltsberechtigten Kindes ist eine Kaskadenanknüpfung vorgesehen. Diese greift nur, wenn das primär berufene Recht keinen Unterhalt gewährt. 20 Subsidiär finden dann die lex fori Anwendung oder – soweit sie bereits auf der primären Stufe berufen war – das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten. Besteht auch danach keine Unterhaltspflicht oder entfällt diese Stufe, weil das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts und die lex fori zusammentreffen, findet in der letzten Stufe das Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit Anwendung. 18 19 20

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Hierzu im Einzelnen Art 8 Rn 7 ff. Hierzu Art 3 Rn 13. Hierzu Art 4 Rn 2.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Einl HUntStProt 25-29

d) Unterhaltspflicht des Kindes gegenüber einem Elternteil (Artt 4 und 6) Es finden zunächst dieselben Kollisionsregeln Anwendung wie auf die Unterhalts- 25 pflicht der Eltern gegenüber ihren Kindern. Dies könnte auf das Gegenseitigkeitsprinzip im materiellen Unterhaltsrecht zurückzuführen sein. Da jedoch in den nationalen Rechtsordnungen diesem Prinzip teilweise nicht gefolgt wird, wird es durch eine Kumulation wiederum negiert. Das unterhaltsverpflichtete Kind kann einwenden, dass es weder nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts noch nach dem gemeinsamen Heimatrecht, soweit gegeben, zum Unterhalt verpflichtet ist. e)

Unterhaltspflicht gegenüber einer Person, die noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat (Artt 4 und 6) Es gelten dieselben Regeln wie für die Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber den El- 26 tern. Nicht erfasst sind die Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber den Kindern und zwischen Ehegatten aufgrund des Vorrangs der spezielleren Bestimmungen. f) Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten und ehemaligen Ehegatten (Art 5) Angeknüpft wird an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten. Die 27 Anknüpfung ist wandelbar, es kommt für die Anknüpfung auf den Zeitpunkt an, für den der Unterhalt geltend gemacht wird. Der Grundregel ist eine Ausweichklausel der engeren Verbindung zu einer anderen Rechtsordnung zur Seite gestellt, die nur Anwendung findet, wenn eine Partei sich darauf beruft. g) Alle übrigen Unterhaltspflichten (Artt 3 und 6) Unterhaltspflichten, die nicht unter die vorher genannten Gruppen fallen, unterlie- 28 gen dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten. Der Unterhaltsverpflichtete kann jedoch einwenden, dass er weder nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts noch nach dem gemeinsamen Heimatrecht zum Unterhalt verpflichtet ist.

h) Abänderung einer Unterhaltsentscheidung Das auf die Abänderung einer inländischen oder einer anerkannten ausländischen 29 Entscheidung21 anwendbare Recht ist im HUntStProt 2007 nicht ausdrücklich geregelt. Im vorläufigen erläuternden Bericht von Bonomi finden sich dazu keine Ausführungen. Die Lösung richtet sich danach, welche Fragen als prozessrechtlich und welche als materiell-rechtlich qualifiziert werden. Der Streit geht darum, wie die materiellen Voraussetzungen der Abänderbarkeit einzuordnen sind. Vertreten werden eine prozessrechtliche Qualifikation22 und eine materiell-rechtliche Qualifikation, die sich dahingehend trennt, ob das Recht anzuwenden ist, das der Erstentscheidung tatsächlich zugrunde lag23 oder das Recht, das zum Zeitpunkt der Abänderungsentscheidung 21

Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit der Abänderung ausländischer Unterhaltsentscheidungen ua BGH NJW 1983, 1976; Schlosser IPRax 1981, 120; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 316a.

22

23

Ua Eschenbruch/Klinkhammer /Dörner Kap 8 Rn 126; OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 346, 348; OLG Köln FamRZ 2005, 534, 535; Leipold FS Nagel (1987) 195 ff; Schack IZVR Rn 1010 ff. Ua OLG Köln IPRax 1988, 30, 31; OLG München NJW-RR 1990, 649; Spellenberg IPRax 1984, 304, 308; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 319.

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Einl HUntStProt 30-32

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

gemäß HUntStProt 2007 Unterhaltsstatut ist. 24 Begrüßenswert wäre es, wenn in den Vertragsstaaten einheitlich gesehen werden wird, welche Rechtsfragen vom Anwendungsbereich des HUntStProt 2007 erfasst werden. Für die Mitgliedstaaten der EG könnte dies letztlich durch den EuGH entschieden werden. Diese Frage ist mit Inkrafttreten der EG-UntVO, zu deren System aufgrund des Art 15 auch das HUntStProt 2007 gehört, einheitlich und autonom zu lösen, und zwar unabhängig davon, ob das Problem in dem einzelnen Mitgliedstaat im Prozessrecht oder im materiellen Recht geregelt ist. 30 Für eine prozessrechtliche Qualifikation spricht, dass es um die Änderung einer rechtskräftigen inländischen oder anerkannten ausländischen Entscheidung geht.25 Unter welchen Voraussetzungen die Rechtskraft durchbrochen werden kann, bestimmt das Prozessrecht. 26 Argumentiert wird in diesem Zusammenhang mit dem Vorrang des anzuerkennenden Urteils vor dem materiellen Unterhaltsrecht und der Parallelität von Abänderungs- und Vollstreckungsgegenklage. Letztere untersteht als prozessrechtliches Verteidigungsmittel der lex fori. 27 31 Für eine materiell-rechtliche Qualifikation spricht vor allem, dass die Abänderbarkeit aus den Erfordernissen des materiellen Unterhaltsrechts resultiert. 28 Es geht um die Anpassung des Unterhalts für die Zukunft wegen veränderter Bedingungen entsprechend der Bedürftigkeit des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Diese Fragen sind funktionell unterhaltsrechtlich zu qualifizieren. In die Betrachtung ist auch einzubeziehen, dass andere Rechtsordnungen die Änderung von Unterhaltsentscheidungen nach Voraussetzungen und Umfang im materiellen Recht erfassen. 29 32 Nach Art 8 HUntStÜbk 1973 bestimmt sich die Abänderung einer Entscheidung über den nachehelichen Unterhalt nach dem auf die Ehescheidung angewandten Recht. Dies wird im Bericht von Verwilghen zum Übereinkommen als Ausnahme vom allgemeinen Prinzip angesehen, wonach Klagen auf Änderung von Unterhaltsentscheidungen den Artt 4 bis 7 HUntStÜbk 1973 unterliegen. 30 Auch aus den Ausführungen zum Statutenwechsel in Bezug auf die allgemeine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt ergibt sich, dass dieser auch bei Änderung einer gerichtlichen / behördlichen Entscheidung zu beachten ist. 31 Deshalb ist davon auszugehen, dass dem HUntStÜbk 1973 der Gedanke zugrunde liegt, dass die Fragen der Abänderbarkeit und des

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25 26 27 28 29 30 31

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So für das HUntStÜbk 1973 ua OLG Koblenz NJW 1987, 2167; OLG Hamm FamRZ 1991, 718, 719; OLG Saarbrücken IPRax 1989, 396; Henrich IPRax 1988, 21, 22; vBar IPR II Rn 288; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 43 f. Rahm/Künkel/Breuer Bd 3 Kap VIII Rn 247 f. Eschenbruch/Klinkhammer/Dörner Kap 8 Rn 126. Eschenbruch/Klinkhammer/Dörner Kap 8 Rn 125. OLG Koblenz NJW 1987, 2167; Henrich IPRax 1988, 21, 22. Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 45. Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 163. Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 140.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Einl HUntStProt 33, 34

Umfangs, soweit sie aus den Erfordernissen des materiellen Unterhaltsrechts resultieren, auch materiell-rechtlich zu qualifizieren sind. Da Ausgangspunkt der Ausarbeitung des HUntStProt 2007 das HUntStÜbk 1973 ist, die Struktur des HUntStÜbk 1973 erhalten bleibt und der Anwendungsbereich des Unterhaltsstatuts weitgehend identisch ist, ist für das HUntStProt 2007 von derselben Lösung auszugehen. Notwendige Folge der materiell-rechtlichen Qualifikation ist, dass das nach dem HUntStProt 2007 gegenwärtige Unterhaltsstatut anzuwenden ist. 32 Hierfür kann auch Art 11 lit a angeführt werden, wonach sich nach dem Unterhaltsstatut das Ausmaß des Unterhalts bestimmt. 33 Weiterhin streitet hierfür als ergänzendes zusätzliches Kriterium im Verhältnis der Mitgliedstaaten der EG Kapitel IV Abschnitt 1 EG-UntVO. Eine Abänderungsentscheidung ersetzt die ursprüngliche Entscheidung. Wenn das Verfahren ab dem 18.6. 2011 eingeleitet worden ist, bestimmt sich die Anerkennung und Vollstreckung nach der EG-UntVO. Die ipso iure Anerkennung ohne Ablehnungsgründe und die Vollstreckbarkeit ohne Vollstreckbarkeitserklärung setzt voraus, dass die Entscheidung dem HUntStProt 2007 unterliegt. 34 Wie wichtig dies für den europäischen Gesetzgeber ist, zeigt sich auch darin, dass abweichend von den intertemporalen Bestimmungen des Art 22 vorgesehen ist, dass es in den Mitgliedstaaten, unabhängig davon für welchen Zeitpunkt der Unterhalt verlangt wird, auf alle nach diesem Zeitpunkt anhängig gemachten Unterhaltsverfahren heranzuziehen ist. Antragsberechtigt ist, wer die abzuändernde Entscheidung gegen sich gelten lassen 33 muss und wer auch nunmehr aktiv legitimiert ist. 35 Ersteres bestimmt sich nach dem Recht des erstentscheidenden Gerichts. Im Abänderungsprozess regelt sich die Befugnis zur Einreichung des Antrags nach dem gegenwärtigen Unterhaltsstatut (Art 11 lit d). War im ersten Prozess um den Kindesunterhalt nicht das Kind, sondern ein Elternteil Partei (zB im Annexverfahren im Scheidungsprozess), so kommt es für die Antragsberechtigung des Kindes im Änderungsprozess darauf an, ob nach dem Recht des Erstentscheidungsstaates die Entscheidung in diesem Teil unmittelbar Wirkung für und gegen das Kind entfaltet. 36 Trifft dies nicht zu, ist kein Änderungs-, sondern ein neuer Leistungsantrag des Kindes erforderlich. Zentrale Frage des Abänderungsverfahrens ist die Höhe des zu leistenden Unterhalts. 34 Ist es zwischenzeitlich zu einem Statutenwechsel gekommen, zB bei Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten, entscheidet wegen der lediglich begrenzten Bindungswirkung an die tatsächlichen Feststellungen des Ersturteils

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33

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Schon für das HUntStÜbk 1973: Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 65; Garbe/Ullrich/ Andrae § 11 Rn 320; Hohloch DEuFamR 2000, 193, 199f mwN. Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 47; MünchKommZPO /Gottwald § 323 ZPO Rn 135. Ausdrücklich Erwägungsgrund 24 EG-UntVO. MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 321. BGH FamRZ 1992, 1060; BGH FamRZ 1983, 806.

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Einl HUntStProt 35-38

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

das aktuell maßgebliche Unterhaltsstatut insbesondere über die Bemessung der neuen Unterhaltshöhe.37 35 Die Abänderung hat unter Wahrung der Grundlagen der Erstentscheidung zu erfolgen. Für eine inländische Entscheidung ergibt sich dies aus ihrer Rechtskraftwirkung,38 für eine ausländische aus der Anerkennung. Für die ausländische Entscheidung ist weiterhin der Grundsatz des Verbots der révision au fond zu beachten. 39 Diese darf nicht auf ihre Richtigkeit auch in Bezug auf die Tatsachenfeststellungen und die richtige Rechtsanwendung (einschließlich des Kollisionsrechts) überprüft und revidiert werden. Vielmehr ist die Entscheidung zum Ausgangspunkt zu nehmen und zu fragen, ob seit der Entscheidung Umstände eingetreten sind, die nach dem nun maßgeblichen Recht eine Änderung gebieten. 36 Typische Änderungsgründe in auslandsbezogenen Unterhaltsabänderungsprozessen sind der Umzug des Unterhaltsberechtigten in ein Land mit anderen Kaufkraftverhältnissen,40 die erhebliche Veränderung der Lebenshaltungskosten im Aufenthaltsland, wenn der Unterhaltstitel nicht dynamisiert war, sowie die Bedarfssteigerung aufgrund des Alters, wenn die Entwicklung des Bedarfs bei der Entscheidung unberücksichtigt blieb. 41 37 Möglich ist auch eine Entscheidung zu Fragen, zu denen bisher keine erfolgte, zB über die Dauer der Unterhaltszahlung. Auch hierfür ist das nunmehr vom Standpunkt des deutschen IPR maßgebliche Sachrecht heranzuziehen. Das folgt daraus, dass das Unterhaltsstatut grundsätzlich wandelbar ist und das deutsche Gericht nur hinsichtlich der Sachfragen, die durch das ausländische Gericht entschieden worden sind, an den Grundsatz des Verbots der révision au fond gebunden ist. 38 Kommt es zu einem Statutenwechsel, so richten sich die materiellen Voraussetzungen für eine Abänderung der Unterhaltsentscheidung nach dem nunmehr maßgeblichen Recht. Ist deutsches Recht danach maßgeblich, so bedarf es für die Zulässigkeit des Antrags des Vortrags von Tatsachen, aus denen sich eine wesentliche Veränderung der der Entscheidung zugrundeliegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse ergibt (§ 238 Abs 1 S 2 FamFG). Dazu reicht es nicht, dass ein Wechsel vom ausländischen zum inländischen Recht eingetreten ist, selbst wenn sich daraus eine erheblich abweichende Beurteilung des Bestands, der Höhe oder der Dauer des Anspruchs ergibt. Der Statutenwechsel ist nur relevant, wenn er begleitet ist mit wesentlichen Veränderungen tatsächlicher Art, insbesondere wenn der Unterhaltsberechtigte oder -verpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat genommen 37

38 39 40 41

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Ausführlich OLG Köln FamRZ 2005, 534, 535; Rahm/Künkel/Künkel Bd 3 Kap VIII Rn 331; AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 123; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 327. Für das dt Recht § 238 Abs 4 FamFG. Art 42. OLG Karlsruhe FamRZ 1998, 1531. OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 600, 601.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Einl HUntStProt 39, 40

hat und dadurch sich die Bedürfnisse oder Leistungsfähigkeit einer der Parteien wesentlich geändert haben.42 Die neuen Umstände können allgemein sein (zB andere Lebenshaltungskosten) oder auch nur in der Person des Berechtigten oder Verpflichteten liegen. Nicht ausreichend ist jedoch, dass das nunmehr maßgebliche Recht die weitgehend gleichgebliebenen Faktoren rechtlich anders bewertet, weil dies den Grundsätzen des Verbots der révision au fond widersprechen würde. Der prozessrechtliche Rahmen, in dem die Abänderung zu erfolgen hat, ergibt sich 39 aus der jeweiligen lex fori. Als prozessrechtlich ist im deutschen Recht § 238 Abs 2 FamFG einzuordnen, der regelt, dass die Abänderung nur auf Gründe gestützt werden kann, die nach dem Schluss der Tatsachenverhandlung des vorausgegangenen Verfahrens entstanden sind und deren Geltendmachung durch Einspruch nicht möglich ist oder war. Die Übertragung dieses Grundsatzes auf ausländische Entscheidungen trägt zur Wahrung des Verbots der révision au fond bei. Umstritten ist, ob § 323 Abs 3 ZPO, der den zeitlichen Rahmen für die Abänderbar- 40 keit festlegt, zum prozessualen Rahmen gehört. 43 Nunmehr lässt § 238 Abs 3 FamFG eine Kompromisslösung zu, die dem Doppelcharakter dieser Problematik Rechnung trägt. Die Abänderung ist für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags zulässig, unabhängig davon, ob die erste Entscheidung eine in- oder ausländische und welches Recht Unterhaltsstatut ist. Die Möglichkeit darüber hinaus eine Erhöhung für die Vergangenheit zu erreichen, bestimmt sich nach dem Unterhaltsstatut, weil § 238 Abs 3 S 2 FamFG insoweit auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts verweist. Bei Statutenwechsel kommt es auf das Unterhaltsstatut für den Zeitraum an, für den eine Änderung in Bezug auf die Vergangenheit gefordert wird. 44 Dagegen ist für die Herabsetzung des festgesetzten Unterhalts für die Zeit vor der Rechtshängigkeit eine Sachregelung in § 238 Abs 3 S 3, 4 FamFG getroffen, die aus Gründen der Rechtssicherheit einheitlich – unabhängig vom Unterhaltsstatut – für das inländische Abänderungsverfahren anzuwenden ist. Mit dieser Lösung wird beachtet, dass sich die bisherige Unterhaltspflicht aus einer individuellen rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung ergibt und deshalb ein besonderer prozessualer Vertrauensschutz gewahrt werden sollte. Andererseits wird berücksichtigt, dass die Frage, in welchem Ausmaß ein Berechtigter rückwirkend Unterhalt verlangen kann, funktionell zum Unterhaltsrecht gehört.

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Zu weitgehend deshalb BGH FamRZ 2009, 1402, 1403, wonach allein der Wechsel des anwendbaren Rechts, der zu einer deutlich höheren Unterhaltspflicht führt, eine Anpassung des bestehenden Unterhaltstitels ermöglicht. Für eine materiell-rechtliche Qualifikation: ua Palandt/Thorn Art 18 EGBGB Rn 17; MünchKommZPO /Gottwald § 323 ZPO Rn 121; Hohloch DEuFamR 2000, 193, 204. Für eine prozessrechtliche Qualifikation: ua OLG Köln IPRax 1989, 53, Anm Henrich; OLG Düsseldorf FamRZ 1993, 346, 348; OLG Hamm FamRZ 1993, 1477; Henrich IFR § 5 V 4 b S 218 f. Indirekt BGH FamRZ 2009, 1402, 1403.

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Einl HUntStProt, 41 Art 1 HUntStProt, 1, 2

V.

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Autonomes IPR

41 Mit Inkrafttreten des HUntStProt 2007 in den Mitgliedstaaten der EG ist das autonome Kollisionsrecht jedes einzelnen Mitgliedstaates im sachlichen Anwendungsbereich des Protokolls nicht mehr anzuwenden. Art 18 EGBGB kann nur noch auf Unterhalt anwendbar sein, der außerhalb von Familie, Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft zu leisten ist. Auch Art 17b EGBGB, soweit er auf den Unterhalt in der eingetragenen Lebenspartnerschaft bezogen ist, ist unanwendbar. Die Vorschrift müsste insoweit geändert werden.

Art 1

Anwendungsbereich (1) Dieses Protokoll bestimmt das auf solche Unterhaltspflichten anzuwendende Recht, die sich aus Beziehungen der Familie, Verwandtschaft, Ehe oder Schwägerschaft ergeben, einschließlich der Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind, ungeachtet des Familienstands seiner Eltern. (2) Die in Anwendung dieses Protokolls ergangenen Entscheidungen lassen die Frage des Bestehens einer der in Absatz 1 genannten Beziehungen unberührt. I. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Familie, Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgrund der Unterhaltspflicht . . . 3. Unterhaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4. Subsumtion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 8 10

14 15

II. Tragweite von Entscheidungen

(Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

Sachlicher Anwendungsbereich

1.

Familie, Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft

19

1 Der sachliche Anwendungsbereich umfasst Unterhaltspflichten aus Familie, Verwandtschaft, Ehe und Schwägerschaft. Unterhaltspflichten, die auf andere Rechtsgründe zurückzuführen sind, zB aus der Schadensersatzpflicht infolge einer unerlaubten Handlung, werden vom HUntStProt 2007 nicht erfasst.1 2 Die EG-UntVO hat in Art 1 Abs 1 die Begriffe des HUntStProt 2007 übernommen, dem Erwägungsgrund 8 ist zu entnehmen, dass die Übereinstimmung gewollt ist. Sie ist auch rechtspraktisch erforderlich. Mit Art 15 EG-UntVO ist das HUntStProt 2007 in das System der EG-UntVO einbezogen worden und sie bilden zusammen ein kohärentes System für grenzüberschreitende familienrechtliche Unterhaltsbeziehungen. Die Zuständigkeitsordnung der EG-UntVO und die Kollisionsnormen des HUntStProt 2007 betreffen beide das Erkenntnisverfahren. Es wäre nicht vermittelbar, den sachli1

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Für das HUntStÜbk 1973 ua Bamberger/Roth/Heiderhoff Art 18 EGBGB Rn 18.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 1 HUntStProt 3-5

chen Anwendungsbereich jeweils anders auszulegen mit der Folge, dass die eine Rechtsquelle anzuwenden ist und die andere außen vor bleibt. Zusammenfassend ist der sachliche Anwendungsbereich möglichst einheitlich zu bestimmen. Dabei ist Ausgangspunkt Art 1 HUntStProt 2007 aufgrund seines Charakters als völkerrechtlicher Vertrag, an den die EG – nach seinem Inkrafttreten – gebunden ist. Für die Auslegung wird im Einzelnen verwiesen: Für den Begriff Verwandtschaft auf Art 1 EG-UntVO Rn 6 f; Ehe auf Art 1 EG-UntVO Rn 3 ff, Art 5 HUntStProt 2007 Rn 6; Schwägerschaft auf Art 1 EG-UntVO Rn 8 und Familie auf Art 1 EG-UntVO Rn 9 ff. Der Begriff Verwandtschaft umfasst die Beziehung zwischen Personen, bei der die eine 3 von der anderen oder beide von einer dritten Person abstammen. Er schließt die durch Adoption begründete Verwandtschaft mit ein. Der Begriff der Ehe ist in Art 5 Rn 6 noch einmal erläutert. Mit dem Begriff Schwägerschaft sind die Beziehungen des einen Ehegatten zu den Verwandten des anderen Ehegatten bezeichnet. Die Begriffe Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft sind einheitlich und autonom auszulegen, ohne Rückgriff auf einzelstaatliches Recht zu nehmen. Der Zusatz „einschließlich der Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind, ungeachtet des Personenstandes seiner Eltern“ stellt ein Kompromiss dar. Er soll die Teilnahme von Ländern an dem HUntVerfÜbk 2007 und dem Protokoll ermöglichen, deren Rechtsordnungen davon ausgehen, dass das Kind nicht verheirateter Eltern nicht mit seinem Vater verwandt ist. 2 Der Begriff Familienbeziehung hat eine doppelte Bedeutung. Er steht zum einen für 4 die zusammenfassende Charakterisierung der Beziehungen Ehe, Verwandtschaft und Schwägerschaft. Darüber hinaus werden auch andere Beziehungen erfasst; welche dies sind, ist nicht autonom zu bestimmen, sondern richtet sich zumindest gegenwärtig nach nationalem Recht. Dabei ist jedoch nicht das materielle Familienrecht des Gerichtsstaates zugrunde zu legen, vielmehr ist nach der im IPR des Forumstaates herrschenden Methode zu qualifizieren. In Deutschland ist die funktionelle Qualifikationsmethode zugrunde zu legen. Auf diese Weise können auch im deutschen Recht unbekannte Beziehungen, die in einer anderen Rechtsordnung als Familienbeziehungen unterhaltsrechtliche Wirkungen hervorrufen, hierunter subsumiert werden, wenn sie durch besondere persönliche Beziehungen eigener Art dauerhaften Charakters gekennzeichnet sind.3 Dabei kann der Begriff „Familienbeziehung“ weit ausgelegt werden, weil das kollisi- 5 onsrechtliche System des HUntStProt 2007 rechtspraktisch sichert, dass im Unterhaltsverfahren nur dann in solchen Familienbeziehungen zur Leistung verpflichtet wird, wenn sowohl das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Berechtigten und des Verpflichteten eine solche Rechtspflicht vorsehen oder – soweit die Parteien eine gemeinsame Staatsangehörigkeit besitzen – sich aus diesem gemeinsamen Recht und 2

3

Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 13; Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 53-54. Hierzu Art 1 EG-UntVO Rn 13 ff.

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Art 1 HUntStProt 6- 8

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten ein Anspruch auf Unterhalt ergibt. 6 Bestimmte Beziehungen, die nach der eigenen Rechtsordnung nicht als Familienbeziehungen angesehen werden oder aus der sich keine Unterhaltspflicht ergeben, brauchen nicht über eine enge Begriffsauslegung von vornherein von der Anwendung des HUntStProt 2007 ausgeschlossen werden. 4 Die eigene Rechtsordnung wird nicht berührt, wenn die Hürde des Art 6 im konkreten Fall genommen wird. Ein weites Verständnis trägt zur einheitlichen, dem internationalen Charakter entsprechenden Auslegung des sachlichen Anwendungsbereichs des HUntStProt 2007 bei. 7 Die Einbeziehung der in Staaten bestehenden verschiedenen Formen der gleichgeschlechtlichen Ehen und Partnerschaften in den sachlichen Anwendungsbereich des HUntStProt 2007 wurde auf der 21. Tagung der Haager Konferenz 2007 diskutiert. Konsens wurde dahingehend erzielt, dass jeder Vertragsstaat selbst über die Qualifikation derartiger Beziehungen als Familienbeziehungen in diesem Zusammenhang entscheiden kann.5 Nach deutschem IPR sind die eingetragene Lebenspartnerschaft und vergleichbare Rechtsinstitute des ausländischen Rechts, auch die homosexuelle Ehe, als Familienbeziehungen einzuordnen. 2.

Rechtsgrund der Unterhaltspflicht

8 Die Unterhaltsverpflichtung muss ihren Rechtsgrund in der Familienbeziehung der Parteien haben.6 Das HUntStProt 2007 ist anzuwenden, wenn sich die Unterhaltsverpflichtung aus Gesetz ergibt, auch wenn sie durch Vertrag konkretisiert, modifiziert oder ausgeschlossen wird. Darüber hinaus sollte sich das HUntStProt 2007 auf alle Unterhaltsansprüche aus Verträgen erstrecken, soweit sie ihren Grund in der familienrechtlichen Bindung bzw ihrer Beendigung haben, ohne Rücksicht darauf, ob eine gesetzliche Unterhaltspflicht tatsächlich besteht. Im vorläufigen erläuternden Bericht von Bonomi zum Protokollentwurf wird dieses Problem nicht erörtert, vielmehr wird pauschal für die erfassten Pflichten auf den Bericht von Verwilghen zum HUntStÜbk 1973 verwiesen. Nach dem Bericht von Verwilghen hat das entscheidende Gericht die Freiheit, „Die Übereinkommensklausel dahin auszulegen, dass sie sich auf Fälle von Unterhaltspflichten aus Verträgen erstreckt, und daher die Vertragsbestimmungen anzuwenden, oder es wird im Gegenteil die Bestimmungen des allgemeinen Internationalen Privatrechts anwenden“.7 Die hauptsächlich in Deutschland vertretene Lösung zum HUntStÜbk 1973, das Unterhaltsstatut nicht zur Anwendung zu bringen8 und stattdessen 4

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Dieses Verhältnis zwischen dem Begriff Unterhalt aus Familienbeziehungen, dem Ausschluss von Vorbehaltserklärungen gegenüber Bestimmungen und dem Art 6 wird zB deutlich im Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 59; ders Prel Doc No 27 Rn 43. Hierzu Bonomi YB PIL 2008, 333, 339; näher zu dieser Frage Art 5 Rn 7. Hierzu Art 1 EG-UntVO Rn 29 ff. Verwilghen-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 120.

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Art 1 HUntStProt 9, 10

Artt 27 ff EGBGB anzuwenden,9 ist zum einen dem Umstand geschuldet, dass danach die Rechtswahl nicht zugelassen ist und zum anderen Art 8, der zu dem auf die Scheidung angewandten Recht führt, keine interessengerechte Anknüpfung für die Unterhaltsvereinbarungen darstellt. Obwohl das Protokoll zu diesem Punkt schweigt, gibt es wichtige Gesichtspunkte – neben denen, die bereits für die EG-UntVO genannt wurden10 –, die für die Einbeziehung der Unterhaltsvereinbarung generell in den Anwendungsbereich des HUntStProt 2007 streiten. In erster Linie kann hierfür die Zulassung der Parteiautonomie genannt werden.11 Eine ihrer wesentlichen Funktionen besteht darin, den Unterhaltsvereinbarungen zwischen Ehegatten und Beteiligten anderer Familienbeziehungen durch Rechtswahl rechtliche Stabilität zu verleihen. Soweit jedoch akzeptiert wird, dass die Rechtswahl nach Art 18 die Unterhaltsvereinbarung mit erfasst, so muss die gleiche Schlussfolgerung für die objektive Anknüpfung getroffen werden.12 Unterhaltsvereinbarungen haben rechtspraktische Bedeutung, vor allem für den ehe- 9 lichen und nachehelichen Unterhalt. Für sie enthält das HUntStProt 2007 mit der begrenzten Rechtwahlmöglichkeit nach Art 18 und der objektiven Anknüpfung nach Art 5 adäquate Anknüpfungen bereit, die zu einer Rechtsvereinheitlichung, vor allem auch in der Europäischen Gemeinschaft, führt. Die Rom I-VO ist nicht anzuwenden, da familienrechtliche Verträge ausgenommen sind. Übrig bliebe das autonome IPR, das jedoch keine funktional entsprechende Lösung bereit hält. Da das HUntStProt 2007 sich diesbezüglich vom HUntStÜbk 1973 unterscheidet und im Wortlaut keine Beschränkung auf gesetzliche Unterhaltspflichten vorsieht, sollte im Rahmen einer einheitlichen Auslegung (Art 20) eine solche nicht als ungeschriebene Anwendungsschranke hinein interpretiert werden. 3.

Unterhaltspflicht

Der Begriff ist autonom und in den Vertragsstaaten möglichst einheitlich auszulegen 10 (Art 20). Auf die Bezeichnung in den nationalen Rechtsordnungen kommt es nicht an. Entscheidend ist die Funktion der Pflicht, dem Berechtigten das Bestreiten des Lebensunterhalts zu ermöglichen. Dabei hat keine Beschränkung auf elementare Lebensbedürfnisse zu erfolgen, eine in der deutschen Literatur anzutreffende Umschreibung.13 Die geforderte Leistung hat der regelmäßigen Versorgung einer Person zu dienen, im Einzelfall werden auch Sonderbedarfe erfasst. Sie muss im Kern auf die Be8

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Für den Ausschluss vom HUntStÜbk 1973 Bamberger/Roth/Heiderhoff Art 18 EGBGB Rn 23; Henrich IFR S 187; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 55. Für die Anwendung von Art 27 ff EGBGB ua Eschenbruch/Klinkhammer/Dörner Kap 7 Rn 27; Staudinger /Mankowski (2003) Art 18 EGBGB Rn 15; Coester IPRax 1991, 132, 133. Hierzu Art 1 EG-UntVO Rn 31. So, wenn auch vorsichtig Bonomi YB PIL 2008, 333, 340. So Bonomi YB PIL 2008, 333, 340. ZB Eschenbruch/Klinkhammer/Dörner Kap 7 Rn 31; Hausmann IPRax 1990, 382, 387; Staudinger / Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 72.

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Art 1 HUntStProt 11-13

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

dürftigkeit des Berechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zurückzuführen sein. Die Leistungspflicht kann auf Lebzeiten oder für eine bestimmte Zeitspanne bestehen. Typischerweise sind wiederkehrende Leistungen zu erbringen, jedoch sind auch Einmalzahlungen erfasst, wenn sie der Funktion nach Unterhaltspflichten abdecken.14 11 Das für das HUntStÜbk 1973 zum Teil vertretene Konzept der Doppelqualifikation ist nicht für das HUntStProt 2007 dienbar zu machen. Danach ist die Primärqualifikation, was Unterhalt iSd HUntStÜbk 1973 ist, durch autonome Auslegung des Übereinkommens zu bestimmen. Innerhalb dieses Rahmens ist dann das berufene Unterhaltsstatut zu befragen, ob eine von ihm vorgesehene Leistungspflicht als Unterhalt zu verstehen ist.15 Eine solche Qualifikationsmethode widerspricht dem Grundsatz der möglichst einheitlichen Auslegung des HUntStProt 2007 (Art 20). 12 Hat ein geltend gemachter Anspruch sowohl unterhaltsrechtliche als auch güterrechtliche Funktion, so ist zu prüfen, ob er sich eindeutig in verschiedene Teile zerlegen lässt, die einerseits als unterhaltsrechtlich und andererseits als güterrechtlich zugeordnet werden können.16 Handelt es sich um einen einheitlichen und nicht aufspaltbaren Anspruch, der doppelfunktional angelegt ist, so hat eine Qualifikation als unterhaltsrechtlich dann zu erfolgen, wenn die unterhaltsrechtliche Funktion überwiegt, auch wenn er darüber hinaus ebenso dem vermögensrechtlichen Ausgleich dient.17 Auch wenn der Anspruch davon abhängt, ob der Berechtigte die Scheidung nicht verschuldet hat, ist er iSd HUntStProt 2007 als unterhaltsrechtlich zu qualifizieren, wenn er darauf gerichtet ist, seine Versorgung nach der Scheidung zu sichern.18 Soweit der Anspruch unabhängig von der Bedürftigkeit besteht und mehr den Charakter des Ersatzes eines immateriellen Schadens hat, ist er jedenfalls nicht als unterhaltsrechtlich einzuordnen.19 13 Gleichfalls nicht unterhaltsrechtlich zu qualifizieren ist die Morgengabe des islamischen Rechts. 20 Ob Wohnungszuweisung und Hausratsverteilung bei getrennt lebenden Ehegatten infolge der Trennung oder der Scheidung als unterhaltsrechtlich einzuordnen sind, ist autonom zu bestimmen, insoweit stellt Art 17a EGBGB kein Hinderungsgrund dar. Träfe dies zu, wäre diese Norm für diese Fragen nicht heranzuziehen. Die Verteilung erfolgt unter Berücksichtigung der Eigentumsverhältnisse unter Billigkeitsgesichtspunkten zwischen beiden Ehegatten. Es fehlt das für die Unter14 15 16 17 18 19

20

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Hierzu Art 1 EG-UntVO Rn 23. Andrae IFR § 8 Rn 38 f; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 30. Hierzu Art 1 EG-UntVO Rn 26. Hierzu Art 1 EG-UntVO Rn 27. Hierzu Eschenbruch/Klinkhammer /Dörner Kap 7 Rn 32. Eschenbruch/Klinkhammer/Dörner Kap 7 Rn 32; Johannsen/Henrich /Henrich4 (2003) Art 18 EGBGB Rn 26; OLG Frankfurt FamRZ 1992, 1182. Die Qualifikation ist im dt IPR umstritten, ausführlich hierzu Andrae IFR § 3 Rn 140 ff; Henrich FS Sonnenberger (2004) 389, 397 ff; MünchKommBGB /Siehr Art 15 EGBGB Rn 97; aA Eschenbruch/ Klinkhammer /Dörner Kap 7 Rn 33; Erman/Hohloch Art 18 EGBGB Rn 26.

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Art 1 HUntStProt 14

haltspflichten charakteristische Element der Leistungsfähigkeit einer Seite, so dass eine Zuordnung zu den Ehewirkungen durchaus gerechtfertigt ist21 und insofern Art 17a EGBGB nicht berührt wird. Bei der Feststellung des Unterhaltsbedarfs auf der Grundlage des Unterhaltsstatuts sind gegebenenfalls die Zuweisungen zu berücksichtigen,22 dies kann auf Art 14 (einheitliche Sachnorm) gestützt werden. Der Anspruch auf Prozesskostenvorschuss ist unterhaltsrechtlich zu qualifizieren. 23 Zur Abgrenzung zwischen unterhalts- und güterrechtlichen Ansprüchen siehe Art 1 EG-UntVO Rn 24 ff. Ein Auskunftsanspruch ist iSd HUntStProt 2007 als unterhaltsrechtlich zu qualifizieren, soweit er Hilfsfunktion für die Feststellung eines dem Grunde nach bestehenden Unterhaltsanspruchs besitzt und Anspruchsberechtiger und -verpflichteter die Subjekte der Unterhaltsbeziehungen sind. Dies trifft für das deutsche Recht zB auf § 1605 BGB zu.24 Besteht die Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht im Verfahren, handelt es sich um ein prozessrechtliches Mittel der Sachaufklärung im Unterhaltsprozess, die dann prozessrechtlich einzuordnen ist. Unabhängig von dem durch das HUntStProt 2007 bestimmten Unterhaltsstatut kann das Gericht nach der lex fori solche Auskünfte einfordern, Beispiel hierfür ist § 235 FamFG.25 4.

Subsumtion

Die Anwendung des Protokolls setzt voraus, dass die Beziehung, aus der sich die Un- 14 terhaltspflicht ergibt oder ergeben soll, sich unter Familie, Verwandtschaft, Ehe oder Schwägerschaft subsumieren lässt. Dabei reicht es für die Prüfung des sachlichen Anwendungsbereichs, dass die Existenz eines solchen Verhältnisses schlüssig dargelegt wird. Es handelt sich hierbei nämlich um eine doppelt relevante Tatsache. Dieselbe Frage ist noch einmal zu prüfen, wenn es um die Anwendung des nach dem Protokoll maßgeblichen materiellen Rechts, also um den materiellen Anspruch selbst geht. Die Frage kann auf beiden Ebenen nur einheitlich beantwortet werden, und es ist zweckmäßig, sie auf die Ebene der materiell-rechtlichen Prüfung zu verlagern. Das Erfordernis der Klärung der kollisionsrechtlichen Vorfrage für die Abgrenzung des ehelichen und des nachehelichen Unterhalts – wie es sich aus Art 8 HUntStÜbk 1973 ergibt – besteht nach dem HUntStProt 2007 nicht, da es eine einheitliche Kollisionsnorm für die von Abs 1 erfasste Familienbeziehung „Ehe“ gibt. 21

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AnwKommBGB /Andrae Art 14 EGBGB Rn 69; Erman/Hohloch Art 14 EGBGB Rn 33; Staudinger / Mankowski Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 77; aA unterhaltsrechtliche Qualifikation ua OLG Hamm FamRZ 1989, 621; OLG Düsseldorf NJW 1990, 3091, 3092; OLG Koblenz NJW-RR 1991, 522; OLG Karlsruhe FamRZ 1993, 1464. Eschenbruch/Klinkhammer/Dörner Kap 7 Rn 49. Ua KG FamRZ 1988, 167; OLG Köln FamRZ 1995, 680; Jayme IPRax 1986, 265, 268; Johannsen/ Henrich /Henrich4 (2003) Art 18 EGBGB Rn 28; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 75; vgl hierzu Art 11 Rn 7. Für eine unterhaltsrechtliche Qualifikation nach bisherigem Recht Andrae IFR § 8 Rn 72; Bamberger/Roth/Heiderhoff Art 18 EGBGB Rn 19; BGH FamRZ 1994, 558; OLG Köln FamRZ 2003, 544; OLG Frankfurt IPRax 1983, 245. Hierzu auch Art 11 Rn 4.

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Art 1 HUntStProt 15-17

5.

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Vorfragen26

15 Wie das HUntStÜbk 1973 trifft das Protokoll für die Vorfrage der Existenz der vorausgesetzten familienrechtlichen Beziehung keine Regelung. 27 Ist über die Vorfrage – zB die Vaterschaft der in Anspruch genommenen Person – bereits eine erga omnes wirkende oder die Parteien bindende inländische oder anzuerkennende ausländische Entscheidung zur Existenz der vorausgesetzten Familienbeziehung getroffen worden, so ist sie der Entscheidung über die Unterhaltspflichten zugrunde zu legen. Wird in einem Verbundverfahren, zB vorweg, über die Elternschaft mit statusrechtlicher Wirkung entschieden, die Scheidung vorgenommen oder die Auflösung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ausgesprochen, so kann dies nur auf der Grundlage der Kollisionsnormen des Gerichtsstaates erfolgen. Das Statusverhältnis ist in diesem Verfahren nämlich zunächst einmal Hauptfrage, die dann für den zweiten zu entscheidenden Komplex des Unterhalts zur Vorfrage wird. 16 Das Methodenproblem reduziert sich deshalb auf die Fälle, in denen im Unterhaltsverfahren inzident über das Bestehen einer Familienbeziehung als Voraussetzung des Bestehens einer Unterhaltspflicht entschieden werden soll. Noch immer trifft es zu, dass vorrangig drei Methoden möglich erscheinen. 28 17 Die erste Methode besteht darin, das durch das Protokoll bezeichnete Recht auch auf die Feststellung der Familienbeziehung anzuwenden, von der das Bestehen der Untehaltspflicht abhängt.29 Diese einfache lex causae Methode kann jedenfalls dort keine Anwendung finden, wo das zugrunde liegende familienrechtliche Verhältnis eigenständigen Kollisionsnormen unterliegt. Die Existenz des Rechtsverhältnisses muss logisch dann nach dem kollisionsrechtlich berufenen Recht geprüft werden, um wohlerworbene Rechtsstellungen zu schützen.30 Die Methode hat ihren Ursprung in einer Zeit, in der die Unterhaltspflicht gegenüber dem nichtehelichen Kind als bloße Zahlvaterschaft ausgestaltet war und rechtlich ein Eltern-Kind-Verhältnis zwischen dem Vater und dem Kind verneint wurde. Für diese Methode kann nicht Art 11 lit a angeführt werden. Dieser regelt nur abstrakt, welche Personen zum Unterhalt verpflichtet sind, nicht jedoch, ob das dafür vorausgesetzte Rechtsverhältnis existiert. 31

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30 31

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Die Vorfragen, die die Ehe betreffen, sind bei Art 5 Rn 19 ff dargestellt. Hierzu Wagner FamRZ 2005, 410, 420: „Angesichts der Komplexität der Vorfragenproblematik erscheint eine Einigung in Den Haag wenig wahrscheinlich ..., sodass insoweit Spielraum für flexible Lösungen im autonomen Recht der Mitgliedstaaten bleibt.“ Hierzu auch Looschelders/Boos FamRZ 2006, 374, 378. Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 125. Für das HUntStÜbk 1956 hauptsächlich praktizierte Methode, Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 127; Martiny Recueil des Cours 247 (1994 III) 131, 224; hierzu auch Johannsen/Henrich / Henrich4 (2003) Art 18 EGBGB Rn 19-21. Insoweit auch Johannsen/Henrich /Henrich4 (2003) Art 18 EGBGB Rn 21. Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 28.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 1 HUntStProt 18, 19

Möglich sind deshalb tatsächlich nur zwei Methoden, wenn es um ein vorausgesetztes Familienrechtsverhältnis geht, nämlich die unselbständige Anknüpfung (= die Vorfrage bestimmt sich nach dem Recht des Staates, das vom IPR des Staates berufen wird, welches auf die Unterhaltsverpflichtung Anwendung findet)32 oder die selbständige Anknüpfung (= die Vorfrage unterliegt dem Recht des Staates, auf das die Kollisionsnormen des angerufenen Gerichts verweisen). 33 Anders als für das HUntStÜbk 1973 überwiegen für das HUntStProt 2007 die Argumente für eine selbständige Vorfragenanknüpfung. Zum einen kann hierfür der vorläufige erläuternde Bericht von Bonomi zum Protokollentwurf angeführt werden. Danach ist das Recht, das auf diese Beziehungen anzuwenden ist, auf der Basis der Kollisionsnormen zu bestimmen, die in jedem Vertragsstaat in Kraft sind.34 Da als Unterhaltsstatut auch das Recht eines Nichtvertragsstaates in Betracht kommt, kann damit nur das Kollisionsrecht des Gerichtsstaates gemeint sein. Zum anderen lässt das System der Anknüpfungen im HUntStProt 2007 regelmäßig keine andere Lösung zu. Die Parteiautonomie für die Unterhaltspflichten kann nicht soweit gehen, dass sie sich auch noch auf die anwendbaren Kollisionsnormen für das Statusverhältnis bezieht. Bei der unselbständigen Anknüpfung der Vorfrage würde sich das Problem ergeben, ob das Günstigkeitsprinzip des Art 4 und die Kumulation nach Art 6 sich auch auf die Vorfrage erstrecken. Da das HUntStProt 2007 ein Kompromiss zwischen der Anknüpfung an die lex fori und dem gewöhnlichen Aufenthalt einer Partei darstellt35 und die lex fori auch hinsichtlich der Anknüpfung der Hauptfrage an Bedeutung gewonnen hat, ist die selbständige Anknüpfung konsequente Folge. Nur für die Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind, die in den Eltern-Kind-Be- 18 ziehungen begründet sind, kann die unselbständige Anknüpfung weiterhin präferiert werden, soweit eine Rechtswahl nach Art 8 ausgeschlossen ist. 36 II.

Tragweite von Entscheidungen (Abs 2)

Abs 2 stimmt inhaltlich mit Art 2 Abs 2 HUntStÜbk 1973 überein. Veränderungen 19 im deutschen Text rühren aus der Übersetzung, der englische Text ist mit dem des HUntStÜbk 1973 identisch. Dieser bringt die Zielstellung klarer zum Ausdruck: „Decisions rendered in application of this Protocol shall be without prejudice to the existence of any of the relationships referred to in paragraph 1.“ Die Klausel besagt, dass es nicht Zweck des Protokolls ist, das Kollisionsrecht auf anderen Gebieten als der Unterhaltspflichten in den in Abs 1 genannten Beziehungen zu regeln. 37 32

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34 35 36 37

Für eine überwiegend unselbständige Anknüpfung in Bezug auf das HUntStÜbk 1973 Andrae IFR § 8 Rn 68; Erman/Hohloch Art 18 EGBGB Rn 11. Für eine grundsätzlich selbständige Anknüpfung der Vorfrage ua Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 18 ff; Kegel/Schurig IPR9 (2004) § 20 IX S 895 (mit Ausnahme Abstammung eines Unterhalt fordernden Kindes). Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 14. Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 4. Hierzu Art 4 Rn 23. Für das HUntStÜbk 1973 Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 126.

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Art 2 HUntStProt 1, 2

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Abs 2 stellt das Gegenstück zu Art 22 EG-UntVO und Art 19 Abs 2 HUntVerfÜbk 2007 dar. Rechtsmethodisch gehört die Bestimmung nicht zum Kollisionsrecht, sondern zur Anerkennung von Entscheidungen.38 Danach ist die Tragweite der in Anwendung des Protokolls ergangenen Entscheidungen auf den Teil der Entscheidung beschränkt, der sich auf die Unterhaltspflichten bezieht. 39 Niemand kann sich darauf berufen, um damit das Bestehen oder Nichtbestehen einer Familienbeziehung darzulegen. 40 Um dies an einem Beispiel auszudrücken: Wenn in einer Entscheidung ein bestimmter Mann als Vater des Kindes zum Unterhalt verpflichtet worden ist, ist damit nicht gleichzeitig entschieden, dass er Vater des Kindes ist. Mit der Regelung soll der Beitritt zum Protokoll erleichtert werden, indem mit ihr ausgedrückt wird, dass es weder eine direkte noch indirekte rechtliche Anerkennung der zugrunde liegenden Familienbeziehung bzw pseudofamiliären Beziehung herbeiführt.41 Dies kann sich jedoch nur auf die Frage der Anerkennung ausländischer Entscheidungen beziehen, denn im Gerichtsstaat selbst kommt es auf die Wirkungen der Rechtskraft an. Die in der Unterhaltssache erlassene Entscheidung soll der Lösung nicht vorgreifen, die ein anderes Gericht für dieselbe Beziehung finden würde, wenn sie sich als Hauptfrage oder in einem anderen Zusammenhang als Vorfrage stellt. Abs 2 beschränkt sich nur auf den Teil einer Entscheidung, der auf den Regeln des Protokolls beruht. Er findet zB keine Anwendung auf den Teil, in dem das Sorgerecht geregelt wird, wenn über das Sorgerecht und den Kindesunterhalt in einer Entscheidung entschieden worden ist.

Art 2

Universelle Anwendung Dieses Protokoll ist auch anzuwenden, wenn das darin bezeichnete Recht dasjenige eines Nichtvertragsstaats ist.

1 Art 2 stimmt mit Art 3 HUntStÜbk 1973 überein. Vorgesehen ist die für die Haager Kollisionsrechtsübereinkommen typische Umschreibung einer loi unifome. Für die praktische Rechtsanwendung genügt es festzustellen, ob der Staat des angerufenen Gerichts Vertragsstaat ist oder nicht. Dies vereinfacht die Rechtsanwendung, weil nicht geprüft werden muss, ob die Beteiligten in einem Vertragsstaat ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben oder sie die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates besitzen. Für die Anwendung des HUntStProt 2007 in einem Vertragsstaat genügt es, wenn die Unterhaltsbeziehung irgendeinen grenzüberschreitenden Bezug aufweist. 2 Indirekte Folge des loi uniforme Charakters des HUntStProt 2007 ist es, dass Art 18 EGBGB im sachlichen Anwendungsbereich des HUntStProt 2007 (Art 1 Abs 1), 38 39 40 41

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Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 130. Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 14; für das HUntStÜbk 1973 Verwilghen-Bericht Rn 129. Für das HUntStÜbk 1973 Verwilghen-Bericht Rn 129. Für das HUntStÜbk 1973 Verwilghen-Bericht Rn 130.

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Art 3 HUntStProt 1, 2

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

und auch Art 17b Abs 1 EGBGB auf die unterhaltsrechtlichen Folgen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, mit Inkrafttreten des HUntStProt 2007 für die Europäische Gemeinschaft keine Anwendung mehr finden.

Art 3

Allgemeine Regel in Bezug auf das anzuwendende Recht (1) Sofern in diesem Protokoll nichts anderes bestimmt ist, ist für Unterhaltspflichten das Recht des Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. (2) Wechselt die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt, so ist vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an das Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

IV. Gewöhnlicher Aufenthalt . . . . . . . . . . . . .

8

II. Vorrang spezieller Anknüpfung . . . . . . .

4

V. Hilfsanknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

VI. Statutenwechsel (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . .

13

III. Unterhaltsberechtigter

und -verpflichteter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

6

Einführung

Das HUntStProt 2007 übernimmt in Art 3 die Grundanknüpfung an den gewöhnli- 1 chen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten aus den Haager Übereinkommen von 1956 und 1973. Soweit an einer allgemeinen Anknüpfung für die unterschiedlichsten Familienbeziehungen festgehalten wird, ist eine andere Grundanknüpfung nicht vertretbar. Diese muss die in der Rechtspraxis wichtigsten Fälle, nämlich die Unterhaltspflichten gegenüber Kindern und danach – mit Abstand – den ehelichen und nachehelichen Unterhalt, abdecken. Zum einen scheidet eine generelle lex fori Anknüpfung aus. Für Unterhaltssachen be- 2 steht in vielen Staaten eine weite internationale Zuständigkeit. Hinzuweisen ist hier nur auf die Zuständigkeit nach der EG-UntVO, nach der für den Unterhaltsberechtigten die Möglichkeit besteht, am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsverpflichteten und am eigenen gewöhnlichen Aufenthalt den Antrag zu stellen, sowie die Annexzuständigkeit im Statusverfahren zu nutzen. Die lex fori Anknüpfung würde für den Antragsteller die Möglichkeit der Auswahl des Forums unter dem Gesichtspunkt des für ihn günstigsten Rechts ermöglichen (forum shopping). Der mit einer Vereinheitlichung des Kollisionsrechts erstrebte Effekt, das anwendbare Recht möglichst von der Zuständigkeit zu lösen, würde nicht erreicht werden.

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Art 3 HUntStProt 3, 4

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Zum anderen ist auch die Staatsangehörigkeit beider oder eines der Beteiligten als allgemeiner Anknüpfungspunkt ungeeignet. Unterhaltsbeziehungen werden von den Lebensumständen der Betreffenden geprägt, von der sozialen und wirtschaftlichen Situation der Länder, in denen sie leben. Die Staatsangehörigkeit spielt hierbei keine oder – wenn überhaupt – nur eine sehr mittelbare Rolle. Haben Unterhaltsberechtigter und -verpflichteter ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ein und demselben Staat, dann bringt die Anwendung dieses Rechts die gemeinsame engste Verbindung in Bezug auf die Unterhaltssache zum Ausdruck. Sowohl die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten als auch die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten werden von den sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten dieses Staates geprägt.1 Vielfach befindet sich jedoch in internationalen Unterhaltssachen der gewöhnliche Aufenthalt beider Beteiligten in unterschiedlichen Staaten. Eine alternative Anknüpfung nach dem Günstigkeitsprinzip kommt nicht in Frage, weil sie den Unterhaltsverpflichteten einseitig benachteiligt. Eine Kumulation hat zur Folge, dass der Anspruch nur dann besteht, wenn beide Rechtsordnungen ihn gewähren. Beide Möglichkeiten sind als generelle Anknüpfungsregel zu verwerfen, weil regelmäßig die eine zu einer Besserstellung und die andere zu einer Schlechterstellung gegenüber vergleichbaren Unterhalsberechtigten im Aufenthaltsstaat des Unterhaltsberechtigten führt. Es bleibt deshalb nur die Auswahl unter diesen beiden Kriterien. Für den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten streitet, dass zumindest in den Fällen, in denen es um den Unterhalt von Kindern und Jugendlichen geht, ihre kollisionsrechtlichen Interessen als schwächerer Part in den Unterhaltsbeziehungen besonders zu berücksichtigen sind. Hierfür kann auch angeführt werden, dass eine rechtliche Gleichbehandlung mit anderen im betreffenden Staat lebenden Unterhaltsberechtigten erfolgt. 2 Die Anknüpfung stimmt mit einem Kriterium für die Begründung der Zuständigkeit nach Art 3 EG-UntVO überein, so dass sie vielfach zur lex fori führt. 3 Die Bedeutung des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten im unterhaltsrechtlichen Kollisionsrecht ist durch den Vorrang spezieller Anknüpfungen und die kollisionsrechtliche Einrede nach Art 6 wesentlich eingeschränkt. II.

Vorrang spezieller Anknüpfung

4 Der Halbsatz – „soweit in diesem Protokoll nichts anderes bestimmt ist“ – weist darauf hin, dass die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten durch nachfolgende Bestimmungen teilweise verdrängt oder modifiziert wird. Diese Regelungen haben Vorrang vor der allgemeinen Regel nach Art 3. Im deutschen und französischen Text ist dieser Vorrang besonders hervorgehoben, weil er an den

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Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 138; vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 17; Wagner FamRZ 2006, 979, 982; Boele-Woelki/Mom FPR 2006, 232, 233. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 17.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 3 HUntStProt 5- 8

Anfang des ersten Abs gestellt ist, während er sich in der englischen Fassung an dessen Ende befindet. Rechtspraktisch ist in einem Unterhaltsfall mit grenzüberschreitendem Bezug der Rei- 5 henfolge nach zu prüfen: (a) Liegt eine nach Art 7 oder 8 wirksame Rechtswahl vor? Trifft dies zu, verdrängt sie alle gesetzlichen Anknüpfungen und damit auch Art 3. (b) Betrifft die Unterhaltssache die in Art 4 oder 5 geregelten Unterhaltspflichten? Ist dies der Fall, ist Art 3 nur in dem Umfang anzuwenden, in dem in diesen Artikeln auf Art 3 verwiesen wird. (c) Handelt es sich um Unterhaltspflichten, die weder von Art 4 noch von Art 5 erfasst sind, findet Art 3 unmittelbare Anwendung. III. Unterhaltsberechtigter und -verpflichteter

Der Begriff des Unterhaltsberechtigten ist wie in Art 3 lit a HUntVerfÜbk 2007 so- 6 wie Art 2 Nr 10 EG-UntVO definiert zu verstehen. Es ist die natürliche Person, der Unterhalt zusteht oder angeblich zusteht. Die Unterhaltsberechtigung ist also für die kollisionsrechtliche Verweisung nicht zu prüfen, vielmehr reicht die Geltendmachung eines solchen Anspruchs. Berechtigte Person ist dabei immer die, der materiell-rechtlich ein eventueller Anspruch zusteht, nicht diejenige, der die Prozessführungsbefugnis bei Prozessstandschaft zukommt. Unterhaltsberechtigter ist natürlich auch nicht die öffentliche Einrichtung, die anstelle des Unterhaltsverpflichteten eine Leistung gegenüber dem Unterhaltsberechtigten erbracht hat. Unterhaltsverpflichteter ist nach der Definition des Art 3 lit b HUntVerfÜbk 2007 7 sowie Art 2 Nr 11 EG-UntVO die natürliche Person, die verpflichtet ist, den Unterhalt zu leisten oder angeblich diesen leisten muss. IV.

Gewöhnlicher Aufenthalt

Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist im Protokoll nicht definiert. Im vorläu- 8 figen erläuternden Bericht von Bonomi3 wird der Gleichklang dieses Anknüpfungskriteriums mit den Kriterien für die Zuständigkeit nach der Brüssel I-VO (nunmehr Art 3 EG-UntVO) und dem LugÜbk sowie für die Anerkennungszuständigkeit nach dem HUntVerfÜbk 2007 hervorgehoben. Das Kriterium findet sich bereits als Grundanknüpfung im HUntStÜbk 1956 und in HUntStÜbk 1973. Der gewöhnliche Aufenthalt ist für den Unterhalt in den europäischen Zuständigkeitsregelungen und in den Haager Übereinkommen möglichst einheitlich auszulegen. Dieses Anliegen ist sowohl den Dokumenten der Haager Konferenz als auch dem Erwägungsgrund Nr 8 EG-UntVO zu entnehmen, von einer wechselseitigen Beeinflussung ist insoweit auszugehen.

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Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 18 und 19.

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Art 3 HUntStProt 9

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

9 Für den Begriff wird auf die ausführliche Kommentierung zu Art 3 EG-UntVO verwiesen4 und an dieser Stelle nur eine kurze Zusammenfassung vorgenommen. Der gewöhnliche Aufenthalt ist der Ort oder das Land, in dem der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person, ihr Daseinsmittelpunkt liegt.5 An die Feststellung dürfen keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Ein schlichter Aufenthalt von zeitweiliger Dauer ist nicht ausreichend, um das auf den Unterhalt anwendbare Recht zu bestimmen.6 Notwendig sind ein Aufenthalt von nicht nur geringer Dauer und darüber hinaus das Vorhandensein weiterer Beziehungen in familiärer oder beruflicher Hinsicht, aus denen sich der Schwerpunkt der Bindungen ableiten lässt. Eine nicht nur geringe Aufenthaltsdauer liegt erst ab mehreren Monaten Aufenthalt vor.7 Der Wille, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt oder Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, ist nicht erforderlich (= Abgrenzung zum Wohnsitz).8 Bei Fehlen einer ausreichend langen Aufenthaltsdauer wird der gewöhnliche Aufenthalt jedoch schon durch den Willen und nach außen tretende Lebensumstände (wie Aufnahme einer unbefristeten Tätigkeit, Familienzusammenführung) begründet, wonach der Aufenthalt im anderen Staat auf längere Zeit angelegt ist und der neue Aufenthalt künftig anstelle des bisherigen der Daseinsmittelpunkt sein soll. 9 Ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt kann nicht von Beginn an, sondern nur durch Dauer des Aufenthalts und soziale Integration begründet werden, wenn fremdenrechtliche Bestimmungen dem Aufenthalt entgegenstehen.10 Der gewöhnliche Aufenthalt wird durch eine zeitweilige Abwesenheit, auch von längerer Zeit, nicht aufgehoben, wenn die Absicht besteht, an den früheren Aufenthaltsort zurückzukehren.11 Liegt diese Absicht nicht vor und ist auch kein vorbehaltloser Wille zur Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Staat festzustellen, besteht vorübergehend kein gewöhnlicher Aufenthalt.12

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Siehe Art 3 EG-UntVO Rn 23 ff. Ua BGH NJW 1975, 1085, 1085 = FamRZ 1975,272, 273; BGH FamRZ 2001, 412; OLG Hamm NJWRR 1992, 710, 711; Eschenbruch/Klinkhammer/Dörner Kap 7 Rn 92; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 142. Vorl Bonomi-Report zum HUntStProt 2007 Rn 19. BGH NJW 1997, 3024, 3025 = FamRZ 1997, 1070; BGH NJW 1993, 2047, 2049 = FamRZ 1993, 799f; (einige Wochen genügen nicht); BGHZ 78, 293, 301 = NJW 1981, 520 = IPRax 1981, 125 (jedenfalls ab 15 Monaten). BGH NJW 1997, 3024 = FamRZ 1997, 1070; BGH NJW 1993, 2047, 2048 f; BGHZ 78, 293, 295 = NJW 1981, 520 = IPRax 1981, 125. BGH NJW 1993, 2047, 2049; BGHZ 78, 293, 295 = NJW 1981, 520 = IPRax 1981, 125. Diese Absicht ist zu verneinen, wenn der Umzug nur unter Vorbehalt und unter Bedingungen erfolgte. Zu weit geht es aber, eine dauernde oder befristete Aufenthaltserlaubnis zu fordern, OLG Karlsruhe FamRZ 1990, 1351, 1352; OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 316, 317; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I Art 18 EGBGB Rn 145. Dies steht im Widerspruch zum Gebot der einheitlichen Auslegung. BGH NJW 1993, 2047, 2048 = FamRZ 1993, 798, 799; LG Karlsruhe IPRax 2005, 145. BGH NJW 1993, 2047, 2049 = FamRZ 1993, 798, 800.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 3 HUntStProt 10-13

Der gewöhnliche Aufenthalt eines Kindes leitet sich nicht vom Aufenthalt oder 10 Wohnsitz der Sorgeberechtigten ab, sondern ist selbstständig zu ermitteln.13 Kommt es zur Begründung auf den Willen an, ist der (übereinstimmende) Wille der Sorgeberechtigten maßgebend; liegt ein solcher nicht vor, kann der gewöhnliche Aufenthalt nur über eine ausreichende Aufenthaltsdauer und soziale Bindungen begründet werden.14 V.

Hilfsanknüpfungen

Das HUntStProt 2007 sieht keine Hilfsanknüpfungen für den Fall vor, dass der Unter- 11 haltsberechtigte im maßgeblichen Zeitpunkt keinen gewöhnlichen, sondern nur einen schlichten Aufenthalt hat. Für die von Art 4 erfassten Unterhaltspflichten lässt sich dieses Problem dadurch lösen, dass diese Fallkonstellation mit der gleichgesetzt wird, bei der der Unterhaltsberechtigte nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts keinen Unterhalt erhält und folglich dieses Kriterium für die Anknüpfung entfällt. Bei Art 5 kann auf die Generalklausel der engsten Verbindung der Ehe zurückgegriffen werden. Nur in den Fällen der unmittelbaren Anwendung von Art 3 fehlt ein der Regelung zu 12 entnehmendes Kriterium. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten scheidet für die Anknüpfung aus, da der mit ihr verfolgte Zweck nicht erfüllt wird, der Einbindung des Unterhaltsberechtigten in seine soziale Umwelt zu entsprechen. Die engste Verbindung besteht in dieser Fallkonstellation zum Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsverpflichteten.15 Diese Lösung ist vor allem auch deshalb sinnvoll, weil der Unterhaltsverpflichtete in Streitfällen regelmäßig von seiner kollisionsrechtlichen Einrede nach Art 6 Gebrauch machen wird, was dann sowieso zur Heranziehung dieses Rechts führt. VI. Statutenwechsel (Abs 2)

Abs 2 übernimmt die Regelung in Art 4 Abs 2 HUntStÜbk 1973. Das Unterhaltssta- 13 tut unterliegt dem Statutenwechsel. Für die Anknüpfung kommt es jeweils auf den gewöhnlichen Aufenthalt für den Zeitraum an, für den Unterhalt gefordert wird. Wechselt der gewöhnliche Aufenthalt, so ist für die Zeit davor das Recht am alten gewöhnlichen Aufenthalt und für die Zeit danach das Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts maßgeblich. Dies ist die notwendige Folge des mit dem allgemeinen Anknüpfungspunkt verfolgten Ziels, das Recht des Staates zur Anwendung zu bringen, in dem der Unterhaltsbedarf des Berechtigten entsteht.16

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BGH NJW 1997, 3024 = FamRZ 1997, 1070; BGHZ 78, 293, 295 f = NJW 1981, 520 = IPRax 1981, 125. Hierzu ausführlich Art 3 EG-UntVO Rn 37. AA noch zum HUntStÜbk 1973 Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 141. (Es soll der schlichte Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten als Anknüpfungspunkt genügen.) Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 140.

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Art 3 HUntStProt 14-16

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

14 Der Statutenwechsel ist auch zu beachten, wenn er nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgt. Der Grundsatz der perpetuatio fori gilt nur für die Begründung der Zuständigkeit, nicht für die Bestimmung des anwendbaren Rechts. Damit soll möglichst erreicht werden, dass es auch das Recht des Staates ist, in dem der Unterhaltsberechtigte seinen Lebensmittelpunkt hat. Bis zu welchem Zeitpunkt die Neubegründung eines gewöhnlichen Aufenthalts für eine Unterhaltsentscheidung zu beachten ist, ist dem nationalen Prozessrecht zu entnehmen.17 Im deutschen Prozess kommt es auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz an.18 Das Gericht kann über die Unterhaltsverpflichtung für die Zukunft nur nach dem Recht des Staates entscheiden, in dem der Unterhaltsberechtigte in dem letzten Zeitpunkt, auf den es für die Entscheidung ankommt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ein in Aussicht stehender, aber noch nicht realisierter Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts hat außer Betracht zu bleiben. 15 Bei Aufenthaltswechsel kommt es für die Anknüpfung also darauf an, ob dieser nur vorübergehend erfolgt oder ob der Unterhaltsberechtigte am neuen Aufenthalt von Beginn an einen neuen Lebensmittelpunkt begründet. Im ersteren Fall bleibt es bei dem bisherigen Recht, im letzteren kommt es zum Statutenwechsel. Ergibt sich aus der Gesamtschau nicht, dass der neue Aufenthalt von Beginn an neuer Daseinsmittelpunkt ist, so bleibt es im Interesse der Kontinuität bei der bisherigen Verweisung, bis ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt tatsächlich durch Dauer des Aufenthalts und soziale Integration begründet wurde.19 Anderes hat nur dann zu gelten, wenn feststeht, dass der Unterhaltsberechtigte in den Staat des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts nicht zurückkehren wird. 20 Ob ein Auslandsstudium zum Statutenwechsel führt, hängt vom Einzelfall ab. Von einer Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts ist sicherlich bei einem vierjährigen Studium in einem anderen Staat auszugehen, während bei einem 1-2semestrigen Studienaufenthalt im Ausland unter Beibehaltung von Unterkunft, familiären und freundschaftlichen Kontakten zum Herkunftsland eher das Gegenteil anzunehmen ist. 21 Ein Wechsel der Aufenthaltsorte innerhalb eines Staates hat keinen Einfluss auf die Anknüpfung nach Art 3, denn der Daseinsmittelpunkt bleibt in diesem Staat erhalten. 22 16 Haben die Beteiligten eine nach dem bisher maßgebenden Recht wirksame Unterhaltsvereinbarung getroffen, so hat diese auch unter der Herrschaft des neuen Unterhaltsstatuts Bestand. 23 Soweit es den Unterhalt seit dem Zeitpunkt des Statutenwech17 18

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Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 155. MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 105; Eschenbruch/Klinkhammer/Dörner Kap 7 Rn 96. OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 37, 38; aA Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 153. Hierzu Rn 12. Hierzu ua OLG Hamm FamRZ 2002, 54, 55; OLG Hamm FamRZ 1989, 1331. Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 143. OLG Hamm FamRZ 1998, 1532; Palandt/Thorn Art 18 EGBGB Rn 8; AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 12; aA OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 316, 317; Henrich IFR § 5 II 2, S 175.

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Art 3 HUntStProt, 17 Art 4 HUntStProt

sels betrifft, bestimmt das neue Statut darüber, unter welchen Voraussetzungen die Vereinbarung aufhebbar oder änderbar ist. Der Statutenwechsel allein stellt keinen Grund für eine Änderung dar. Für eine Abfindungsvereinbarung, die zum Erlöschen des Unterhaltsanspruchs geführt hat, wird die Auffassung vertreten, dass ihre Wirksamkeit durch Statutenwechsel nicht berührt wird. Sie unterliegt dem seinerzeit anwendbaren Unterhaltsstatut, einschließlich der Frage ihrer Aufhebung. Die Grenzen sind durch den ordre-public abgesteckt. 24 So ist zB der in einer Abfindungsvereinbarung enthaltende nach dem bisherigen ausländischen Unterhaltsstatut wirksamer Unterhaltsverzicht des Kindes für die Zukunft unter der Herrschaft des neuen deutschen Statuts aufgrund des verstärkten Inlandsbezugs nicht anerkennungsfähig25.26 Ist über den Unterhalt rechtskräftig entschieden worden, so bindet die Entscheidung. 17 Die Wirkungen der Rechtskraft haben Vorrang vor dem Statutenwechsel gemäß Abs 2. Dies gilt auch für flexible Elemente der Entscheidung, zB wenn diese die Anpassung der Höhe des Unterhalts nach Altersstufen des Kindes oder eine Indexierung des Unterhalts nach bestimmten Richtwerten vorschreibt. Voraussetzung ist natürlich, dass es sich um eine inländische rechtskräftige Entscheidung oder um eine ausländische handelt, die im Inland anerkannt ist. Diese Anpassung hat in Übereinstimmung mit dem Recht zu erfolgen, dass der Unterhaltsentscheidung zugrunde liegt und nicht nach dem Recht des neuen gewöhnlichen Aufenthalts. Anderes gilt nur dann, wenn aufgrund eines Änderungsantrags im Ursprungsstaat oder in einem anderen Vertragsstaat die Unterhaltsentscheidung geändert wird. 27

Art 4

Besondere Regeln zugunsten bestimmter berechtigter Personen (1) Die folgenden Bestimmungen sind anzuwenden in Bezug auf Unterhaltspflichten a) der Eltern gegenüber ihren Kindern; b) anderer Personen als der Eltern gegenüber Personen, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, mit Ausnahme der Unterhaltspflichten aus den in Artikel 5 genannten Beziehungen; und c) der Kinder gegenüber ihren Eltern. (2) Kann die berechtigte Person nach dem in Artikel 3 vorgesehenen Recht von der verpflichteten Person keinen Unterhalt erhalten, so ist das am Ort des angerufenen Gerichts geltende Recht anzuwenden. (3) Hat die berechtigte Person die zuständige Behörde des Staates angerufen, in dem die verpflichtete Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, so ist ungeachtet des Artikels 3 das am Ort des angerufenen Gerichts geltende Recht anzuwenden. Kann die berechtigte Per-

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MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 232. OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 316, 317; aA (auf den Zeitpunkt des Zustandekommens abstellend) AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 12. Siehe Art 11 Rn 9. Hierzu Einleitung Rn 29 ff.

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Art 4 HUntStProt 1-3

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

son jedoch nach diesem Recht von der verpflichteten Person keinen Unterhalt erhalten, so ist das Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der berechtigten Person anzuwenden. (4) Kann die berechtigte Person nach dem in Artikel 3 und in den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels vorgesehenen Recht von der verpflichteten Person keinen Unterhalt erhalten, so ist gegebenenfalls das Recht des Staates anzuwenden, dem die berechtigte und die verpflichtete Person gemeinsam angehören. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Die Rolle der lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

4

III. Kumulation aufgrund des Art 6 . . . . . . .

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IV. Zur Regelung im Einzelnen

1. Erfasste Unterhaltsbeziehungen (Abs 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fallsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

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a) 1. Fallsituation (Abs 2) . . . . . . . . . . . 12a b) 2. Fallsituation (Abs 3) . . . . . . . . . . . 13 3. Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 4. Subsidiäre Anknüpfung a) Das Günstigkeitsprinzip im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 b) Einzelne Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 V. Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einführung

1 Art 4 umfasst im sachlichen Anwendungsbereich den Unterhalt von Kindern und Jugendlichen bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres sowie die wechselseitigen Unterhaltsverpflichtungen im Eltern-Kind-Verhältnis. 2 Ausgangspunkt der Regelung ist das Günstigkeitsprinzip, das in den subsidiären Anknüpfungen des Art 5 und Art 6 HUntStÜbk 1973 zum Ausdruck kommt. Danach findet das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten keine Anwendung, wenn nach diesem Recht kein Unterhaltsanspruch besteht. An seine Stelle tritt subsidiär das gemeinsame Heimatrecht und – wenn auch danach kein Anspruch gegeben ist – die lex fori. Für die Vertragsstaaten ist es möglich, dieses Anknüpfungssystem durch Vorbehaltserklärung nach Art 15 HUntStÜbk 1973 in einer typischen Fallsituation auszuschalten und stattdessen ausschließlich die lex fori anzuwenden: Die eigenen Gerichte werden in der Unterhaltssache angerufen, der Unterhaltsverpflichtete hat in diesem Staat seinen gewöhnlichen Aufenthalt und beide Parteien besitzen die Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaates.1 3 Art 4 nimmt zum einen die Kaskade der Anknüpfung auf und zum anderen die Verdrängung der Grundanknüpfung durch die lex fori, wenn der Unterhaltsverpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Gerichtsstaat hat. Weiterhin wird die gemeinsame Staatsangehörigkeit der Parteien zwar nicht gänzlich als Anknüpfungsmoment ausgeschlossen, jedoch in seiner Bedeutung als subsidiäres Anknüpfungskriterium zu1

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Von dieser Vorbehaltsmöglichkeit hat ua auch Deutschland Gebrauch gemacht. Für die anderen Vertragsstaaten siehe Jayme/Hausmann Nr 41 Rn 7.

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Art 4 HUntStProt 4-7

rückgedrängt. Im Ergebnis ist eine Kollisionsnorm entstanden, die mit den Regelungen der Artt 4, 5 und 6 HUntStÜbk 1973 wenig gemein hat. II.

Die Rolle der lex fori

Die Regelung ist gekennzeichnet durch die Erhöhung der Bedeutung der lex fori und 4 damit die Zurückdrängung des allgemeinen Anknüpfungskriteriums des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten. 2 Stellt der Unterhaltsberechtigte den Antrag bei einem Gericht seines gewöhnlichen Aufenthalts, so findet das Recht dieses Staates als Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten Anwendung (Art 3). Dasselbe gilt, wenn der Unterhaltsverpflichtete einen Antrag bei Gericht dieses Staates einreicht. Stellt der Unterhaltsberechtigte dagegen den Antrag bei einem Gericht des Staates, in dem der Unterhaltsverpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, so ist in diesem Unterhaltsprozess die lex fori anzuwenden. Zu einer Nichtübereinstimmung zwischen dem auf die Unterhaltssache anwendbaren 5 Recht und dem Recht des Gerichts kann es rechtspraktisch nur in den seltenen Fällen kommen, in denen der Prozess außerhalb des Staates geführt wird, in dem keine der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder wenn der Unterhaltsverpflichtete im Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts den Antrag stellt. In diesen Fällen ist jedoch ein allgemeiner gesetzlicher Gerichtsstand in den Mitgliedstaaten der EG, von der Verbundzuständigkeit abgesehen, nicht gegeben (Art 3 EG-UntVO). Möglich ist die Begründung dieser Zuständigkeit durch Gerichtsstandsvereinbarung (Art 4 EGUntVO), rügeloses Einlassen (Art 5 EG-UntVO) und nach Art 6 EG-UntVO, soweit die Voraussetzungen für die Auffangzuständigkeit vorliegen. Hier hat dann das angerufene Gericht das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten anzuwenden und dieses muss nicht zugleich das Recht der lex fori sein. Mit der rechtspraktischen Bevorzugung des Rechts des Gerichts wird ein Kompromiss 6 zwischen den Verfechtern einer grundsätzlichen Anknüpfung an die lex fori und den Vertretern einer kollisionsrechtlichen Anknüpfung gemäß dem Prinzip der engsten Verbindung geschaffen. 3 Dadurch, dass die lex fori nicht voraussetzungslos berufen wird, sondern nur dann, wenn sie entweder das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Berechtigten oder des Verpflichteten ist, wird das Grundprinzip kollisionsrechtlicher Anknüpfung – das Prinzip der engsten Verbindung – gewahrt. Die Bevorzugung des Unterhaltsberechtigten für die Anknüpfung wird nicht durch die generelle Verweisung auf das Recht seines Aufenthaltsstaates realisiert (so die Lösung des HUntStÜbk 1973), sondern dadurch, dass er es über die Auswahl der Gerichtsstände in der Hand hat, das maßgebliche Recht zu bestimmen. In Kauf genommen wird dadurch das forum shopping seitens des Unterhaltsberechtigten. Dort, wo die Anknüpfung nach Art 4 nicht primär bereits zur lex fori führt, ist sie das 7 erstrangige subsidiäre Anknüpfungskriterium, wenn nach dem vorrangig anzuwen2 3

Hierzu Bonomi YB PIL 2008, 333, 342 ff. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 33.

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Art 4 HUntStProt 8, 9

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

denden Recht kein Unterhaltsanspruch besteht. Dies ist zum einen deshalb gerechtfertigt, weil im Allgemeinen der Forum-Staat einen Bezug zu der Unterhaltssache hat, sonst würde eine Zuständigkeit für die Entscheidung nicht gegeben sein. Die Lösung vereinfacht und erleichtert die Rechtsfindung und schafft damit Voraussetzungen für eine schnellere Prozessführung, die mit weniger Kosten verbunden ist. Das Gericht hat – wenn das primär anwendbare ausländische Recht zu keinem Unterhaltsanspruch führt – nicht zunächst ein weiteres ausländisches Recht heranzuziehen, um zu prüfen, ob ein Anspruch besteht. Die Verdrängung der gemeinsamen Staatsangehörigkeit an die letzte Stelle der subsidiären Anknüpfung ist gerechtfertigt, weil die Staatsangehörigkeit als allgemeines Anknüpfungsmoment nicht zu einer Rechtsordnung führt, die die Unterhaltspflichten prägt. Diese hängen immer zusammen mit den Lebensbedingungen in den Staaten, in denen die Beteiligten leben. Wenn die Parteien in besonderen Fällen ein Interesse daran haben, ihr Heimatrecht zur Anwendung zu bringen, dann können sie die Rechtswahlmöglichkeit des Art 8 nutzen, soweit sie eröffnet ist. III. Kumulation aufgrund des Art 6

8 Mit Ausnahme der Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind aus dem Eltern-KindVerhältnis wird die Anknüpfung nach Art 4 der Kumulation nach Art 6 unterworfen, die als Einrede des Unterhaltsverpflichteten ausgestaltet ist. Dies führt zu einer unnötigen Verkomplizierung für die praktische Rechtsanwendung. Einfacher wäre es – mit dem regelmäßig selben Ergebnis – gewesen die Unterhaltsbeziehungen, die vom Art 6 erfasst werden, nicht in den Art 4 aufzunehmen. Im Art 4 ist ein Günstigkeitsprinzip kompliziert und nicht übersichtlich ausgestaltet, das dann über die Kumulation nach Art 6 wieder beseitigt wird.4 Umgangssprachlich lässt sich das so ausdrücken: Mit der Anwendung der einen Norm wird dasjenige eingerissen, was mit der anderen aufgebaut wurde. Günstigkeitsprinzip und Kumulation mit denselben Anknüpfungspunkten passen nicht zusammen. Bei dem HUntStÜbk 1973 gab es etwas Ähnliches, nur betraf es dort einen Randbereich des Unterhalts, nämlich den zwischen Verwandten in der Seitenlinie und Verschwägerten.5 IV.

Zur Regelung im Einzelnen

1.

Erfasste Unterhaltsbeziehungen (Abs 1)

9 Art 4 regelt gegenüber Art 3 modifiziert die Unterhaltspflichten: a) Der Eltern gegenüber ihren Kindern. Auf das Alter der Kinder kommt es nicht an. Erforderlich ist, dass der Unterhaltsberechtigte vom Unterhaltsverpflichteten abstammt, unabhängig vom Zivilstand der Eltern. Erfasst wird auch die Begründung der Eltern-Kind-Beziehung durch Adoption und andererseits kann die Adoption 4 5

902

Krit insoweit auch Bonomi YB PIL 2008, 333, 343. Der Entwurf der Arbeitsgruppe vom Januar 2007 (Prel Doc No 24 Art C lit b) war noch konsequent, da das Günstigkeitsprinzip nur für den Unterhalt von Kindern bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres vorgesehen war, der seinerseits nicht der Kumulation der Anknüpfung aufgrund des Art 6 unterworfen war.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 4 HUntStProt 10-13

rechtlich zur Beendigung der Elternschaft der natürlichen Eltern geführt haben. Nicht erfasst wird die Unterhaltspflicht eines Stiefelternteils oder der Pflegeeltern, weil in lit a nur die durch Verwandtschaft begründete Unterhaltspflicht gemeint ist. b) Alle Fälle der Unterhaltspflicht einer Person gegenüber einer anderen Person, die 10 noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, soweit nicht bereits die Voraussetzungen von lit a vorliegen, es also nicht um die Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind geht, die sich auf das Eltern-Kind-Verhältnis gründet. Außerdem sind die Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten ausgeschlossen, Art 5 verdrängt insoweit Art 4. c) Der Kinder gegenüber ihren Eltern. Hierfür gelten die Ausführungen zu lit a ent- 11 sprechend. 2.

Fallsituationen 12

In Abs 2 und 3 werden unterschiedliche Fallsituationen geregelt.

a) 1. Fallsituation (Abs 2) Abs 2 erfasst den Grundtatbestand, er ist dann heranzuziehen, wenn die Vorausset- 12a zungen des Abs 3 nicht vorliegen. Die Voraussetzungen des Abs 2 sind insoweit negativ bestimmt. Er ist nur dann nicht anzuwenden, wenn ein Gericht im Land des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsverpflichteten über dessen Unterhaltspflicht aufgrund eines Antrags des Unterhaltsberechtigten entscheidet. Die Unterhaltspflichten bestimmen sich gemäß Art 3 nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten. Besteht nach diesem Recht keine Unterhaltspflicht, so ist subsidiär das Recht des Gerichtsstaates maßgeblich. Zu den Voraussetzungen für die Heranziehung der subsidiären Anknüpfung siehe Rn 17 ff. Sind das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten und die lex fori identisch, entfällt natürlich diese subsidiäre Anknüpfung und es kommt dann gleich die zweite subsidiäre Anknüpfung nach Abs 4 zum Zuge. b) 2. Fallsituation (Abs 3) Die Anwendung von Abs 3 erfordert, dass der Unterhaltsberechtigte das zuständige 13 Gericht/die zuständige Behörde des Staates angerufen hat, in dem der Unterhaltsverpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. In dieser Fallsituation findet das Recht des angerufenen Gerichts Anwendung. Es kommt nicht darauf an, ob der antragstellende Unterhaltsberechtigte die Konsequenz der Inanspruchnahme der Zuständigkeit erkannt oder für die Anwendung optiert hat. Die Anwendung der lex fori ist zwingend, die allgemeine Regelung in Bezug auf das anwendbare Recht nach Art 3 wird verdrängt. Kann der Unterhaltsberechtigte nach diesem Recht keinen Unterhalt beanspruchen, findet subsidiär das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten Anwendung.6

6

Zu den Voraussetzungen siehe Rn 17 ff.

Marianne Andrae

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Art 4 HUntStProt 14-16

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

14 Fraglich ist, ob Abs 3 auch dann heranzuziehen ist, wenn nicht der Unterhaltsberechtigte selbst, sondern eine öAwE (Art 10) mit Sitz im Land des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten den Antrag im Land des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsverpflichteten stellt. Dies ist jedenfalls dann positiv zu beantworten, wenn der Antrag im Namen des Unterhaltsberechtigten erfolgt, also die öAwE den Unterhaltsberechtigten im Prozess lediglich vertritt. Problematisch ist die Lösung, wenn die öAwE den auf sie bereits übergeleiteten Anspruch im eigenen Namen an diesem Gerichtsstand geltend macht. Legt man dem Begriff des Unterhaltsberechtigten die Definition des Art 3 lit a HUntVerfÜbk 2007 iVm Art 36 Abs 1 HUntVerfÜbk 2007 wegen des engen Zusammenhangs zwischen dem Übereinkommen und dem Protokoll zugrunde, so ist die öAwE nicht eingeschlossen. Das führt dazu, dass es bei Anträgen einer öAwE unabhängig von der in Anspruch genommenen Zuständigkeit bei der Grundanknüpfung des Art 3 sowie der subsidiären Anknüpfung nach Art 4 Abs 2 bleibt. Das ist im Ergebnis deshalb gerechtfertigt, weil die durch Abs 3 indirekt gewährte Option das maßgebliche Recht zu bestimmen, dem Unterhaltsberechtigten in seiner Person vorbehalten sein sollte. 3.

Anknüpfung an die gemeinsame Staatsangehörigkeit

15 Sowohl für die Fallsituation nach Abs 2 als auch nach Abs 3 sieht Abs 4 eine letzte subsidiäre Anknüpfung vor. Diese greift nur dann, wenn dem Unterhaltsberechtigten nach den gemäß Abs 2 oder 3 berufenen Rechten kein Unterhalt zusteht. Anzuwenden ist dann das gemeinsame Heimatrecht von Unterhaltsberechtigtem und Unterhaltsverpflichtetem. Das Wort „gegebenenfalls“ (englisch ,,if there is one“) bezieht sich darauf, dass diese Verweisung natürlich voraussetzt, dass es eine gemeinsame Staatsangehörigkeit überhaupt gibt. Nicht entscheidend ist, ob die gemeinsame Staatsangehörigkeit diejenige ist, mit der die Parteien am engsten verbunden sind. 16 Die Aufnahme dieser sekundären zusätzlichen Anknüpfung war in der Spezialkommission umstritten,7 ua nicht nur, weil dieses Kriterium für Unterhaltssachen keine sachbezogene enge Verbindung zum Ausdruck bringt, sondern auch deshalb, weil sie zu einer Schlechterstellung des Unterhaltsberechtigten in den Fällen führt, in denen es an einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit fehlt. Da einige Delegationen weiterhin an dieser Anknüpfung festhielten, stellt die Lösung einen Kompromiss dar. Die gemeinsame Staatsangehörigkeit ist eben nur zweites subsidiäres Anknüpfungskriterium. Außerdem können Vertragsstaaten, auch die EG-Mitgliedstaaten (Art 24 Abs 5), gegenüber dem Ständigen Büro der Haager Konferenz erklären, dass sie anstelle der gemeinsamen Staatsangehörigkeit das Kriterium des gemeinsamen domicile anwenden (Art 9).

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Hierzu vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 40 ff.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

4.

Art 4 HUntStProt 17, 18

Subsidiäre Anknüpfung

a) Das Günstigkeitsprinzip im Allgemeinen Die subsidiären Anknüpfungen in Art 4 sind nur dann maßgeblich, wenn nach dem 17 vorrangig anzuwendenden Recht die berechtigte Person von der verpflichteten Person keinen Unterhalt verlangen kann. Die Auslegung dieser Anwendungsvoraussetzung wurde auf der Sitzung der Spezial-Kommission im Mai 2007 diskutiert. 8 Übereinstimmung bestand dahingehend, dass das subsidiär maßgebliche Recht dann Anwendung findet, wenn das primär anwendbare Recht für die betreffende Familienbeziehung gar keine Unterhaltspflichten vorsieht, zB wenn keine Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber den Eltern oder der Geschwister untereinander besteht. Weiterhin werden die Fälle erfasst, in denen das primär anwendbare Recht zwar einen Unterhaltsanspruch in Familienbeziehungen dieser Art vorsieht, jedoch die rechtlichen Voraussetzungen im konkreten Fall nicht erfüllt sind. Beispiel hierfür ist insbesondere die Altersbegrenzung für die Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern in einer Reihe von Rechtsordnungen. Sieht das primär berufene Recht eine solche vor und hat der Unterhaltsberechtigte diese bereits erreicht und besteht sie nach dem subsidiär maßgeblichen Recht nicht, so ist ihm der Unterhalt nach diesem Recht zu gewähren, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Voraussetzungen für den Unterhaltsanspruch sind stets einer Rechtsordnung zu entnehmen. Problematisch ist die Lösung, wenn nach dem primär berufenen Recht ein Unterhalts- 18 anspruch verneint wird, weil – unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet – entweder der Unterhaltsverpflichtete als nicht leistungsfähig oder der Unterhaltsberechtigte als nicht bedürftig angesehen wird. Sollte in einem solchen Fall das sekundär berufene Recht anzuwenden sein, wenn das primär anwendbare Recht die Unterhaltspflicht verneint, weil es die Bedürftigkeit und die Leistungsfähigkeit an anderen Kriterien misst oder wegen anderer wirtschaftlicher Lebensumstände in diesem Staat den Maßstab anders setzt? Rein theoretisch betrachtet handelt es sich bei der Bedürftigkeit und der Leistungsfähigkeit gleichfalls um rechtliche Voraussetzungen für den Unterhaltsanspruch. Insoweit könnte man diesen Fall auch mittels der subsidiären Anknüpfung lösen. Jedoch haben sich in der Spezialkommission viele Delegationen gegen die Anwendung des Günstigkeitsprinzips ausgesprochen. Dies ist letztlich deshalb gerechtfertigt, weil den Unterschieden in den Lebenshaltungskosten und im Lebensniveau der Länder nicht durch eine Stufenleiter der Anknüpfung, sondern nur durch wertende Betrachtung von Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit im Einzelfall, unter Beachtung der grenzüberschreitenden Aspekte, Rechnung zu tragen ist. Soweit dies das primär berufene Recht nicht ermöglicht – zB durch feststehende Einkommensgrenzen für die Inanspruchnahme – ist die Lösung über die international einheitliche Sachnorm des Art 14 zu suchen.

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Hierzu vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 29, auf den sich die folgende Darstellung zum HUntStProt 2007 stützt.

Marianne Andrae

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Art 4 HUntStProt 19

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

b) Einzelne Fragen 19 Die Auslegung stimmt im Grundsatz überein mit der des Günstigkeitsprinzips nach Art 5 und Art 6 HUntStÜbk 1973. Insoweit können Rechtsprechung und Literatur zur Auslegung des Günstigkeitsprinzips weiter herangezogen werden. Die subsidiären Anknüpfungen kommen danach nur in Betracht, wenn das primär (oder das erste sekundär) berufene Recht überhaupt keinen Unterhalt im konkreten Fall zuspricht,9 nicht jedoch, wenn der Unterhalt geringer ausfällt, als er nach dem sekundär anwendbaren Recht zu gewähren wäre. Hier ist die Korrektur nach Art 14 zu prüfen.10 Typische Anwendungsfälle des Günstigkeitsprinzips sind: Für die betreffende Art von Familienbeziehungen besteht keine gesetzliche Unterhaltspflicht nach dem primär berufenen Recht, zB im deutschen Recht gegenüber Verwandten in der Seitenlinie und gegenüber Stiefkindern oder im schwedischen Recht nicht der Kinder gegenüber den Eltern.11 Der Unterhalt wird nur bis zu einem bestimmten Alter des Kindes oder nur für eine feste Zeitspanne gewährt, und es geht um Unterhalt nach dieser Zeit.12 Die in Anspruch genommene Person ist nach dem primär anwendbaren Recht nur nachrangiger Unterhaltsverpflichteter und die konkreten Voraussetzungen für seine Inanspruchnahme liegen im konkreten Fall nicht vor.13 Umstritten ist, ob vom Günstigkeitsprinzip die Verfristung von rückständigem Unterhalt14 oder die Verwirkung des Unterhalts erfasst ist. Dafür kann angeführt werden, dass es sich um ausschließlich rechtliche, nicht wirtschaftlich motivierte Versagungsgründe handelt.

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14

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Zum HUntStÜbk 1973 (bzw Art 18 EGBGB) ua Bbg OLG FamRZ 2006, 1766; OLG Hamm FamRZ 1999, 888; OLG Hamm FamRZ 1998, 25; OLG Oldenburg FamRZ 1996, 1240; KG IPRax 1988, 234 m Anm vBar, 220, 222; Erman/Hohloch Art 18 EGBGB Rn 17; Kropholler IPR6 (2006) § 47 II S 380; Göppinger/Wax/Linke Rn 3040; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 167; Rauscher IPR § 8 C III Rn 880; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 117; Palandt/Thorn Art 18 EGBGB Rn 9. Ua BGH NJW 1991, 2212; OLG Karlsruhe FamRZ 1990, 1351 = IPRspr 1990 Nr 104, 200; OLG Hamm NJW-RR 1992, 710; Bamberger/Roth/Heiderhoff Art 18 EGBGB Rn 50; Palandt/Thorn Art 18 EGBGB Rn 9. Siehe MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 118a. OLG Hamm FamRZ 1999, 888 (Unterhaltsverlangen eines marokkanischen Staatsangehörigen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland für die Zeit nach Ablauf seines 18. Lebensjahres); Bamberger/Roth/Heiderhoff Art 18 EGBGB Rn 48; Erman/Hohloch Art 18 EGBGB Rn 17; AnwKommBGB / Gruber Art 18 EGBGB Rn 18; Soergel /Kegel Art 18 EGBGB Rn 7; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 179; aA Palandt/Thorn Art 18 EGBGB Rn 9. ZB Art 1199 iran ZGB, sekundäre Leistungspflicht der Kindesmutter im Verhältnis zum Vater gegenüber dem Kind. Hierzu OLG Koblenz FamRZ 1998, 859; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 120; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 177. Bejahend OLG Köln IPRspr 1979 Nr 107, 351; AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 19; Bamberger/Roth/Heiderhoff Art 18 EGBGB Rn 48; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 121; anders Göppinger/Wax/Linke Rn 3043.

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Art 4 HUntStProt 20-22

Ob das Günstigkeitsprinzip in den Fällen Anwendung findet, in denen die für die Un- 20 terhaltspflicht erforderliche Statusbeziehung als nicht vorliegend angesehen wird und deshalb abgelehnt wird, hängt von der Lösung der statusrechtlichen Vorfrage ab.15 Entscheidet man sich für die Lösung der Frage stets nach der lex fori unter Einschluss ihres IPR, so hilft das Günstigkeitsprinzip nicht weiter. Auch bei den sekundären Anknüpfungen muss dann vom Nichtbestehen der Statusbeziehung ausgegangen werden. Nur wenn dem Konzept der unselbständigen Anknüpfung der Vorfrage gefolgt wird, kann insoweit auch das Günstigkeitsprinzip greifen, in dem die Existenz des Statusverhältnisses nach dem jeweils hintereinander berufenen Recht, unter Einschluss des IPR dieses Staates, geprüft wird.16 Die Anwendung des Günstigkeitsprinzips wird für das HUntStÜbk 1973 abgelehnt, 21 soweit die Unterhaltspflicht an der Mittellosigkeit des Unterhaltsverpflichteten nach dem primär anwendbaren Recht scheitert.17 In Bezug auf den Versagungsgrund fehlender Bedürftigkeit werden unterschiedliche Standpunkte vertreten.18 ME ist hier zu fragen, warum die Bedürftigkeit abgelehnt wird. Liegt es daran, dass das berufene Recht davon ausgeht, dass die Person, die den Unterhalt geltend macht, arbeitsfähig ist und deshalb für ihren Unterhalt sorgen kann, so ist das Günstigkeitsprinzip anwendbar. Ist die Ablehnung jedoch darin begründet, dass der allgemeine Lebensstandard in diesem Staat so niedrig ist, dass das Einkommen des Unterhaltsberechtigten als ausreichend für seine Bedürfnisbefriedigung angesehen wird und deshalb der Unterhalt verweigert wird, dann ist die Lösung nicht über das kollisionsrechtliche Günstigkeitsprinzip zu finden. Vielmehr ist in einem solchen Fall zu prüfen, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit gemäß der international einheitlichen Sachnorm des Art 14 gewahrt ist. Zu diesen Problemen sollte perspektivisch eine einheitliche Auslegung angestrebt werden, für die Gerichte der Mitgliedstaaten kommt hierfür eine Vorlage an den EuGH in einem Fall in Frage, wo dieses Problem entscheidungsrelevant ist. Das setzt voraus, dass nach dem primär maßgeblichen Recht kein Anspruch, jedoch nach einem der sekundär anwendbaren Rechte dieser bestehen würde. 22 Das Günstigkeitsprinzip findet keine Anwendung: – Wenn nach dem primär maßgeblichen Recht zwischen dem Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten ein rechtswirksamer Abfindungsvertrag geschlossen wur-

15 16

17

18

Hierzu Art 1 Rn 15 ff; Art 4 Rn 23 ff. Hierzu Andrae IPR § 8 Rn 66 ff; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 71; Staudinger / Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 178. ZB Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 145; OLG Oldenburg FamRZ 1996, 1240; Henrich IPRax 1997, 46; Göppinger/Wax/Linke Rn 3044. Das Günstigkeitsprinzip findet keine Anwendung BGH FamRZ 2001, 412 = IPRax 2001, 457; OLG Hamm FamRZ 1998, 25; AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 23; Bamberger/Roth/Heiderhoff Art 18 EGBGB Rn 48 Göppinger/Wax/Linke Rn 3046; aA Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 182a; krit auch Henrich IPRax 1997, 46.

Marianne Andrae

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Art 4 HUntStProt 23, 24

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

de.19 Hier ist davon auszugehen, dass der Unterhalt nach dem Willen der Parteien durch die Abfindung kompensiert wird. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Abfindung tatsächlich gezahlt wurde, soweit nach dem primär maßgeblichen Recht davon nicht die Unterhaltspflicht berührt wird.20 – Ein nach dem primären Unterhaltsstatut wirksamer Verzicht auf Unterhalt für die Zukunft kann nicht mit dem Günstigkeitsprinzip beseitigt werden. Zu prüfen ist die Anwendung des ordre-public. 21 V.

Vorfragen

23 Das Bestehen eines Rechtsverhältnisses, das zu einer Unterhaltspflicht iSd Abs 1 führt, ist grundsätzlich selbständig anzuknüpfen.22 Nur für die Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber einem Kind, das noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, ist die unselbständige Anknüpfung des Eltern-Kind-Verhältnisses zu bevorzugen. Für dieses Rechtsverhältnis ist die Struktur der kollisionsrechtlichen Regelung aus dem HUntStÜbk 1973 erhalten geblieben,23 nur die Anknüpfungspunkte sind in ihrem Platz vertauscht worden. Die gegen eine unselbständige Anknüpfung sprechende Rechtswahlmöglichkeit nach Art 8 sowie die Kumulation der Anknüpfung nach Art 6 sind ausgeschlossen. Die unselbständige Anknüpfung der Vorfrage hat zur Folge, dass sie letztlich unabhängig davon entschieden wird, ob das Gericht des Vertragsstaates A oder des Vertragsstaates B angerufen wird. Sie begünstigt das Kind hinsichtlich der Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruchs, ist also vom Günstigkeitsprinzip gekennzeichnet und trägt zum Entscheidungseinklang in den Vertragsstaaten bei. 24 Rechtspraktisch führt sie dazu, dass soweit die Kaskadenanknüpfung greift, die Vorfrage der Existenz des Eltern-Kind-Verhältnisses erneut nach dem Kollisionsrecht der subsidiär berufenen Rechtsordnung anzuknüpfen ist. Da nach der Konstruktion des Art 4 regelmäßig primär die lex fori entweder als Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des unterhaltsberechtigten Kindes oder direkt als lex fori berufen ist, kommt die unselbständige Anknüpfung der Vorfrage erst zum Tragen, wenn auf dieser ersten Stufe der Kaskadenanknüpfung die Unterhaltspflicht materiell-rechtlich verneint wird. Ist zu der Vorfrage eine inländsche oder hier anzuerkennende ausländische Entscheidung getroffen worden, gelten die Ausführungen zu Art 1 Rn 15 entsprechend.

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20 21 22 23

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MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 123; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 187. AA Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 187. So auch Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 188. Hierzu Art 1 Rn 15 ff. Für die selbständige Anknüpfung der Abstammung ua Palandt/Thorn Art 18 EGBGB Rn 14; Erman/ Hohloch Art 18 Rn 11; Andrae IFR § 8 Rn 68 ff. AA ua OLG Karlsruhe FamRZ 2006, 1393 (ohne Begründung); AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 71 ff.

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Art 5 HUntStProt 1, 2

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 5

Besondere Regel in Bezug auf Ehegatten und frühere Ehegatten In Bezug auf Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten, früheren Ehegatten oder Personen, deren Ehe für ungültig erklärt wurde, findet Artikel 3 keine Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates ihres letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. I. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Charakteristische Merkmale der

Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

2. Anknüpfungen a) Recht des gewöhnlichen Aufenthalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kollisionsrechtliche Einrede der engeren Verbindung . . . . . . . . . .

11

IV. Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

1. Scheidung, förmliche Trennung, Ungültigkeitserklärung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestehen einer Ehe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Trennung der Ehegatten . . . . . . . . . . . . . 4. Eingetragene Lebenspartnerschaften

20 22 24 25

10

III. Die Regelung im Einzelnen

1. Erfasste Unterhaltspflichten a) Zwischen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . 6 b) Eingetragene Lebenspartnerschaften, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften . . . . . . . . . . . . 7

I.

Hintergrund

Die Neuregelung des Kollisionsrechts durch das HUntStProt 2007 ist vor allem ver- 1 anlasst durch die zunehmend der Kritik ausgesetzten Anknüpfung des ehelichen und nachehelichen Unterhalts im HUntStÜbk 1973. Die gefundene Regelung überzeugt, vor allem wenn in die Betrachtung einbezogen wird, dass die Parteien die Möglichkeit haben, eine Rechtswahl nach Art 8 zu treffen. Im HUntStÜbk 1973 wird für das Kollisionsrecht unterschieden zwischen dem ehe- 2 lichen und dem nachehelichen Unterhalt, wobei die Regelung für letzteren entsprechend auf die förmliche Trennung und auf die Ungültigkeitserklärung der Ehe erstreckt wird. Auf den ehelichen Unterhalt finden die Kollisionsnormen für den Unterhalt im allgemeinen Anwendung. Die primäre Anknüpfung erfolgt an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten (wandelbare Anknüpfung), gefolgt von der subsidiären Anknüpfung an das gemeinsame Heimatrecht und letztlich an die lex fori (Artt 4-6 HUntStÜbk 1973), soweit nach dem primär anwendbaren Recht keine Unterhaltspflicht besteht. Dagegen untersteht der nacheheliche Unterhalt unwandelbar dem auf die Scheidung angewandten Recht. Dieses System führt oft zu einem Wechsel des maßgeblichen Rechts für den ehelichen und den nachehelichen Unterhalt, auch wenn sich die verbindenden Faktoren zu den Rechtsordnungen nicht geändert haben. Die Kaskadenanknüpfung für den ehelichen Unterhalt, der den unterhaltsberechtigten Ehegatten begünstigt, wird als im Widerspruch zum Prinzip der Gleichstellung der Partner in der Ehe angesehen. Das für den Kindesunterhalt geMarianne Andrae

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Art 5 HUntStProt 3, 4

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

rechtfertigte Günstigkeitsprinzip im Interesse des Kindeswohls und seiner Position als schwächere Partei ist nicht auf die Ehebeziehungen zu übertragen. Die Anknüpfung an den jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt des unterhaltsberechtigten Ehegatten ist insoweit problematisch, als dieser durch Umzug in einen anderen Staat einseitig die Anwendung des für ihn günstigeren Rechts herbeiführen kann. Noch intensiver ist die Kritik zu Art 8 HUntStÜbk 1973.1 Zum einen führt er für den nachehelichen Unterhalt nicht zu einer Vereinheitlichung der Anknüpfung, da das Scheidungsstatut sich nach einzelstaatlichem Recht richtet. Für das Scheidungskollisionsrecht sind andere Regelungsinteressen von Bedeutung, so dass das auf diese Weise bestimmte Recht typischerweise nicht die kollisionsrechtlichen Regelungsinteressen für den nachehelichen Unterhalt abdeckt. Während ein Zusammengehen von Unterhalt, Güterrecht und Versorgungsausgleich sinnvoll sein kann, um Angleichungsprobleme zu verhindern, besteht kein besonderes Interesse, Scheidung und Unterhalt zusammenzufügen, es sei denn, – wie noch in einigen Rechtsordnungen vorgesehen2 – dass der Unterhalt an den Scheidungsgrund gebunden wird. Besonders deutlich wird die Ungeeignetheit des Anknüpfungsprinzips in Art 8 HUntStÜbk 1973, wenn die Scheidung, zB aufgrund der gemeinsamen Staatsangehörigkeit, nach dem Recht eines Staates erfolgte, in dem während der Ehe und danach kein Ehegatte seinen Lebensmittelpunkt hat. II.

Charakteristische Merkmale der Neuregelung

3 Die Neuregelung geht davon aus, dass es in erster Linie Sache der Eheleute ist, das maßgebliche Recht durch Rechtswahl zu bestimmen. Dabei schützt Art 8 den möglicherweise intellektuell oder wirtschaftlich schwächeren Partner auf verschiedene Weise vor einer übermäßig nachteiligen Rechtswahl. Mangels Rechtswahl findet das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Partners Anwendung, der den Unterhalt beansprucht. Die Anknüpfung ist wandelbar. Die lex fori wird, anders als bei Art 4, nicht bevorzugt. Die Kaskadenanknüpfung des Art 4 und die kumulative Anknüpfung nach Art 6 finden keine Anwendung. Die Staatsangehörigkeit hat als allgemeines Anknüpfungsmoment ausgedient. 4 Die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten ist jedoch insoweit problematisch, als sie wandelbar ist. Für den Unterhaltsverpflichteten ist nicht stets voraussehbar, wo der andere Partner während einer Trennung oder nach der Scheidung seinen gewöhnlichen Aufenthalt nimmt. Dieser kann seinen Lebensmittelpunkt gegebenenfalls gerade unter dem Aspekt des Unterhaltsrechts neu begründen, um erst dann den Unterhalt gerichtlich geltend zu machen. Die Bedeutung erschließt sich, wenn in Betracht gezogen wird, dass die einzelnen Rechtsordnungen sehr unterschiedlich zur Gewährung eines nachehelichen Unterhalts stehen. So hat in 1

2

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Hierzu Prel Doc No 14 Rn 29, 30; Bonomi Report of the Working Group on Applicable Law Prel Doc No 22 Rn 33; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 231-233; Wagner FamRZ 2005, 410, 419. So zB im belg Recht, hierzu Süß/Ring /Hustedt/Sproten Belgien Rn 106.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 5 HUntStProt 5, 6

den Ländern der islamischen Rechtsordnungen die Frau grundsätzlich nur für die Übergangszeit von drei Monaten nach der Scheidung einen Unterhaltsanspruch und der Mann weder einen ehelichen noch einen nachehelichen Unterhaltsanspruch. In den skandinavischen Ländern, aber auch in Ländern des common law, wird der nacheheliche Unterhalt äußerst restriktiv und nur aufgrund außerordentlicher Umstände gewährt. 3 Zur Lösung dieses Problems stellte die von der Haager Konferenz eingesetzte Spezial- 5 kommission im Mai 2007 noch drei Optionen vor.4 Eingang in Art 5 fand eine andere, vermittelnde Lösung. Der objektiven Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der oder des Unterhaltsberechtigten ist eine Ausweichklausel kollisionsrechtlichen Charakters zur Seite gestellt, die als Einrede ausgestaltet ist. Sie führt zu einer Flexibilisierung der Anknüpfung, Rechtssicherheit und Voraussicht des anwendbaren Rechts im Einzelfall werden eingeschränkt. Insgesamt weist die Lösung gegenüber der bisherigen und den anderen Optionen mehr Vorteile auf. Sie zeichnet sich durch Einfachheit aus und entspricht dem kollisionsrechtlichen Prinzip der engsten Verbindung. III. Die Regelung im Einzelnen

1.

Erfasste Unterhaltspflichten

a) Zwischen Ehegatten Die Regelung erstreckt sich auf die Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten. Der Be- 6 griff Ehe ist in Übereinstimmung mit dem Begriff in Art 1 Abs 1 auszulegen. Erfasst werden nur solche Beziehungen zwischen einer Frau und einem Mann, die statutsrechtlich als Ehen angesehen werden. Der Begriff Ehe ist in den Dokumenten zur Vorbereitung des Protokolls nicht problematisiert worden, insoweit kann die Auslegung zum HUntStÜbk 1973 zugrunde gelegt werden. Im Bericht von Verwilghen zum HUntStÜbk 1973 heißt es hierzu: „Unter diese Kategorie fallen die Verpflichtungen zwischen Ehegatten, also zwischen zusammenlebenden Ehegatten, zwischen tatsächlich getrennt lebenden Ehegatten und solche, die aufgrund einer Entscheidung des zuständigen Gerichts oder der zuständigen Verwaltungsbehörde getrennt von Tisch und Bett leben, sowie zwischen Ehegatten, deren Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Scheidung bevorsteht. Die Unterhaltsbeziehungen zwischen Personen, die verheiratet waren, fallen ebenso in diese Kategorie, unerheblich ist, ob es sich um geschiedene handelt oder um Personen, deren Ehe für nichtig oder als ungültig erklärt wurde. Fehlerhafte Ehen, auch Nichtehen, oder ohne gerichtliche Entscheidung von Beginn an nichtige Ehen, werden erfasst.“5

3 4 5

Hierzu vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 44. Hierzu vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 49 ff. Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 155; auch MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 37; hierzu auch Art 1 EG-UntVO Rn 3.

Marianne Andrae

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Art 5 HUntStProt 7- 9

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

b)

Eingetragene Lebenspartnerschaften, gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften 7 Dem vorläufigen erläuternden Bericht von Bonomi ist nicht zu entnehmen, dass Art 5 Ehen gleichgeschlechtlicher Partner, eingetragene Lebenspartnerschaften und andere Lebenspartnerschaften umfasst. Vielmehr lässt eine Nebenbemerkung in der Kommentierung zu Art 6 eher den Schluss zu, dass diese – soweit sie überhaupt vom sachlichen Anwendungsbereich erfasst sind6 – dieser Bestimmung unterliegen.7 In der zuständigen Kommission der 21. Tagung der Haager Konferenz wurde der Vorschlag einiger Staaten diskutiert, in den Text des Protokolls eine Bestimmung aufzunehmen, die es in das Ermessen jedes Vertragsstaates stellt, die Bestimmung auf Verbindungen anzuwenden, die der Ehe gleichgestellt oder ihr ähnlich sind. Dieser Vorschlag fand nicht die erforderliche Mehrheit. Jedoch wurde akzeptiert, dass jene Staaten, die solche Institutionen in ihrem Rechtssystem kennen oder bereit sind, ausländische Rechtsinstitutionen dieser Art anzuerkennen, auf die Unterhaltspflichten aus diesen Beziehungen Art 5 anwenden können.8 Mit dieser Lösung wird es jenen Staaten ermöglicht, Institutionen kollisionsrechtlich mit der Ehe gleich zu behandeln, die in ihrem nationalen Recht der Ehe gleich oder annähernd gleichgestellt sind. Dies gilt insbesondere für gleichgeschlechtliche Ehen.9 Diese Lösung ist optimal, das heißt jeder Staat kann entscheiden, ob überhaupt solche Partnerschaften als Familienbeziehungen iSd Art 1 anzusehen sind und, soweit dies zutrifft, ob auf sie Art 5 oder Art 6 anzuwenden ist. Letztlich steht es jedem Vertragsstaat frei, – soweit das nach dem Protokoll anwendbare Recht zu einer Unterhaltspflicht zugunsten eines registrierten Partners oder homosexuellen Partners führt – die Anerkennung von Wirkungen solcher Beziehungen, einschließlich des Unterhalts, aus Gründen des ordre-public abzulehnen.10 8 Die Europäische Gemeinschaft hätte die Möglichkeit gehabt, im Rahmen von Art 1 oder Art 15 EG-UntVO für die Mitgliedstaaten, die durch das Protokoll gebunden sind, eine einheitliche Lösung hierzu herbeizuführen. Da dies nicht erfolgt ist, ist mE davon auszugehen, dass jeder Mitgliedstaat, der iSd Protokolls Vertragsstaat ist (Art 24 Abs 5), hierfür die Entscheidung separat treffen kann, solange in der Gemeinschaft keine einheitliche Lösung herbeigeführt wird. 9 Für die Bundesrepublik ist davon auszugehen, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft und vergleichbare Institutionen des ausländischen Rechts, einschließlich der homosexuellen Ehe, unter Art 5 zu subsumieren sind. Dafür spricht, dass sie im deutschen Familienrecht als Institut anerkannt und den Ehen weitgehend gleichgestellt sind. Hinzu kommt, dass die kollisionsrechtliche Lösung des Art 5 viel besser den kollisionsrechtlichen Regelungsinteressen in Bezug auf diese Partnerschaften entspricht 6 7 8 9 10

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Hierzu Art 1 Rn 7. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 61. Hierzu die Darstellung bei Bonomi YB PIL 2008, 333, 339, 350. So vorl Bonomi YB PIL 2008, 333, 350. So zusammengefasst das Ergebnis, das zu dieser Frage auf der Konferenz erzielt wurde, Bonomi YB PIL 2008, 333, 350.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 5 HUntStProt 10-13

als die Kumulation nach Art 6. Wenn dieser Schritt gegangen wird, sollten in die Regelung des Art 5 auch persönlich dauerhaft gelebte Verbindungen nach ausländischem Recht einbezogen werden, – soweit sie institutionellen Charakter aufweisen – die sowohl hetero- als auch homosexuellen Partnerschaften offen stehen, wie etwa die pacte civil de solidarité (PACS) des französischen Rechts. Da jedoch Art 5 voraussetzt, dass es sich um eine institutionelle Verbindung handelt, die der Ehe ähnlich ist, was kaum noch auf die PACS zutrifft, kann er sich nicht auf die Unterhaltspflichten zwischen Parteien in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft beziehen. Für diese ist charakteristisch, dass es sich um eine Beziehung von zwei als Paar zusammenlebenden Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts handelt, die durch eine gewisse Stabilität und Kontinuität gekennzeichnet ist, für die sie jedoch gerade die zur Verfügung stehenden institutionellen Formen nicht genutzt haben. Diese nichtehelichen Lebensgemeinschaften sind deshalb Art 6 zuzuordnen, und zwar obwohl vom Inhalt her Art 5 auch für diese passen würde. 2.

Anknüpfungen

a) Recht des gewöhnlichen Aufenthalts Es gibt keine Besonderheiten, Art 3 findet uneingeschränkt Anwendung, soweit 10 nicht die Ausweichklausel maßgeblich ist. Das trifft auch auf die Fälle zu, in denen die Ehe geschieden oder für ungültig erklärt wurde, der Unterhaltsberechtigte erst danach den gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Staat verlegt und dann den Unterhalt gerichtlich geltend macht. Nach Art 3 Abs 2 erfolgt ein Statutenwechsel, maßgeblich ist das Recht am neuen gewöhnlichen Aufenthaltsort für den Unterhalt bezogen auf den Zeitraum nach dem Aufenthaltswechsel. b) Kollisionsrechtliche Einrede der engeren Verbindung Das Recht des aktuellen gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten wird 11 verdrängt durch das Recht eines anderen Staates, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der Ausweichklausel des S 1 HS 2 vorliegen. Ihre charakteristischen Merkmale werden deutlich, wenn sie den Ausweichklauseln in Art 4 Abs 3 Rom I-VO und Art 4 Abs 3 Rom II-VO gegenüber gestellt wird. aa) Die Ausweichklausel wird nur auf die Einrede einer Partei und nicht von Amts 12 wegen angewandt. Die Einrede kann von jeder Partei erhoben werden. Die Partei muss sich dagegen wenden, dass das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts angewandt wird. Nicht bezeichnet werden muss das Recht, das stattdessen Anwendung findet. Für die Einrede gibt es kein Formerfordernis. Sie kann von der Partei außerhalb eines Prozesses gegenüber der anderen und im Prozess erklärt werden. Ein Zeitpunkt, bis zu dem die Einrede erhoben werden kann, ist nicht genannt, deshalb ergibt sich dieser aus dem Prozessrecht der lex fori für das Verfahren. In Deutschland kann sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden. Die Einrede kann nur von der Partei selbst bzw ihrem Vertreter erhoben werden, nicht 13 jedoch von einer öAwE iSd Art 10 oder einer anderen Person, auf die der Unterhaltsanspruch übergegangen ist. Der Unterhaltsverpflichtete seinerseits kann von der EinMarianne Andrae

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Art 5 HUntStProt 14-17

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

rede Gebrauch machen, wenn er von einer öAwE aus übergeleiteten Unterhaltsansprüchen in Anspruch genommen wird. 14 bb) Für die Anwendung der Ausweichklausel reicht es, dass eine andere Rechtsordnung enger mit der Ehe verbunden ist, während im Vergleich dazu die Rom I und IIVO eine offensichtlich engere Verbindung zu einer anderen Rechtsordnung verlangen. Jede engere Verbindung der Ehe zu einer Rechtsordnung als die des aktuellen gewöhnlichen Aufenthalts des unterhaltsberechtigten Ehegatten oder früheren Ehegatten rechtfertigt die Heranziehung. 15 Nach der engeren Verbindung der Ehe zu einer anderen Rechtsordnung ist zu fragen. Daher bleiben Umstände außer Betracht, die vor der Eheschließung lagen und solche, die nach der Ehescheidung oder Ungültigkeitserklärung eingetreten sind. Es kommt auf die engere Verbindung der Ehe und nicht der Unterhaltsbeziehung zu einer bestimmten Rechtsordnung an. Im Ergebnis kann deshalb eine Rechtsordnung Anwendung finden, die die Lebensumstände keiner Partei für den Zeitraum, für den der Unterhalt geltend gemacht wird, prägt. 16 cc) Anders als die Rom I und II-VO schreibt Art 5 kein generalklauselartiges Abwägungskriterium der „Gesamtheit der Umstände“ vor. Dies erfolgt deshalb, weil die Kriterien für die engere Verbindung einer Ehe zu einer Rechtsordnung relativ eng begrenzt sind. 17 dd) Dagegen wird ein konkretes Kriterium, aus dem sich eine engere Verbindung ergeben könnte, hervorgehoben, der „letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt“. Da dieser den Bezug zur Ehe vermitteln soll, kommt es auch hier nur auf den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt während der Ehe an. Die engere Verbindung zu einer anderen Rechtsordnung wird durch den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt verstärkt vermittelt, wenn der Unterhaltsverpflichtete dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da in der Regelung dieser Umstand nicht hinzugefügt worden ist, ist der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt auch ohne diesen in die Abwägung besonders einzubeziehen. Das Wort „insbesondere“ weist darauf hin, dass der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt in einem anderen Staat nicht zwingend zur Verdrängung des gegenwärtigen gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten führt. Bei der Grundanknüpfung kann es zum Beispiel bleiben, wenn beide Parteien eine enge Beziehung zum jetzigen Lebensmittelpunkt des Unterhaltsberechtigten haben oder der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt, gemessen an der Gesamtehezeit, von relativ geringer Dauer war. Das Wort verdeutlicht weiterhin, dass auch andere Faktoren, wie die gemeinsame Staatsangehörigkeit, mit in die Betrachtung einbezogen werden können. Von Bedeutung ist auch, ob der Unterhaltsverpflichtete mit dem Wegzug des anderen Partners in ein bestimmtes Land nach dem Scheitern der Ehe rechnen konnte. In die Betrachtung einzubeziehen ist auch das anwendbare Recht auf den Kindesunterhalt, wenn der Unterhaltsberechtigte die gemeinsamen Kinder betreut. Es bedarf stets der Abwägung der Kriterien nach den Umständen des Einzelfalls. Es ist davon auszugehen, dass die Rechtsprechung für typi914

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 5 HUntStProt 18, 19

sche Fallsituationen Regelanknüpfungen herausbilden wird, wodurch Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Rechtsanwendung erhöht werden wird. Hier soll als Beispiel eine Fallkonstellation aufgezeigt werden, die einer Entscheidung 18 des BGH11 zugrunde lag und die bei der Diskussion um die Neufassung für den ehelichen und den nachehelichen Unterhalt eine Rolle gespielt hat.12 M und F, beide deutsche Staatsangehörige, haben in Deutschland (D) die Ehe geschlossen und danach in D gelebt. Aufgrund beruflicher Verpflichtungen von M sind sie in das Land X gezogen und haben dort eine nicht unerhebliche Zeit gelebt. Die Ehe wurde durch ein Gericht des Staates X geschieden, danach ist F nach D endgültig zurückgekehrt, wogegen M nunmehr in Z lebt. Für die Bestimmung der engsten Verbindung bleibt von vornherein der Staat Z außer Betracht, da zum einen nur M eine Verbindung zu Z hat und diese außerdem nach der Scheidung hergestellt wurde. Im Staat X befand sich der letzte gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Parteien, nach Art 5 ist er insbesondere in die Betrachtung zu ziehen. Jedoch führt dies nicht zwingend zur Maßgeblichkeit dieses Rechts. Vielmehr sind alle Umstände zu würdigen. Zum einen ist zu sehen, dass keiner der Ehegatten mehr zu diesem Staat eine Verbindung hat. Zum anderen ist die enge Verbindung beider Eheleute auch während der Ehezeit zu D zu berücksichtigen, die dadurch gegeben ist, dass sie dort gemeinsam lebten und beide die Staatsangehörigkeit von D haben. M musste damit rechnen, dass F nach Scheitern der Ehe nach D zurückkehren wird. Die Abwägung ist nur in solchen Fällen problematisch, in denen die unterhaltsverpflichtete Partei in einer solchen Fallsituation am letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt während der Ehe verbleibt, er jedoch mit dem Rückzug der unterhaltsberechtigten Partei in ihr gemeinsames Heimatland rechnen musste. Hier kann mE von der Gleichwertigkeit der Verbindungen ausgegangen werden. Da die Anwendung der Ausweichklausel erfordert, dass zu der anderen Rechtsordnung eine engere Verbindung bestehen muss, bleibt es bei Gleichwertigkeit der Verbindung beim Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten. IV.

Vorfragen

Ob eine eheliche Beziehung in der unter Rn 6 dargestellten Art zwischen der Person, 19 die den Unterhalt geltend macht und derjenigen, die in Anspruch genommen wird, besteht, ist sowohl bedeutend für die Eröffnung des sachlichen Anwendungsbereichs nach Art 1 Abs 1 als auch für die Zuordnung zu Art 5. Hier handelt es sich um eine kollisionsrechtliche Vorfrage. Die gleichen Fragen treten als materiell-rechtliche Vorfragen auf, oft detaillierter, weil im materiellen Recht vielfach zwischen dem Unterhalt vor Trennung, bei faktischer Trennung, im Falle der Auflösung der Ehe und bei auflösbarer Ehe wegen Ehemängeln und Nichtehen unterschieden wird. Die Methoden der Lösung der Vorfrage müssen auf der Ebene des Kollisionsrechts und des materiellen Rechts identisch sein, um Ungereimtheiten zu verhindern. 11

BGH IPRax 1992, 101.

12

Bonomi YB PIL 2008, 333, 349.

Marianne Andrae

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Art 5 HUntStProt 20, 21

1.

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Scheidung, förmliche Trennung, Ungültigkeitserklärung

20 Art 8 HUntStÜbk 1973 enthält für die Vorfrage der Ehescheidung, der förmlichen Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und der für nichtig oder als ungültig erklärten Ehe eine Lösung. Es kommt darauf an, ob in dem Vertragsstaat, in dem über die Unterhaltssache entschieden wird, die Statusentscheidung ausgesprochen oder anerkannt ist. Daraus wird geschlossen, dass diese statusrechtlichen Vorfragen vom Standpunkt der lex fori, unter Einschluss des IZPR oder IPR, erfolgt (selbständige Anknüpfung der Vorfrage).13 Die Regelung ist in das HUntStProt 2007 nicht aufgenommen worden. Daraus ist jedoch nicht zu schlussfolgern, dass sie nicht gelten sollte. Vielmehr fehlt sie wohl, weil es ihrer zur Abgrenzung der Kollisionsnormen des Protokolls nicht bedarf, da es eine einzige Kollisionsnorm für die ehelichen Beziehungen gibt. Jedoch ist sie auf materiell-rechtlicher Ebene erforderlich, wenn das anwendbare Recht den Unterhalt nach dem Status unterschiedlich ausgestaltet. Die Behandlung der Vorfrage in Art 8 HUntStÜbk 1973 ist in der Diskussion um diese Regelung nicht problematisiert worden, und in den Dokumenten zum HUntStProt 2007 findet sich kein Hinweis, dass die Lösung eine andere sein sollte. Deshalb ist die Vorfrage der Ehescheidung, der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, der Nichtigkeits- oder Ungültigkeitserklärung der Ehe dann positiv zu beantworten, wenn eine entsprechende statusrechtliche Entscheidung im Entscheidungsvertragsstaat ergangen oder anerkannt ist. 21 In den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft erfolgt die Anerkennung der Entscheidungen in Ehesachen anderer Mitgliedstaaten einheitlich nach den Artt 21 ff Brüssel IIa-VO, Art 21 Abs 4 Brüssel IIa-VO ermöglicht die inzidente Prüfung der Vorfrage im Unterhaltsverfahren.14 Die Anerkennung von drittstaatlichen Entscheidungen in Ehesachen bestimmt sich nach dem jeweiligen autonomen IZPR, in Deutschland nach §§ 107, 109 FamFG. Im Unterhaltsverfahren kann in Deutschland nur dann inzident über die Anerkennung einer drittstaatlichen Entscheidung in der Ehesache entschieden werden, wenn die Entscheidung von einem Gericht des Staates getroffen wurde, dem beide Parteien angehören. In den übrigen Fällen bedarf es einer Entscheidung über die Anerkennungsfähigkeit durch die zuständige Landesjustizverwaltung oder dem Präsidenten eines OLG, dem die Kompetenz durch landesrechtliche Bestimmungen übertragen wurde.15 Ausländische Privatscheidungen sind in Deutschland dann anzuerkennen, wenn sie nach dem gemäß Kollisionsrecht für die Scheidung maßgeblichen Recht (Art 17 Abs 1 und 2 EGBGB) wirksam sind,16 auch sie bedürfen grundsätzlich der förmlichen Anerkennungsfeststellung nach § 107 FamFG.17 13

14 15

16

916

Hierzu ua Erman/Hohloch Art 18 EGBGB Rn 11; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 254; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 241 ff. Hierzu Andrae IFR § 4 Rn 134. Zur identischen bisherigen Regelung des Art 7 § 1 FamRÄndG Andrae IFR § 4 Rn 142 ff; Andrae/ Heidrich FamRZ 2004, 1622. Andrae IFR § 4 Rn 187 ff.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

2.

Art 5 HUntStProt 22, 23

Bestehen einer Ehe

Gibt es zum Status „Ehe“ eine Feststellungsentscheidung, dann ist diese für die Vor- 22 frage zugrunde zu legen, wenn sie im Entscheidungsvertragsstaat ergangen oder anerkannt ist. Es sind keine Gründe ersichtlich, die Vorfrage von der Methode anders zu lösen als für die Scheidung oder Ungültigkeitserklärung einer Ehe. Fehlt es daran, dann ist die Existenz der Ehe materiell-rechtlich zu prüfen. Für das HUntStÜbk 1973 werden sowohl die unselbständige18 als auch die selbständige19 Anknüpfung dieser Vorfrage vertreten. 20 Für die unselbständige Anknüpfung streitet dort nicht nur der Gedanke des internationalen Entscheidungseinklangs, sondern das Günstigkeitsprinzip, das in den Artt 4-6 HUntStÜbk 1973 zum Ausdruck kommt. Gibt es danach keinen Unterhalt nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts, weil nach diesem Recht, unter Einschluss des IPR, keine Ehe besteht, so greift in der letzten Anknüpfungsstufe die lex fori als gleichzeitige lex causae, nach der dann die Vorfrage der Wirksamkeit der Ehe erneut geprüft wird. 21 Letzteres Argument greift für den ehelichen Unterhalt nach Art 6 nicht. Gegen die unselbständige Anknüpfung sprechen die Wandelbarkeit des Hauptanknüpfungspunktes und die Flexibilisierung der Anknüpfung. Nach der Neuregelung ist deshalb die selbständige Anknüpfung der Vorfrage der Existenz der Ehe zu bevorzugen. Nachteilig ist natürlich, dass die Lösung vom jeweiligen Forum abhängig ist und deshalb trotz der Anwendung derselben Kollisionsnormen für den Unterhalt ein unterschiedliches Ergebnis hinsichtlich des Anspruchs möglich ist. Dies ist vor allem misslich in Bezug auf die Folgen für die EG-UntVO. Hier dient die Vereinheitlichung des Unterhaltskollisionsrechts gerade als Argument für den Verzicht auf die Anwendung des ordre-public im Stadium der Anerkennung. Die Lösung kann jedoch nicht darin bestehen, dass die unselbständige Anknüpfung bevorzugt wird, weil auf diese Weise weder eine Übereinstimmung mit der statusrechtlichen Lage im Entscheidungs- noch im Anerkennungsmitgliedstaat erreicht wird. Mangels einer einheitlichen kollisionsrechtlichen Regelung für die Eheschließung in 23 den Mitgliedstaaten wäre es denkbar, das Anerkennungsprinzip22 nicht anstelle der selbständigen Anknüpfung der Vorfrage, aber daneben zur Anwendung zu bringen. Führt die selbständige Anknüpfung der Vorfrage dazu, dass die Ehe nicht besteht oder mit Mängeln behaftet ist, die nach dem auf den Unterhalt anwendbaren Recht zu einer Ablehnung des Anspruchs führt, so ist die Ehe für den Zweck des Unterhalts (Art 1 Abs 2) als bestehend anzusehen, wenn sie in einem Mitgliedstaat oder Vertragsstaat 17

18 19 20 21 22

Ausführlich hierzu Andrae IFR § 4 Rn 184 ff. Kein Verfahren nach § 107 FamFG bei fehlender behördlicher Mitwirkung: BayObLG FamRZ 2003, 381, 382; OLG Celle FamRZ 1998, 686; MünchKommBGB /Coester Art 13 EGBGB Rn 178; Zöller /Geimer § 328 ZPO Rn 241; toleranter BGHZ 110, 267, 270 f; Erman/Hohloch Art 17 EGBGB Rn 82: Bei fehlender behördlicher Mitwirkung sei jedenfalls aufgrund des Antrages eines der Beteiligten die freiwillige Durchführung des Verfahrens zulässig. ZB Erman/Hohloch Art 18 EGBGB Rn 11. Ua vBar IPR II Rn 302; Göppinger/Wax/Linke Rn 3029. Hierzu ausführlich Andrae IFR § 8 Rn 66 ff. Andrae IFR § 8 Rn 68 ff; Eschenbruch/Klinkhammer /Dörner Kap 7 Rn 64. Ausführlich hierzu Coester-Waltjen IPRax 2006, 392; dies FS Jayme (2004) 121 ff.

Marianne Andrae

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Art 5 HUntStProt, 24, 25 Art 6 HUntStProt

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

des HUntStProt 2007 geschlossen wurde und nach dem Recht dieses Staates wirksam ist. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wird nur diese Lösung dem Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft gerecht (Art 18 EGV (Art 21 AEUV)). Auf andere Vertragsstaaten ist dieses Prinzip dann auf der Grundlage des Art 20 zu erstrecken. 3.

Trennung der Ehegatten

24 Besteht eine Ehe und unterscheidet das maßgebliche Recht für den Unterhalt zwischen dem Zusammenleben und der Trennung der Eheleute, so handelt es sich hier um keine Vorfragen im kollisionsrechtlichen Sinne. Deshalb ist hierfür das auf die Unterhaltspflichten anwendbare materielle Recht berufen, um die Voraussetzungen für die Trennung zu bestimmen. 4.

Eingetragene Lebenspartnerschaften

25 Für die Vorfragen des Bestehens und der Auflösung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und vergleichbarer institutioneller Partnerschaften nach ausländischem Recht gelten die Ausführungen zur Ehe entsprechend mit folgenden Besonderheiten. Die Brüssel IIa-VO ist auf die Frage der Anerkennung der Auflösung der Partnerschaft durch Gerichte/Behörden anderer Mitgliedstaaten nicht anzuwenden. Im autonomen deutschen Recht findet § 107 FamFG keine Anwendung, im inländischen Unterhaltsverfahren kann über die Vorfrage der wirksamen Auflösung der Partnerschaft, auch wenn sie im Ausland erfolgt ist, inzident entschieden werden.

Art 6

Besondere Mittel zur Verteidigung Außer bei Unterhaltspflichten gegenüber einem Kind, die sich aus einer Eltern-Kind-Beziehung ergeben, und den in Artikel 5 vorgesehenen Unterhaltspflichten kann die verpflichtete Person dem Anspruch der berechtigten Person entgegenhalten, dass für sie weder nach dem Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts der verpflichteten Person noch gegebenenfalls nach dem Recht des Staates, dem die Parteien gemeinsam angehören, eine solche Pflicht besteht. I. Einführung 1. Hintergrund. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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II. Die Regelung im Einzelnen

1 3

1. Erfasste Unterhaltsbeziehungen . . . . . 2. Unterhaltspflicht nach dem Unterhaltsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kollisionsrechtliche Einrede. . . . . . . . . . 4. Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Keine Unterhaltspflicht . . . . . . . . . . . . . .

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I.

Einführung

1.

Hintergrund

Art 6 HUntStProt 1-3

Die Hintergründe für die Aufnahme dieser den Unterhaltsanspruch vernichtenden 1 kollisionsrechtlichen Einrede in das HUntStProt 2007 werden ausführlich dargestellt von Bonomi in seinem vorbereitenden Bericht.1 Eine vergleichbare Bestimmung findet sich bereits mit Art 7 im HUntStÜbk 1973, nur beschränkt sie sich hier auf die Unterhaltspflicht gegenüber Verwandten in der Seitenlinie und Verschwägerten. Damals wurde diese Lösung als Kompromiss im Streit darüber gefunden, ob diese Beziehungen in das Übereinkommen aufgenommen werden. Zugleich bestand für die Vertragsstaaten nach Art 14 HUntStÜbk 1973 die Möglichkeit, einen Vorbehalt zu erklären, wonach das Übereinkommen nicht auf diese Unterhaltspflichten angewandt wird. Ausgangspunkt der Debatte waren die diametral unterschiedlichen Lösungen im materiellen Recht der Staaten zur Unterhaltspflicht in diesen Familienbeziehungen.2 Im Unterschied zu Art 7 HUntStÜbk 1973 ist Art 6 nicht nur anwendbar auf Unter- 2 haltspflichten zwischen Verwandten in der Seitenlinie und Verschwägerten, sondern auf alle Unterhaltsverpflichtungen außer gegenüber Kindern aus dem Eltern-KindVerhältnis und zwischen Ehegatten sowie ehemaligen Ehegatten. Wiederum soll damit den Unterschieden im materiellen Recht hinsichtlich der Frage Rechnung getragen werden, wer gegen wen aus Familienverhältnissen unterhaltspflichtig ist. 3 Vorbehaltsmöglichkeiten für die Vertragsstaaten in Bezug auf bestimmte Familienverhältnisse sind mit der Begründung ausgeschlossen worden, dass das HUntStProt 2007 bereits optional sei. Mit der Lösung in Art 6 erhofft man sich eine breitere Teilnahme von Staaten am HUntStProt 2007. 2.

Einschätzung

Die Lösung ist aus verschiedenen Gründen nicht optimal. Sie ist nicht befriedigend 3 bei strikt logischer Betrachtung des Verhältnisses von Art 4 und Art 6. Art 4 sieht eine Kaskadenanknüpfung zugunsten der Unterhaltspflicht vor, und in Art 6 wird der Unterhaltsverpflichtete im Wege der Kumulation vor Ansprüchen geschützt. 4 Dieser Widerspruch entsteht in den Fällen nicht, in denen sich das maßgebliche Recht aus Art 3 ergibt. In Bezug auf eingetragene Lebenspartnerschaften und andere familienrechtlich anerkannte homo- oder heterosexuelle Partnerschaften ist insoweit zu beachten, dass jeder Staat selbst entscheiden kann, ob auf sie Art 5 oder Art 6 anzuwenden ist.5 Da das 1 2 3

4 5

Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 57 ff. Hierzu Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 146. Hierzu rechtsvergleichend Landfermann RabelsZ 35 (1971) 505 ff; Martiny Recueil des Cours 247 (1994 III) 131, 142, 149, 150. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 60. Hierzu bereits ausführlich Art 5 Rn 7.

Marianne Andrae

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Art 6 HUntStProt 4

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

HUntStÜbk 1973 diese Rechtsbeziehungen nicht erfasst, konnte jeder Vertragsstaat unter Berücksichtigung seines materiellen Rechts das Kollisionsrecht ausgestalten.6

Art 6 ist eine den Unterhaltsschuldner im besonderen Maße schützende Norm, da im Ergebnis seiner Anwendung die Unterhaltspflicht nur besteht, wenn – vereinfacht dargestellt – sie in zwei Rechtsordnungen vorgesehen ist. So wie das Günstigkeitsprinzip für den Unterhaltsberechtigten nur dann inhaltlich berechtigt ist, wenn ein besonderes Schutzbedürfnis in Bezug auf seine Versorgung besteht, was für den Kindesunterhalt zutrifft, so bedarf es für die Kumulation zugunsten des Unterhaltsverpflichteten auch einer inhaltlichen Begründung. Diese wird nicht geliefert und ist auch nicht ersichtlich. Da Unterhaltsbeziehungen typischerweise sowohl mit der Rechtsordnung des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten und Unterhaltsverpflichteten gleichermaßen verbunden sind, die eine prägt die Bedarfe und die andere die Leistungsfähigkeit, so hätte statt der Kumulation auch eine Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsverpflichteten erfolgen können. Damit wäre dem Anliegen von Staaten nachgekommen worden, die zwischen Parteien der entsprechenden Familienbeziehungen keinen Unterhalt kennen. Die Kumulation wäre vermieden, was für den Unterhaltsberechtigten immer noch günstiger als die jetzige Lösung ist. II.

Die Regelung im Einzelnen

1.

Erfasste Unterhaltsbeziehungen

4 Die erfassten Unterhaltsbeziehungen werden negativ abgegrenzt. Alle Unterhaltsbeziehungen, die in den sachlichen Anwendungsbereich des HUntStProt 2007 fallen (Art 1 Abs 1), unterliegen der kumulativen Anknüpfung des Art 6, soweit es nicht um Unterhaltsansprüche eines Kindes aus einer Eltern-Kind-Beziehung (a) oder um solche geht, die vom Art 5 (b) geregelt werden. (a) Eltern-Kind-Beziehung meint das Verwandtschaftsverhältnis in gerader Linie ersten Grades im Rechtssinne. Nur der Unterhalt des Kindes in diesem Verhältnis wird von Art 6 nicht erfasst, dagegen unterliegt der Unterhalt eines Elternteils der Kumulation. Auf das Alter des Kindes kommt es nicht an. Eine Eltern-Kind-Beziehung kann auch durch die Adoption begründet werden, dies bestimmt sich nach dem Recht, das auf die Wirkungen der Adoption Anwendung findet. Das Adoptionswirkungsstatut bestimmt auch darüber, ob die Eltern-Kind-Beziehungen im Rechtssinne zu den natürlichen Eltern durch die Adoption erloschen sind. Unterhaltspflichten gegenüber Stiefkindern fallen nicht darunter, rechtlich sind sie unter die Kategorie „Schwägerschaft“ einzuordnen. Dasselbe gilt für den Unterhaltsanspruch der Mutter gegenüber dem Vater für eine Zeit vor und nach der Geburt oder den Betreuungsunterhaltsanspruch eines Elternteils gegen den anderen, weil unterhaltsberechtigte Person nicht das Kind, sondern ein Elternteil ist.

6

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So im dt IPR in Art 17b EGBGB.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 6 HUntStProt 5, 6

(b) Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten, früheren Ehegatten oder Personen, deren Ehe für ungültig erklärt wurde, sind von Art 6 ausgeschlossen.7 Dies rechtfertigt sich daraus, dass aufgrund der Einrede einer Partei die Ausweichklausel der engeren Verbindung zur Anwendung kommt und insoweit die Anknüpfungsinteressen des Unterhaltsverpflichteten gleichermaßen berücksichtigt werden. Positiv ausgedrückt, werden von Art 6 alle Unterhaltspflichten aus Verwandtschaft und Schwägerschaft sowie aus sonstigen Familienbeziehungen, für die sich das anwendbare Recht aus Art 3 ergibt, erfasst und außerdem die unter Art 4 Abs 1 lit b und c fallenden Beziehungen. 2.

Unterhaltspflicht nach dem Unterhaltsstatut

Die Anwendung von Art 6 setzt voraus, dass der Person, die den Unterhaltsanspruch 5 geltend macht, überhaupt ein solcher Anspruch gemäß dem nach Art 3 oder Art 4 maßgeblichen Recht zusteht. Beispiele: Macht der in Deutschland lebende Vater gegen seinen in Schweden lebenden vermögenden Sohn Unterhaltsansprüche geltend, so würden die deutschen Gerichte hierauf Art 3 anwenden. Der Unterhaltsanspruch könnte nach §§ 1601 ff BGB gegeben sein. Auch die schwedischen Gerichte würden nach Art 4 Abs 3 aufgrund der subsidiären Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten – das schwedische Recht kennt keinen Unterhaltsanspruch des Elternteils gegen das Kind – zum deutschen Recht kommen. In beiden Fällen wäre Art 6 zu prüfen, wenn im konkreten Fall nach materiellem deutschen Recht der Anspruch bestehen würde. 3.

Kollisionsrechtliche Einrede

Die kumulativen Anknüpfungen sind als Einrede des Unterhaltsverpflichteten aus- 6 gestaltet. Das Fehlen eines Unterhaltsanspruchs nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsverpflichteten und nach dem gemeinsamen Heimatrecht wird beachtet, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine diesbezügliche Einrede erhebt. Dazu reicht es nicht aus, dass er den Anspruch bestreitet, vielmehr verlangt die Regelung eine Einrede mit dem entsprechenden kollisionsrechtlichen Inhalt. Wird eine solche Einrede nicht erhoben, so bleibt es allein bei dem nach Art 3 und Art 4 maßgeblichen Recht. Wenn sich der Unterhaltsberechtigte nicht darauf beruft, wird das mit dem Antrag befasste Gericht /die Behörde die Prüfung nicht von Amts wegen vornehmen.8 Nicht geregelt ist, bis zu welchem Zeitpunkt im Prozess die Einrede zu erheben ist, dies bestimmt sich nach dem innerstaatlichen Prozessrecht des angerufenen Gerichts.

7 8

Zu den erfassten Beziehungen siehe Art 5 Rn 6 ff. Zu Art 7 HUntStÜbk 1973 Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 151.

Marianne Andrae

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Art 6 HUntStProt 7- 9

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Art 6 setzt nicht voraus, dass ein Prozess anhängig ist, der Verpflichtete kann gegenüber dem Berechtigten die Einrede unmittelbar erheben,9 Formvorschriften sind hierfür nicht vorgesehen. Macht eine öAwE iSd Art 10 aus übergeleitetem Recht10 den Unterhaltsanspruch gegenüber dem Verpflichteten geltend, so kann dieser auch ihr gegenüber die Einrede nach Art 6 erheben. 4.

Anknüpfungen

7 Für die Anknüpfungen ist zu unterscheiden, ob die Parteien eine gemeinsame Staatsangehörigkeit besitzen oder nicht. Haben sie keine gemeinsame Staatsangehörigkeit, so kann der Unterhaltsverpflichtete einwenden, dass er nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts nicht zum Unterhalt verpflichtet ist. Wenn in unserem Beispielfall in Rn 5 die eine Partei die deutsche und die andere die schwedische Staatsangehörigkeit hat, könnte der in Schweden lebende Sohn die Einrede erheben, dass er nach schwedischem Recht nicht zum Unterhalt verpflichtet ist, mit der Folge, dass der Antrag keinen Erfolg hätte. 8 Haben der Unterhaltsberechtigte und -verpflichtete dieselbe Staatsangehörigkeit, so hat die Einrede nur dann Erfolg, wenn der Anspruch sowohl nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsverpflichteten als auch nach dem gemeinsamen Heimatrecht nicht besteht. Das heißt, bezogen auf die Einrede selbst, erfolgt eine Kumulation beider Rechtsordnungen mit der Folge, dass bei gemeinsamer Staatsangehörigkeit ihre Erhebung erschwert wird. Besitzen im Beispielfall Rn 5 beide Parteien die deutsche Staatsangehörigkeit, so kann der Unterhaltsverpflichtete die Einrede nicht erheben. Haben sie dagegen beide die schwedische Staatsangehörigkeit, so besteht die Einredemöglichkeit, weil Art 6 für beide Anknüpfungen zum schwedischen Recht führt, das den Anspruch nicht gewährt. 9 Haben die Parteien oder hat eine Partei mehrere Staatsangehörigkeiten, so kommt es für Art 6 auf jede Staatsangehörigkeit an, es gilt weder der Vorrang der Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaates noch das Effektivitätsprinzip.11 Soweit in unserem Beispielfall nun beide Parteien sowohl die deutsche als auch die schwedische Staatsangehörigkeit besitzen, scheitert die Einrede, weil nicht nur nach dem schwedischen Recht, sondern auch nach dem deutschen Recht die Einrede Bestand haben müsste, jedoch nach deutschem Recht der Anspruch besteht.

9 10 11

922

Für Art 7 HUntStÜbk 1973 Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 151. ZB der dt Sozialhilfeträger nach § 94 SGB XII. Für Art 7 HUntStÜbk 1973 ua Eschenbruch/Klinkhammer /Dörner Kap 7 Rn 107; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 222.

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5.

Art 6 HUntStProt, 10 Vorbem Art 7 HUntStProt, 1, 2

Keine Unterhaltspflicht

Die Einrede besteht nur dann, wenn nach den Rechten, auf denen sie nach Art 6 be- 10 ruhen muss, kein Unterhaltsanspruch besteht, entweder weil sie einen solchen Anspruch in Bezug auf die betreffende Familienbeziehung allgemein nicht kennen oder ihn zwar kennen, jedoch im konkreten Fall die Anspruchvoraussetzungen nicht vorliegen. Die Auslegung hat hierbei wie für die subsidiären Anknüpfungen nach Art 4 zu erfolgen.12 Bejaht mindestens eines der in Art 6 genannten Rechte eine Unterhaltspflicht, fällt sie hiernach aber geringer aus oder wird nur die betreffende Art des Unterhalts nicht gewährt, so hat die Einrede keinen Erfolg. Es bleibt bei dem nach Art 3 oder Art 4 berufenen Sachrecht für den Anspruch.

Vorbemerkungen zu Art 7

Das HUntStÜbk 1973 lässt für Unterhaltspflichten aus den in Art 1 aufgelisteten Fa- 1 milienbeziehungen die Rechtswahl nicht zu. Diese Lösung war damals nicht umstritten. Die Diskussion um die Zulassung der Parteiautonomie ist durch Entscheidungen niederländischer Gerichte, insbesondere des Hoge Raad entfacht worden, die die Rechtswahl nach dem HUntStÜbk 1973 für zulässig hielten.1 Der Diskurs ging jedoch eher darum, ob nach dem geltenden Recht die Rechtswahl möglich ist. Verschiedene Faktoren haben dazu geführt, nunmehr in einem neuen Haager Über- 2 einkommen einer beschränkten Parteiautonomie positiv gegenüber zu stehen. In den Focus der Aufmerksamkeit ist gerückt, dass es in der Rechtspraxis ein Bedürfnis nach Zulassung einer Rechtswahl gibt. Dieses besteht vornehmlich dort, wo die Beteiligten über die Unterhaltspflichten vorsorglich eine Vereinbarung treffen. Die Rechtswahl ermöglicht es ihnen, ihre materiell-rechtliche Vereinbarung an einer Rechtsordnung auszurichten, die im Streitfall über die materielle Wirksamkeit und den Inhalt der Vereinbarung entscheidet. Die Parteiautonomie trägt deshalb zur Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit des maßgeblichen Rechts bei. Weiterhin hat sich die Erkenntnis durchgesetzt und ist in Kollisionsnormen umgesetzt worden, dass es für die Parteiautonomie nicht unbedingt das Prinzip des alles oder nichts gibt. Die Parteiautonomie ist einerseits in ihrem klassischen Bereich für bestimmte Schuldverträge (Verbraucher-, Arbeits- und Versicherungsverträge), insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der schwächeren Vertragspartei, 12 1

Hierzu Art 4 Rn 17 ff. Hoge Raad 21.2.1997, NIPR 1997 Nr 10; zustimmend in der dt Literatur Boele-Woelki IPRax 1998, 492, 494; Kropholler IPR6 (2006) § 47 II 3 S 382 Fn 15; aA Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 15; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 83.

Marianne Andrae

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Vorbem Art 7 HUntStProt 3, 4

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

nicht aufgehoben, aber eingeschränkt worden. Auf der anderen Seite sind neue Bereiche hinzugekommen, in denen zwar nicht der Grundsatz der freien Rechtswahl herrscht, jedoch die Rechtswahl im begrenzten Umfang zugelassen wird, das betrifft das Erb- und das eheliche Vermögensrecht. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, dass für das Kollisionsrecht des ehelichen Güterrechts, das im engen Zusammenhang zum Kollisionsrecht für den ehelichen und nachehelichen Unterhalt steht, eine Rechtswahlmöglichkeit in dem Haager Übereinkommen2 und auch in nationalen Kodifikationen vorgesehen ist. 3 Die Rechtswahl im Eherecht, zB auch für die Scheidung und für andere Lebensgemeinschaften, rückt in die Aufmerksamkeit, um der Mobilität der Menschen und den daraus resultierenden Rechtsanwendungsinteressen mittels der Rechtswahlmöglichkeit nachzukommen.4 3 Für die Parteiautonomie im Unterhaltsrecht streitet, dass sie zu einer gewissen Flexibilität der Anknüpfung führt, ohne dass die Voraussehbarkeit des maßgeblichen Rechts eingeschränkt wird. Vielmehr erhöht sie diese, denn der Statutenwechsel wird vermieden, während bei der Grundanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt einer Partei stets die Möglichkeit der Wandlung des Statuts besteht.5 Unterhaltsberechtigter und -verpflichteter leben oft in unterschiedlichen Staaten oder sie leben zwar (noch) in ein und demselben Staat, sie sind jedoch beide am engsten mit einem anderen Staat verbunden. Die objektive Anknüpfung führt für die einzelnen Gruppen von Unterhaltsbeziehungen, unter Wertung der typischen Interessen der Beteiligten zu einheitlichen Anknüpfungskriterien, wobei die Besonderheiten des Einzelfalls unberücksichtigt bleiben. Die Rechtswahl, die auf bestimmte Rechtsordnungen beschränkt ist, ermöglicht es den Beteiligten an der Unterhaltsbeziehung die Rechtsordnung auszuwählen, mit der sie meinen, am engsten verbunden zu sein, oder die ihren materiellen Regelungsinteressen am nächsten kommt. 4 Mit letzterem wird jedoch auch deutlich, dass die Parteiautonomie – wenn sie für das Unterhaltsrecht zugelassen wird – unbedingt eingeschränkt sein muss. Dies folgt daraus, dass dem Unterhalt soziale Funktionen zukommen. Das betrifft insbesondere, aber nicht nur, den Kindesunterhalt. Er sichert die materielle Lebensgrundlage des betreffenden Kindes und entlastet die Gesellschaft in Bezug auf Ersatzleistungen. Außerdem hat die Regelung zu berücksichtigen, dass es im Unterhaltsrecht typischerweise eine schwächere Partei gibt, die vor dem Missbrauch der Rechtswahlmöglichkeit zu schützen ist. 2 3

4

5

924

Art 3 des Haager Übereinkommens über das auf Güterstände anzuwendende Recht von 14.3.1978. Ua Deutschland: Art 15 Abs 2 EGBGB; Estland: § 58 IPRG; Italien: Art 30 IPRG; Österreich: § 19 IPRG; Schweiz: Artt 52, 53 IPRG. Zur Rechtswahl ua Henrich FS Jayme (2004) 323; Hohloch FS Sonnenberger (2004) 401ff; Martiny Recueil des Cours 247 (1994 III) 131, 186; Wagner FamRZ 2005, 410, 417; siehe auch Europäische Kommission, 17.7.2006, KOM (2006) 399 Art 20a. Hohloch FS Sonnenberger (2004) 411; Wagner FamRZ 2005, 410, 417.

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Vorbem Art 7 HUntStProt, 5 Art 7 HUntStProt, 1

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Zwei unterschiedliche Rechtswahlmöglichkeiten sind vorgesehen: Art 7 regelt die 5 Wahl des Rechts des Gerichts für die Durchführung eines bestimmten Prozesses. Art 8 betrifft die Rechtswahl in den übrigen Fällen. Beide Vorschriften unterscheiden sich grundlegend, nicht nur hinsichtlich der für die Wahl zur Verfügung stehenden Rechtsordnungen, sondern auch in Bezug auf die erfassten Unterhaltspflichten und Vorkehrungen zum Schutz des schwächeren Beteiligten in der Unterhaltsbeziehung.

Art 7

Wahl des anzuwendenden Rechts für die Zwecke eines einzelnen Verfahrens (1) Ungeachtet der Artikel 3 bis 6 können die berechtigte und die verpflichtete Person allein für die Zwecke eines einzelnen Verfahrens in einem bestimmten Staat ausdrücklich das Recht dieses Staates als das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmen. (2) Erfolgt die Rechtswahl vor der Einleitung des Verfahrens, so geschieht dies durch eine von beiden Parteien unterschriebene Vereinbarung in Schriftform oder erfasst auf einem Datenträger, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Erfasste Unterhaltssachen . . . . . . . . . . . . .

2

VI. Wahl des Rechts für die Zwecke

eines einzelnen Verfahrens . . . . . . . . . . .

10

VII. Rechtswahl im Prozess (Abs 1) . . . . . .

11

III. Personen, die die Rechtswahl treffen

3

IV. Ausdrückliche Rechtswahl . . . . . . . . . . . .

6

eingeleitet (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

V. Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . .

7

IX. Wirkung der Rechtswahl . . . . . . . . . . . . .

15

VIII. Ein Prozess ist noch nicht

I.

Einführung

Art 7 lässt die Wahl des Rechts des Gerichts für die Durchführung eines bestimmten 1 Prozesses zu. Die Vorschrift ist in erster Linie in dem Kontext zu sehen, dass sich bei der Ausarbeitung des kollisionsrechtlichen Übereinkommens zwei Hauptauffassungen gegenüberstanden. Die eine Seite bevorzugte von vornherein die Anknüpfung an die lex fori und war Kollisionsnormen gegenüber nicht aufgeschlossen, die zu einer ausländischen Rechtsordnung führen. Die andere Seite wollte den mit den Haager Übereinkommen von 1956 und 1973 eingeschlagenen Weg allseitiger Kollisionsnormen fortsetzen. Wie auch Art 4 führt Art 7 zu einer Bevorzugung des Rechts des Gerichts, weil seine Wahl an erleichterte Voraussetzungen gegenüber der Rechtswahl im Übrigen geknüpft wird. Diese Rechtswahlmöglichkeit liegt im Interesse des Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten. Sie können auf der einen Seite bei einem bereits anhängigen oder in Marianne Andrae

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Art 7 HUntStProt 2-5

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Aussicht stehenden Prozess die Folgen der Wahl der lex fori für den konkreten Streitfall einschätzen. Die Wahl der lex fori erleichtert für alle Beteiligten die Prozessführung und kann dazu beitragen, den Prozess zu beschleunigen, weil die Rechtslage nach ausländischem Recht nicht erkundet werden muss. II.

Erfasste Unterhaltssachen

2 Die Rechtswahlmöglichkeiten nach Abs 1 oder 2 bestehen für alle Unterhaltssachen, die vom sachlichen Anwendungsbereich des Protokolls (Art 1 Abs 1) erfasst sind. Auch der Kindesunterhalt und der Unterhalt einer in den persönlichen Fähigkeiten beschränkten Person werden erfasst. Für den Kindesunterhalt führt bereits die objektive Anknüpfung nach Artt 3, 4 in den meisten Fällen zum Recht des Gerichts, nämlich dann, wenn der Antrag vom Unterhaltsberechtigten an seinem gewöhnlichen Aufenthalt oder am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsverpflichteten eingebracht wird, oder, wenn der Unterhaltsverpflichtete am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten den Antrag stellt. Auch eine Annexzuständigkeit im Verfahren über die elterliche Verantwortung führt zu einem Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und anwendbaren Recht, da hierfür die Gerichte am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes zuständig sind.1 III. Personen, die die Rechtswahl treffen

3 Die Rechtswahl ist von der unterhaltsberechtigten und -verpflichteten Person zu treffen. Die Auslegung hat wegen des engen Zusammenhangs nach Art 3 lit a und b des HUntVerfÜbk 2007 zu erfolgen. Berechtigt ist die Person, der der Unterhalt zusteht oder angeblich zusteht; verpflichtet ist die Person, die den Unterhalt leisten oder angeblich leisten muss. Die Rechtswahlmöglichkeit steht einer öAwE nicht zu. 4 Da die Rechtswahl ein Rechtsgeschäft eigener Art ist, bedarf es hierfür der Geschäftsfähigkeit und mangels solcher der gesetzlichen Vertretungsmacht des Erklärenden. Die Geschäftsfähigkeit bestimmt sich nach einzelstaatlichem Kollisionsrecht. Für die gesetzliche Vertretung Minderjähriger ist nicht Art 11 lit d heranzuziehen, maßgeblich ist einzelstaatliches Kollisionsrecht. In einigen Mitgliedstaaten der EG ist das KSÜ bereits in Kraft, für die anderen Mitgliedstaaten soll der Beitritt bis zum 5.6.2010 erfolgen. Dann bestimmt sich die Person, der die gesetzliche Vertretungsmacht kraft Gesetzes zukommt, nach Art 16 KSÜ. Maßgeblich ist – wie nach Art 21 EGBGB – das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes. 5 Die Rechtswahl muss nicht persönlich getroffen werden. Sie kann vom bevollmächtigten Vertreter erklärt werden, soweit die Vollmacht die Rechtswahl mit erfasst. Hierfür maßgeblich ist das Vollmachtsstatut und nicht das Unterhaltsstatut. Eine den Zentralen Behörden nach Art 52 EG-UntVO (Art 42 HUntVerfÜbk 2007) erteilte Verfahrensvollmacht umfasst mE nicht konkludent die Vollmacht für die 1

926

Für die Mitgliedstaaten der EG Art 8 Brüssel IIa-VO, im Übrigen Art 5 KSÜ.

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Art 7 HUntStProt 6- 8

Rechtswahl, vielmehr muss sie sich aus dem Inhalt der Vollmacht zweifelsfrei ergeben. IV.

Ausdrückliche Rechtswahl

Die Rechtswahl muss ausdrücklich erfolgen. Beide Parteien haben eine diesbezügliche 6 Willenserklärung abzugeben. Eine konkludente Rechtswahl wird nicht anerkannt. Die Kriterien einer ausdrücklichen Rechtswahl erfüllen nicht: Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung, die beiderseitige Bezugnahme auf ein für die Rechtsordnung der lex fori charakteristisches Rechtsinstitut oder auf einzelne Bestimmungen dieser Rechtsordnung, sowie das Hinnehmen der Argumentation des Gerichts auf der Grundlage der eigenen Rechtsordnung. Selbst das Zusammentreffen mehrerer Umstände, aus denen mit Sicherheit auf eine Rechtswahl geschlossen werden kann, erfüllen das Kriterium der Ausdrücklichkeit nicht. Die Erklärungen beider Parteien müssen eindeutig den Willen zum Ausdruck bringen, dass das Recht des Gerichts Anwendung finden soll. Der Wille darf sich nicht erst durch Auslegung der Erklärungen ergeben. Mit den strengen Anforderungen soll erreicht werden, dass beide Parteien einen tatsächlichen Rechtswahlwillen haben und ihnen deshalb die Bedeutung der Rechtswahl bewusst sein müsste. V.

Bestimmtheitsgrundsatz 7

Die Rechtswahl muss sich unzweifelhaft auf ein bestimmtes Recht beziehen. Ist der Prozess bereits eingeleitet, steht also das Forum bereits fest, dann wird die Bestimmtheit dadurch hergestellt, dass die Parteien das maßgebliche Recht direkt bezeichnen, das mit der lex fori übereinstimmt. Es reicht jedoch auch aus, dass die Parteien das Recht des Gerichts vereinbaren, da sie damit das maßgebliche Recht bestimmt haben.

Ist der Prozess (Abs 2) noch nicht eingeleitet, so liegt nur dann eine gültige Rechts- 8 wahl vor, wenn die Parteien das anwendbare Recht konkret bestimmt haben, also zB das Recht des Staates A oder wenigstens das Gericht bestimmt haben, vor dem der Prozess geführt werden und dessen Recht Anwendung finden soll.2 Nicht ausreichend ist es, wenn die Parteien „das Recht des Gerichts“ allgemein wählen. Solange das Gericht nicht feststeht, wird mit der Wahl der lex fori der Bestimmtheitsgrundsatz nicht erfüllt. 3 Auch reicht es nicht allein aus, dass die Parteien das Recht des Staates A wählen, vielmehr muss es zudem ihrem gemeinsamen Willen entsprechen, dass im Staat A der Unterhaltsprozess geführt wird. Das Recht des Staates A muss als Recht des Forums gewählt werden. Dies muss nicht ausdrücklich erklärt werden, es reicht, wenn dieser Zusammenhang sich aus der Auslegung der Rechtswahlvereinbarung unter Berücksichtigung der Umstände des Falls ergibt. Daraus folgt, dass der Hauptanwen2 3

Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 67. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 67.

Marianne Andrae

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Art 7 HUntStProt 9-12

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

dungsfall des Abs 2 die Konstellation betrifft, bei der die Parteien eine Gerichtsstandsvereinbarung mit einer Rechtswahl des Forums verbinden. 9 Gerichtsstands- und Rechtswahlklauseln sind unterschiedliche Vereinbarungen, die Wirksamkeit der einen hängt nicht von der Wirksamkeit der anderen ab. Deshalb muss die Gerichtsstandsvereinbarung nicht wirksam sein, nur muss der übereinstimmende Wille bestehen, die Streitigkeit vor ein Gericht dieses Staates zu bringen. VI. Wahl des Rechts für die Zwecke eines einzelnen Verfahrens

10 Nach dem Wortlaut hat die Rechtswahl allein für den Zweck eines einzelnen Verfahrens in einem bestimmten Staat zu erfolgen. Dies führt zu der Auslegung, dass die temporäre Wirksamkeit der Rechtswahl von den Parteien gewollt sein muss, also sich ihr Rechtswahlwille darauf beziehen muss. Folge wäre, dass Art 7 nur eingeschränkt zur Anwendung kommen würde, denn im Allgemeinen wird die zeitliche Beschränkung nicht in die Betrachtung einbezogen sein. Insoweit bedarf es einer eingeschränkten Auslegung. Der vorbereitende erläuternde Bericht von Bonomi geht auf die Willenskomponente nicht ein, vielmehr wird diese Frage unter dem Aspekt der Wirkungen der Rechtswahl behandelt. Diese beschränkt sich auf den betreffenden Prozess, was damit gerechtfertigt wird, dass das gewählte Recht das des Forums sei. Zunächst kommt es auf den von den Parteien diesbezüglich ausdrücklich oder konkludent erklärten Willen an. Soll die Rechtswahl die Unterhaltsverpflichtungen, unabhängig von dem konkreten Verfahren erfassen, liegt keine Rechtswahl iSv Art 7, sondern von Art 8 vor. Kann der diesbezügliche Wille der Parteien nicht ermittelt werden, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Parteien ihrer Rechtswahl nur die nach Art 7 zulässige Wirkung verleihen wollen, wenn die Rechtswahl nur die Anforderungen des Art 7 und nicht des Art 8 erfüllt, um ihre Wirksamkeit zu erreichen. VII. Rechtswahl im Prozess (Abs 1)

11 Abs 1 betrifft die Wahl der lex fori im Prozess. Aus Abs 2 folgt, dass sie frühestens ab Einleitung des Verfahrens getroffen werden kann, dabei kommt es auf den Zeitpunkt des Zustandekommens der Rechtswahl an. Mangels einheitlicher Bestimmung für die Vertragsstaaten ist der Zeitpunkt nach der lex fori zu bestimmen, für die Mitgliedstaaten der EG ist hierfür auf Art 9 EG-UntVO abzustellen. Aus dem jeweiligen Prozessrecht ergibt sich, bis zu welchem Zeitpunkt die Rechtswahl getroffen werden muss, damit sie noch auf die Entscheidung Einfluss nehmen kann. 12 Die Rechtswahl unterliegt keinen Formerfordernissen. Ihre diesbezügliche ausdrückliche Erklärung kann jede Partei mündlich oder schriftlich abgeben. Schriftliche Erklärungen können die Parteien in unterschiedlichen Urkunden vornehmen. Sie bedürfen keiner Unterschrift. Auch die Nutzung von Datenträgern ist möglich, ohne dass diese der Aufzeichnung zugänglich sein müssen.

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Art 7 HUntStProt 13-15

VIII. Ein Prozess ist noch nicht eingeleitet (Abs 2)

Für die Rechtswahl besteht Schriftformzwang, wenn die Rechtswahlvereinbarung vor 13 Einleitung des Verfahrens getroffen wird. Die Schriftform kann ersetzt werden durch die Erfassung auf einem Datenträger, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist. Die Vereinbarung ist von beiden Parteien zu unterschreiben. Das gilt auch, wenn statt der Papierform ein anderer Datenträger verwandt wird. Daraus lässt sich nicht nur das Erfordernis der Unterschrift ableiten, sondern auch, dass sie auf einer einheitlichen Urkunde enthalten sein muss, die die ausdrückliche Rechtswahl vorsieht. Dafür kann auch Art 3 lit d HUntVerfÜbk 2007 angeführt werden, wonach „schriftliche Vereinbarung“ eine Vereinbarung beinhaltet, „die auf einen Träger erfasst ist (. . .)“. Die Formerfordernisse stimmen überein mit denen für eine Rechtswahl nach Art 8. Sinn und Zweck der Formvorschrift besteht darin, einerseits leichter das Bestehen der Rechtswahl beweisen zu können. Andererseits soll die Aufmerksamkeit der Parteien auf die Bedeutung der Rechtswahl für die Existenz und den Umfang der Unterhaltsverpflichtung gelenkt werden. Im vorbereiteten Bericht von Bonomi zum HUntStProt 2007 wird davon ausgegangen, dass das Schriftformerfordernis eine Mindestformvorschrift ist und die Vertragsstaaten zusätzliche Anforderungen festlegen können, zB die Verpflichtung, eine Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen, bevor die Rechtswahlvereinbarung getroffen wird. 4 Gegen die Ausweitung der Anforderungen an die Rechtswahl durch nationale Bestimmungen spricht der Wortlaut der Regelung und das Ziel, die Voraussetzungen für eine Rechtswahl möglichst einheitlich zu bestimmen. Es gibt kein Limit für die Zeitspanne zwischen der Rechtswahl und der Einleitung des 14 Prozesses. Der Rechtswahl ist auch dann Wirkung beizumessen, wenn eine relativ lange Zeitspanne zwischen diesen beiden Momenten liegt.5 Die Rechtswahl verliert ihre Wirkungen nicht durch Zeitablauf, sondern, wenn der Prozess nicht oder nicht in diesem Staat eingeleitet wird. Die Aufnahme einer Zeitspanne wurde nach Diskussion dieser Problematik in der Spezialkommission abgelehnt.6 IX. Wirkung der Rechtswahl

Haben die Parteien das Recht eines bestimmten Staates als Recht des Gerichts gewählt 15 und wird der Unterhaltsprozess in diesem Staat durchgeführt, so findet das Recht dieses Staates Anwendung. Eine Missbrauchskontrolle findet nicht statt. Art 14 bleibt vorbehalten. Wird im Fall des Abs 2 letztlich kein Prozess oder ein Prozess in einem anderen Staat eingeleitet, so entfaltet die Rechtswahl keine Wirkung.7 Durch die Rechtswahl nach Art 7 wird das anwendbare Recht nur für den konkreten Prozess bestimmt. Für ein nachfolgendes Verfahren in der Unterhaltssache, zB in dem 4 5 6 7

Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 66. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 68. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 68. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 67.

Marianne Andrae

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Art 8 HUntStProt

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

die Änderung der Unterhaltsentscheidung angestrebt wird, entfaltet sie keine Wirkungen, selbst, wenn dieses in demselben Staat anhängig gemacht wird. Die Rechtswahl kann nach Art 7 wiederholt werden, ansonsten ist das maßgebliche Recht gemäß objektiver Anknüpfung zu bestimmen. 8

Art 8

Wahl des anzuwendenden Rechts (1) Ungeachtet der Artikel 3 bis 6 können die berechtigte und die verpflichtete Person jederzeit eine der folgenden Rechtsordnungen als das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmen: a) das Recht eines Staates, dem eine der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl angehört; b) das Recht des Staates, in dem eine der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; c) das Recht, das die Parteien als das auf ihren Güterstand anzuwendende Recht bestimmt haben, oder das tatsächlich darauf angewandte Recht; d) das Recht, das die Parteien als das auf ihre Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung der Ehe anzuwendende Recht bestimmt haben, oder das tatsächlich auf diese Ehescheidung oder Trennung angewandte Recht. (2) Eine solche Vereinbarung ist schriftlich zu erstellen oder auf einem Datenträger zu erfassen, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist, und von beiden Parteien zu unterschreiben. (3) Absatz 1 findet keine Anwendung auf Unterhaltspflichten betreffend eine Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder einen Erwachsenen, der aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen. (4) Ungeachtet des von den Parteien nach Absatz 1 bestimmten Rechts ist das Recht des Staates, in dem die berechtigte Person im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, dafür maßgebend, ob die berechtigte Person auf ihren Unterhaltsanspruch verzichten kann. (5) Das von den Parteien bestimmte Recht ist nicht anzuwenden, wenn seine Anwendung für eine der Parteien offensichtlich unbillige oder unangemessene Folgen hätte, es sei denn, dass die Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl umfassend unterrichtet und sich der Folgen ihrer Wahl vollständig bewusst waren. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Vorrang, Zeitpunkt, Aufhebung und

Änderung der Rechtswahl. . . . . . . . . . . . . .

IV. Rechtswahlmöglichkeiten (Abs 1). . . . .

7

V. Form der Rechtswahl (Abs 2) . . . . . . . . .

16

3 VI. Ausgeschlossene Unterhalts-

verpflichtungen (Abs 3). . . . . . . . . . . . . . . .

III. Einigung, ausdrückliche und

konkludente Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . .

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17

5

Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 64.

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Art 8 HUntStProt 1-3

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht V. Sonderregelung für den Unterhaltsverzicht (Abs 4) . . . . . . . . . . . .

I.

VI. Materiell-rechtlicher Vorbehalt (Abs 5)

20

1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschlusstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24 25 26 27

Einführung

Art 8 ermöglicht eine Rechtswahl ohne Zusammenhang zur Durchführung eines kon- 1 kreten Prozesses. Die Rechtswahlmöglichkeit ist auf verschiedene Weise eingeschränkt. Diese Begrenzungen dienen in erster Linie dem Schutz der schwächeren Partei im Unterhaltsverhältnis. Sie sollen zugleich auch sichern, dass eine gewisse reale Verbindung zwischen dem gewählten Recht und der Unterhaltsbeziehung zur Zeit der Rechtswahl besteht. Die Rechtswahl ist personell begrenzt, als sie zum Schutz bestimmter Personen ausgeschlossen ist. Die Rechtswahl steht für alle vom HUntStProt 2007 erfassten Unterhaltspflichten mit 2 Ausnahme der in Abs 3 genannten zur Verfügung. Praktische Bedeutung wird sie wohl hauptsächlich für Ehegatten, Partner eingetragener Lebensgemeinschaften und nichtehelicher Lebensgemeinschaften haben. Sie ermöglicht es ihnen, das auf ihre Vermögensbeziehungen, einschließlich das auf den Unterhalt, anwendbare Recht einheitlich verbindlich festzulegen und auf dieser Grundlage materiell-rechtliche Vereinbarungen zu treffen, die auch für den Streitfall Bestand haben, wenn sie in Übereinstimmung mit diesem Recht getroffen worden sind. Da häufig beide Partner erwerbstätig sind und auch Männer zunehmend die Kinderbetreuung übernehmen, ist die Person des Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten in diesen Beziehungen nicht von vornherein für die objektive Anknüpfung nach Art 3 bestimmt. Außerdem ist diese wandelbar, sodass keine Voraussicht hinsichtlich des anwendbaren Rechts besteht. Unwägbarkeiten ergeben sich für Ehegatten aus der Ausweichklausel des Art 5 und für Partner sonstiger Beziehungen aus Art 6. Rechtssicherheit und Voraussicht für Vereinbarungen über den künftigen Unterhalt werden letztlich nur über die Rechtswahl geschaffen. Hierzu darf sie jedoch für keine Partei zu einem unbilligen oder unangemessenen Ergebnis führen, anderenfalls bleibt die Rechtswahl nach Abs 5 ohne Wirkungen. II.

Vorrang, Zeitpunkt, Aufhebung und Änderung der Rechtswahl

Das vom Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten gewählte Recht hat Vorrang vor 3 den gesetzlichen Anknüpfungen, die in Artt 3-6 bestimmt sind (Abs 1 HS 1). Der Vorrang wird relativiert durch den Vorbehalt nach Abs 5. Die Rechtswahl kann jederzeit getroffen werden, also zB auch bevor das unterhaltsverpflichtende Familienrechtsverhältnis begründet wurde oder jederzeit während seines Bestehens. Die Rechtswahl regelt die Unterhaltspflichten zwischen den Parteien ab dem Zeitpunkt ihrer WirkMarianne Andrae

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Art 8 HUntStProt 4- 6

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

samkeit, die Unterhaltspflichten davor bestimmen sich nach dem gemäß objektiver Anknüpfung anwendbaren Recht.1 4 Auch die Aufhebung oder eine Änderung der Rechtswahl ist möglich, sie unterliegt denselben Anforderungen wie die erstmalige Rechtswahl. Die Parteien können selber bestimmen, ob die Aufhebung oder Änderung ex tunc oder ex nunc wirkt, mangels ausdrücklicher Bestimmung ist der diesbezügliche Parteiwille zu ermitteln. Ist dieser nicht feststellbar, kommt eine analoge Anwendung von Art 3 Abs 2 in Frage. Das ursprünglich gewählte Recht bleibt für die Unterhaltspflichten bis zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderung oder Aufhebung maßgebend. Wird eine getroffene Rechtswahl aufgehoben, ohne eine neue Wahl vorzunehmen, findet das gemäß objektiver Anknüpfung maßgebliche Recht Anwendung. Eine Rechtswahl nach Art 8 kann auch durch eine Rechtswahl nach Art 7 abgelöst werden. Die Rechtswahl bezieht sich dann nur auf ein bestimmtes Verfahren. III. Einigung, ausdrückliche und konkludente Rechtswahl

5 Für die Rechtswahl bedarf es der Einigung vom Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten hierüber. Nach welchem Recht sich das Zustandekommen der Einigung und ihre Wirksamkeit regeln, ist in Art 8 nicht bestimmt. Vorzuziehen ist, das Recht des Staates darüber entscheiden zu lassen, dessen Recht gewählt werden sollte. 2 6 Anders als Art 7 verlangt Art 8 nicht, dass die Rechtswahl ausdrücklich erklärt werden muss. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass sie sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen kann. Sie erfordert jedoch, wie die ausdrückliche Rechtswahl, einen beiderseitigen Rechtswahlwillen und die Einhaltung der Form nach Abs 2. Eine Unterhaltsvereinbarung enthält nur dann eine konkludente Rechtswahl, wenn sie eindeutig auf der Basis eines bestimmten Rechts getroffen worden ist. Dies kann zB zutreffen, wenn die Parteien zu einem Rechtsinstitut eine Regelung getroffen oder auf Normen einer Rechtsordnung Bezug genommen haben, mit der sie beide eng verbunden sind. Schwieriges Abgrenzungskriterium ist, ob beide Vertragsparteien tatsächlich den Rechtswahlwillen hatten oder zumindest erkennen mussten, dass die Willenserklärungen vom Empfänger so verstanden werden und auch so aufgefasst werden können3 oder ob sie ohne Rechtswahlwillen nur von der Geltung eines Rechts ausgegangen sind. Die Anforderungen an eine konkludente Rechtswahl sind zum Schutz des Unterhaltsberechtigten eher streng zu sehen. Zum Erfordernis der Geschäftsfähigkeit und der rechtsgeschäftlichen Vertretung bei der Rechtswahl siehe Art 7 Rn 3.

1 2

3

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Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 69. Allgemein zu dieser Lösung für die Rechtswahl in familienrechtlichen Beziehungen ua Staudinger / Mankowski (2003) Art 14 EGBGB Rn 138; MünchKommBGB /Siehr Art 14 EGBGB Rn 59; MünchKommBGB /Spellenberg Vor Art 11 EGBGB Rn 6; Dörner DNotZ 1988, 67, 68. So für die Rechtswahl nach Artt 14, 15 EGBGB BayObLG NJW-RR 1994, 771, 772.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

IV.

Art 8 HUntStProt 7-10

Rechtswahlmöglichkeiten (Abs 1)

Abs 1 begrenzt die Rechtswahlmöglichkeit auf Rechtsordnungen, mit denen beide 7 oder einer der Parteien enger verbunden sind. Damit soll gesichert werden, dass nur das Recht eines Staates Anwendung findet, das eine gewisse Nähebeziehung zu den Parteien oder der Unterhaltssache hat. Gemeinsam ist allen Kriterien, dass sie das Erfordernis der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit zum Zeitpunkt der Rechtswahl aufweisen. Damit wird gesichert, dass die Parteien die materiell-rechtlichen Folgen der Rechtswahl bereits im Zeitpunkt der Einigung ermessen können.4 Lit a und b betreffen Rechtswahlmöglichkeiten für die Parteien in Bezug auf alle vom 8 Art 1 Abs 1 erfassten Unterhaltsbeziehungen, soweit sie nicht durch Abs 3 ausgeschlossen sind. Gewählt werden kann das Recht des Staates, dem beide oder einer der Parteien zum Zeitpunkt der Rechtswahl angehören. Ein späterer Wechsel der Staatsangehörigkeit berührt die Rechtswahl nicht. Wollen die Parteien ihre Unterhaltsbeziehungen dem neuen Heimatrecht unterstellen, so können sie die Möglichkeit der Rechtswahländerung nutzen.5 Bei mehrfacher Staatsangehörigkeit kommt für die Rechtswahl jede in Betracht. Ein Vorrang der Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaates verbietet sich schon deshalb, weil ein Entscheidungseinklang anzustreben ist und der Gerichtsstaat zum Zeitpunkt der Rechtswahl nicht feststeht. Auch ist von den Parteien nicht zu verlangen, dass sie die Auswahl zwischen mehreren Staatsangehörigkeiten nach dem Prinzip der engsten Verbindung treffen. Dies würde Rechtsunsicherheit schaffen. Haben die Parteien ein gemeinsames Heimatrecht oder das Heimatrecht einer von ihnen gewählt und gibt es in dem betreffenden Staat für die vom Unterhaltsstatut erfassten Rechtsfragen unterschiedliches Recht in verschiedenen Gebietseinheiten, so bestimmt sich die maßgebliche Gebietseinheit nach Art 16, soweit sie die maßgebliche Teilrechtsordnung nicht selbst bestimmt haben. Es ist nicht vorgesehen, dass das Kriterium der Staatsangehörigkeit durch einen Vertragsstaat durch das Kriterium des domicile ersetzt werden kann. Art 9, der diese Option für Vertragsstaaten vorsieht, die für Familienbeziehungen das domicile gegenüber der Staatsangehörigkeit bevorzugen, nennt den Art 8 nicht. Weiterhin gewählt werden kann das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Unter- 9 haltsberechtigten oder des Unterhaltsverpflichteten zum Zeitpunkt der Rechtswahl.6 Wollen die Parteien einem Aufenthaltswechsel nach der Rechtswahl Rechnung tragen, so steht es ihnen frei, eine Änderung der Rechtswahl vorzunehmen. Die Rechtswahlmöglichkeiten gemäß lit c und d betreffen nicht den Unterhalt zwi- 10 schen Verwandten und Verschwägerten. Erfasst sind die Unterhaltspflichten zwi4 5 6

Bonomi YB PIL 2008, 333, 353. Hierzu Rn 4. Zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts siehe Art 3 EG-UntVO Rn 23 ff.

Marianne Andrae

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Art 8 HUntStProt 11, 12

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

schen Eheleuten, einschließlich des nachehelichen Unterhalts und des Unterhalts bei aufhebbaren oder absolut nichtigen Ehen.7 Der Begriff der Ehe ist in Übereinstimmung mit Art 5 auszulegen. 8 Lit c nennt die erfassten Unterhaltsbeziehungen nicht ausdrücklich. Deshalb kann diese Rechtswahlmöglichkeit anderen Lebensgemeinschaften offen stehen, so auch der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, soweit sie vom Begriff „Beziehungen der Familie“ iSd Art 1 eingeschlossen wird. Erforderlich ist jedoch, dass es für diese Lebensgemeinschaft ein vom allgemeinen Zivilrecht abgehobenes familienrechtlichen Charakter tragendes Vermögensregime (property regime) gibt, an dessen kollisionsrechtliches Statut der Unterhalt angebunden werden kann. Die Rechtswahlmöglichkeit besteht deshalb grundsätzlich auch unabhängig von der Zuordnung zu Art 5 zB für die eingetragene Lebenspartnerschaft nach deutschem Recht und die pacte civil de solidarité (PACS) des französischen Rechts, nicht jedoch für die uniáo de facto des portugiesischen Rechts. 9 11 Die Parteien können ihre Unterhaltsbeziehungen dem Recht unterstellen, das sie für ihre Güterrechtsbeziehungen (property regime) gewählt haben. Eine solche Rechtswahl hat akzessorischen Charakter. Ziel ist es, den Parteien zu ermöglichen, ihre Vermögensbeziehungen, einschließlich des Unterhalts, demselben Recht zu unterstellen. Damit wird dem inneren Zusammenhang der Regelungsmaterien sowie dem Umstand Rechnung getragen, dass in manchen Rechtsordnungen die einschlägigen Rechtsinstitute in Bezug auf die Auflösung der Verbindung doppelfunktional sind, also sowohl die Verteilung der Güter als auch die Sicherung der Lebensbedürfnisse zum Ziel haben.10 12 Die Möglichkeit der Anbindung des Unterhaltsstatuts an das Güterrechtsstatut durch Rechtswahl besteht in zwei Fällen: a) Die Rechtswahl ist für das Güterrechtsstatut zulässig. Ob dies zutrifft, bestimmt sich nach dem Kollisionsrecht der lex fori. Moderne IPR-Gesetze11 und auch das Haager Übereinkommen über das auf Ehegüterstände anwendbare Recht vom 14.3.197812 lassen die Rechtswahl für die güterrechtlichen Beziehungen von Eheleuten zu. Wegen des Sinngehalts kommt die akzessorische Bindung an das Güterrechtsstatut, soweit es als Belegenheitsrecht für unbewegliches Vermögen gewählt

7 8 9

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11

12

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Hierzu Art 1 EG-UnterthaltsVO Rn 3. Hierzu Art 5 Rn 6. Hierzu Scherpe/Yassari/González Beilfuss Spanien und Portugal S 249 ff; Süß/Ring /Huzel Portugal Rn 87. ZB im engl Recht die richterliche Entscheidung auf Grundlage der Sec 21-26 Matrimonial Causes Act 1973. Ua Deutschland: Art 15 Abs 2 EGBGB; Estland: § 58 IPRG; Italien: Art 30 IPRG; Österreich: § 19 IPRG; Schweiz: Artt 52, 53 IPRG. In engl und franz Sprache abgedruckt in RabelsZ 41 (1977) 554 ff; hierzu vBar RabelsZ 57 (1993) S 63 ff.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 8 HUntStProt 13, 14

wurde, nicht in Betracht.13 Die Rechtswahl für das Güterrechtsstatut muss gemäß dem IPR des angerufenen Gerichts wirksam sein, nur dann erstreckt sie sich kraft Vereinbarung auch auf die Unterhaltsverpflichtungen.14 Da die Zulässigkeit und die Voraussetzungen für die Rechtswahl im Güterrecht unterschiedlich in den einzelnen Rechtsordnungen sind, erreichen die Parteien Rechtssicherheit für den Erfolg ihrer Rechtswahl nur dadurch, dass sie zugleich eine Gerichtsstandsvereinbarung treffen. b) Die Unterhaltssache und Güterrechtssache sind gleichzeitig anhängig oder über die Güterrechtssache ist bereits entschieden worden. In diesem Fall steht das auf die Güterrechtsbeziehungen tatsächlich anwendbare Recht fest. Durch Rechtswahl nach lit c können die Parteien die Anwendung dieses Rechts auf ihre Unterhaltsbeziehungen vereinbaren. Letztlich können die Parteien durch Rechtswahl den Unterhalt dem Recht unterstel- 13 len, das auf die Scheidung oder die rechtliche Trennung anzuwenden ist (lit d). Während dem deutschen Text eine Beschränkung auf Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung der Ehe zu entnehmen ist, heißt es im verbindlichen englischen Text: ,,the law designated by the parties as applicable, or the law in fact applied, to their divorce or legal separation“. Die Bestimmung kann deshalb unmittelbar auch unabhängig von ihrer Zuordnung zu Art 515 auf andere Lebenspartnerschaften angewandt werden. Voraussetzung ist, dass für diese Partnerschaft ein formalisierter Akt, der auch rechtsgeschäftlichen Charakter tragen kann, vorgesehen ist, durch den die rechtliche Trennung erfolgt. Auch für diese akzessorische Anknüpfung durch die Rechtswahl gibt es wiederum zwei 14 Möglichkeiten: a) für die Scheidung oder die rechtliche Trennung ist die Rechtswahl möglich. Gegenwärtig trifft dies – rechtsvergleichend betrachtet – meist nicht zu.16 Der Vorschlag für eine Ergänzung der Brüssel IIa-VO durch Kollisionsnormen für die Scheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, der in Art 20a auch die Rechtswahl ermöglicht, ist bisher nicht in Kraft getreten.17 Insofern ist diese Variante der Wahlmöglichkeit zukunftsorientiert, aber gegenwärtig nicht nutzbar. b) Das auf die Scheidung oder rechtliche Trennung anwendbare Recht steht bereits fest. Dies ist dann der Fall, wenn das diesbezügliche Verfahren zumindest anhängig ist, weil dann das Forum und damit das anwendbare Kollisionsrecht bestimmt sind. Möglich ist diese Rechtswahl auch nach der Entscheidung in der Statussache. Gewählt werden kann dann das Recht, das der Scheidung oder rechtlichen Trennung zugrunde lag.

13 14 15 16 17

Das betrifft im dt Kollisionsrecht Art 15 Abs 2 Nr 3 EGBGB. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 76. Hierzu Art 5 Rn 7. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 74. Europäische Kommission, 17.7.2006, KOM (2006) 399.

Marianne Andrae

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Art 8 HUntStProt 15-18

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

15 Die Rechtswahlmöglichkeit erstreckt sich nicht auf die Fälle der Auflösung oder Nichtigkeitserklärung einer fehlerhaften Ehe bzw Feststellung einer absolut nichtigen Ehe. Dies ist darin begründet, dass hierfür nicht das Scheidungs- oder Trennungsstatut heranzuziehen ist, sondern kollisionsrechtlich das Recht anzuwenden ist, nach dem der Ehemangel existiert.18 V.

Form der Rechtswahl (Abs 2)

16 Die Rechtswahl hat schriftlich zu erfolgen. Die Schriftform kann durch die Erfassung auf einen Datenträger ersetzt werden, soweit der Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist. Beide Parteien haben die Vereinbarung zu unterschreiben. Daraus folgt, dass eine einheitliche Urkunde erforderlich ist, Willenserklärungen mit Unterschrift in unterschiedlichen Urkunden werden dem Erfordernis nicht gerecht.19 Nach dem vorläufigen Bericht von Bonomi zu dem Protokollentwurf handelt es sich nur um eine Mindestformvorschrift. Den Staaten stehe es frei, weitergehende Formerfordernisse vorzusehen, zB Modalitäten festzulegen, die die freie Willensbildung garantieren sowie sichern, dass die Vertragsschließenden ausreichend informiert sind.20 Da Art 8 eine solche Öffnungsklausel ausdrücklich nicht vorsieht, sollte sie aus Gründen der Rechtssicherheit nicht hineininterpretiert werden. Dem Anliegen der Sicherung der freien Willensbildung und ausreichender Information wird außerdem Abs 5 gerecht. VI. Ausgeschlossene Unterhaltsverpflichtungen (Abs 3)

17 Unterhaltsverpflichtungen gegenüber zwei Personengruppen sind zu deren Schutz ausgeschlossen, weil diese Unterhaltsberechtigten aufgrund ihres Alters oder ihrer persönlichen Fähigkeiten im Allgemeinen selbst nicht in der Lage sind, die Tragweite der Rechtswahl zu erfassen. 18 Der Rechtswahl nicht zugänglich sind Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einer Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Es kommt nicht darauf an, aus welcher familienrechtlichen Beziehung sich diese Pflicht ergibt. Erfasst sind hauptsächlich die Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern. Der Rechtswahlausschluss bezieht sich jedoch zB auch auf den sonstigen Verwandtenunterhalt, zB der Geschwister untereinander oder des Vaters eines Kindes gegenüber dessen Mutter, die noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet oder gegenüber einem Ehegatten, der noch nicht dieses Alter erreicht hat. Dem Wortlaut nach betrifft Abs 3 den Ausschluss der Rechtswahl für den Unterhalt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Fraglich ist, ob er auch den Fall regelt, dass die Rechtswahl vor Vollendung des 18. Lebensjahres getroffen wurde und (auch) Unterhaltspflichten gegenüber dem Unterhaltsberechtigten nach diesem Zeitpunkt er18

19 20

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Ua BGH FamRZ 2001, 991; AnwKommBGB /Andrae Art 13 EGBGB Rn 61 ff; Palandt/Thorn Art 13 EGBGB Rn 11. Hierzu auch Art 7 Rn 13. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 75.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 8 HUntStProt 19

fasst. Dies hängt vom Schutzzweck der Regelung ab. Zum einen soll gesichert werden, dass die Anknüpfungsprinzipien des Art 4, die für den Kindesunterhalt vom Günstigkeitsprinzip getragen sind, zur Anwendung kommen. Zum anderen soll eine Person unter 18 Jahren vor einer Rechtswahl geschützt werden, deren Tragweite sie zum Zeitpunkt des Abschlusses aufgrund ihres Alters im Allgemeinen nicht einschätzen kann. Wegen der Bedeutung der Rechtswahl und der möglichen Involvierung des oder der gesetzlichen Vertreter ist die Rechtswahl vor Vollendung des 18. Lebensjahres für die Zeit danach gleichfalls ausgeschlossen. Der Unterschied zwischen den Altersgrenzen des Art 4 und des Art 8 lässt sich nur dahingehend erklären, dass die Rechtswahl ein Rechtsgeschäft ist und der Jugendliche in den meisten Ländern mit Vollendung des 18. Lebensjahres die volle Geschäftsfähigkeit erlangt. Deshalb ist es nicht vertretbar, ihn von der Rechtswahlmöglichkeit auszuschließen. Der Schutz des Jugendlichen nach Vollendung des 18. Lebensjahres vor einer ihn benachteiligenden Rechtswahl erfolgt über die Missbrauchklausel des Abs 5. Von der Rechtswahl sind außerdem ausgenommen Unterhaltspflichten betreffend ei- 19 nen Erwachsenen, der aufgrund einer Beeinträchtigung oder der Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen. Erwachsener meint eine Person, die das 18. Lebensjahr vollendet hat. Die Begriffsumschreibung ist vom Haager Übereinkommen über den Schutz von Erwachsenen vom 13.1. 200021 übernommen, deshalb kann für ihre Auslegung dieses Haager Übereinkommen herangezogen werden.22 Der Unterhaltsberechtigte soll vor einer Rechtswahl geschützt werden, wenn er aufgrund der in seiner Person liegenden Defizite allgemein seine Interessen in Bezug auf seine persönlichen Angelegenheiten nicht wahrnehmen kann. Daraus folgt, dass es auf die Situation beim Zustandekommen der Rechtswahl ankommt. Unerheblich ist, ob es sich zu diesem Zeitpunkt um einen dauerhaften oder vorübergehenden Zustand handelt. Hat der Unterhaltsberechtigte die Rechtswahlvereinbarung getroffen, zB im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Unterhaltsvereinbarung oder eines Ehevertrages und lag in diesem Zeitpunkt die Schutzbedürftigkeit nicht vor, so hat die Rechtswahl auch Bestand für die Unterhaltspflichten ihm gegenüber für den Zeitraum, in dem der von Abs 3 erfasste Zustand eingetreten ist. In einem solchen Fall können jedoch die Voraussetzungen des Abs 5 vorliegen.

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BGBl 2007 II 323; es ist für Deutschland am 21.1.2009 sowie für Frankreich und das Vereinigte Kö-

nigreich (gilt nur für Schottland) in Kraft getreten. Sie ist nicht voll identisch mit der Definition des Art 3 lit f HUntVerfÜbk 2007. Dort heißt es: “vulnerable person means a person who, by reason of an impairment or insufficiency of his or her personal faculties, is not able to support him or herself”; dagegen im Abs 3 “... in respect of a person under the age of 18 years or of an adult who, by reason of an impairment or insufficiency of his or her personal faculties, is not in a position to protect his or her interest”.

Marianne Andrae

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Art 8 HUntStProt 20-24

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

VII. Sonderregelung für den Unterhaltsverzicht (Abs 4)

20 Die Zulässigkeit eines Unterhaltsverzichts bestimmt sich nach dem Unterhaltsstatut. 23 Wegen der Tragweite des Verzichts für den Unterhaltsberechtigten wird diese Frage vom Anwendungsbereich des durch Rechtswahl bestimmten Unterhaltsstatuts ausgenommen. Über die Zulässigkeit des Unterhaltsverzichts in Bezug auf das konkrete Unterhaltsverhältnis entscheidet das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten zum Zeitpunkt der Rechtswahl und nicht zum Zeitpunkt des Verzichts selbst, wenn beide Rechtsgeschäfte zu unterschiedlichen Zeitpunkten vorgenommen werden. Es kommt also nicht darauf an, in welchem Staat der Unterhaltsberechtigte zum Zeitpunkt des Verzichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nur erforderlich ist, dass eine wirksame Rechtswahl für den Zeitraum besteht, auf den der Verzicht bezogen ist. 21 Die Sonderanknüpfung verdrängt nicht nur das gewählte Recht, sondern auch die objektive Anknüpfungen nach den Artt 3-6, Art 7 wird hingegen nicht berührt. Haben die Parteien die lex fori für die Durchführung eines einzelnen Prozesses gewählt und erfolgt in diesem Prozess seitens des Unterhaltsberechtigten ein Unterhaltsverzicht, so bestimmt sich die Zulässigkeit nach der gewählten lex fori. Die spezielle Anknüpfung nach Abs 4 erstreckt sich auf die Frage, ob und wenn ja, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen (zB nur bei Abfindung) der Unterhaltsverzicht zulässig ist. Als lex specialis hat Abs 4 Vorrang vor der Missbrauchklausel des Abs 5. 22 Haben die Parteien, die eine Rechtswahlvereinbarung getroffen haben, wechselseitig auf den Unterhalt verzichtet, so bestimmt sich die Zulässigkeit jedes Verzichts nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des jeweiligen Verzichtenden zum Zeitpunkt der Rechtswahl. Führt dies zu unterschiedlichen Rechtsordnungen mit der Folge, dass der Verzicht auf der einen Seite zulässig und auf der anderen Seite unzulässig ist, so bestimmt das gewählte Recht, ob die dadurch fehlende Gegenseitigkeit ein Grund ist, der zur Unwirksamkeit des an sich zulässigen Verzichts führt. 23 Fragen, die nicht die Zulässigkeit des Verzichts betreffen, sondern seine materielle und formelle Wirksamkeit,24 unterliegen nicht der Sonderanknüpfung nach Abs 4. VIII. Materiell-rechtlicher Vorbehalt (Abs 5)

1.

Hintergrund

24 Die Wirkungen der Rechtswahl unterliegen einer richterlichen materiell-rechtlichen Kontrolle. Der Vorbehalt steht im Zusammenhang mit der Entwicklung im materiellen Unterhaltsrecht, die Wirkungen von Unterhaltsvereinbarungen einzuschränken 23 24

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Hierzu Art 11 Rn 10. Hierzu Art 11 Rn 9 ff.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 8 HUntStProt 25, 26

oder sie für ungültig zu erklären, wenn in ihnen unfaire oder unbillige Regelungen getroffen wurden.25 2.

Voraussetzungen

Das gewählte Recht ist nicht anzuwenden, wenn es für den Unterhaltsberechtigten 25 oder -verpflichteten zu offensichtlich unbilligen oder unangemessenen Rechtsfolgen führt. Um dies festzustellen, bedarf es eines Vergleichs, zu welchem materiellen Ergebnis in der Unterhaltssache das gewählte Recht einerseits und das aufgrund objektiver Anknüpfung maßgebliche Recht andererseits führt. In Bezug auf den Schutz des Unterhaltsberechtigten muss das gewählte im Gegensatz zu dem objektiv maßgeblichen Recht zur Verneinung oder im Vergleich zu einer erheblichen substantiellen Begrenzung einer Unterhaltspflicht führen. Bezogen auf den Schutz des Unterhaltsverpflichteten ist zum Eingreifen des Vorbehalts erforderlich, dass er nach der gewählten Rechtsordnung zum Unterhalt verpflichtet ist, während er nach der Rechtsordnung, die nach objektiver Anknüpfung berufen wäre, keinen Unterhalt oder erheblich weniger Unterhalt zu leisten hätte. Der so ermittelte Unterschied muss offensichtlich unbillig oder unangemessen sein. Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung nach den Umständen des Einzelfalls. Hierbei ist vor allem auch zu berücksichtigen, ob die Parteien oder einer von ihnen noch eine enge Beziehung zur gewählten Rechtsordnung aufweisen oder ob die Rechtsordnung – bezogen auf die Lebensverhältnisse der Parteien – weit entfernt ist. 26 Das kann durch die seit der Rechtswahl eingetretenen Veränderungen der Parteien hinsichtlich ihres Bezuges zur gewählten Rechtsordnung hervorgerufen sein. Von besonderer Bedeutung ist, welche Folgen die Anwendung des gewählten Rechts für die tatsächlichen Lebensumstände der Parteien hat. Nicht entscheidend ist, ob der durch die Rechtswahl begünstigten Partei diese Wirkungen der Rechtswahl bei ihrem Zustandekommen bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Es kommt in erster Linie auf die sich aus der wertenden Betrachtung ergebende Unbilligkeit oder Unangemessenheit an. 3.

Ausschlusstatbestand

Ist der Tatbestand der offensichtlich unbilligen oder unverhältnismäßigen Folgen er- 26 füllt, dann bleibt es bei der Rechtswahl, wenn die betroffene Partei zum Zeitpunkt der Rechtswahl umfassend unterrichtet und sich der Folgen der Rechtswahl vollständig bewusst war. Durch die Worte „umfassend“ und „vollständig“ werden hohe Anforderungen an den Ausschlusstatbestand gestellt, die regelmäßig bei einer nicht rechtskundigen Partei nicht gegeben sein dürften. Sie musste im maßgeblichen Zeitpunkt Kenntnis davon haben, welche Rechtsordnung durch die Rechtswahl ausgeschlossen ist und welche wesentlichen Unterschiede sich für die Unterhaltspflichten bei Anwendung beider Rechtsordnungen ergeben würden. Eine schriftliche Vereinbarung ohne vorhergehende qualifizierte Rechtsberatung wird die Voraussetzungen nicht erfüllen. Ist der Vertrag notariell beurkundet worden, ist danach zu fragen, worüber und 25 26

Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 76. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 76.

Marianne Andrae

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Art 8 HUntStProt, 27 Art 9 HUntStProt, 1, 2

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

wie umfassend der Notar vor Vertragsabschluss über diese Fragen informiert und die Parteien beraten hat. 4.

Rechtsfolge

27 Liegen die Voraussetzungen des ersten Halbsatzes vor und erfolgt kein Ausschluss durch den zweiten Halbsatz, so findet das gewählte Recht keine Anwendung. An seine Stelle tritt das gemäß objektiver Anknüpfung nach Artt 3-6 maßgebliche Recht. Unabhängig von Abs 5 kann der ordre-public Vorbehalt nach Art 13 und außerdem die einheitliche Sachnorm des Art 14 zur Anwendung kommen. Der Unterschied zwischen Abs 5 und der Vorbehaltsklausel des Art 13 besteht darin, dass nach Abs 5 eine Partei vor den unangemessenen Folgen einer Rechtswahl geschützt wird, über die sie nicht informiert war und die sie nicht in ihre Betrachtung einbezogen hat. Das nach Abs 5 nicht anzuwendende gewählte Recht kann auch das der lex fori sein. Bei Art 13 geht es um den Ausschluss des maßgeblichen ausländischen Rechts, weil das Ergebnis seiner Anwendung mit Grundprinzipien der eigenen Rechtsordnung des entscheidenden Gerichts offensichtlich unvereinbar ist.

Art 9

„Domicile“ anstelle von „Staatsangehörigkeit“ Ein Staat, der den Begriff des „domicile“ als Anknüpfungspunkt in Familiensachen kennt, kann das Ständige Büro der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht davon unterrichten, dass für die Zwecke der Fälle, die seinen Behörden vorgelegt werden, in Artikel 4 der Satzteil „dem die berechtigte und die verpflichtete Person gemeinsam angehören“ durch „in dem die berechtigte und die verpflichtete Person gemeinsam ihr ‚domicile‘ haben“ und in Artikel 6 der Satzteil „dem die Parteien gemeinsam angehören“ durch „in dem die Parteien gemeinsam ihr ‚domicile‘ haben“ ersetzt wird, wobei „domicile“ so zu verstehen ist, wie es in dem betreffenden Staat definiert wird.

1 Die Bestimmung trägt dem Umstand Rechnung, dass in vielen Staaten nicht die Staatsangehörigkeit, sondern der Wohnsitz ein Hauptanknüpfungspunkt für Familienbeziehungen bildet. Der Begriff Wohnsitz ist dabei iSv domicile zu verstehen.1 2 Art 9 ermöglicht es, den Anknüpfungspunkt Staatsangehörigkeit durch das domicile auszutauschen. Von diesem Austausch ist das Büro der Haager Konferenz zu unterrichten, die Unterrichtung hat lediglich deklaratorische Bedeutung. Der Austausch steht jedem Vertragsstaat zu. Vertragsstaat in diesem Sinne ist auch ein Mitgliedstaat der EG, der durch das Protokoll gebunden ist. Die Option könnte in der Weise ausgeübt werden, dass die Geltung des domicile statt der Staatsangehörigkeit in der Durchführungsgesetzgebung zur EG-UntVO geregelt wird. Da im deutschen IPR das domicile 1

940

Näheres hierzu Art 2 EG-UntVO Rn 20.

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Art 9 HUntStProt, 3 Art 10 HUntStProt, 1

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Prinzip keine Anwendung findet, ist nicht davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber von der Option Gebrauch macht. Die Option bezieht sich lediglich auf die Anknüpfung an die gemeinsame Staatsange- 3 hörigkeit in Art 4 und Art 6, sie betrifft nicht die Rechtswahlmöglichkeit nach Art 8 Abs 1 lit a. Die Parteien haben nicht die Möglichkeit, das Recht eines Staates zu wählen, in dem eine von ihnen ihr domicile hat. Der Begriff domicile bestimmt sich nach dem Recht des jeweiligen Vertragsstaates, der von der Option Gebrauch gemacht hat. Nutzt also zB Irland die Wahlmöglichkeit, so werden die irischen Gerichte bei der Anwendung von Art 4 Abs 4 und Art 6 den domicile Begriff nach irischem Recht zugrunde legen. 2

Art 10

Öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen Für das Recht einer öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtung, die Erstattung einer der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbrachten Leistung zu verlangen, ist das Recht maßgebend, dem diese Einrichtung untersteht. 1

2. Anknüpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umfang der Verweisung . . . . . . . . . . . . . .

6 7

wahrnehmende Einrichtungen . . . . . . . . .

2

V. Begrenzungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

III. Zu unterscheidende Beziehungen . . . . .

3

VI. Problem: Unterhaltsverzicht . . . . . . . . . .

10

VII. Regress Privater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

12

I. Zielstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begriff öffentliche Aufgaben

IV. Erstattungsstatut

1. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . .

I.

4

Zielstellung

Die Vorschrift entspricht Art 36 Abs 2 HUntVerfÜbk 2007 sowie Art 64 Abs 2 EG- 1 UntVO, mit der Besonderheit, dass die Vertretungsmacht der öAwE nicht geregelt ist. Die Zielsetzung der Bestimmung besteht darin, die öAwE in das mit der EG-UntVO auf europäischer Ebene und mit dem durch das HUntVerfÜbk 2007 auf internationaler Ebene geschaffenen System der grenzüberschreitenden Durchsetzung von Unterhaltsverpflichtungen einzubeziehen. Dies ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil die öAwE in den Staaten in erheblichem Umfang an Unterhaltsberechtigte Ersatzleistungen erbringen müssen. Es besteht ein gegenseitiges Interesse der Teilnehmerstaaten daran, dass die Erstattungsansprüche ihrer öAwE in anderen Staaten anerkannt werden und demselben Mechanismus der grenzüberschreitenden Durchsetzung unterworfen werden wie die eigentlichen Unterhaltsansprüche. 2

Zum Begriff des domicile siehe Art 2 EG-UntVO Rn 22 ff.

Marianne Andrae

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Art 10 HUntStProt 2, 3

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Die Vorschrift gehört methodisch in das HUntStProt 2007. Sie fand auch Aufnahme in das HUntVerfÜbk 2007, da nicht davon auszugehen ist, dass die Vertragsstaaten beider Rechtsquellen identisch sind. Die Geltung dieser Kollisionsnorm sollte, unabhängig von der Teilnahme am HUntStProt 2007, erreicht werden. II.

Begriff öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen

2 Der Begriff öAwE ist ausführlich dargestellt bei Art 64 EG-UntVO Rn 1. Zusammengefasst handelt es sich um eine öffentliche Behörde oder gemeinnützige Einrichtung, die Fürsorgeleistungen im öffentlichen Interesse erbringt. Es kann sich um Geldleistungen, aber auch um Sachleistungen handeln (zB Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung). Maßgebendes Abgrenzungskriterium ist das Bestehen eines öffentlichen Auftrags. Eine private Einrichtung erfüllt die Voraussetzungen nur, wenn sie ohne Gewinnerzielungsabsicht gemeinnützig tätig wird. III. Zu unterscheidende Beziehungen

3

– Beziehungen zwischen der öAwE und dem Unterhaltsberechtigten Die Gewährung von Leistungen seitens der öAwE an den Unterhaltsberechtigten wird vom HUntStProt 2007 nicht geregelt. Es handelt sich um Leistungen, die überwiegend durch das Sozialrecht geregelt sind, in grenzüberschreitenden Fällen erfolgt die Abgrenzung durch das internationale Sozialrecht.1 – Beziehungen zwischen dem Unterhaltsberechtigten und Unterhaltsverpflichteten Diese unterliegen dem Unterhaltsstatut nach Artt 3-8. – Beziehungen zwischen dem Unterhaltsverpflichteten und der öAwE Hier ist zu unterscheiden: Die Befugnis der öAwE, die Erstattung der an den Unterhaltsberechtigten erbrachten Leistung zu fordern, die an Stelle des Unterhalts erbracht wurde, unterliegt dem nach Art 10 bestimmten Recht (iF Erstattungsstatut). Das Ausmaß der Erstattungspflicht des Unterhaltsschuldners wird von dem für die Unterhaltspflicht geltenden Recht, also vom Unterhaltstatut, gemäß Art 11 lit f begrenzt (iF Begrenzungsstatut).

1

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Hierzu Martiny IPRax 2004, 195, 198.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

IV.

Erstattungsstatut

1.

Anwendungsvoraussetzungen

Art 10 HUntStProt 4- 6

Art 10 setzt für seine Anwendung voraus, dass die öAwE eine Leistung erbracht hat, 4 die von ihrer Funktion her den Unterhalt ersetzt. Allgemeine Fürsorgeleistungen werden nicht erfasst. Die Ersatzleistung muss bereits erbracht worden sein und der Unterhaltsschuldner muss es versäumt haben, für den maßgeblichen Zeitraum seiner Unterhaltspflicht nachzukommen. Art 10 findet nur Anwendung, wenn der sachliche Anwendungsbereich des HUntStProt 2007 eröffnet ist. Die Unterhaltsverpflichtung, an deren Stelle die öAwE die Leistung erbracht hat, muss also aus einem Familienverhältnis iSd Art 1 resultieren. Worauf sich die Regressbefugnis der öAwE stützen kann, wird in Art 10 wie in Art 64 5 Abs 2 EG-UntVO und Art 36 Abs 2 HUntVerfÜbk 2007 nicht näher bestimmt. Möglich ist die Übernahme der Auslegung für Art 9 HUntStÜbk 1973. Danach werden sowohl abgeleitete als auch selbständige Ersatzansprüche erfasst,2 um den unterschiedlichen Systemen des Rückgriffs in den Staaten Rechnung zu tragen. Erfasst werden damit Ersatzansprüche, die aus einer Legalzession – so nach deutschem Recht (zB § 94 SGB XII, § 37 BAföG) oder schweizerischem Recht (Art 289 II ZGB) oder aus einer Legalsubrogation, zB nach französischem Recht (Art 1251 Cc) – resultieren. 3 Die Regelung bezieht sich auch auf einen selbständigen Erstattungsanspruch gegen den Unterhaltsverpflichteten, selbst wenn dieser öffentlich-rechtlich ausgestaltet ist. 4 Typisches Beispiel hierfür ist die allgemeine Beihilfe (algmeene bijstand) nach niederländischem Recht, die von der Wohnortgemeinde des Betroffenen gewährt wird. Nach Art 93 ABW werden diese Aufwendungen bis zur Höhe der nach bürgerlichem Recht festgelegten Unterhaltspflicht zurückgefordert.5 Das Recht auf Erstattung bezieht sich nur auf Leistungen, die dem Unterhaltsberechtigten anstelle von Unterhalt erbracht wurden. Nicht erfasst werden die Verwaltungskosten der öAwE selbst. Das heißt nicht, dass sie nicht geltend gemacht werden können, jedoch ist hierfür weder das HUntStProt 2007, die EG-UntVO oder das HUntVerfÜbk 2007 maßgeblich. Diese Erstattungsansprüche liegen außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Rechtsakte.6 2.

Anknüpfung

Das Recht auf Erstattung unterliegt dem Recht, dem die öAwE untersteht. Für staat- 6 liche Behörden führt dies zu dem Sitz der Einrichtung. Besonderheiten gelten für Hil2 3 4 5

6

Ua Martiny 247 Recueil des Cours (1994 III) 135, 243; Martiny IPRax, 2004, 195, 199. Hierzu näher mit Nachweisen Martiny IPRax 2004, 195, 199. Ua Martiny IPRax 2004, 1995, 199; Wandt ZvglRWiss 86 (1987) 272, 295; Brückner S 108. Nach weitergehender Auffassung werden selbst allgemeine Rückgriffsansprüche, zB aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung, erfasst; so Brückner S 116 ff; Staudinger / Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 Rn 307 ff; Eschenbruch/Klinkhammer /Dörner Kap 7 Rn 120. Hierzu auch Art 64 Rn 4.

Marianne Andrae

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Art 10 HUntStProt 7, 8

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

feleistungen diplomatischer oder konsularischer Vertretungen, hier ist auf den Entsendestaat abzustellen. Für internationale Organisationen ergibt sich das maßgebliche Recht aus dem Gründungsvertrag/Statut, mangels Regelung sollte an die Niederlassung geknüpft werden, welche die Ersatzleistung erbringt. Für privatrechtlich organisierte öAwE sollte an deren Hauptverwaltung geknüpft werden,7 es sei denn, die Ersatzleistung wird von einer dauerhaften Niederlassung in einem anderen Staat erbracht. 8 Mit dieser Anknüpfung wird erreicht, dass Ersatzleistungs- und Erstattungsstatut regelmäßig zusammenfallen. Bei interlokaler Rechtsspaltung in Bezug auf Erstattungsleistungen ist Art 16 Abs 1 lit b zu beachten. 9 3.

Umfang der Verweisung

7 Das Erstattungsstatut bestimmt über die Entstehung des Erstattungsanspruchs und seine Höhe.10 Es befindet darüber, ob eine Erstattung überhaupt vorgesehen ist, ob sie kraft cessio legis, Anspruch auf Überleitung oder als selbständiger Erstattungsanspruch zusteht. Es kann sich dabei um den Verweis auf allgemeine Rückgriffsvorschriften oder um Spezialbestimmungen für den Regress handeln. 8 Wenn es einen gesetzlichen Forderungsübergang oder eine Forderungsüberleitung gibt, so setzen diese bereits die Unterhaltsverpflichtung des Inanspruchgenommenen voraus. Diese ist dann nicht nach dem Regressstatut, sondern dem Unterhaltsstatut zu prüfen. Eine solche Prüfung ist auch für den selbständigen Ersatzanspruch vorzunehmen, wenn dieser ihn in seiner Entstehung von der materiell-rechtlichen Unterhaltspflicht abhängig macht. Das Erstattungsstatut bestimmt: über die Schranken für die Inanspruchnahme der nach bürgerlichem (Familien-)Recht unterhaltspflichtigen Personen, zB wenn der Übergang von Ansprüchen gegenüber entfernten Verwandten ausgeschlossen ist,11 über Selbstbehalte des Inanspruchgenommenen, soweit sie für die Erstattung gesondert geregelt sind oder über die Anwendung von sozialrechtlichen Härteklauseln, die das Erstattungsverlangen ausschließen oder einschränken.12 Es ist auch anzuwenden auf eine Anzeigepflicht der öAwE gegenüber dem Unterhaltsschuldner und deren konstitutive bzw schuldnerschutzrechtliche Wirkung.13

7 8

9 10 11 12 13

944

Brückner S 117. Auf die sinnvolle lokale Anknüpfung weist MünchKommBGB /Siehr Art 18 Anh I Rn 190a hin, zieht daraus aber andere Schlüsse. Hierzu Art 16 Rn 3. Brückner S 117. ZB § 94 Abs 1 S 3 SGB XII. ZB § 94 Abs 3 Nr 2 SGB XII; hierzu Brückner S 122, 123. ZB § 95 I KJHG; hierzu Brückner S 122.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

V.

Art 10 HUntStProt 9, 10

Begrenzungsstatut

Der Umfang des nach dem gemäß Art 10 maßgeblichen Recht bestehenden Erstat- 9 tungsanspruchs wird durch das Recht begrenzt, das auf die Unterhaltsverpflichtung anwendbar ist (Art 11 lit f). Die Vorschrift hat besondere Bedeutung, wenn der Erstattungsanspruch nicht auf Legalzession beruht, sondern einen eigenständigen sozialrechtlichen Anspruch darstellt. Das Unterhaltsstatut entscheidet bei mehreren in Frage kommenden Unterhaltsschuldnern, welcher von ihnen von der öAwE vorrangig in Anspruch zu nehmen ist, ob und bis zu welcher Höhe der Unterhaltsanspruch besteht und deshalb als Höchstmaß zu leisten ist.14 Nach dem Unterhaltsstatut bestimmt sich auch, ob ein Nachforderungsverbot besteht und unter welchen Voraussetzungen die öAwE rückständigen Unterhalt verlangen kann. Dabei ist davon auszugehen, dass eine Rechtswahrungsanzeige nach dem gemäß Art 10 maßgeblichen Recht eine Leistungsaufforderung nach dem bürgerlichen Recht gemäß Unterhaltsstatut (zB § 1613 I BGB) ersetzten kann, wenn sie deren Anforderungen erfüllt.15 Das gleiche gilt für die Verjährung.16 Für das Ausmaß der Erstattungspflicht erfolgt also im Prinzip eine Kumulation von Erstattungs- und Unterhaltsstatut.17 Wenn in der Rechtspraxis eine Unterhaltsvorleistung durch die öAwE erfolgt, diese den gesamten Unterhalt eintreibt und dann den Vorschuss übersteigenden Betrag an den Unterhaltsberechtigten auskehrt, so beziehen sich Art 10 HUntStProt 2007, Art 64 EG-UntVO und Art 36 HUntVerfÜbk 2007 nur auf den Betrag, der vorweg erstattet wurde. VI. Problem: Unterhaltsverzicht

Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit eines Unterhaltsverzichts bestimmen sich 10 nach dem Unterhaltsstatut.18 Art 11 lit f führt wörtlich angewandt dazu, dass ein nach dem Unterhaltsstatut/Formstatut materiell und formwirksamer Unterhaltsverzicht zur Sperrung des Erstattungsanspruchs führt. Die Rechtsordnungen treffen im unterschiedlichen Umfang und auf unterschiedliche Weise Vorkehrungen, um die Wirkungen eines Verzichts auf die Erstattungspflicht auszuschließen oder einzuschränken. Teilweise wird dieses Problem unterhaltsrechtlich gelöst. Im deutschen Recht kommt zB unter Umständen eine Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit in Betracht.19 In anderen Ländern folgt die Unwirksamkeit aus dem Sozialrecht, es handelt sich dann insoweit um eine sozialrechtliche Eingriffsnorm. 20

14 15 16

17

18 19

20

Brückner S 124, 135. So im Prinzip Brückner S 126, 127. Ua Erman/Hohloch Art 18 EGBGB Rn 38; AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 68; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 363. Brückner S 118 ff; Martiny Recueil des Cours 247 (1994 III) 135, 246; aA MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 299. Hierzu Art 11 Rn 10 ff. Zur sog Drittlastwirkung des Unterhaltsverzichts BGH FamRZ 1991, 306, 307; OLG Nürnberg FamRZ 2002, 456; Eschenbruch/Klinkhammer /Eschenbruch Kap 1 Rn 1357. Martiny IPRax 2004, 195, 200.

Marianne Andrae

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Art 10 HUntStProt 11-13

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

11 Fallen Erstattungs- und Beschränkungsstatut auseinander, so ist jedenfalls im Ergebnis der Unterhaltsverzicht für den Erstattungsanspruch irrelevant, wenn beide Rechtsordnungen von seiner Unwirksamkeit ausgehen. Dasselbe gilt, wenn nur das Begrenzungs- (=Unterhalts-)Statut)) allein die Unwirksamkeit mit anordnet. Problematisch ist nur der Fall, in dem sich die Nichtigkeit aus den sozialrechtlichen Bestimmungen gemäß dem Erstattungsstatut21 oder dem bürgerlichen Recht dieses Staates ergibt, jedoch das Unterhaltsstatut von der bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit des Unterhaltsverzichts ausgeht. Hat die öAwE die Sache im eigenen Staat anhängig gemacht, so wird das Gericht die sozialrechtlichen Normen (= Eingriffsnormen) als international zwingende Normen der lex fori beachten, unabhängig vom Unterhaltsstatut. In Frage kommt auch die Anwendung des ordre-public (Art 13). Die Entscheidung selbst ist, soweit sie in einem Mitgliedstaat getroffen wurde, in den anderen Mitgliedstaaten nach Artt 16 ff EG-UntVO anzuerkennen und vollstreckbar. Macht die öAwE die Sache in einem solchen Fall in einem anderen Mitgliedstaat anhängig, insbesondere am gewöhnlichen Aufenthalt des Schuldners, so hält das HUntStProt 2007 keine Lösung bereit. Diese hängt letztlich von der rechtspolitischen Entscheidung ab, ob die ausländische Eingriffsnorm in ihrer Wirkung auf den privatrechtlichen Unterhaltsverzicht bzw die Unterhaltsvereinbarung zu berücksichtigen ist. VII. Regress Privater

12 Der Regress Privater wird vom HUntStProt 2007 nicht geregelt, sondern nur bestimmte damit zusammenhängende Fragen. Das HUntStProt 2007 bestimmt das Recht, das darüber entscheidet, wer, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe, bezogen auf einen bestimmten Unterhaltsberechtigten, aus einem in Art 1 genannten Familienverhältnis zum Unterhalt verpflichtet ist. Gibt es ein einheitliches Unterhaltsstatut in Bezug auf die in Betracht kommenden Verpflichteten, so ist diesem zu entnehmen, ob sie gleichrangig oder nach einem Prioritätsprinzip einzustehen haben. Bei unterschiedlichen Statuten ist zu prüfen, ob sie hinsichtlich des Rangverhältnisses zu demselben Ergebnis kommen. Ansonsten sollte das Rangverhältnis dem nach Art 3 maßgeblichen Recht entnommen werden, wenn es Unterhaltsstatut für einen der Verpflichteten ist, weil es der Hauptanknüpfungspunkt in Unterhaltssachen ist. 13 Für den Regress selbst ist zu unterscheiden: Es geht um den Regress seitens des subsidiär Unterhaltsverpflichteten aus einem Familienverhältnis iSd Art 1. Weder das HUntStProt 2007 noch die Rom I oder II-VO sind anwendbar, weil hier einheitlich eine Qualifikation als Schuldverhältnis aus einem Familienverhältnis erfolgen sollte.22 Maßgeblich ist deshalb das autonome Kollisionsrecht. In Deutschland kommt Art 33 Abs 3 S 1 EGBGB zur Anwendung, der auch außerhalb des Schuldvertragsrechts herangezogen wird. Der Erstattungsanspruch des Inanspruchgenommenen gegenüber den anderen Unterhaltsschuldnern richtet sich nach dem für seine Unterhaltspflicht maßgeblichen Recht.23 Die Regelung ist entsprechend auf alle Rechtsgründe des Erstattungsanspruchs 21

22

946

Insoweit geht es um den Einfluss einer öffentlich-rechtlichen Norm, EuGH Rs C-271/00 Steinbergen/ Baten Rn 48 EuGHE 2002 I 10489 = IPRax 2004, 237, 240; hierzu Martiny IPRax 2004, 195 ff. Ausschluss nach Art 1 Abs 2 lit b Rom I-VO und Art 1 Abs 2 lit a Rom II-VO.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 10 HUntStProt, 14, 15 Art 11 HUntStProt

(Legalzession, gesetzlicher Anspruch auf Abtretung oder eigenständiger Anspruch),24 zu erstrecken.25 Der Schuldnerschutz wird bei der Legalzession sowie bei dem gesetzlichen Abtretungsanspruch dadurch erreicht, dass die Unterhaltsforderung nur insoweit übergeht, als sie auch besteht. Bei einem eigenständigen Erstattungsanspruch kann Art 11 lit f entsprechend herangezogen werden.26 Nach diesen Regeln ist auch der Elternregress, unabhängig von der rechtlichen Ausgestaltung, zu lösen, wenn ein Elternteil gegenüber dem Kind die gesamte Unterhaltsleistung erbringt.27 Bei dem Regress zwischen gleichrangigen Unterhaltsschuldnern, die gegenüber dem 14 Unterhaltsschuldner gesamtschuldnerisch einzustehen haben, findet im deutschen IPR Art 33 Abs 3 S 2 EGBGB entsprechend Anwendung. Erstattungsstatut ist wiederum das Unterhaltsstatut. 28 Auch Regressansprüche des Scheinvaters gegen den wahren Vater können nicht unter 15 Art 19 Rom II-VO subsumiert werden, denn die Vorschrift setzt voraus, dass die Forderung des Gläubigers gegen den Schuldner iSd Rom II-VO aus einem außervertraglichen Schuldverhältnis resultiert. Die Forderung des Kindes (Gläubiger) gegen den Vater (Schuldner) trägt jedoch familienrechtlichen Charakter und ist deshalb ebenfalls nach Art 1 Abs 2 lit a Rom II-VO ausgeschlossen. Für die Legalzession oder einen gesetzlichen Anspruch auf Abtretung ist wiederum der Rechtsgedanke des Art 33 Abs 3 S 1 EGBGB fruchtbar zu machen, maßgeblich ist das vermeintliche Unterhaltsstatut, auf dessen Grundlage der Unterhalt geleistet wurde. 29

Art 11

Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts Das auf die Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmt insbesondere, a) ob, in welchem Umfang und von wem der Unterhaltsberechtigte Unterhalt verlangen kann; b) in welchem Umfang die berechtigte Person Unterhalt für die Vergangenheit verlangen kann; c) die Grundlage für die Berechnung des Unterhaltsbetrags und für die Indexierung; d) wer zur Einleitung des Unterhaltsverfahrens berechtigt ist, unter Ausschluss von Fragen der Prozessfähigkeit und der Vertretung im Verfahren; 23 24

25 26

27 28

29

Ua Staudinger/Mankowski (2003) Anh 1 zu Art 18 EGBGB Rn 56; Wandt ZvglRWiss 86 (1987) 272, 278. Zu den Unterschieden in den nationalen Rechtsordnungen Martiny, Unterhaltsrang und -rückgriff I S 210 ff. Brückner S 48; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 57. Brückner S 49 ff; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Rn 192; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 58, 59. Brückner S 74 ff; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 60. Ua Martiny Recueil des Cours 247 (1994 III) 135, 239; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 62. Brückner S 68; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 62.

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Art 11 HUntStProt 1

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

e) die Verjährungsfristen oder die für die Einleitung eines Verfahrens geltenden Fristen; f) den Umfang der Erstattungspflicht der verpflichteten Person, wenn eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung die Erstattung der der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbrachten Leistungen verlangt. I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Bestehen und Umfang des Unterhalts-

anspruchs gegen den Schuldner (lit a) 1. Bestehen des Unterhaltsanspruchs/ Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang und Art des Unterhaltsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Währung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterhaltsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . 5. Unterhaltsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Dauer der Unterhaltsverpflichtung/ Einreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

III. Unterhalt für die Vergangenheit (lit b)

20

IV. Grundlage der Berechnung und

2 6 8 9 10 16

Indexierung (lit c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

V. Berechtigung zur Einleitung des Unterhaltsverfahrens (lit d) . . . . . . . . . . .

23

VI. Verjährung und Klagefristen (lit e) . . . .

24

VII. Regressanspruch öffentlicher

Aufgaben wahrnehmenden Einrichtungen (lit f) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

Vorbemerkung

1 Die Regelung entspricht weitgehend Art 10 HUntStÜbk 1973, insoweit können Rechtsprechung und Literatur zu dieser Bestimmung weiter herangezogen werden. Die Neuregelung ist etwas detaillierter, indem Unterhalt für die Vergangenheit sowie Berechnung und Indexierung aufgenommen sind. Die Bedeutung von Art 11 besteht darin, wichtige Fragen des Unterhalts dem Unterhaltsstatut zuzuweisen und insoweit die Qualifikation normativ zu klären.1 Die Aufzählung ist nicht abschließend, wie das Wort „insbesondere“ deutlich macht. 2 Folglich können auch weitere Fragen unterhaltsrechtlich qualifiziert werden. Alle Fragen, die die Unterhaltsverpflichtung, ihr Bestehen, ihren Umfang und ihr Erlöschen, materielle Einwände und Einreden, die materielle Wirksamkeit, das Zustandekommen und die Inhaltskontrolle von Unterhaltsvereinbarungen, den Unterhaltsverzicht, die Nichterfüllung und nicht gehörige Erfüllung der Verpflichtung betreffen, werden erfasst. Das Unterhaltsstatut erstreckt sich auch auf die Rückforderungsansprüche desjenigen, der ohne Rechtsgrund familienrechtlichen Unterhalt oder der zuviel Unterhalt geleistet hat.3 Fraglich ist jedoch, ob hier das HUntStProt 2007 direkt heranzuziehen ist oder das Unterhaltsstatut über Art 38 Abs 1 EGBGB berufen wird. Art 10 Abs 1 Rom II-VO – der zur selben Lösung führt – ist nicht anzuwenden, weil außervertragliche Schuldverhältnisse, die den Unterhalt betreffen, nach Art 1 Abs 2 lit a Rom II-VO ausgeschlossen sind.

1 2 3

948

Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 315. Verwilghen-Bericht zum HUntAVÜbk1973 Rn 170. Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 347a.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 11 HUntStProt 2- 4

II.

Bestehen und Umfang des Unterhaltsanspruchs gegen den Schuldner (lit a)

1.

Bestehen des Unterhaltsanspruchs/Schuldner

Das als Unterhaltsstatut berufene Recht bestimmt, ob die betreffende Person abstrakt 2 Unterhaltsschuldner ist, wenn die in der materiellen Norm vorausgesetzte Beziehung zwischen dem Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten besteht.4 Gibt es mehrere in Frage kommende Unterhaltsschuldner, entscheidet das Unterhaltsstatut darüber, in welcher Reihenfolge sie einzustehen haben.5 Gilt für jeden ein anderes Recht und wird dort die Priorität unterschiedlich beurteilt, so sollte das Recht, mit dem die Beteiligten am engsten verbunden sind, einheitlich darüber entscheiden.6 Möglich ist es aber auch, auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten zu verweisen, wenn es wenigstens für eine der Unterhaltsbeziehungen das maßgebliche Recht ist, weil dieses Kriterium den Hauptanknüpfungspunkt im HUntStProt 2007 darstellt.7 Das als Unterhaltsstatut berufene Sachrecht erstreckt sich nicht auf die Frage, ob das 3 im materiellen Recht vorausgesetzte familienrechtliche Verhältnis zwischen dem Berechtigten und Verpflichteten besteht. Der Verweisungsumfang erfasst nur die als unterhaltsrechtlich zu qualifizierenden Rechtsfragen, dazu gehört das Bestehen des Statusverhältnisses nicht.8 Ob für die Geltendmachung des Kindesunterhalts die Elternschaft erga omnes feststehen muss oder diese inzident nur für den Unterhaltsprozess geprüft werden kann, entscheidet das Unterhaltsstatut. 9 Da der Unterhalt sowohl von der Bedürftigkeit des Gläubigers als auch von der Leis- 4 tungsfähigkeit des Schuldners abhängt, die jeweils andere Partei hierüber jedoch oft keine verlässlichen Informationen hat, muss auch der diesbezügliche materiell-rechtliche Auskunftsanspruch dem Unterhaltsstatut unterliegen.10 Anpassungsprobleme entstehen dann, wenn das ausländische Recht einen solchen nicht vorsieht, weil dort entweder der Amtsermittlungsgrundsatz gilt oder der Auskunftsanspruch rein prozessual ausgestaltet ist. Das inländische Verfahren funktioniert auch bei Streitfällen, die ausländischem Recht unterliegen, nur nach inländischem Prozessrecht (lex fori Prinzip), sodass solche Lösungen des ausländischen Rechts für die erforderliche Sachaufklärung außen vor bleiben. Es liegt ein typischer Fall des Normenmangels vor, der 4 5 6

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Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 317. OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 919, 920; Martiny FS Jayme (2004) 575. Andrae IFR § 8 Rn 71; Garbe/Ulrich/Andrae § 11 Rn 301; aA Auswahl nach sachrechtlichen Bewertungskriterien OLG Stuttgart OLGR 2001, 380, 381 (mehrere Gläubiger); umfassend Staudinger/Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 369 f; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 223. Hierzu auch Art 10 Rn 12. Vgl hierzu die Kommentierung zu Art 1 Rn 15, Art 4 Rn 23 und Art 5 Rn 19 ff. MünchKomm/Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 271; Sturm IPRax 1987, 1, 3; Garbe/Ulrich/Andrae § 11 Rn 301. Diesbzgl zu den Unterschieden im dt und franz Recht Einl EG-UntVO Rn 22. BGH FamRZ 1994, 558; OLG Köln FamRZ 2003, 544; Palandt /Thorn Art 18 EGBGB Rn 17; AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 63; Henrich IFR § 5 IV S 192; Garbe/Ulrich /Andrae § 11 Rn 301.

Marianne Andrae

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Art 11 HUntStProt 5, 6

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daraus resultiert, dass das inländische und das ausländische Recht das Sachproblem „erforderliche Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse“ in anderen Teilen des Rechts regeln. Zur Lösung dieses Angleichungsproblems wird für den deutschen Unterhaltsprozess vorgeschlagen, den ausländischen prozessrechtlichen Vorschriften einen materiellen Gehalt zuzusprechen, um so zu einem Auskunftsanspruch nach dem Unterhaltsstatut zu kommen.11 Nach anderer, vorzuziehender Ansicht sollte die Anpassung eher in der Weise erfolgen, dass im Prozess vor deutschen Gerichten ein Auskunftsanspruch nach inländischem Recht (§§ 1580, 1605 BGB) angenommen wird.12 Das Problem hat mit § 235 FamFG (vormals § 643 ZPO) an Bedeutung verloren. Auch das deutsche Recht kennt für den Unterhaltsprozess eine verfahrensrechtliche Auskunftspflicht und das Gericht kann nach § 236 FamG bei nicht gehöriger Erfüllung der Anordnung selber Auskunft (im Inland) von Dritten (Arbeitgebern, Sozialträgern, Versicherungen und Finanzbehörden) einholen. Diese Vorschriften sind prozessrechtlich zu qualifizieren und sind auch dann anzuwenden, wenn Unterhaltsstatut ausländisches Recht ist.13 Die besonderen Voraussetzungen des § 235 Abs 2 FamFG (Nichterfüllung der Auskunftspflicht nach bürgerlichem Recht) sind bei ausländischem Unterhaltsstatut, das keinen materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch kennt, zu modifizieren. Sie sind dann als erfüllt anzusehen, wenn der Schuldner einem Auskunftsverlangen des Unterhaltsgläubigers, zu dessen Erfüllung er nach dem ausländischen Unterhaltsstatut nicht verpflichtet ist, nicht oder nicht in ausreichendem Umfang nachkommt. 5 Das Unterhaltsstatut regelt umfassend die Voraussetzungen der Unterhaltspflicht, von ihrem Beginn bis zum Ende, Einwände oder Einreden des Unterhaltsschuldners sowie die Rechtsfolgen einer nicht gehörigen Unterhaltsleistung. Auch soweit der Unterhalt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zugesprochen werden soll, bestimmt er sich nach dem Unterhaltsstatut.14 2.

Umfang und Art des Unterhaltsanspruchs

6 Nach dem Unterhaltsstatut richten sich die Anforderungen an die Bedürftigkeit des Berechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, die Bemessungsgrundlagen, Freibeträge und Obliegenheiten, wie die eigene Erwerbsobliegenheit des Bedürftigen oder die erweiterte des Verpflichteten.15 Hierzu zählen auch gesetzliche Regelungen oder richterlich herausgebildete Grundsätze, die den Unterhaltsbetrag pauschalisieren, wie zB die Regelbetrags-VO. Soweit diese auf reine Inlandsfälle ausgerichtet sind, müssen sie für grenzüberschreitende Unterhaltsleistungen gegebenenfalls modi11 12 13

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Vgl nur AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 63. OLG Karlsruhe FamRZ 1995, 738, 739; Andrae IFR § 8 Rn 72. Garbe/Ulrich /Andrae § 11 Rn 301; zur gleichen Qualifikation der Vorgängerregelungen §§ 643, 648 ZPO AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 63 aE; MüchKommZPO /Coester-Waltjen § 643 ZPO Rn 2. Erman/Hohloch Art 18 EGBGB Rn 27; Garbe/Ulrich /Andrae § 11 Rn 301. OLG Nürnberg FamRZ 2008, 438 f; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 318 ff.

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Art 11 HUntStProt 7, 8

fiziert werden, um auf die unterschiedlichen Lebens- und Einkommensverhältnisse Rücksicht zu nehmen. Vorrangig erfolgt dies nach dem berufenen Recht, im Übrigen ist Rechtsgrundlage hierfür Art 14. Auch der Selbstbehalt des Verpflichteten unterliegt dem Unterhaltsstatut. Die Lebens- und Einkommensverhältnisse an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort sind als Datum bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit nach dem auf die Unterhaltspflicht anwendbaren Recht,16 gegebenenfalls nach Art 14, zu berücksichtigen. Auch über die Art der Unterhaltsleistung entscheidet das Unterhaltsstatut. Neben 7 den Fragen, ob die Leistungen in Geld oder in natura zu erbringen sind, sind es auch solche, ob eine Unterhaltsrente geschuldet ist oder eine einmalige Zahlung.17 Gleiches gilt für die Frage, ob ein Sonderbedarf besteht und inwieweit dieser zu einem zusätzlichen Leistungsanspruch führt. Beispielhaft herausgestellt sei die Prozesskostenvorschusspflicht zwischen Ehegatten nach § 1360a Abs 4 BGB, die als unterhaltsrechtlich zu qualifizieren ist.18 3.

Währung

Das Unterhaltsstatut bestimmt auch, in welcher Währung zu zahlen ist. Grundsätz- 8 lich ist in der Währung am gewöhnlichen Aufenthalt des Berechtigten zu erfüllen.19 Da nach deutschem Recht Unterhaltsschulden Geldwertschulden sind, welche nicht notwendig in einer bestimmten Währung erbracht werden müssen, hat der Berechtigte bei deutschem Unterhaltsstatut jedoch ein Wahlrecht. Er kann Unterhalt statt in der Währung seines gewöhnlichen Aufenthalts in derjenigen des Aufenthaltsorts des Unterhaltspflichtigen verlangen. 20 Allerdings kann im Rahmen einer Interessenabwägung dieses Wahlrecht dann eingeschränkt sein, wenn der Unterhaltsverpflichtete ein besonderes Interesse hat, in der Währung am Aufenthaltsort des Berechtigten zu zahlen. Dies wird zB dann angenommen, wenn der Unterhaltsverpflichtete im Aufenthaltsstaat des Unterhaltsberechtigten über Vermögen verfügt, dessen Erträge er für den Unterhalt einsetzen will. 21 Dem können jedoch Interessen des Berechtigten, wie zB inflationäre Verhältnisse im Staat seines gewöhnlichen Aufenthaltes, welche einen baldigen Abänderungsantrag indizieren würden, entgegenstehen. 22 16

OLG Karlsruhe FamRZ 1990, 313, 314; Andrae IFR § 8 Rn 79; Garbe/Ulrich /Andrae § 11 Rn 307.

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Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 347; AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 62. OLG Stuttgart 2005, 1682; AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 62; Andrae IFR § 8 Rn 72. BGH FamRZ 1992, 1060, 1063; Staudinger/Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 324; AnwKommBGB/Gruber Art 18 EGBGB Rn 63; Garbe/Ulrich/Andrae § 11 Rn 312. Vgl Staudinger/Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 326; AnwKommBGB/Gruber Art 18 EGBGB Rn 63. BGH NJW 1990, 2197, 2198 = FamRZ 1990, 992; AnwKommBGB/Gruber Art 18 EGBGB Rn 63; Staudinger/Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 324. BGH FamRZ 1992, 1060, 1063; AnwKommBGB/Gruber Art 18 EGBGB Rn 63. Zu den früher oft zu berücksichtigenden devisenrechtlichen Bestimmungen Staudinger/Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 328 f.

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Art 11 HUntStProt 9-12

4.

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Unterhaltsvereinbarung

9 Das Unterhaltsstatut entscheidet über die Zulässigkeit, das Zustandekommen und die materielle Wirksamkeit, einschließlich der Inhaltskontrolle einer Unterhaltsvereinbarung, ihre Änderung und Aufhebung. 23 Die Form der Vereinbarung bestimmt sich, da die Rom I-VO nicht auf Unterhaltsfragen anzuwenden ist,24 gem Art 11 EGBGB alternativ nach dem Unterhaltsstatut und dem Recht des Abschlussortes. Im Falle des Statutenwechsels führt dieser nicht allein dazu, dass die Vereinbarung neu zu bewerten ist. Jedoch bestimmt das neue Unterhaltsstatut darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vereinbarung abänderbar oder aufhebbar ist. 25 5.

Unterhaltsverzicht

10 Vom Unterhaltsstatut werden die Fragen der Zulässigkeit, der materiellen Wirksamkeit und der Rechtswirkungen eines Verzichts bestimmt. Die Formerfordernisse sind im HUntStProt 2007 nicht geregelt, maßgeblich ist das autonome Kollisionsrecht des Gerichtsstaates, in Deutschland findet Art 11 EGBGB Anwendung. Der Unterhaltsverzicht ist formwirksam, wenn er es nach dem Recht ist, dem die Unterhaltsverpflichtung unterliegt oder nach dem Recht des Staates, in dem der Verzicht vereinbart wurde. 11 Haben die Parteien eine Rechtswahl nach Art 8 getroffen, so erstreckt sich diese nicht auf die Zulässigkeit des Unterhaltsverzichts, maßgeblich ist für diese Frage dann das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten zur Zeit der Rechtswahl. Dem Art 8 Abs 4 kann keine allgemeine Kollisionsnorm für den Unterhaltsverzicht entnommen werden. Eine solche Regelung wäre durchaus sinnvoll, da sie Voraussicht und Rechtssicherheit hinsichtlich der Zulässigkeit (und auch der Wirksamkeit) des Verzichts herbeiführen könnte, die Problematik des Statutenwechsels würde sich nicht stellen. Das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts wäre lediglich dem ordre-public Einwand ausgesetzt. Dagegen spricht jedoch, dass Art 8 nur die Rechtswahl und ihre Einschränkungen regelt. Sollte es eine darüber hinausgehende spezielle Verweisung sein, hätte sie an anderer Stelle des Protokolls verankert werden müssen. Außerdem wäre in einer allgemeinen Regelung auf den Zeitpunkt der Verzichtserklärung abzustellen. 12 Ein zulässiger und wirksamer Unterhaltsverzicht ohne Abfindung führt dazu, dass die Unterhaltspflicht entfällt. Damit führt er die Rechtsfolge herbei, die in Art 4 zur Kaskadenanknüpfung zugunsten des Unterhaltsberechtigten führt. Gegen die Anwendung des Günstigkeitsprinzips nach Art 4 könnte sprechen, dass die Versagung des Unterhaltsanspruchs auf ein eigenes Verhalten des Berechtigten zurückzuführen ist und 23

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Garbe/Ulrich /Andrae § 11 Rn 301; zur Einbeziehung der Unterhaltsvereinbarung in den Anwendungsbereich der EG-UntVO siehe Art 1 EG-UntVO Rn 31 und in das HUntStProt 2007 siehe Art 1 Rn 8 f. Art 1 Abs 2 lit b Rom I-VO. Vgl hierzu Art 3 Rn 16.

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Art 11 HUntStProt 13-15

ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Verpflichteten gesetzt worden ist. 26 Für seine Geltung spricht jedoch, dass – im Unterschied zu Artt 4-6 HUntStÜbk 1973 – vom Art 4 nur besonders zu schützende Personengruppen erfasst sind. Statt hier den allgemeinen ordre-public heranzuziehen, sollte die Korrektur über die Kaskadenanknüpfung Vorrang haben.27 Wenn alle nach Art 4 hintereinander berufenen Rechtsordnungen von der Wirksamkeit des Verzichts ausgehen, bleibt kein Raum für den ordrepublic. Wenn jedoch für die Zulässigkeit und die Wirksamkeit des Unterhaltsverzichts in Be- 13 zug auf Art 4 das Günstigkeitsprinzip zur Geltung kommt, dann ist es konsequent, für Art 6 die kumulative Einrede zuzulassen. Ist der Unterhaltsverzicht bereits nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten zulässig und wirksam, dann besteht kein Unterhaltsanspruch. Trifft jedoch das Gegenteil zu, so kann der Unterhaltsverpflichtete einwenden, dass der Verzicht nach dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts wirksam ist, es sei denn, die Parteien haben ein gemeinsames Heimatrecht und nach diesem ist wiederum der Verzicht unwirksam. Das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts in Folge der Verweisung nach Art 6 unterliegt natürlich der ordre-public Kontrolle des Art 13. Dabei ist von seiner Anwendung zurückhaltend Gebrauch zu machen, um nicht dem Sinn und Zweck der kumulativen Einrede zuwiderzulaufen. 28 Da der Unterhaltsverzicht den Unterhalt für die Zukunft betrifft, findet auf ihn – so- 14 weit die durch ihn beseitigte Unterhaltspflicht dem Art 3 unterliegt – auch Art 3 Abs 2 Anwendung (Statutenwechsel). Wie nach dem HUntStÜbk 1973 beurteilt sich die Frage, ob ein unter dem alten Unterhaltsstatut wirksamer Unterhaltsverzicht fortwirkt, nach dem neuen Unterhaltsstatut. 29 Nach diesem bestimmt sich auch, ob Sachverhalte, die sich unter der Herrschaft des alten Statuts vollzogen haben, zB die Leistung einer Abfindung, für die Frage der Wirksamkeit des Verzichts zu beachten sind.30 Kommt es zu einem Zusammentreffen von Leistungsansprüchen, weil der Verzicht nunmehr unwirksam ist, ist eine Ausgleichung nach Art 14 vorzunehmen, wenn das neue Unterhaltsstatut hierfür keine Lösung vorsieht. Zur Anwendung des ordre-public bezogen auf den Unterhaltsverzicht siehe Art 13 Rn 8. Die Hauptfälle des Unterhaltsverzichts betreffen den ehelichen, mehr noch den nach- 15 ehelichen Unterhalt, der vom Grundsatz der wandelbaren Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten gemäß Art 5 unterliegt. Die durch den Unterhaltsverzicht begünstigte Partei hat es in der Hand, sich auf die Ausweich26

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Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 188; Eschenbruch/Klinkhammer /Dörner Kap 7 Rn 76. Anders Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 188. Hierzu Art 13 Rn 4. Ua OLG Hamm FamRZ 1998, 1532; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 373a. OLG Hamm FamRZ 1998, 1532; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 373a.

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Art 11 HUntStProt 16-18

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klausel zu berufen. In einem solchen Fall ist die Anknüpfung an die Rechtsordnung zu bevorzugen, zu der die Ehe zur Zeit des Verzichts die engste Beziehung aufweist, um das Vertrauen auf die Wirksamkeit des Verzichts zu schützen. Auch hier kann im Einzelfall der ordre-public zur Anwendung kommen. Zum Unterhaltsverzicht im Zusammenhang mit Regressansprüchen der öAwE siehe Art 10 Rn 10 ff. 6.

Dauer der Unterhaltsverpflichtung/Einreden

16 Die Dauer der Unterhaltsverpflichtung richtet sich nach dem Unterhaltsstatut. Dies gilt auch für die Fragen, ob der Unterhalt grundsätzlich zeitlich zu begrenzen (zB auf drei Jahre oder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres) oder auf unbegrenzte Zeit (zB auch über die Volljährigkeit hinaus) zu leisten ist. Bei Altersgrenzen stellen sich keine Probleme, sofern das Unterhaltsstatut diese an konkreten Daten oder Zeitpunkten festmacht. Ist Bezugspunkt jedoch ein Rechtsbegriff, wie zB der Eintritt der Volljährigkeit, stellt sich die Frage, ob dieser ebenfalls dem Unterhaltsstatut zu entnehmen bzw nach diesem Recht, also unselbständig oder nach der lex fori selbständig anzuknüpfen ist. In der Rechtsprechung der deutschen Gerichte gibt es die Tendenz, hierfür das materielle Recht des Unterhaltsstatuts direkt heranzuziehen. 31 17 Das Unterhaltsstatut entscheidet auch, ob bei Tod des Verpflichteten oder Berechtigten der Anspruch erlischt32 sowie über sämtliche weitere Erlöschensgründe, wie zB das Zusammenleben mit einem neuen Partner. Es regelt auch alle Einreden, wie Zurückbehaltungsrechte, Stundung, Verwirkung und die Verjährung (vgl auch lit e).33 Aus Gründen des Schutzes des Berechtigten unterliegen auch die Fragen, ob und inwieweit die Aufrechnung gegen eine Unterhaltsforderung und die Rückforderung zuviel oder zu Unrecht gezahlten Unterhalts zulässig sind, sowie welche Voraussetzungen hierfür vorliegen müssen.34 18 Manche Rechtsordnungen sehen vor, dass über den nachehelichen Unterhalt im Verbund mit dem Scheidungsverfahren zu entscheiden und ein entsprechender Antrag im Scheidungsverfahren zu stellen ist. Nach Abschluss des Scheidungsverfahrens tritt eine Präklusionswirkung ein, was dazu führt, dass der Unterhalt entweder überhaupt nicht mehr oder nur unter besonderen Umständen eingeklagt werden kann. Ob die Präklusion im inländischen Unterhaltsverfahren zu beachten ist, hängt von ihrer Qualifikation ab. 35 Eine prozessrechtliche Qualifikation, für die Inhalt und systematische 31 32 33

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So OLG Koblenz FamRZ 1998, 1532; OLG Hamm FamRZ 1999, 888. Palandt/Thorn Art 18 EGBGB Rn 16; Andrae IFR § 8 Rn 72. OLG Düsseldorf FamRZ 2001, 919 (Verjährung); insgesamt Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 371 ff; AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 59; Palandt /Thorn Art 18 EGBGB Rn 16. Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 347a, 377. Diese Frage ist umstritten. Hierzu ua OLG Koblenz FamRZ 2004, 1877; OLG Braunschweig IPRspr 1989 Nr 4 S 7; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 272.

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Art 11 HUntStProt 19, 20

Stellung der Bestimmungen der ZPO zur Verbundzuständigkeit sprechen, hätte ihre Nichtbeachtung zur Folge, denn prozessrechtliche Fragen bestimmen sich nach der lex fori. Vorzuziehen ist jedoch eine unterhaltsrechtliche Qualifikation. 36 Die Rechte und Pflichten der Geschiedenen sollen mit der Scheidung geklärt sein, damit jeder seine Zukunftspläne sichern kann.37 Der Präklusion liegen daher vorrangig materiellrechtliche Zielstellungen und nicht die Prozessoptimierung zugrunde. Deshalb sind die Präklusionsfristen des Unterhaltsstatuts beachtlich. 38 Der ordre-public ist in diesem Fall grundsätzlich nicht heranzuziehen, vor allem dann nicht, wenn das ausländische Recht in besonderen Härtefällen zusätzliche Ausschlussfristen gewährt, die genügend Zeit für die Einreichung einer isolierten Klage lassen. 39 Ebenso wird die Änderung bzw Anpassung einer Unterhaltsverpflichtung aufgrund 19 von Veränderungen, zB in der Lage des Berechtigten oder des Verpflichteten bzw der Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten, vom Unterhaltsstatut erfasst. Hiernach richtet sich auch, ob Zuwendungen Dritter, insbesondere staatliche Leistungen, wie das staatliche Kindergeld (§§ 1612b, 1612c BGB) und die Waisenrente, auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen sind.40 Kommen dem Kind ausländische öffentlich-rechtliche Leistungen zugute und ist Unterhaltsstatut deutsches Recht, dann muss ein Vergleich mit deutschen öffentlich-rechtlichen Leistungen erfolgen, die angerechnet werden (Substitution). Ausländische Sozialleistungen sind danach im Grundsatz zu berücksichtigen, wenn sie auch darauf zielen, den Unterhaltsverpflichteten zu entlasten. 41 Ausgehend vom Sinn und Zweck des Kindergeldes, die Eltern finanziell zu entlasten, sollte aber unabhängig vom Unterhaltsstatut, also auch soweit die Unterhaltsverpflichtung ausländischem Recht unterliegt, ein nach dem Bundeskindergeldgesetz42 zu gewährendes Kindergeld entsprechend den deutschen Bestimmungen auf die Unterhaltsverpflichtung angerechnet werden. III. Unterhalt für die Vergangenheit (lit b)

Das Unterhaltsstatut hat auch darüber zu befinden, ab wann Unterhalt zu leisten ist 20 und damit auch, ob und unter welchen Voraussetzungen Unterhalt für zurückliegende Zeit gewährt wird.43 Mit der Aufnahme in Art 11 ist klargestellt, dass das HUntStProt 2007 diese Problematik erfasst. Dabei ist besonders auf den Statutenwechsel zu ach36 37 38 39 40

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Siehe Andrae IFR § 8 Rn 73. Hofer/Schwab/Henrich /Jancie s 169, 182. So das AG Tettnang IPRax 2005, 154 für die Präklusionsvorschrift nach serb Recht. Anders OLG Koblenz FamRZ 2004, 1877, 1878. Hierzu auch Art 13 Rn 11. OLG Hamm FamRZ 1994, 1132; OLG Nürnberg FamRZ 1994, 1133, 1134; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 342. OLG Nürnberg FamRZ 1994, 1133, 1134; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 221; Andrae IFR § 8 Rn 72. Bundeskindergeldgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.1.2009, BGBl 2009 I 142, zuletzt geändert durch Art 3 des Gesetzes vom 2.3.2009, BGBl 2009 I 416. Für das HUntStÜbk 1973 OLG Hamburg FamRZ 1990, 794; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 345; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 227.

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Art 11 HUntStProt 21-23

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ten. Für die zurückliegenden Zeiten ist auf das Unterhaltsstatut abzustellen, welches zu dieser Zeit die Unterhaltsbeziehung zwischen den Parteien geregelt hat. IV.

Grundlage der Berechnung und Indexierung (lit c)

21 Ob und unter welchen Voraussetzungen eine Dynamisierung des Unterhaltsbetrages möglich ist, bestimmt sich – wie bisher auch – nach dem Unterhaltsstatut. Ist deutsches Recht Unterhaltsstatut, kann Unterhalt nach § 1612a BGB iVm der Regelbetrags-VO auch dann verlangt werden, wenn das Kind im Ausland lebt. 44 Die Festsetzung des Prozentsatzes nach § 1612a Abs 1 BGB hat jedoch unter Beachtung der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten zu erfolgen. Um Schwierigkeiten bei der Auslandsvollstreckung zu vermeiden, ist auf Antrag nach § 245 FamFG45 der dynamisierte Unterhalt, der nur als Vomhundertsatz des Regelbetrags angegeben ist, zum Zwecke der Auslandsvollstreckung in einen statischen umzurechnen und auf dem Titel zu vermerken. 46 Ist ausländisches Recht Unterhaltsstatut und darin die Möglichkeit einer Dynamisierung vorgesehen, so kann diese auch im inländischen Prozess vorgenommen werden. 22 Ungelöst ist die Frage, ob beim Wechsel vom inländischen zum ausländischen Unterhaltsstatut weiterhin eine automatische Anpassung des Unterhaltsbetrags entsprechend den Änderungen der Regelbetrags-VO erfolgt, wenn der Titel auf Leistung des dynamisierten Individualunterhalts gemäß § 1612a BGB lautet. Eigentlich unterliegt die Frage der Höhe des Unterhalts und die Auswirkungen von Veränderungen in den Lebenshaltungskosten dem neuen Unterhaltsstatut, doch stellt die automatische Anpassung nur eine Ausfüllung des Titels auf Unterhaltsleistung dar, dessen Rechtskraft durch den Statutenwechsel nicht berührt wird. Auch entspricht diese Ansicht vor allem dem Bedürfnis der Praxis, zumal den Parteien die Möglichkeit der Änderungsklage gegen den Grundtitel (§ 1612a Abs 5 BGB) bleibt. 47 V.

Berechtigung zur Einleitung des Unterhaltsverfahrens (lit d)

23 Das Unterhaltsstatut entscheidet auch über die Klageberechtigung. Gemeint ist damit, wer in wessen Namen den Unterhalt im Verfahren geltend machen kann, insbesondere, ob der Unterhalt für das Kind durch dieses selbst oder in Prozessstandschaft für das Kind durch einen Elternteil einzuklagen ist. 48 Richtet sich der Unterhaltsanspruch des Kindes nach deutschem Recht, so bestimmt das deutsche Recht (§ 1629 Abs 3 BGB) darüber, ob ein Elternteil zur Geltendmachung des Anspruchs berechtigt 44

OLG München OLGR 1998, 49; Garbe/Ulrich /Andrae § 11 Rn 308.

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Näher zur Vorgängerregelung des § 790 ZPO BT-Drs 15/5222, 12; BR-Drs 88/05, 21 f. Garbe/Ulrich /Andrae § 11 Rn 310; eingehend Leible/Lehmann NotBZ 2004, 453, 462, die darauf hinweisen, dass diese Titel immer nur bis zur nächsten Änderung der Regelbetrag-VO, dh max zwei Jahre, gelten. Andrae IFR § 8 Rn 77. Vgl BGH NJW 1992, 974; Palandt /Thorn Art 18 EGBGB Rn 18; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 349.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 11 HUntStProt 24

ist und ob es hierbei als Vertreter oder Prozessstandschaftler handelt.49 Abzulehnen ist die Auffassung, dass, soweit das Verfahren Ansprüche von Kindern betrifft, alternativ die Anknüpfung an das Eltern-Kind-Statut erfolgen kann.50 Die Regelung in Art 11 lit d ist abschließend und ausreichend.51 Die gesetzliche Vertretung des Kindes ist gesondert anzuknüpfen.52 Diese Frage richtet sich nach Artt 16, 17 KSÜ nach dem Beitritt zum Übereinkommen, bis dahin nach Art 21 EGBGB. In einigen Rechtsordnungen hat das Kind keinen unmittelbaren Anspruch gegen den geschiedenen bzw getrennt lebenden Elternteil, bei dem es nicht lebt. Vielmehr steht dem anderen Elternteil ein Erstattungsanspruch zu. Auch dieser ist unterhaltsrechtlich zu qualifizieren. Um Anpassungsprobleme durch Normenhäufung oder Normenmangel zu vermeiden, kommt es auf das Unterhaltsstatut für das Kind an.53 VI. Verjährung und Klagefristen (lit e)

Gemeint ist die Anspruchsverjährung, dh die des materiellen Anspruchs. Hiervon ist 24 die Vollstreckungsverjährung zu unterscheiden, nach der sich bestimmt, innerhalb welcher Zeitspanne aus einem rechtskräftigen Titel vollstreckt werden kann. Beide Fristen können, müssen aber nicht identisch sein (vgl §§ 195, 199 BGB einerseits und § 197 Abs 1 aber auch Abs 2 BGB andererseits). Für letztere gilt Art 21 Abs 2 EG-UntVO.54 Die Verjährung des materiellen Anspruchs unterliegt dem Unterhaltsstatut. Dasselbe gilt für die Fristen, in denen die Einleitung eines Verfahrens erfolgen muss. Hintergrund der Regelung ist, dass manche Rechtsordnungen die Verjährung materiellrechtlich einordnen und andere diese dem Prozessrecht zuordnen (prozessualer Ausschluss der Klagemöglichkeit). Das gleiche rechtliche Problem wird methodisch unterschiedlich gelöst. Unabhängig davon, ob es sich nach dem Sachrecht der lex fori um eine materiell-rechtlich verstandene Verjährung oder prozessrechtliche Klagefrist handelt, wird das Unterhaltsstatut berufen. Ist in einem Verfahren vor einem deutschen Gericht Unterhaltsstatut ein Recht, welches Klagefristen vorsieht, so ist der materiell-rechtliche Gehalt der ausländischen prozessualen Normen (Frist, Fristbeginn, Unterbrechung etc) heranzuziehen, wenn es um die Frage der „Verjährung“ geht. Aus dem Unterhaltsstatut ergibt sich, ob die Verjährung /der Fristablauf zu einer bloßen Einrede führt oder der Anspruch materiell-rechtlich erlischt. Problematisch sind Fälle, bei denen Unterbrechungs- oder Hemmungshandlungen, die oft prozessualer Natur sind (zB Klageeinreichung, Antragszustellung etc, § 204 BGB), in einem Land vorgenommen werden, dessen Recht nicht das Unterhaltsstatut ist. Hier kommt 49 50

51 52 53

54

AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 67. So aber Kropholler IPR6 (2006) § 47 s 384; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 291 zu Art 10 HUntStÜbk 1973. Vgl Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 350 ff zu Art 10 HUntStÜbk 1973. Andrae IFR § 8 Rn 72; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 352. Andrae IFR § 8 Rn 72. Zum türk Recht umstritten, OLG Stuttgart IPRax 2001, 130 m Anm Andrae S 98 ff. Siehe Art 21 EG-UntVO Rn 13 ff.

Marianne Andrae

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Art 11 HUntStProt, 25, 26 Art 12 HUntStProt, 1, 2

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

eine Substitution in Betracht, sofern die Handlungen mit denen gleichwertig sind, die nach dem Unterhaltsstatut zu einer entsprechenden Rechtsfolge führen. 25 Unter diese Regelung lassen sich auch Ausschluss- oder Präklusionsfristen55 für die gerichtliche Geltendmachung des Unterhalts im Verbund oder in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren fassen. Auch diese Fragen regelt das Unterhaltsstatut.56 VII. Regressanspruch öffentlicher Aufgaben wahrnehmenden

Einrichtungen (lit f) 26 Erfasst vom Unterhaltsstatut sind auch das Ausmaß einer Erstattungspflicht des Unterhaltsschuldners und seine Einwendungen und Einreden, soweit eine Einrichtung, die öffentliche Aufgaben wahrnimmt, Regress für erbrachte Unterhaltszahlungen nimmt. Der Unterhaltsregress selbst, der aufgrund einer Legalzession, eines Anspruchs auf Abtretung oder eines selbstständigen Anspruchs bestehen kann, richtet sich gem Art 10 nach dem Recht der öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtungen (Erstattungsstatut). Art 11 lit f dient dem Schutz des Unterhaltsschuldners, der nicht weitergehend haften soll, als es das Unterhaltsstatut bestimmt. Das Unterhaltsstatut bestimmt folglich die Obergrenze der Leistungspflicht des Unterhaltsschuldners.57 Zum Rückgriff Privater, die anstelle des Verpflichteten Unterhalt geleistet haben, siehe Art 10 Rn 12 ff.

Art 12

Ausschluss der Rückverweisung Der Begriff „Recht“ im Sinne dieses Protokolls bedeutet das in einem Staat geltende Recht mit Ausnahme des Kollisionsrechts.

1 Die Vorschrift stellt klar, dass die Verweisungen aus dem Protokoll Sachnormverweisungen sind, folglich direkt auf das jeweilige materielle Recht verwiesen wird. Dies entspricht der bisherigen Rechtslage. Auch wenn im HUntStÜbk 1973 eine solche Norm nicht vorhanden ist, wird hier allgemein davon ausgegangen, dass es sich dabei, ua aufgrund der staatsvertraglichen Herkunft, um Sachnormverweisungen handelt.1 2 Der Ausschluss des renvoi gilt nur für die unmittelbaren Verweisungen aus dem Protokoll. Er bezieht sich nicht auf Vorfragen, wie zB des Bestehens einer Ehe oder eines Eltern-Kind-Verhältnisses oder sonstiger Verwandtschaftsverhältnisse. Diese unterlie55 56

57 1

958

Siehe Rn 18. Andrae IFR § 8 Rn 73; aA Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 359 (Beachtlichkeit richtet sich nach der lex fori). Siehe hierzu insgesamt Art 10 Rn 3 ff. Ausführlich hierzu Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 17 f.

November 2009

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Art 13 HUntStProt 1-3

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

gen in Bezug auf die Frage der Gesamt- oder Sachnormverweisung den Vorgaben des Kollisionsrechts, das auf die betreffende Vorfrage Anwendung findet. Bei selbständiger Anknüpfung der Vorfrage nach deutschem Recht ist Art 4 Abs 1 EGBGB zu beachten.

Art 13

Öffentliche Ordnung (ordre-public) Von der Anwendung des nach diesem Protokoll bestimmten Rechts darf nur abgesehen werden, soweit seine Wirkungen der öffentlichen Ordnung (ordre-public) des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich widersprechen. I. Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

III. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

IV. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

I.

Gegenstand

Die Regelung übernimmt die ordre-public Klausel des Art 11 Abs 1 HUntStÜbk 1973. 1 Daher ändert sich nichts an deren Auslegung und Anwendung. Für Art 11 Abs 2 HUntStÜbk 1973 war der ordre-public Charakter umstritten. Eine entsprechende Vorschrift findet sich als eigenständige Regelung in Art 14 wieder. Diese Stellung macht deutlich, dass es sich dabei um eine materiell-rechtliche Sachnorm handelt.1 Das Protokoll definiert den Begriff der öffentlichen Ordnung nicht. Eine autonome 2 Auslegung ist nicht möglich, da es auf die jeweilige öffentliche Ordnung des Staates ankommt, dessen Gerichte oder Behörden das ausländische Recht anwenden sollen. Was hierzu gehört, bestimmt jeder Staat selbst. 2 Für die Auslegung aus deutscher Sicht kann Art 6 EGBGB herangezogen werden. Die Anwendung ausländischen Rechts ist ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führen würde, welches mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre. Das trifft insbesondere zu, wenn Grundrechte verletzt werden. II.

Voraussetzungen

Das gemäß Artt 3 ff berufene ausländische Recht ist unter Beachtung der auslän- 3 dischen Rechtspraxis anzuwenden.3 Der Einwand des entgegenstehenden ordre-public ist sparsam heranzuziehen; er kommt nur bei Vorliegen folgender Voraussetzungen in Betracht: 1 2 3

Vgl Art 14 Rn 1ff. MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 340. OLG Koblenz IPRax 1995, 171.

Marianne Andrae

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Art 13 HUntStProt 4

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts müssen verletzt sein. Das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts muss zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehen, dass es nach inländischer Vorstellung untragbar erscheint. Erforderlich ist eine schwerwiegende Abweichung von Grundprinzipien des deutschen Unterhaltsrechts. 4 Selbst im Hinblick auf Grundrechte ist erforderlich, dass die Unvereinbarkeit in ihrer Auswirkung auf den konkreten Fall erheblich ist.5 Insgesamt ist Zurückhaltung bei der Anwendung des ordre-public Vorbehaltes geboten.6 Das Ergebnis der Anwendung der ausländischen Norm muss zu der Unvereinbarkeit führen, die ausländische Norm ist nicht auf ihre Vereinbarkeit zu prüfen.7 Der Verstoß muss unzweifelhaft sein,8 womit der Ausnahmecharakter der Vorbehaltsklausel zum Ausdruck kommt, dh in Zweifelsfällen einer Verletzung des ordre-public ist sie nicht heranzuziehen. Es muss ein hinreichender Inlandsbezug bestehen.9 Nur dann beansprucht ein in Betracht kommender Grundsatz des deutschen Rechts oder das Grundrecht Geltung im konkreten Fall.10 Ein starker Inlandsbezug wird durch die deutsche Staatsangehörigkeit und einen gewöhnlichen Aufenthalt mindestens einer der Parteien im Inland begründet.11 Im Hinblick auf die zu beobachtende Abkehr von der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit kann im konkreten Einzelfall auch der nur gewöhnliche Aufenthalt einer der Parteien im Inland genügen.12 Es gilt die indirekte Proportionalität: Je geringer der Inlandsbezug, desto weniger kommt die Heranziehung des ordre-public in Betracht.13 4 In bestimmten Konstellationen sind an den ordre-public Vorbehalt darüber hinaus gesteigerte Anforderungen zu stellen: Das betrifft die Unterhaltspflichten, die dem Art 6 unterliegen. Die Vorschrift begünstigt mit der kollisionsrechtlichen Einrede das Fehlen eines Unterhaltsanspruchs. Dieses kollisionsrechtlich gewollte Ergebnis kann grundsätzlich nicht über die Anwendung des ordre-public korrigiert werden. Es bedarf deshalb herausgehobener besonderer Gründe in solchen Konstellationen, den ordrepublic zur Anwendung zu bringen. Anderenfalls würde das durch die kollisionsrecht4 5 6 7

8 9 10 11 12

13

960

Staudinger /Mankowski (2003) Anh I Art 18 EGBGB Rn 382. BGHZ 169, 240, 250. MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 341. KG NJOZ 2004, 2138; OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 581, 582; OLG Hamm IPRax 1995, 174, 175; Jayme IPRax 1989, 223; krit Hohloch JuS 2004, 726, 727. BayObLG FamRZ 1993, 1469; LG Hamburg FamRZ 1993, 980, 981. Ua OLG Hamm FamRZ 2000, 29, 31. BGHZ 63, 219, 226; Erman/Hohloch Art 6 EGBGB Rn 19. BGH FamRZ 1993, 316, 317; OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1113, 1115. MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 344; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 383. KG FamRZ 2004, 275, 277; OLG Bamberg FamRZ 1997, 95, 96 = NJW-RR 1997, 4.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 13 HUntStProt 5-7

liche Regelung begünstigte materiell-rechtliche Ergebnis durch den ordre-public Einwand wieder zunichte gemacht. Gewährt das für den Kindesunterhalt berufene Recht im Eltern-Kind-Verhältnis im 5 konkreten Fall keinen Unterhalt, so kommt es nicht zur Prüfung des ordre-public, da auf Grund der Kaskadenanknüpfung des Art 4 subsidiär die lex fori berufen ist. Für das Ausmaß der Unterhaltspflicht erfolgt eine eventuell erforderliche Korrektur über die Sachnorm des Art 14. Bei Art 8 (Rechtswahl) hat die Missbrauchklausel des Abs 5 Vorrang vor der Vorbehaltsklausel des Art 13. In der deutschen Rechtspraxis zum HUntStÜbk 1973 wird die Anwendung des ordre- 6 public für den nachehelichen Unterhalt (Art 8) in den Fällen problematisiert, in denen die Unterhaltspflicht einem ausländischen Recht deshalb untersteht, weil die Scheidung nach diesem ausländischen Recht erfolgte, obwohl die Unterhaltsbeziehung eng mit der inländischen Rechtsordnung verbunden ist. In diesem Zusammenhang wird die Auffassung vertreten, dass ein Verstoß gegen den deutschen ordre-public nicht schon dann vorliegt, wenn das nach dem Scheidungsstatut maßgebliche Recht einem geschiedenen Ehegatten Unterhalt in weiteren Fällen als nach deutschem Recht versagt. Jedoch könne die Vorbehaltsklausel zur Anwendung kommen, wenn in besonderen Härtefällen das ausländische Recht keinen dem deutschen Recht vergleichbaren Anspruchsgrund bereithält.14 Dem ordre-public kommt hier – wenn auch nur für Extremfälle – auch Korrekturfunktion in Bezug auf die kollisionsrechtliche Anknüpfung zu. Mit der anderen kollisionsrechtlichen Lösung für den ehelichen und nachehelichen Unterhalt in Art 5 entfällt diese zukünftig mit der Folge, dass der ordre-public auch in diesem Bereich geringere Bedeutung haben wird. Die Anwendung des Art 14 geht der des Art 13 vor. Beruht die Bemessung des Un- 7 terhaltsanspruchs nach der berufenen Rechtsordnung nicht auf einer Betrachtung des Bedarfs und der Bedürftigkeit der berechtigten Person, sowie der Leistungsfähigkeit der verpflichteten Person, so ist Art 14 anzuwenden und nicht Art 13. Dies hat zur Folge, dass die besonderen Voraussetzungen des ordre-public Vorbehaltes, die zu seiner restriktiven Anwendung führen, für diese Fälle nicht erforderlich sind. Gewährt hingegen das berufene Recht überhaupt keinen Unterhaltsanspruch, ist Art 13 zu prüfen, denn Art 14 setzt das Bestehen eines Unterhaltsanspruchs voraus und korrigiert die Bemessung.15

14

BGH IPRax 1992, 101, 103; OLG Karlsruhe FamRZ 1989, 748, 749; eingehend Henrich IFR § 5 IV

15

S 202; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 347. Erman/Hohloch Art 18 EGBGB Rn 39; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 399.

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Art 13 HUntStProt 8, 9

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

III. Beispiele

8 Für die Anwendung des ordre-public lassen sich aufgrund des oben Dargestellten wenige Beispiele finden. Ein nach dem ausländischen Unterhaltsstatut wirksamer Unterhaltsverzicht kann ordre-public widrig sein, soweit die Freistellung zu Lasten Dritter, insbesondere inländischer Träger der Sozialhilfe geht.16 Aber auch darüber hinaus wird die Unzulässigkeit eines Unterhaltsverzichts für die Zukunft zu den Grundsätzen des deutschen Rechts gezählt, sodass die Anwendung des ordre-public bei entgegenstehender Entscheidung des ausländischen Unterhaltsstatuts bei genügendem Inlandsbezug in Frage kommt.17 Allerdings bezieht sich das nur auf solche Unterhaltsbeziehungen, die vom Unterhaltsverzichtsverbot des § 1614 Abs 1 BGB erfasst sind, also nicht auf Unterhaltsvereinbarungen/Unterhaltsverzicht in Bezug auf den nachehelichen Unterhalt. Außerdem liegt kein ordre-public Verstoß vor, wenn der Unterhaltsverzicht durch eine angemessene Pauschalleistung abgefedert worden ist.18 9 Der ordre-public kann auch heranzuziehen sein, wenn nach dem gemäß Art 5 anzuwendenden ausländischen Recht kein Unterhaltsanspruch besteht und dies eine besondere Härte für den Unterhalt begehrenden Ehegatten darstellt.19 Dies kann insbesondere dann zutreffen, wenn der unterhaltsbedürftige Ehegatte wegen der erforderlichen Betreuung gemeinschaftlicher Kinder ohne erhebliche Vernachlässigung seiner Elternpflicht nicht in der Lage ist, seinen ausreichenden Lebensunterhalt sicherzustellen. 20 Ein ordre-public Verstoß liegt nicht schon dann vor, wenn das anzuwendende Recht nachehelichen Unterhalt nicht oder nur in geringem Umfang oder für einen kurzen Zeitraum gewährt21 bzw ihn wegen Verschuldens an dem Scheitern der Ehe versagt. 22 Dass der im Inland lebende geschiedene Partner aufgrund der Versagung des Unterhalts sozialhilfebedürftig wird, ist nach der Rechtsprechung allein kein Grund zur Anwendung des ordre-public.23

16

OLG Hamm NJW-RR 1999, 950 ff, hierzu auch Art 10 Rn 10.

17

Ua OLG Koblenz FamRZ 1990, 426; OLG Celle FamRZ 1990, 598, OLG Nürnberg FamRZ 1996, 353, 354; OLG Hamm FamRZ 2000, 31; Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu 18 EGBGB Rn 391. Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 Rn 391. BGH FamRZ 1991, 925, 927 bei Arbeitsunfähigkeit aufgrund schwerer Krankheit. OLG Zweibrücken FamRZ 1997, 93, 95; OLG Hamm FamRZ 1999, 1142, 1143; OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 920. Ua BGH IPRax 1992, 101, 103; BGH NJW 1991, 2212, 2214; OLG Zweibrücken FamRZ 2001, 920, 922; OLG Karlsruhe FamRZ 1989, 748, 749; eingehend Henrich IFR § 5 IV S 202; MünchKommBGB / Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 347; AnwKommBGB /Gruber Art 18 EGBGB Rn 82 mwN. Ua OLG Bremen IPRax 1998, 366; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 347. OLG Bremen IPRax 1998, 366; Griesbeck FamRZ 1983, 961, 963.

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21

22 23

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 13 HUntStProt 10-13

Der ordre-public kann der Anwendung ausländischen Rechts entgegenstehen, wenn 10 dieses trotz veränderter tatsächlicher Umstände eine Abänderbarkeit einer vorherigen Entscheidung verneint.24 Einige Rechtsordnungen sehen vor, dass der Unterhaltsbedürftige mit seinem An- 11 spruch auf nachehelichen Unterhalt präkludiert wird, wenn dieser nicht im Scheidungsverfahren geltend gemacht wird. Diese Präklusionswirkung ist im inländischen Unterhaltsprozess zu beachten, denn sie ist unterhaltsrechtlich zu qualifizieren, der ordre-public ist grundsätzlich nicht heranzuziehen. 25 Unterhaltsansprüche, die nach ausländischem Recht den Ehegatten einer nach die- 12 sem Recht zulässigen Mehrehe zustehen, sind nicht per se ordre-public widrig. 26 Der ordre-public ist nicht verletzt, wenn aufgrund eines Statutenwechsels nach der nunmehr maßgeblichen Rechtsordnung der Unterhaltsschuldner auch zum erhöhten rückständigen Unterhalt verpflichtet ist, ohne dass dem § 1613 Abs 1 BGB vergleichbare Anforderungen gestellt werden. Das gilt zumindest dann, wenn der Unterhaltsschuldner aufgrund der Gesamtsituation mit der erhobenen Unterhaltsforderung rechnen musste und insoweit der Rechtsgedanke des Vertrauensschutzes gewahrt ist. 27 Der ordre-public ist weiterhin nicht verletzt, wenn das ausländische Recht für die Zeit ab Volljährigkeit des unterhaltsberechtigten Kindes – abweichend vom deutschen materiellen Recht – keine gemeinsame Barunterhaltspflicht der Eltern vorsieht. 28 IV.

Rechtsfolge

Greift der Vorbehalt des Art 13 ein, wird der in Frage stehende ausländische Rechts- 13 satz nicht angewandt. Die Lückenschließung hat vorrangig nach dem ausländischen Recht zu erfolgen. Ist sie nicht möglich, kommt subsidiär die lex fori als Ersatzrecht zur Anwendung.29 Der BGH hat in einem Fall, in dem das ausländische Recht keinen nachehelichen Unterhaltsanspruch gewährt, die Lösung in der unmittelbaren Anwendung der einheitli-

24

25 26 27 28 29

KG NJW-RR 1994, 138, 139; MünchKommBGB /Siehr Art 18 EGBGB Anh I Rn 348; Staudinger / Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 389. Vgl dazu Art 11 Rn 18. BVerwGE 71, 228, 230. BGH FamRZ 2009, 1402 für den ordre-public im Vollstreckungsverfahren. BGH FamRZ 2009, 1402 für den ordre-public im Vollstreckungsverfahren. OLG Stuttgart FamRZ 2004, 25, 26; OLG Zweibrücken NJW-RR 2002, 581; OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1113, 1114; OLG Hamm IPRax 1995, 174, 176 f; Hohloch JuS 2004, 726, 727; ders JuS 2002, 1025, 1026; Rahm/Künkel/Breuer Bd 3 Kap VIII Rn 109; aA MünchKommBGB /Sonnenberger Art 6 EGBGB Rn 91 ff: Einzelfallentscheidung sowie Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 381: Ersatzrecht ist immer die lex fori.

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Art 14 HUntStProt 1, 2

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

chen Sachnorm des Übereinkommens und nicht in der umfassenden Anwendung des deutschen Unterhaltsrechts gesehen. 30

Art 14

Bemessung des Unterhaltsbetrags Bei der Bemessung des Unterhaltsbetrags sind die Bedürfnisse der berechtigten Person und die wirtschaftlichen Verhältnisse der verpflichteten Person sowie etwaige der berechtigten Person anstelle einer regelmäßigen Unterhaltszahlung geleistete Entschädigungen zu berücksichtigen, selbst wenn das anzuwendende Recht etwas anderes bestimmt. I. Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

II. Neuregelung

1. Keine ordre-public-Norm . . . . . . . . . . . .

I.

3

2. Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . 3. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Berücksichtigung von Kompensationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 6 13

Geschichte

1 Bei Art 14 handelt es sich um eine international einheitliche materiell-rechtliche Sachnorm. Eine vergleichbare Regelung sah bereits Art 11 Abs 2 HUntStÜbk 1973 vor. Von der Stellung und dem Wortlaut unterscheidet sich Art 14 von der Vorläuferregelung zum einen dadurch, dass die Regelung nunmehr in einer eigenständigen Norm erfolgt und nicht mehr unter dem Schild des ordre-public. In dem EG-UntVO-E war eine entsprechende Regelung in Art 17 mit der Überschrift Wirkungsbereich des anwendbaren Rechts vorgesehen. Dahin gehört die Sachnorm schon gar nicht, da sie gerade unabhängig von den materiell-rechtlichen Vorschriften des Unterhaltsstatuts angewandt werden soll. Die andere entscheidende Änderung ist der Zusatz über die Berücksichtigung der anstelle einer regelmäßigen Unterhaltszahlung geleisteten Entschädigung. 2 Auf die Gründe für die Einfügung einer „materiellen Vorschrift, die zur teilweisen Verdrängung des anzuwendenden Rechts“ führt, in das HUntStÜbk 1973 und warum sie dort in die ordre-public Klausel eingebunden ist, wird ausführlich im erläuternden Bericht von Verwilghen1 eingegangen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist danach das in einer Vielzahl von Staaten geltende materiell-rechtliche Grundprinzip, wonach der Unterhalt immer nur in einer den Bedürfnissen des Empfängers und den Möglichkeiten des Unterhaltsverpflichteten entsprechenden Weise zu leisten ist. Hiervon gibt es jedoch in den Rechtsordnungen auch Ausnahmen. Als Beispiel wird der Fall genannt, dass in nationalen Rechtsordnungen der nacheheliche Unterhaltsanspruch sich in seiner Höhe auch danach bestimmt, wem die Schuld an der Scheidung zugewiesen wird. 2 30

BGH IPRax 1992, 101, 103.

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In Dt BT-Drs 10/258 Rn 177 ff.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 14 HUntStProt 3, 4

Vorbehalte gegen die Einfügung einer einheitlichen Sachnorm wurden damals geäußert, weil Sachnormen systemfremd in IPR-Übereinkommen der Haager Konvention seien. Die Zusammenfassung der materiellen Vorschrift mit der ordre-public Klausel dient dazu, ihre Sonderstellung abzumildern, indem sie als besonderer Ausdruck des ordre-public erscheint. Weiter soll mit ihr eine Eingrenzung der Anwendung des ordre-public angestrebt werden.3 Die Wahrung der Verhältnismäßigkeit von Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten ist der entscheidende Grundsatz im Unterhaltsrecht, dessen Verletzung die Anwendung des ordre-public rechtfertigt. Andere Aspekte, die nicht Grundprinzipien des Unterhalts betreffen, rechtfertigen dagegen nicht die Anwendung des ordre-public. Auf dieser Grundlage wurde zT die Schlussfolgerung gezogen, dass wegen des ordre-public Charakters der Regelung das ausländische Recht durch das deutsche verdrängt wird, wenn es nicht die Anforderungen des Art 11 Ab 2 HUntStÜbk 1973 erfüllt.4 II.

Neuregelung

1.

Keine ordre-public-Norm

Art 14 ist keine Bestimmung, die die ordre-public Klausel des Art 13 konkretisiert, 3 im HUntStProt 2007 sind der ordre-public-Vorbehalt und die Sachnorm getrennt. Die Sachnorm ist auch dann anzuwenden, wenn der ordre-public nicht verletzt ist oder wenn die Unterhaltsverpflichtung dem Recht des Forums unterliegt.5 Sie besitzt keine kollisionsrechtliche Qualität,6 und sie bildet deshalb keine Rechtsgrundlage für die Heranziehung deutschen Rechts unter Einschluss der Rechtsprechung.7 Der Entwurf des Protokolls von 2007 sah zwei Varianten der Regelung vor. Die erste 4 Variante entsprach der jetzigen Fassung, die andere war begrenzt auf den Fall, dass ein nach dem Protokoll anwendbares ausländisches Recht nicht oder unzureichend die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten berücksichtigt. Diese letztere war ihrem Charakter nach mehr eine Konkretisierung der ordre-public-Klausel. 8 Die Entscheidung für die erste Variante spricht für eine internationale Sachnorm, die in jedem Vertragsstaat des HUntStProt 2007, unabhängig vom anwendbaren Recht, zu beachten ist.

2 3

4

5 6

7 8

Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 177. Verwilghen-Bericht zum HUntStÜbk 1973 Rn 179; Martiny Recueil des Cours 247 (1994 III) 131, 209; Jayme IPRax 1989, 330, 331; OLG Düsseldorf FamRZ 2002, 1118, 1120. So Staudinger /Mankowski Anh 1 zu Art 18 EGBGB Rn 402; anders Martiny Recueil des Cours 247 (1994 III) 131, 209. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 88. Bereits für Art 11 Abs 2 HUntStÜbk 1973 ua Pålsson Recueil des Cours 199 (1986 IV) 313, 373; Göppinger/Wax/Linke Rn 3090; Martiny Recueil des Cours 247 (1994 III) 131, 208; aA Staudinger / Mankowski Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 398. Anders zB für Art 11 Abs 2 HUntStÜbk 1973 OLG Nürnberg FamRZ 2008, 1755, 1756. Vorl Bonomi-Bericht zum HUntStProt 2007 Rn 89.

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Art 14 HUntStProt 5- 8

2.

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Anwendungsvoraussetzungen

5 Art 14 setzt voraus, dass überhaupt ein Unterhaltsanspruch besteht, es muss also zwischen dem in Anspruch Genommenen und demjenigen, der den Unterhalt fordert, eine familienrechtliche Beziehungen iSd Art 1 gegeben sein und nach dem für den Unterhalt maßgeblichen Recht auch der Anspruch bestehen. Ein fehlender Anspruch wird nicht über Art 14 korrigiert; nicht ausgeschlossen ist die Anwendung der Vorbehaltsklausel. 3.

Inhalt

6 Die Bemessung des Unterhalts bestimmt sich gemäß Art 11 lit a nach dem Unterhaltsstatut. Art 14 ist eine einheitliche Sachnorm, die gewissermaßen das Unterhaltsstatut überlagert und übereinkommensautonom ausgelegt wird. Anders als der ordrepublic, über den im Einzelfall wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts durchgesetzt werden, wenn das Ergebnis der Anwendung des ausländischen Rechts ihnen widerspricht, sind einheitliche Maßstäbe der Anwendung herauszubilden (Art 20). Dem EuGH kommt in den Mitgliedstaaten, die an das Protokoll gebunden sind, Auslegungskompetenz zu.9 7 Bedürfnisse der berechtigten Person und die wirtschaftlichen Verhältnisse der verpflichteten Person sind zu berücksichtigen. Art 14 schließt es nicht aus, dass auch andere Faktoren in die Betrachtung einbezogen werden, wie zB die Möglichkeit der berechtigten Person, eine Halbtagsbeschäftigung aufzunehmen, bisheriger Lebensstandard oder Dauer der Ehe, wenn insgesamt das Grundprinzip gewahrt wird. In die Bewertung sind die Lebensbedingungen und Lebenshaltungskosten im Land des Berechtigten und des Verpflichteten als Datum in die Betrachtung einzubeziehen. Der Grundsatz ist im Rahmen des maßgeblichen Unterhaltsstatuts zu realisieren. Vielfach steht er neben einer vergleichbaren Vorschrift des anwendbaren Rechts. Das Besondere besteht darin, dass der Grundsatz des Art 14 möglichst einheitlich und entsprechend seinem internationalen Charakter auszulegen ist, während für den Grundsatz des Rechts, das auf den Unterhalt anwendbar ist, die nationalen Auslegungsprinzipien gelten. 8 In Bezug auf Art 14 kommt es vor allem auch darauf an, bei der Ausfüllung des Grundsatzes die grenzüberschreitenden Aspekte zu würdigen, insbesondere, wenn Unterhaltsberechtigter und -verpflichteter in unterschiedlichen Staaten leben. Im Einzelfall kann dies dazu führen, dass das Sachrecht des Unterhaltsstatuts hinsichtlich der Bemessung des Unterhalts modifiziert angewandt wird. Nur wenn dies im seltenen Ausnahmefall nicht möglich ist, wird es hinsichtlich dieser Frage ausgeschaltet. Mögliche Lösungen sind in diesem Fall entweder die Bemessung des Unterhalts auf der Grundlage von Art 14 direkt oder die Anwendung eines Ersatzrechts (lex fori), wiederum unter Beachtung von Art 14. Die erste Lösung ist zu präferieren. 9

966

Hierzu Art 15 EG-UntVO Rn 22 ff.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 14 HUntStProt 9-12

In folgenden Fallkonstellationen kommt die Anwendung des Art 14 ua in Be- 9 tracht: (1) Das maßgebliche Recht sieht einen solchen Grundsatz, geschrieben oder ungeschrieben, nicht vor. Dann findet Art 14 unmittelbar Anwendung. (2) Es kennt diesen allgemeinen Grundsatz, lässt jedoch für die zutreffende Fall- 10 variante eine Ausnahme zu, zB wenn der Geschiedenenunterhalt in der Höhe vom Verschulden abhängig gemacht wird oder der Unterhalt eines nichtehelichen Kindes in der Höhe vom Status der Nichtehelichkeit bestimmt wird. In diesem Fall setzt sich der Grundsatz gegenüber dem Unterhaltsstatut durch. Dabei kommt es nicht darauf an, zu welchem Ergebnis im konkreten Fall die Anwendung der lex fori geführt hätte und ob die Anwendung des ausländischen Rechts mit wesentlichen Grundsätzen des eigenen Rechts offensichtlich im Widerspruch steht. (3) Das maßgebliche Recht wird in Bezug auf die relevante Fallgruppe vom Grund- 11 satz getragen. Aufgrund des pauschalisierenden Charakters der Bemessung des Unterhalts, insbesondere von Kindern, wird nicht den Besonderheiten in Bezug auf die Bedürfnisbefriedigung des Berechtigten oder die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten in grenzüberschreitenden Fällen Rechnung getragen. Art 14 ist eine Sachnorm, die die Gerichte dazu zwingt gegebenenfalls – möglicherweise auf der Grundlage der pauschalen Sätze – eine Modifizierung vorzunehmen, um im Einzelfall die Verhältnismäßigkeit zu wahren. In der deutschen Praxis erfolgt dies bereits dadurch, dass der Unterhaltsbetrag, der im 12 Inland (auch bei Anwendung der Unterhaltstabelle) geschuldet wäre, unter Hinzuziehung der Verbrauchergeldparitäten korrigiert wird.10 Teilweise erfolgt die Korrektur über Hinzuziehung der Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzministeriums,11 oder die Ermittlung und Begrenzung des Bedarfs erfolgt nach individuellen Verhältnissen des Berechtigten im Land seines gewöhnlichen Aufenthalts unter Beachtung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten.12 Unabhängig davon, welches Recht Anwendung findet oder ob vom pauschalisierten Unterhalt ausgegangen wird, lässt sich die Rechtsprechung davon leiten, dass sich der für den Lebensbedarf eines Berechtigten im Ausland notwendige Unterhalt nach den dortigen Verhältnissen richtet.13 Kinder in Ländern mit niedrigem Lebensstandard haben jedoch einen Anspruch auf angemessene Teilhabe an dem gehobenen Lebensstandard eines Elternteils im Inland.14 Auch bei Rückkehr eines getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten in 10

11 12

13

14

Ua KG FamRZ 2002, 1057; OLG Hamm OLGR 2000, 59 = IPRspr 1999 Nr 69 S 176 = FamRZ 2000, 908 (Leitsatz); näher hierzu Gutdeutsch/Zieroth FamRZ 1993, 1152 ff; Motzer/Kugler Kindschaftsrecht mit Auslandsbezug (2003) Rn 568 ff. OLG Koblenz FamRZ 2002, 56, 57 f; OLG München FamRZ 2002, 55, 56. Ua BGH FamRZ 2001, 412, 413; OLG Hamm FamRZ 1996, 49 f; Motzer/Kugler Kindschaftsrecht mit Auslandsbezug (2003) Rn 572 ff. Zur Bemessung des Unterhalts eines in der Türkei lebenden Berechtigten siehe OLG Hamm 12 WF 36/95 vom 15.3.1996 (juris); OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 903; OLG Nürnberg FamRZ 2008, 1755. Ua BGH FamRZ 1987, 682, 683; OLG München FamRZ 2002, 55, 56; OLG Koblenz FamRZ 2002, 56, 57.

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Art 14 HUntStProt 13-16

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

den Herkunftsstaat kann für die Bemessung der Unterhaltspflicht der in Deutschland verbliebenen Partei von einem höheren Bedarf als sonst in jenem Staat üblich ausgegangen werden, wenn die zurückkehrende Partei jahrelang in Deutschland lebte.15 Damit wird den Anforderungen von Art 14 im vollen Umfang Rechnung getragen. 4.

Berücksichtigung von Kompensationen

13 Bei der Bemessung des Unterhaltsbetrages sind etwaige der berechtigten Person anstelle einer regelmäßigen Unterhaltszahlung geleistete Entschädigungen zu berücksichtigen. Der englische Text lautet diesbezüglich: ,,any compensation which the creditor was awarded in place of periodical maintenance payments“. Der Begriff compensation entspricht in diesem Zusammenhang eher dem deutschen Begriff der Ausgleichsleistung oder der Abfindung. Zum anderen muss nach dem englischen Text die Leistung noch nicht erbracht worden sein, sondern es reicht, dass sie zuerkannt ist. Das bedeutet, dass sie für den konkreten Einzelfall durchsetzbar rechtsverbindlich festgelegt ist. Nicht ausreichend ist, dass sie nach dem maßgeblichen Recht in vergleichbarer Situation zu leisten ist. 14 Erfasst werden einmalige Leistungen, die anstelle einer regelmäßigen Unterhaltszahlung zu erbringen sind. Bei einem weiten Verständnis des Unterhaltsbegriffs für das HUntStProt 2007 sind solche Leistungen grundsätzlich auch als unterhaltsrechtlich zu qualifizieren und werden insoweit bereits vom Grundsatz des Art 14 im Allgemeinen erfasst. Der Passus dient dazu, diese Leistungen in die Gesamtwürdigung mit einzubeziehen, ohne dass zuvor eine Qualifikation vorgenommen werden muss. Kriterium ist, dass die Leistung von der verpflichteten Person an die berechtigte Person anstelle regelmäßiger Unterhaltszahlungen zu erbringen ist. 15 Nach dem Wortlaut steht die Berücksichtigung des Pauschalbetrages für die Bemessung des Unterhaltsbetrages neben der Berücksichtigung der Bedürfnisse des Berechtigten und der wirtschaftlichen Verhältnisse der anderen Partei. Der Regelungszweck ist eindeutig, nur kommt er im Wortlaut nicht klar zum Ausdruck. Wird neben dem Pauschalbetrag noch periodisch zu leistender Unterhalt geltend gemacht, so ist bei dessen Bemessung ersterer zu berücksichtigen. Es ist zu fragen, ob und inwieweit durch den Pauschalbetrag die Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten befriedigt sind und inwiefern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten gewahrt wird. Für die Bestimmung der Höhe des Pauschalbetrages selbst ist – soweit er unterhaltsrechtlich qualifiziert wird – Art 14 natürlich ebenfalls zu beachten. 16 Typisches Beispiel ist die prestation compensatoire des französischen Rechts (Art 270 Abs 2 Cciv), die die Verpflichtung der Leistung einer Abfindung beinhaltet, um durch die Scheidung eintretende Ungleichheiten der Lebensumstände auszuglei-

15

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OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 903.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 14 HUntStProt, 17 Art 15 HUntStProt, 1

chen. Sie hat einerseits Entschädigungs- und andererseits Unterhaltsfunktion.16 Orientiert wird auf eine Einmalleistung, in der Praxis erfolgt vielfach eine Zuweisung von laufendem Unterhalt.17 Zu nennen ist weiterhin die Rechtspraxis der englischen Gerichte auf der Grundlage der Sec 21-26 Matrimonial Causes Act 1973, finanzielle Maßnahmen als Scheidungsfolge (ancillary relief) festzulegen. Es könnte sich dabei ua um Anordnungen zur finanziellen Versorgung (financial provision orders) und um Vermögenszuweisungen (property adjustment orders) handeln, die auf der Grundlage einer einheitlichen Gesamtwürdigung erlassen werden.18 Art 14 ist nicht anzuwenden, wenn das maßgebliche Recht den Unterhalt gar nicht 17 gewährt, weil ein Unterhaltsanspruch ausschließlich dem an der Scheidung unschuldigen Ehegatten zusteht,19 die Anwendung der Vorbehaltsklausel (Art 13) ist in einem solchen Fall nicht ausgeschlossen.

Art 15

Nichtanwendung des Protokolls auf innerstaatliche Kollisionen (1) Ein Vertragsstaat, in dem verschiedene Rechtssysteme oder Regelwerke für Unterhaltspflichten gelten, ist nicht verpflichtet, die Regeln dieses Protokolls auf Kollisionen anzuwenden, die allein zwischen diesen verschiedenen Rechtssystemen oder Regelwerken bestehen. (2) Dieser Artikel ist nicht anzuwenden auf Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration.

I.

Vorbemerkung

Die Vorschriften der Artt 15-17 enthalten Lösungen für Regelungen innerataatlicher 1 Rechtsspaltung. Diese können zum einen in räumlicher Hinsicht bestehen, indem unterschiedliches materielles Recht in verschiedenen Gebietseinheiten gilt.1 Zum anderen kann sie personell angelegt sein, indem verschiedene Regelwerke für einzelne Personengruppen gelten. 2 Nicht so detailliert sind die Probleme im HUntStÜbk 1973 in den Artt 16 und 17 geregelt, grundsätzliche Unterschiede gibt es jedoch nicht. Vergleichbare Vorschriften finden sich in allen neueren Haager Übereinkommen. 3 Die 16 17 18

19 1

2

3

Courbe Droit de la familie Nr 481; zur Qualifikation als unterhaltsrechtlich Art 1 EG-UntVO Rn 23. Süß/Ring /Döbereiner Frankreich Rn 177. Hierzu Süß/Ring /Odersky England und Wales Rn 41 ff. Zur Qualifikation als unterhaltsrechtlich Art 1 Rn 10 ff und Art 1 EG-UntVO Rn 23 ff. So im belg Recht, vgl insoweit Süß/Ring /Hustedt/Sproten Belgien Rn 106. Staaten mit mehreren Gebietseinheiten mit unterschiedlichen materiell-rechtlichen Regelungen im Familienrecht sind zB die USA, das Vereinigte Königreich, Australien und Kanada. Dies betrifft vor allem Rechtsordnungen, die familienrechtliche Beziehungen entsprechend der religiösen Ausrichtung der Parteien unterschiedlich regeln. Häufig, aber nicht allein hierauf beschränkt, ist dies in islamischen Staaten der Fall. Vgl zB Artt 44-47 HErwSÜbk 2000 (BGBl 2007 II 323).

Marianne Andrae

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Art 15 HUntStProt, 2, 3 Art 16 HUntStProt

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Besonderheit im HUntStProt 2007 besteht vor allem in den Regelungen der Art 15 Abs 2 und Art 16 Abs 3, die wegen des Beitritts der Europäischen Gemeinschaft zur Haager Konferenz notwendig wurden. II.

Rein innerstaatliche Fälle (Abs 1)

2 Die Vorschrift stellt klar, dass nur internationale Sachverhalte, nicht aber reine („allein“) nationale Konfliktfälle, vom Anwendungsbereich des HUntStProt 2007 erfasst werden.4 Dabei steht es den Vertragsstaaten frei, die Anwendung des HUntStProt 2007 auch auf interlokale Fälle zu erstrecken, wovon das Vereinigte Königreich bei anderen Übereinkommen Gebrauch gemacht hat.5 Für die übrigen Vertragsstaaten hat dies insoweit Auswirkungen, als dieser Staat damit auch eine einheitliche interlokale Regelung iSv Art 16 Abs 2 lit a trifft.6 III. Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration (Abs 2)

3 Art 24 regelt die Möglichkeit und die Arten des Beitritts einer regionalen Wirtschaftsorganisation zum HUntStProt 2007. Soweit durch den Beitritt die Mitgliedstaaten der Organisationen gebunden werden, wie dies für die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zutrifft, bestimmt Art 24 Abs 5, dass die Bezugnahme im Protokoll auf einen Vertragsstaat oder Staat gegebenenfalls zu der regionalen Wirtschaftsorganisation und/oder zu ihren Mitgliedstaaten führt. Soweit nicht ausdrücklich hierzu eine Regelung erfolgt, muss dies aus dem Zweck der jeweiligen Bestimmung geschlossen werden.7 Für Art 15 ist dies ausdrücklich in Abs 2 geregelt. Danach kommt es für Abs 1 ausschließlich auf die Mitgliedstaaten an, die regionale Wirtschaftsorganisation wird in diesem Zusammenhang nicht als Staat angesehen. Weist also eine Unterhaltssache ausschließlich Berührungen zu zwei oder mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften auf, so ist selbstverständlich das HUntStProt 2007 anzuwenden.

Art 16

In räumlicher Hinsicht nicht einheitliche Rechtssysteme (1) Gelten in einem Staat in verschiedenen Gebietseinheiten zwei oder mehr Rechtssysteme oder Regelwerke in Bezug auf in diesem Protokoll geregelte Angelegenheiten, so ist a) jede Bezugnahme auf das Recht eines Staates gegebenenfalls als Bezugnahme auf das in der betreffenden Gebietseinheit geltende Recht zu verstehen;

4

5 6 7

970

Das gilt auch für die Art 16 und 17. Diese sind folglich nur anzuwenden, wenn in grenzüberschreitenden Fällen die Kollisionsnormen des Protokolls auf das Recht eines Staates mit materiell-rechtlicher Rechtsspaltung für die betreffende Rechtsfrage verweisen. Vgl Staudinger /vHein (2008) Vorbem zu Art 24 EGBGB Rn 346; Art 24 EGBGB Rn 78. Staudinger /Mankowski (2003) Anh I zu Art 18 EGBGB Rn 432. Siehe hierzu Art 15 EG-UntVO Rn 18.

November 2009

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Art 16 HUntStProt 1

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

b) jede Bezugnahme auf die zuständigen Behörden oder die öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtungen dieses Staates gegebenenfalls als Bezugnahme auf die zuständigen Behörden oder die öffentliche Aufgaben wahrnehmenden Einrichtungen zu verstehen, die befugt sind, in der betreffenden Gebietseinheit tätig zu werden; c) jede Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat gegebenenfalls als Bezugnahme auf den gewöhnlichen Aufenthalt in der betreffenden Gebietseinheit zu verstehen; d) jede Bezugnahme auf den Staat, dem die Parteien gemeinsam angehören, als Bezugnahme auf die vom Recht dieses Staates bestimmte Gebietseinheit oder mangels einschlägiger Vorschriften als Bezugnahme auf die Gebietseinheit zu verstehen, zu der die Unterhaltspflicht die engste Verbindung aufweist; e) jede Bezugnahme auf den Staat, dem eine Partei angehört, als Bezugnahme auf die vom Recht dieses Staates bestimmte Gebietseinheit oder mangels einschlägiger Vorschriften als Bezugnahme auf die Gebietseinheit zu verstehen, zu der die Person die engste Verbindung aufweist. (2) Hat ein Staat zwei oder mehr Gebietseinheiten mit eigenen Rechtssystemen oder Regelwerken für die in diesem Protokoll geregelten Angelegenheiten, so gilt zur Bestimmung des nach diesem Protokoll anzuwendenden Rechts Folgendes: a) Sind in diesem Staat Vorschriften in Kraft, die das Recht einer bestimmten Gebietseinheit für anwendbar erklären, so ist das Recht dieser Einheit anzuwenden; b) fehlen solche Vorschriften, so ist das Recht der in Absatz 1 bestimmten Gebietseinheit anzuwenden. (3) Dieser Artikel ist nicht anzuwenden auf Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration. I. Regelungsgegenstand, Verhältnis von Abs 1 zu Abs 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

IV. Regelung für doppelte

Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

8

II. Anknüpfungen des Protokolls (Abs 1)

2

V. Regionale Wirtschaftsorganisation (Abs 3). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9

III. Vorrang des interlokalen

Rechts (Abs 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

7

Regelungsgegenstand, Verhältnis von Abs 1 zu Abs 2

Die Vorschrift regelt den Fall, dass die Kollisionsnormen des Protokolls zu der Rechts- 1 ordnung eines Staates führen, die in der betreffenden Rechtsfrage im materiellen Recht territorial gespalten ist. Die Lösung dieses interlokalen Konflikts wird in erster Linie dem Recht des betreffenden Staates überlassen (Abs 2). Nur wenn das Recht des Gesamtstaates hierfür keine Kollisionsnormen bereitstellt und das Recht jeder Gebietseinheit selbst bestimmt, ob das eigene Recht oder das Recht einer anderen Gebietseinheit Anwendung findet, hält das Protokoll mit Abs 1 eine Regelung bereit. In der Prüfung hat Abs 2 folglich Vorrang vor Abs 1 lit c-e. Diese Lösung ist von dem Bestreben gekennzeichnet, das materielle Recht auf die Unterhaltssache zur Anwendung zu bringen, das nach dem berufenen Recht darauf Anwendung finden soll. Nur Marianne Andrae

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Art 16 HUntStProt 2- 6

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

wenn es in der betreffenden Rechtsordnung keine einheitliche Lösung gibt, weil jedes Territorium auch sein eigenes interlokales Recht hat, wird – um die Rechtsanwendung nicht noch schwieriger zu machen – das Anknüpfungskriterium vorgegeben. Die Lösung weist natürlich den Nachteil auf, dass sie eine erneute kollisionsrechtliche Prüfung unter Anwendung eines einzelstaatlichen Rechts erfordert, das nicht stets die lex fori ist. Zuvor muss außerdem geprüft werden, ob Abs 1 oder Abs 2 maßgeblich ist. II.

Anknüpfungen des Protokolls (Abs 1)

2 Die Bestimmung des Abs 1 lit a hat übergreifenden Charakter und ist an sich selbstverständlich. Jede Bezugnahme auf das Recht eines Staates im Protokoll versteht sich bei lokaler Rechtsspaltung als Bezugnahme auf das in der maßgeblichen Gebietseinheit geltende Recht. Gegebenenfalls bedeutet das, dass sich aus dem Sinnzusammenhang etwas anderes ergeben kann. Beispiele: Für Art 11 (Geltungsbereich des Unterhaltsstatuts) kommt es natürlich auf das in der betreffenden Gebietseinheit geltende Recht an. Auch für Art 9 (domicile statt Staatsangehörigkeit) ist für die Frage, ob im IPR statt an die Staatsangehörigkeit an das domicile zu knüpfen ist, auf die Gebietseinheit abzustellen, jedoch nur dann, wenn der Gesamtstaat kein einheitliches IPR hat. Die Mitteilung an die Haager Konferenz obliegt jedenfalls dem Gesamtstaat als Vertragsstaat des HUntStProt 2007. 3 Abs 1 lit b entstammt Art 46 Abs 1 lit d HUntVerfÜbk 2007 und ist einheitlich mit diesem auszulegen. Abs 2 findet keine Anwendung, da es in Art 46 HUntVerfÜbk 2007 keine dem Abs 2 entsprechende Regelung gibt. Die Regelung hat Bedeutung für den Regress öffentlicher Einrichtungen. Für die maßgebliche Teilrechtsordnung kommt es nicht darauf an, welchem Teilrecht die öffentliche Einrichtung untersteht, sondern darauf, in welcher Gebietseinheit sie befugt ist, Leistungen anstelle von Unterhalt an den Unterhaltsberechtigten zu erbringen. Sind es mehrere Gebietseinheiten und ua die, in der der Unterhaltsberechtigte lebt, so sollte auf diese abgestellt werden. 4 Die in Abs 1 lit c-e vorgesehenen Anknüpfungen finden nur Anwendung, wenn das Recht des Staates, auf das die Kollisionsnormen des HUntStProt 2007 verweisen, materiell-rechtlich hinsichtlich der relevanten Rechtsfragen gespalten ist und es kein einheitliches interlokales Privatrecht zur Lösung dieses Konflikts zur Verfügung stellt. 5 Abs 1 lit c betrifft die Verweisungen des HUntStProt 2007 auf das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts einer Person. Diese führen unmittelbar zu dem Recht des Gebietes, in dem sich diese befindet. Die Verweisung hat in diesen Fällen sowohl internationalprivatrechtlichen als auch interlokalrechtlichen Charakter. 6 Für die Verweisung auf das Recht der Staatsangehörigkeit unterscheidet die Regelung zwei Fälle: Abs 1 lit d umfasst die Situation, dass es für das Kollisionsrecht darauf ankommt, dass beide Parteien die Staatsangehörigkeit desselben Staates haben. Trifft dies zu, so ist 972

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 16 HUntStProt 7, 8

unter den Teilrechtsordnungen, die maßgeblich, die die engste Verbindung zur Unterhaltssache aufweist. In Frage kommt insbesondere das Teilgebiet, in dem einer der Beteiligten lebt, wenn der andere außerhalb des Heimatstaates seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Möglich ist auch, je nach Einzelfallbewertung, auf den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt abzustellen. Entscheidend ist, dass die engste Verbindung der Unterhaltssache und nicht die engste Verbindung der Personen zu prüfen ist, wobei beides durchaus zusammenfallen kann. Auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit kommt es in Art 4 im Rahmen der Kaskadenanknüpfungen und in Art 6 zur Einschränkung der Einrede der kumulativen Anknüpfung an. Abs 1 lit e betrifft letztlich die Situation, dass auf das Recht des Staates verwiesen wird, dem eine Partei angehört, in diesem Fall ist die Teilrechtsordnung berufen, mit der sie selbst am engsten verbunden ist. Der maßgebliche Zeitpunkt hierfür ergibt sich aus der Kollisionsnorm. Die objektiven Anknüpfungen in Artt 3-6 enthalten eine solche Verweisung nicht, lediglich in Art 8 Abs 1 lit a ist für die Rechtswahl vorgesehen, dass die Parteien das Recht eines Staates wählen können, dem einer von ihnen angehört. ME greift hier jedoch lit e nur, wenn die Parteien nicht bereits die maßgebliche Teilrechtsordnung selbst gewählt haben. Haben sie zB das Recht des Staates New York gewählt und ist einer von ihnen Bürger der USA, dann ist dies hinzunehmen, selbst wenn er nach der Gesamtheit der Umstände vielleicht mit einem anderen Bundesstaat der USA enger verbunden ist. III. Vorrang des interlokalen Rechts (Abs 2)

Abs 2 bestimmt den Vorrang des interlokalen Rechts des Gesamtstaates vor den Er- 7 satzlösungen des Abs 1 lit c-e. Problematisch ist diese Lösung lediglich im Falle des Abs 1 lit e, wenn die Parteien nach Art 8 Abs 1 lit a mit der Wahl des Heimatrechts auch die maßgebliche Teilrechtsordnung mitbestimmt haben. Hier sollte es aus Gründen der Rechtssicherheit und Voraussicht bei der von den Parteien bestimmten Teilrechtsordnung bleiben. IV.

Regelung für doppelte Staatsangehörigkeit

Die Problematik der doppelten Staatsangehörigkeit einer oder beider Parteien ist im 8 HUntStProt 2007 nicht geregelt. Aus Abs 1 lit d lässt sich keine Schlussfolgerung für

die Lösung der Fälle finden, in denen die Kollisionsnorm auf die Staatsangehörigkeit verweist und eine Person oder beide Personen eine doppelte Staatsangehörigkeit besitzen. Die Lösung dieser Problematik kann nur unter Berücksichtigung dessen erfolgen, wo diese Anknüpfung überhaupt noch greift. Bei der objektiven Anknüpfung gibt es nur eine Verweisung auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit, einmal als letzte Stufe in der Kaskadenanknüpfung (Art 4) und bei Art 6 als Einschränkung der kumulativen Anknüpfung. In beiden Fällen ist es sinnvoll, auf jede Staatsangehörigkeit abzustellen, um die Anknüpfungen nicht zu sehr einzuschränken.1 Auch für die Rechtswahl nach Art 8 Abs 1 lit a sollte jede Staatsangehörigkeit für die Rechtswahl zur 1

Vgl hierzu Art 4 Rn 15 und Art 6 Rn 9.

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Art 16 HUntStProt, 9 Art 17 HUntStProt, 1

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Verfügung stehen. Nur das schafft Rechtssicherheit. 2 Von den Parteien kann nicht erwartet werden, eine Abwägung nach Effektivitätsgesichtspunkten vorzunehmen. Eine Bevorzugung der Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaates kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil der Gerichtsstaat zur Zeit der Rechtswahl nicht feststeht. Hinzu kommt, dass eine Festlegung auf den Vorrang der eigenen Staatsangehörigkeit oder der effektiven Staatsangehörigkeit in Bezug auf die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft im Widerspruch zur Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft stehen könnte.3 V.

Regionale Wirtschaftsorganisation (Abs 3)

9 Abs 3 entspricht Art 15 Abs 2, insoweit wird darauf verwiesen.

Art 17

Hinsichtlich der betroffenen Personengruppen nicht einheitliche Rechtssysteme Hat ein Staat für in diesem Protokoll geregelte Angelegenheiten zwei oder mehr Rechtssysteme oder Regelwerke, die für verschiedene Personengruppen gelten, so ist zur Bestimmung des nach dem Protokoll anzuwendenden Rechts jede Bezugnahme auf das Recht des betreffenden Staates als Bezugnahme auf das Rechtssystem zu verstehen, das durch die in diesem Staat in Kraft befindlichen Vorschriften bestimmt wird.

1 Während Art 16 die territoriale Rechtsspaltung regelt, gilt Art 17 für die interpersonelle Rechtsspaltung. Führt die Verweisung im HUntStProt 2007 zu einer Rechtsordnung, die personell gespalten ist, so ist das maßgebliche materielle Recht dieser Rechtsordnung für den konkreten Fall gemäß dem interpersonellen Kollisionsrecht dieser Rechtsordnung zu bestimmen. Eine Ersatzlösung sieht das Protokoll nicht vor, da – anders als bei territorialer Rechtsspaltung – derartige (geschriebene oder ungeschriebene) Regelungen des personellen Anwendungsbereichs in den nationalen Rechtsordnungen anzutreffen sind.

2 3

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Vgl hierzu Art 8 Rn 8. Siehe hierzu nur EuGH Rs C-148/02 Garcia Avello EuGHE 2003 I 11613 = IPRax 2004, 339 (betrifft Namensrecht).

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 18 HUntStProt 1-5

Art 18

Koordinierung mit den früheren Haager Übereinkommen über Unterhaltspflichten Im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten ersetzt dieses Protokoll das Haager Übereinkommen vom 2. Oktober 1973 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht und das Haager Übereinkommen vom 24. Oktober 1956 über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht.

Das HUntStProt 2007 hat staatsvertraglichen Charakter und soll die beiden Haager 1 kollisionsrechtlichen Übereinkommen, das HUntStÜbk 1956 und das HUntStÜbk 1973 ersetzen. Es ist somit ein sog Sukzessivabkommen.1 Art 18 ermöglicht den Beitritt von Staaten zum Protokoll, ohne dass die vorausgehenden Übereinkommen gekündigt werden müssen und beachtet gleichzeitig die Bindung eines Vertragsstaates des HUntStProt 2007 in Bezug auf die früheren Übereinkommen gegenüber den Vertragsstaaten, die nicht dem HUntStProt 2007 angehören. Im Verhältnis zu Vertragsstaaten des HUntStProt 2007 findet das Protokoll Anwen- 2 dung, auch wenn diese einem der Vorgängerübereinkommen angehören. Die Ersetzung regelt Art 18. Dies ist möglich, weil der Austausch in seiner Wirkung auf die Teilnehmerstaaten des HUntStProt 2007 beschränkt ist, andere Vertragsstaaten eines früheren Übereinkommens werden nicht berührt. Vertragsstaaten iSd Art 18 sind auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die durch das Protokoll gebunden sind (Art 24 Abs 5). Das Verhältnis zu Staaten, die weder einem der Haager Übereinkommen noch dem 3 HUntStProt 2007 angehören, wird durch Art 18 nicht berührt, weil zu diesen Staaten in Bezug auf das Unterhaltskollisionsrecht keine Bindung eingetreten ist. Die Anwendung des HUntStProt 2007 bei Berührung zu Nichtvertragsstaaten folgt aus seinem räumlich-personell nicht beschränkten Anwendungsbereich (loi uniforme, Art 2). Da im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EG, die auch Vertragsstaaten des 4 HUntStÜbk 1956 und/oder des HUntStÜbk 1973 sind, das HUntStProt 2007 Anwendung findet, hat Art 18 nur noch Bedeutung im Verhältnis zu Liechtenstein und China-Macao (Vertragsstaaten des HUntStÜbk 1956) sowie Japan, der Schweiz und der Türkei (Vertragsstaaten des HUntStÜbk 1973). Solange nach Inkrafttreten des HUntStProt 2007 (Art 25) diese Staaten am Protokoll nicht teilnehmen, haben die Mitgliedstaaten der EG, die Teilnehmerstaaten eines oder beider Haager Übereinkommen sind, im Verhältnis zu diesen Vertragsstaaten das HUntStÜbk 1956 oder das HUntStÜbk 1973 anzuwenden. Als Abgrenzungskriterium kommt zum einen der gewöhnliche Aufenthalt des Unter- 5 haltsberechtigten in einem Vertragsstaat des HUntStÜbk 1956 oder des HUntStÜbk 1

Begriff bei Volken Konventionskonflikte im IPR (1977) s 152.

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Art 18 HUntStProt, 6 Art 19 HUntStProt

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

1973 in Betracht. Dafür spricht, dass der gewöhnliche Aufenthalt in allen drei Rechtsinstrumenten das Hauptanknüpfungsmoment darstellt. Dagegen spricht jedoch, dass eine starke Beziehung zu einem Vertragsstaat nicht nur in diesem Kriterium zum Ausdruck kommt und in Folge dieses Kriteriums das Recht eines Vertragsstaates der früheren Übereinkommen nicht zur Anwendung kommen könnte, obwohl es nach diesen berufen wäre. Hierfür ein Beispiel: Ein türkisches Ehepaar, das in Deutschland lebt, wird nach türkischem Recht geschieden. Nach Art 8 HUntStÜbk 1973 wäre auf den nachehelichen Unterhalt türkisches Recht anzuwenden, nach Art 5 HUntStProt 2007 deutsches Recht. Würde als Abgrenzungskriterium für den Bezug zum Vertragsstaat Türkei der gewöhnliche Aufenthalt dienen, würde das nach Art 8 HUntStÜbk 1973 anwendbare türkische Recht durch das deutsche Recht verdrängt (Art 5). Damit könnte die völkerrechtliche Verpflichtung der Bundesrepublik zur Türkei berührt sein. Deshalb empfiehlt sich eher folgende Lösung: Die früheren Haager Übereinkommen sind im Verhältnis zu den Vertragsstaaten, zu denen diesbezüglich noch eine Bindung besteht, anzuwenden, wenn deren Kollisionsnormen zum Recht eines Vertragsstaates führen, der nicht Teilnehmerstaat des HUntStProt 2007 ist. Im obigen Beispielsfall wäre folglich das HUntStÜbk 1973 anzuwenden. Würde es um den Kindesunterhalt im selben Verfahren gehen, so würde nach Art 4 HUntStÜbk 1973 deutsches Recht Anwendung finden. Das hätte zur Folge, dass sich das anwendbare Recht nun nicht mehr nach dem HUntStÜbk 1973, sondern nach Art 3 HUntStProt 2007 richtet. 6 Tritt ein Vertragsstaat des HUntStÜbk 1956 oder des HUntStÜbk 1973 dem HUntStProt 2007 bei, dann ist für die Ablösung nach Art 18 bezogen auf den intertemporalen Übergang Art 22 zu beachten.

Art 19

Koordinierung mit anderen Übereinkünften (1) Dieses Protokoll lässt internationale Übereinkünfte unberührt, denen Vertragsstaaten als Vertragsparteien angehören oder angehören werden und die Bestimmungen über im Protokoll geregelte Angelegenheiten enthalten, sofern die durch eine solche Übereinkunft gebundenen Staaten keine gegenteilige Erklärung abgeben. (2) Absatz 1 gilt auch für Einheitsrecht, das auf besonderen Verbindungen insbesondere regionaler Art zwischen den betroffenen Staaten beruht. I. Vorrang anderer Übereinkünfte . . . . . . .

1

III. Vorrang von Einheitsrecht . . . . . . . . . . . . .

II. Mitgliedstaaten der EG . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Deutsch-iranisches

Niederlassungsabkommen . . . . . . . . . . . . .

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

I.

Art 19 HUntStProt 1-3

Vorrang anderer Übereinkünfte

Nach Abs 1 besteht ein Anwendungsvorrang anderer Übereinkünfte als des HUntSt- 1 Übk 1956 und des HUntStÜbk 1973, denen ein Teilnehmerstaat angehört und die Bestimmungen zum unterhaltsrechtlichen Kollisionsrecht vorsehen. Das gilt selbst dann, wenn die Vertragsstaaten einer solchen anderen Übereinkunft alle dem HUntStProt 2007 beigetreten sind. Das zeitliche Prioritätsprinzip gilt nicht, das HUntStProt 2007 lässt sowohl vorher geschlossenen als auch nachher geschlossenen Übereinkünften den Vortritt, insoweit geht es der Kollision mit anderen Übereinkünften aus dem Weg. Das HUntStProt 2007 tritt jedoch dann nicht zurück, wenn die durch beide Übereinkünfte gebundenen Staaten eine Erklärung über den Vorrang des HUntStProt 2007 abgeben. II.

Mitgliedstaaten der EG

Art 19 wird durch Art 69 EG-UntVO für die Mitgliedstaaten und durch den Be- 2 schluss(-Entwurf) zum Beitritt der EG zum HUntStProt 20071 modifiziert. Beide sind entsprechend als Erklärungen iSd Art 19 zu behandeln. Für zukünftige Übereinkünfte kommt im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft die alleinige Abschlusskompetenz zu.2 Für die von ihr abgeschlossenen anderen Übereinkünfte, die die Mitgliedstaaten binden, findet Art 19 Anwendung. Das Erklärungsrecht für diese Übereinkünfte steht der Europäischen Gemeinschaft zu. Für Übereinkünfte, die die Mitgliedstaaten vor Erlass der EG-UntVO abgeschlossen 3 haben oder denen sie beigetreten sind, gilt gemäß Art 19 Abs 1 HUntStProt 2007 und Art 69 Abs 1 und 2 EG-UntVO folgendes: Die Anwendung solcher früheren Übereinkünfte wird durch das HUntStProt 2007 nicht berührt. Die Mitgliedstaaten, die Vertragsstaaten solcher Übereinkünfte sind, können in Bezug auf diese eine Erklärung nach Art 19 Abs 1 abgeben. Weiteranwendung finden kann aufgrund dessen das deutsch-iranische Niederlassungsübereinkommen.3 Art 69 Abs 2 EG-UntVO schränkt den Grundsatz der Weiteranwendung früherer Übereinkünfte insoweit ein, als im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander das HUntStProt 2007 Vorrang vor Kollisionsnormen in solchen Übereinkommen hat. Deutschland ist von der Bestimmung nicht betroffen, da es nicht Teilnehmerstaat solcher Übereinkünfte ist. Als Beispiel hierfür lassen sich die noch in Kraft befindlichen bilateralen Rechtshilfeabkommen der osteuropäischen Mitgliedstaaten nennen, die auch Kollisionsnormen zum Unterhalt vorsehen.4 Diese werden durch das HUntStProt 2007 verdrängt. 1 2 3 4

Bei Redaktionsschluss noch Entwurf Europäische Kommission, 23.2.2009, KOM (2009) 81. Hierzu Art 15 EG-UntVO Rn 2, 13. Siehe hierzu Rn 5. ZB Nachweise für Rumänien, HCCH Prel Doc No 14 March 2005 Annex 2, Question 1 Romania.

Marianne Andrae

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Art 19 HUntStProt, 4, 5 Art 20 HUntStProt, 1

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

III. Vorrang von Einheitsrecht

4 Abs 2 erstreckt die Vorrangsregelung nach Abs 1 auch auf Einheitsrecht supranationalen Charakters, wie es in der EG durch sekundäres Gemeinschaftsrecht erlassen werden kann. IV.

Deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen

5 Art 8 Abs 3 deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen5 geht dem HUntStProt 2007 vor. Seine Anwendung setzt voraus, dass Unterhaltsberechtigter und -verpflichteter die iranische Staatsangehörigkeit besitzen. Hat wenigstens einer von ihnen auch die deutsche Staatsangehörigkeit oder besitzt den Status eines internationalen Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention, ist nicht das Niederlassungsabkommen, sondern das HUntStProt 2007 anzuwenden.6 Ist das Niederlassungsabkommen anwendbar, so regeln sich die Unterhaltspflichten zwischen iranischen Staatsangehörigen nach iranischem Recht, selbst soweit beide Parteien in Deutschland leben.7

Art 20

Einheitliche Auslegung Bei der Auslegung dieses Protokolls ist seinem internationalen Charakter und der Notwendigkeit, seine einheitliche Anwendung zu fördern, Rechnung zu tragen.

1 Diese Bestimmung richtet sich an die Gerichte/Behörden und auch Einrichtungen – wie die Jugendämter –, die das Protokoll in der Rechtspraxis anwenden. Sie werden darauf gelenkt, das HUntStProt 2007 entsprechend seinem internationalen Charakter auszulegen, und so die Einheitlichkeit der Anwendung in den Vertragsstaaten zu fördern. Wo es angebracht ist, sind ausländische Entscheidungen und Lehrmeinungen in die Betrachtung einzubeziehen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Konzepte und Prinzipien, die in der eigenen Rechtsordnung als unumstößlich angesehen werden, in anderen Rechtsordnungen unbekannt sind oder abgelehnt werden.1 Die erstrebte Vereinheitlichung wird in der Rechtswirklichkeit nur erreicht, wenn die befassten Gerichte/Behörden aufgeschlossen sind gegenüber Rechtsinstitutionen im ausländischen Recht. Der internationale Charakter des HUntStProt 2007 ist zB bei 5

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Niederlassungsabkommen zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien RGBl 1930 II 1006. Das Abkommen ist am 11.1.1931 in Kraft getreten (Bekanntmachung vom 31.12.1930, RGBl 1931 II 9). Weitergeltung ist nach dem 2. Weltkrieg mit Wirkung vom 4.11.1954 bestätigt worden (BGBl 1955 II 829). Ua BGH NJW 1990, 636; OLG Bremen IPRax 1985, 296. Ua OLG Zweibrücken FamRZ 2007, 1555; AG Kerpen FamRZ 2001, 1526. Hierzu für die identische Bestimmung des HUntVerfÜbk 2007 Borrás/Degeling-Bericht zum HUntVerfÜbk 2007 Rn 669.

November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 21 HUntStProt 1

der Qualifikation in Bezug auf die erfassten Rechtsbeziehungen und Ansprüche sowie die Auslegung von Begriffen wie dem des gewöhnlichen Aufenthalts oder die Anforderungen an die Einreden nach Art 5 und Art 6 zu beachten. Die Bestimmung besitzt empfehlenden Charakter. Von Art 20 haben sich sowohl die mitgliedstaatlichen Gerichte als auch der EuGH bei der Auslegung des HUntStProt 2007 leiten zu lassen. Andererseits ist die Rechtsprechung der Gerichte in den Mitgliedstaaten und des EuGH in anderen Vertragsstaaten – bei gleich gelagerten Fragen – in die Betrachtung einzubeziehen. 2

Art 21

Prüfung der praktischen Durchführung des Protokolls (1) Der Generalsekretär der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht beruft erforderlichenfalls eine Spezialkommission zur Prüfung der praktischen Durchführung dieses Protokolls ein. (2) Zu diesem Zweck arbeiten die Vertragsstaaten mit dem Ständigen Büro der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht bei der Sammlung der Rechtsprechung zur Anwendung dieses Protokolls zusammen.

Diese Bestimmung gehört inhaltlich zu Art 20. Danach obliegt es dem Ständigen Bü- 1 ro der Haager Konferenz, die Anwendung des HUntStProt 2007 in der Rechtspraxis der Staaten zu analysieren. Soweit es erforderlich ist, beruft der Generalsekretär eine Spezialkommission ein, die die in der praktischen Durchführung entstandenen Probleme erörtert und gegebenenfalls Vorschläge für Interpretationen oder auch notwendige Änderungen erarbeitet. So gab es zB zu dem HUntStÜbk 1973 sowohl 1995 als auch 1999 Treffen der Spezialkommission, die als Ausgangspunkt für die Erarbeitung des HUntVerfÜbk 2007 sowie des Protokolls angesehen werden können. Das Ständige Büro fördert den Beitritt von Staaten zum HUntStProt 2007 sowie dessen einheitliche Anwendung ua durch die Publikation des Protokolls, die Förderung der übereinstimmenden Auslegung durch die Errichtung und Unterhaltung einer Datenbank für Entscheidungen, Qualifizierung von auf diesem Gebiet tätigen Juristen sowie die Publikation von Guides für die Rechtspraxis. Das Ständige Büro kann diese Aufgaben nur erfüllen, wenn die Vertragsstaaten mit ihm kooperieren. Abs 2 verpflichtet in diesem Zusammenhang die Vertragsstaaten, dem Ständigen Büro für die Sammlung von Rechtsprechung zum Protokoll zuzuarbeiten.

2

Hierzu Art 15 EG-UntVO Rn 24 ff.

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Art 22 HUntStProt 1-5

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 22

Übergangsbestimmungen Dieses Protokoll findet keine Anwendung auf Unterhalt, der in einem Vertragsstaat für einen Zeitraum vor Inkrafttreten des Protokolls in diesem Staat verlangt wird.

1 Die Vorschrift entspricht Art 12 des HUntStÜbk 1973. Aufgrund der Bestimmung kommt es für eine bereits bestehende Unterhaltsbeziehung mit dem Inkrafttreten des Protokolls zu einem Wechsel des maßgeblichen Kollisionsrechts. Bezogen auf Unterhaltspflichten für den Zeitraum vor Inkrafttreten des HUntStProt 2007 bleibt es beim bisherigen Kollisionsrecht. Für den Zeitraum ab Inkrafttreten kommt das HUntStProt 2007 zur Anwendung. Wegen der erheblichen Änderungen der kollisionsrechtlichen Anknüpfungen kann ein Statutenwechsel eintreten. 2 Die intertemporale Überleitungsbestimmung gilt auch für den nachehelichen Unterhalt. Die Erweiterung der Einrede der kumulativen Anknüpfung nach Art 6 kann dazu führen, dass ein bisher bestehender Unterhaltsanspruch, zB eines Elternteils gegen ein Kind, wegfällt. 3 Art 22 berührt nicht Unterhaltsentscheidungen, die vor diesem Zeitpunkt erlassen worden sind, auch wenn sie den Unterhalt für die Zeit danach regeln. Ein Wechsel des maßgeblichen Rechts aufgrund veränderter kollisionsrechtlicher Anknüpfungen allein stellt keinen Grund für die Änderung der Entscheidungen dar. Die Wirkungen der Rechtskraft einer Entscheidung, einschließlich einer ausländischen Entscheidung aufgrund ihrer Anerkennung, werden durch die Änderung des Kollisionsrechts nicht berührt. Liegen tatsächliche Umstände vor, die eine Änderung der Unterhaltsverpflichtung für den Zeitraum nach Inkrafttreten des HUntStProt 2007 rechtfertigen, so sind diese nach dem gemäß Protokoll maßgeblichen Recht zu bewerten, soweit die relevanten Rechtsfragen als materiell-rechtlich zu qualifizieren sind.1 4 Für vollstreckbare gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden iSd Art 48 EGUntVO kommt es darauf an, ob ein Antrag auf Abänderung nach dem Prozessrecht der lex fori zulässig ist. Nach deutschem Recht trifft dies zu, sofern der Antragsteller Tatsachen vorträgt, die die Abänderung rechtfertigen (§ 239 Abs 1 FamFG). Hierzu gehört nicht die Änderung des Kollisionsrechts. Die weiteren Voraussetzungen und der Umfang der Änderung sind als materiell-rechtlich zu qualifizieren und richten sich für die Zeit nach Inkrafttreten nach dem gemäß HUntStProt 2007 anwendbaren Recht. 5 Für Mitgliedstaaten der EG, die gemäß Art 15 EG-UntVO durch das Protokoll gebunden sind, sieht Art 4 des Abschlussentwurfs des Rates zum Abschluss des Protokolls über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht2 eine spezielle intertemporale

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Zur Anwendung von Unterhaltsentscheidungen siehe Einleitung Rn 29 ff. Europäische Kommission, 23.2.2009, KOM (2009) 81.

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 23 HUntStProt, 1 Art 24 HUntStProt

Überleitungsregelung vor, die Vorrang vor Art 22 hat.3 Danach findet Art 22 nur Anwendung, wenn das Verfahren in einem Mitgliedstaat vor dem 18.6.2011 eingeleitet worden ist. Verfahren, die ab dem 18.6.2011 eingeleitet werden, unterliegen dem HUntStProt 2007, unabhängig davon für welchen Zeitpunkt der Unterhalt geschuldet wird. Das Gleiche gilt für seit dem 18.6.2011 abgeschlossene gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden iSd Art 48 EG-UntVO.

Art 23

Unterzeichnung, Ratifikation und Beitritt (1) Dieses Protokoll liegt für alle Staaten zur Unterzeichnung auf. (2) Dieses Protokoll bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Unterzeichnerstaaten. (3) Dieses Protokoll steht allen Staaten zum Beitritt offen. (4) Die Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden werden beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten des Königreichs der Niederlande, dem Verwahrer dieses Protokolls, hinterlegt.

Nach dieser Bestimmung handelt es sich beim HUntStProt 2007 um ein völkerrecht- 1 liches Übereinkommen, das allen Staaten zum Beitritt offen steht, also auch Staaten, die nicht Teilnehmerstaaten der Haager Konferenz sind. Die Vorschrift verdeutlicht auch, dass ein Staat dem Protokoll beitreten kann, ohne Teilnehmerstaat des HUntVerfÜbk 2007 zu sein.1

Art 24

Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration (1) Eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die ausschließlich von souveränen Staaten gebildet wird und für einige oder alle in diesem Protokoll geregelten Angelegenheiten zuständig ist, kann das Protokoll ebenfalls unterzeichnen, annehmen, genehmigen oder ihm beitreten. Die Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hat in diesem Fall die Rechte und Pflichten eines Vertragsstaats in dem Umfang, in dem sie für Angelegenheiten zuständig ist, die im Protokoll geregelt sind. (2) Die Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration notifiziert dem Depositar bei der Unterzeichnung, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt schriftlich die in diesem Protokoll geregelten Angelegenheiten, für die ihr von ihren Mitgliedstaaten die Zuständigkeit übertragen wurde. Die Organisation notifiziert dem Depositar umgehend schriftlich jede Veränderung ihrer Zuständigkeit gegenüber der letzten Notifikation nach diesem Absatz.

3 1

Siehe hierzu Art 15 EG-UntVO Rn 19 f. Zum Verhältnis beider Rechtsinstrumente siehe Einl Rn 5 ff.

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Art 24 HUntStProt, 1 Art 25 HUntStProt

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

(3) Eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration kann bei der Unterzeichnung, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt nach Artikel 28 erklären, dass sie für alle in diesem Protokoll geregelten Angelegenheiten zuständig ist und dass die Mitgliedstaaten, die ihre Zuständigkeit in diesem Bereich der Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration übertragen haben, aufgrund der Unterzeichnung, der Annahme, der Genehmigung oder des Beitritts der Organisation durch das Protokoll gebunden sein werden. (4) Für das Inkrafttreten dieses Protokolls zählt eine von einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hinterlegte Urkunde nicht, es sei denn, die Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration gibt eine Erklärung nach Absatz 3 ab. (5) Jede Bezugnahme in diesem Protokoll auf einen „Vertragsstaat“ oder „Staat“ gilt gegebenenfalls gleichermaßen für eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragspartei des Protokolls ist. Gibt eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration eine Erklärung nach Absatz 3 ab, so gilt jede Bezugnahme im Protokoll auf einen „Vertragsstaat“ oder „Staat“ gegebenenfalls gleichermaßen für die betroffenen Mitgliedstaaten der Organisation.

1 Die Bestimmung eröffnet einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration die Teilnahme am HUntStProt 2007. Sie ist aufgenommen worden, um der EG den Beitritt zu ermöglichen. Da sie allgemein gefasst ist, steht auch für andere Wirtschaftsorganisationen regionalen Charakters die Teilnahme offen. Dabei versteht es sich von selbst, dass es sich um einen Zusammenschluss von Staaten handeln muss. Einzelheiten, die den Beitritt der EG und die Bindung ihrer Mitgliedstaaten an das Protokoll betreffen, sind unter Art 15 EG-UntVO dargestellt.

Art 25

Inkrafttreten (1) Dieses Protokoll tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der Hinterlegung der zweiten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde nach Artikel 23 folgt. (2) Danach tritt dieses Protokoll wie folgt in Kraft: a) für jeden Staat oder jede Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration nach Artikel 24, der oder die es später ratifiziert, annimmt oder genehmigt oder ihm später beitritt, am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnittvon drei Monaten nach Hinterlegung seiner oder ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde folgt; b) für die Gebietseinheiten, auf die das Protokoll nach Artikel 26 erstreckt worden ist, am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der in jenem Artikel vorgesehenen Notifikation folgt.

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November 2009

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B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 26-28 HUntStProt

Art 26

Erklärungen in Bezug auf nicht einheitliche Rechtssysteme (1) Ein Staat, der aus zwei oder mehr Gebietseinheiten besteht, in denen für die in diesem Protokoll geregelten Angelegenheiten unterschiedliche Rechtssysteme gelten, kann bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt nach Artikel 28 erklären, dass das Protokoll auf alle seine Gebietseinheiten oder nur auf eine oder mehrere davon erstreckt wird; er kann diese Erklärung durch Abgabe einer neuen Erklärung jederzeit ändern. (2) Jede derartige Erklärung wird dem Verwahrer unter ausdrücklicher Bezeichnung der Gebietseinheiten notifiziert, auf die das Protokoll angewendet wird. (3) Gibt ein Staat keine Erklärung nach diesem Artikel ab, so erstreckt sich das Protokoll auf sein gesamtes Hoheitsgebiet. (4) Dieser Artikel ist nicht anzuwenden auf Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration.

Art 27

Vorbehalte Vorbehalte zu diesem Protokoll sind nicht zulässig.

Art 28

Erklärungen (1) Erklärungen nach Artikel 24 Absatz 3 und Artikel 26 Absatz 1 können bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt oder jederzeit danach abgegeben und jederzeit geändert oder zurückgenommen werden. (2) Jede Erklärung, Änderung und Rücknahme wird dem Verwahrer notifiziert. (3) Eine bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt abgegebene Erklärung wird mit Inkrafttreten dieses Protokolls für den betreffenden Staat wirksam. (4) Eine zu einem späteren Zeitpunkt abgegebene Erklärung und jede Änderung oder Rücknahme einer Erklärung werden am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer folgt.

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Art 29, 30 HUntStProt

B.IV.1 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht

Art 29

Kündigung (1) Jeder Vertragsstaat kann dieses Protokoll durch eine an den Verwahrer gerichtete schriftliche Notifikation kündigen. Die Kündigung kann sich auf bestimmte Gebietseinheiten eines Staates mit nicht einheitlichen Rechtssystemen beschränken, auf die das Protokoll angewendet wird. (2) Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von 12 Monaten nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer folgt. Ist in der Notifikation für das Wirksamwerden der Kündigung ein längerer Zeitabschnitt angegeben, so wird die Kündigung nach Ablauf des entsprechenden Zeitabschnitts nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer wirksam.

Art 30

Notifikation Der Verwahrer notifiziert den Mitgliedern der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht sowie den anderen Staaten und Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die dieses Protokoll nach den Artikeln 23 und 24 unterzeichnet, ratifiziert, angenommen oder genehmigt haben oder ihm beigetreten sind, a) jede Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme und Genehmigung sowie jeden Beitritt nach den Artikeln 23 und 24; b) den Tag, an dem das Protokoll nach Artikel 25 in Kraft tritt; c) jede Erklärung nach Artikel 24 Absatz 3 und Artikel 26 Absatz 1; d) jede Kündigung nach Artikel 29.

Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Protokoll unterschrieben. Geschehen in Den Haag am 23. November 2007 in englischer und französischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv der Regierung des Königreichs der Niederlande hinterlegt und von der jedem Staat, der zur Zeit der Einundzwanzigsten Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Mitglied der Konferenz war, sowie jedem anderen Staat, der an dieser Tagung teilgenommen hat, auf diplomatischem Weg eine beglaubigte Abschrift übermittelt wird.

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November 2009

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Gesetzesanhang Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz – IntFamRVG Verkündet in Art 1 Gesetz zum internationalen Familienrechts v 26.1.2005, BGBl 2005 I 162 Geändert durch Art 4 Abs 11 Gesetz zur Errichtung und zur Regelung der Aufgaben des Bundesamts für Justiz v 17.12.2006, BGBl 2006 I 3171 Geändert durch Art 7 Abs 8 Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft v 26.3.2007, BGBl 2007 I 358 Geändert durch Art 2 Gesetz zur Änderung des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes v 17.4.2007, BGBl 2007 I 529, 1058 Geändert durch Art 45 Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG) v 17.12.2008, BGBl 2008 I 2586 Geändert durch Art 1 Gesetz zur Änderung des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes v 25.6.2009, BGBl 2009 I 1594 Geändert durch Art 8 Gesetz über die Internetversteigerung in der Zwangsvollstreckung und die Änderung anderer Gesetze v 30.7.2009, BGBl 2009 I 2474

Inhaltsübersicht Abschnitt 1 Anwendungsbereich; Begriffsbestimmungen § 1 Anwendungsbereich § 2 Begriffsbestimmungen Abschnitt 2 Zentrale Behörde; Jugendamt § 3 Bestimmung der Zentralen Behörde § 4 Übersetzungen bei eingehenden Ersuchen § 5 Übersetzungen bei ausgehenden Ersuchen § 6 Aufgabenerfüllung durch die Zentrale Behörde § 7 Aufenthaltsermittlung § 8 Anrufung des Oberlandesgerichts § 9 Mitwirkung des Jugendamts an Verfahren

Thomas Rauscher

Abschnitt 3 Gerichtliche Zuständigkeit und Zuständigkeitskonzentration § 10 Örtliche Zuständigkeit für die Anerkennung und Vollstreckung § 11 Örtliche Zuständigkeit nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen § 12 Zuständigkeitskonzentration § 13 Zuständigkeitskonzentration für andere Familiensachen § 13a Verfahren bei grenzüberschreitender Abgabe Abschnitt 4 Allgemeine gerichtliche Verfahrensvorschriften § 14 Familiengerichtliches Verfahren § 15 Einstweilige Anordnungen

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IntFamRVG Abschnitt 5 Zulassung der Zwangsvollstreckung, Anerkennungsfeststellung und Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses Unterabschnitt 1 Zulassung der Zwangsvollstreckung im ersten Rechtszug § 16 Antragstellung § 17 Zustellungsbevollmächtigter § 18 Einseitiges Verfahren § 19 Besondere Regelungen zum Europäischen Sorgerechtsübereinkommen § 20 Entscheidung § 21 Bekanntmachung der Entscheidung § 22 Wirksamwerden der Entscheidung § 23 Vollstreckungsklausel Unterabschnitt 2 Beschwerde § 24 Einlegung der Beschwerde; Beschwerdefrist § 25 Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch § 26 Verfahren und Entscheidung über die Beschwerde § 27 Anordnung der sofortigen Wirksamkeit

Gesetzesanhang Unterabschnitt 6 Aufhebung oder Änderung von Beschlüssen § 34 Verfahren auf Aufhebung oder Änderung § 35 Schadensersatz wegen ungerechtfertigter Vollstreckung Unterabschnitt 7 Vollstreckungsgegenklage § 36 Vollstreckungsgegenklage bei Titeln über Verfahrenskosten Abschnitt 6 Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen § 37 Anwendbarkeit § 38 Beschleunigtes Verfahren § 39 Übermittlung von Entscheidungen § 40 Wirksamkeit der Entscheidung; Rechtsmittel § 41 Bescheinigung über Widerrechtlichkeit § 42 Einreichung von Anträgen bei dem Amtsgericht § 43 Verfahrenskosten- und Beratungshilfe Abschnitt 7 Vollstreckung § 44 Ordnungsmittel; Vollstreckung von Amts wegen

Unterabschnitt 3 Rechtsbeschwerde § 28 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde § 29 Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde § 30 Verfahren und Entscheidung über die Rechtsbeschwerde § 31 Anordnung der sofortigen Wirksamkeit

Abschnitt 8 Grenzüberschreitende Unterbringung § 45 Zuständigkeit für die Zustimmung zu einer Unterbringung § 46 Konsultationsverfahren § 47 Genehmigung des Familiengerichts

Unterabschnitt 4 Feststellung der Anerkennung § 32 Anerkennungsfeststellung

Abschnitt 9 Bescheinigungen zu inländischen Entscheidungen nach der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 § 48 Ausstellung von Bescheinigungen § 49 Berichtigung von Bescheinigungen

Unterabschnitt 5 Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses § 33 Anordnung auf Herausgabe des Kindes

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Abschnitt 10 Kosten §§ 50 bis 53 (weggefallen) § 54 Übersetzungen

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Gesetzesanhang Abschnitt 11 Übergangsvorschriften § 55 Übergangsvorschriften zu der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003

§ 56 Übergangsvorschriften zum Sorgerechtsübereinkommens- Ausführungsgesetz

Abschnitt 1 Anwendungsbereich; Begriffsbestimmungen § 1 Anwendungsbereich Dieses Gesetz dient 1. der Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr.1347/2000 (ABl. EU Nr. L 338 S.1); 2. der Ausführung des Haager Übereinkommens vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (BGBl. 2009 II S. 602, 603) – im Folgenden: Haager Kinderschutzübereinkommen; 3. der Ausführung des Haager Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (BGBl. 1990 II S. 207) – im Folgenden: Haager Kindesentführungsübereinkommen; 4. der Ausführung des Luxemburger Europäischen Übereinkommens vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (BGBl. 1990 II S. 220) – im Folgenden: Europäisches Sorgerechtsübereinkommen.

§ 2 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Gesetzes sind „Titel“ Entscheidungen, Vereinbarungen und öffentliche Urkunden, auf welche die durchzuführende EG-Verordnung oder das jeweils auszuführende Übereinkommen Anwendung findet.

Abschnitt 2 Zentrale Behörde; Jugendamt § 3 Bestimmung der Zentralen Behörde (1) Zentrale Behörde nach 1. Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, 2. Artikel 29 des Haager Kinderschutzübereinkommens,

Thomas Rauscher

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Gesetzesanhang

3. Artikel 6 des Haager Kindesentführungsübereinkommens, 4. Artikel 2 des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens ist das Bundesamt für Justiz. (2) Das Verfahren der Zentralen Behörde gilt als Justizverwaltungsverfahren.

§ 4 Übersetzungen bei eingehenden Ersuchen (1) Die Zentrale Behörde, bei der ein Antrag aus einem anderen Staat nach der Verordnung (EG) Nr. 2201/ 2003 oder nach dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen eingeht, kann es ablehnen, tätig zu werden, solange Mitteilungen oder beizufügende Schriftstücke nicht in deutscher Sprache abgefasst oder von einer Übersetzung in diese Sprache begleitet sind. (2) Ist ein Schriftstück nach Artikel 54 des Haager Kinderschutzübereinkommens oder nach Artikel 24 Abs.1 des Haager Kindesentführungsübereinkommens ausnahmsweise nicht von einer deutschen Übersetzung begleitet, so veranlasst die Zentrale Behörde die Übersetzung.

§ 5 Übersetzungen bei ausgehenden Ersuchen (1) Beschafft die antragstellende Person erforderliche Übersetzungen für Anträge, die in einem anderen Staat zu erledigen sind, nicht selbst, veranlasst die Zentrale Behörde die Übersetzungen auf Kosten der antragstellenden Person. (2) Das Amtsgericht, in dessen Bezirk die antragstellende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder bei Fehlen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland ihren tatsächlichen Aufenthalt hat, befreit die antragstellende Person auf Antrag von einer Erstattungspflicht, wenn diese die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe ohne einen eigenen Beitrag zu den Kosten nach den Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfüllt.

§ 6 Aufgabenerfüllung durch die Zentrale Behörde (1) Zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben veranlasst die Zentrale Behörde mit Hilfe der zuständigen Stellen alle erforderlichen Maßnahmen. Sie verkehrt unmittelbar mit allen zuständigen Stellen im In- und Ausland. Mitteilungen leitet sie unverzüglich an die zuständigen Stellen weiter. (2) Zum Zweck der Ausführung des Haager Kindesentführungsübereinkommens und des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens leitet die Zentrale Behörde erforderlichenfalls gerichtliche Verfahren ein. Im Rahmen dieser Übereinkommen gilt sie zum Zweck der Rückgabe des Kindes als bevollmächtigt, im Namen der antragstellenden Person selbst oder im Weg der Untervollmacht durch Vertreter gerichtlich oder außergerichtlich tätig zu werden. Ihre Befugnis, zur Sicherung der Einhaltung der Übereinkommen im eigenen Namen entsprechend zu handeln, bleibt unberührt.

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§ 7 Aufenthaltsermittlung (1) Die Zentrale Behörde trifft alle erforderlichen Maßnahmen einschließlich der Einschaltung von Polizeivollzugsbehörden, um den Aufenthaltsort des Kindes zu ermitteln, wenn dieser unbekannt ist und Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich das Kind im Inland befindet. (2) Soweit zur Ermittlung des Aufenthalts des Kindes erforderlich, darf die Zentrale Behörde bei dem Kraftfahrt-Bundesamt erforderliche Halterdaten nach § 33 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 des Straßenverkehrsgesetzes erheben und die Leistungsträger im Sinne der §§ 18 bis 29 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch um Mitteilung des derzeitigen Aufenthalts einer Person ersuchen. (3) Unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 kann die Zentrale Behörde die Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung durch das Bundeskriminalamt veranlassen. Sie kann auch die Speicherung eines Suchvermerks im Zentralregister veranlassen. (4) Soweit andere Stellen eingeschaltet werden, übermittelt sie ihnen die zur Durchführung der Maßnahmen erforderlichen personenbezogenen Daten; diese dürfen nur für den Zweck verwendet werden, für den sie übermittelt worden sind.

§ 8 Anrufung des Oberlandesgerichts (1) Nimmt die Zentrale Behörde einen Antrag nicht an oder lehnt sie es ab, tätig zu werden, so kann die Entscheidung des Oberlandesgerichts beantragt werden. (2) Zuständig ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk die Zentrale Behörde ihren Sitz hat. (3) Das Oberlandesgericht entscheidet im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. § 14 Abs.1 und 2 sowie die Abschnitte 4 und 5 des Buches 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten entsprechend.

§ 9 Mitwirkung des Jugendamts an Verfahren (1) Unbeschadet der Aufgaben des Jugendamts bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit unterstützt das Jugendamt die Gerichte und die Zentrale Behörde bei allen Maßnahmen nach diesem Gesetz. Insbesondere 1. gibt es auf Anfrage Auskunft über die soziale Lage des Kindes und seines Umfelds, 2. unterstützt es in jeder Lage eine gütliche Einigung, 3. leistet es in geeigneten Fällen Unterstützung bei der Durchführung des Verfahrens, auch bei der Sicherung des Aufenthalts des Kindes, 4. leistet es in geeigneten Fällen Unterstützung bei der Ausübung des Rechts zum persönlichen Umgang, der Heraus- oder Rückgabe des Kindes sowie der Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen. (2) Zuständig ist das Jugendamt, in dessen Bereich sich das Kind gewöhnlich aufhält. Solange die Zentrale Behörde oder ein Gericht mit einem Herausgabe- oder Rückgabeantrag oder dessen Vollstreckung befasst ist, oder wenn das Kind keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, oder das zuständige Jugendamt nicht tätig wird, ist das Jugendamt zuständig, in dessen Bereich sich das Kind tatsächlich aufhält. In den Fällen des Artikels 35 Absatz 2 Satz 1 des Haager Kinderschutzübereinkommens ist das Jugendamt örtlich zuständig, in dessen Bezirk der antragstellende Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. (3) Das Gericht unterrichtet das zuständige Jugendamt über Entscheidungen nach diesem Gesetz auch dann, wenn das Jugendamt am Verfahren nicht beteiligt war.

Thomas Rauscher

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Gesetzesanhang

Abschnitt 3 Gerichtliche Zuständigkeit und Zuständigkeitskonzentration § 10 Örtliche Zuständigkeit für die Anerkennung und Vollstreckung Örtlich ausschließlich zuständig für Verfahren nach – Artikel 21 Abs. 3 und Artikel 48 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 sowie für die Zwangsvollstreckung nach den Artikeln 41 und 42 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, – den Artikeln 24 und 26 des Haager Kinderschutzübereinkommens, – dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen ist das Familiengericht, in dessen Zuständigkeitsbereich zum Zeitpunkt der Antragstellung 1. die Person, gegen die sich der Antrag richtet, oder das Kind, auf das sich die Entscheidung bezieht, sich gewöhnlich aufhält oder 2. bei Fehlen einer Zuständigkeit nach Nummer 1 das Interesse an der Feststellung hervortritt oder das Bedürfnis der Fürsorge besteht, 3. sonst das im Bezirk des Kammergerichts zur Entscheidung berufene Gericht.

§ 11 Örtliche Zuständigkeit nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen Örtlich zuständig für Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen ist das Familiengericht, in dessen Zuständigkeitsbereich 1. sich das Kind beim Eingang des Antrags bei der Zentralen Behörde aufgehalten hat oder 2. bei Fehlen einer Zuständigkeit nach Nummer 1 das Bedürfnis der Fürsorge besteht.

§ 12 Zuständigkeitskonzentration (1) In Verfahren über eine in den §§ 10 und 11 bezeichnete Sache sowie in Verfahren über die Vollstreckbarerklärung nach Artikel 28 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 entscheidet das Familiengericht, in dessen Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat, für den Bezirk dieses Oberlandesgerichts. (2) Im Bezirk des Kammergerichts entscheidet das Familiengericht Pankow/Weißensee. (3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Zuständigkeit durch Rechtsverordnung einem anderen Familiengericht des Oberlandesgerichtsbezirks oder, wenn in einem Land mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind, einem Familiengericht für die Bezirke aller oder mehrerer Oberlandesgerichte zuzuweisen. Sie können die Ermächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.

§ 13 Zuständigkeitskonzentration für andere Familiensachen (1) Das Familiengericht, bei dem eine in den §§ 10 bis 12 bezeichnete Sache anhängig wird, ist von diesem Zeitpunkt an ungeachtet des § 137 Abs.1 und 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für alle dasselbe Kind betreffenden Familiensachen nach § 151 Nr.1 bis 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten

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Gesetzesanhang

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der freiwilligen Gerichtsbarkeit einschließlich der Verfügungen nach § 44 und den §§ 35 und 89 bis 94 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständig. Die Zuständigkeit nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn der Antrag offensichtlich unzulässig ist. Sie entfällt, sobald das angegangene Gericht auf Grund unanfechtbarer Entscheidung unzuständig ist; Verfahren, für die dieses Gericht hiernach seine Zuständigkeit verliert, sind nach näherer Maßgabe des § 281 Abs. 2 und 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung von Amts wegen an das zuständige Gericht abzugeben. Bei dem Familiengericht, das in dem Oberlandesgerichtsbezirk, in dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, für Anträge der in Absatz 1 Satz 1 genannten Art zuständig ist, kann auch eine andere Familiensache nach § 151 Nr.1 bis 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anhängig gemacht werden, wenn ein Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Haager Kinderschutzübereinkommens, des Haager Kindesentführungsübereinkommens oder des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens hat. Im Falle des Absatzes 1 Satz 1 hat ein anderes Familiengericht, bei dem eine dasselbe Kind betreffende Familiensache nach § 151 Nr.1 bis 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit im ersten Rechtszug anhängig ist oder anhängig wird, dieses Verfahren von Amts wegen an das nach Absatz 1 Satz 1 zuständige Gericht abzugeben. Auf übereinstimmenden Antrag beider Elternteile sind andere Familiensachen, an denen diese beteiligt sind, an das nach Absatz 1 oder Absatz 2 zuständige Gericht abzugeben. § 281 Abs. 2 Satz 1 bis 3 und Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Familiengericht, das gemäß Absatz 1 oder Absatz 2 zuständig oder an das die Sache gemäß Absatz 3 abgegeben worden ist, kann diese aus wichtigen Gründen an das nach den allgemeinen Vorschriften zuständige Familiengericht abgeben oder zurückgeben, soweit dies nicht zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens führt. Als wichtiger Grund ist es in der Regel anzusehen, wenn die besondere Sachkunde des erstgenannten Gerichts für das Verfahren nicht oder nicht mehr benötigt wird. § 281 Abs. 2 und 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Die Ablehnung einer Abgabe nach Satz 1 ist unanfechtbar. §§ 4 und 5 Abs.1 Nr. 5, Abs. 2 und 3 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bleiben unberührt.

§ 13a Verfahren bei grenzüberschreitender Abgabe (1) Ersucht das Familiengericht das Gericht eines anderen Vertragsstaats nach Artikel 8 des Haager Kinderschutzübereinkommens um Übernahme der Zuständigkeit, so setzt es eine Frist, innerhalb derer das ausländische Gericht die Übernahme der Zuständigkeit mitteilen kann. Setzt das Familiengericht das Verfahren nach Artikel 8 des Haager Kinderschutzübereinkommens aus, setzt es den Parteien eine Frist, innerhalb derer das ausländische Gericht anzurufen ist. Ist die Frist nach Satz 1 abgelaufen, ohne dass das ausländische Gericht die Übernahme der Zuständigkeit mitgeteilt hat, so ist in der Regel davon auszugehen, dass das ersuchte Gericht die Übernahme der Zuständigkeit ablehnt. Ist die Frist nach Satz 2 abgelaufen, ohne dass eine Partei das ausländische Gericht angerufen hat, bleibt es bei der Zuständigkeit des Familiengerichts. Das Gericht des ersuchten Staates und die Parteien sind auf diese Rechtsfolgen hinzuweisen. (2) Ersucht ein Gericht eines anderen Vertragsstaats das Familiengericht nach Artikel 8 des Haager Kinderschutzübereinkommens um Übernahme der Zuständigkeit oder ruft eine Partei das Familiengericht nach dieser Vorschrift an, so kann das Familiengericht die Zuständigkeit innerhalb von 6 Wochen übernehmen.

Thomas Rauscher

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IntFamRVG

Gesetzesanhang

(3) Die Absätze 1 und 2 sind auf Anträge, Ersuchen und Entscheidungen nach Artikel 9 des Haager Kinderschutzübereinkommens entsprechend anzuwenden. (4) Der Beschluss des Familiengerichts 1. das ausländische Gericht nach Absatz 1 Satz 1 oder nach Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 um Übernahme der Zuständigkeit zu ersuchen, 2. das Verfahren nach Absatz 1 Satz 2 oder nach Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 auszusetzen, 3. das zuständige ausländische Gericht nach Artikel 9 des Kinderschutzübereinkommens oder nach Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 um Abgabe der Zuständigkeit zu ersuchen, 4. die Parteien einzuladen, bei dem zuständigen ausländischen Gericht nach Artikel 9 des Haager Kinderschutzübereinkommens die Abgabe der Zuständigkeit an das Familiengericht zu beantragen, oder 5. die Zuständigkeit auf Ersuchen eines ausländischen Gerichts oder auf Antrag der Parteien nach Artikel 9 des Haager Kinderschutzübereinkommens an das ausländische Gericht abzugeben, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572 der Zivilprozessordnung anfechtbar. Die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen. Die in Satz 1 genannten Beschlüsse werden erst mit ihrer Rechtskraft wirksam. Hierauf ist in dem Beschluss hinzuweisen. (5) Im Übrigen sind Beschlüsse nach den Artikeln 8 und 9 des Haager Kinderschutzübereinkommens und nach Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 unanfechtbar. (6) Parteien im Sinne dieser Vorschrift sowie der Artikel 8 und 9 des Haager Kinderschutzübereinkommens und des Artikels 15 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 sind die in § 7 Absatz 1 und 2 Nummer 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit genannten Beteiligten. Die Vorschriften über die Hinzuziehung weiterer Beteiligter bleiben unberührt.

Abschnitt 4 Allgemeine gerichtliche Verfahrensvorschriften § 14 Familiengerichtliches Verfahren Soweit nicht anders bestimmt, entscheidet das Familiengericht 1. über eine in den §§ 10 und 12 bezeichnete Ehesache nach den hierfür geltenden Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 2. über die übrigen in den §§ 10, 11, 12 und 47 bezeichneten Angelegenheiten als Familiensachen im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

§ 15 Einstweilige Anordnungen Das Gericht kann auf Antrag oder von Amts wegen einstweilige Anordnungen treffen, um Gefahren von dem Kind abzuwenden oder eine Beeinträchtigung der Interessen der Beteiligten zu vermeiden, insbesondere um den Aufenthaltsort des Kindes während des Verfahrens zu sichern oder eine Vereitelung oder Erschwerung der Rückgabe zu verhindern; Abschnitt 4 des Buches 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt entsprechend.

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Gesetzesanhang

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Abschnitt 5 Zulassung der Zwangsvollstreckung, Anerkennungsfeststellung und Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses Unterabschnitt 1 Zulassung der Zwangsvollstreckung im ersten Rechtszug § 16 Antragstellung (1) Mit Ausnahme der in den Artikeln 41 und 42 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 aufgeführten Titel wird der in einem anderen Staat vollstreckbare Titel dadurch zur Zwangsvollstreckung zugelassen, dass er auf Antrag mit der Vollstreckungsklausel versehen wird. (2) Der Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel kann bei dem zuständigen Familiengericht schriftlich eingereicht oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden. (3) Ist der Antrag entgegen § 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht in deutscher Sprache abgefasst, so kann das Gericht der antragstellenden Person aufgeben, eine Übersetzung des Antrags beizubringen, deren Richtigkeit von einer 1. in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder 2. in einem anderen Vertragsstaat eines auszuführenden Übereinkommens hierzu befugten Person bestätigt worden ist.

§ 17 Zustellungsbevollmächtigter (1) Hat die antragstellende Person in dem Antrag keinen Zustellungsbevollmächtigten im Sinne des § 184 Abs.1 Satz 1 der Zivilprozessordnung benannt, so können bis zur nachträglichen Benennung alle Zustellungen an sie durch Aufgabe zur Post (§ 184 Abs.1 Satz 2, Abs. 2 der Zivilprozessordnung) bewirkt werden. (2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die antragstellende Person einen Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren bestellt hat, an den im Inland zugestellt werden kann.

§ 18 Einseitiges Verfahren (1) Im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 und des Haager Kinderschutzübereinkommens erhält im erstinstanzlichen Verfahren auf Zulassung der Zwangsvollstreckung nur die antragstellende Person Gelegenheit, sich zu äußern. Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung. Jedoch kann eine mündliche Erörterung mit der antragstellenden oder einer von ihr bevollmächtigten Person stattfinden, wenn diese hiermit einverstanden ist und die Erörterung der Beschleunigung dient. (2) Abweichend von § 130 Abs.1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist in Ehesachen im ersten Rechtszug eine anwaltliche Vertretung nicht erforderlich.

Thomas Rauscher

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§ 19 Besondere Regelungen zum Europäischen Sorgerechtsübereinkommen Die Vollstreckbarerklärung eines Titels aus einem anderen Vertragsstaat des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens ist auch in den Fällen der Artikel 8 und 9 des Übereinkommens ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des Artikels 10 Abs.1 Buchstabe a oder b des Übereinkommens vorliegen, insbesondere wenn die Wirkungen des Titels mit den Grundrechten des Kindes oder eines Sorgeberechtigten unvereinbar wären.

§ 20 Entscheidung (1) Ist die Zwangsvollstreckung aus dem Titel zuzulassen, so beschließt das Gericht, dass der Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. In dem Beschluss ist die zu vollstreckende Verpflichtung in deutscher Sprache wiederzugeben. Zur Begründung des Beschlusses genügt in der Regel die Bezugnahme auf die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 oder den auszuführenden Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag sowie auf die von der antragstellenden Person vorgelegten Urkunden. (2) Auf die Kosten des Verfahrens ist § 81 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend anzuwenden; in Ehesachen gilt § 788 der Zivilprozessordnung entsprechend. (3) Ist der Antrag nicht zulässig oder nicht begründet, so lehnt ihn das Gericht durch mit Gründen versehenen Beschluss ab. Für die Kosten gilt Absatz 2; in Ehesachen sind die Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen.

§ 21 Bekanntmachung der Entscheidung (1) Im Falle des § 20 Abs.1 sind der verpflichteten Person eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses, eine beglaubigte Abschrift des noch nicht mit der Vollstreckungsklausel versehenen Titels und gegebenenfalls seiner Übersetzung sowie der gemäß § 20 Abs.1 Satz 3 in Bezug genommenen Urkunden von Amts wegen zuzustellen. Ein Beschluss nach § 20 Abs. 3 ist der verpflichteten Person formlos mitzuteilen. (2) Der antragstellenden Person sind eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses nach § 20, im Falle des § 20 Abs.1 ferner eine Bescheinigung über die bewirkte Zustellung zu übersenden. Die mit der Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung des Titels ist der antragstellenden Person erst dann zu übersenden, wenn der Beschluss nach § 20 Abs.1 wirksam geworden und die Vollstreckungsklausel erteilt ist. (3) In einem Verfahren, das die Vollstreckbarerklärung einer die elterliche Verantwortung betreffenden Entscheidung zum Gegenstand hat, sind Zustellungen auch an den gesetzlichen Vertreter des Kindes, an den Vertreter des Kindes im Verfahren, an das Kind selbst, soweit es das 14. Lebensjahr vollendet hat, an einen Elternteil, der nicht am Verfahren beteiligt war, sowie an das Jugendamt zu bewirken. (4) Handelt es sich bei der für vollstreckbar erklärten Maßnahme um eine Unterbringung, so ist der Beschluss auch dem Leiter der Einrichtung oder der Pflegefamilie bekannt zu machen, in der das Kind untergebracht werden soll.

§ 22 Wirksamwerden der Entscheidung Der Beschluss nach § 20 wird erst mit seiner Rechtskraft wirksam. Hierauf ist in dem Beschluss hinzuweisen.

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§ 23 Vollstreckungsklausel (1) Auf Grund eines wirksamen Beschlusses nach § 20 Abs.1 erteilt der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die Vollstreckungsklausel in folgender Form: „Vollstreckungsklausel nach § 23 des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes vom 26. Januar 2005 (BGBl. I S.162). Gemäß dem Beschluss des ... (Bezeichnung des Gerichts und des Beschlusses) ist die Zwangsvollstreckung aus ... (Bezeichnung des Titels) zugunsten ... (Bezeichnung der berechtigten Person) gegen ... (Bezeichnung der verpflichteten Person) zulässig. Die zu vollstreckende Verpflichtung lautet: ... (Angabe der aus dem ausländischen Titel der verpflichteten Person obliegenden Verpflichtung in deutscher Sprache; aus dem Beschluss nach § 20 Abs.1 zu übernehmen).“ (2) Wird die Zwangsvollstreckung nur für einen oder mehrere der durch den ausländischen Titel zuerkannten oder in einem anderen ausländischen Titel niedergelegten Ansprüche oder nur für einen Teil des Gegenstands der Verpflichtung zugelassen, so ist die Vollstreckungsklausel als „Teil-Vollstreckungsklausel nach § 23 des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes vom 26. Januar 2005 (BGBl. I S.162)“ zu bezeichnen. (3) Die Vollstreckungsklausel ist von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Sie ist entweder auf die Ausfertigung des Titels oder auf ein damit zu verbindendes Blatt zu setzen. Falls eine Übersetzung des Titels vorliegt, ist sie mit der Ausfertigung zu verbinden.

Unterabschnitt 2 Beschwerde § 24 Einlegung der Beschwerde; Beschwerdefrist (1) Gegen die im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung findet die Beschwerde zum Oberlandesgericht statt. Die Beschwerde wird bei dem Oberlandesgericht durch Einreichen einer Beschwerdeschrift oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt. (2) Die Zulässigkeit der Beschwerde wird nicht dadurch berührt, dass sie statt bei dem Oberlandesgericht bei dem Gericht des ersten Rechtszugs eingelegt wird; die Beschwerde ist unverzüglich von Amts wegen an das Oberlandesgericht abzugeben. (3) Die Beschwerde gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung ist einzulegen 1. innerhalb eines Monats nach Zustellung, wenn die beschwerdeberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat; 2. innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung, wenn die beschwerdeberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat. Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Vollstreckbarerklärung der beschwerdeberechtigten Person entweder persönlich oder in ihrer Wohnung zugestellt worden ist. Eine Verlängerung dieser Frist wegen weiter Entfernung ist ausgeschlossen. (4) Die Beschwerdefrist ist eine Notfrist. (5) Die Beschwerde ist dem Beschwerdegegner von Amts wegen zuzustellen.

Thomas Rauscher

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Gesetzesanhang

§ 25 Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch Die verpflichtete Person kann mit der Beschwerde gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einem Titel über die Erstattung von Verfahrenskosten auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach Erlass des Titels entstanden sind.

§ 26 Verfahren und Entscheidung über die Beschwerde (1) Der Senat des Oberlandesgerichts entscheidet durch Beschluss, der mit Gründen zu versehen ist und ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. (2) Solange eine mündliche Verhandlung nicht angeordnet ist, können zu Protokoll der Geschäftsstelle Anträge gestellt und Erklärungen abgegeben werden. Wird in einer Ehesache die mündliche Verhandlung angeordnet, so gilt für die Ladung § 215 der Zivilprozessordnung. (3) Eine vollständige Ausfertigung des Beschlusses ist den Beteiligten auch dann von Amts wegen zuzustellen, wenn der Beschluss verkündet worden ist. (4) § 20 Abs.1 Satz 2, Abs. 2 und 3, § 21 Abs.1, 2 und 4 sowie § 23 gelten entsprechend.

§ 27 Anordnung der sofortigen Wirksamkeit (1) Der Beschluss des Oberlandesgerichts nach § 26 wird erst mit seiner Rechtskraft wirksam. Hierauf ist in dem Beschluss hinzuweisen. (2) Das Oberlandesgericht kann in Verbindung mit der Entscheidung über die Beschwerde die sofortige Wirksamkeit eines Beschlusses anordnen.

Unterabschnitt 3 Rechtsbeschwerde § 28 Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts findet die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nach Maßgabe des § 574 Abs.1 Nr.1, Abs. 2 der Zivilprozessordnung statt.

§ 29 Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde § 575 Abs.1 bis 4 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden. Soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Oberlandesgericht von einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften abgewichen sei, muss die Entscheidung, von der der angefochtene Beschluss abweicht, bezeichnet werden.

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Gesetzesanhang

IntFamRVG

§ 30 Verfahren und Entscheidung über die Rechtsbeschwerde (1) Der Bundesgerichtshof kann nur überprüfen, ob der Beschluss auf einer Verletzung des Rechts der Europäischen Gemeinschaft, eines Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrags, sonstigen Bundesrechts oder einer anderen Vorschrift beruht, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt. Er darf nicht prüfen, ob das Gericht seine örtliche Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. (2) Der Bundesgerichtshof kann über die Rechtsbeschwerde ohne mündliche Verhandlung entscheiden. § 574 Abs. 4, § 576 Abs. 3 und § 577 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden; in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bleiben § 574 Abs. 4 und § 577 Abs. 2 Satz 1 bis 3 der Zivilprozessordnung sowie die Verweisung auf § 556 in § 576 Abs. 3 der Zivilprozessordnung außer Betracht. (3) § 20 Abs.1 Satz 2, Abs. 2 und 3, § 21 Abs.1, 2 und 4 sowie § 23 gelten entsprechend.

§ 31 Anordnung der sofortigen Wirksamkeit Der Bundesgerichtshof kann auf Antrag der verpflichteten Person eine Anordnung nach § 27 Abs. 2 aufheben oder auf Antrag der berechtigten Person erstmals eine Anordnung nach § 27 Abs. 2 treffen.

Unterabschnitt 4 Feststellung der Anerkennung § 32 Anerkennungsfeststellung Auf das Verfahren über einen gesonderten Feststellungsantrag nach Artikel 21 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, nach Artikel 24 des Haager Kinderschutzübereinkommens oder nach dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen, einen Titel aus einem anderen Staat anzuerkennen oder nicht anzuerkennen, sind die Unterabschnitte 1 bis 3 entsprechend anzuwenden. § 18 Absatz 1 Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die antragstellende Person die Feststellung begehrt, dass ein Titel aus einem anderen Staat nicht anzuerkennen ist. § 18 Absatz 1 Satz 3 ist in diesem Falle mit der Maßgabe anzuwenden, dass die mündliche Erörterung auch mit weiteren Beteiligten stattfinden kann.

Unterabschnitt 5 Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses § 33 Anordnung auf Herausgabe des Kindes (1) Umfasst ein vollstreckungsfähiger Titel im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, des Haager Kinderschutzübereinkommens oder des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens nach dem Recht des Staates, in dem er geschaffen wurde, das Recht auf Herausgabe des Kindes, so kann das Fami-

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Gesetzesanhang

liengericht die Herausgabeanordnung in der Vollstreckungsklausel oder in einer nach § 44 getroffenen Anordnung klarstellend aufnehmen. (2) Liegt im Anwendungsbereich des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens ein vollstreckungsfähiger Titel auf Herausgabe des Kindes nicht vor, so stellt das Gericht nach § 32 fest, dass die Sorgerechtsentscheidung oder die von der zuständigen Behörde genehmigte Sorgerechtsvereinbarung aus dem anderen Vertragsstaat anzuerkennen ist, und ordnet zur Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses auf Antrag an, dass die verpflichtete Person das Kind herauszugeben hat.

Unterabschnitt 6 Aufhebung oder Änderung von Beschlüssen § 34 Verfahren auf Aufhebung oder Änderung (1) Wird der Titel in dem Staat, in dem er errichtet worden ist, aufgehoben oder abgeändert und kann die verpflichtete Person diese Tatsache in dem Verfahren der Zulassung der Zwangsvollstreckung nicht mehr geltend machen, so kann sie die Aufhebung oder Änderung der Zulassung in einem besonderen Verfahren beantragen. Das Gleiche gilt für den Fall der Aufhebung oder Änderung von Entscheidungen, Vereinbarungen oder öffentlichen Urkunden, deren Anerkennung festgestellt ist. (2) Für die Entscheidung über den Antrag ist das Familiengericht ausschließlich zuständig, das im ersten Rechtszug über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Feststellung der Anerkennung entschieden hat. (3) Der Antrag kann bei dem Gericht schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. (4) Auf die Beschwerde finden die Unterabschnitte 2 und 3 entsprechend Anwendung. (5) Im Falle eines Titels über die Erstattung von Verfahrenskosten sind für die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung bereits getroffener Vollstreckungsmaßregeln die §§ 769 und 770 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden. Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig.

§ 35 Schadensersatz wegen ungerechtfertigter Vollstreckung (1) Wird die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einem Titel über die Erstattung von Verfahrenskosten auf die Rechtsbeschwerde aufgehoben oder abgeändert, so ist die berechtigte Person zum Ersatz des Schadens verpflichtet, welcher der verpflichteten Person durch die Vollstreckung des Titels oder durch eine Leistung zur Abwendung der Vollstreckung entstanden ist. Das Gleiche gilt, wenn die Zulassung der Zwangsvollstreckung nach § 34 aufgehoben oder abgeändert wird, sofern der zur Zwangsvollstreckung zugelassene Titel zum Zeitpunkt der Zulassung nach dem Recht des Staates, in dem er ergangen ist, noch mit einem ordentlichen Rechtsbehelf angefochten werden konnte. (2) Für die Geltendmachung des Anspruchs ist das Gericht ausschließlich zuständig, das im ersten Rechtszug über den Antrag, den Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, entschieden hat.

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Gesetzesanhang

IntFamRVG

Unterabschnitt 7 Vollstreckungsgegenklage § 36 Vollstreckungsgegenklage bei Titeln über Verfahrenskosten (1) Ist die Zwangsvollstreckung aus einem Titel über die Erstattung von Verfahrenskosten zugelassen, so kann die verpflichtete Person Einwendungen gegen den Anspruch selbst in einem Verfahren nach § 767 der Zivilprozessordnung nur geltend machen, wenn die Gründe, auf denen ihre Einwendungen beruhen, erst 1. nach Ablauf der Frist, innerhalb deren sie die Beschwerde hätte einlegen können, oder 2. falls die Beschwerde eingelegt worden ist, nach Beendigung dieses Verfahrens entstanden sind. (2) Die Klage nach § 767 der Zivilprozessordnung ist bei dem Gericht zu erheben, das über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel entschieden hat.

Abschnitt 6 Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen § 37 Anwendbarkeit Kommt im Einzelfall die Rückgabe des Kindes nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen und dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen in Betracht, so sind zunächst die Bestimmungen des Haager Kindesentführungsübereinkommens anzuwenden, sofern die antragstellende Person nicht ausdrücklich die Anwendung des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens begehrt.

§ 38 Beschleunigtes Verfahren (1) Das Gericht hat das Verfahren auf Rückgabe eines Kindes in allen Rechtszügen vorrangig zu behandeln. Mit Ausnahme von Artikel 12 Abs. 3 des Haager Kindesentführungsübereinkommens findet eine Aussetzung des Verfahrens nicht statt. Das Gericht hat alle erforderlichen Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens zu treffen, insbesondere auch damit die Entscheidung in der Hauptsache binnen der in Artikel 11 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 genannten Frist ergehen kann. (2) Das Gericht prüft in jeder Lage des Verfahrens, ob das Recht zum persönlichen Umgang mit dem Kind gewährleistet werden kann. (3) Die Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, wie es einem auf Förderung und Beschleunigung des Verfahrens bedachten Vorgehen entspricht.

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Gesetzesanhang

§ 39 Übermittlung von Entscheidungen Wird eine inländische Entscheidung nach Artikel 11 Abs. 6 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 unmittelbar dem zuständigen Gericht oder der Zentralen Behörde im Ausland übermittelt, ist der Zentralen Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Artikel 7 des Haager Kindesentführungsübereinkommens eine Abschrift zu übersenden.

§ 40 Wirksamkeit der Entscheidung; Rechtsmittel (1) Eine Entscheidung, die zur Rückgabe des Kindes in einen anderen Vertragsstaat verpflichtet, wird erst mit deren Rechtskraft wirksam. (2) Gegen eine im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung findet die Beschwerde zum Oberlandesgericht nach Unterabschnitt 1 des Abschnitts 5 des Buches 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit statt; § 65 Abs. 2, § 68 Abs. 4 sowie § 69 Abs.1 Halbsatz 2 jenes Gesetzes sind nicht anzuwenden. Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Wochen einzulegen und zu begründen. Die Beschwerde gegen eine Entscheidung, die zur Rückgabe des Kindes verpflichtet, steht nur dem Antragsgegner, dem Kind, soweit es das 14. Lebensjahr vollendet hat, und dem beteiligten Jugendamt zu. Eine Beschwerde findet nicht statt. (3) Das Beschwerdegericht hat nach Eingang der Beschwerdeschrift unverzüglich zu prüfen, ob die sofortige Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung über die Rückgabe des Kindes anzuordnen ist. Die sofortige Wirksamkeit soll angeordnet werden, wenn die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist oder die Rückgabe des Kindes vor der Entscheidung über die Beschwerde unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Beteiligten mit dem Wohl des Kindes zu vereinbaren ist. Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit kann während des Beschwerdeverfahrens abgeändert werden.

§ 41 Bescheinigung über Widerrechtlichkeit Über einen Antrag, die Widerrechtlichkeit des Verbringens oder des Zurückhaltens eines Kindes nach Artikel 15 Satz 1 des Haager Kindesentführungsübereinkommens festzustellen, entscheidet das Familiengericht, 1. bei dem die Sorgerechtsangelegenheit oder Ehesache im ersten Rechtszug anhängig ist oder war, sonst 2. in dessen Bezirk das Kind seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hatte, hilfsweise 3. in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge auftritt. Die Entscheidung ist zu begründen.

§ 42 Einreichung von Anträgen bei dem Amtsgericht (1) Ein Antrag, der in einem anderen Vertragsstaat zu erledigen ist, kann auch bei dem Amtsgericht als Justizverwaltungsbehörde eingereicht werden, in dessen Bezirk die antragstellende Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder, mangels eines solchen im Geltungsbereich dieses Gesetzes, ihren tatsächlichen Aufenthalt hat. Das Gericht übermittelt den Antrag nach Prüfung der förmlichen Voraussetzungen unverzüglich der Zentralen Behörde, die ihn an den anderen Vertragsstaat weiterleitet. (2) Für die Tätigkeit des Amtsgerichts und der Zentralen Behörde bei der Entgegennahme und Weiterleitung von Anträgen werden mit Ausnahme der Fälle nach § 5 Abs.1 Kosten nicht erhoben.

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§ 43 Verfahrenskosten- und Beratungshilfe Abweichend von Artikel 26 Abs. 2 des Haager Kindesentführungsübereinkommens findet eine Befreiung von gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten bei Verfahren nach diesem Übereinkommen nur nach Maßgabe der Vorschriften über die Beratungshilfe und Verfahrenskostenhilfe statt.

Abschnitt 7 Vollstreckung § 44 Ordnungsmittel; Vollstreckung von Amts wegen (1) Bei Zuwiderhandlung gegen einen im Inland zu vollstreckenden Titel nach Kapitel III der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, nach dem Haager Kinderschutzübereinkommen, dem Haager Kindesentführungsübereinkommen oder dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen, der auf Herausgabe von Personen oder die Regelung des Umgangs gerichtet ist, soll das Gericht Ordnungsgeld und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anordnen. Verspricht die Anordnung eines Ordnungsgeldes keinen Erfolg, soll das Gericht Ordnungshaft anordnen. (2) Für die Vollstreckung eines in Absatz 1 genannten Titels ist das Oberlandesgericht zuständig, sofern es die Anordnung für vollstreckbar erklärt, erlassen oder bestätigt hat. (3) Ist ein Kind heraus- oder zurückzugeben, so hat das Gericht die Vollstreckung von Amts wegen durchzuführen, es sei denn, die Anordnung ist auf Herausgabe des Kindes zum Zweck des Umgangs gerichtet. Auf Antrag der berechtigten Person soll das Gericht hiervon absehen.

Abschnitt 8 Grenzüberschreitende Unterbringung § 45 Zuständigkeit für die Zustimmung zu einer Unterbringung Zuständig für die Erteilung der Zustimmung zu einer Unterbringung eines Kindes nach Artikel 56 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 oder nach Artikel 33 des Haager Kinderschutzübereinkommens im Inland ist der überörtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe, in dessen Bereich das Kind nach dem Vorschlag der ersuchenden Stelle untergebracht werden soll, andernfalls der überörtliche Träger, zu dessen Bereich die Zentrale Behörde den engsten Bezug festgestellt hat. Hilfsweise ist das Land Berlin zuständig.

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IntFamRVG

Gesetzesanhang

§ 46 Konsultationsverfahren (1) Dem Ersuchen soll in der Regel zugestimmt werden, wenn 1. die Durchführung der beabsichtigten Unterbringung im Inland dem Wohl des Kindes entspricht, insbesondere weil es eine besondere Bindung zum Inland hat, 2. die ausländische Stelle einen Bericht und, soweit erforderlich, ärztliche Zeugnisse oder Gutachten vorgelegt hat, aus denen sich die Gründe der beabsichtigten Unterbringung ergeben, 3. das Kind im ausländischen Verfahren angehört wurde, sofern eine Anhörung nicht auf Grund des Alters oder des Reifegrades des Kindes unangebracht erschien, 4. die Zustimmung der geeigneten Einrichtung oder Pflegefamilie vorliegt und der Vermittlung des Kindes dorthin keine Gründe entgegenstehen, 5. eine erforderliche ausländerrechtliche Genehmigung erteilt oder zugesagt wurde, 6. die Übernahme der Kosten geregelt ist. (2) Im Falle einer Unterbringung, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist das Ersuchen ungeachtet der Voraussetzungen des Absatzes 1 abzulehnen, wenn 1. im ersuchenden Staat über die Unterbringung kein Gericht entscheidet oder 2. bei Zugrundelegung des mitgeteilten Sachverhalts nach innerstaatlichem Recht eine Unterbringung, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nicht zulässig wäre. (3) Die ausländische Stelle kann um ergänzende Informationen ersucht werden. (4) Wird um die Unterbringung eines ausländischen Kindes ersucht, ist die Stellungnahme der Ausländerbehörde einzuholen. (5) Die zu begründende Entscheidung ist auch der Zentralen Behörde und der Einrichtung oder der Pflegefamilie, in der das Kind untergebracht werden soll, mitzuteilen. Sie ist unanfechtbar.

§ 47 Genehmigung des Familiengerichts (1) Die Zustimmung des überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe nach den §§ 45 und 46 ist nur mit Genehmigung des Familiengerichts zulässig. Das Gericht soll die Genehmigung in der Regel erteilen, wenn 1. die in § 46 Abs.1 Nr.1 bis 3 bezeichneten Voraussetzungen vorliegen und 2. kein Hindernis für die Anerkennung der beabsichtigten Unterbringung erkennbar ist. § 46 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend. (2) Örtlich zuständig ist das Familiengericht am Sitz des Oberlandesgerichts, in dessen Zuständigkeitsbereich das Kind untergebracht werden soll, für den Bezirk dieses Oberlandesgerichts. § 12 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend. (3) Der zu begründende Beschluss ist unanfechtbar.

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IntFamRVG

Abschnitt 9 Bescheinigungen zu inländischen Entscheidungen nach der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 § 48 Ausstellung von Bescheinigungen (1) Die Bescheinigung nach Artikel 39 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszugs und, wenn das Verfahren bei einem höheren Gericht anhängig ist, von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts ausgestellt. (2) Die Bescheinigung nach den Artikeln 41 und 42 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 wird beim Gericht des ersten Rechtszugs von dem Familienrichter, in Verfahren vor dem Oberlandesgericht oder dem Bundesgerichtshof von dem Vorsitzenden des Senats für Familiensachen ausgestellt.

§ 49 Berichtigung von Bescheinigungen Für die Berichtigung der Bescheinigung nach Artikel 43 Abs.1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 gilt § 319 der Zivilprozessordnung entsprechend.

Abschnitt 10 Kosten §§ 50 bis 53 (aufgehoben) § 54 Übersetzungen Die Höhe der Vergütung für die von der Zentralen Behörde veranlassten Übersetzungen richtet sich nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

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fidus Publikations-Service No¨rdlingen {Sellier}TN_089_Rauscher_Bruessel_IIa-VO_Unterhalts-VO/daten_3b2/TN_089_text.3d Insgesamt 1004 Seiten Produktionsstand: Imprimatur – 26.03.2010 11:49:26

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Gesetzesanhang

Abschnitt 11 Übergangsvorschriften § 55 Übergangsvorschriften zu der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 Dieses Gesetz findet sinngemäß auch auf Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr.1347/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (ABl. EG Nr. L 160 S.19) mit folgender Maßgabe Anwendung: Ist ein Beschluss nach § 21 an die verpflichtete Person in einem weder der Europäischen Union noch dem Übereinkommen vom 16. September 1988 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (BGBl. 1994 II S. 2658) angehörenden Staat zuzustellen und hat das Familiengericht eine Beschwerdefrist nach § 10 Abs. 2 und § 50 Abs. 2 Satz 4 und 5 des Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetzes bestimmt, so ist die Beschwerde der verpflichteten Person gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung innerhalb der vom Gericht bestimmten Frist einzulegen.

§ 56 Übergangsvorschriften zum Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz Für Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen und dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes eingeleitet wurden, finden die Vorschriften des Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetzes vom 5. April 1990 (BGBl. I S. 701), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 19. Februar 2001 (BGBl. I S. 288, 436), weiter Anwendung. Für die Zwangsvollstreckung sind jedoch die Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden. Hat ein Gericht die Zwangsvollstreckung bereits eingeleitet, so bleibt seine funktionelle Zuständigkeit unberührt.

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fidus Publikations-Service No¨rdlingen {Sellier}TN_089_Rauscher_Bruessel_IIa-VO_Unterhalts-VO/daten_3b2/TN_089_register.3d Insgesamt 24 Seiten Produktionsstand: Imprimatur – 26.03.2010 11:50:20

Register n/Art x y bedeutet: systematische Verordnungsnummer/Art x Rn y. In diesem Band finden folgende systematischen Verordnungsnummern Verwendung: B.I.1 Brüssel IIa-VO, B.I.2 EG-UntVO, B.I.5 EG-ErbVO-E, B.IV.1 HUntStProt 2007 Abänderung ~santrag B.I.2 /Art 12 6, B.I.2 /Art 40 1 ~sentscheidung B.I.1/Art 26 2 ff, B.I.2 / Art 8 3, B.I.2 /Art 17 2, B.I.2 /Art 21 25 f, B.I.2 /Vorbem Art 23 3, B.I.2 /Art 56 11, 17 Abgrenzung zum Vollstreckungsschutz B.I.2 /Art 21 11 gerichtlicher Vergleiche und öffentlicher Urkunden B.I.2 /Art 48 9 Abänderung, Unterhaltsentscheidung B.I.2 /Art 56 25 f, B.IV.1/Einl 29 ff Gründe B.IV.1/Einl 36 Höhe des Unterhalts B.IV.1/Einl 34 ordre public B.IV.1/Art 13 10 Prozessrecht B.IV.1/Einl 39 Qualifikation B.IV.1/Einl 29 f Antragsberechtigung B.IV.1/Einl 33 Verbot révision au fond B.IV.1/Einl 35 zeitlicher Rahmen B.IV.1/Einl 40 Abstammung B.I.1/Art 1 35 Abstammungsfeststellung B.I.2 /Art 51 19 ff, B.I.2 /Art 53 5, B.I.2 /Art 56 7, 23 Adoption B.I.1/Art 1 35 Adressen Rechtsbehelfsgerichte Brüssel IIa-VO B.I.1/Anh Art 68 Zentrale Behörden Brüssel IIa-VO B.I.1/Anh Art 67 Änderung der Anhänge B.I.1/Art 69 1 f Anderweitige Rechtshängigkeit Abänderungsantrag B.I.2 /Art 12 6 Abweisung durch Erstgericht B.I.1/Art 19 56 ff Anspruchsidentität B.I.1/Art 19 38 f

Anwendungsbereich, temporal B.I.1/Art 64 30 ff, B.I.2 /Art 75 13 Aussetzung B.I.2 /Art 12 13 f Ehesachen B.I.1/Art 19 15 ff Ehescheidung und Ehetrennung B.I.1/Art 19 32 ff einstweilige Maßnahmen B.I.2 /Art 12 11 Elterliche Verantwortung B.I.1/Art 19 37 ff Identität der Parteien B.I.2 /Art 12 3 Identität des Kindes B.I.1/Art 19 38 f Identität des Streitgegenstandes B.I.2 /Art 12 5 Konkurrenzsituationen B.I.1/Art 19 7 ff Kritik B.I.1/Art 19 10 ff ordre public B.I.2 /Art 12 10 Parteiidentität B.I.1/Art 19 17 ff Prinzipien B.I.1/Art 19 1 ff, B.I.5/Einf 30 ff Prozessverschleppung B.I.1/Art 19 49, B.I.2 /Art 12 9 Rechtsfolge B.I.1/Art 19 25 f, 44, B.I.2 /Art 12 12 ff Rechtskraft und ~ B.I.1/Art 19 27 ff Sachzusammenhang B.I.5/Einf 34 Späteres Verfahren im Zweitstaat B.I.1/Art 19 59 Streitgegenstandsidentität B.I.5/Einf 33 Teilidentität B.I.2 /Art 12 7 f Überlange Verfahrensdauer B.I.1/Art 19 49 Unterhaltssachen B.I.2 /Art 12 1 Unzuständigerklärung B.I.1/Art 19 45 ff Verbundverfahren B.I.1/Art 19 13 f Verschiedene Anträge B.I.1/Art 19 20 f Verschiedene Mitgliedstaaten B.I.1/Art 19 15 f, 37 Versöhnungsverfahren B.I.1/Art 19 22

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Anerkennung Voraussetzungen B.I.2 /Art 12 2 ff Vorlage beim Erstgericht B.I.1/Art 19 50 ff Widerklage B.I.2 /Art 12 15 Anerkennung B.I.2 /Einl 25, B.I.2 / Art 56 15 ff, 24, B.I.5/Einf 36 ff Abänderung Sorgerechtsentscheidungen B.I.1/Art 21 14 Anerkennungsfeststellungsverfahren s dort, B.I.2 /Art 17 2 Anerkennungsmonopol der Landesjustizverwaltung B.I.1/Art 21 17 Anerkennungsprinzip B.I.2 /Einl 29 Anerkennungsverfahren B.I.1/Art 21 15 ff Anwendungsbereich, sachlicher B.I.2 /Art 16 2, B.I.2 /Art 56 3 Anwendungsbereich, territorialer B.I.2 /Art 16 8 Anwendungsbereich, zeitlicher B.I.2 /Art 16 7 Aufrechnungslage B.I.2 /Art 17 7 Beischreibung in Personenstandsbüchern B.I.1/Art 21 25 ff Bindung an HUntStProt 2007 B.I.2 /Art 16 12, B.I.2 /Art 48 7 f Finnland B.I.1/Art 59 12 f gerichtlicher Vergleiche und öffentlicher Urkunden B.I.2 /Art 48 5 ff Grundsatz B.I.1/Art 21 12 Hindernis der Unzuständigkeit B.I.2 /Art 10 17 ipso iure B.I.2 /Art 17 1 Klarheit der Statusverhältnisse B.I.1/Art 21 18 Nichtanerkennung B.I.2 /Art 8 15, B.I.2 /Art 56 10 Schweden B.I.1/Art 59 12 f Spiegelbildprinzip B.I.2 /Vorbem Art 3 15 ff Umfang der ~ B.I.2 /Art 22 2 f Vorfrageentscheidung B.I.1/Art 21 19 ff Wirkungserstreckung B.I.1/Art 21 13, B.I.2 /Art 17 3 Zentrale Behörde B.I.2 /Art 53 8 Zuständigkeit B.I.2 /Art 1 42, B.I.2 /Vorbem Art 3 14 ff, B.I.2 /Art 8 1 Zwischenfeststellungsurteil B.I.1/Art 21 22 ff

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Register Anerkennungsfeststellungsverfahren B.I.1/Art 21 31 ff Antragsberechtigung B.I.1/Art 21 34 ff Urkunden, vorzulegende B.I.1/Art 37 6 ff, s auch dort Verfahren B.I.1/Art 21 38 ff Anerkennungshindernisse B.I.5/Einf 39 ff ordre public B.I.5/Einf 40 Unvereinbarkeit mit Entscheidung B.I.5/Einf 42 Zustellung B.I.5/Einf 41 Anerkennungsprinzip B.IV.1/Art 5 23 Anerkennungssystem B.I.1/Art 21 1 ff Vergleich zur Brüssel I-VO B.I.1/Art 21 1 Anwendungsbereich B.I.1/Art 21 2 ff Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten B.I.1/Art 21 9 ff Anerkennungsversagung, Unterhalt B.I.2 /Art 10 3, B.I.2 /Vorbem Art 16 2, B.I.2 /Art 17 1, B.I.2 /Art 19 9, B.I.2 /Vorbem Art 23 16, B.I.2 /Art 43 2, B.I.2 /Art 48 7 f Anerkennungsversagungsgründe, Ehesachen Anlehnung an Brüssel I-VO B.I.1/Art 22 3 f Anwendbares Recht B.I.1/Art 25 1 ff ordre public B.I.1/Art 22 7 ff Prüfungsumfang B.I.1/Art 22 5 f Unterschied zur Brüssel II-VO B.I.1/Art 22 1 f Unvereinbarkeit mit anderer Entscheidung B.I.1/Art 22 21 ff Zustellung verfahrenseinleitendes Schriftstück B.I.1/Art 22 12 ff Anerkennungsversagungsgründe, elterliche Verantwortung Nichteinhaltung des Verfahrens nach Art 56 Brüssel IIa-VO B.I.1/Art 23 27 f ordre public B.I.1/Art 23 4 ff Rechtliches Gehör des Inhabers der elterlichen Verantwortung B.I.1/Art 23 16 ff Rechtliches Gehör des Kindes B.I.1/Art 23 7 ff Struktur B.I.1/Art 23 1 ff Unvereinbarkeit mit anderer Entscheidung B.I.1/Art 23 20 ff

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Register Zustellung verfahrenseinleitendes Schriftstück B.I.1/Art 23 10 ff Anknüpfung, Unterhaltspflicht B.IV.1/Einl 19 ff, B.IV.1/Art 1 2 Aufenthalt, gewöhnlicher B.IV.1/Einl 22, s auch dort Bei Rechtsspaltung B.IV.1/Art 16 2 Ehelicher Unterhalt B.IV.1/Art 5 3 f, s auch dort Einrede, kollisionsrechtliche s dort Engste Verbindung B.IV.1/Art 4 6, B.IV.1/Art 5 5, 11, s auch dort Erstattungsanspruch B.IV.1/Art 10 6 Grund~ B.IV.1/Art 3 1 Hilfs~ B.IV.1/Art 3 11 f Kaskaden~ B.IV.1/Einl 24, B.IV.1/Art 4 24, B.IV.1/Art 6 3, B.IV.1/Art 11 12 Kumulative B.IV.1/Einl 10 lex fori B.IV.1/Art 3 2, s auch dort Objektive ~ B.IV.1/Einl 22, B.IV.1/Art 5 5 Staatsangehörigkeit B.IV.1/Art 4 15 f, s auch dort Subsidiarität B.IV.1/Einl 24, B.IV.1/Art 4 7, 17 f Unterhaltspflicht, Kollisionsrecht s auch dort Unterhaltspflichten, Rechtswahl s dort Unterhaltsverzicht B.IV.1/Art 8 21 Vorfragen B.IV.1/Art 1 16 f Vorrang spezieller ~ B.IV.1/Art 3 4 f Annexzuständigkeit B.I.2 /Art 3 11, 46 Unterhalt und elterliche Verantwortung B.I.2 /Art 3 51 Unterhalt und Statusverfahren B.I.2 /Art 3 46 Anrufung des Gerichts B.I.1/Art 16 1 ff Einstweilige Regelungen B.I.1/Art 16 12 Verzögerungen B.I.1/Art 16 6 Vorgeschaltetes Versöhnungsverfahren B.I.1/Art 16 9 ff Vorverlagerung auf Anhängigkeit B.I.1/Art 16 3 Antrag an Zentrale Behörde B.I.2 /Art 56 1 Anerkennung und Vollstreckung B.I.2 /Art 56 3 ff Herbeiführung einer Sachentscheidung B.I.2 /Art 56 6 f, B.I.2 /Art 60 16

Anwendungsbereich, sachlich Rechtsgrundlagen B.I.2 /Art 56 20 Unterhaltsberechtigter B.I.2 /Art 56 2 Unterhaltsverpflichteter B.I.2 /Art 56 12 ff Unvollständigkeit B.I.2 /Art 58 12 Zurückweisung B.I.2 /Art 58 9 ff Antrag in Unterhaltssachen B.I.2 /Vorbem Art 3 18 ff Antragsberechtigter B.I.2 /Art 3 1, 43 ff Hilfeleistung B.I.2 /Art 51 3 ff, B.I.2 /Art 53 3 f Inhalt B.I.2 /Art 57 5 f Prozesskostenhilfe B.I.2 /Art 44 10 f Unterlagen B.I.2 /Art 57 7 Anwendungsbereich B.I.2 /Einl 2, B.I.2 /Art 1 1 ff loi uniforme B.I.2 /Einl 16 Prozesskostenhilfe B.I.2 /Art 44 4 Prüfung B.I.2 /Art 16 9 ff Universelle Anwendbarkeit B.I.2 /Vorbem Art 3 2, B.I.2 /Art 4 69 Anwendungsbereich, räumlich B.I.1/Einl 24 ff, B.I.2 /Art 1 48 ff Anerkennung und Vollstreckung B.I.2 /Art 16 8 Dänemark B.I.1/Einl 26, B.I.2 /Art 1 50, B.I.2 /Art 16 12 f Irland B.I.1/Einl 26 Mitgliedstaaten B.I.1/Einl 24 f, B.I.2 /Art 1 48 ff opt-in B.I.2 /Art 1 50 Urteile aus Mitgliedstaaten B.I.1/Einl 31 f Vereinigtes Königreich B.I.1/Einl 26, B.I.2 /Art 1 48, B.I.2 /Art 16 12 f, B.I.2 /Vorbem Art 23 ff 2, B.I.2 /Art 64 12 Anwendungsbereich, räumlich-persönlich B.I.1/Art 6 1 ff, B.I.2 /Einl 2, B.IV.1/Einl 13 Ausschließlichkeit B.I.1/Art 6 2 Konkurrenz Art 3-5 und lex fori B.I.1/Art 6 6 ff Anwendungsbereich, sachlich B.I.1/Art 1 1 ff, B.I.2 /Einl 2, 18 ff, B.I.5/Einf 8, B.IV.1/Einl 7, 12 Adoption B.I.2 /Art 1 7 Anerkennung und Vollstreckung B.I.2 /Art 16 2 ff Auslandsbezug B.I.1/Einl 27 ff

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Anwendungsbereich, temporal Ausschluss erbrechtlicher Ansprüche B.I.2 /Art 1 21 Behördliche Entscheidung B.I.1/Art 1 10 Ehe B.IV.1/Art 1 1, 7, s auch dort Eheliche Beziehung B.I.2 /Art 1 3 f Ehelicher Unterhalt s dort Ehesachen B.I.1/Art 1 1 ff Elterliche Verantwortung B.I.1/Art 1 20 ff Erfasster Personenkreis B.I.2 /Art 1 1 ff Familie B.IV.1/Art 1 1 Familienbeziehung B.I.2 /Einl 19, B.I.2 /Art 1 9 ff, 13 ff, 19 f, B.IV.1/Art 1 4, 5 f, s auch dort Familienverhältnis B.I.2 /Einl 46, B.I.2 /Art 1 15, s auch Statusverhältnis Feststellungsbegehren B.I.1/Art 1 13 ff Funktionelle Qualifikation B.I.2 /Art 1 17 f Kirchliche Entscheidung B.I.1/Art 1 11, B.I.1/Art 2 7 Nationales Recht B.I.2 /Art 1 16 Öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung B.I.2 /Art 1 38 ff Privatscheidung B.I.1/Art 1 12, B.I.1/Art 2 9 Scheidung B.I.1/Art 1 1 Schwägerschaft B.I.2 /Art 1 8, B.IV.1/Art 1 1 Trennung B.I.1/Art 1 2 Übereinstimmung mit EG-UntVO B.IV.1/Art 1 2 Ungültigerklärung B.I.1/Art 1 3 Unterhaltspflichten B.IV.1/Einl 12, s auch dort Vaterschaft B.I.2 /Vorbem Art 3 22 Verbundsachen B.I.1/Art 1 17 ff Verwandtschaft B.I.2 /Art 1 6 ff, B.IV.1/Art 1 1, 3 Vorfrage der Ehe B.I.2 /Art 1 5 Zentrale Behörde B.I.2 /Einl 20 f Zivilsache B.I.1/Art 1 10, 20, B.I.2 /Art 1 44 ff Anwendungsbereich, temporal B.I.1/Art 64 1 ff, B.I.2 /Art 75 1, B.IV.1/Einl 14

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Register Anderweitige Rechtshängigkeit B.I.1/Art 64 20 ff Anerkennung und Vollstreckung B.I.1/Art 64 6 ff, B.I.2 /Art 16 7, B.I.2 /Art 75 7ff Beitrittsstaaten B.I.1/Art 64 3, B.I.2 /Art 75 9 HUntStProt 2007 B.I.2 /Art 15 19 f Inkrafttreten B.I.2 /Art 76 1 IntFamRVG B.I.1/Art 64 23 ff Keine rückwirkende Geltung B.I.1/Art 64 1 f Lücken B.I.1/Art 64 17 ff Übergangsbestimmungen B.IV.1/Art 18 6, B.IV.1/Art 22 1 ff, 5, s auch dort Verfahrenseinleitung B.I.1/Art 64 5, B.I.2 /Art 75 3 Zuständigkeitsregeln B.I.1/Art 64 4 ff Anwendungsvorrang der Brüssel IIa-VO B.I.1/Art 60, 61 3 ff Anwesenheit s Aufenthalt, schlichter Apostille B.I.2 /Art 65 1 Aufenthalt, gewöhnlicher B.I.1/Art 3 21 ff, B.I.1/Art 8 11 ff, B.I.2 /Vorbem Art 3 6, B.I.2 /Art 3 23 ff, B.IV.1/Einl 22, B.IV.1/Art 16 5, B.I.5/Einf 14 Abgrenzungskriterium anwendbarer Rechtsinstitute B.IV.1/Art 18 5 Auffangzuständigkeit mangels Aufenthalt B.I.2 /Art 5 3 Ausfindigmachen B.I.2 /Art 51 8 f, B.I.2 /Art 53 4, 24 Auslegung B.I.2 /Art 3 25 ff Auswandernder Ehegatte B.I.1/Art 3 28 Bedeutung B.IV.1/Art 3 3 Begriff B.IV.1/Art 3 8 f Bestimmung B.I.2 /Art 3 29 ff Ehelicher Unterhalt B.IV.1/Art 5 10 Forderungsübergang B.I.2 /Art 3 42 Gerichtsstandsvereinbarung B.I.2 /Art 433 Grundanknüpfung B.IV.1/Art 3 1 Illegaler Aufenthalt B.I.2 /Art 3 33 Jurisdiktionsbezogen B.I.1/Art 3 23 Kind B.I.2 /Art 3 34 ff, B.IV.1/Einl 24, B.IV.1/Art 3 10 Kindesentzug B.I.2 /Art 3 38

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Register Kosten des Ausfindigmachens B.I.2 /Art 54 10 f Letzter gemeinsamer ~ B.IV.1/Art 5 17 f Mehrrechtsstaat B.I.1/Art 3 25 Mindestdauer B.I.1/Art 3 24 Prozesskostenhilfe B.I.2 /Art 44 9 Rechtswahl B.IV.1/Art 8 9 Unterhaltsberechtigter B.I.2 /Art 3 41 ff, B.I.2 /Art 8 7 Unterhaltsverzicht B.IV.1/Art 8 20 Wandelbarkeit B.IV.1/Einl 23, B.IV.1/Art 5 4 Wechsel des ~ B.IV.1/Art 3 15 Aufenthalt, schlichter Zuständigkeit, Kind B.I.1/Art 13 9 ff Zuständigkeit, Subsidiarität B.I.1/Art 8 19 Aufenthaltswechsel B.I.1/Art 9 1 ff Rechtmäßiger Umzug B.I.1/Art 9 5 ff Aufenthaltszuständigkeit B.I.1/Art 3 19 ff Aufenthalt, schlichter B.I.1/Art 3 43 Aufenthaltsdauer B.I.1/Art 3 41 ff forum actoris B.I.1/Art 3 39 ff forum actoris im Heimatstaat B.I.1/Art 3 45 ff forum rei B.I.1/Art 3 31 ff Gemeinsamer Antrag B.I.1/Art 3 35 ff Auffangzuständigkeit B.I.2 /Vorbem Art 3 8 Ausnahmen B.I.2 /Art 6 12 f Ersetzung B.I.2 /Art 6 11 Gemeinsame Staatsangehörigkeit B.I.2 /Art 6 1 Rechtsfolge B.I.2 /Art 6 Rn 8 Voraussetzungen B.I.2 /Art 6 4 Aufhebung Brüssel II-VO B.I.1/Art 71 1 Aufrechnung B.I.2 /Vorbem Art 3 13 f, B.I.2 /Art 17 7 Auskunftsanspruch B.IV.1/Art 11 4 Ausländersicherheit B.I.1/Art 51 1 ff Auslegung Abstraktes Vorlageverfahren B.I.1/Einl 42 f Amtssprachen B.I.2 /Einl 36 Auslegungsgrundsätze B.I.1/Einl 33 ff, B.I.2 /Einl 34 ff Autonome Auslegung B.I.1/Einl 33 Besonderheit der EG-UntVO B.I.2 /Einl 35 Doppelqualifikation B.IV.1/Art 1 11 f

Autonome Bestimmung Einheitliche ~ B.IV.1/Einl 16, B.IV.1/Art 20 1 Funktionelle Qualifikation B.I.2 /Art 1 17 f Historische ~ B.I.1/Einl 35, B.I.2 /Einl 40 HUntStProt 2007 B.I.2 /Art 15 22 Kompetenz des EuGH B.I.1/Einl 38 ff, B.I.2 /Einl 33, B.I.2 /Art 15 22, B.IV.1/Einl 17 Notzuständigkeit B.I.2 /Art 7 5 Rechtsvergleichende Methode B.I.2 /Einl 43 Rügelose Einlassung B.I.2 /Art 5 7 Systematische ~ B.I.1/Einl 37, B.I.2 /Einl 37 Teleologische ~ B.I.1/Einl 36, B.I.2 /Einl 42 Unterhaltspflicht B.IV.1/Art 1 10 Wortlautauslegung B.I.1/Einl 34 Ausschließlichkeitsanordnung B.I.1/Art 6 6 ff Domicile in UK und Irland B.I.1/Art 6 17 Maßgeblicher Zeitpunkt B.I.1/Art 6 18 ff Staatsangehörigkeit oder gewöhnlicher Aufenthalt des Antragsgegners B.I.1/Art 6 16 Ausschuss B.I.1/Art 70 1 Außenkompetenz B.I.2 /Einl 3, B.I.2 /Art 15 13 Außergerichtliche Stellen B.I.5/Einf 13 Aussetzung B.I.1/Art 27 1 ff, B.I.1/Art 35 1 ff Anwendungsbereich B.I.1/Art 27 2 f Einstweilige Anordnung B.I.1/Art 35 7 Entscheidungen aus UK und Irland B.I.1/Art 27 7 Erklärung der Unzuständigkeit B.I.2 /Art 13 11 ff Ermessensentscheidung B.I.1/Art 35 6 Rechtsfolgen B.I.2 /Art 13 7 ff Rechtshängigkeit B.I.2 /Art 12 13 f Sachzusammenhang B.I.2 /Art 13 1 f, s auch dort Sicherheitsleistung B.I.1/Art 35 7 Voraussetzungen B.I.1/Art 27 4 ff, B.I.1/Art 35 2 ff, B.I.2 /Art 13 3 ff Ausweichklausel B.IV.1/Art 5 5, 12 Anwendung B.IV.1/Art 5 14 f Autonome Bestimmung B.I.2 /Einl 34 Familienbeziehung B.I.2 /Einl 19

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Beischreibung in Personenstandsbüchern Beischreibung in Personenstandsbüchern B.I.1/Art 21 25 ff formelle Rechtskraft B.I.1/Art 21 27 Inzidentanerkennung B.I.1/Art 21 25 Materielle Wirkungen B.I.1/Art 21 28 f Berechtigte Person Begriff B.I.2 /Art 2 13 öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung B.I.2 /Art 2 14 f, B.I.2 /Art 64 5 Bescheinigungsverfahren, Rückgabetitel Anhörungserfordernisse B.I.1/Art 42 14 Aussetzung/Beschränkung der Vollstreckung B.I.1/Art 43 6 Ausstellung B.I.1/Art 42 17 Berichtigung B.I.1/Art 43 9ff Form der Bescheinigung B.I.1/Art 42 12 HKindEntfÜbk B.I.1/Art 42 16 Nichtige Bescheinigung B.I.1/Art 43 8 Rechtsbehelfe B.I.1/Art 43, B.I.1/Art 1 ff Versäumnisverfahren B.I.1/Art 42 15 Wirkungen der Bescheinigung B.I.1/Art 44 1 Zuständigkeit B.I.1/Art 42 11 Bescheinigungsverfahren, Umgangstitel Anhörung betroffener Parteien B.I.1/Art 41 26 Anhörung des Kindes B.I.1/Art 41 28 Anhörungsmodalitäten B.I.1/Art 41 27 Aussetzung/Beschränkung der Vollstreckung B.I.1/Art 43 6 Ausstellung B.I.1/Art 41 29 Bedeutung B.I.1/Art 41 24 Berichtigung B.I.1/Art 43 9ff Beteiligung Vollstreckungsadressat B.I.1/Art 41 23 Form der Bescheinigung B.I.1/Art 41 19 ff Grenzüberschreitender Bezug B.I.1/Art 41 31 ff Nichtige Bescheinigung B.I.1/Art 43 8 Rechtsbehelfe B.I.1/Art 43, B.I.1/Art 1 ff Sprache B.I.1/Art 41 22 Wirkungen der Bescheinigung B.I.1/Art 44 1 Zuständigkeit B.I.1/Art 41 15 ff Zustellung in Versäumnisverfahren B.I.1/Art 41 25

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Register Beschränkung der Vollstreckbarerklärung B.I.1/Art 36 2 Beweis Begriff B.I.2 /Art 51 18 Erhebung B.I.2 /Art 51 16 ff Übersetzung B.I.2 /Art 65 1 f Brüssel IIa-ÄndE B.I.1/Einl 44 ff Kollissionsrecht B.I.1/Einl 46 ff Prorogation B.I.1/Einl 55 Zuständigkeitsrecht B.I.1/Einl 53 ff Brüssel IIa-VO Anwendungsvorrang B.I.1/Art 60, 61 3 ff Ausführungsgesetz B.I.1/Einl 59 Geltungsbeginn B.I.1/Art 72 2 Inkrafttreten B.I.1/Art 72 1 Nicht erfasste Materien B.I.1/Einl 23 Technik und Stil B.I.1/Einl 10 f Überprüfung B.I.1/Art 65 1 Verhältnis zu Drittstaaten B.I.1/Einl 20 Verhältnis zu Völkerverträgen B.I.1/Einl 17 ff, B.I.1/Art 59 1 ff Verhältnis zum HKindEntfÜbk B.I.1/Art 60, 61 8 Verhältnis zum KSÜ B.I.1/Einl 22, B.I.1/Art 8 1 ff, B.I.1/Art 60, 61 9 ff Verhältnis zum MSA B.I.1/Art 8 1 ff Verhältnis zum nationalen Recht B.I.1/Einl 13 ff Verhältnis zur Brüssel I-VO B.I.1/Einl 21 Brüssel II-VO B.I.1/Einl 1 Aufhebung B.I.1/Art 71 1 Verhältnis zu HKindEntfÜbk B.I.1/Art 10 1 Verweise B.I.1/Art 71 2 Brüssel I-VO Verhältnis zur EG-UntVO B.I.2 /Art 68 2 ff Vollstreckung in Unterhaltssachen B.I.2 /Vorbem Art 23 1 Dänemark B.I.5/Einf 6 Datenschutz B.I.2 /Art 57 10, B.I.2 /Art 60 7 ff, B.I.2 /Art 68 8 s auch Informationen Schutz personenbezogener Daten B.I.2 /Art 62 6 ff Deutsch-iranisches Niederlassungsübereinkommen B.IV.1/Art 19 5

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Register Diskriminierungsverbot B.I.1/Art 3 5 Domicile B.I.1/Art 3 51, 61, B.I.2 /Art 2 20 ff, B.I.2 /Art 6 11, B.IV.1/Art 4 16, B.IV.1/Art 9 1, B.IV.1/Art 16 2 Austausch der Staatsangehörigkeit B.IV.1/Art 9 2 Begriff B.I.1/Art 3 62 f Rechtswahl und ~ B.IV.1/Art 9 3 Doppeltrelevante Tatsache B.I.2 /Art 1 31, B.I.2 /Vorbem Art 3 19 EG-BagatellVO B.I.2 /Einl 9 EG-UntVO Ausschuss B.I.2 /Art 73 1 Datenschutz B.I.2 /Art 68 8, s auch dort Entwurf B.I.2 /Einl 12 Grünbuch B.I.2 /Einl 11 Inkrafttreten B.I.2 /Art 76 1 internationale Übereinkommen B.I.2 /Art 69 1 PKH-RL B.I.2 /Art 68 8 Übereinstimmung mit HUntStProt 2007 B.IV.1/Art 1 2 Umfang B.I.2 /Einl 13 f Verhältnis zu bilateralen Verträgen und Vereinbarungen B.I.2 /Art 69 18 f Verhältnis zu HUntAVÜbk B.I.2 /Art 69 5 ff Verhältnis zu HUntStProt 2007 B.IV.1/Art 19 3 Verhältnis zu New Yorker Übereinkommen B.I.2 /Art 69 15 Verhältnis zur Brüssel I-VO B.I.2 /Art 68 2 ff Verhältnis zur EG-VollstrTitelVO B.I.2 /Art 68 5 ff Zusammenwirken mit HUntVerfÜbk 2007 B.I.2 /Einl 15, B.I.2 /Art 69 9 ff Zusammenwirkung mit HUntStProt 2007 B.I.2 /Einl 14 EG-VollstrTitelVO Verhältnis zur EG-UntVO B.I.2 /Art 68 5 ff EG-ZustVO Unterhaltssachen B.I.2 /Art 11 2 f Ehe B.I.1/Art 1 5, B.IV.1/Art 1 1, 7 Abgrenzungsfragen B.IV.1/Art 5 7 ff Anerkennungsprinzip B.IV.1/Art 5 23 Begriff B.IV.1/Art 5 6

Einstweilige Maßnahmen Bestehen einer ~ B.IV.1/Art 5 22 Ehetrennung B.IV.1/Art 5 24, B.IV.1/Art 8 B.IV.1/Art 13 ff fehlerhafte B.IV.1/Art 8 15 formlos geschlossene ~ B.I.1/Art 1 9 Gleichgeschlechtliche ~ B.I.1/Art 1 7 Güterrecht B.IV.1/Art 8 11 f Mehr~ B.IV.1/Art 13 12 Scheidung B.IV.1/Art 5 20 ff, B.IV.1/Art 8 13 ff Eilvorlageverfahren B.I.1/Einl 39 Eingetragene Lebenspartnerschaft B.IV.1/Art 5 7 ff, 25, B.IV.1/Art 6 3 Einkommen B.I.2 /Art 51 10 f, B.I.2 /Art 53 4, 14, 25 f, B.I.2 /Art 60 7 ff Einlassung, rügelose B.I.2 /Art 5 1, B.I.2 /Art 8 11 Abgrenzung zum innerstaatlichen Recht B.I.2 /Art 5 3 Begriff B.I.2 /Art 5 8 f Nichteinlassung B.I.2 /Art 11 5, B.I.2 /Art 19 15 Prüfung B.I.2 /Art 10 6 Rechtsfolge B.I.2 /Art 5 15 Rügeanforderung B.I.2 /Art 5 11 Einrede, kollisionsrechtliche B.IV.1/Art 6 1, 6 Anknüpfungen B.IV.1/Art 6 7 ff erfasste Unterhaltsbeziehungen B.IV.1/Art 6 4 keine Unterhaltspflicht B.IV.1/Art 6 10 Unterhaltsverzicht B.IV.1/Art 11 13 Einstweilige Maßnahmen B.I.2 /Art 12 11, 13 9 Anerkennung B.I.1/Art 20 23 f Außerkrafttreten B.I.1/Art 20 27 ff Begriff B.I.1/Art 20 5 ff, B.I.2 /Art 14 3 Beschränkung auf Gerichtsstaat B.I.1/Art 20 21 f Bezug zum Anwendungsbereich B.I.1/Art 20 9 ff deutsches Verfahren B.I.2 /Art 14 16 ff doppelte Anträge B.I.2 /Art 14 10 Dringlichkeit B.I.1/Art 20 15 f Hauptsachegerichte B.I.1/Art 20 25 ff Information des Hauptsachegerichts B.I.1/Art 20 30 internationale Zuständigkeit B.I.2 /Art 14 7

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Einstweiliger Rechtschutz Unterhaltsmaßnahmen B.I.1/Art 20 14, B.I.2 /Art 14 1 f, 5 f, 15, B.I.2 /Art 51 23 Vergleich zur Brüssel I-VO B.I.1/Art 20 1 ff Verhältnis zu anderen Rechtsinstrumenten B.I.1/Art 20 18 ff Zuständigkeit B.I.1/Art 20 17, B.I.2 /Art 14 8 Zuständigkeit nach nationalem Recht B.I.2 /Art 14 12 f Einstweiliger Rechtschutz B.I.2 /Einl 48 Anerkennung und Vollstreckung B.I.2 /Art 16 4 Verweise B.I.2 /Art 14 1 Elterliche Verantwortung B.I.1/Art 1 21 ff Adoption B.I.1/Art 1 35 Aufsicht über Betreuung B.I.1/Art 1 34 Herausgabe des Kindes B.I.1/Art 1 29 Inhobhutnahme B.I.1/Art 1 32 Kindesvermögen B.I.1/Art 1 33 Kollisionsrecht B.I.1/Art 8 21 ff Sorge- und Umgangsrecht B.I.1/Art 1 27 Status B.I.1/Art 1 35 Träger B.I.1/Art 1 28 Unterbringung B.I.1/Art 1 32 Unterhalt B.I.1/Art 1 35 Vormundschaft, Pflegschaft B.I.1/Art 1 30 Eltern-Kind-Beziehung B.IV.1/Art 6 4, B.IV.1/Art 13 5 Engste Verbindung B.IV.1/Art 4 6, B.IV.1/Art 5 5, 11 Entscheidung B.I.1/Art 2 5 s auch Vollstreckung Abänderungs~ B.I.2 /Art 8 2, 3, B.I.2 /Art 17 2, B.I.2 /Art 21 25 f, B.I.2 /Vorbem Art 23 3 Anerkennung B.I.5/Einf 36 ff, s auch dort angefochtene ~ B.I.2 /Vorbem Art 23 4 f, 13 f Begriff B.I.2 /Art 2 2 f, B.I.2 /Art 16 3, B.I.2 /Art 56 4 Bestandskraft B.I.1/Art 2 15 f Drittstaatliche B.I.2 /Vorbem Art 3 15, B.IV.1/Art 5 21 Ehesachen B.I.1/Art 2 10 ff Eilmaßnahmen B.I.1/Art 2 17 f entgegenstehende B.I.2 /Art 48 16

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Register Ermessen bei Notzuständigkeit B.I.2 /Art 7 13 Ermessens~ B.I.2 /Art 39 2 Feststellungsentscheidungen B.I.1/Art 2 13 f, B.IV.1/Art 5 22 gebundene B.I.2 /Vorbem Art 23 6, 14 Gegenstand B.I.2 /Art 16 5 Gleichstellung B.I.2 /Art 41 8 Kirchliche ~ B.I.1/Art 1 11, B.I.1/Art 2 7 Nebenentscheidung im Statusverfahren B.I.2 /Art 3 46 Nebenentscheidung im Verfahren der elterlichen Verantwortung B.I.2 /Art 3 51 ff Nichtanerkennung B.I.2 /Art 8 15 Privatscheidung B.I.1/Art 1 12, B.I.1/Art 2 9 Sachentscheidung B.I.2 /Art 56 6 ff Tragweite B.IV.1/Art 1 19 Übersetzung B.I.2 /Art 20 9 ff Unterhalts~ B.IV.1/Art 22 3 unvereinbare B.I.2 /Art 21 17 vorläufig vollstreckbare B.I.2 /Art 16 4 widersprechende B.I.2 /Art 17 4 ff Erbenloser Nachlass B.I.5/Einf 72 Erbstatut s IPR, Erbrecht Erbvertrag B.I.5/Einf 62 ff Erstattungsanspruch B.IV.1/Art 10 3, B.IV.1/Art 11 23 abgeleiteter oder selbstständiger ~ B.IV.1/Art 10 4 Auseinanderfallen von Erstattungs- und Begrenzungsstatut B.IV.1/Art 10 11 Begrenzungsstatut B.IV.1/Art 10 9 Entstehung und Höhe B.IV.1/Art 10 7 Erstattungsstatut B.IV.1/Art 10 4, 6 Umfang B.IV.1/ Art 10 8 Unterhalt ersetzende Leistung B.IV.1/Art 10 4 Unterhaltsverzicht B.IV.1/Art 10 10 Verwaltungskosten B.IV.1/Art 10 4 EuGH Auslegungskompetenz B.I.2 /Einl 33 Entscheidungen zu Unterhalt B.I.2 /Einl 44 f Sammlung der Rechtsprechung B.I.2 /Art 15 26

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Register EuGVÜ Verhältnis zu Haager Übereinkommen B.I.2 /Einl 4 Europäischer Vollstreckungstitel dynamisierter Unterhaltstitel B.I.2 /Einl 7 Exequaturverfahren, erste Instanz Abschaffung in Unterhaltssachen B.I.2 /Art 17 1, B.I.2 /Art 21 37 ff Antrag B.I.1/Art 28 15, B.I.1/Art 30 1 f Anwendungsbereich, sachlich B.I.1/Art 28 8 ff Beizufügende Urkunden B.I.1/Art 30 6 Ehesachen B.I.1/Art 28 2 Einseitiges Verfahren B.I.1/Art 31 2 Entscheidung B.I.1/Art 31 7 ff Erforderlichkeit B.I.1/Art 28 1 ff IntFamRVG B.I.1/Art 29 22 ff Kindesherausgabe B.I.1/Art 28 3 Kostenentscheidung (Ehesachen) B.I.1/Art 28 14 Mitteilung an Antragsteller B.I.1/Art 32 1 f Mitteilung an Vollstreckungsadressaten B.I.1/Art 32 3 f Prüfungsumfang B.I.1/Art 31 4 ff Rechtsbehelf B.I.1/Art 33 1 Sonstiges Verfahren B.I.1/Art 28 22 ff Systematik B.I.1/Art 28 4 ff Teilvollstreckbarerklärung B.I.1/Art 36 1 ff Umgangsentscheidungen B.I.1/Art 28 3 Urkunden, vorzulegende B.I.1/Art 37 6 ff, s auch dort Vereinigtes Königreich B.I.1/Art 28 27 Verfahrenskosten B.I.1/Art 28 25 Verschiedene Ansprüche B.I.1/Art 36 4 ff Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat B.I.1/Art 28 16 ff Zuständigkeit, örtliche B.I.1/Art 29 2 f Zuständigkeit, sachliche B.I.1/Art 29 1 Zustellung der Entscheidung B.I.1/Art 28 19 ff Zustellungsbevollmächtigter B.I.1/Art 30 3 ff Zustellungsempfänger B.I.1/Art 32 5 Exequaturverfahren, Rechtsbehelf Aufforderung an Zustellungsadressaten B.I.1/Art 33 16 ff Beschwerdeberechtigung B.I.1/Art 33 2 ff

forum conveniens-Verweisung Einlegung B.I.1/Art 33 13 f Entscheidung B.I.1/Art 33 20 ff Frist B.I.1/Art 33 6 ff Kontradiktorisches Verfahren B.I.1/Art 33 15 ff Neue Einwendungen B.I.1/Art 33 21 Prüfungsumfang B.I.1/Art 33 20 Rechtliches Gehör B.I.1/Art 33 15 Rechtsbeschwerde B.I.1/Art 34 3 ff Weitere Rechtsbehelfe B.I.1/Art 34 1 ff Wirksamwerden B.I.1/Art 33 22 Zuständigkeit B.I.1/Art 33 5 Exequaturverfahren, weiterer Rechtsbehelf B.I.1/Art 34 1 ff Prüfungsumfang B.I.1/Art 34 6 Rechtsbeschwerde B.I.1/Art 34 3 ff Familienbeziehung B.IV.1/Art 1 4, 5 f, B.IV.1/Art 6 1 f Bestehen B.IV.1/Art 1 19 Rechtgrund für Unterhaltspflicht B.IV.1/Art 1 8 f Vorfrage B.IV.1/Art 1 16 ff Feststellungsbegehren B.I.1/Art 1 13 ff, B.I.1/Art 2 13 f Flüchtlinge B.I.1/Art 13 12 f Folgesachen s perpetuatio jurisdictionis Formblatt, EG-UntVO B.I.2 /Vorbem Art 23 16, B.I.2 /Art 41 5, B.I.2 /Art 46 6, B.I.2 /Art 47 8, B.I.2 /Art 48 12 f, B.I.2 /Art 53 3, B.I.2 /Art 54 13, B.I.2 /Art 56 3, B.I.2 /Art 57 2 ff, B.I.2 /Art 58 4 ff, B.I.2 /Art 59 2 ff Formstatut B.I.5/Einf 77 ff forum conveniens-Verweisung B.I.1/Art 15 1 ff Ausnahmefall B.I.1/Art 15 7 Besondere Bindung des Kindes B.I.1/Art 15 8 ff Initiative B.I.1/Art 15 2, 21 f Kindeswohl B.I.1/Art 15 18 Konzeption B.I.1/Art 15 1 Materielle Voraussetzungen B.I.1/Art 15 5 ff Rechtsmittel B.I.1/Art 15 39 f Verfahrensablauf B.I.1/Art 15 25 ff

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forum necessitatis Verfahrensalternativen B.I.1/Art 15 19 Zusammenarbeit B.I.1/Art 15 38 Zuständiges Gericht B.I.1/Art 15 5 Zustimmung B.I.1/Art 15 23 forum necessitatis B.I.2 /Art 7 1, s Notzuständigkeit forum shopping B.I.1/Art 3 15, B.I.2 /Art 3 6 Gebietseinheiten, verschiedene B.I.2 /Art 2 26 Gegenantrag Gemeinsamer Antrag und ~ B.I.1/Art 4 2 Hauptantrag und ~ B.I.1/Art 4 4 ff Sachlicher Anwendungsbereich und ~ B.I.1/Art 4 11 f Widerklage B.I.1/Art 4 1 Zulässigkeit B.I.1/Art 4 10 Zuständigkeit, internationale B.I.1/Art 4 3 ff Zuständigkeit, örtliche B.I.1/Art 4 9 Geltendmachen von Unterhalt Prozessstandschaft B.I.2 /Art 1 39, B.I.2 /Art 3 3 Vertreter B.I.2 /Art 1 39 Geltungsbeginn B.I.1/Art 72 2 Gemeinsamer Antrag B.I.1/Art 3 36 Form B.I.1/Art 3 37 Verschiedenartige Anträge B.I.1/Art 3 38 Gemeinschaftliches Testament B.I.5/Einf 68 Gericht B.I.1/Art 2 2 Anrufung B.I.2 /Art 9 1 Erklärung der Unzuständigkeit B.I.2 /Art 13 11 ff Prüfung der Zuständigkeit B.I.2 /Art 10 1 ff, 7 Versäumnis des Antragstellers bei Anrufung B.I.2 /Art 9 4 Gerichtsstand Beklagten~ B.I.2 /Art 3 22 Hilfsgerichtsstand B.I.2 /Art 3 39 mehrere Parteien B.I.2 /Vorbem Art 3 11 Unterhalsberechtigten~ B.I.2 /Art 3 40 ff Wahlgerichtsstand B.I.2 /Art 3 10 Widerklage B.I.2 /Vorbem Art 3 10, B.I.2 /Art 12 15 Zusammenhangs~ B.I.2 /Vorbem Art 3 10 Gerichtsstandsvereinbarung B.I.2 /Vorbem Art 3 8, B.I.2 /Art 8 10 Ausschluss Kindesunterhalt B.I.2 /Art 4 49

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Register Bestimmtheitserfordernis B.I.2 /Art 4 26 Derogation B.I.2 /Art 4 10, 58 ff Drittstaaten B.I.2 /Art 4 6, 65 Ehevertrag oder Scheidungsvereinbarung B.I.2 /Art 4 23 Einigung B.I.2 /Art 4 21 Einschränkung in Unterhaltssachen B.I.2 /Art 4 1 ff elektronische Übermittlung B.I.2 /Art 4 19 Form B.I.2 /Art 4 12 ff gewöhnlicher Aufenthalt B.I.2 /Art 4 33 grenzüberschreitender Bezug B.I.2 /Art 4 8 f intertemporale Fragen B.I.2 /Art 4 76 Missbrauchskontrolle B.I.2 /Art 4 52 Prorogation B.I.2 /Art 4 71 Staatsangehörigkeit B.I.2 /Art 4 36 Übersetzung B.I.2 /Art 4 18 Wahl eines mitgliedstaatlichen Gerichts B.I.2 /Art 4 58 Wahl eines nichtmitgliedstaatlichen Gerichts B.I.2 /Art 4 59 Wahlmöglichkeiten B.I.2 /Art 4 27 Willensmängel B.I.2 /Art 4 22 Wirksamkeit B.I.2 /Art 4 20, 25, 49 ff Wirkung B.I.2 /Art 4 57 Zeitpunkt B.I.2 /Art 4 32, 39 Zuständigkeiten B.I.2 /Art 4 43 ff Gewöhnlicher Aufenthalt s Aufenthalt, gewöhnlicher Gleichlauf B.I.5/Einf 52 Grenzüberschreitender Bezug B.I.2 /Art 3 15 ff, B.I.2 /Art 4 8 f, B.I.2 /Art 16 6, B.I.2 /Art 19 7 Grünbuch Erb- und Testamentsrecht B.I.5/Einf 2 Günstigkeitsprinzip B.I.2 /Einl 5, B.IV.1/Einl 10, B.IV.1/Art 3 2, B.IV.1/Art 4 2, 8, B.IV.1/Art 4 17 f Anwendungsfälle B.IV.1/Art 4 19 ff keine Anwendung B.IV.1/Art 4 22 Gutglaubenswirkungen B.I.5/Einf 38 Haager Konferenz B.I.2 /Einl 17 Beitritt der EG B.I.2 /Art 15 1 Heiliger Stuhl B.I.1/Art 63 1 ff

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IPR, Unterhalt

Register HUntAVÜbk 1973 Verhältnis zur EG-UntVO B.I.2 /Art 69 5 ff HUntStProt 2007 Auslegung B.I.2 /Einl 35, 41 Beitritt B.I.2 /Art 15 13 ff, B.IV.1/Art 23 1 Charakter B.IV.1/Einl 5 f deutsch-iranisches Niederlassungsübereinkommen B.IV.1/Art 19 5 erfasster Personenkreis B.I.2 /Art 1 2 geschichtlicher Hintergrund B.IV.1/Einl 2 f Günstigkeitsprinzip B.I.2 /Einl 22 Inkrafttreten B.IV.1/Einl 1, 14 Integration in EG-UntVO B.I.2 /Einl 16 Kollisionsrecht B.I.2 /Einl 24 Mitgliedstaaten der EG B.IV.1/Art 19 2 ordre public B.I.2 /Einl 26, B.I.2 /Art 21 39 Ratifikation B.IV.1/Art 23 1 Rechtswahl und Gerichtsstandsvereinbarung B.I.2 /Art 4 54 ff Schutzanliegen B.I.2 /Einl 22 Überwachung B.IV.1/Art 21 1 universelle Anwendung B.IV.1/Art 2 1 f Unterzeichnung B.IV.1/Art 23 1 Verhältnis zur EG-UntVO B.I.2 /Einl 14, B.IV.1/Art 1 2 Verhältnis zu Haager Übereinkommen B.IV.1/Art 18 1 ff Verhältnis zum HUntVerfÜbk 2007 B.IV.1/Einl 5, 8 Vorrang anderer Übereinkünfte B.IV.1/Art 19 1 Vorrang von Einheitsrecht B.IV.1/Art 19 4 HUntStÜbk 1973 Abänderung B.IV.1/Einl 32 wesentliche Änderungen B.IV.1/Einl 9 ff HUntVerfÜbk 2007 B.IV.1/Art 16 3 Entscheidungszuständigkeit B.I.2 /Art 8 1 Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration B.IV.1/Art 15 3 Prozesskostenhilfe B.I.2 /Vorbem Art 44 4 Verhältnis zum HUntStProt 2007 B.IV.1/Einl 5, 8 Verhältnis zur EG-UntVO B.I.2 /Einl 15 f Zusammenarbeit Zentraler Behörden B.I.2 /Vorbem Art 49 2

HZÜ in Unterhaltssachen

B.I.2 /Art 11 2 f

Informationen B.I.2 /Art 53 11 ff, B.I.2 /Art 57 10 s auch Datenschutz Adressen B.I.2 /Art 60 ff Benachrichtigung über Erhebung B.I.2 /Art 63 1 Einschränkungen B.I.2 /Art 61 15 f Gegenstand B.I.2 /Art 61 14 Informationsaustausch B.I.2 /Art 60 12 ff Informationsbeschaffung B.I.2 /Art 61 3 ff, 9 Informationszugang B.I.2 /Art 61 1, 6 Vermögensverhältnisse B.I.2 /Art 60 7 ff Weiterleitung von ~ B.I.2 /Art 62 1 ff Inkrafttreten B.I.1/Art 72 1 Interlokaler Konflikt B.IV.1/Art 16 1, s auch Rechtsspaltung IPR, elterliche Verantwortung B.I.1/Art 8 21 ff IPR, Erbrecht B.I.5/Einf 3, 43 ff Aufenthaltsanknüpfung B.I.5/Einf 49 Erbvertrag B.I.5/Einf 62 ff Gemeinschaftliches Testament B.I.5/Einf 68 Haager Modell B.I.5/Einf 55 Kritik B.I.5/Einf 50 Nachlasseinheit B.I.5/Einf 47 f ordre public B.I.5/Einf 75 ff Pflichtteilsrecht B.I.5/Einf 66 Rechtswahl B.I.5/Einf 57 ff Sachnormverweisung B.I.5/Einf 45 Staatsangehörigkeit B.I.5/Einf 53 IPR, Form B.I.5/Einf 77 ff IPR, Scheidung B.I.1/Einl 46 ff Rechtswahl B.I.1/Einl 50 IPR, Unterhalt B.IV.1/Einl 7, 37 s auch Einrede, kollisionsrechtliche s auch Unterhaltspflichten, Rechtswahl autonomes ~ B.IV.1/Einl 41 Geltungsbereich des anwendbaren Rechts B.IV.1/Art 11 1 Kollisionsrecht B.I.2 /Art 64 6 f Kompetenz der EG B.I.2 /Art 15 2 Rechtswahl B.IV.1/Art 7 1, B.IV.1/Art 9 3 Sachnormverweisung B.IV.1/Art 12 1

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Irland Statutenwechsel B.IV.1/Einl 38, B.IV.1/Art 22 1, s auch Übergangsbestimmung Umfang B.IV.1/Art 11 1, 6 unmittelbare Verweisung B.IV.1/Art 12 2 Unterhaltsvereinbarung B.IV.1/Art 11 9 Unterhaltsverzicht B.IV.1/Art 11 10 ff, s auch dort Irland B.I.5/Einf 6 Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen B.I.1/Einl 2 Kind B.I.1/Art 1 24 Kindesentführung B.I.1/Art 10 1 ff Regelungsprinzip B.I.1/Art 10 4 ff Verordnungsgeschichte B.I.1/Art 10 2 f Kindeswohl B.IV.1/Art 5 2 Kirchengerichtliche Eheaufhebung Anerkennung B.I.1/Art 63 7 Delibationsvorbehalt B.I.1/Art 63 8 Klausel Erfordernis im Vollstreckungsverfahren B.I.2 /Art 41 2, 7 Vollstreckungsklausel B.I.2 /Art 48 14 Kommorienten B.I.5/Einf 73 Kompetenz der EG B.I.1/Einl 3 f, B.I.5/Einf 4 Abschottung von Drittstaaten B.I.1/Einl 7 Konflikt mit sorgerechtlichen Übk B.I.1/Einl 8 f Regelungsbedürfnis B.I.1/Einl 4 Risiken B.I.1/Einl 5 Kompetenzgrundlage B.I.1/Einl 1 Kompetenzkonflikt negativer B.I.2 /Art 7 2, B.I.2 /Art 8 12 f Konkordanztabelle B.I.1/Anh V Konkordate B.I.1/Art 63 1 ff Italien B.I.1/Art 63 3 Malta B.I.1/Art 63 5 Notifikationsverpflichtung B.I.1/Art 63 9 Portugal B.I.1/Art 63 2 Spanien B.I.1/Art 63 4 Konkordatsehen B.I.1/Art 63 1 ff Kosten B.I.2 /Art 43 1, B.I.2 /Art 67 1 Ersuchen B.I.2 /Art 54 6 ff Gebührenfreiheit B.I.2 /Art 54 5 f

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Register Prozesskostenhilfe B.I.2 /Art 45 5 ff, B.I.2 /Art 46 15 ff Übersetzungs~ B.I.2 /Art 54 12 f Zentraler Behörden B.I.2 /Art 53 17, B.I.2 /Art 54 1, 3 Kostenfestsetzung B.I.1/Art 49 1 ff Ablehnende Entscheidungen B.I.1/Art 49 4 Verbundsachen B.I.1/Art 49 5 f KSÜ Verhältnis zur Brüssel IIa-VO B.I.1/Einl 22, B.I.1/Art 8 1 ff, B.I.1/Art 60, 61 9 ff Kumulation B.IV.1/Art 3 2, B.IV.1/Art 4 8 Legalisation B.I.1/Art 52 1 f, B.I.2 /Art 65 1 lex fori B.IV.1/Einl 4, 10, 20 f, 24, 39, B.IV.1/Art 3 2, B.IV.1/Art 4 4 f, 24 im Vollstreckungsverfahren B.I.2 /Art 41 1 loi uniforme B.I.5/Einf 44, B.IV.1/Art 2 1 f, B.IV.1/Art 18 3 LugÜbk 1988 Verhältnis zur EG-UntVO B.I.2 /Art 69 16 LugÜbk 2007 Gerichtsstandsvereinbarung in Unterhaltssachen B.I.2 /Art 4 63 Maßnahmenprogramm des Rates und der Kommission B.I.2 /Einl 6 Mehrrechtsstaaten B.I.1/Art 66 2 ff Mehrstaater B.I.1/Art 3 49, 58 Mitentscheidungsverfahren B.I.5/Einf 5 Mitgliedstaat B.I.1/Art 2 4 Mitteilungen der Mitgliedstaaten B.I.1/Anh Art 67, B.I.1/Anh Art 68 Mittellosigkeit B.IV.1/Art 4 21 Nachlasszeugnis B.I.5/Einf 80 ff Inhalt B.I.5/Einf 85 ff Verfahren B.I.5/Einf 84 Wirkungen B.I.5/Einf 89 ff Zuständigkeit B.I.5/Einf 83 Nachprüfung der Zuständigkeit B.I.1/Art 24 1 ff ordre public B.I.1/Art 24 3 Unzulässige Annahme der Zuständigkeit B.I.1/Art 24 2 Vergleich zur Brüssel I-VO B.I.1/Art 24 1

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Register Nachprüfung in der Sache B.I.1/Art 26 1 ff Abweichende Beurteilung des Kindeswohls B.I.1/Art 26 5 f Nachprüfungsverfahren B.I.2 /Art 21 27 Antrag B.I.2 /Art 19 9 f, B.I.2 /Art 21 28 autonomer Rechtsbehelf B.I.2 /Art 19 6, 8 Beweislast B.I.2 /Art 19 20 Ermessen B.I.2 /Art 21 29 Frist B.I.2 /Art 19 12 Nachprüfungsgründe B.I.2 /Art 19 17 ff Nichteinlassung B.I.2 /Art 19 15 Rechtsfolgen B.I.2 /Art 19 21 ff Regelungszweck B.I.2 /Art 19 1 Verhältnis zu nationalen Rechtsbehelfen B.I.2 /Art 21 30 f Zuständigkeit B.I.2 /Art 19 11 New Yorker Übereinkommen Verhältnis zur EG-UntVO B.I.2 /Art 69 15 Nichteinlassung des Antragsgegners B.I.1/Art 18 8 ff Nordisches Ehesachenübereinkommen B.I.1/Art 59 8 ff Diskriminierungsverbot B.I.1/Art 59 10 Notifikation der Kommission B.I.1/Art 59 14 Noterbrecht B.I.5/Einf 66 Notzuständigkeit (forum necessitatis) B.I.2 /Art 6 1 Auslegung B.I.2 /Art 7 5 Bezug zu Mitgliedstaat B.I.2 /Art 7 12 Ermessensentscheidung B.I.2 /Art 7 13 Rechtsfolge B.I.2 /Art 7 13 Voraussetzungen B.I.2 /Art 7 6 ff Obliegenheiten des Antragsgegners B.I.1/Art 24 4 Öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung B.I.2 /Einl 31, 50, B.I.2 /Art 1 38 ff, B.I.2 /Art 2 14 f, B.IV.1/Art 4 14, B.IV.1/Art 5 13, B.IV.1/Art 6 6 s auch Erstattungsanspruch Anerkennung und Vollstreckung B.I.2 /Art 64 8 ff Anknüpfung B.IV.1/Art 10 6 Antragsberechtigung B.I.2 /Art 3 2, B.I.2 /Art 64 6 f

perpetuatio jurisdictionis Begriff B.I.2 /Art 64 1 f, B.IV.1/Art 10 2 gewöhnlicher Aufenthalt B.I.2 /Art 3 41 keine Rechtswahl B.IV.1/Art 7 3 Nachweise B.I.2 /Art 64 11 Prozesskostenhilfe B.I.2 /Art 44 5 Regress B.IV.1/Art 11 26 Tätigwerden B.I.2 /Art 64 3 f Zielstellung B.IV.1/Art 10 1 zu unterscheidende Beziehungen B.IV.1/Art 10 3 ordre public B.I.1/Art 22 7 ff, B.I.1/Art 23 4 ff, B.I.2 /Vorbem Art 16 3, B.I.5/Einf 40, 75 ff, B.IV.1/Einl 15, B.IV.1/Art 11 12 f, B.IV.1/Art 13 1 Abänderung von Unterhalt B.IV.1/Art 13 10 Begriff B.IV.1/Art 13 2 ehelicher Unterhalt B.IV.1/Art 13 9, 11 Eltern-Kind-Verhältnis B.IV.1/Art 13 5 HUntStProt 2007 B.I.2 /Einl 26 Materiell-rechtlicher B.I.2 /Einl 27, B.I.2 /Art 21 38 Mehrehe B.IV.1/Art 13 12 Nachprüfungsverfahren B.I.2 /Art 19 4 Rechtsfolge B.IV.1/Art 13 13 Rechtshängigkeit B.I.2 /Art 12 10 Unterhaltsbemessung B.IV.1/Art 14 3 f Unterhaltsverzicht B.IV.1/Art 13 8 Verfahrensrechtlicher B.I.2 /Art 21 41 ff Voraussetzungen B.IV.1/Art 13 3 f Wegfall B.I.2 /Einl 25 Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration B.IV.1/Art 15 3, B.IV.1/Art 16 9, B.IV.1/Art 24 1 Parallelverfahren B.I.2 /Art 12 1 Parteiautonomie B.I.1/Einl 55, B.I.1/Art 3 2, B.IV.1/Einl 19 f, B.IV.1/Vorbem Art 7 4 Parteienidentität B.I.2 /Art 12 3, B.I.2 /Art 13 4 perpetuatio fori B.I.1/Art 3 17, B.I.2 /Art 3 12, B.I.2 /Art 7 14, B.I.2 /Art 8 4, B.I.2 /Art 10 10 perpetuatio jurisdictionis Aufeinanderfolgende Ehesachen B.I.1/Art 5 1 f Folgesachen B.I.1/Art 4 3

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Pfändungsschutz Scheidungsstatut und ~ B.I.1/Art 5 8 ff Sonstige Zuständigkeitsgründe und ~ B.I.1/Art 5 11 f Trennungsumwandlung B.I.1/Art 5 4 Vorgesehen im Recht des Mitgliedstaates B.I.1/Art 5 5 Zuständigkeit, internationale B.I.1/Art 5 6 Zuständigkeit, örtliche B.I.1/Art 5 6 Pfändungsschutz B.I.2 /Art 21 3, 7 Pflichtteilsrecht B.I.5/Einf 66 Präklusion B.IV.1/Art 11 18, B.IV.1/Art 13 11 Frist B.IV.1/Art 11 25 prestation compensatoire B.IV.1/Art 14 16 Privaturkunden B.I.1/Art 52 3 Prozesskostenhilfe B.I.1/Art 50 1 ff, B.I.2 /Einl 30, B.I.2 /Art 44 1 ff Ablehnung B.I.2 /Art 46 12 Antrag B.I.2 /Art 46 2 ff Antragsberechtigung B.I.2 /Art 44 10, B.I.2 /Art 46 2 Anwendungsbereich B.I.2 /Art 44 4, 6, B.I.2 /Art 47 1, 10 autonome Gewährung B.I.2 /Art 46 1 deutsches Verfahren B.I.2 /Art 44 18 f Einschränkungen B.I.2 /Art 46 8 ff Erfolgsaussichten B.I.2 /Art 46 7 Ermessensentscheidung B.I.2 /Art 45 3 Gegenstand B.I.2 /Art 45 1, 3, B.I.2 /Art 46 13 Gegenstand des Antrags B.I.2 /Art 46 5 Gewährungspflicht B.I.2 /Art 44 12 innerstaatliches Recht B.I.2 /Art 47 2 ff Nachweis B.I.2 /Art 47 8 PKH-RL B.I.2 /Vorbem Art 44 2, B.I.2 /Art 47 5, B.I.2 /Art 68 8 Rechtsfolge B.I.2 /Art 44 17 Übereinkommen B.I.2 /Vorbem Art 44 3 Umfang B.I.2 /Art 45 4 Unentgeltlichkeit B.I.2 /Art 46 13 Unterhaltssachen B.I.2 /Einl 39, 49, B.I.2 /Vorbem Art 44 1 ff, B.I.2 /Art 56 18 f, B.I.2 /Art 68 8 Verfahren B.I.2 /Art 46 14, B.I.2 /Art 47 4 Vollstreckungsverfahren B.I.2 /Art 47 6 Voraussetzungen B.I.2 /Art 44 13 ff

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Register wirtschaftliche Verhältnisse B.I.2 /Art 46 6 Zentrale Behörde B.I.2 /Art 51 7 Prozessstandschaft B.I.2 /Art 1 39, B.I.2 /Art 3 3, B.I.2 /Art 12 4 Prüfung der Zulässigkeit Anwendungsbereich, räumlicher B.I.1/Art 18 4 Nichteinlassung des Antragsgegners B.I.1/Art 18 8 ff Regelungsziele B.I.1/Art 18 1 Sorgerechtssachen B.I.1/Art 18 11 Verfahren nach EG-ZustVO B.I.1/Art 18 19 f Verfahren nach HZÜ B.I.1/Art 18 20 Verfahrensfortgang B.I.1/Art 18 12 ff Zustellungsrisiko B.I.1/Art 18 6 Prüfung der Zuständigkeit B.I.5/Einf 28 Qualifikation B.IV.1/Einl 29 f Doppel~ B.IV.1/Art 1 11 f Unterhaltspflicht B.IV.1/Art 1 10 ff, B.IV.1/Art 11 1 Rechtliches Gehör des Inhabers der elterlichen Verantwortung B.I.1/Art 23 16 ff Anwendungsbereich B.I.1/Art 23 17 Rechtliches Gehör des Kindes B.I.1/Art 23 7 ff Rechtshängigkeit B.IV.1/Art 3 14 s Anderweitige Rechtshängigkeit Rechtskraft B.I.2 /Art 20 16, B.IV.1/Art 3 17 Rechtsspaltung B.IV.1/Art 15 1 Anknüpfung B.IV.1/Art 16 2 doppelte Staatsangehörigkeit B.IV.1/Art 16 8 innerstaatliche Fälle B.IV.1/Art 15 2 interpersonelle B.IV.1/Art 17 1 Teilrechtsordnung B.IV.1/Art 16 6 territoriale B.IV.1/Art 16 1 Vorrang interlokalen Rechts B.IV.1/Art 16 7 Rechtswahl B.I.5/Einf 57 ff, B.IV.1/Einl 10, B.IV.1/Vorbem Art 7 5, B.IV.1/Art 9 3, B.IV.1/Art 11 11 Änderung B.IV.1/Art 8 4 Anforderungen B.IV.1/Art 7 4 f Aufhebung B.IV.1/Art 8 4 ausdrückliche B.IV.1/Art 7 6, B.IV.1/Art 8 6

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Register Ausschluss B.IV.1/Art 8 17 ff Ausschlusstatbestand B.IV.1/Art 8 26 beschränkte B.IV.1/Einl 21 Bestimmtheit B.IV.1/Art 7 7 f, B.IV.1/Art 8 7 Ehegatten B.IV.1/Art 5 3 eingeleiteter Prozess B.IV.1/Art 7 11 f Einigung B.IV.1/Art 8 5 Form B.IV.1/Einl 21, B.IV.1/Art 7 12, 13, B.IV.1/Art 8 16 Gerichtsstands- und ~klausel B.IV.1/Art 7 9 Güterrecht B.IV.1/Art 811 f konkludente B.IV.1/Art 8 6 materiell-rechtlicher Vorbehalt B.IV.1/Art 8 25 nicht eingeleiteter Prozess B.IV.1/Art 7 13 ff ohne Zusammenhang mit Prozess B.IV.1/Art 8 1 ordre public B.IV.1/Art 13 5 praktische Bedeutung B.IV.1/Art 8 2 Rechtsfolge B.IV.1/Art 8 27 Rechtswahlwillen B.IV.1/Art 8 6 richterliche Kontrolle B.IV.1/Art 8 24 Scheidung und Trennung B.IV.1/Art 8 13 ff Streit um Zulassung B.IV.1/Vorbem Art 7 1 ff Umfang B.IV.1/Art 7 10 Unterhaltssachen B.IV.1/Art 7 2, B.IV.1/Art 8 10 Unterhaltsverzicht s dort Verhältnis zu Grundanknüpfung B.I.5/Einf 60 f Vorrang B.IV.1/Art 8 3 Wahlmöglichkeiten B.IV.1/Art 8 8 ff Wirkung B.IV.1/Art 7 15 Regress Abgrenzung bei Auslegung B.I.2 /Einl 38 Dritter B.I.2 /Art 1 33 ff, 36 öffentliche Einrichtung B.I.2 /Einl 31, 50, B.I.2 /Art 1 50 öffentlicher Aufgaben wahrnehmender Einrichtungen B.IV.1/Art 11 26, B.IV.1/Art 16 3 Privater B.I.2 /Art 1 33 ff, B.IV.1/Art 10 12 ff Rückgriffsklage B.I.2 /Art 1 45 ff Scheinvater B.I.2 /Art 1 37, B.IV.1/Art 10 15

Rügelose Anerkennung Restzuständigkeiten B.I.1/Art 7 8 ff, B.I.5/Einf 18 Gleichbehandlung Angehöriger von Mitgliedstaaten B.I.1/Art 7 12 ff Maßgeblicher Zeitpunkt B.I.1/Art 7 11 Reformbestrebungen B.I.1/Art 7 25 révision au fond, Verbot der B.I.2 /Art 42 1 f, B.IV.1/Einl 35 Richter B.I.1/Art 2 3 Rom I-VO B.IV.1/Art 1 9 Rückgabeanordnung, Vollstreckbarkeit B.I.1/Art 11 56 ff Rückgabetitel Abänderung der Entscheidung B.I.1/Art 42 6 Autonome vorläufige Vollstreckbarkeit B.I.1/Art 42 10 Bescheinigung B.I.1/Art 42 11 ff Bescheinigungsverfahren s dort Herausgabeanordnung B.I.1/Art 40 17 ordre public B.I.1/Art 42 4 f Rückgabeanordnung B.I.1/Art 40 16 Unmittelbare Vollstreckbarkeit B.I.1/Art 40 16 ff, B.I.1/Art 42 1 ff Urkunden, vorzulegende B.I.1/Art 45 3 ff, s auch dort Widersprechende Entscheidungen B.I.1/Art 42 7 ff Rückgabeverfahren Anhörung des Kindes B.I.1/Art 11 11 ff Anwendungsbereich, persönlicher B.I.1/Art 11 8 Aufgebotsverfahren B.I.1/Art 11 38 ff Beschleunigung B.I.1/Art 11 14 ff Entscheidungsübermittlung an ursprünglichen Aufenthalt B.I.1/Art 11 33 ff Rechtliches Gehör des Antragstellers B.I.1/Art 11 28 Rückgabeverweigerung B.I.1/Art 11 22 ff Übermittlungsfrist B.I.1/Art 11 36 Verfahren bei Verweigerung B.I.1/Art 11 29 Verhältnis zu Art 13 HKindEntfÜbk B.I.1/Art 11 1 f Rügelose Anerkennung B.I.1/Art 9 22

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Sachnorm Sachnorm B.IV.1/Art 14 1 Sachnormverweisung B.I.5/Einf 45, B.IV.1/Einl 15, B.IV.1/Art 12 1 Sachrechtsvereinheitlichung B.I.1/Einl 56 ff Sachzusammenhang Aussetzung B.I.2 /Art 13 7 ff, s auch dort Begriff B.I.2 /Art 13 5 Erklärung der Unzuständigkeit B.I.2 /Art 13 12 ff Unterhaltssachen B.I.2 /Art 13 6 Scheidungsfreiheit B.I.1/Art 3 9 ff Scheidungskollisionsrecht s IPR, Scheidung Schriftstück s auch Zustellung beigefügtes B.I.2 /Art 59 5 Übersetzungen B.I.2 /Art 20 5 ff, B.I.2 /Art 57 9, B.I.2 /Art 59 7 verfahrenseinleitendes B.I.2 /Art 9 2, B.I.2 /Art 15 21 vorzulegendes B.I.2 /Art 20 2 f Sicherheitsleistung B.I.1/Art 51 4 ff, B.I.2 /Art 20 16, B.I.2 /Art 21 35, B.I.2 /Vorbem Art 23 14, B.I.2 /Art 39 6 f Befreiung bei Prozesskostenhilfe B.I.2 /Art 44 21 Sicherungsmaßnahme B.I.2 /Art 14 1, 18 1, B.I.2 /Art 53 27 s auch einstweilige Maßnahmen Abgrenzung zu Art 14 EG-UntVO B.I.2 /Art 18 4 Begriff B.I.2 /Art 14 4 Dauer B.I.2 /Art 18 8 Rechtsschutz des Schuldners B.I.2 /Art 18 9 Vollstreckungsverfahren B.I.2 /Art 18 2 f Voraussetzungen B.I.2 /Art 18 5 ff Staatenlose B.I.1/Art 3 50, 60 Staatsangehörigkeit B.IV.1/Art 3 2, B.IV.1/Art 4 7, B.IV.1/Art 6 7 ff, B.IV.1/Art 8 8, B.IV.1/Art 16 6 Anknüpfungskriterium B.IV.1/Art 4 15 f Austausch durch domicile B.IV.1/Art 9 2 doppelte B.IV.1/Art 16 8 gemeinsame B.IV.1/Art 6 7 f mehrere ~en B.IV.1/Art 6 9, B.IV.1/Art 8 8 Staatsangehörigkeitszuständigkeit B.I.1/Art 3 54 ff

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Register Aufgrund einseitiger Staatsangehörigkeit B.I.1/Art 3 3 domicile B.I.1/Art 3 61 Kritik B.I.1/Art 3 54 Maßgeblicher Zeitpunkt B.I.1/Art 3 56 Mehrstaater B.I.1/Art 3 58 Staatenlose B.I.1/Art 3 60 Statusrechtliche Fragen B.IV.1/Einl 18, B.IV.1/Art 11 3 Nichtvorliegen einer Statusbeziehung B.IV.1/Art 4 20 Statusrechtlicher Vorbehalt B.I.2 /Einl 5 Statusverhältnis B.I.2 /Vorbem Art 3 20 Unabhängigkeit bei Anerkennung und Vollstreckung B.I.2 /Art 22 1 Zuständigkeit B.I.2 /Art 3 46 ff Statutenwechsel B.IV.1/Einl 38, B.IV.1/Art 3 13 f, B.IV.1/Art 5 10, B.IV.1/Art 11 14, 20 durch Inkrafttreten des HUntStProt 2007 B.IV.1/Art 22 1 nach Eintritt der Rechtshängigkeit B.IV.1/Art 3 14 Subsumtion B.IV.1/Art 1 14 Teilvollstreckbarerklärung B.I.1/Art 36 1 ff Testamentsform B.I.5/Einf 77 ff Übereinkommen B.I.1/Art 59 1 ff s Völkerverträge internationale B.I.2 /Art 69 1 ff mehrseitige B.I.2 /Art 69 4 Übergangsbestimmungen B.IV.1/Art 22 1, 5 nachehelicher Unterhalt B.IV.1/Art 22 2 Urkunden B.IV.1/Art 22 4 Vergleiche B.IV.1/Art 22 4 Zeitpunkt B.IV.1/Art 22 3 Überprüfungsklausel B.I.2 /Art 74 1 Übersetzung B.I.1/Art 38 8 f Umgangstitel Abänderung der Entscheidung B.I.1/Art 41 9 Anfechtung der Anerkennung B.I.1/Art 41 6 Automatische Anerkennung B.I.1/Art 41 4 Autonome vorläufige Vollstreckbarkeit B.I.1/Art 41 11 Begriff B.I.1/Art 40 13

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Register Bescheinigung B.I.1/Art 41 15 ff Bescheinigungsverfahren s dort Durchführung der Vollstreckung B.I.1/Art 41 7 ff Unmittelbare Vollstreckbarkeit B.I.1/Art 40 11 ff, B.I.1/Art 41 1 ff Urkunden, vorzulegende B.I.1/Art 45 3 ff, s auch dort Widersprechende Entscheidungen B.I.1/Art 41 10 Umzug des Kindes B.I.1/Art 9 5 ff Unbestrittene Forderung B.I.2 /Einl 8 Universelle Anwendung B.IV.1/Art 2 1 f Unmittelbare Vollstreckbarkeit Abänderung der Entscheidung B.I.1/Art 40 10 Anwendungsbereich B.I.1/Art 40 11 ff Historischer Hintergrund B.I.1/Art 40 1 Modell B.I.1/Art 40 2 ordre public B.I.1/Art 40 4 ff Urkunden, vorzulegende B.I.1/Art 45 3 ff, s auch dort Verhältnis zur Vollstreckbarerklärung B.I.1/Art 40 18 ff Unterbringung eines Kindes B.I.1/Art 56 1 ff Deutschland B.I.1/Art 56 2, 4 Einschaltung der Behörden B.I.1/Art 56 1 Genehmigung des Familiengerichts B.I.1/Art 56 6 Pflegefamilie B.I.1/Art 56 7 Zustimmungserfordernis B.I.1/Art 56 3 Unterhalt, ehelicher B.IV.1/Einl 27, B.IV.1/Art 5 1, B.IV.1/Art 6 4 Anknüpfung B.IV.1/Art 5 10 ff Aufenthalt, gewöhnlicher B.IV.1/Art 5 4 f, s auch dort Berücksichtigung von Kompensationen B.IV.1/Art 14 17 Güterrecht B.IV.1/Art 8 11 f ordre public B.IV.1/Art 13 6 f, 9, 11 Rechtswahl B.IV.1/Art 5 3, B.IV.1/Art 8 10 ff Scheidung und Trennung B.IV.1/Art 8 13 ff Übergangsbestimmung B.IV.1/Art 22 2 Unterhaltsverzicht B.IV.1/Art 11 15

Unterhaltspflicht Unterscheidung von nachehelichem Unterhalt B.IV.1/Art 5 2 Unterhaltsbemessung B.IV.1/Art 14 1 Bedürfnisse B.IV.1/Art 14 7 Berücksichtigung von Kompensationen B.IV.1/Art 14 13 ff Grundprinzip B.IV.1/Art 14 2 Inhalt B.IV.1/Art 14 6 Kriterien B.IV.1/Art 14 12 ordre public-Klausel B.IV.1/Art 14 3 f Voraussetzungen B.IV.1/Art 14 5 wirtschaftliche Verhältnisse B.IV.1/Art 14 8 ff Unterhaltsberechtigter B.IV.1/Art 3 6 besonders geschützte Personen B.IV.1/Art 4 1, B.IV.1/Art 8 17 ff, 19 Erwachsener B.IV.1/Art 8 19 Fallsituationen B.IV.1/Art 4 12a, 13 Grundtatbestand B.IV.1/Art 4 12a Rechtswahl B.IV.1/Art 7 3 Schutz bei Rechtswahl B.IV.1/Art 8 25 Unterhaltspflicht B.I.2 /Art 1 22 ff Abgrenzung zum Ehegüterrecht B.I.2 /Art 1 24 Abschaffung des Zwischenverfahrens B.I.2 /Einl 10 Änderungen B.IV.1/Art 11 19 Anpassung B.IV.1/Art 11 22 Art der Leistung B.IV.1/Art 11 7 Auskunftsanspruch B.IV.1/Art 11 4 Auslegung, s dort Berechnung B.IV.1/Art 11 21 Beschränkung auf gesetzliche ~ B.IV.1/Art 1 9 Dauer B.IV.1/Art 11 16 Ehegatten B.I.2 /Art 1 25 ff eheliche und nacheheliche ~ B.IV.1/Einl 10 Einrede, kollisionsrechtliche s dort Eltern gegenüber Kind B.IV.1/Einl 24, B.IV.1/Art 1 18, B.IV.1/Art 4 9 Erlöschen B.IV.1/Art 11 17 freiwillige Zahlung B.I.2 /Art 51 12 gegenüber Person vor Vollendung des 21. Lebensjahres B.IV.1/Einl 26, B.IV.1/Art 4 10 Geltendmachung B.IV.1/Einl 2

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Unterhaltspflicht, Kollisionsrecht Grünbuch B.I.2 /Einl 11 Höhe B.IV.1/Einl 34 IPR, Unterhalt s dort keine ~ und Einrede B.IV.1/Art 6 10 Kind gegenüber Eltern B.IV.1/Einl 25, B.IV.1/Art 4 11 Klageberechtigung B.IV.1/Art 11 23 nachehelicher Unterhalt B.I.2 /Art 1 32 Nebensache B.I.2 /Art 3 46 ff Präklusion B.IV.1/Art 11 18 Prozesskostenhilfe B.I.2 /Einl 39 Rechtsgrund B.I.2 /Art 1 29 ff, B.IV.1/Art 1 8 f Rechtswahl s dort rügelose Einlassung B.I.2 /Art 5 10 Überweisung der Zahlung B.I.2 /Art 51 15 übrige Unterhaltsverpflichtete B.IV.1/Einl 28 Unterhalt für die Vergangenheit B.IV.1/Art 11 20 Unterhaltsbemessung s dort Unterhaltsberechtigter s dort Unterhaltsrückstände B.I.2 /Art 1 28, B.I.2 /Art 51 13 f Unterhaltsstatut B.IV.1/Art 6 5 Unterhaltsverpflichteter s dort Vereinbarung über ~ B.IV.1/Art 3 16, B.IV.1/Art 11 9 Verjährung B.IV.1/Art 11 24 vertragliche ~ B.I.2 /Art 1 31 Voraussetzungen B.IV.1/Art 11 5 Währung B.IV.1/Art 11 8 zwischen Ehegatten B.IV.1/Einl 27, s auch ehelicher Unterhalt Unterhaltspflicht, Kollisionsrecht s IPR, Unterhalt Unterhaltsschuldner s Unterhaltsverpflichteter Unterhaltsstatut s IPR, Unterhalt Unterhaltstitel Bestimmtheit B.I.2 /Art 41 9 f dynamisiserte B.I.2 /Art 20 13 indexierte B.I.2 /Art 20 13 vollstreckbare B.I.2 /Art 60 15 Unterhaltsverpflichteter B.IV.1/Art 3 7, B.IV.1/Art 6 3 Gleichrangigkeit B.IV.1/Art 10 14

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Register mehrere Verpflichtete B.IV.1/Art 11 2 Rechtswahl B.IV.1/Art 7 3 Schutz bei Rechtswahl B.IV.1/Art 8 25 subsidiär ~ B.IV.1/Art 10 13 Unterhaltsverzicht Abfindung B.IV.1/Art 10 12 ehelicher Unterhalt B.IV.1/Art 11 15 Erstattungsanspruch B.IV.1/Art 10 10 ordre public B.IV.1/Art 13 8 Rechtswirkungen B.IV.1/Art 11 10 wechselseitiger B.IV.1/Art 8 22 Wirksamkeit B.IV.1/Art 8 23, B.IV.1/Art 11 10 Zulässigkeit B.IV.1/Art 8 20, B.IV.1/Art 11 10 Unvereinbarkeit mit anderer Entscheidung B.I.1/Art 22 21 ff, B.I.1/Art 23 20 ff, B.I.5/Einf 42 Anderer Staat B.I.1/Art 22 30 ff Anerkennungsstaat B.I.1/Art 22 21 ff, 23 20 ff Antragsabweisende Entscheidungen B.I.1/Art 22 26 ff Ehescheidung und Ehescheidung B.I.1/Art 22 25 Ehescheidung und Ehetrennung B.I.1/Art 22 23 Ehescheidung und Nichtigerklärung B.I.1/Art 22 24 Frühere Entscheidungen B.I.1/Art 23 22 f Kindes-Aufenthaltsstaat B.I.1/Art 23 25 f spätere Entscheidungen B.I.1/Art 23 24 Voraussetzen des Bestehens der Ehe B.I.1/Art 22 29 Urkunden Anerkennung B.I.5/Einf 36 ff Urkunden, öffentliche B.I.1/Art 46 1 ff, B.I.2 /Vorbem Art 23 15, B.I.2 /Art 48 2 f, B.I.2 /Art 64 2, B.I.2 /Art 75 6, 12 Abgrenzung zum Vergleich B.I.2 /Art 2 10 Abgrenzung zur Privaturkunde B.I.2 /Art 2 9 Anerkennungsprinzip B.I.2 /Einl 29 Anwendbare Vorschriften B.I.1/Art 46 11 ff Begriff B.I.1/Art 46 4, B.I.2 /Art 2 8 EG-UntVO B.I.2 /Art 48 21 Errichtung B.I.1/Art 46 6 ff

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Register Folgesachen B.I.1/Art 46 5 Formblatt B.I.2 /Art 20 18 intertemporale Regelung B.I.2 /Art 48 22 Legalisation B.I.1/Art 52 1 f Unterhaltsvereinbarung B.I.2 /Art 2 11 Vollstreckbare außergerichtliche Vereinbarungen B.I.1/Art 46 3 Vollstreckbarkeit B.I.1/Art 46 9 f, B.I.2 /Art 2 12 Vollstreckung B.I.2 /Art 48 10 Urkunden, Privat~ B.I.1/Art 52 3 Urkunden, vorzulegende B.I.1/Art 37 6 ff, B.I.1/Art 45 3 ff Absehen von Vorlage B.I.1/Art 38 7 Ausstellung B.I.1/Art 39 3 ff Ausstellungszuständigkeit B.I.1/Art 39 4 Fehlen B.I.1/Art 38 1 ff Gleichwertige Urkunden B.I.1/Art 38 5 f Kostenentscheidung in Ehesachen B.I.1/Art 39 8 Mangelhafte Urkunde B.I.1/Art 45 5 Nachfrist B.I.1/Art 38 3 f Übersetzer B.I.1/Art 38 10, B.I.1/Art 45 15 f Übersetzung B.I.1/Art 38 8 f, B.I.1/Art 45 9 ff Versäumnisentscheidung B.I.1/Art 37 10 ff Zwingende Vollstreckungsvoraussetzung B.I.1/Art 45 3 Verbundsachen B.I.1/Art 1 17 ff, B.IV.1/Art 1 15 Vereinbarung der Zuständigkeit Anerkennung der Zuständigkeit B.I.1/Art 12 18 ff, 45 Annexzuständigkeit B.I.1/Art 12 5 ff Beendigung/Fortdauer der Annexzuständigkeit B.I.1/Art 12 28 ff Bindungszuständigkeit B.I.1/Art 12 38 ff Kindeswohl B.I.1/Art 12 25 ff, 43, 46 Konzept B.I.1/Art 12 1 f Maßgeblicher Zeitpunkt B.I.1/Art 12 24 Prozesshandlung B.I.1/Art 12 22 Verhältnis zu MSA, KSÜ B.I.1/Art 12 3 f Vereinigtes Königreich B.I.5/Einf 6 Verfahren

Völkerverträge Aussetzung B.I.2 /Art 11 6, B.I.2 /Art 12 13 f, B.I.2 /Art 13 7 ff, s auch dort deutsches Unterhalts~ B.I.2 /Art 53 29 Einleitung B.I.2 /Art 51 5, B.I.2 /Art 75 3 f Ersuchen Zentraler Behörden B.I.2 /Art 53 15 ff, B.I.2 /Art 58 1 im ersuchenden Mitgliedstaat B.I.2 /Art 53 20 ff Konzentration B.I.2 /Art 3 3 Prozesskostenhilfe B.I.2 /Art 46 14, B.I.2 /Art 47 4 Vollstreckbarerklärung B.I.2 /Vorbem Art 23 9 Verfahrensbegrenzung Antrag B.I.2 /Art 8 6 Ausnahmen B.I.2 /Art 8 10 Beweislast B.I.2 /Art 8 18 Prüfung B.I.2 /Art 8 17 Wirkung B.I.2 /Art 8 9 Zweck B.I.2 /Art 8 1 Verfahrenskostenhilfe B.I.1/Art 50 1 ff s Prozesskostenhilfe Verfassungsbeschwerde B.I.2 /Art 21 42 Verfristung von Unterhalt B.IV.1/Art 4 19 Vergleich, gerichtlicher B.I.2 /Vorbem Art 23 15, B.I.2 /Art 48 4, B.I.2 /Art 75 5, 12 Abgrenzung zur öffentlichen Urkunde B.I.2 /Art 2 10 Anerkennungsprinzip B.I.2 /Einl 29 Anwalts- und Mediationsvergleich B.I.2 /Art 2 6 Begriff B.I.2 /Art 2 4 ff EG-UntVO B.I.2 /Art 48 21 intertemporale Regelung B.I.2 /Art 48 22 Vollstreckung B.I.2 /Art 48 10 Vermögen s Einkommen verpflichtete Person B.I.2 /Art 2 16 Vertriebene B.I.1/Art 13 12 f Verwaltungsbehörde B.I.2 /Art 2 17 ff Verweise auf Brüssel II-VO B.I.1/Art 71 2 Verweisung B.I.5/Einf 15 ff bei Unzuständigkeit B.I.2 /Art 10 15 ff Verwirkung von Unterhalt B.IV.1/Art 4 19 Völkerverträge B.I.1/Art 59 1 ff

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Vollmacht Anwendungsvorrang der Brüssel IIa-VO B.I.1/Art 60, 61 3 ff Bilaterale Ausführungsübereinkommen B.I.1/Art 59 15 Fortbestand der Wirksamkeit B.I.1/Art 62 1 ff multilaterale ~ B.I.1/Art 60, 61 1 ff Nordisches Ehesachenübereinkommen B.I.1/Art 59 8 ff Verhältnis zur EG-UntVO B.I.2 /Art 69 18 f Vorrang B.I.1/Art 59 3 ff Vollmacht Inhalt B.I.2 /Art 52 4 Recht auf Erteilung B.I.2 /Art 52 3 Unterhaltssachen B.I.2 /Art 52 1 Untervollmacht B.I.2 /Art 52 2 Vertretung B.I.2 /Art 64 3 Vollstreckbarerklärung B.I.2 /Art 48 20, B.I.2 /Art 56 3 Vollstreckbarerklärungsverfahren s Exequaturverfahren Vollstreckbarkeit B.I.2 /Art 20 16, B.I.2 /Vorbem Art 23 7, B.I.2 /Art 56 24 Anwendungsbereich, sachlicher B.I.2 /Art 16 2 Anwendungsbereich, territorialer B.I.2 /Art 16 8 Anwendungsbereich, zeitlicher B.I.2 /Art 16 7 Bindung an HUntStProt 2007 B.I.2 /Art 16 12 kein Zwischenverfahren B.I.2 /Art 17 8 Urkunden und Vergleiche B.I.2 /Art 48 12 f Zentrale Behörde B.I.2 /Art 53 8 Vollstreckbarkeit, unmittelbare B.I.2 /Einl 28 Rechtsbehelf B.I.2 /Vorbem Art 23 12, B.I.2 /Art 48 19 Unterhaltssachen B.I.2 /Vorbem Art 16 1 Vollstreckbarkeit, vorläufige B.I.2 /Art 39 1 Auslandsbeziehung B.I.2 /Art 39 4 Ermessensentscheidung B.I.2 /Art 39 2 Inlandsbeziehung B.I.2 /Art 39 3 Vollstreckung, EG-UntVO B.I.2 /Art 56 6, B.I.2 /Art 56 24, s auch Vollstreckungsverfahren Abänderungsentscheidung B.I.2 /Art 21 25 f

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Register Anwendungsbereich, sachlicher B.I.2 /Art 16 2 Anwendungsbereich, territorialer B.I.2 /Art 16 8 Anwendungsbereich, zeitlicher B.I.2 /Art 16 7 Aussetzung bei Nachprüfung B.I.2 /Art 21 27, s auch Nachprüfungsverfahren Aussetzung der Vollstreckung B.I.2 /Art 21 32 ff Bindung an HUntStProt 2007 B.I.2 /Art 16 12 einstweilige Einstellung B.I.2 /Art 19 22 entgegenstehende Statusentscheidung B.I.2 /Art 21 22 ff Formblatt B.I.2 /Art 20 14 ff gerichtlicher Vergleiche B.I.2 /Art 48 10 keine Priorität späterer Entscheidung B.I.2 /Art 21 18 öffentlicher Urkunden B.I.2 /Art 48 10 Rechtsbehelf gegen Vollstreckbarerklärung B.I.2 /Vorbem Art B.I.2 /Art 23 12 Rechtschutz des Vollstreckungsschuldners B.I.2 /Art 17 10, B.I.2 /Art 18 9, B.I.2 /Art 21 7 ff, B.I.2 /Art 48 15 ff Schadensersatz B.I.2 /Art 21 44 Schriftstücke, vorzulegende B.I.2 /Art 20 2 f Sicherungsmaßnahmen B.I.2 /Art 18 1, s auch dort Übersetzungen B.I.2 /Art 20 5 ff Unabhängigkeit von Statusentscheidung B.I.2 /Art 22 1 unvereinbare Entscheidung B.I.2 /Art 21 17 Verhältnis zur Brüssel I-VO B.I.2 /Vorbem Art 23 1 ff Verjährung B.I.2 /Art 21 13 ff, B.I.2 /Art 48 16 Verletzung der EMRK B.I.2 /Art 21 43 Verweigerung B.I.2 /Art 21 1, s auch Vollstreckungsversagensgründe Zentrale Behörde B.I.2 /Art 53 8 Vollstreckungsabwehrklage B.I.2 /Art 21 8, B.I.2 /Art 48 18 Vollstreckungserinnerung B.I.2 /Art 21 7, B.I.2 /Art 48 18

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Zuständigkeit

Register Vollstreckungsverfahren Erfordernis vollstreckbarer Ausfertigung B.I.2 /Art 41 2 ff Grundsatz B.I.2 /Art 41 1 Klausel s dort Kostentitel B.I.1/Art 47 4 f lex fori-Anwendung B.I.1/Art 47 1 Ordnungsmittel bei Sorgerechtsentscheidungen B.I.1/Art 47 2 f Praktische Modalitäten des Umgangsrechts B.I.1/Art 48 3 ff Vollstreckungsbedingungen B.I.1/Art 47 6 Zustellung s dort Vollstreckungsversagensgründe B.I.2 /Vorbem Art 16 2, B.I.2 /Art 17 11, B.I.2 /Art 21 1 entgegenstehende Statusentscheidung B.I.2 /Art 21 22 ff nationales Recht B.I.2 /Art 21 2 ff ordre public B.I.2 /Art 21 37 ff, s auch dort Prüfung B.I.2 /Art 21 37 ff Verjährung B.I.2 /Art 21 13 ff Voraussetzungen B.I.2 /Art 21 2 f Vorbehalt B.IV.1/Einl 10 Vorfrage B.IV.1/Art 1 15, B.IV.1/Art 5 19 inzidente Prüfung B.IV.1/Art 5 21 selbstständige Anknüpfung B.IV.1/Art 1 17, B.IV.1/Art 4 23, B.IV.1/Art 5 20 unselbstständige Anknüpfung B.IV.1/Art 4 23 Währung B.IV.1/Art 11 8 Widerklage B.I.2 /Vorbem Art 3 10, B.I.2 /Art 12 15, B.I.5/Einf 22 Widerrechtliches Verbringen des Kindes B.I.1/Art 2 25 ff Widerrechtlichkeitsbescheinigung B.I.1/Art 10 36 Wohnsitz B.I.2 /Art 2 20, B.IV.1/Art 9 1 gemeinsamer und Auffangzuständigkeit B.I.2 /Art 6 11 Zentrale Behörde B.I.2 /Art 49 2

B.I.2 /Einl 20 f, 31, 51,

Allgemeine Aufgaben B.I.1/Art 54 1, B.I.2 /Art 50 1 andere öffentliche Einrichtung B.I.2 /Art 51 25 f Antragstellung B.I.2 /Art 56 1, s auch Antrag an Zentrale Behörde besondere Aufgaben B.I.2 /Art 51 1 ff Deutschland B.I.1/Art 53 3, B.I.1/Art 67 2 Durchführung besonderer Maßnahmen B.I.2 /Art 53 1, 15 Einrichtung B.I.1/Art 53 1 ff Einschaltung durch Träger der elterlichen Verantwortung B.I.1/Art 57 1 f Einschaltung in individuellen Verfahren B.I.1/Art 55 1 ff Ersuchen B.I.2 /Art 53 15 ersuchende ~ B.I.2 /Art 57 4 ff ersuchte ~ B.I.2 /Art 57 7 Grenzen besonderer Maßnahmen B.I.2 /Art 53 28 f Hinzuziehung bei Unzuständigkeit B.I.2 /Art 13 13 intertemporale Regelung B.I.2 /Art 75 14 Kostentragung B.I.2 /Art 54 1 Pflicht der Mitgliedstaaten B.I.2 /Art 49 1 Prozesskostenhilfe B.I.2 /Art 45 2 Unterbringung eines Kindes B.I.1/Art 56 1 ff Verfahren B.I.2 /Art 57 1, 8 Verfahrensweise B.I.1/Art 57 3 ff Vollmachtserteilung B.I.2 /Art 52 1, s auch Vollmacht Zusammenarbeit B.I.2 /Vorbem Art 49 1, B.I.2 /Art 50 2, B.I.2 /Art 53 30 f Zusammenkünfte B.I.1/Art 58 1, B.I.2 /Art 60 1 Zulässigkeit, Prüfung der s Prüfung der Zulässigkeit Zuständigkeit Abänderungsentscheidung B.I.2 /Vorbem Art 3 9, B.I.2 /Art 8 3 abschließender Charakter B.I.2 /Art 7 4 alternative B.I.2 /Vorbem Art 3 7, B.I.2 /Art 3 5 Annex B.I.2 /Vorbem Art 3 7 Auffangzuständigkeit B.I.2 /Vorbem Art 3 8, s auch dort

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Zuständigkeit, internationale (Ehesachen) Einlassung, rügelose s dort Erkenntnisverfahren B.I.2 /Vorbem Art 3 14 Ersatz~ B.I.2 /Art 3 28 Gerichtsstandsvereinbarung B.I.2 /Art 4 10, 57 ff, s auch dort grenzüberschreitender Bezug B.I.2 /Art 3 15 ff konkurrierende B.I.2 /Art 3 10 Nachprüfungsverfahren B.I.2 /Art 19 11 Notzuständigkeit B.I.2 /Vorbem Art 3 8, B.I.2 /Art 7 1, s auch dort Prüfung B.I.5/Einf 28 Sperre B.I.2 /Art 8 9, s auch Verfahrensbegrenzung Unzuständigkeit B.I.2 /Art 10 16, 13 11 ff Zeitpunkt B.I.2 /Art 3 12 ff Zentrale Behörde und Gericht B.I.2 /Art 51 27 Zuständigkeit, internationale (Ehesachen) Aufenthaltszuständigkeit s dort aufgrund einseitiger Staatsangehörigkeit B.I.1/Art 3 3 Folgezuständigkeit s perpetuatio jurisdictionis forum actoris B.I.1/Art 3 39 ff forum actoris im Heimatstaat B.I.1/Art 3 45 ff forum rei B.I.1/Art 3 31 ff Gegenantrag B.I.1/Art 4 3 Gemeinsamer Antrag B.I.1/Art 3 35 ff Gleichrangigkeit der Alternativen B.I.1/Art 3 14 Kriterien B.I.1/Art 3 1 Prorogation B.I.1/Art 3 2 prozessualer Zeitpunkt B.I.1/Art 3 17 Restzuständigkeit B.I.1/Art 7 8 ff Staatsangehörigkeitszuständigkeit s dort Zuständigkeit, internationale (elterliche Verantwortung) Anwesenheitszuständigkeit B.I.1/Art 13 9 ff Aufenthaltswechsel B.I.1/Art 9 1 ff bisherige Aufenthaltsgerichte B.I.1/Art 9 16 Flüchtlinge B.I.1/Art 13 12 f forum conveniens Verweisung s dort Gewöhnlicher Aufenthalt B.I.1/Art 8 11 ff Grundregel B.I.1/Art 8 6 ff lex fori B.I.1/Art 14 5 ff

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Register Maßgeblicher Zeitpunkt B.I.1/Art 8 9 f Neue Aufenthaltsgerichte B.I.1/Art 9 19 ff Rückgabeanträge B.I.1/Art 10 12 f Rügelose Anerkennung B.I.1/Art 9 22 Vereinbarung der Zuständigkeit s dort Verhältnis zu MSA/KSÜ B.I.1/Art 14 3 f Vertriebene B.I.1/Art 13 12 f Verweisung B.I.1/Art 15 1 ff Wechsel aufgrund qualifizierter Voraussetzungen B.I.1/Art 10 21 ff Wechsel aufgrund widerrechtlichem Verbringen B.I.1/Art 10 8 ff Wechsel aufgrund Zustimmung B.I.1/Art 10 14 ff Weitere Zuständigkeitsgründe B.I.1/Art 8 15 ff Zuständigkeit, internationale (Erbsachen) B.I.5/Einf 11 ff erbrechtliche Erklärungen B.I.5/Einf 23 ff Gewöhnlicher Aufenthalt B.I.5/Einf 14 Restzuständigkeit B.I.5/Einf 18 sachenrechtliche Maßnahmen B.I.5/Einf 26 ff Zuständigkeit, internationale (Unterhalt) B.I.2 /Einl 23, 47, B.I.2 /Vorbem Art 3 1 ff einstweilige Maßnahmen B.I.2 /Art 14 7 öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung B.I.2 /Art 1 40 ff Prüfung B.I.2 /Art 10 8 rügelose Einlassung B.I.2 /Art 5 3 Veränderungen gegenüber Brüssel I-VO B.I.2 /Vorbem Art 3 4 ff Zuständigkeit, örtliche B.I.1/Art 3 18, B.I.2 /Vorbem Art 2 2, B.I.2 /Vorbem Art 23 8 Auffangzuständigkeit B.I.2 /Art 6 10 Doppelfunktionalität B.I.2 /Art 3 7 Gerichtsstandsvereinbarung B.I.2 /Art 4 35 Konzentration B.I.2 /Art 3 8 Notzuständigkeit B.I.2 /Art 7 15 Prüfung B.I.2 /Art 10 8 rügelose Einlassung B.I.2 /Art 5 3 Wahlrecht des Klägers B.I.2 /Art 3 9 Zuständigkeit, Prüfung B.I.1/Art 17 7 ff, B.I.2 /Art 10 1 ff Hauptsacheentscheidung B.I.1/Art 17 14 Instanzen B.I.2 /Art 10 12

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Register Rechtsfolge B.I.2 /Art 10 13 ff Sicherung der VO-Zuständigkeiten B.I.1/Art 17 1 f Umfang B.I.2 /Art 10 8, 11 Unzuständigerklärung B.I.1/Art 17 19, B.I.2 /Art 10 10 Vergleich Brüssel I-VO – Brüssel IIa-VO B.I.1/Art 17 3 ff von Amts wegen B.I.1/Art 17 15, B.I.2 /Art 10 6 Zeitpunkt B.I.2 /Art 10 9 Zustellung B.I.2 /Art 9 2, B.I.2 /Art 11 1, B.I.2 /Art 41 10, B.I.2 /Art 51 24, B.I.2 /Art 53 7 Anwendungsbereich in Unterhaltssachen B.I.2 /Art 11 4 erforderliche Maßnahmen B.I.2 /Art 11 9 Kenntnisnahme B.I.2 /Art 11 8

Zustellung verfahrenseinleitendes Schriftstück Nichteinlassung B.I.2 /Art 11 5 Rechtzeitigkeit B.I.2 /Art 11 7 Sicherungsmaßnahmen in Vollstreckung B.I.2 /Art 18 7 Verfahrensaussetzung B.I.2 /Art 11 6 Vollstreckungsgläubiger B.I.2 /Art 41 11 f Zustellungsmängel B.I.2 /Art 19 17 f Zustellung verfahrenseinleitendes Schriftstück B.I.1/Art 22 12 ff, B.I.1/Art 23 10 ff, B.I.5/Einf 41 Betreffende Person B.I.1/Art 23 11 Einverständnis des Antragsgegners B.I.1/Art 22 19 f Nichteinlassung des Antragsgegners B.I.1/Art 22 12 Prüfung der Zustellung B.I.1/Art 22 14 ff Rechtzeitige Zustellung B.I.1/Art 22 17 f

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