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German Pages 542 [545] Year 2023
Europäisches Zivilprozessund Kollisionsrecht EuZPR / EuIPR Kommentar Band II–2 EU-ZustVO 2020 • Zust EU-DK Abk
Das Gesamtwerk EuZPR / EuIPR mit den Bänden Band I:
Zivilverfahren I: Brüssel Ia-VO, Brüssel I EU-DK Abk, LugÜbk 2007
Band II–1: Zivilverfahren II – Insolvenz: EG-VollstrTitelVO, EG-MahnVO, EG-BagatellVO, EU-KPfVO, HProrogÜbk 2005, HAVÜ 2019, EU-BewVO 2020, EuInsVO Band II–2: Zivilverfahren II – EU-ZustellVO 2020: EU-ZustVO 2020, Zust EU-DK Abk Band III:
Internationales Schuldrecht: Rom I-VO, Rom II-VO
Band IV–1: Ehescheidung: Brüssel IIb-VO, Rom III-VO Band IV–2: Güterrecht: EU-EheGüterVO, EU-LP-GüterVO Band V–1: Sonstiges Familienrecht: EG-UntVO, HUntVerfÜbk 2007, HUntStProt 2007, KSÜ, ErwSÜ, EU-SchutzMVO Band V–2: Erbrecht: EU-ErbVO wird herausgegeben von Prof. Dr. Dr. hc. Thomas Rauscher, Universitätsprofessor a.D., Professor h.c. an der Eötvös Loránd Universität Budapest, Rechtsanwalt in München
Europäisches Zivilprozessund Kollisionsrecht EuZPR / EuIPR Kommentar Band II–2 EU-ZustVO 2020 • Zust EU-DK Abk 5. Auflage (2024)
Herausgegeben von
Thomas Rauscher Kommentiert von Bernhard Ulrici • Steffen Pabst
Zitierempfehlung: Ulrici in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2024), Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2024), Art. 1 Zust EU-DK Abk Rz. 1
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN (print) 978-3-504-47213-9 ISBN (eBook) 978-3-504-38764-8 ©2024 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Beltz, Bad Langensalza Printed in Germany
Bearbeiterverzeichnis Band II–1: Zivilverfahren II – Insolvenz Steffen Pabst
EG-VollstrTitelVO
Urs Peter Gruber
EG-MahnVO
István Varga
EG-BagatellVO
Denise Wiedemann
EU-KPfVO
Matthias Weller
HProrogÜbk 2005
Matthias Weller
HAVÜ 2019
Jan von Hein
EU-BewVO 2020
Gerald Mäsch
Einl., Art. 1–55 EuInsVO
Markus Fehrenbach
Art. 56–92 EuInsVO
Bearbeiterverzeichnis Band II–2: Zivilverfahren II – EU-ZustVO 2020 Bernhard Ulrici
EU-ZustVO 2020
Steffen Pabst
Zust EU-DK Abk
Abkürzungsempfehlungen Brüssel Ia-VO
EU-SchutzMVO
Brüssel I EU-DK Abk
EU-ZustVO 2020
Brüssel IIb-VO
ErwSÜ
EG-BagatellVO
HAVÜ 2019
EG-MahnVO
HProrogÜbk 2005
EG-UntVO
HUntStProt 2007
EG-VollstrTitelVO
HUntVerfÜbk 2007
EU-BewVO 2020
KSÜ
EU-EheGüterVO
LugÜbk 2007
EU-ErbVO
Rom I-VO
EUInsVO
Rom II-VO
EU-KPfVO
Rom III-VO
EU-LP-GüterVO
Zust EU-DK Abk
V
Kommentatorinnen und Kommentatoren des Gesamtwerkes Dr. iur. Marianne Andrae em. Professorin an der Universität Potsdam
Dr. iur. Sven Loose Rechtsanwalt bei BSKP, Dresden
Dr. iur. Kathrin Binder Rechtsanwältin in Wien niedergelassene europäische Rechtsanwältin in Vaduz
Dr. iur. Katharina Lugani Professorin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Dr. iur. Markus Fehrenbach Professor an der Ruhr-Universität Bochum Dr. Jan Ole Flindt Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Marburg Dr. iur. Robert Freitag, Maître en droit (Bordeaux) Professor an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg Richter am Oberlandesgericht Nürnberg
Dr. iur. Robert Magnus Professor an der Universität Bayreuth Dr. iur. Peter Mankowski† Professor an der Universität Hamburg Dr. iur. Gerald Mäsch Professor an der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster Richter am Oberlandesgericht Hamm a.D. Dr. iur. Matthias Neumayer Professor an der Universität Salzburg Vizepräsident des Obersten Gerichtshofs
Dr. Robert Fucik Leitender Staatsanwalt am Bundesministerium für Justiz, Wien
Dr. iur. Steffen Pabst, LL.M. (Stockholm) Konzernjurist bei der LVV Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH, Leipzig
Dr. iur. Thomas Garber Professor an der Karl-Franzens-Universität Graz
Dr. iur. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Professor an der Universität Zürich Associated Research Fellow, Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb
Dr. iur. Andreas Geroldinger Professor an der Johannes Kepler Universität Linz Dr. iur. Urs Peter Gruber Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz Dr. iur. Bettina Heiderhoff Professorin an der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster Dr. iur. Jan von Hein Professor an der Universität Freiburg Dr. iur. Tobias Helms Professor an der Universität Marburg Christian Hertel, LL.M. (George Washington Universität, Washington D.C.) Notar, Weilheim i. OB Dr. iur. Christoph Alexander Kern, LL.M. (Harvard) Professor an der Universität Heidelberg Dr. iur. Kathrin Kroll-Ludwigs Professorin an der Fachhochschule Aachen Dr. iur. Stefan Leible Professor, Präsident der Universität Bayreuth Dr. iur. Martin Löhnig Professor an der Universität Regensburg VI
Dr. iur. Dr. iur. h.c. Thomas Rauscher Professor a.D. an der Universität Leipzig Professor h.c. an der ELTE Universität Budapest Rechtsanwalt in München Dipl. Math Dr. iur. Johannes Scheller, geb. Cziupka Notar in Hamburg Stefan Schlauß Abteilungspräsident, Leiter Abteilung II (Internationales Zivilrecht), Bundesamt für Justiz, Bonn Dr. iur. Ansgar Staudinger Professor an der Universität Bielefeld Dr. iur. Karsten Thorn, LL.M. (Georgetown) Professor an der Bucerius Law School Hamburg Dr. iur. Bernhard Ulrici Privatdozent an der Universität Leipzig Rechtsanwalt in Leipzig Dr. iur. István Varga Professor an der ELTE Universität Budapest Rechtsanwalt bei PROVARIS, Budapest Dipl. Phil.
Kommentatorinnen und Kommentatoren des Gesamtwerkes
Dr. iur. Matthias Weller, Mag. rer. publ. Direktor des Instituts für deutsches und internationales Zivilverfahrensrecht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Dr. iur. Domenik Henning Wendt, LL.M. Professor an der Frankfurt University of Applied Sciences
Dr. iur. Denise Wiedemann, LL.M. (Lissabon) Wiss. Referentin und Leiterin des Kompetenzzentrums Lateinamerika am Max-PlanckInstitut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg Dipl. Rpfl. Mag. iur. Marie-Luise Zirngast Projektassistentin am Institut für Zivilverfahrensrecht und Insolvenzrecht an der KarlFranzens-Universität Graz Juristische Mitarbeiterin in der Rechtsanwaltskanzlei „KPK-Law“
VII
Systematik des Gesamtkommentars (Stand: Juli 2023) Band I: Zivilverfahren I I.1 I.2 I.3
Brüssel Ia-VO Brüssel I EU-DK Abk LugÜbk 2007
Bände II-1 und II-2: Zivilverfahren II (Insolvenz und EU-ZustVO 2020) A. Zuständigkeit, Anerkennung, Vollstreckung II.1 EG-VollstrTitelVO (Band II-1) II.2 EG-MahnVO (Band II-1) II.3 EU-BagatellVO (Band II-1) II.4 EU-KpfVO (Band II-1) II.5 HProrogÜbk 2005 (Band II-1) II.6 HAVÜ 2019 (Band II-1) B. Rechtshilfe II.7 EU-ZustVO 2020 (Band II-2) II.8 Zust EU-DK Abk (Band II-2) II.9 EG-BewVO (Band II-1) C. Insolvenz II.10 EuInsVO (Band II-1) Band III: Internationales Schuldrecht III.1 Rom I-VO III.2 Rom II-VO Bände IV-1 und IV-2: Ehescheidung – Güterrecht A. Ehescheidung IV.1 Brüssel IIb-VO (Band IV-1) IV.2 Rom III-VO (Band IV-1) B. Güterrecht IV.3 EU-EheGüterVO (Band IV-2) IV.4 EU-LP-GüterVO (Band IV-2) Bände V-1 und V-2: Sonstiges Familienrecht – Erbrecht A. Unterhalt V.1 EG-UntVO (Band V-1) V.2 HUntVerfÜbk 2007 (Band V-1) B. Kindes- und Erwachsenenschutz V.3 HUntStProt 2007 (Band V-1) V.4 KSÜ (Band V-1) V.5 ErwSÜ (Band V-1) V.6 EU-SchutzMVO (Band V-1) C. Erbrecht V.7 EU-ErbVO (Band V-2)
VIII
Inhaltsverzeichnis Seite
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommentarliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XI XXXIII
EU-ZustVO 2020 Verordnung (EU) 2020/1784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) Neufassung Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12
Kapitel I Allgemeine Bestimmungen (Art. 1–Art. 7) Artikel 1 Artikel 2 Artikel 3 Artikel 4 Artikel 5 Artikel 6 Artikel 7
Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übermittlungs- und Empfangsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zentralstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von den Übermittlungs- und Empfangsstellen sowie den Zentralstellen zu verwendende Kommunikationsmittel Rechtswirkung elektronischer Schriftstücke . . . . . . . . . . . . . . Unterstützung bei der Ermittlung von Anschriften . . . . . . . . .
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76 114 125 141
.......... .......... ..........
156 165 170
Kapitel II Gerichtliche Schriftstücke (Art. 8–Art. 20) Abschnitt 1 Übermittlung und Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken (Art. 8–Art. 15) Artikel 8 Artikel 9 Artikel 10 Artikel 11 Artikel 12 Artikel 13 Artikel 14 Artikel 15
Übermittlung von Schriftstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzung von Schriftstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle . . . . . . . . . . . Zustellung von Schriftstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tag der Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bescheinigung über die Zustellung und Kopie des zugestellten Schriftstücks . Kosten der Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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181 192 203 223 237 289 300 307
Übermittlung auf diplomatischem oder konsularischem Weg . . . . . . . . . . . . . Zustellung von Schriftstücken durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellung durch Postdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elektronische Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unmittelbare Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
316
Abschnitt 2 Andere Arten der Übermittlung und Zustellung gerichtlicher Schriftstücke (Art. 16–Art. 20) Artikel 16 Artikel 17 Artikel 18 Artikel 19 Artikel 20
320 329 348 364
IX
Inhaltsverzeichnis Seite
Kapitel III Außergerichtliche Schriftstücke (Art. 21) Artikel 21
Übermittlung und Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke . . . . . . . . . . . .
376
Kapitel IV Schlussbestimmungen (Art. 22–Art. 37) Artikel 22 Artikel 23 Artikel 24 Artikel 25 Artikel 26 Artikel 27 Artikel 28 Artikel 29 Artikel 30 Artikel 31 Artikel 32 Artikel 33 Artikel 34 Artikel 35 Artikel 36 Artikel 37
Nichteinlassung des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderung des Anhangs I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausübung der Befugnisübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erlass von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission . . . . . . . . . . . Ausschussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Referenzimplementierungssoftware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten des dezentralen IT-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu Übereinkünften oder Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutz übermittelter Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Achtung der Grundrechte nach dem Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitteilung, Veröffentlichung und Handbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkrafttreten und Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . . . . . . . . . . . . . . .
386 433 435 437 440 441 444 447 453 457 461 463 470 473 477 480
Zust EU-DK Abk Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen vom 19.10.2005 Artikel 1 Artikel 2 Artikel 3 Artikel 4 Artikel 5
. . . .
485 487 488 490
......
492
......
494
. . . . .
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496 496 496 497 497
Gesetzesanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
499
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
501
Artikel 6 Artikel 7 Artikel 8 Artikel 9 Artikel 10 Artikel 11
X
Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenarbeit bei der Zustellung von Dokumenten . . . . . . . . . . . Änderungen der Zustellungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Übereinkommen, die Auswirkungen auf die Zustellungsverordnung haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Auslegung des Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Einhaltung des Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beendigung des Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Echtheit des Wortlauts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
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Abkürzungsverzeichnis a.A. a.A. A.A. a.a.O. ABl.EG ABl.EU abl. Abs. abw.M. A.C. A.D. A.D.I. ADR ADSp AdWirkG a.E. A.E.D.I.Pr. AEntG AEUV a.F. AfP African J.Comp.L. AG AG AG AGG AGS AiB AIDA AJP A.K. AL All E.R. All E.R. (Comm.) allg. allg.M. Alt. AMG Am.J.Comp.L. Am.J.Int.L. AMPreisVO Am.Rev.Int.Arb. An.Der.Mar. Anh. Ank.L.Rev. Anm. Ann.Inst.Dr.int. AnwBl. AöR AP App.
am Anfang anderer Ansicht Ars Aequi am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union ablehnend Absatz abweichende Meinung The Law Reports. Appeal Cases Arbetsdomstolen Actas de Derecho Industrial Alternative Dispute Resolution Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen Gesetz über die Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (Adoptionswirkungsgesetz) am Ende Anuario Español de Derecho Internacional Privado Arbeitnehmerentsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht African Journal of Comparative Law Amtsgericht (mit Ortsname) Ausführungsgesetz (mit Gesetzesname) Die Aktiengesellschaft Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Anwaltsgebühren spezial Arbeitsrecht im Betrieb Association Internationale du Droit d’Auteur Aktuelle juristische Praxis Astikos Kodix (griechisches Bürgerliches Gesetzbuch) Ad Legendum All England Law Reports All England Law Reports, Commercial Cases allgemein(-e, -er) allgemeine Meinung Alternative Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) American Journal of Comparative Law American Journal of International Law Arzneimittelpreisverordnung American Review of International Arbitration Anuario de Derecho Maritimo Anhang Ankara Law Review Anmerkung Annuaire de l’Institut de Droit international Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgerichtliche Praxis Corte di Appello XI
Abkürzungsverzeichnis
AppG Arb. ArbG ArbGG AR-Blattei Arb.Int. ArbRB ArbVG arg. Art. A.S.A. Bull. ASVG AuA Aud. Prov. AÜG
AVRAG AWD AWG
Appellationsgericht Arbitration Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrechts-Blattei Arbitration International Arbeits-Rechts-Berater Arbeitsverfassungsgesetz (Österreich) argumentum Artikel Association of Swiss Arbitrators Bulletin Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (Österreich) Arbeit und Arbeitsrecht Audiencia Provincial Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) Arbeit und Recht ausführlich Ausführungsgesetz Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen ausnahmsweise Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz) (Österreich) Australian Law Journal Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz) Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (Österreich) Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Außenwirtschaftsgesetz
BAG BAGE BÄrzteO BauR BayJMBl BayObLG BayVBl BB BC B.C.C. B.C.L.C. Bd. BDGesVR Bearb. BeckRS Belg. Belgrade L.Rev. BerGesVR Bespr.
Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesärzteordnung Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Bayerisches Justizministerialblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter Betriebs-Berater Bilanzbuchhalter und Controller British Commercial Cases Butterworth’s Company Law Cases Band Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bearbeitung Beck’scher Rechtsprechungsservice belgisch (-e, -es) Belgrade Law Review Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Besprechung
AuR ausf. AusfG AuslInvestmG ausnw. AußStrG Australian L.J. AVAG
AVAuslEntschG
XII
Abkürzungsverzeichnis
BetrVG BezG BG BGB BGBl. BGE BGH BGHR BGHZ B.I.E. BJM BKR Bl. BörsG BRAK BRAK-Mitt. BRAO BR-Drucks. Brook.J.Int.L. BRTV-Bau Brüssel I EU-DK Abk
Brüssel I-VO Brüssel Ia-VO Brüssel II-VO
Brüssel IIa-VO
Brüssel IIb-VO
BSGE Bspr. BT-Drucks. BtMG Bull. Bull.Civ. Bull. Comp.Lab.Rel. Bull.Joly sociétés Bus.L.Rev. BVerfG BVerfGE B.W. B.W.Krant Jaarboek
Betriebsverfassungsgesetz Bezirksgericht Schweizerisches Bundesgericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof BGH-Report Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bijblad bij de Industriëele Eigendom Basler Juristische Mitteilungen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Blatt Börsengesetz Bundesrechtsanwaltskammer Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrats-Drucksache Brooklyn Journal of International Law Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 19.10.2005 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25.6.2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen Entscheidungen des Bundessozialgerichts Besprechung Bundestags-Drucksache Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) Bulletin Bulletin des arrêts civiles Bulletin of Comparative Labour Relations Bulletin Joly des sociétés Business Law Review Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Burgerlijk Wetboek (Niederlande) Burgerlijk Wetboek Krant Jaarboek XIII
Abkürzungsverzeichnis
BWNotZ B.Y.I.L. bzgl. bzw.
Zeitschrift für das Notariat Baden-Württemberg British Yearbook of International Law bezüglich beziehungsweise
C.A. Cah.dr.eur. Cambridge Yb.Eur.Leg.Stud. Cass. Cass.civ. Cass.com. Cass.mixte Cass.soc. C.B. (N.S.) C.C.
Court of Appeal; Cour d’appel Cahier de droit européen Cambridge Yearbook of European Legal Studies
C.D.E. Ch. Ch.D. CIM CISG CIV
civ. C.J. C.J.Q. C.L.C. C.L.J. CLNI C.L.P. C.L.Pracz. Clunet C.M.L.Rev. CMNI CMR
col. Col.Jur. Columb.L.Rev. C.O.M.I. comm. Comp.Jur.Rev. XIV
Cour de Cassation; Corte di Cassazione Cour de Cassation, chambre civile Cour de Cassation, chambre commerciale Cour de Cassation, chambre mixte Cour de Cassation, chambre sociale Common Bench Reports, New Series Code Civil (Frankreich), codice civile (Italien), Código Civil (Spanien), Código Civil (Portugal) Cahiers de droit européen The Law Reports, Chancery Division High Court of Justice, Chancery Division Règles uniformes concernant le contrat de transport international ferroviaire des marchandises (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern), Anh B COTIF Convention on Contracts for the International Sale of Goods (Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf) vom 11.4.1980 Règles uniformes concernant le contrat de transport international ferroviaire des voyageurs (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck), Anh A COTIF Chambre civile code judiciaire (Belgien) Civil Justice Quarterly Commercial Law Cases Cambridge Law Journal Convention de Strasbourg sur la limitation de la responsabilité en navigation intérieure (Straßburger Übereinkommen über die Beschränkungen der Haftung in der Binnenschifffahrt) vom vom 4.11.1988 Current Legal Problems Common Law Practice Journal du droit international, fondée par E Clunet Common Market Law Review Convention de Budapest relative au contract de transport de marchandises en navigation interieure (Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschiffahrt) vom 22.6.2001 Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route (Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr) vom 19.5.1956 i.d.F. des Protokolls vom 5.7.1978 colonne Colectânea de Jurisprudência Columbia Law Review center of main interests Chambre commerciale Comparative Juridical Review
Abkürzungsverzeichnis
CornellInt’l L.J. Corp.Rescue & Insol. COTIF c.p.c. CPR CR CRTD
ct. CVR
D. D.aff. DAR DAVorm DB dbr DGVZ d.h. DienstleistungsRL
Cornell International Law Journal Corporate Rescue and Insolvency Convention relative aux transports internationaux ferroviaires (Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr) vom 9.5.1980 i.d.F. vom 3.9.1999 Código de Processo Civil (Portugal), Code de procédure civile (Frankreich, Belgien, Luxemburg), codice di procedura civile (Italien) Civil Procedure Rules Computer und Recht Convention sur la responsabilite civile pour les dommages causes au cours du transport de marchandises dangereuses par route, rail et bateaux de navigation interieure (UN-Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Schäden bei der Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, der Schiene und auf Binnenschiffen) vom 10.9.1989 Court Convention relative au contrat de transport international de voyageurs et de bagages par route (Übereinkommen über den Vertrag über die internationale Beförderung von Personen und Gepäck auf der Straße) vom 1.3.1973
Dir.comm.int. Dir.com.scambi int. Dir.mar. Diss. D.J. D.Jur. D.M.F. Doc.Dir.Comp. D&P DRiZ Dr.soc. Dr.sociétés DS D.S. D.S.Jur. DStR DuD DVBl DZWIR DZWiR
Recueil Dalloz Dalloz Affaires Deutsches Autorecht Der Amtsvormund Der Betrieb Der Betriebsrat Deutsche Gerichtsvollzieher Zeitung das heißt Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt Diritto del commercio internazionale Diritto comunitario e degli scambi internazionali Diritto marittimo Dissertation Deutsche Justiz Recueil Dalloz. Jurisprudence Droit maritime français Documentação e Direito Comparado (Boletim do Ministério da Justiçia) Droit & Patrimoine Deutsche Richterzeitung Droit social Droit des sociétés Der Sachverständige Recueil Dalloz Sirey. hebdomadaire Reuceil Dalloz Sirey. Jurisprudence Deutsches Steuerrecht Datenschutz und Datensicherheit Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
E.A.T. EB ebd. ebf.
Employment Appeal Tribunal Empfangsbestätigung ebenda ebenfalls XV
Abkürzungsverzeichnis
E-CommerceRL
ed(s). E.E.D. EFZG EG EG EG-BagatellVO EG-BewDG EG-BewVO 2001 EGBGB EGGVG EGHGB EG-IAS-VO EGInsO EG-InsVO 2000 EG-MahnVO EGMR EG-PKH-RL
EG-PKHVV EG-UntVO EGV EG-VollstrTitelDG EG-VollstrTitelVO EGZPO EG-ZustDG
EG-ZustVO 2000
XVI
Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) editor(s) Episkopissi Emporikou Dikaiou Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) Einführungsgesetz Europäische Gemeinschaften Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines Verfahrens für geringfügige Forderungen Gesetz zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz) Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27.1.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen EG-Prozesskostenhilfevordruckverordnung Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen Gesetz betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung Gesetz zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Zustellungsdurchführungsgesetz) Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten
Abkürzungsverzeichnis
EG-ZustVO 2007
EheG EheSchlRG Einl. einschl. E.I.P.R. E.J.C.C.L. Electr.J.Comp. L. Emory Int’l L.Rev. EMRK EntsendeRL EO EP EPÜ ERA E.R.C.L. Erg.-Lfg. E.R.P.L. ErwGr. E.S.Z.B. etc. ETR EU EU-BewVO
EU-EheGüterVO
EU-ErbVO
EU-InsVO EuGH EuGHE EuGH-VerfO EuGrCh EuGVÜ EuInsÜ EuIPR
Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates Ehegesetz (Schweden) Eheschließungsrechtsgesetz Einleitung einschließlich European Intellectual Property Review European Journal of Commercial Contract Law Electronic Journal of Comparative Law Emory International Law Review Europäische Menschenrechtskonvention Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen Exkutionsordnung (Österreich) Europäisches Parlament Übereinkommen über die Erteilung Europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen) vom 5.10.1973 i.d.F. vom 29.11.2000 Europäische Rechtsakademie European Review of Contract Law Ergänzungslieferung European Review of Private Law Erwägungsgrund (-grundes, -gründe) Europäisches System der Zentralbanken et cetera Europäisches Transportrecht Europäische Union Verordnung (EU) 2020/1783 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2020 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (Beweisaufnahme) (Neufassung) Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstandes Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung) Gerichtshof der Europäischen Union Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der EG und des Europäischen Gerichts Erster Instanz Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofes Charta der Grundrechte der Europäischen Union EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen („Brüsseler Übereinkommen“) vom 27.9.1968 EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren vom 23.11.1995 Europäisches Internationales Privatrecht XVII
Abkürzungsverzeichnis
EU-KPfVO
EuLF EU-LP-GüterVO
EuR Eur.Bus.L.Rev. Eur.J.L.Reform Eur.J.Migr.&L. Eur.L.Rpter. Europ.Trans.L. EU-SchutzMVO EuSorgeÜbk 1980 EUV EuVollstrTitel EuZ EuZA EuZPR EU-ZustVO 2020
EuZVR EuZW EVÜ E.W.C.A. EWG-KlauselRL EWGV E.W.H.C. EWiR EWIV-VO EWR EWS EzA EZB EZB F. f. FactÜbk Fallimento XVIII
Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivilund Handelssachen European Legal Forum Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften Europarecht European Business Law Review European Journal of Law Reform European Journal of migration and law European Law Reporter European Transport Law: Journal for Law and Economics Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.6.2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses vom 20.5.1980 Vertrag über die Europäische Union Europäischer Vollstreckungstitel Zeitschrift für Europarecht Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht Europäisches Zivilprozessrecht Verordnung (EU) 2020/1784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2020 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) (Neufassung) Europäisches Zivilverfahrensrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom-Übereinkommen“) vom 19.6.1980 England and Wales Court of Appeal Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (s.a. KlauselRL) Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft High Court of England and Wales Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Europäischer Zahlungsbefehl Europäische Zentralbank Federal Reporter folgende Ottawaer UNIDROIT-Übereinkommen über das internationale Factoring vom 28.5.1988 Il fallimento (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
FamFG FamG Fam. Law Fam.L.Q. FamRÄndG FamRB.int. FamRZ Fasc. FernabsatzRL FF ff. FFE FG FG FG FGG FinDAG F.J.R. F.L.A. Fla.L.Rev. F.L.D.A. F.L.R. FlRG Fn. Foro it. Foro pad. Forum Int. R. FPR FS F.S.R. FuR GA GAin GATT Gaz.Pal. Gaz.Pal.Doctr. GebrMG G.E.D.I.P. gem. GenTG GeschmMG GeschmMV GewSchG G.F.S.
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familiengesetz (Finnland) Family Law Familiy Law Quarterly Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) Der Familienrechtsberater – Beilage zum internationalen Familienrecht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fascicule Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz Forum Familienrecht folgende Forum Familien- und Erbrecht Festgabe Finanzgericht Freiwillige Gerichtsbarkeit Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz) Tijdschrift voor Familie- en Jeugdrecht Family Law Act (Vereinigtes Königreich) Florida Law Review Family Law Divorce Act (Irland) Family Law Reports Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) Fußnote Il Foro Italiano Il Foro padano Forum des Internationalen Rechts Familie, Partnerschaft, Recht Festschrift Fleet Street Reports Familie und Recht Generalanwalt Generalanwältin General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) La gazette du palais et du notariat Gazette du Palais, Doctrine Gebrauchsmustergesetz Groupe européen de droit international privé gemäß Gesetz zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz) Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz) Verordnung zur Ausführung des Geschmacksmustergesetzes (Geschmacksmusterverordnung) Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz) Gedächtnis- und Festschrift XIX
Abkürzungsverzeichnis
GG ggf. ggü. GGVO Giur.Comp.dir.int.priv. Giur.it. GKG G.L.J. GmbHR GMVO GoA GPR grds. GRUR GRURInt GRUR-RR GS GVG GWB H. h.A. HAdoptÜbk 1993 HambR HandelsvertreterRL HarvLRev HausratsVO HAVE HAVÜbk 2019 HBÜ Hdb. IZVR HErwSÜbk 2000 HG HGB High Ct. HKaufStÜbk 1955 HKindEntfÜbk h.L. H.L. h.M. HmbSchRZ HOAI XX
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls gegenüber Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Giurisprudenza Comparata di diritto internazionale privato Giurisprudenza italiana Gerichtskostengesetz German Law Journal GmbH-Rundschau Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26.2.2009 über die Gemeinschaftsmarke Geschäftsführung ohne Auftrag Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union grundsätzlich Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Rechtsprechungs-Report Gedächtnisschrift Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Heft herrschende Ansicht Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.5.1993 UN-Convention on the Carriage of Goods by Sea – Hamburg Rules (UN-Übereinkommen über die Beförderung von Gütern auf See) vom 31.3.1978 Richtlinie 86/653/EG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter Harvard Law Review Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats nach der Scheidung (Hausratsverordnung) Haftung und Versicherung Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 2.7.2019 Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Ziviloder Handelssachen vom 18.3.1970 Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 13.1.2000 Handelsgericht Handelsgesetzbuch High Court Haager Übereinkommen betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anzuwendende Recht vom 15.6.1955 Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 herrschende Lehre House of Lords herrschende Meinung Hamburger Zeitschrift für Schifffahrtsrecht Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen
Abkürzungsverzeichnis
Hof van Cass. HProdHPflÜbk 1973 HProrogÜbk 2005 Hrsg. Hs. HStVÜbk 1971 HTrustÜbk 1985 HUntAVÜbk 1958 HUntAVÜbk 1973 HUntStProt 2007 HUntStÜbk 1956 HUntStÜbk 1973 HUntVerfÜbk 2007 HZivPrÜbk 1954 HZÜ
I.A.C.P.I.L. IBR ICC ICC Int.Ct.Arb.Bull. I.C.C.L.R. I.C.L.Q. i.d.F. i.d.R. I.D.R. i.E. I.E.R. I.E.S.C. iFamZ I.F.L. IHR I.I.C. I.L.M. I.L.Pr. I.L.R.M. ILSA J.Int.&Comp.L. I.L.T. insbes. InsO Int.Arb.L.Rev.
Hof van Cassatie Haager Übereinkommen über das auf die Produkthaftpflicht anzuwendende Recht vom 2.10.1973 Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30.6.2005 Herausgeber Halbsatz Haager Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht vom 4.5.1971 Haager Übereinkommen über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung vom 1.7.1985 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24.10.1956 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23.11.2007 Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 1.3.1954 Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 Interdisplinary Association of Comparative and Private International Law Immobilien- & Baurecht International Chamber of Commerce ICC International Court of Arbitration Bulletin International Company and Commercial Law Review International and Comparative Law Quarterly in der Fassung in der Regel Journal of International Dispute Resolution im Ergebnis Intellectuele eigendom & reclamerecht Supreme Court of Ireland Decisions Interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht International Family Law Internationales Handelsrecht International Review of Intellectual Property and Competition Law International Legal Materials International Litigation Procedure Irish Law Reports Monthly ILSA (International Law Students’ Association) Journal of International and Comparative Law Irish Law Times insbesondere Insolvenzordnung International Arbitration Law Review XXI
Abkürzungsverzeichnis
Int.Co.&Comm.L.Rev. Int.Constr.L.Rev. IntFamG IntFamRVG
I.R. I.R. i.R.d. i.S.d. i.S.v. i.V.m. IZ IZPR IZVR i.Zw.
International Company and Commercial Law Review The International Construction Law Review Gesetz zum Internationalen Familienrecht Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz) International Litigation Procedure The International Lawyer International Lis International Review of Industrial Property and Copyright Law Internationale Urteilsanerkennung Investmentgesetz Insolvenz und Vollstreckung Intellectual Property Quarterly Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPR-Gesetz Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts Informations rapides Irish Reports im Rahmen des/der im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit Zeitschrift für den Internationalen Eisenbahnverkehr Internationales Zivilprozessrecht Internationales Zivilverfahrensrecht im Zweifel
J. JAmt JAP Jap. J.A.R. Jb.Ital.R. Jb.J.Ziv.R.Wiss. J.B.L. J.Bl. Jb.Prax.Sch. Jb.R.Soz. JCl.Droit.Int. JCl.Droit int.fasc. J.Cl.P. J.Cl.P. (C) J.Cl.P. (E) J.Cl.P. (G) J.Cl.P. (S) jdf. J.D.I. J.Empir.Leg.Stud. Jh.J.B. J.I.B.F.L. J.I.B.L.R. J.I.M.L.
Justice Zeitschrift für Jugendhilfe und Familienrecht Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung japanisch (-er, -es) Jaarboek voor Arbeidsrecht Jahrbuch für italienisches Recht Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler Journal of Business Law Juristische Blätter Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie Juris-Classeur, Droit international Juris-Classeur, Droit international fascicule Juris-Classeur Périodique Juris-Classeur Périodique, édition Civil Juris-Classeur Périodique, édition Entreprise Juris-Classeur Périodique, édition Générale Juris-Classeur Périodique, édition Social jedenfalls Journal du droit international Journal of Empirical Legal Studies Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Journal of International Banking and Financial Law Journal of International Banking Law and Regulation Journal of International Maritime Law
Int.Litig.Proc. Int’l Lawyer Int’l Lis Int.Rev.Ind.Cop.R.L. Int.Urt.Anerk. InvG InVo I.P.Q. IPR IPRax IPRG IPRspr
XXII
Abkürzungsverzeichnis
J.Int.Arb. J.Int.Bank.L. J.M.L.B. J.M.L.C. J.N. J.O. Jo.B.L. J.P.A. J.P.I.L. J.Pr.I.L. J.R. J.T. J.T.dr.europeen. JuMiG JURA Jur.Büro Jur.comm.belge JuS J.W.T.L. JZ
Journal of International Arbitration Journal of International Banking Law Jurisprudence de Mons, Liège et Bruxelles Journal of Maritime Law and Commerce Jurisdiktionsnorm (Österreich) Journal officiel Journal of Business Law Jurisprudence de port d’Anvers Journal of Public and International Law Journal of Private International Law Juristische Rundschau Journal des tribunaux Journal des tribunaux (droit europeen) Justizmitteilungsgesetz Juristische Ausbildung Das Juristische Büro Jurisprudence commerciale belge Juristische Schulung Journal of World Trade: law, economics, public policy Juristenzeitung
KantonsG Kap. KapMuG Kapstadt-Übk
Kantonsgericht Kapitel Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz Cape Town Convention on International Interests in Mobile Equipment (Kapstädter Übereinkommen über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung) vom 16.11.2001 Kings Bench The King’s College Law Journal Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung) Kammergericht Report des Kammergerichts King’s College Law Journal Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (s.a. EWG-KlauselRL) Dokumentenkennung der Kommission der EG Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse (Konsulargesetz) Kodix Politikis Dikonomias (Griechenland) Kommunikation & Recht kritisch Kritische Justiz Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen Kündigungsschutzgesetz Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 Kantongerecht Konkurs, Treuhand, Schiedsgerichtswesen Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15.3.1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern Gesetz über das Kreditwesen
K.B. K.C.L.J. KfzPflVV KG KGR King’s Coll.LJ. KlauselRL KOM KonsG K.P.D. K&R krit. Krit.Justiz KrWaffKontrG KSchG KSÜ
Ktg. KTS KulturgüterrückgabeRL KWG
XXIII
Abkürzungsverzeichnis
LA LAG LAGE LandesG L.E.C. LFGB Lit. L.J. L.J.J. LJZ Lloyd’s Rep. L.M. L.M.C.L.Q. L.M.K. L.O.P.J. Loyola L.A.In’l & Comp.Rev. LPartG L.Q.Rev. LuftVG LugÜbk 1988 LugÜbk 2007 luxemb. m. MaBV m. Anm. MarkenG Marq. L. Rev. m.a.W. MDR MDStV Med.-Arb. MHG Mich.L.Rev. MittBayNot Mitt.Pat. MittRhNotK M.J. MMR Mod.L.Rev. MoMiG Montr.Übk MR XXIV
liber amicorum Landesarbeitsgericht Entscheidungssammlung der Landesarbeitsgerichte Landesgericht Ley de Enjuiciamiento Civil (Spanien) Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch Litera Lord Justice Lord Justices Liechtensteinische Juristenzeitung Lloyd’s Reports liber memorialis Lloyd’s Maritime and Commercial Law Quarterly Lindenmaier-Möhring, Kommentierte Rechtsprechung Ley Orgánica del Poder Judicial (Spanien) Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Review Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft Law Quarterly Review Luftverkehrsgesetz Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 luxemburgisch mit Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehens- und Anlagenvermittler, Anlageberater, Bauträger und Baubetreuer (Makler- und Bauträgerverordnung) mit Anmerkung Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz) Marquette Law Review mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Staatsvertrag über Mediendienste (Mediendienstestaatsvertrag) Mediation-Arbitration Gesetz zur Regelung der Miethöhe (Miethöhegesetz) Michigan Law Review Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungen der deutschen Patentanwälte Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Maastricht Journal of European and Comparative Law Multimedia und Recht Modern Law Review Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommen) vom 28.5.1999 Medien und Recht
Abkürzungsverzeichnis
MSA
MuSchG m.w.N.
Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5.10.1961 UN-Convention on International Multimodal Transport of Goods (UN-Übereinkommen über die internationale multimodale Güterbeförderung) vom 24.5.1980 Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) mit weiteren Nachweisen
Nachw. n.c.p.c. Ned.Jbl. Ned.Jur. NEheG N.I.L.R. N.I.P.R. N.I.Q.B. N.J. N.J. N.J.A. NJOZ NJW NJW-RR NotBZ Nr. N.S.A. NSW N.T.B.R. N.T.E.R. N.T.H.R. Nuove leggi civ.Com. NVwZ Nw.J.Int’l L.&Bus. N.Y.U.L.Rev. NZA NZA-RR NZFam NZG NZI NZM NZV
Nachweis(e) Nouveau Code de procédure civile (Frankreich) Nederlands Juristenblad Nederlandse Jurisprudentie Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder Netherlands International Law Review Nederlands Internationaal Privaatrecht Northern Ireland Queen’s Bench Division Nederlandse Jurisprudentie Neue Justiz Nytt Jurisdik Arkiv Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Nummer(n) Naczelny Sa˛d Administracyjny (polnisches Oberstes Verwaltungsgericht) Nachschlagewerk der Rechtsprechung zum Gemeinschaftsrecht Nederlands Tijdschrift voor Burgerlijk Recht Nederlands Tijdschrift voor Europees Recht Nederlands Tijdschrift voor Handelsrecht Le Nuove Leggi Civili Commentate Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Northwestern Journal of International Law and Business New York University Law Review Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Familienrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht Neue Zeitschrift für Mietrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht
o. o.ä. öAnwBl ö.A.w.E. ÖBA ObG Obs. OGH O.H. Ohio St.L.J. ÖJZ ÖKSchG Ø.L.D.
oben oder ähnliches Österreichisches Anwaltsblatt öffentliche Aufgabe wahrnehmende Einrichtung Österreichisches Bank Archiv Obergericht Observations Österreichischer Oberster Gerichtshof Court of Session, Outer House Ohio State Law Journal Österreichische Juristenzeitung Konsumentenschutzgesetz (Österreich) Østre Landsret Dom
MTC
XXV
Abkürzungsverzeichnis
OLG OLG-NL OLGR O.R. ÖRZ öst.
Oberlandesgericht OLG-Rechtsprechung Neue Länder OLG-Report Obligationenrecht (Schweiz) Österreichische Richterzeitung österreichisch (-er, -es)
p. PECL PflVG
Prot.EuGVÜ ProzRB
page Principles of European Contract Law Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) Pensionskassengesetz Präsident Protokoll Protokoll über die Position Dänemarks, beigefügt dem Amsterdamer Vertrag vom 2.10.1997 Protokoll zum EuGVÜ vom 27.9.1968 Der Prozess-Rechtsberater
Q.B. Q.B.D. Q.C.
The Law Reports, Queen’s Bench Division High Court of Justice, Queen’s Bench Division Queen’s Counsel
PKG Präs. Prot. Prot.Dk.
RabelsZ
Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel Rb. Rechtbank Rb. Kh. Rechtbank van Koophandel RBÜ Berner Übereinkommen über den Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 9.9.1886 i.d.F. vom 2.10.1979 RdA Recht der Arbeit R.D.C.B. Revue de droit commercial belge RDG Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz) RdU Recht der Umwelt RdW Recht der Wirtschaft Rec. Recueil des Cours de l’Academie de droit international R.E.D.I. Revista espanola de derecho internacional Rel. Tribunal da Relação Rev.Arb. Revue d’arbitrage Rev.belgedr.int. Revue belge de droit international Rev.crit.Dip. Revue critique de droit international privé Rev.crit.Jur.belge Revue critique de jurisprudence belge Rev.der.com.eur. Revista de derecho comunitario europeo Rev.dr.aff.int. Revue de droit des affaires internationales Rev.dr.fr.comm. Revue de droit français commerciale Rev.dr.int.dr.comp. Revue de droit international et de droit comparé Rev.dr.trav. Revue de droit du travail Rev.dr.unif. Revue de droit uniforme Rev.Fac.Dir.Univ.Lisboa Revista da Faculdade de Direito da Universidade de Lisboa Rev.gén.dr. civ.belge Revue générale de droit civil belge Rev.int.dr.comp. Revue internationale de droit comparé Rev.Inst.belge Revue d’Institut Belge Rev.int.y integr. Revista internacional y integración Rev.Lamy dr.aff. Revue Lamy de Droit des affaires Rev.MUE Revue du Marché Unique Européen XXVI
Abkürzungsverzeichnis
Rev.ord.adv. Rev.proc.Coll. Rev.Scapel Rev.soc. Rev.trim.dr.civ. Rev.trim.dr.eur. Rev.trim.dr.fam. R.F.D.A. RG RGBl. R.G.D.A. RGZ R.H.D.I. R.I.D.C. Ritsum.L.Rev. Riv.Arb. Riv.dir.eur. Riv.dir.fall.soc.com. Riv.dir.int. Riv.dir.int.priv.proc. Riv.dir.proc. Riv.notariato Riv.trim.dir.proc.civ. RIW RL Rom I-VO
R.P.C. Rpfleger RPflG RpflStud. RRa Rs. R+S R.S.D.A. Rspr. RTD com. RTD eur. RVG R.V.J. R.W. Rz.
Revista da Ordem dos Advogados Revue des procédures collectives civiles et commerciales Revue Scapel Revue des sociétés Revue trimestrielle de droit civil Revue trimestrielle de droit européen Revue trimestrielle de droit familial Revue française de droit administratif Reichsgericht Reichsgesetzblatt Revue générale du droit des assurances Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revue hellénique de droit international Revue international de droit comparé Ritsumeikan Law Review (International Edition) Rivista d’arbitrato Rivista di diritto europeo Rivista di diritto fallimentare e della societá commerciale Rivista di diritto internazionale Rivista di diritto internazionale privato e processuale Rivista di diritto processuale Rivista del Notariato Rivista trimestrale di diritto e procedura civile Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“) Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts Reports of Patent Cases Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Rechtspfleger – Studienhefte Reiserecht aktuell Rechtssache Recht und Schaden Revue Suisse de droit des affaires et du marché financier Rechtsprechung Revue trimestrielle de droit commercial et de droit économique Revue trimestrielle de droit européen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Revue valaisanne de jurisprudence Rechtskundig Weekblad Randziffer
S. S. s. SAE
Satz Seite siehe Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen
Rom II-VO Rom III-VO
XXVII
Abkürzungsverzeichnis
Sc. S.C. SchiedsVZ SchuldRAnpG Schw. SchwJZ S.C.L.R. Sem.jud. SE-VO SGB sic! SJ SJZ Soc. sog. Somm. SorgeRÜbkAG
SortenschutzVO SortSchG Sp. Span. SpuRt S&S st. StaZ S.T.J. Str. Sv.J.T. SVR Sw.J.L.&Trade in the Americas S.Z. SZIER SZW SZZP T.B.H. TDG Temp.L.Rev. Texas Int’l L.J. T.f.R. T.G.I. Time-Sharing-RL 1994
XXVIII
scilicet (lat nämlich) Supreme Court Zeitschrift für Schiedsverfahren Gesetz zur Anpassung schuldrechtlicher Nutzungsverhältnisse an Grundstücken im Beitrittsgebiet (Schuldrechtsanpassungsgesetz) schweizerisch (-e, -es) Schweizerische Juristenzeitung Scottish Civil Law Reports Semaine judiciaire Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Sozialgesetzbuch sic! (Zeitschrift) Steuer-Journal Schweizer Juristenzeitung chambre sociale sogenannt Sommaires Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und des Europäischen Übereinkommens vom 20.5.1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (SorgerechtsübereinkommensAusführungsgesetz) Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27.7.1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz Sortenschutzgesetz Spalte Spanien (-s) Zeitschrift für Sport und Recht Schip en Schade ständige Das Standesamt (Zeitschrift für Standesamtwesen) Supremo Tribunal de Justicia Spiegelstrich Svensk Juristtidning Straßenverkehrsrecht – Zeitschrift für die Praxis des Verkehrsjuristen Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas Sammlung der Rechtsprechung des Österreichischen Obersten Gerichtshofs in Zivilsachen Schweizerische Zeitschrift für Internationales und Europäisches Recht Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozessrecht Tijdschrift voor Belgisch handelsrecht Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz) Temple Law Review Texas International Law Journal Tidsskrift for Rettsvitenskap Tribunal de grande instance Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien
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Time-Sharing-RL 2009
T.I.P. TMG TranspR Trav.Com.fr.DIP Trib. Trib.app. Trib.cant. Trib.comm. Trib.Sup. Trib.trav. Tru.L.I. Trusts att.Fid. Tulane J.Int’l&Comp.L. Tul.L.Rev. T.V.I. TzBfG u. u.a. u.ä. UAbs. Übk UCC UFITA U.f.R. UhVorschG U.K.H.L. UKlaG U.L.R. Unif. L.Rev. UN-KinderrechteÜbk UNÜ U.Pa.LRev. UrhG u.U. v. v. v.a. VAG Va.J.Int’lL Vand.J.Transn.L. Var. VerbraucherkreditRL
Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.1.2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen Tijdschrift voor Internationaal Privaatrecht Telemediengesetz Transportrecht Travaux de Comité français de droit international privé Tribunal, Tribunale Tribunale di appello Tribunal cantonal Tribunal de commerce Tribunal Supremo Tribunal de travail Trust Law International Riviste Trusts e attività fiduciarie Tulane Journal of International and Comparative Law Tulane Law Review Tijdschrift voor Insolventierecht Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge unten und andere und ähnliches Unterabsatz Übereinkommen Uniform Commercial Code Archiv für Urheber- und Medienrecht Ugeskrift for Retsvaesen Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern allein stehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen United Kingdom House of Lords Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen Utrecht Law Review Uniform Law Review Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 University of Pennsylvania Law Review Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) unter Umständen versus von, vom vor allem Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Virginia Journal of International Law Vanderbilt Journal of Transitional Law Variante Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates XXIX
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VerbrauchsgüterkaufRL verb. Rs. VerkProspG VermG VersR. VersRAI vgl. VO VOB/B Vorbem. vorl. vs. VuR VV VVG V.W. Vzngr. Wanderarbeitnehmer-VO
Richtlinie 99/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter verbundene Rechtssache Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) Versicherungsrecht Versicherungsrecht Beilage Ausland vergleiche Verordnung Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen Vorbemerkung(en) vorläufig versus Verbraucher und Recht Vergütungsverzeichnis Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) Versicherungswirtschaft Voorzieningenrechter
wbl WiB WiRO W.L.R. WM wobl WpHG W.P.N.R. WRP W.R.V. WSA WTO WuB WÜD WÜK WuW WVRK
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 12.10.1929 Wirtschaftsrechtliche Blätter Wirtschaftsrechtliche Beratung Wirtschaft und Recht in Osteuropa The Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Wohnrechtliche Blätter Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz) Weekblad voor privaatrecht, notariaat en registratie Wettbewerb in Recht und Praxis Wetboek van Rechtsvorderingen (Niederlande) Wirtschafts- und Sozialausschuss World Trade Organization (Welthandelsorganisation) Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 Wirtschaft und Wettbewerb Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.5.1969
YBCom.Arb. YBConsL. YBE.L. YBIntL. YBP.I.L. Zak ZAP z.B. ZBB ZBernJV
Yearbook of Commercial Arbitration Yearbook of Consumer Law Yearbook of European Law Yearbook of International Law Yearbook of Private International Law Zivilrecht aktuell Zeitschrift für anwaltliche Praxis zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift des Bernischen Juristen-Vereins
WarschAbk
XXX
Abkürzungsverzeichnis
ZBVR ZESAR ZEuP ZEuS ZEV ZfA ZfBR ZfIR ZfRV ZfV ZGR ZHR ZIAS Ziff. ZIK ZInsO ZIP ZivG ZJapanR ZKM ZLR ZLW ZMR ZPO ZR ZRHO ZSR z.T. ZUM zust. Zust. EU-DK Abk ZustRG zutr. ZVersWiss ZVGB ZVglRWiss ZVI ZWeR ZZP ZZPInt
Zeitschrift für Betriebsverfassungsrecht Zeitschrift für Europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für deutsches und internationals Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, internationales Recht und Europarecht Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht Ziffer Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilgericht Zeitschrift für Japanisches Recht Zeitschrift für Konflikt-Management Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung Blätter für Zürcherische Rechtsprechung Rechtshilfeordnung in Zivilsachen Zeitschrift für Schweizerisches Recht zum Teil Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht zustimmend Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen vom 19.10.2005 Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz) zutreffend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Zivilverfahrensgesetzbuch Polen Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht Zeitschrift für Wettbewerbsrecht Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International
XXXI
Kommentarliteratur Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht (4. Aufl. 2020) zitiert: Bearbeiter in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier Althammer, Brüssel IIa Rom III (2014) zitiert: Bearbeiter in Althammer Anders/Gehle, ZPO (81. Aufl. 2023) zitiert: Bearbeiter in Anders/Gehle Bork/van Zwieten, Commentary on the European Insolvency Regulation (2. Ed. 2022) zitiert: Bearbeiter in Bork/van Zwieten Braun, Insolvenzordnung (9. Aufl. 2022) zitiert: Bearbeiter in Braun Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Internationales Zivilverfahrensrecht (Loseblatt, Stand 21. Erg.-Lfg. 2020) zitiert: Bearbeiter in Burgstaller/Neumayr Callies/Renner, Rome Regulations (3. Aufl. 2020) zitiert: Bearbeiter in Callies/Renner Callies/Ruffert, EUV/EGV (6. Aufl. 2022) zitiert: Bearbeiter in Callies/Ruffert Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht (4. Aufl. 2015) zitiert: Bearbeiter in Czernich/Kodek/Mayr Dauner-Lieb/Heidel/Ring, NomosKommentar Bürgerliches Gesetzbuch: BGB (Bd.1–2, 4: 4. Aufl. 2015–2021, Bd. 3: 5. Aufl. 2022, Bd. 5: 6. Aufl. 2021, Bd. 6: 3. Aufl. 2019) zitiert: Bearbeiter in NK-BGB Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO – EU-Erbrechtsverordnung (2. Aufl. 2020) zitiert: Bearbeiter in Deixler-Hübner/Schauer, EuErbVO Dickinson, The Rome II Regulation (2008) zitiert: Dickinson, Rome II Erman, BGB (16. Aufl. 2020) zitiert: Bearbeiter in Erman Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen (2. Aufl. 2002–2011, 3. Aufl. 2013 ff.) zitiert: Bearbeiter in Fasching/Konecny Ferrari, Rome I Regulation Pocket Commentary (2015) zitiert: Bearbeiter in Ferrari Ferrari/Kieninger/Mankowski/Otte/Saenger/Schulze/Staudinger, Internationales Vertragsrecht (3. Aufl. 2018) zitiert: Bearbeiter in Ferrari/Kieninger/Mankowski et al. Gebauer/Wiedmann, Europäisches Zivilrecht (3. Aufl. 2021) zitiert: Bearbeiter in Gebauer/Wiedmann Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht (4. Aufl. 2020) zitiert: Bearbeiter in Geimer/Schütze, EuZVR Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Loseblatt, Stand 66. Erg.-Lfg., 2023) zitiert: Bearbeiter in Geimer/Schütze Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, beck-online.GROSSKOMMENTAR zum Zivilrecht zitiert: Bearbeiter in BeckOGK Goette/Habersack/Kalss, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz (5. Aufl. 2019–2021, 6. Aufl. 2023 ff.) zitiert: Bearbeiter in MünchKommAktG Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV (Loseblatt, Stand 78. Erg.-Lfg., 2023) zitiert: Bearbeiter in Grabitz/Hilf/Nettesheim Graf-Schlicker, InsO (6. Aufl. 2021) zitiert: Bearbeiter in Graf-Schlicker Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch (82. Aufl. 2023) zitiert: Bearbeiter in Grüneberg Hau/Poseck, Beck’scher Online-Kommentar BGB (Stand 66. Edition, 1.2.2023) zitiert: Bearbeiter in BeckOK/BGB
XXXIII
Kommentarliteratur Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht (2. Aufl. 2018) zitiert: Bearbeiter in Hausmann, IntEuSchR Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, juris PraxisKommentar BGB (10. Aufl. 2023) zitiert: Bearbeiter in jurisPK-BGB Hirte/Mülbert/Roth, AktG (5. Aufl. 2015 ff.) zitiert: Bearbeiter in Hirte/Mülbert/Roth Huber, Rome II Regulation Pocket Commentary (2011) zitiert: Bearbeiter in Huber Johannsen/Henrich/Althammer, Familienrecht – Scheidung, Unterhalt, Verfahren (7. Aufl. 2020) zitiert: Bearbeiter in Johannsen/Henrich/Althammer Kayser/Thole, Insolvenzordnung (11. Aufl. 2023) zitiert: Bearbeiter in HK-InsO Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung (4. Aufl. 2021) zitiert: Bearbeiter in NK-ZV Koller/Lovrek/Spitzer, IO – Insolvenzordnung (2. Aufl. 2023) zitiert: Bearbeiter in Koller/Lovrek/Spitzer Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht (9. Aufl. 2011) zitiert: von Hein in Kropholler Krüger/Rauscher, Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung (6. Aufl. 2020–2022) zitiert: Bearbeiter in MünchKomm/ZPO Kübler/Prütting/Bork, InsO (Loseblatt, Stand 96. Erg.-Lfg. 2023) zitiert: Bearbeiter in Kübler/Prütting/Bork Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation (2. Aufl. 2022) zitiert: Bearbeiter in Magnus/Mankowski Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015 (2016) zitiert: Bearbeiter in Mankowski/Müller/Schmidt Moss/Fletcher/Isaacs, The EU Regulation on Insolvency Proceedings (3. Aufl. 2016) zitiert: Bearbeiter in Moss/Fletcher/Isaacs Müller-Glöge/Preis/Schmidt, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht (23. Aufl. 2023) zitiert: Bearbeiter in ErfKomm Musielak/Voit, ZPO (20. Aufl. 2023) zitiert: Bearbeiter in Musielak/Voit Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung (Loseblatt, Stand 47. Erg.-Lfg. 2023) zitiert: Bearbeiter in Nerlich/Römermann Palandt s. Grüneberg Paulus, EuInsVO (6. Aufl. 2021) zitiert: Paulus, EuInsVO Prütting/Gehrlein, ZPO (14. Aufl. 2022) zitiert: Bearbeiter in Prütting/Gehrlein Prütting/Helms, FamFG (6. Aufl. 2022) zitiert: Bearbeiter in Prütting/Helms Prütting/Wegen/Weinreich, BGB (17. Aufl. 2022) zitiert: Bearbeiter in PWW Rauscher, Münchener Kommentar zum FamFG (3. Aufl. 2018–2019) zitiert: Bearbeiter in MünchKomm/FamFG Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (8. Aufl. 2019–2021, 9. Aufl. 2021 ff.) zitiert: Bearbeiter in MünchKommBGB Saenger, Zivilprozessordnung (9. Aufl. 2021) zitiert: Bearbeiter in NK-ZPO Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht (5. Aufl. 2021) zitiert: Bearbeiter in Schlosser/Hess, EuZPR Schmidt, EuInsVO (2020) zitiert: Bearbeiter in Schmidt, EuInsVO
XXXIV
Kommentarliteratur Schmidt, InsO (20. Aufl. 2023) zitiert: Bearbeiter in Schmidt Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz (7. Aufl. 2020) zitiert: Bearbeiter in Schuschke/Walker/Kessen/Thole Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch (13. Aufl. 2000 ff., 14. Aufl. 2021 ff.) zitiert: Bearbeiter in Soergel Staudinger, Kommentar zum BGB (1993 ff.) zitiert: Bearbeiter in Staudinger (Jahr) Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung: ZPO (Bd. 1–6, 8–12: 23. Aufl. 2014–2022, Bd. 7: 22. Aufl. 2002) zitiert: Bearbeiter in Stein/Jonas (Jahr) Streinz, EUV/AEUV (3. Aufl. 2018) zitiert: Bearbeiter in Streinz Stürner/Eidenmüller/Schoppmeyer, Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (4. Aufl. 2019–2021) zitiert: Bearbeiter in MünchKomm/InsO Thomas/Putzo, ZPO (44. Aufl. 2023) zitiert: Bearbeiter in Thomas/Putzo Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO (15. Aufl. 2019–2020) zitiert: Bearbeiter in Uhlenbruck Vallender, EuInsVO (2. Aufl. 2020) zitiert: Bearbeiter in Vallender Vorwerk/Wolf, Beck’scher Online-Kommentar ZPO (Stand 48. Edition, 1.4.2023) zitiert: Bearbeiter in BeckOK/ZPO Wieczorek/Schütze, ZPO (4. Aufl. 2013–2018, 5. Aufl. 2020 ff.) zitiert: Bearbeiter in Wieczorek/Schütze (Jahr) Wimmer, FK-InsO – Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung (9. Aufl. 2018) zitiert: Bearbeiter in FK-InsO Zöller, ZPO (34. Aufl. 2022) zitiert: Bearbeiter in Zöller Zöllner/Noack, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz (3. Aufl. 2004–2020; 4. Aufl. 2020 ff.) zitiert: Bearbeiter in KölnKomm/AktG
XXXV
Verordnung (EU) 2020/1784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) Neufassung ABl. Nr. L 405 S. 40, ber. 2022 L 173 S. 133 Schrifttum: Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, 3. Aufl. 2021; Bach, Die Art und Weise der Zustellung in Art. 34 Nr. 2 EuGVVO: autonomer Maßstab versus nationales Zustellungsrecht, IPRax 2011, 241; Bajons, Internationale Zustellung und Recht auf Verteidigung, in FS Rolf A. Schütze, 1999, S. 49; Bellardita, Die Reform der grenzüberschreitenden Zustellung, DGVZ 2023, 1; Brand, Die Verjährungsunterbrechung nach § 167 ZPO bei der Auslandszustellung, NJW 2004, 1138; Brand/Reichhelm, Fehlerhafte Auslandszustellung, IPRax 2001, 173; Brenn, Europäische Zustellungsverordnung, 2002; Brenn, Europäischer Zivilprozess, 2005; Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Internationales Zivilverfahrensrecht, Kap. 81 (10. Lfg. Februar 2010); de Lind van Wijngaarden-Maack, Internationale Zustellung nach der EuZVO und internationale Zuständigkeit bei Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Exklusivvertriebsvertrages, IPRax 2004, 212; Drehsen, Zustellung gerichtlicher Schriftstücke im Rahmen der EuMahnVO, IPRax 2019, 378; Eichel, Internationale Zustellung und Klagepriorität bei fehlenden oder fehlerhaften Übersetzungen der Klageschrift, IPRax 2017, 352; Eichel, Der Beitrag der modernen Informationstechnologie zur Effizienz der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung, ZVglRWiss 119 (2020), 220; Eixelsberger, Praktische Schwierigkeiten im Anwendungsbereich der EuZVO, ecolex 2016, 1065; Fahrbach/Schiener, Praktische Rechtsfragen der internationalen Zustellung, IWRZ 2016, 158; Fabig/Windau, Die Neufassungen der Europäischen Zustellungs- und Beweisaufnahmeverordnungen, NJW 2022, 1977; Fahrbach/Schiener, Besondere Rechtsfragen der internationalen Zustellung, IWRZ 2017, 154; Falmbigl, Auftrag zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten unionsrechtswidrig?, zak 2013, 270; Fogt/Schack, Keine Urteilszustellung im deutsch-dänischen Rechtsverkehr?, IPRax 2005, 118; Försterling, Zum Begriff „demnächst“ im Sinne von § 167 ZPO bei Anwendbarkeit der EuZVO (§ 167 ZPO), IPRax 2005, 124; Franzina, Translation requirements under the EC Service Regulation: The Weiss and Partner Decision of the ECJ, YBPIL 10 (2008), 565; Frauenberger-Pfeiler, Das neue europäische Zustellrecht aus österreichischer Sicht, in König/Mayer (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich II, 2009, 89; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1998; R. Geimer, Einige Facetten des internationalen Zustellungsrechts und anderes mehr im Rückspiegel der neueren Rechtsprechung, IPRax 2010, 224; Gottwald, Sicherheit vor Effizienz? – Auslandszustellung in der Europäischen Union in Zivil- und Handelssachen, in FS Rolf A. Schütze, 1999, S. 225; Gottwald, Die Neufassungen der EU-Zustellungs- und Beweisverordnungen, MDR 2022, 1185; Gsell, Direkte Postzustellung an Adressaten im EU-Ausland nach dem Zustellungsrecht, EWS 2002, 115; Hausmann, Auslegungsprobleme der Europäischen Zustellungsverordnung, EuLF 2007 II, 1; Heckel, Die fiktive Inlandszustellung auf dem Rückzug – Rückwirkungen des europäischen Zustellrechts auf das nationale Recht, IPRax 2008, 218; Heidecker, Das Haager internationale Übereinkommen von 1896, betreffend das Civilprozeßverfahren, ZZP 23 (1897), 164; Heiderhoff, Europäisches Zustellungsrecht, ZZPInt. 10 (2005), 296; Heiderhoff, Keine Inlandszustellung an Adressaten mit ausländischem Wohnsitz mehr?, EuZW 2006, 235; Heiderhoff, Kenntnisnahme ersetzt nicht die Zustellung im Vollstreckbarerklärungsverfahren, IPRax 2007, 202; Heiderhoff, Keine Rangordnung der Zustellungsarten, IPRax 2007, 293; Heiderhoff, Einzelheiten zur öffentlichen Zustellung, IPRax 2010, 343; Heiderhoff, Fiktive Zustellung und Titelmobilität, IPRax 2013, 309; Heinze, Fiktive Inlandszustellungen und der Vorrang des europäischen Zivilverfahrensrechts, IPRax 2010, 155; Heinze, Keine Zustellung durch Aufgabe zur Post im Anwendungsbereich der Europäischen Zustellungsverordnung, IPRax 2013, 132; Hess, Die Zustellung von Schriftstücken im europäischen Justizraum, NJW 2001, 15; Hess, Aktuelle Perspektiven der europäischen Prozessrechtsangleichung, JZ 2001, 573; Hess, Neues deutsches und europäisches Zustellungsrecht, NJW 2002, 2417; Hess, Noch einmal: Direktzustellungen nach Art. 14 EuZVO, NJW 2004, 3301; Hess, Übersetzungserfordernisse im europäischen Zivilverfahrensrecht, IPRax 2008, 440; Hess, Untiefen des deutschen und des europäischen Zustellungsrechts, IPRax 2020, 127; Hök, Grenzüberschreitende Zustellung, ZAP 2005, 735; Hüßtege, Der Europäische Vollstreckungstitel in der Praxis, IPRax 2009, 321; Jacoby, Öffentliche Zustellung statt Auslandszustellung? Kritische Anmerkungen zum Entwurf des § 185 Nr. 2 ZPO durch das MoMiG, in FS Jan Kropholler, 2008, S. 819; Karaaslan, Internationale Zustellungen nach der EuZVO und der ZPO und ihre Auswirkungen auf die Anerkennung der Entscheidungen, 2007; Kern, Ein einheitliches Zustellungsrecht für Europa?, in FS Reinhold Geimer, 2017, S. 311; Klötgen, Bewährungsprobe für den Europäischen Justizraum: Grenzüberschreitende Zustellung und Beweisaufnahme, in Kengyel/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht, 2007, 87; Knöfel, Zustellung privater Schriftstücke über die Europäische Zustellungsverordnung?, IPRax 2017, 245; Knöfel, Die Neufassung der Europäischen Zustellungsverordnung (EuZustVO), RIW 2021, 473;
Ulrici
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EU-ZustVO 2020 Schrifttum Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995; Kondring, Voraussetzungen, Wirkung, Wirksamkeit und Rechtswirkung der Zustellung, IPRax 2007, 138; Kondring, Von Scania zu Alder – Ist die fiktive Inlandszustellung in Europa am Ende?, EWS 2013, 128; Kuntze-Kaufhold/Beichel-Benedetti, Verjährungsrechtliche Auswirkungen durch das Europäische Zustellungsrecht, NJW 2003, 1998; Lindacher, Europäisches Zustellungsrecht, ZZP 114 (2001), 179; Mankowski, Anm. zu EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, CMLR 43 (2006), 1689; Mankowski, Verbindlichkeit des Formblatts nach Anhang II der EuZVO – Heilung bei Nichtverwenden durch die Empfangsstelle, EuZW 2015, 836; Mankowski, Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke nach der EuZVO, EuZW 2015, 950; Mansel/Thorn/Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2014: Jahr des Umbruchs, IPRax 2015, 1; Mansel/Thorn/Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2018: Endspurt!, IPRax 2019, 85; Mansel/Thorn/Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2020: EU im Krisenmodus!, IPRax 2021, 105; Mansel/Thorn/Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2021: Digitalisierung als Aufgabe, IPRax 2022, 97; Mayr (Hrsg.), Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts, 2017; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl. 2020; Meyer, Europäisches Zustellungsübereinkommen (EZÜ), IPRax 1997, 401; Netzer, Status quo und Konsolidierung des Europäischen Zivilverfahrensrechts, 2011; Paal, Grenzüberschreitende Bauverträge und Internationales Zivilprozessrecht, BauR 2008, 228; Peer, Die Europäische Zustellungsverordnung, ÖJZ 2012, 5; Peer/Scheuer, Neue europäische Instrumente zur grenzüberschreitenden Zustellung und Beweisaufnahme, zak 2021, 27; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988; Rahlf/Gottschalk, Das Europäische Zustellungsrecht, EWS 2004, 303; Rauscher, Strikter Beklagtenschutz durch Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, IPRax 1991, 155; Rauscher, Anm. zu EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, JZ 2006, 251; Rauscher, Der Wandel von Zustellungsstandards zu Zustellungsvorschriften im Europäischen Zivilprozessrecht, in FS Jan Kropholler, 2008, S. 851; Richard, La refonte du règlement sur la notification des actes judiciaires et extrajudiciaires, Rev.crit.DIP 2021, 349; Richter, Internationale Klagezustellung nach der neugefassten EuZustVO, IPRax 2022, 433; Rohe, Zur Neuorientierung des Zustellungsrechts, in FS Max Vollkommer, 2006, S. 291; Rohls/Mekat, Das Zusammenspiel der Vorschriften der EuZustVO und der ZRHO bei der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke an fremde Staaten, IPRax 2017, 239; Rösler/Siepmann, Die geplante Reform der europäischen Zustellungsverordnung, RIW 2006, 512; Roth, Heilung von Zustellungsmängeln im internationalen Rechtsverkehr, in FS Walter Gerhardt, 2004, S. 799; Rühl, Digitalisierung der grenzüberschreitenden Streitbeilegung: Status quo und Zukunftsperspektiven, JZ 2023, 157; Schack, Einheitliche und zwingende Regeln der internationalen Zustellung, in FS Reinhold Geimer, 2002, S. 931; Schack, Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Zivilverfahrensrecht, SchlHA 2006, 115; Schlosser, Die drei Arten der Zustellung nach der Europäischen Zustellungsverordnung und Großzügigkeit bei der Zustellung „demnächst“, IPRax 2021, 453; Schmitz, Fiktive Auslandszustellung, 1980; Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, 2003; Springer, Die direkte Postzustellung gerichtlicher Schriftstücke nach der Europäischen Zustellungsverordnung (EG) Nr. 1348/2000, 2008; Stadler, Neues europäisches Zustellungsrecht, IPRax 2001, 514; Stadler, Förmlichkeit vor prozessualer Billigkeit bei Mängeln der internationalen Zustellung?, IPRax 2002, 282; Stadler, Die Reform des deutschen Zustellungsrechts und ihre Auswirkungen auf die internationale Zustellung, IPRax 2002, 471; Stadler, Anm. zu BGH v. 21.12.2006 – VII ZR 164/05, ZZPInt. 11 (2006), 227; Stroschein, Parteizustellung im Ausland, 2008; Stuij, De herschikking van de Bewijsverordening en de Betekeningsverordening, Tijdschrift voor de Procespraktijk, 2022, 207; R. Stürner, Förmlichkeit und Billigkeit bei der Klagzustellung im Europäischen Zivilprozeß, JZ 1992, 325; Sujecki, Reform des europäischen Zustellungsrechts – Die Zustellungsverordnung und der Vorschlag der Europäischen Kommission zu ihrer Änderung, GPR 2005, 193; Sujecki, Das Übersetzungserfordernis und dessen Heilung nach der Europäischen Zustellungsverordnung, ZEuP 2007, 358; Sujecki, Verhältnis der Zustellungsalternativen der EuZVO zueinander, EuZW 2007, 44; Sujecki, Neufassung der Europäischen Zustellungsverordnung, EuZW 2021, 286; Tsikrikas, Die Anerkennung von Wirkungen ausländischer Prozesshandlungen als Grundlage für die justizielle Zusammenarbeit, ZZPInt. 15 (2010), 145; Ungerer, Folgen des harten Brexit im Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrecht, NJW 2021, 1270; Wagner, Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen nach dem Brexit, IPRax 2021, 2; Wagner, Neuigkeiten zum internationalen Zivilverfahrensrecht, EuZW 2022, 733; Würdinger, Das Sprachen- und Übersetzungsproblem im Europäischen Zustellungsrecht – ein Spannungsfeld zwischen Justizgewährung und Beklagtenschutz im Europäischen Justizraum, IPRax 2013, 61. Materialien 1. Europäisches Zustellungsübereinkommen (Procedure 1992/0001/CNS): Nassauer, Europäisches Parlament, Ausschuss für Grundfreiheiten und innere Angelegenheiten, Bericht über den Entwurf eines Rechtsakts des Rates über die Ausarbeitung des Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – den Entwurf eines Vertrags aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – und über den Entwurf eines Rechtsakts des Rates über die Ausarbeitung des Protokolls betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften – das Protokoll aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch den Gerichtshof der Europäischen Gemein-
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Schrifttum
EU-ZustVO 2020
schaften, 20.3.1997, A4-0101/97; Erläuternder Bericht zum Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Ziviloder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, 26.6.1997, ABl. EG 1997 C 261/26; Erläuternder Bericht zum Protokoll aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union betreffend die Auslegung des Übereinkommens über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Ziviloder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union durch den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, 26.6.1997, ABl. EG 1997 C 261/38. 2. Verordnung Nr. 1348/2000 (Procedure 1999/0102/CNS): Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Ziviloder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, 4.5.1999, KOM(1999) 219 endg.; Hernández Bataller, Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten“, 21.10.1999, ABl. EG 1999 C 368/47; Wallis, Europäisches Parlament, Ausschuß für Recht und Binnenmarkt, Stellungnahme für den Ausschuß für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, 27.10.1999, A5-0060/1999, S. 19 ff.; Lechner, Europäisches Parlament, Ausschuss für die Freiheiten und Rechte der Bürger, Justiz und innere Angelegenheiten, Bericht über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, 11.11.1999, A5-0060/1999, S. 1 ff.; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, 29.3.2000, COM(2000) 75 endg.; MainStrat, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1348/2000 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matter (März 2004); Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, 1.10.2004, KOM(2004) 603 endg. 3. Verordnung Nr. 1393/2007 (Procedure 2005/0126/COD): Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, 7.7.2005, KOM(2005) 305/2 endg.; Gauzès, Europäisches Parlament, Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, 2.2.2006, A6-0024/2006; Sánchez Miguel, Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten“, 14.2.2006, ABl. EU 2006 C 88/7; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“), 1.12.2006, KOM(2006) 751 endg.; Rat der Europäischen Union, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 10/2007 vom Rat festgelegt im Hinblick auf den Erlass der Verordnung (EG) Nr. …/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom … über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates, 28.6.2007, ABl. EU 2007 C 193E/13; MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014; Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken), 4.12.2013, COM(2013) 858. 4. Verordnung Nr. 2020/1784 (Procedure 2018/0204/COD): Simoni/Pailli, Study on the service of documents: Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, 5.10.2016, JUST/2014/JCOO/ PR/CIVI/0049; European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, https://data. europa.eu/doi/10.2838/38491; Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation
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EU-ZustVO 2020 Schrifttum in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, https://data.europa.eu/doi/ 10.2838/444480; Europäische Kommission, Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“), 31.5.2018, COM(2018) 379 final; Europäische Kommission, Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Zusammenfassung der Folgenabschätzung, Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“), 31.5.2018, SWD(2018) 286 final; Europäische Kommission, Commission staff working document, Impact assessment, Accompanying the document Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulation (EC) No 1393/2007 of the European Parliament and of the Council on the service in the Member States of judicial and extrajudicial documents in civil or commercial matters (service of documents), 31.5.2018, SWD(2018) 287 final; Europäische Kommission, Regulatory Scrutiny Board Opinion, Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulation (EC) No 1393/2007 of the European Parliament and of the Council on the service in the Member States of judicial and extrajudicial documents in civil or commercial matters (service of documents), 31.5.2018, SEC(2018) 272 final; Hernández Bataller, Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu a) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen und b) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“), 17.10.2018, ABl. EU 2019 C 62/56; Cofferati, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“), 7.1.2019, A8-0001/2019; Member States, Comments on the Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulation (EC) No 1393/2007 of the European Parliament and of the Council on the service in the Member States of judicial and extrajudicial documents in civil or commercial matters (service of documents), 5.3.2019, Ratsdok. 6067/19; Rat der Europäischen Union, Orientierungsaussprache betreffend die Digitalisierung der justiziellen Zusammenarbeit zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen, 24.5.2019, Ratsdok. 9566/19; Europäischer Datenschutzbeauftragter, Stellungnahme 5/2019 zur Überarbeitung der EU-Verordnungen über die Zustellung von Schriftstücken und die Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen, 13.9.2019, Ratsdok. 12245/19; Rat der Europäischen Union, Allgemeine Ausrichtung zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“), 28.11.2019, Ratsdok. 14599/19, 7.2.2020, Ratsdok. 5722/20; Erklärung Österreichs, Tschechiens, Estlands, Deutschlands, Ungarns, Italiens, der Niederlande, Portugals, Sloweniens und Spaniens für das Protokoll des AStV und des Rates (Justiz und Inneres) zu den Verordnungen über die Zustellung von Schriftstücken und über die Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen, 28.11.2019, Ratsdok. 14599/19 ADD 1; Erklärung Estlands, Irlands und Portugals für das Protokoll des AStV und des Rates (Justiz und Inneres) zur Verordnung über die Zustellung von Schriftstücken in Zivil- oder Handelssachen, 28.11.2019, Ratsdok. 14599/19 ADD 2; Rat der Europäischen Union, 4 column table for the Service of Documents proposal as confirmed 30 June 2020 as part of the provisional agreement with the European Parliament at the second trilogue, 30.6.2020, Ratsdok. 9235/20; Rat der Europäischen Union, Outcome of the second trilogue with the European Parliament held on 30 June 2020, Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Council Regulation (EC) No 1206/2001 of 28 May 2001 on cooperation between the courts of the Member States in the taking of evidence in civil or commercial matters (taking of evidence), Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Regulation (EC) No 1393/2007 of the European Parliament and of the Council on the service in the Member States of judicial and extrajudicial documents in civil or commercial matters (service of documents), 30.6.2020, Ratsdok. 9248/20; Rat der Europäischen Union, Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) (Neufassung), 22.10.2020, Ratsdok. 9890/20, 29.10.2020, Ratsdok. 9890/1/20 REV 1,
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Erwägungsgründe
EU-ZustVO 2020
5.11.2020, Ratsdok. 9890/2/20 REV 2 ADD 1, 6.11.2020, Ratsdok. 9890/2/20 REV 2; Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Artikel 294 Absatz 6 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union betreffend den Standpunkt des Rates in erster Lesung im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen, 6.11.2020, COM(2020) 695 final.
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION – gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 81 Absatz 2, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses1, nach Anhörung des Ausschusses der Regionen, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren2, in Erwägung nachstehender Gründe: (1) 1Die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates3 ist bereits früher geändert worden. 2Da weitere erhebliche Änderungen vorgenommen werden müssen, sollte die Verordnung im Interesse der Klarheit neu gefasst werden. (2) 1Die Union hat sich zum Ziel gesetzt, die Union als einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem die Freizügigkeit gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. 2Um diesen Raum aufzubauen, erlässt die Union unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen. (3) 1Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und die Entwicklung eines Rechtsraums in Zivilsachen in der Union muss die Übermittlung und Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke zwischen den Mitgliedstaaten in Zivil- oder Handelssachen weiter verbessert und beschleunigt und zugleich ein hohes Maß an Sicherheit und Schutz bei der Übermittlung solcher Schriftstücke – unter Wahrung des Schutzes der Rechte der Empfänger sowie des Schutzes der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten – sichergestellt werden. 2Diese Verordnung verfolgt das Ziel, die Effizienz und Schnelligkeit von Gerichtsverfahren durch ihre Vereinfachung und Straffung im Bereich der Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in der Union zu verbessern, und gleichzeitig dazu beizutragen, Verzögerungen und Kosten für natürliche Personen und Unternehmen zu verringern. 3Durch die Schaffung größerer Rechtssicherheit und die Vereinfachung, Straffung und Digitalisierung der Verfahren werden natürliche Personen und Unternehmen dazu ermutigt, sich am grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr zu beteiligen, wodurch der Handel innerhalb der Union angekurbelt und somit das Funktionieren des Binnenmarkts verbessert wird. (4) 1Mit dieser Verordnung werden Regeln über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in den Mitgliedstaaten in Zivil- oder Handelssachen festgelegt. 2Sie sollte
1 Amtliche Fußnote: ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 56. 2 Amtliche Fußnote: Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 13. Februar 2019 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 4. November 2020 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 23. November 2020 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). 3 Amtliche Fußnote: Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79).
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EU-ZustVO 2020 Erwägungsgründe nicht für die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in anderen Angelegenheiten wie Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten gelten. (5) Bei der grenzüberschreitenden Zustellung sollte es sich um die Zustellung von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat handeln. (6) Diese Verordnung sollte nicht für die Zustellung von Schriftstücken an einen Bevollmächtigten einer Partei im Forummitgliedstaat gelten, sondern – unabhängig von der Zustellung an den Bevollmächtigten der Partei – für die Zustellung aller Schriftstücke an eine Partei im Ausland, falls diese Zustellung nach dem Recht des Forummitgliedstaats vorgeschrieben ist. (7) 1Wenn ein Empfänger keine bekannte Zustelladresse im Forummitgliedstaat, aber eine oder mehrere bekannte Zustelladressen in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten hat, so sollte das Schriftstück dem betreffenden anderen Mitgliedstaat zwecks Zustellung gemäß dieser Verordnung übermittelt werden. 2Diese Situation sollte nicht als eine inländische Zustellung im Forummitgliedstaat ausgelegt werden. 3Insbesondere sollte die Zustellung des Schriftstücks an den Empfänger nicht durch eine Methode der fiktiven Zustellung – wie beispielsweise eine Zustellung durch Anschlag an der Gerichtstafel oder durch Aufbewahrung des Schriftstücks im Gerichtsakt – erfolgen. (8) 1Für die Zwecke dieser Verordnung sollte der Begriff „außergerichtliche Schriftstücke“ so verstanden werden, dass er von einer Behörde oder einer Amtsperson erstellte oder beglaubigte Schriftstücke umfasst sowie andere Schriftstücke, deren förmliche Übermittlung an einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Empfänger zur Geltendmachung, zum Beweis oder zur Wahrung eines Rechts oder Anspruchs in Zivil- oder Handelssachen erforderlich ist. 2Der Begriff „außergerichtliche Schriftstücke“ sollte nicht so verstanden werden, dass er Schriftstücke umfasst, die von Verwaltungsbehörden für die Zwecke von Verwaltungsverfahren ausgestellt werden. (9) 1Die Wirksamkeit und Schnelligkeit der gerichtlichen Verfahren in Zivilsachen setzt voraus, dass die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke unmittelbar und auf schnellstmöglichem Wege zwischen den von den Mitgliedstaaten benannten örtlichen Stellen erfolgt. 2Die Mitgliedstaaten sollten separate Übermittlungs- oder Empfangsstellen oder eine einzige oder mehrere Stellen, die beide Funktionen zugleich wahrnehmen, für einen Zeitraum von fünf Jahren benennen können. 3Es sollte jedoch möglich sein, diese Benennung alle fünf Jahre zu erneuern. (10) 1Um die schnelle Übermittlung von Schriftstücken zwischen den Mitgliedstaaten zum Zwecke der Zustellung sicherzustellen, sollten alle geeigneten modernen Kommunikationstechnologien genutzt werden, vorausgesetzt, bestimmte Anforderungen an die Integrität und Originaltreue des empfangenen Schriftstücks sind erfüllt. 2Daher sollten in der Regel jede Kommunikation und jeder Austausch von Schriftstücken zwischen den von den Mitgliedstaaten benannten Stellen über ein sicheres und zuverlässiges dezentrales IT-System erfolgen, das nationale IT-Systeme umfasst, die vernetzt und technisch interoperabel sind, wie beispielsweise – unbeschadet der weiteren technologischen Entwicklung – auf e-CODEX beruhend. 3Dementsprechend sollte ein dezentrales IT-System für den Datenaustausch nach dieser Verordnung eingerichtet werden. 4Der dezentrale Charakter dieses IT-Systems würde den Datenaustausch ausschließlich zwischen einem Mitgliedstaat und einem anderen ermöglichen, ohne dass eines der Organe der Union an diesem Austausch beteiligt ist. (11) Unbeschadet eines möglichen künftigen technologischen Fortschritts sollten das sichere dezentrale IT-System und seine Bestandteile nicht zwingend als qualifizierter Dienst für die Zustellung elektronischer Einschreiben im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates4 aufgefasst werden. (12) 1Die Kommission sollte für die Schaffung, Wartung und Pflege sowie künftige Weiterentwicklung einer Referenzimplementierungssoftware verantwortlich sein, die Mitgliedstaaten anstelle eines nationalen IT-Systems nutzen können sollten, gemäß den Grundsätzen des Datenschutzes durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen. 2Die Kommission 4 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73).
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Erwägungsgründe
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sollte die Referenzimplementierungssoftware gemäß den Datenschutzanforderungen und -grundsätzen der Verordnungen (EU) 2018/17255 und (EU) 2016/6796 des Europäischen Parlaments und des Rates – insbesondere den Grundsätzen des Datenschutzes durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen – konzipieren, entwickeln und warten. 3Die Referenzimplementierungssoftware sollte außerdem geeignete technische Maßnahmen enthalten und die organisatorischen Maßnahmen ermöglichen, die dafür erforderlich sind, ein Maß an Sicherheit und Interoperabilität zu gewährleisten, das für den Informationsaustausch im Bereich der Zustellung von Schriftstücken geeignet ist. (13) Für die Komponenten des dezentralen IT-Systems, für welche die Union zuständig ist, sollte die Verwaltungsstelle über ausreichende Ressourcen verfügen, um das ordnungsgemäße Funktionieren dieses Systems zu gewährleisten. (14) Die nach nationalem Recht zuständige Behörde oder zuständigen Behörden sollte bzw. sollten als Verantwortliche im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679 für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die sie nach der vorliegenden Verordnung zur Übermittlung von Schriftstücken zwischen Mitgliedstaaten durchführt bzw. durchführen, zuständig sein. (15) 1Die Übermittlung über das dezentrale IT-System könnte aufgrund einer Störung des Systems unmöglich werden. 2Auch aufgrund außergewöhnlicher Umstände könnten andere Kommunikationsmittel besser geeignet sein, etwa dann, wenn die Digitalisierung einer umfangreichen Dokumentation einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für die Übermittlungsstelle darstellen würde oder wenn zur Beurteilung der Echtheit eines Schriftstücks das Original in Papierform benötigt wird. 3Wenn das dezentrale IT-System nicht verwendet wird, sollte die Übermittlung mit dem am besten geeigneten alternativen Mittel durchgeführt werden. 4Dieses alternative Mittel sollte unter anderem dazu führen, dass die Übermittlung so rasch wie möglich und auf sichere Weise durch andere sichere elektronische Mittel oder durch Postdienste durchgeführt wird. (16) 1Damit die elektronische grenzüberschreitende Übermittlung von Schriftstücken über das dezentrale IT-System häufiger genutzt wird, sollte solchen Schriftstücken die Rechtswirkung und die Zulässigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahren nicht allein deshalb abgesprochen werden, weil sie in elektronischer Form vorliegen. 2Jedoch sollte dieser Grundsatz die Beurteilung der Rechtswirkung solcher Schriftstücke oder ihrer Zulässigkeit als Beweismittel nach nationalem Recht nicht berühren. 3Zudem sollte er nationales Recht über die Umwandlung von Schriftstücken unberührt lassen. (17) 1Um die Übermittlung und Zustellung von Schriftstücken zwischen den Mitgliedstaaten zu erleichtern, sollten die in Anhang I enthaltenen Formblätter verwendet werden. 2Dem zu übermittelnden Schriftstück sollte ein Antrag beigefügt werden, der unter Verwendung des Formblattes A in Anhang I erstellt wird. 3Das Formblatt sollte in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats ausgefüllt werden oder, wenn es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, oder in einer sonstigen Sprache, die der Empfangsmitgliedstaat zugelassen hat. 4Jeder Mitgliedstaat sollte die Amtssprache oder die Amtssprachen der Union angeben, die er außer seiner eigenen Amtssprache oder seinen eigenen Amtssprachen akzeptiert. (18) Der Übermittlungsstelle sollte automatisch über das dezentrale IT-System oder auf andere Weise sobald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von sieben Tagen nach Eingang des Schriftstücks, eine Empfangsbestätigung unter Verwendung des Formblatts D in Anhang I übermittelt werden. (19) 1Wenn die Übermittlungsstelle eine Bescheinigung über die Nichtzustellung von Schriftstücken erhält, ist es für sie wichtig zu erfahren, ob die Behörden des Empfangsmitgliedstaats Anfra5 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39). 6 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
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EU-ZustVO 2020 Erwägungsgründe gen an Wohnsitzregister oder andere Datenbanken – falls es solche Register oder Datenbanken gibt – gerichtet haben, um eine neue Anschrift des Empfängers des Schriftstücks zu ermitteln. 2Daher sollten die Mitgliedstaaten der Kommission mitteilen, ob ihre Behörden derartige Anfragen auf eigene Initiative stellen, wenn die im Zustellungsantrag angegebene Anschrift nicht richtig ist. 3Allerdings sollte diese Verordnung die Behörden der Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichten, derartige Anfragen zu stellen. (20) Kann ein Zustellungsantrag aufgrund der übermittelten Angaben oder Schriftstücke nicht erledigt werden, fällt er nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung, ist die Zustellung wegen Nichtbeachtung der erforderlichen Formvorschriften nicht möglich oder wurde er an eine örtlich nicht zuständige Empfangsstelle gesandt, so sollte die Empfangsstelle die in dieser Verordnung vorgesehenen Schritte ohne eine Verzögerung unternehmen, die unter Berücksichtigung der besonderen Umstände – einschließlich der der Empfangsstelle zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel – ungerechtfertigt, unangemessen und unnötig ist. (21) 1Auf eine schnelle Übermittlung muss auch eine schnelle Zustellung des Schriftstücks in den Tagen nach seinem Eingang folgen. 2Die Zustellung von Schriftstücken sollte so bald wie möglich, in jedem Fall aber innerhalb eines Monats nach ihrem Eingang bei der Empfangsstelle erfolgen. (22) 1Die Empfangsstelle sollte auch in den Fällen, in denen es – etwa, weil der Beklagte urlaubsbedingt nicht zu Hause war oder sich aus dienstlichen Gründen nicht an seinem Arbeitsplatz aufhielt – nicht möglich war, die Zustellung des Schriftstücks innerhalb eines Monats nach Eingang des Schriftstücks zu bewirken, weiterhin alle für die Zustellung des Schriftstücks erforderlichen Schritte unternehmen. 2Um jedoch eine unbefristete Verpflichtung der Empfangsstelle, Schritte zur Zustellung des Schriftstücks zu unternehmen, zu vermeiden, sollte die Übermittlungsstelle die Möglichkeit haben, unter Verwendung von Formblatt A in Anhang I eine Frist festzulegen, nach deren Ablauf die Zustellung nicht mehr erforderlich ist. (23) Um die Wirksamkeit dieser Verordnung zu gewährleisten, sollten die Umstände, unter denen es möglich ist, die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks zu verweigern, auf Ausnahmefälle beschränkt werden. (24) 1In allen Fällen, in denen das zuzustellende Schriftstück nicht in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Zustellungsorts abgefasst ist, sollte die Empfangsstelle den Zustellungsempfänger schriftlich unter Verwendung des Formblatts L in Anhang I darüber belehren, dass er die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks verweigern kann, wenn es weder in einer Sprache, die er versteht, noch in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Zustellungsorts abgefasst ist. 2Diese Regel sollte auch für später erfolgende Zustellungen gelten, wenn der Empfänger das Verweigerungsrecht ausgeübt hat. 3Dieses Verweigerungsrecht sollte auch im Falle der Zustellung durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete, der Zustellung durch Postdienste, der elektronischen Zustellung und der unmittelbaren Zustellung gelten. 4Die Zustellung eines Schriftstücks, dessen Annahme verweigert wurde, sollte dadurch geheilt werden können, dass dem Empfänger eine Übersetzung des zurückgewiesenen Schriftstücks zugestellt wird. (25) 1Wird dem zuzustellenden Schriftstück eine Übersetzung beigefügt, so sollte sie beglaubigt sein oder auf andere Weise nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats als für das Verfahren geeignet befunden werden. 2Die Übersetzung sollte dem Mitgliedstaat, in dem die Zustellung erfolgen soll, zur Verfügung gestellt werden. 3Die Übersetzung von Schriftstücken in eine andere Sprache zum Zwecke der Gewährleistung der Einhaltung dieser Verordnung berührt nicht die Möglichkeit für den Empfänger, die Richtigkeit der Übersetzung nach dem Recht des Forummitgliedstaats anzufechten. (26) 1Wenn der Empfänger die Annahme des Schriftstücks verweigert hat und das in dem Verfahren angerufene Gericht oder die mit dem Verfahren befasste Behörde nach Überprüfung entscheidet, dass die Verweigerung nicht gerechtfertigt war, sollte dieses Gericht oder diese Behörde eine geeignete Form der Unterrichtung des Empfängers über diese Entscheidung gemäß dem nationalen Recht prüfen. 2Für die Zwecke der Überprüfung, ob die Verweigerung gerechtfertigt war, sollte das Gericht oder die Behörde alle in der Akte enthaltenen relevanten Informationen berücksichtigen, um die Sprachkenntnisse des Empfängers zu ermitteln. 3Bei der Bewertung der Sprachkenntnisse des Empfängers könnte das Gericht oder die Behörde gegebenenfalls Tatsachen 8
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berücksichtigen wie zum Beispiel, ob der Empfänger Schriftstücke in der betreffenden Sprache verfasst hat, ob besondere Sprachkenntnisse für den Beruf des Empfängers erforderlich sind, ob der Empfänger Staatsangehöriger des Forummitgliedstaats ist oder ob der Empfänger früher über einen längeren Zeitraum seinen Wohnsitz in diesem Mitgliedstaat hatte. (27) 1Aufgrund der verfahrensrechtlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestimmt sich der maßgebliche Zustellungszeitpunkt in den einzelnen Mitgliedstaaten nach unterschiedlichen Kriterien. 2Unter diesen Umständen und in Anbetracht der möglicherweise daraus entstehenden Schwierigkeiten sollte diese Verordnung eine Regelung vorsehen, nach der sich der Zustellungszeitpunkt nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats bestimmt. 3Muss jedoch nach dem Recht eines Mitgliedstaats ein Schriftstück innerhalb einer bestimmten Frist zugestellt werden, so sollte im Verhältnis zum Antragsteller als Tag der Zustellung der Tag gelten, der sich aus dem Recht dieses Mitgliedstaats ergibt. 4Diese Regelung des doppelten Datums besteht nur in einer begrenzten Zahl von Mitgliedstaaten. 5Wenn Mitgliedstaaten diese Regelung anwenden, sollten sie diese Information der Kommission mitteilen, die diese Information über das durch die Verordnung 2001/470/EG des Rates7 gegründete Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen und über das Europäische Justizportal in elektronischer Form zugänglich machen sollte. (28) 1Um den Zugang zum Recht zu erleichtern, sollten die Mitgliedstaaten eine einheitliche Festgebühr für die Inanspruchnahme einer Amtsperson oder einer anderen nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zuständigen Person festlegen. 2Diese Gebühr sollte den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung entsprechen. 3Das Erfordernis einer einheitlichen Festgebühr sollte nicht die Möglichkeit ausschließen, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Festgebühren für unterschiedliche Arten der Zustellung festlegen, sofern sie diese Grundsätze beachten. (29) 1Es sollte jedem Mitgliedstaat freistehen, Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, Schriftstücke durch Postdienste unmittelbar per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg zustellen zu lassen. 2Für die Zustellung von Schriftstücken in verschiedenen Formen von Briefen, einschließlich Briefkonvoluten, sollte es möglich sein, private oder öffentliche Postdienste zu nutzen. (30) Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union8 gilt die unmittelbare Zustellung durch einen Postdienst im Sinne dieser Verordnung sogar dann als rechtsgültig bewirkt, wenn das Schriftstück zwar nicht dem Empfänger persönlich ausgehändigt, aber an der Privatanschrift des Empfängers an einen Erwachsenen übergeben wurde, der in demselben Haushalt wie der Empfänger lebt oder dort vom Empfänger beschäftigt wird und der das Schriftstück annehmen kann und dazu bereit ist, es sei denn, dass nach dem Recht des Forummitgliedstaats nur die persönliche Aushändigung des Schriftstücks an den Empfänger zulässig ist. (31) 1Effiziente, zügige grenzüberschreitende Gerichtsverfahren erfordern schnelle und sichere direkte Kanäle für die Zustellung von Schriftstücken an Personen in anderen Mitgliedstaaten. 2Folglich sollte es möglich sein, einem Empfänger, der eine bekannte Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat hat, Schriftstücke unmittelbar elektronisch zuzustellen. 3Die Voraussetzungen für diese Art der unmittelbaren elektronischen Zustellung sollten gewährleisten, dass die elektronische Zustellung nur mit elektronischen Mitteln erfolgt, die nach dem Recht des Forummitgliedstaats für die inländische Zustellung von Schriftstücken verwendet werden dürfen, und dass geeignete Garantien für den Schutz der Interessen des Empfängers einschließlich hoher technischer Standards und die Anforderung der ausdrücklichen Zustimmung des Empfängers bestehen. (32) 1Die elektronische Zustellung an den Empfänger durch einen qualifizierten Zustelldienst für die Zustellung elektronischer Einschreiben im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 sollte möglich sein, wenn der Empfänger vorher ausdrücklich der Verwendung elektronischer Mittel 7 Amtliche Fußnote: Entscheidung 2001/470/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen (ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 25). 8 Amtliche Fußnote: Urteil des Gerichtshofs vom 2. März 2017 Andrew Marcus Henderson gegen Novo Banco SA, Rechtssache C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157.
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EU-ZustVO 2020 Erwägungsgründe für die Zustellung von Schriftstücken in Gerichtsverfahren zugestimmt hat. 2In solchen Fällen könnte die ausdrückliche Zustimmung für bestimmte Verfahren oder ganz allgemein für die elektronische Zustellung von Schriftstücken in Gerichtsverfahren durch diese Zustellungsarten erteilt werden. 3Diese Zustimmung könnte auch dann erteilt werden, wenn nach dem Recht des Forummitgliedstaats Verfahrensschriftstücke mithilfe eines elektronischen Systems zugestellt werden können und der Empfänger der Verwendung dieses Systems im Zusammenhang mit der Zustellung von Schriftstücken zugestimmt hat, bevor ihm mithilfe des betreffenden Systems Schriftstücke zugestellt werden. (33) 1Eine elektronische Zustellung ohne Verwendung eines qualifizierten Zustelldienstes für die Zustellung elektronischer Einschreiben im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 an den Empfänger könnte erfolgen, wenn der Empfänger dem in dem Verfahren angerufenen Gericht oder der mit dem Verfahren befassten Behörde oder der in dem betreffenden Verfahren für die Zustellung zuständigen Partei seine vorherige ausdrückliche Zustimmung zur Verwendung von E-Mails an eine bestimmte E-Mail-Adresse für solche Verfahren erteilt hat, sofern eine Bestätigung des Empfangs des Schriftstücks durch den Empfänger eingeht. 2Der Empfänger sollte den Empfang des Schriftstücks bestätigen, indem er eine Empfangsbestätigung unterzeichnet und zurückschickt oder indem er eine E-Mail von der von ihm für die Zustellung angegebenen E-Mail-Adresse zurückschickt. 3Die Empfangsbestätigung könnte auch elektronisch unterzeichnet werden. 4Um die Sicherheit der Übermittlung zu gewährleisten, könnten Mitgliedstaaten zusätzliche Bedingungen mitteilen, unter denen sie die elektronische Zustellung per E-Mail zulassen, wenn nach ihrem Recht für die Zustellung per E-Mail strengere Bedingungen gelten oder wenn ihr Recht eine solche Zustellung per E-Mail nicht zulässt. 5Diese Bedingungen können Aspekte wie die Identifizierung des Absenders und des Empfängers, die Unversehrtheit der übermittelten Schriftstücke und den Schutz der Übermittlung vor äußeren Eingriffen betreffen. (34) Jeder an bestimmten gerichtlichen Verfahren Beteiligte sollte die Möglichkeit haben, Schriftstücke unmittelbar durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen des Mitgliedstaats, in dem um Zustellung ersucht wird, zustellen zu lassen, wenn eine solche unmittelbare Zustellung nach dem Recht dieses Mitgliedstaats zulässig ist. (35) 1Wenn das nationale Recht und diese Verordnung dem Gericht erlauben, den Rechtsstreit auch dann zu entscheiden, wenn keine Bescheinigung über die Zustellung oder die Aushändigung bzw. Abgabe des verfahrenseinleitenden Schriftstücks oder des ihm gleichwertigen Schriftstücks eingegangen ist, so sollten alle angemessenen Schritte bei den zuständigen Behörden oder Stellen des Empfangsmitgliedstaats unternommen werden, um die Bescheinigung zu erlangen, bevor eine Gerichtsentscheidung im Einklang auch mit anderen Erfordernissen zum Schutz der Interessen des Beklagten ergeht. 2Sofern nicht mit dem nationalen Recht unvereinbar, sollten alle angemessenen Schritte unternommen werden, um den Beklagten über alle verfügbaren Kommunikationskanäle – einschließlich der modernen Kommunikationstechnologie –, für die dem angerufenen Gericht eine Anschrift oder ein Konto bekannt ist, davon in Kenntnis zu setzen, dass ein Gerichtsverfahren gegen ihn eingeleitet wurde. (36) 1Die Kommission sollte ein Handbuch mit Informationen zur ordnungsgemäßen Anwendung dieser Verordnung erstellen. 2Das Handbuch sollte über das Europäische Justizielle Netz für die Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen zugänglich gemacht werden. 3Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten ihr Möglichstes tun, um sicherzustellen, dass die in dem Handbuch enthaltenen Informationen aktuell und vollständig sind, insbesondere die Kontaktinformationen zu den Empfangs- und den Übermittlungsstellen. (37) Die Berechnung der in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen und Termine sollte nach Maßgabe der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates9 erfolgen. (38) 1Um die in Anhang I dieser Verordnung enthaltenen Formblätter zu aktualisieren oder technische Anpassungen an diesen Formblättern vorzunehmen, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, nach Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte zur Änderung des genannten Anhangs zu erlassen. 2Es ist von besonderer Bedeutung, 9 Amtliche Fußnote: Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (ABl. L 124 vom 8.6.1971, S. 1).
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Erwägungsgründe
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dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung10 niedergelegt wurden. 3Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind. (39) 1Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. 2Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates11 ausgeübt werden. (40) 1Diese Verordnung sollte Vorrang vor den Bestimmungen bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte oder Vereinbarungen mit einem dieser Verordnung gleichen Anwendungsbereich haben, die Mitgliedstaaten geschlossen haben, insbesondere dem Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen. 2Diese Verordnung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Übereinkünfte oder Vereinbarungen zur Beschleunigung oder Vereinfachung der Übermittlung von Schriftstücken beizubehalten oder zu schließen, sofern diese Übereinkünfte oder Vereinbarungen mit dieser Verordnung vereinbar sind. (41) Die Grundrechte und Grundfreiheiten aller beteiligten Personen sollten gemäß dem Unionsrecht uneingeschränkt gewahrt und geachtet werden, insbesondere das Recht auf gleichberechtigten Zugang zur Justiz, das Recht auf Nichtdiskriminierung und das Recht auf Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre. (42) 1Die nach dieser Verordnung übermittelten Daten sollten angemessen geschützt werden. 2Dieser Schutz wird durch die Verordnung (EU) 2016/679 und die Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates12 geregelt. 3Personenbezogene Daten, die für die Bearbeitung eines bestimmten Falls nicht relevant sind, sollten unverzüglich gelöscht werden. (43) 1Nach den Nummern 22 und 23 der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung sollte die Kommission diese Verordnung auf der Grundlage der Informationen bewerten, die im Rahmen spezifischer Monitoring-Regelungen eingeholt werden, um die tatsächlichen Auswirkungen dieser Verordnung zu bewerten und zu prüfen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind. 2Erfassen die Mitgliedstaaten Daten zur Zustellung von Schriftstücken nach dieser Verordnung, insbesondere zur Zahl der übermittelten und erhaltenen Ersuchen, zur Zahl der Fälle, in denen die Übermittlung auf anderem Wege als über das dezentrale IT-System erfolgt ist, zur Zahl der erhaltenen Bescheinigungen über die Nichtzustellung von Schriftstücken und zur Zahl der Fälle, in denen Übermittlungsstellen die Annahme von Schriftstücken aus sprachlichen Gründen verweigert wurde, so sollten sie diese Daten für die Zwecke der Überwachung der Kommission bereitstellen. 3Die von der Kommission als Back-End-System entwickelte Referenzimplementierungssoftware sollte die für die Zwecke der Überwachung erforderlichen Daten durch entsprechende Programmierung erfassen, und diese Daten sollten der Kommission übermittelt werden. 4Wenn sich die Mitgliedstaaten für die Nutzung eines nationalen IT-Systems anstelle der durch die Kommission entwickelten Referenzimplementierungssoftware entscheiden, so kann dieses System so ausgerüstet sein, dass es diese Daten durch entsprechende Programmierung erfasst; in diesem Fall sollten die Daten der Kommission übermittelt werden. (44) 1Da die Ziele dieser Verordnung aufgrund der Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Ent10 Amtliche Fußnote: ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1. 11 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13). 12 Amtliche Fußnote: Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre im Bereich der Telekommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung scheidungen von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen der unmittelbaren Geltung und Verbindlichkeit dieser Verordnung auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. 2Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. (45) Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde nach Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 konsultiert und hat am 13. September 2019 eine Stellungnahme abgegeben.13 (46) Im Interesse einer besseren Übersicht und Verständlichkeit sollte die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 aufgehoben und durch die vorliegende Verordnung ersetzt werden. (47) Nach Artikel 3 und Artikel 4a Absatz 1 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts haben das Vereinigte Königreich und Irland mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. (48) Nach den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet – HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Einleitung I. Kompetenzgrundlage . . . . . . . . . . . . 1. Aktuell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Historisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 3
II. 1. 2. 3.
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4 4 8
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11
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15
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18 18
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22 23 25 26
III. Verordnungsform des Instruments . . . . 1. Wirkungen des Rechtsakts . . . . . . . . . 2. Auslegung des Rechtsakts . . . . . . . . . a) Auslegungskompetenz . . . . . . . . . . b) Auslegungsziel . . . . . . . . . . . . . . . c) Auslegungsmethoden . . . . . . . . . . . aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . bb) Insbesondere: Anwendungsbereich cc) Insbesondere: Interessenausgleich
27 27 29 29 30 33 33 39 40
Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . EG-Zustellungsübereinkommen . . . EG-Zustellungsverordnung 2000 (VO (EG) Nr. 1348/2000) . . . . . . . . 4. EG-Zustellungsverordnung 2007 (VO (EG) Nr. 1393/2007) . . . . . . . . 5. EU-Zustellungsverordnung 2020 (VO (EU) 2020/1784) . . . . . . . . . . a) Entwurf der Kommission . . . . . . b) Standpunkt erster Lesung des Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . c) Standpunkt erster Lesung des Rates d) Verfahrensabschluss . . . . . . . . . e) Evolution, nicht Revolution . . . . .
13 Amtliche Fußnote: ABl. C 370 vom 31.10.2019, S. 24.
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IV. Geltungsbereich . . . . . . . . 1. Intertemporär . . . . . . . . . 2. Territorial . . . . . . . . . . . . a) Mitgliedstaaten . . . . . . . b) Dänemark . . . . . . . . . . c) Irland . . . . . . . . . . . . . d) Vereinigtes Königreich . . . e) Island, Norwegen, Schweiz V. Ziele des Rechtsakts . . . . . . 1. Metaebene . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Verordnungsziele .
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41 41 42 42 44 45 46 47 48 48 51
VI. Inhalt des Rechtsakts . . . . . . . . . 1. Geregeltes . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ungeregeltes . . . . . . . . . . . . . . a) Zustellungslast . . . . . . . . . . . b) Ausführung der Zustellung . . . . c) Heilung von Zustellungsmängeln .
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56 56 60 60 61 62
VII. Systematik des Rechtsakts . . . . . . . . 1. Systematik des Verordnungstextes . . . 2. Systematik der Zustellungsarten . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustellung im Wege der Rechtshilfe . c) Direktzustellung . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . bb) Zustellung durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete . . . . . . . . . . . . .
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65 65 67 67 69 71 71
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung scheidungen von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen der unmittelbaren Geltung und Verbindlichkeit dieser Verordnung auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. 2Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. (45) Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde nach Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 konsultiert und hat am 13. September 2019 eine Stellungnahme abgegeben.13 (46) Im Interesse einer besseren Übersicht und Verständlichkeit sollte die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 aufgehoben und durch die vorliegende Verordnung ersetzt werden. (47) Nach Artikel 3 und Artikel 4a Absatz 1 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts haben das Vereinigte Königreich und Irland mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. (48) Nach den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet – HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Einleitung I. Kompetenzgrundlage . . . . . . . . . . . . 1. Aktuell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Historisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. 1. 2. 3.
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III. Verordnungsform des Instruments . . . . 1. Wirkungen des Rechtsakts . . . . . . . . . 2. Auslegung des Rechtsakts . . . . . . . . . a) Auslegungskompetenz . . . . . . . . . . b) Auslegungsziel . . . . . . . . . . . . . . . c) Auslegungsmethoden . . . . . . . . . . . aa) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . bb) Insbesondere: Anwendungsbereich cc) Insbesondere: Interessenausgleich
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Rechtsentwicklung . . . . . . . . . . . . Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . EG-Zustellungsübereinkommen . . . EG-Zustellungsverordnung 2000 (VO (EG) Nr. 1348/2000) . . . . . . . . 4. EG-Zustellungsverordnung 2007 (VO (EG) Nr. 1393/2007) . . . . . . . . 5. EU-Zustellungsverordnung 2020 (VO (EU) 2020/1784) . . . . . . . . . . a) Entwurf der Kommission . . . . . . b) Standpunkt erster Lesung des Parlaments . . . . . . . . . . . . . . . c) Standpunkt erster Lesung des Rates d) Verfahrensabschluss . . . . . . . . . e) Evolution, nicht Revolution . . . . .
13 Amtliche Fußnote: ABl. C 370 vom 31.10.2019, S. 24.
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IV. Geltungsbereich . . . . . . . . 1. Intertemporär . . . . . . . . . 2. Territorial . . . . . . . . . . . . a) Mitgliedstaaten . . . . . . . b) Dänemark . . . . . . . . . . c) Irland . . . . . . . . . . . . . d) Vereinigtes Königreich . . . e) Island, Norwegen, Schweiz V. Ziele des Rechtsakts . . . . . . 1. Metaebene . . . . . . . . . . . . 2. Konkrete Verordnungsziele .
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. . . . . . . . . . .
41 41 42 42 44 45 46 47 48 48 51
VI. Inhalt des Rechtsakts . . . . . . . . . 1. Geregeltes . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ungeregeltes . . . . . . . . . . . . . . a) Zustellungslast . . . . . . . . . . . b) Ausführung der Zustellung . . . . c) Heilung von Zustellungsmängeln .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
56 56 60 60 61 62
VII. Systematik des Rechtsakts . . . . . . . . 1. Systematik des Verordnungstextes . . . 2. Systematik der Zustellungsarten . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustellung im Wege der Rechtshilfe . c) Direktzustellung . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . bb) Zustellung durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
65 65 67 67 69 71 71
.
72
Einleitung cc) Zustellung durch Postdienste . . . dd) Elektronische Zustellung . . . . . . d) Unmittelbare Zustellung . . . . . . . . .
73 74 75
VIII. Verhältnis zu anderen Instrumenten des internationalen Rechts . . . . . . . . . . . 1. Brüssel Ia-VO, Brüssel IIb-VO, EU-ErbVO, EU-EheGüterVO, EU-LP-GüterVO . . . . . . . . . . . . . . . 2. EG-UntVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. EG-VollstrTitelVO, EG-MahnVO . . . . . 4. EG-BagatellVO . . . . . . . . . . . . . . . . 5. EU-KPfVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. EG-InsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. HZPÜ, HZÜ . . . . . . . . . . . . . . . . .
76 80 83 86 88 90 91
IX. Verhältnis zum nationalen Zustellungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsvorrang der Verordnung . . a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . .
93 93 93
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Einl. EU-ZustVO 2020
b) Beschränkter Regelungsansatz der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . c) Gebundene . . . . . . . . . . . . . . . 2. Durchführungsvorschriften . . . . . . . a) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . b) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nationales Zustellungsrecht . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fiktive Zustellungen . . . . . . . bb) Zustellungsort . . . . . . . . . . . cc) Ersatzzustellung . . . . . . . . . . dd) Zustellungszeitpunkt . . . . . . . ee) Elektronische Kommunikation . ff) Heilung . . . . . . . . . . . . . . . gg) Pfändungs- und Überweisungsbeschluss; Vorpfändung . . . . . hh) Rechtsschutz . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
94 97 98 98 102 103 103 105 105 107 109 111 114 115
. .
118 120
X. Länderangaben . . . . . . . . . . . . . . . .
123
I. Kompetenzgrundlage 1. Aktuell Die Verordnung stützt sich auf den Art. 67 Abs. 4 AEUV konkretisierenden Kompetenztitel in Art. 81 1 Abs. 2 AEUV (vgl. Präambel).1 Auf dessen Grundlage können zu dem Zweck, eine justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen (Erwägungsgrund 2 S. 2 EU-ZustVO 2020) mit grenzüberschreitendem Bezug zu entwickeln, das Europäische Parlament und der Rat Maßnahmen gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (Art. 289 Abs. 1, 294 AEUV) beschließen, insbesondere wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist. Dabei wird in lit. b von Art. 81 Abs. 2 AEUV ausdrücklich die grenzüberschreitende Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke als regelbare Materie angesprochen.2 Hintergrund hierfür ist, dass das reibungslose Funktionieren grenzüberschreitender Zustellungen Voraussetzung für eine effektive grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung ist, welche ihrerseits wesentliche Grundbedingung für die Verwirklichung eines gemeinsamen Binnenmarktes ist (vgl. Erwägungsgründe 2, 3 S. 1 f., 9 S. 1 und 31 S. 1 EU-ZustVO 2020; s. auch Rz. 4 ff., 48 f.).3 Der Erlass der Verordnung steht im Einklang mit dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitserfordernis aus Art. 5 EUV, weil die mit der Verordnung verfolgten Ziele auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können, sondern besser auf der Unionsebene erreicht werden, und die Verordnung auch nicht über das für die Zielerreichung erforderliche Maß hinaus-
1 COM(2018) 379 final, S. 4. 2 COM(2018) 379 final, S. 4 f. erwähnt daneben unzutreffend auch lit. d, was der gemeinsamen Überarbeitung der Zustellungsverordnung und der Beweisaufnahmeverordnung geschuldet sein dürfte (vgl. – sachlich richtig – SWD(2018) 287 final, S. 25). 3 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/26; KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/47 Ziff. 1.3; Sánchez Miguel, ABl. EU 2006 C 88/7 Ziff. 2.2; COM(2013) 858 final, S. 2, 10; COM(2018) 379 final, S. 1 f., 5; SWD(2018) 287 final, S. 25; EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 37 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 29 – Alpha Bank Cyprus Ltd./ Dau Si Senh u.a.; EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 29 – Krystyna Alder, Ewald Alder/ Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski, IPRax 2013, 157; EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 53 ff. – Roda Golf & Beach Resort SL; GA Trstenjak, Schlussanträge vom 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C: 2007:737 Rz. 44 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung geht.4 Soweit der infolge der Entscheidung, anstatt eines Änderungsrechtsakts eine Neufassung zu erlassen (vgl. Erwägungsgründe 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020),5 eingefügte Erwägungsgrund 44 S. 1 EU-ZustVO 2020 in diesem Zusammenhang auf die Unterschiede zwischen den nationalen Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen Bezug nimmt, ist dies nicht nachzuvollziehen.6 Erstens ist nicht erkennbar, warum Unterschiede betreffend gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung eine schnelle und sichere Bewirkung grenzüberschreitender Zustellungen verhindern. Zweitens sind aber auch gerade die gerichtliche Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten weitgehend durch Verordnungen geregelt und Unterschiede zwischen den nationalen Rechten kommen insoweit nicht zum Tragen. Nahe liegt daher, dass Erwägungsgrund 44 S. 1 EU-ZustVO 2020 das Ergebnis daraus ist, dass bei der Redaktion des Verordnungstextes der „falsche“ Textbaustein (aus Erwägungsgrund 98 Brüssel IIb-VO entnommen und) eingefügt wurde7 und dies weder im Rat (wie der deutsche Gesetzgeber besonders betont: unter deutscher Präsidentschaft8) noch in der Kommission (d.h. unter deutscher Kommissionspräsidentschaft) oder einem der Abgeordneten im Parlament aufgefallen ist. 2. Historisch 3
Der Kompetenztitel in Art. 81 Abs. 2 lit. b AEUV folgt auf den mit dem Vertrag von Amsterdam eingefügten Kompetenztitel in Art. 61 lit. c EGV, zu welchem Art. 65 lit. a EGV klarstellte, dass er auch die Verbesserung und Vereinfachung des Systems für die grenzüberschreitende Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke erfasste.9 Durch die Schaffung des Kompetenztitels in Art. 61 lit. c EGV wurde ermöglicht zunächst der Erlass der EG-ZustVO 2000 (VO (EG) Nr. 1348/2000)10 und nachfolgend auch der Erlass der EG-ZustVO 2007 (VO (EG) Nr. 1393/2007).11 Zuvor stand der EG keine Rechtsetzungskompetenz auf dem Gebiet des Europäischen Zivilverfahrensrechts einschließlich des Rechts der Zustellung zu. Vielmehr war in Art. K.3 Abs. 2 lit. c EUV (Vertrag von Maastricht) lediglich die Befugnis des Rates vorgesehen, auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen (K.1 Nr. 6 EUV (Vertrag von Maastricht)) Übereinkommen auszuarbeiten und den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften zu empfehlen.12 Auf 4 COM(2018) 379 final, S. 5; SWD(2018) 287 final, S. 25 f.; Portugiesisches Parlament, Ratsdok. 13500/18 (24.10.2018); Rumänischer Senat, Ratsdok. 14153/18 (12.11.2018). Zur EG-ZustVO 2000 vgl. Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48 Ziff. 2.2.1. Zur EG-ZustVO 2007 vgl. KOM(2005) 305 endg./2, S. 3; Rauscher in FS Kropholler, 2008, S. 851, 863 f. 5 Vgl. Ratsdok. 9890/20 (22.10.2020), S. 18; Ratsdok. 11357/20 ADD 2 (8.10.2020), S. 12 f. – Anders (und richtig) noch Erwägungsgrund 12 des Kommissionsentwurfs, vgl. COM(2018) 379 final, S. 18 und auch Erwägungsgrund 12 der Allgemeinen Ausrichtung erster Lesung im Rat, vgl. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 17; Ratsdok. 9235/20 (30.6.2020), S. 57 f. 6 Zutreffend den Bezug zu Anerkennung und Vollstreckung beschreibend dagegen COM(2013) 858 final, S. 6 f.; Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 15; COM(2018) 379 final, S. 4. 7 Allg. krit. zu den üblichen formelhaften Begründungen Hess, EuZPR, Rz. 2.89. 8 BT-Drucks. 20/1110, 1, 19. – Richtig noch am Ende der kroatischen Präsidentschaft: Ratsdok. 9235/20 (30.6.2020), S. 57 f. 9 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 8; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 2; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 1. 10 KOM(1999) 219 endg.; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 1; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/47 Ziff. 2.1.2; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 45 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; GA Léger, Schlussanträge v. 28.9.2006 – C-283/05, ECLI:EU:C:2006:617 Rz. 7 f., 12 – ASML Netherlands BV/Semiconductor Industry Services GmbH; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 2; Heckel, IPRax 2008, 218, 219; Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 181; Sujecki, GPR 2005, 193. 11 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 47 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 29 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh u.a; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-315/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 19 – Krystyna Alder, Ewald Alder/ Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 2; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Rauscher in FS Kropholler, 2008, S. 851, 863; Schack, IZVR, Rz. 741; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 11. 12 Vgl. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 1.
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Einleitung
Einl. EU-ZustVO 2020
dieser Grundlage war entstanden das EuZÜ,13 welches nicht in Kraft getreten ist, allerdings die Grundlage für das Entstehen der EG-ZustVO 2000 bildete (s. Rz. 8 ff.).
II. Rechtsentwicklung 1. Ausgangspunkt Bereits im Zentrum der Politiken der EWG stand der Binnenmarkt. Mit diesem wird angestrebt und 4 ist verbunden ein Ausbau der Kontakte im privaten Bereich sowie auf wirtschaftlichem und kulturellem Gebiet, was unweigerlich zur Folge hat, dass auch Rechtsstreitigkeiten (mit grenzüberschreitendem Bezug) zunehmen.14 In einem für den Binnenmarkt angestrebten und diesen wiederum fördernden (vgl. Erwägungsgrund 3 S. 3 EU-ZustVO 2020) Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sollen Rechtsuchende ihre Rechte auch grenzüberschreitend zügig durchsetzen können.15 Damit Rechtsschutzverfahren reibungslos ablaufen, ist unerlässlich, dass gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke zwischen den Mitgliedstaaten zum Zweck der Zustellung unter zufriedenstellenden Bedingungen übermittelt werden können (vgl. Erwägungsgründe 3 S. 1 f., 9 S. 1 und 31 S. 1 EU-ZustVO 2020).16 Ein entsprechendes Bedürfnis wurde nicht erst durch die Gründung der EWG ausgelöst,17 sondern 5 internationaler Handel fand bereits lange zuvor statt. Dementsprechend existierte bereits im Zeitpunkt der Gründung der EWG neben bilateralen Übereinkünften mit dem Haager Übereinkommen über den Zivilprozess vom 1.3.1954 (HZPÜ) ein multilaterales Übereinkommen, welches sich in Art. 1 ff. HZPÜ mit den Fragen der grenzüberschreitenden Zustellung befasst und an dem sich alle Gründungsmitglieder der EWG beteiligt hatten.18 Dieses Übereinkommen lässt die nationalen Zustellungsvorschriften unberührt und zielt nicht auf eine Vereinheitlichung des Zustellungsrechts.19 Es geht vielmehr ebenso wie Art. 1–7 des Vorgängerabkommens20 vom 17.7.190521 von der tradierten Vorstellung aus, dass Zustellungen nicht nur der schlichten Information der Parteien dienen, sondern auch Hoheitsakte22 sind. Ausgehend hiervon müssen Staaten aufgrund ihrer Souveränität eine Zustellung, die veranlasst ist durch eine ausländische Behörde bzw. eine dazu im Ausland beliehene Person auf ihrem Hoheitsgebiet nicht dulden (vgl. auch Art. 6 Abs. 2 HZPÜ; Ziff. 1 Allgemeine Einfüh-
13 Meyer, IPRax 1997, 401. Krit. dazu Nassauer, A4-0101/97, B. 4. 14 ABl. EG 1997 C 261/26; KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/47 Ziff. 1.3; Lechner, A5-0060/ 1999, S. 13; Wallis, A5-0060/1999, S. 20; Sánchez Miguel, ABl. EU 2006 C 88/7; SWD(2018) 287 final, S. 133. Vgl. auch Kondring, S. 183; Pfennig, S. 1. 15 ABl. EG 1997 C 261/26; Nassauer, A4-0101/97, B. 1.; KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/47; Lechner, A5-0060/1999, S. 13; Wallis, A5-0060/1999, S. 20; COM(2018) 379 final, S. 1 f.; SWD(2018) 287 final, S. 21; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 43 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; Springer, S. 17. 16 ABl. EG 1997 C 261/26; KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/47; Lechner, A5-0060/1999, S. 13; Sánchez Miguel, ABl. EU 2006 C 88/7; COM(2013) 858 final, S. 2; COM(2018) 379 final, S. 1; SWD(2018) 286 final, S. 2; SWD(2018) 287 final, S. 6 f., 21; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/1; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.19, 14.21; Springer, S. 17. 17 Vgl. Hök, ZAP 2005, 735, 736; Stroschein, S. 6. 18 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.2. 19 Kondring, S. 120. 20 Vgl. dazu Pabst in MünchKomm/ZPO, Vorbem. HZÜ Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, VölkZustR Rz. 1, 4. 21 Abkommen über den Zivilprozess, unterzeichnet am 17.7.1905 in Den Haag; zur Ratifizierung vgl. RGBl. 1909 S. 409. Vorläufer dazu war das Haager Abkommen zur Regelung von Fragen des internationalen Privatrechts vom 14.11.1896 nebst dem Zusatzprotokoll vom 22.5.1897 (dazu BT-Drucks. 7/4892, 38; Geimer/Schütze/Bülow, A. I. 1. a. a.; Heidecker, ZZP 23 (1897), 164, 165 ff.; zur Ratifizierung vgl. RGBl. 1899 S. 285, 295). 22 Vgl. BVerfG v. 7.12.1994 – 1 BvR 1279/94, BVerfGE 91, 335, 339; BGH v. 24.2.1972 – II ZR 7/71, NJW 1972, 1004; Geimer, S. 1, 23; Hess, NJW 2001, 15, 16; Hök, ZAP 2005, 735, 737; Pfennig, S. 1; Rühl, JZ 2023, 157, 158, 159; Schack, IZVR, Rz. 716 ff.; Schmitz, S. 12, 194; Tsikrikas, ZZPInt. 15 (2010), 145.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung rung ZRHO und § 2 Abs. 1 S. 3 ZRHO; Art. 17 Abs. 2 EU-ZustVO 2020).23 Dazu spiegelbildlich beschränken die Rechtsordnungen rücksichtsvoller Staaten die hoheitlichen Befugnisse ihrer staatlichen bzw. beliehenen Stellen auf das eigene Hoheitsgebiet24 mit der Folge, dass eine Zustellung auf fremdem Hoheitsgebiet nicht durch eine Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist. Vor diesem Hintergrund hat das Übereinkommen zum Gegenstand, für Zustellungen einen die Souveränitätsschranke ausgleichenden Anspruch auf Rechtshilfegewährung zu regeln, ohne hierdurch andere Zustellungswege auszuschließen (vgl. Art. 6 HZPÜ). Im Rechtsverkehr zwischen den Vertragsstaaten berechtigt es einen Vertragsstaat, die vereinbarten Übermittlungswege zu nutzen, und verpflichtet korrespondierend hierzu den anderen Vertragsstaat (Bestimmungsland) dazu, die ersuchte Rechtshilfe zu leisten. Zum Schutz des Zustellungsadressaten (und als Arbeitserleichterung der Stellen des Bestimmungslands bei der Anwendung des in Art. 4 HZPÜ enthaltenen ordre public-Vorbehalts) besteht die Pflicht zur Rechtshilfe nur, wenn gegebenenfalls der unbedingten Übersetzungsobliegenheit nach Art. 3 Abs. 2 HZPÜ genügt wird. Für die Inanspruchnahme der Rechtshilfe ist als Regelfall vorgesehen die Vermittlung eines Zustellungsauftrags auf konsularischem Weg von der eine Zustellung auslösende Behörde des ersuchenden Vertragsstaats an eine hierzu bezeichnete Behörde im Bestimmungsland (Art. 1 Abs. 1 HZPÜ).25 6
Weiterentwickelt wurden Art. 1–7 HZPÜ im Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15.11.1965 (HZÜ).26 Auch dieses Übereinkommen zielt im Kern auf eine Ordnung der die Souveränitätsschranke ausgleichenden Rechtshilfe und lässt das innerstaatliche Zustellungsrecht der Vertragsstaaten unberührt.27 Stärker als das HZPÜ widmet sich das HZÜ daneben der Einschränkung der Souveränität der Vertragsstaaten als Bestimmungsstaat durch Ermöglichung von Direktzustellungen. Für die Inanspruchnahme der Rechtshilfe sieht das HZÜ in Abweichung vom HZPÜ vor, dass an die Stelle des schwerfälligen konsularischen Wegs die Auftragserteilung durch die eine Zustellung auslösende Behörde unmittelbar gegenüber einer vom Bestimmungsstaat hierzu eingerichteten Zentralen Behörde (Art. 3 Abs. 1 HZÜ) tritt.28 Zudem wird die Kommunikation im Interesse der Beschleunigung zwischen ersuchender und ersuchter Stelle durch die Einführung von vereinheitlichten Mustern (Formblättern) erleichtert (vgl. Art. 7 HZÜ).29 Zum Schutz des Zustellungsadressaten (und als Arbeitserleichterung der Stellen des Bestimmungsstaats bei der Anwendung des in Art. 13 HZÜ enthaltenen ordre public-Vorbehalts) kann die Zentrale Behörde im Bestimmungsstaat als Voraussetzung der Rechtshilfegewährung eine Übersetzung fordern. Stärker als das HZPÜ widmet sich das HZÜ nicht nur der im Interesse des Antragstellers liegenden Erleichterung von Zustellungen, sondern in seinem, freilich nach h.A. mit Schwächen behafteten,30 Art. 15 HZÜ sowie in Art. 16 HZÜ auch unmittelbar dem Schutz des Beklagten als Zustellungsadressat und seines Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör.31 23 Vgl. BT-Drucks. 7/4892, 41, 42, 45 f.; Brand/Reichhelm, IPRax 2001, 173, 174 f.; Rühl, JZ 2023, 157, 158; Schmitz, S. 12, 194. – Krit. dazu Fogt/Schack, IPRax 2005, 118, 123; Hess, JZ 2001, 573, 577; Schlosser/Hess/ Schlosser (4. Aufl. 2015), vor Art. 1 HZÜ Rz. 1; Schack, IZVR, Rz. 716 ff., der freilich zu wenig unterscheidet zwischen der Qualifikation von Zustellungen de lege lata und de lege ferenda – es obliegt der insoweit sehr weiten Freiheit jedes Staates zu bestimmen, was er als Hoheitsakt ansieht (vgl. Gsell, EWS 2002, 115, 119) und inwieweit er daher dessen Wirkungen bzw. die Kompetenz der eigenen Stellen begrenzt; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.1. 24 Angedeutet wird der Gedanken der Selbstbeschränkung bei BGH v. 24.2.1972 – II ZR 7/71, NJW 1972, 1004, 1004 f. Vgl. zum englischen Recht Stürner, JZ 1992, 325, 329. 25 BT-Drucks. 7/4892, 42; Kondring, S. 120, 124; Schack in FS Geimer, S. 931, 938; Schack, IZVR, Rz. 730. 26 Vgl. Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 2, 15; BT-Drucks. 7/4892, 39; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.2. 27 Schack, IZVR, Rz. 732. Vgl. auch Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 2. 28 GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 28 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Geimer, S. 27; Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 2; Hess, NJW 2001, 15, 17; Kondring, S. 126 f.; Schack, IZVR, Rz. 731. 29 Vgl. Schack, IZVR, Rz. 733. 30 Vgl. Schack, IZVR, Rz. 736 ff. 31 Vgl. GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 28 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 2; Hess, NJW 2001, 15, 17.
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Einleitung
Einl. EU-ZustVO 2020
Zur (weiteren) Beschleunigung grenzüberschreitender Stellungen wurden zahlreiche bilaterale und regionale Übereinkünfte32 als Ergänzung zum HZÜ (Art. 20, 24 HZÜ) oder neben diesem (Art. 25 HZÜ) geschlossen.33 Das Europäische Zivilverfahrensrecht widmete sich dagegen der Zustellung zunächst nicht in einem eigenen Rechtsakt, weil von einer tauglichen Regelung dieser Materie durch das HZÜ ausgegangen wurde.34 Allerdings enthielt Art. 20 des auf Grundlage von Art. 220 EWGV erlassenen BrüsselÜbk. in Abs. 2 eine Art. 15 HZÜ, der eine zentrale Neuerung gegenüber dem HZPÜ darstellt,35 entsprechende Anordnung und verwies in Abs. 3 für den Fall der Anwendbarkeit bereits auf Art. 15 HZÜ (s. Rz. 6).36 Daneben befasste sich der auf Grundlage von Art. 220 EWGV erlassene Art. IV des Anhangs zum BrüsselÜbk. mit der Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke und verwies, nach Ansicht des EuGH abschließend (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 8), im Grundsatz (Abs. 1) auf die zwischen Ursprungs- und Bestimmungsstaat geltenden Übereinkommen und Vereinbarungen, mithin auch auf HZPÜ und HZÜ. Ergänzend sah Abs. 2 die Möglichkeit vor, dass ein Schriftstück zum Zweck der Zustellung unmittelbar von den gerichtlichen Amtspersonen des Ursprungs- an die gerichtlichen Amtspersonen im Bestimmungsstaat, wo die Zustellung nach dem dort geltenden Recht auszuführen war, übersandt wird.37 Die Vertragsstaaten konnten hinsichtlich dieses Übermittlungswegs aber ein Opt-out erklären,38 wovon z.B. die Bundesrepublik Deutschland Gebrauch gemacht hat.39
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2. EG-Zustellungsübereinkommen Die meisten Mitgliedstaaten der EG gehörten zum Ende des letzten Jahrhunderts dem HZÜ an.40 8 Gleichwohl war nicht ausgeschlossen, dass – auch für die Einleitung eines Rechtsstreits relevante – Zustellungen im Rechtsverkehr zwischen ihnen im Einzelfall Jahre dauerten.41 Nach Einschätzung des Rates lag dies auch darin begründet, dass neben dem HZÜ häufig auch bilaterale oder regionale Übereinkünfte betreffend die Zustellung bestanden (s. Rz. 7) und eine gewisse Verwirrung darüber entstanden war, welches Verfahren jeweils anzuwenden bzw. vorrangig anzuwenden ist, was zu Verzögerungen, Irrtümern oder anfechtbaren Entscheidungen führen konnte.42 In diese Richtung wiesen 32 Z.B. Deutschland – Griechenland: Abkommen vom 11.5.1938 über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handels-Rechts (Bek. vom 28.6.1939, RGBl. II S. 848, Bek. vom 26.6.1952, BGBl. II S. 634); Deutschland – Vereinigtes Königreich: Abkommen vom 20.3.1928 über den Rechtsverkehr (Gesetz vom 3.12.1928, RGBl. II S. 623; s. auch Rz. 46). Zu von Deutschland geschlossenen Zusatzvereinbarungen zum HZPÜ und seinem Vorläufer vgl. BT-Drucks. 7/4892, 38, 41; Meyer, IPRax 1997, 401, 402. 33 KOM(1999) 219 endg.; SWD(2018) 287 final, S. 40; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.2 f. 34 Hess, NJW 2001, 15, 17; Rahlf/Gottschalk, EWS 2004, 303, 304. Vgl. auch GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 29 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Stürner, JZ 1992, 325. 35 BT-Drucks. 7/4892, 39 f., 47 f. 36 Jenard, ABl. EG 1979 C 59/39 f.; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 29 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 37 Jenard, ABl. EG 1979 C 59/40; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. 38 Jenard, ABl. EG 1979 C 59/41; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. 39 BGBl. 1973 II S. 6; BT-Drucks. 7/4892, 46 f.; Geimer, S. 26; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. 40 ABl. EG 1997 C 261/26; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/47 Ziff. 1.5; COM(2013) 858 final, S. 2, 17; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 4 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 71 – Roda Golf & Beach Resort SL; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/1. – Inzwischen gehören alle Mitgliedstaaten dem HZÜ an, nachdem Österreich 2020 (nach Ermächtigung durch Ratsbeschluss vom 10.3.2016, 2016/414, ABl. EU 2016 L 75/1) das HZÜ als letzter Mitgliedstaat für sich in Kraft gesetzt hat (öst. BGBl. 2020 III S. 137), vgl. Knöfel, RIW 2021, 473; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2021, 105, 116. 41 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 6; Hess, JZ 2001, 573, 577; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/2; Schack in FS Geimer, S. 931, 937; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.5. Vgl. auch COM(2018) 379 final, S. 1: „schwerfälliger“. 42 ABl. EG 1997 C 261/26; KOM(1999) 219 endg. – Zustimmend Bataller, ABl. EG 1999 C 368/47; Lechner, A5-0060/1999, S. 13; Brenn, Einf. EZV I. 1. a); Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 180; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/1; Meyer, IPRax 1997, 401, 402; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.4; Sharma, S. 21; Springer, S. 18 f.; Stroschein, S. 101.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung auch die Antworten auf einen Fragebogen, der im April 1992 unter portugiesischem Vorsitz unter Mitarbeit der niederländischen und der britischen Delegation ausgearbeitet worden war.43 Sie zeigten, dass das bestehende System äußerst kompliziert, uneinheitlich und wenig effizient war44 und ließen weitere Defizite erkennen.45 9
Vor diesem Hintergrund hat der Rat der Justizminister der Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf seiner Tagung vom 29./30.10.1993 eine Gruppe mit der Bezeichnung „Gruppe ‚Vereinfachung der Übermittlung von Schriftstücken‘“ mit der Ausarbeitung eines Rechtsinstruments zur Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren für die Übermittlung von Schriftstücken zwischen den Mitgliedstaaten beauftragt.46 Noch im selben Jahr legte die niederländische Delegation dazu einen Entwurf vor, der auf eine Anpassung des Art. IV des Anhangs zum BrüsselÜbk. zielte, und über den in der Arbeitsgruppe erste Beratungen stattfanden.47 Dieser Vorschlag nahm die Regelungen zur Rechtshilfe in den Blick und setzte bei der vom HZÜ zur Beschleunigung als Regelfall vorgesehenen (s. Rz. 6), sich tatsächlich aber als zu zeitaufwändig erweisenden Kommunikation mit Zentralen Behörden an und schlug vor, diese durch eine direkte Kommunikation zwischen von den Mitgliedstaaten bestimmten Übermittlungs- (z.B. Gerichte, Rechtsanwälte) und Empfangsstellen (z.B. Gerichtsvollzieher, Rechtsanwälte) zu ersetzen (Dezentralisierung, s. auch Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff.).48 Anfang 1995 legte der französische Vorsitz seinerseits einen eigenständigen Entwurf vor, welcher anstatt eines Eingriffs in das BrüsselÜbk. die Schaffung eines eigenständigen, für die Mitgliedstaaten verbindlichen und an die Stelle des HZÜ tretenden Rechtshilfemechanismus vorsah.49
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Die vom Rat der Justizminister eingesetzte Gruppe entschied sich 1996 auf der Grundlage eines Vorschlags der österreichischen Delegation entsprechend dem Vorbild des HZÜ im Kern für eine autonome Ordnung des Rechtshilfeverkehrs (und nicht für eine Vereinheitlichung des Zustellungsrechts).50 Die Ausgestaltung erfolgte in Anlehnung an das HZÜ51 und im Übrigen unter Wahl eines Mittelwegs zwischen den beiden in Betracht gezogenen Ausrichtungen (Dezentralisierung oder Kommunikation mit Zentralen Behörden).52 Gegenüber dem HZÜ bestanden die wesentlichen Weiterentwicklun-
43 ABl. EG 1997 C 261/26; KOM(1999) 219 endg.; Brenn, Einf. EZV I. 1. a); Meyer, IPRax 1997, 401, 402; Sharma, S. 77. 44 ABl. EG 1997 C 261/26; KOM(1999) 219 endg.; COM(2018) 379 final, S. 1; SWD(2018) 287 final, S. 6, 40; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 50; Meyer, IPRax 1997, 401, 402; Stadler, IPRax 2001, 514, 515. 45 Vgl. GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 61 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Hess, NJW 2001, 15, 17; Springer, S. 17 ff. 46 ABl. EG 1997 C 261/26; ABl. EG 1997 C 261/38; KOM(1999) 219 endg.; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 5 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Brenn, Einf. EZV I. 1. b); Meyer, IPRax 1997, 401, 402; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 5; Springer, S. 22. 47 ABl. EG 1997 C 261/26; KOM(1999) 219 endg.; Brenn, Einf. EZV I. 1. b); Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Einl. EuZVO Rz. 3. 48 Meyer, IPRax 1997, 401, 402; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Einl. EuZVO Rz. 3. Vgl. auch Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 4 f., Art. 2 EuZVO Rz. 1. 49 ABl. EG 1997 C 261/26; KOM(1999) 219 endg.; Brenn, Einf. EZV I. 1. b); Meyer, IPRax 1997, 401, 402; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Einl. EuZVO Rz. 3. 50 Vgl. Brenn, Einf. EZV I. 1. c). Eine Vereinheitlichung des Zustellungsrechts jedenfalls für die gesamte Welt als Utopie ansehend Geimer, S. 2, 255; optimistischer Schack in FS Geimer, S. 931, 945. Von einer verpassten Harmonisierungschance sprechend Nassauer, A4-0101/97, B. 18. Bedauernd auch Wieczorek/Schütze/Schütze, Vor §§ 1067–1071 ZPO Rz. 3. – Missverständlich GA Bobek, Schlussanträge v. 16.1.2020 – C-615/18, ECLI: EU:C:2020:9 Rz. 79 – UY/Staatsanwaltschaft Offenburg: „Es trifft sicher zu, dass die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen harmonisiert ist, …“ 51 ABl. EG 1997 C 261/27; Nassauer, A4-0101/97, B. 3.; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-315/11, ECLI: EU:C:2012:583 Rz. 30 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; GA Léger, Schlussanträge v. 28.9.2006 – C-283/05, ECLI:EU:C:2006:617 Rz. 13 – ASML Netherlands BV/Semiconductor Industry Services GmbH; OLG Karlsruhe v. 24.6.2010 – 9 U 151/09, BeckRS 2011, 4793 zu II. A. 2) a) der Gründe; Bajons in FS Schütze, S. 49, 52; Gottwald in FS Schütze, S. 225; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.9. 52 ABl. EG 1997 C 261/26; vgl. auch Meyer, IPRax 1997, 401, 402.
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Einleitung
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gen darin, dass (1) bei entsprechender Bestimmung durch die Vertragsstaaten (Regelfall)53 für den Rechtshilfeverkehr direkte Beziehungen zwischen den für die Übermittlung der Schriftstücke zuständigen Personen oder Stellen (bestimmte Übermittlungsstellen) und den eine Zustellung bewirkenden oder veranlassenden Personen oder Stellen (bestimmte Empfangsstellen) begründet werden und nur als Angebot an die dem skeptisch gegenüberstehenden Vertragsstaaten die Möglichkeit vorgesehen wurde, ausnahmsweise nur eine (zentrale) Empfangs- und Übermittlungsstelle zu bestimmen,54 (2) vorgesehen wurde die Verwendung praktischer Hilfsmittel55 zur Erleichterung der Arbeit dieser Personen, wie z.B. moderne Übermittlungswege, ein umfassendes, einfach zu handhabendes Formblatt56 sowie Verzeichnisse der von den Vertragsstaaten benannten Empfangsstellen,57 (3) die fehleranfällige und kostenintensive unbedingte Übersetzungsobliegenheit58 durch ein die wechselseitigen Interessen schonender ausgleichendes59 Recht zur Annahmeverweigerung (vgl. auch § 37 Abs. 1 ZRHO, s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 ff.) ersetzt wurde,60 (4) Regelungen zum Zustellungsdatum geschaffen wurden,61 (5) die Postzustellung unter der Möglichkeit zu einer bloßen Beschränkung anstatt zum Opt-out zugelassen wurde (vgl. auch § 12 Abs. 3 S. 1 ZRHO, s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 4)62 und (6) die Möglichkeit zur Zurückweisung eines Ersuchens unter Berufung auf den ordre public (s. Rz. 5, 6)63 entfallen ist (s. auch Rz. 50).64 Das neue Übereinkommen (EuZÜ) sollte in den Beziehun53 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/28 f. („Dezentralisierungsgrundsatz“); Meyer, IPRax 1997, 401, 403. Zur EG-ZustVO 2000 vgl. auch KOM(1999) 219 endg.; Lechner, A5-0060/1999, S. 14. 54 ABl. EG 1997 C 261/27/28 f.; Nassauer, A4-0101/97, B. 9; Meyer, IPRax 1997, 401, 402, 403; Geimer/Schütze/ Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. Zur EG-ZustVO 2000 und ihren Nachfolgern vgl. auch KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48; SWD(2018) 287 final, S. 7 f., 40; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 43; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 3; Brenn, Art. 2 EZV Anm. f); Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 9; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.9; Stadler, IPRax 2001, 514, 517; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 4. Ein weiteres Entgegenkommen gegenüber den einer Dezentralisierung skeptisch gegenüberstehenden Vertragsstaaten war die Etablierung von Zentralstellen. – Im gewählten Ansatz keine substanzielle Verbesserung sehend Gottwald in FS Schütze, S. 225, 227. – Missverständlich Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, Rz. 297: System entspricht dem HZÜ. 55 Vgl. zur EG-ZustVO 2000 Lechner, A5-0060/1999, S. 18. 56 Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. Zur EG-ZustVO 2000 und ihren Nachfolgern vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 13, 21; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 4. 57 ABl. EG 1997 C 261/27. Zur EG-ZustVO 2000 vgl. KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48. 58 Lechner, A5-0060/1999, S. 18; Gottwald in FS Schütze, S. 225, 232 f.; Hess, IPRax 2008, 400. 59 Vgl. zum gebotenen Ausgleich Franzina, YBPIL 10 (2008), 565, 566. Vgl. auch SWD(2018) 287 final, S. 22 f., 135. 60 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/27; Meyer, IPRax 1997, 401, 402 f.; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. Zur EG-ZustVO 2000 und ihren Nachfolgern vgl. KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48; Lechner, A5-0060/1999, S. 15; SWD(2018) 287 final, S. 40 f.; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 12; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 51 ff.; Hess, IPRax 2008, 400, 400 f.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 4. Krit. dazu Stadler, IPRax 2001, 514, 517 f. 61 Meyer, IPRax 1997, 401, 403 f. Vgl. zur EG-ZustVO 2000 Lechner, A5-0060/1999, S. 16; den Regelungsansatz begrüßend Stadler, IPRax 2001, 514, 518 f. 62 Meyer, IPRax 1997, 401, 404; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. Zur EG-ZustVO 2000 und ihren Nachfolgern vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 11; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 11, 13, 50; Gottwald in FS Schütze, S. 225, 228, 230; Heiderhoff, IPRax 2007, 293; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 11; Knöfel, RIW 2021, 473, 482; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.9; Stadler, IPRax 2001, 514, 519; Stadler, IPRax 2002, 471, 472; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 4. 63 Zur engen Auslegung (und daher ohnehin geringen praktischen Bedeutung) des ordre public-Vorbehalts in Art. 13 HZÜ vgl. KG v. 13.8.2015 – 1 VA 8/15, BeckRS 2015, 16899 Rz. 13; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 10; Kondring, S. 126; Rohe in FS Vollkommer, S. 291, 307; Schack, IZVR, Rz. 733; Tsikrikas, ZZPInt. 15 (2010), 145, 148 f. 64 Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 3; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. Zur EG-ZustVO 2000 und ihren Nachfolgern vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 10; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 10, 48; Gottwald in FS Schütze, S. 225, 234 f.; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 12; Hess, NJW 2002, 2417, 2422; Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 184; Geimer/Schütze/Okonska, Vor Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Schack, IZVR, Rz. 742; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 4; Tsikrikas, ZZPInt. 15 (2010), 145, 149.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung gen zwischen den Mitgliedstaaten der Union alleinige Anwendung finden (Vereinheitlichung der Rechtshilfe), sofern nicht bestehende oder künftige Übereinkünfte im Einklang mit Art. K.7 EUV eine engere Zusammenarbeit zwischen diesen Staaten ermöglichen.65 Zur Sicherung einer einheitlichen Anwendung des Übereinkommens wurde in einem gesonderten Protokoll ein Vorlageverfahren zum EuGH geregelt.66 Der von der Gruppe erarbeitete Text des Übereinkommens wurde dem Europäischen Parlament zur Prüfung vorgelegt.67 Am 26.5.1997 wurde die Ausarbeitung des Übereinkommens durch den Rat zum Abschluss gebracht und den Mitgliedstaaten der Abschluss empfohlen.68 Noch am gleichen Tag wurde es von den Vertretern aller Mitgliedstaaten unterzeichnet.69 Mangels Ratifizierung ist das Übereinkommen aber nicht in Kraft getreten.70 Ursächlich waren dafür nicht inhaltliche Bedenken, sondern rechtliche Änderungen des institutionellen Umfelds (s. Rz. 11).71 3. EG-Zustellungsverordnung 2000 (VO (EG) Nr. 1348/2000) 11
Das EuZÜ (s. Rz. 8 ff.) ist vor Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags nicht mehr ratifiziert worden. Durch den Vertrag von Amsterdam wurde ein Kompetenzrahmen geschaffen, der es ermöglichte, das Übereinkommen in einen Gemeinschaftsrechtsakt zu transponieren (s. Rz. 3).72 Namentlich durch Erlass einer Richtlinie der Gemeinschaft, so die Einschätzung der Kommission, könnten die Mitgliedstaaten angehalten werden, die Regelungen einheitlich zu einem im Voraus bekannten Zeitpunkt umzusetzen.73 Dementsprechend wurde von einer Ratifikation des EuZÜ endgültig abgesehen und das Übereinkommen ist nicht in Kraft getreten. Vielmehr beschloss die Kommission am 4.5.1999 einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten.74
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Der Kommissionsvorschlag für die Richtlinie lehnte sich inhaltlich ganz eng an das EuZÜ an (vgl. Erwägungsgrund 5 S. 3, 4 EG-ZustVO 2000 und Erwägungsgründe 3 S. 3, 4 S. 2 EG-ZustVO 2007)75 und baute damit wie dieses auf dem HZÜ (s. Rz. 10) auf.76 Auch sein Gegenstand war nicht die Vereinheitlichung des Zustellungsrechts, sondern im Kern die Vereinfachung und Vereinheitlichung des 65 ABl. EG 1997 C 261/27, 36. Zur EG-ZustVO 2000 vgl. Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48. 66 ABl. EG 1997 C 261/27. Vgl. zum Protokoll über die Auslegung ABl. EG 1997 C 261/38 ff. 67 Vgl. Nassauer, A4-0101/97 mit Schilderung des Verfahrensablaufs; Teilannahme vom 11.4.1997, ABl. EG 1997 C 132/303. 68 ABl. EG 1997 C 261/1; ABl. EG 1997 C 261/27; Springer, S. 22. 69 ABl. EG 1997 C 261/27, ABl. EG 1997 C 261/38; Bajons in FS Schütze, S. 49, 50; Meyer, IPRax 1997, 401; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 5; Springer, S. 22. 70 Erwägungsgrund 5 S. 2 EG-ZustVO 2000; Erwägungsgrund 3 S. 2 EG-ZustVO 2007; KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/47 Ziff. 1.5.1; Wallis, A5-0060/1999, S. 19; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 6 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 5; Schack, IZVR, Rz. 741; Stadler, IPRax 2001, 514, 515. 71 Vgl. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 1. 72 KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/47 Ziff. 2.1; Lechner, A5-0060/1999, S. 13. 73 KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/47 Ziff. 2.1; Lechner, A5-0060/1999, S. 13; Springer, S. 23. 74 KOM(1999) 219 endg.; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 15. 75 KOM(1999) 219 endg.; Wallis, A5-0060/1999, S. 20; KOM(2000) 75 endg.; EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 38 – SR/EW u.a.; EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 53 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 71 – Roda Golf & Beach Resort SL; GA Léger, Schlussanträge v. 28.9.2006 – C-283/05, ECLI:EU:C:2006:617 Rz. 12 – ASML Netherlands BV/Semiconductor Industry Services GmbH; Brenn, Einf. EZV I. 1. d); Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 1; Schack, IZVR, Rz. 741; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.10; Stadler, IPRax 2001, 514, 514 f.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 15. 76 Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48; Gauzès, A6-0024/2006, S. 8; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 2 f.; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 8; Gsell, EWS 2002, 115, 116; Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 4; Hess, JZ 2001, 573, 577; Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 183; Wieczorek/Schütze/Schütze, Vor §§ 1067–1071 ZPO Rz. 3; Stadler, IPRax 2001, 514, 516.
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Rechtshilfeverkehrs; daneben sah er wie das EuZÜ (s. Rz. 10) in weiterem Umfang als das HZÜ punktuelle Rücknahmen der Souveränitätsschranke vor.77 Als Weiterentwicklungen und sonstige Abweichungen gegenüber dem EuZÜ78 sah er vor allem vor, dass (1) nationale Vorbehalte nicht zulässig sind, dafür allerdings Übergangs- und Sonderregelungen vorgesehen wurden, deren Ausnutzung der Kommission mitzuteilen und im Amtsblatt der EG zu veröffentlichen ist,79 (2) den Mitgliedstaaten zwar gestattet wird, von sich aus oder im Rahmen einer Zusammenarbeit die Übermittlung von Schriftstücken zu beschleunigen, die Ausübung dieser Option aber von der Kommission kontrolliert werden soll und die Mitgliedstaaten daher entsprechende Übereinkommen bereits im Entwurf vorlegen müssen,80 (3) der Kommission die Befugnis zur Festlegung der Durchführungsvorschriften erteilt wird,81 (4) der Kommission obliegt, die Umsetzung der Richtlinie zu überwachen, etwaige Änderungen vorzuschlagen und die in der Richtlinie vorgesehenen Mitteilungen und Notifizierungen den Mitgliedstaaten und der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen82 und (5) im Gegensatz zu Art. 17 EuZÜ die Auslegungskompetenz des EuGH nicht mehr gesondert geregelt ist.83 Zum Entwurf der Kommission nahmen, jeweils im Kern zustimmend,84 am 21.10.1999 der EWSA 13 und am 17.11.1999 das Parlament Stellung. Beide sprachen sich allerdings für den Erlass einer Verordnung anstatt einer Richtlinie aus,85 weil eine Verordnung im Gegensatz zu einer Richtlinie eher gewährleiste, dass der gemeinschaftliche Rechtsakt zügig, klar und einheitlich umgesetzt wird.86 Der EWSA sprach sich zudem gegen einen den Bedenken einzelner Mitgliedstaaten gegenüber Dezentralisierung und Regelung zum Zustellungsdatum Rechnung tragenden Übergangszeitraum aus;87 ähnliche Vorstellungen äußerte das Parlament.88 Ebenso sprach sich der EWSA gegen die in Art. 15 Abs. 2 und Art. 19 Abs. 2 des Entwurfs vorgesehenen Vorbehaltsmöglichkeiten aus.89 Daneben wurde eine Reihe weiterer Änderungsvorschläge formuliert, welche allerdings eher technischer Natur waren und den Ansatz und die wesentlichen Zielsetzungen des Vorschlags der Kommission nicht in Frage stellten. Die Kommission stimmte inhaltlich den Änderungsvorschlägen des Parlaments, einschließlich des Vorschlags zur Änderung der Art des zu erlassenden Gemeinschaftsrechtsakts,90 überwiegend zu91 und beschloss am 29.3.2000 gemäß Art. 250 Abs. 2 EGV einen geänderten Entwurf, nunmehr für eine Verordnung des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Bereits am 2.12.1999 hatte der Rat unter Berücksichtigung der abgegebenen Stellungnahmen eine politische Einigung er-
77 Vgl. KOM(1999) 219 endg.; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 3 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Brand, NJW 2004, 1138; Gsell, EWS 2002, 115, 117; Schack, IZVR, Rz. 741. 78 Abw. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 2: wortgenaue Übernahme, soweit nicht Rechtsform der Verordnung eine Änderung nötig machte. 79 Vgl. KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48; Lechner, A5-0060/1999, S. 17. – Vgl. auch Brenn, Einf. EZV I. 1. d). 80 KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48. 81 KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48. 82 Vgl. Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48; Lechner; A5-0060/1999, S. 16 f. 83 KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48; Wallis, A5-0060/1999, S. 20. 84 Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48; Wallis, A5-0060/1999, S. 19. 85 ABl. EG 2000 C 189/88; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48 Ziff. 3.2; Lechner, A5-0060/1999, S. 5; Wallis, A5-0060/1999, S. 20; Springer, S. 23. – Zum Erlass einer Richtlinie neigend Bajons in FS Schütze, S. 49, 73. Vgl. auch Hess, NJW 2001, 15, 19: Richtlinie passe besser zu den vorgesehenen Abweichungsmöglichkeiten. 86 Vgl. auch EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 49 – Roda Golf & Beach Resort SL; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 46 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; GA Tizzano, Schlussanträge v. 17.11.2005 – C-473/04, ECLI:EU:C:2005:698 Rz. 34 – Plumex/Young Sports NV; Brenn, Einf. EZV I. 1. d); Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Einl. EuZVO Rz. 4. 87 Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48. 88 Lechner, A5-0060/1999, S. 6 (Beschränkung der Anwendung der Übergangsfrist betreffend die Dezentralisierung), S. 8 (Streichung der Übergangsfrist betreffend das Zustellungsdatum). 89 Bataller, ABl. EG 1999 C 368/50. Zu Art. 15 Abs. 2 auch das Parlament, vgl. Lechner, A5-0060/1999, S. 9. 90 Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 181 f. – Brenn, Einf. EZV I. 1. d) hebt den Einsatz Österreichs für den Erlass als Verordnung hervor. 91 KOM(2000), 75 endg.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung zielt,92 welche vorsah, doch an den den Bedenken einzelner Mitgliedstaaten Rechnung tragenden Relativierungen festzuhalten. Mit den der politischen Einigung entsprechenden Abweichungen beschloss der Rat am 29.5.2000 einstimmig (vgl. Art. 250 Abs. 1 EGV) die Annahme des Vorschlags der Kommission.93 Zur Ausführung der damit zustande gekommenen Verordnung wurde in Deutschland das ZustDG erlassen, dessen Regelungen zum 1.1.2004 in die ZPO überführt wurden (s. Rz. 98 ff.); in diesen Regelungen erklärte Deutschland insbesondere ein Opt-out gegenüber der Möglichkeit zur unmittelbaren Auslandszustellung (§ 1071 ZPO a.F.). 14
Die am 31.5.2001 in Kraft getretene Verordnung wurde von der Kommission gemäß Art. 24 EGZustVO 2000 überprüft. Ihren entsprechenden Bericht hat die Kommission am 1.10.2004 vorgelegt (dazu näher s. Art. 35 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Vorbereitet wurde er durch eine empirische Studie.94 Aufbauend auf dieser ist die Kommission in ihrem Bericht dazu gelangt, dass die Anwendung der Verordnung im Allgemeinen die Übermittlung und Zustellung von Schriftstücken in den Mitgliedstaaten verbessert und beschleunigt hat.95 Gegenüber dem Stand vor Inkrafttreten der EG-ZustVO 2000 wurde die übliche Zustellungsdauer signifikant verkürzt.96 Im Schrifttum ist auch von einem gigantischen Schritt vorwärts die Rede.97 Punktuell erwies sich die Anwendung der Verordnung nach dem Ergebnis des Kommissionsberichts aber als noch nicht gänzlich zufriedenstellend.98 4. EG-Zustellungsverordnung 2007 (VO (EG) Nr. 1393/2007)
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Wie am Schluss des Berichts über die Anwendung der EG-ZustVO 2000 avisiert,99 beschloss die Kommission am 7.7.2005 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten.100 Nach diesem sollte am Grundkonzept der EG-ZustVO 2000 festgehalten werden.101 Davon abgesehen waren in Verfolgung der im Haager Programm formulierten Ziele102 verschiedene Weiterentwicklungen vorgesehen, welche Erleichterung, Beschleunigung und Rechtssicherheit103 dienen sollten. Beabsichtigt war, die für die Empfangsstelle zur Verfügung stehende Frist, um eine Zustellung zu bewirken, im Interesse der Beschleunigung von Zustellungen zu verkürzen und die Empfangsstelle zu verpflichten, die Übermittlungsstelle unverzüglich von Fristüberschreitungen zu informieren.104 Weiter war vorgesehen eine Überarbeitung des an die Stelle eines unbedingten Übersetzungserfordernisses getretenen Annahmeverweigerungsrechts.105 Insbesondere sollte ausdrücklich geregelt werden die Möglichkeit, eine vom Zustellungsadressaten nach Art. 8 Abs. 1 EG-ZustVO 2000 zurückgewiesene Zustellung heilen zu können. Die Regelung zum „doppelten“ Zustellungsdatum sollte präzisiert werden und die Möglichkeit zu einem Opt-out entfallen.106 Nach
92 PRES/1999/386. 93 Vgl. PRES/2000/183. 94 MainStrat, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1348/2000 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matter (März 2004). 95 Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 5. Vgl. bereits Hess, NJW 2002, 2417, 2422. – Krit. Brand, NJW 2004, 1138: praktische Probleme nicht gelöst; Hess, NJW 2002, 2417, 2424: maßgebliche Hemmnisse nicht bewältigt; Schack, SchlHA 2006, 115, 117, 118: kaum nennenswerte Verbesserungen, nutzlos; Sujecki, GPR 2005, 193, 201: zahlreiche praktische Probleme. 96 KOM(2004) 603 endg., S. 4; SWD(2018) 287 final, S. 40; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 6. 97 Mankowski, EuZW 2015, 836. Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 8 ff. Zum Verordnungsentwurf in diese Richtung bereits die Einschätzung von Lechner, A5-0060/1999, S. 18. 98 KOM(2004) 603 endg., S. 9; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 5. 99 KOM(2004) 603 endg., S. 9. Vgl. auch Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 6. 100 KOM(2005) 305 endg./2. 101 Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 6. 102 ABl. EG 2005 C 53/13. 103 KOM(2005) 305 endg./2, S. 3; Sánchez Miguel, ABl. EU 2006 C 88/7. 104 KOM(2005) 305 endg./2, S. 3 f., 11. Vgl. auch COM(2013) 858 final, S. 3. 105 KOM(2005) 305 endg./2, S. 4 f., 11; COM(2013) 858 final, S. 3. 106 KOM(2005) 305 endg./2, S. 5, 12; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 4.
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nationalem Recht geschuldete Zustellungsgebühren sollten durch Verweis auf die Grundsätze von Verhältnismäßigkeit und Nichtdiskriminierung begrenzt und im Interesse der Transparenz pauschaliert werden.107 Die Zustellung durch die Post sollte im Interesse ihrer Benutzerfreundlichkeit vereinheitlicht werden.108 Außerdem war vorgesehen, die Möglichkeit zum Opt-out für die unmittelbare Zustellung von Schriftstücken durch Beteiligte abzuschaffen.109 Daneben sollte klargestellt werden, dass die Regelungen zum Annahmeverweigerungsrecht und zum Zustellungsdatum unbeschadet ihres Standorts in Abschnitt 1 auch für die in Abschnitt 2 des Kapitels II vorgesehenen Übermittlungsbzw. Zustellungswege (insbesondere Zustellung durch die Post) gelten.110 Zum Entwurf der Kommission nahmen, jeweils zustimmend,111 am 14.2.2006 der EWSA und am 16 4.7.2006 das Parlament Stellung. Bedenken wurden im Kern nur geäußert gegenüber der Formulierung der vorgeschlagenen Neufassung von Art. 8. Zudem wurde vom Parlament gefordert, die vorgesehenen Änderungen im Rahmen einer konsolidierten Neufassung des Rechtsakts zu erlassen.112 Bereits am 1.6.2006 hatte der Rat eine grundsätzliche Einigung über einen Verordnungstext erzielt. Dieser sah u.a. vor, den Anwendungsbereich in Anlehnung an die zwischenzeitlich geltende Brüssel I-VO durch Ergänzung von Art. 1 Abs. 1 um einen S. 2 zu konkretisieren (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 8).113 Außerdem konnte er in Bezug auf Art. 8 die im Sinne des Änderungsvorschlags der Kommission ausgefallene Entscheidung des EuGH zur Heilbarkeit einer nach Art. 8 EG-ZustVO 2000 zurückgewiesenen Zustellung berücksichtigen (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 21, 22) und hat im Kern den Änderungsforderungen des Parlaments entsprochen. Am 1.12.2006 beschloss die Kommission gem. Art. 250 Abs. 2 EGV einen entsprechend den Forderungen des Parlaments geänderten, u.a. anstatt einer Änderung der EG-ZustVO 2000 die Verabschiedung einer vollständigen Neufassung vorsehenden Entwurf.114 Am 28.6.2007 nahm der Rat einen gemeinsamen Standpunkt an, welcher den geänderten Vorschlag der Kommission nur in ganz wenigen Punkten und zumeist nur aus prinzipiellen Gründen (bestimmte Formulierung sei so nicht abgesprochen gewesen) änderte.115 Diesem stimmte die Kommission am 10.7.2007 zu. Nachdem das Parlament am 24.10.2007 dem gemeinsamen Standpunkt zugestimmt hatte, galt die Verordnung als erlassen. Durch die Kommission ist die am 30.12.2007 in Kraft getretene und ab 13.11.2008 geltende Verord- 17 nung nach Einholung einer vorbereitenden Studie116 gem. Art. 24 EG-ZustVO 2007 überprüft worden (dazu näher s. Art. 35 EU-ZustVO 2020 Rz. 4). Am 4.12.2013 hat die Kommission ihren entsprechenden Bericht vorgelegt. Dabei stellte sie im Allgemeinen fest, dass die Verordnung gut funktioniert und dem Ziel gerecht wird, bei der grenzüberschreitenden Zustellung von Schriftstücken für mehr Rechtssicherheit, Schnelligkeit und Wirksamkeit zu sorgen.117 Zugleich wurde in dem Bericht aber eine Reihe von Auslegungszweifeln, Anwendungsproblemen und Regelungsdefiziten dargestellt.118 107 KOM(2005) 305 endg./2, S. 6, 12; COM(2013) 858 final, S. 3; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 4. 108 KOM(2005) 305 endg./2, S. 6 f., 12; COM(2013) 858 final, S. 3; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 4. 109 KOM(2005) 305 endg./2, S. 7, 12; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 4. 110 KOM(2005) 305 endg./2, S. 7, 12. 111 Sánchez Miguel, ABl. EU 2006 C 88/7; Gauzès, A6-0024/2006, S. 9. 112 ABl. EU 2006 C 303E/69. 113 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 4; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 30. 114 KOM(2006) 751 endg. 115 ABl. EU 2007 C 193E/13. 116 MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014. 117 COM(2013) 858 final, S. 4, 18. Vgl. auch COM(2018) 379 final, S. 2, 6; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 20; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-315/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 71 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 2, 7. Einschränkend Eichel, ZVglRWiss 119 (2020), 220, 225 f. – Deutlich kritischer Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/3: „eher mangelhaft“; Schack, IZVR, Rz. 744: „Insgesamt aber bleibt das europäische Zustellungsrecht uneinheitlich, teuer, kompliziert und fehleranfällig.“ 118 COM(2013) 858 final, S. 4; COM(2018) 379 final, S. 2, 6.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung 5. EU-Zustellungsverordnung 2020 (VO (EU) 2020/1784) a) Entwurf der Kommission 18
Die Kommission stellte im Frühjahr 2014119 in ihrer EU-Justizagenda 2020 in Aussicht,120 die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) sowie die Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen zu überarbeiten. Beide Vorhaben sind von Anfang an eng verknüpft.121 Im Fokus beider Rechtsakte steht die Ausgestaltung des Rechtshilfeverkehrs in der EU (vgl. Ziff. 3.1 Allgemeine Einführung ZRHO, § 3 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, b ZRHO).122 Im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens kommt es jeweils zwischen Stellen der Mitgliedstaaten zu einer grenzüberschreitenden Kommunikation, welche in der Vergangenheit ganz überwiegend papiergebunden erfolgte und durch ihre Digitalisierung schneller und sicherer werden kann.123 Dementsprechend gab zu beiden Vorhaben einen wesentlichen Impuls die 2015 beschlossene Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa124.125 Konkrete Legislativvorschläge für die beiden Reformvorhaben zu unterbreiten, nahm sich die Kommission in ihrem am 24.10.2017 beschlossenen Arbeitsprogramm für das Jahr 2018 vor.126
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Bereits im Vorfeld zur Verabschiedung ihres Überprüfungsberichts vom 4.12.2013 (s. Rz. 17) hatte sich die Kommission um umfangreiche Informationen über das Funktionieren der Zustellungsverordnung bemüht und umfassend die Stakeholder konsultiert.127 Daneben waren die hiermit verbundenen Fragen sowie der Überprüfungsbericht Gegenstand mehrerer Beratungen im Rahmen des Europäischen Justiziellen Netzwerks.128 Ein Konsortium aus dem Beratungsunternehmen DMI, der Universität Uppsala sowie der Universität Florenz129 und ein Konsortium unter Führung des MaxPlanck-Instituts Luxemburg130 wurden jeweils um die Erarbeitung einer wissenschaftlichen Studie gebeten.131 Zudem ließ die Kommission durch das Beratungsunternehmen Deloitte eine Studie zum Funktionieren grenzüberschreitender Zustellungen unter der EG-ZustVO 2007 erstellen.132 Im Jahr 2017 wurden außerdem beide Instrumente (s. Rz. 18) durch die Kommission einer REFIT-Evaluation unterzogen.133 Die Auswertung dieser Quellen ergab, dass sich der bestehende rechtliche Rahmen im Bereich grenzüberschreitender Zustellungen vor allem134 im Hinblick auf folgende Punkte als defizitär erwies: (1) mangelnde Schnelligkeit infolge papiergebundener Übermittlung zwischen 119 Den Entstehungsweg als lang bezeichnend dementsprechend Knöfel, RIW 2021, 473. 120 COM(2014) 144 final, S. 10. – Vgl. auch COM(2018) 379 final, S. 4, 9; SWD(2018) 287 final, S. 7. 121 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 4: „Paket zur Modernisierung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen“; SWD(2018) 286 final, S. 2; SWD(2018) 287 final, S. 8; BT-Drucks. 20/1110, 19: „SchwesterVerordnung“; Knöfel, RIW 2021, 473: „Schwesterrechtsakt“. 122 Vgl. Stadler, IPRax 2001, 514: zwei wichtige Säulen des Rechtshilfeverkehrs. 123 SWD(2018) 286 final, S. 2. 124 COM(2015) 192 final, S. 18 ff. 125 COM(2018) 379 final, S. 4, 9; SWD(2018) 287 final, S. 7, 52, 56. 126 COM(2018) 379 final, S. 4; SWD(2018) 287 final, S. 7, 51, 56; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2019, 85, 93. 127 COM(2018) 379 final, S. 2, 6; SWD(2018) 287 final, S. 57 ff. 128 COM(2018) 379 final, S. 2, 6. 129 Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016). 130 European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017. 131 COM(2018) 379 final, S. 7. 132 Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018. 133 COM(2018) 379 final, S. 2 f., 8 f.; SWD(2018) 287 final, S. 48 ff. 134 Daneben wurden benannt: Mangel an Klarheit in Bezug auf Adressermittlungen (vgl. SWD(2018) 287 final, S. 11 f.), Unklarheit über den Begriff des außergerichtlichen Schriftstücks (SWD(2018) 287 final, S. 12), Kos-
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Übermittlungs- und Empfangsstellen,135 (2) unzureichende Dokumentierung der Zustellung per Post,136 (3) in vielen Mitgliedstaaten bestehende Beschränkung oder Unzugänglichkeit der unmittelbaren Zustellung in grenzüberschreitenden Verfahren, auch wenn sie im Inland zulässig ist,137 (4) mangelnde Klarheit der Vorschriften zum Schutz der Verfahrensrechte der Parteien hinsichtlich der erforderlichen Übersetzungen sowie im Falle der Nichteinlassung138 und (5) Neigung nicht nach der Verordnung vorzugehen, sondern die Zustellung zu fingieren oder sich alternativer Methoden der Zustellung im Inland zu bedienen.139 Als Reaktion auf die ausgemachten Defizite beschloss die Kommission am 31.5.2018 ihren Vorschlag 20 für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“)140 und parallel hierzu (s. Rz. 18) den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen. Zur Verbesserung der Rechtslage im Bereich der grenzüberschreitenden Zustellungen wurde erstens vorgeschlagen, den Anwendungsbereich der EG-ZustVO 2007 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zu konkretisieren und dadurch die Rechtssicherheit zu erhöhen.141 Dazu sollte zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken unterschieden werden (s. näher Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 15). Für erstere sollte für die Eröffnung des Anwendungsbereichs an den Wohnsitz des Empfängers (nur) in vom Forummitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaaten angeknüpft werden. Durch einen neu aufzunehmenden Art. 7a sollten die Folgen dessen für andere als verfahrenseinleitende Schriftstücke abgeschwächt werden.142 Zweitens, hier lag im Einklang mit der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa ein Schwerpunkt des Reformvorhabens, sollte die Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen digitalisiert werden.143 Die Kommission schlug vor die Errichtung eines dezentralen, d.h. nicht von der EU oder einer ihr zugehörigen Stelle betriebenen, sondern durch Vernetzung der nationalen Infrastruktur gebildeten IT-Systems, dessen Nutzung obligatorisch sein sollte (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 4). Drittens sollte die Rechtshilfe durch Ergänzung um Instrumente zur Ermittlung der Adresse des Empfängers gestärkt werden (s. Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 5). Gegenstand des Reformvorschlags war aber nicht nur eine Effektivierung der die Souveränitätsschranke ausgleichenden Rechtshilfe, sondern überdies ein weiterer Rückbau der Souveränitätsschranke durch Ausbau der Möglichkeiten zur direkten oder unmittelbaren Zustellung (zu den beiden Ansätzen [Ausgleich und Abbau] s. Rz. 58).144 Dazu sollte viertens eröffnet werden die elektronische Zustel-
135 136 137 138 139 140
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ten der Zustellung (SWD(2018) 287 final, S. 14), Fehlen der Möglichkeit zur elektronischen Direktzustellung (SWD(2018) 287 final, S. 15 f., 22). SWD(2018) 286 final, S. 2; SWD(2018) 287 final, S. 14 f., 22, 137. SWD(2018) 286 final, S. 2; SWD(2018) 287 final, S. 16. SWD(2018) 286 final, S. 2; SWD(2018) 287 final, S. 17, 137. SWD(2018) 286 final, S. 2; SWD(2018) 287 final, S. 13, 18 f., 20. SWD(2018) 286 final, S. 2; SWD(2018) 287 final, S. 17 f. COM(2018) 379 final. – Die Stellungnahme des Ausschuss für Regulierungskontrolle (SEC(2018) 272 final) fiel bereits anfänglich insgesamt positiv aus. Sie enthielt aber auch die Aufforderung an die Kommission, vor einem Beschluss des Verordnungsentwurfs und dem Beginn der Abstimmungen mit den anderen Organen weitere Aspekte zu berücksichtigen. Darauf reagierte die Kommission ausweislich COM(2018) 379 final, S. 7 sehr kurzfristig. In Bezug auf den Begriff außergerichtliche Schriftstücke dafür bereits Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 253. COM(2018) 379 final, S. 13, 14, 22. SWD(2018) 286 final, S. 2; Ratsdok. 9566/19 (24.5.2019), Ziff. 2, 4; Nordmeier in Thomas/Putzo, Vor EuZuStVO Rz. 5; Peer/Scheuer, zak 2021, 27. Vgl. auch Eichel, ZVglRWiss 119 (2020), 220, 228 f. Dafür bereits Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 260 f. Vgl. Ratsdok. 9890/2/20 REV 2 ADD 1 (5.11.2020), Ziff. 2. Diese Stoßrichtung begrüßend bereits Rauscher in FS Kropholler, 2008, S. 851, 864.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung lung (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 5)145 und sollte fünftens die Nutzung der Postzustellung durch Klarstellungen im Verordnungstext und die Einführung eines einheitlichen Rückscheins erleichtert und rechtssicherer nutzbar gemacht werden (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 5). Außerdem sollte sechstens die unmittelbare Zustellung erleichtert werden (s. Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 5). Gegenstand des Reformvorschlags waren aber nicht nur die im Interesse des Antragstellers liegenden Erleichterungen grenzüberschreitender Zustellungen, sondern schließlich auch eine den schutzwürdigen Interessen des Zustellungsadressaten Rechnung tragende Überarbeitung der vorgesehenen Verteidigungsrechte. Das zum Schutz des Zustellungsadressaten vorgesehene Annahmeverweigerungsrecht sollte präzisiert werden. Es sollte die Rechtsprechung des EuGH zur Reichweite der Belehrungspflicht festgeschrieben und die Zurückweisungsfrist verlängert werden (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 24). Die Regelung zum Schutz des Beklagten bei Nichteinlassung sollte klarer gefasst werden (s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 12). Nicht zuletzt mit Blick auf den Adressatenschutz war die Sicherung der zwingenden Anwendung der Verordnung zum Ausschluss fiktiver Inlandszustellungen ein wesentliches Ziel der Neuformulierung von Art. 1.146 21
Unter dem 17.10.2018 nahm der EWSA gemeinsam zu den beiden Reformentwürfen (s. Rz. 18) Stellung. Die Vorschläge der Kommission wurden begrüßt.147 Für einzelne Sprachfassungen wurden zwar präzisere Formulierungen angeregt, vor allem aber wurde herausgestellt, welche Aspekte des Verordnungsvorschlags nach Ansicht des EWSA unbedingt gewahrt bleiben sollten. Der Europäische Datenschutzbeauftragte sprach sich im Rahmen seiner Stellungnahme dafür aus, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung der zum Zweck der Rechtshilfe erfolgenden Kommunikation zentralen Fragen (detaillierter) unmittelbar im Verordnungstext zu beantworten.148 b) Standpunkt erster Lesung des Parlaments
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Das Parlament beschloss am 13.2.2019 seinen Standpunkt in erster Lesung. Im Grundsatz begrüßte es den Kommissionsvorschlag,149 unterbreitete zu diesem allerdings auch insgesamt 64 Änderungsvorschläge. Diese betrafen zunächst den Datenschutz und die Schaffung einer dezentralen Infrastruktur für die elektronische Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen.150 In diesem Punkt schloss sich das Parlament zwar dem Ansatz der Kommission an, befürwortete ergänzend dazu aber eine Festlegung auf die (auch von der Kommission priorisierte) Nutzung des bereits über mehrere Jahre entwickelten e-CODEX-Systems gegenüber der Schaffung einer neuen Verbindung zwischen den Mitgliedstaaten. Für die Unterstützung bei der Anschriftenermittlung sowie für eine Reihe weiterer durch beteiligte Stellen vorzunehmende Handlungen forderte das Parlament die Einführung kurzer (4 bzw. 10 Arbeitstage) Erledigungsfristen. Vor allem aber zielten die Änderungsvorschläge des Parlaments auf eine Stärkung des Schutzes des Zustellungsadressaten.151 Vorgeschlagen wurde z.B., den Anwendungsbereich der Verordnung zu erweitern auf Zustellungen, die bei ausländischem gewöhnlichen Aufenthalt des Adressaten innerstaatlich an einen bestellten Bevollmächtigten erfolgen (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 16).152 Auch sollte nach Ansicht des Parlaments die Möglichkeit zur elektronischen Zustellung an höhere Bedingungen gebunden werden.153 Weiter sollten im Interesse des Schutzes des Zustellungsadressaten die Pflichten des Gerichts im Falle der Nichteinlassung intensiviert werden.154 Zweifeln muss man daran, dass dem Parlament dabei durchgängig vollständig bewusst war, dass eine Stärkung des Schutzes des Zustellungsadressaten dem An145 146 147 148 149 150 151
Vorhergesehen bereits von Stadler, IPRax 2001, 514, 521. Vgl. COM(2018) 379 final, S. 10, 12 f.; Slowenien, Ratsdok. 6067/19 (5.3.2019), S. 109. ABl. EU 2019 C 62/59 und speziell zur Zustellung von Schriftstücken ABl. EU 2019 C 62/61. EDPS, Ratsdok. 12245/19 (16.9.2019). Cofferati, A8-0001/2019, S. 39. Vgl. auch Ratsdok. 9566/19 (24.5.2019), Ziff. 5. Für ein „defendent package“ bereits Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 252. 152 Vgl. Art. 1 Parl-E (P8_TA-PROV(2019)0104): Streichung Art. 1 Abs. 3; Cofferati, A8-0001/2019, S. 40. Dafür zuvor schon Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 254. 153 Vgl. Erwägungsgrund 7 Parl-E (P8_TA-PROV(2019)0104). 154 Vgl. Erwägungsgrund 8a Parl-E (P8_TA-PROV(2019)0104).
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tragsteller die erfolgreiche Zustellung erschwert und damit das Hauptanliegen der Verordnung (Erleichterung der grenzüberschreitenden Zustellung)155 verfehlt werden kann. Deutlich wird dies insbesondere in dem Vorschlag, dass dem Empfänger ein Annahmeverweigerungsrecht immer dann zustehen soll, wenn das Schriftstück nicht in einer für ihn verständlichen Sprache abgefasst ist.156 Folgte man diesem Vorschlag, schiede der Ort der Zustellung nebst der dortigen Amtssprache als objektiver Anknüpfungspunkt157 für Feststellung bzw. Ausschluss eines Übersetzungserfordernisses aus.158 Jedenfalls für Zustellungen an Personen, mit denen der Antragsteller kein Vertragsverhältnis eingegangen ist, stünde in der Folge regelmäßig gar kein objektiver und für den Antragsteller im Vorfeld erkennbarer Anknüpfungspunkt zur Bestimmung der zugelassenen Sprache zur Verfügung (s. auch Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 25). c) Standpunkt erster Lesung des Rates Die Beratungen im Rat konzentrierten sich zunächst auf den Aspekt der Digitalisierung der grenz- 23 überschreitenden Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen (einschließlich damit verbundener Finanzierungsfragen).159 Da dieser Problemkreis gleichermaßen den Vorschlag für eine Überarbeitung der Zustellungsverordnung wie den Vorschlag für eine Überarbeitung der Beweisaufnahmeverordnung betraf, erfolgte insoweit eine gemeinsame Erörterung. Auf Arbeitsgruppenebene arbeitete der Rat vier für diesen Problemkreis zu klärende Einzelfragen heraus. Zu deren Beantwortung wurden Beratungen auf Ministerebene beschlossen. Im Ergebnis führten diese dazu, dass die justizielle Zusammenarbeit im Rahmen beider Verordnungen auf ein sicheres dezentrales IT-System, zu dem die nationalen IT-Systeme vernetzt sind, gestützt sein soll.160 Dass die Nutzung dieses IT-Systems obligatorisch ist, erschien unter einigen Bedingungen (längere Übergangsfrist, punktuelle Ausnahmen von der obligatorischen Verwendung und eine von der Kommission bereitgestellte [und finanzierte] Referenzimplementierungssoftware) akzeptabel.161 Deutlich weniger Aufmerksamkeit widmete der Rat dem Kommissionvorschlag im Zusammenhang mit den zahlreichen sonstigen Änderungsvorschlägen des Parlaments. Insbesondere die Vorschläge für eine Stärkung des Schutzes des Zustellungsadressaten wurden weitgehend ignoriert. Auf seiner Tagung vom 3./4.12.2019 beschloss der Rat (mit Ausnahme der Anhänge, d.h. insbesonde- 24 re Formblätter) als Allgemeine Ausrichtung einen Kompromisstext.162 Nachgehend dazu wurden die Anhänge erarbeitet. Dabei ebenso wie bei ihrer Abstimmung mit dem vorgeschlagenen Verordnungstext ergab sich nochmals Änderungsbedarf an der Allgemeinen Ausrichtung des Verordnungstextes.163 Nach dessen Umsetzung hat der Vorsitz auf der Grundlage der so vom Rat erzielten Allgemeinen Ausrichtung versucht, mit dem Parlament eine frühe Einigung in zweiter Lesung zu erzielen.164 Am 29.1.2020 und am 30.6.2020 fanden dazu zwei Triloggespräche statt.165 Dabei konnten erhebliche Annäherungen der Standpunkte von Parlament und Rat erzielt werden.166 Letztlich wurden angemessene Lösungen für alle technischen Fragen gefunden einschließlich der Art und Weise, wie auf e-CODEX (e-Justice Communication via Online Data Exchange) Bezug genommen wird, sowie zu zwei politischen Fragen in Bezug auf die Fristen für Durchführungsrechtsakte.167 Auch kam man überein, nicht eine Änderung der EG-ZustVO 2007,168 sondern im Interesse der Rechtsklarheit
155 156 157 158 159 160 161 162 163 164 165 166 167 168
Vgl. auch Erwägungsgrund 12a Parl-E (P8_TA-PROV(2019)0104). Vgl. Erwägungsgründe 5, 6 Parl-E (P8_TA-PROV(2019)0104). Vgl. Stadler, IPRax 2001, 514, 520: „üblichen Konventionspraxis“. Verständnislos Cofferati, A8-0001/2019, 40: „Klarstellungen und geringfügige Änderungen“. Ratsdok. 9566/19 (24.5.2019). Vgl. Ratsdok. 9890/2/20 REV 2 ADD 1 (5.11.2020), Ziff. 6. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), Ziff. 6. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019). Ratsdok. 5722/20 (7.2.2020). Ratsdok. 9890/2/20 REV 2 ADD 1 (5.11.2020), Ziff. 10. Ratsdok. 9890/2/20 REV 2 ADD 1 (5.11.2020), Ziff. 11; Peer/Scheuer, zak 2021, 27. Ratsdok. 9248/20 (30.6.2020). COM(2020) 695 final, S. 3. COM(2018) 379 final, S. 16.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung eine Neufassung zu beschließen (vgl. Erwägungsgründe 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020).169 Nachdem der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Parlaments dem Vorsitz des Ausschusses der ständigen Vertreter des Rates bestätigt hatte, dem Plenum zu empfehlen, die während des Trilogs gefundene Kompromissformulierung zu billigen,170 beschloss der Rat am 4.11.2020 die entsprechende Fassung als seinen Standpunkt erster Lesung.171 d) Verfahrensabschluss 25
Nach Unterrichtung des Parlaments über den Standpunkt erster Lesung des Rates (s. Rz. 23 f.) und die Stellungnahme der Kommission (Art. 294 Abs. 6 AEUV)172 hat das Parlament entsprechend der Empfehlung für die zweite Lesung173 den Standpunkt des Rates gebilligt.174 Damit gilt die Verordnung nach Art. 294 Abs. 7 lit. a AEUV als erlassen. Nach Unterzeichnung und Veröffentlichung konnte sie in Kraft treten (s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). e) Evolution, nicht Revolution
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Die Verordnung ist im Vergleich zur EG-ZustVO 2007 sowohl nach Anzahl der Artikel als auch nach Anzahl der Erwägungsgründe deutlich angewachsen.175 Gleichwohl ist sie nicht der Beginn einer Revolution auf dem Gebiet grenzüberschreitender Zustellungen, sondern entwickelt die EG-ZustVO 2007 behutsam weiter mit dem Ziel, grenzüberschreitende Zustellungen weiter zu beschleunigen.176 Selbst die im Zentrum des Verordnungsverfahrens stehende Digitalisierung (vgl. Erwägungsgrund 3 S. 3 EU-ZustVO 2020; s. auch Rz. 18, 23)177 der direkten Kommunikation und die Einführung der elektronischen Direktzustellung erweisen sich bei genauerer Betrachtung nicht als Revolution. Die direkte Kommunikation im Rechtshilfeverfahren konnte bereits unter der Vorgängerverordnung auch in elektronischer Form erfolgen (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Dass dies nach Ablauf einer Übergangsfrist verpflichtend sein wird, bricht nicht mit Bestehendem. Unter der EG-ZustVO 2007 noch nicht möglich war zwar eine elektronische Direktzustellung. Letztlich handelt es sich bei dieser aber auch nur um eine Adaption der etablierten Direktzustellung per Post.178
III. Verordnungsform des Instruments 1. Wirkungen des Rechtsakts 27
Bereits die EG-ZustVO 2000 wurde entgegen dem ersten Vorschlag der Kommission nicht als Richtlinie, sondern in der Form einer Verordnung erlassen (s. Rz. 12 f.). Für die Wahl dieser Rechtsaktform sprachen und sprechen unverändert die einer Verordnung durch Art. 288 Unterabs. 2 AEUV beigelegten Rechtswirkungen. Verordnungen haben allgemeine Geltung, sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (Art. 288 Unterabs. 2 AEUV) mit An-
169 Ratsdok. 9890/2/20 REV 2 ADD 1 (5.11.2020), Ziff. 12; COM(2020) 695 final, S. 3. 170 Ratsdok. 11357/20 (8.10.2020). 171 COM(2020) 695 final, S. 2; Ratsdok. 9890/2/20 REV 2 (6.11.2020); Begründung dazu 9890/20 ADD 1 (22.10.2020). 172 COM(2020) 695 final. 173 Roberti, A9-0222/2020 (18.11.2020). 174 EP, P9_TA(2020)0309 (23.11.2020). 175 Vgl. Knöfel, RIW 2021, 473, 474; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2022, 97, 106; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Vor EuZustVO Rz. 1. 176 Vgl. Erwägungsgrund 1 Kommissionsentwurf, vgl. COM(2018) 379 final, S. 16; BT-Drucks. 20/1110, 19: „vergleichsweise kleine Änderungen“; Gottwald, MDR 2022, 1185 Rz. 29, 34; Knöfel, RIW 2021, 473, 474, 485: „hält … fest“, „hinter den Erwartungen“; Richter, IPRax 2022, 433, 440: „wenig grundlegende Veränderung“; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Vor EuZustVO Rz. 1; Sujecki, EuZW 2021, 286. 177 SWD(2018) 286 final, S. 2; Ratsdok. 9460/19 (22.5.2019), S. 3; BT-Drucks. 20/1110, 19; Knöfel, RIW 2021, 473, 478; Peer/Scheuer, zak 2021, 27; Richard, Rev.crit.DIP 2021, 349, 351 f. 178 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 3, 15.
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Einl. EU-ZustVO 2020
wendungsvorrang gegenüber nationalen Rechtsvorschriften.179 Sie richten sich im Gegensatz zu Richtlinien (und völkerrechtlichen Vereinbarungen) nicht nur an die Mitgliedstaaten, sondern schaffen unmittelbar anwendbares Recht auch zwischen Privatrechtssubjekten. Sie bedürfen gegebenenfalls nationaler Ausführungs-/Durchführungsvorschriften (z.B. zu Art. 3, 4 EU-ZustVO 2020; s. Rz. 98 ff.),180 nicht aber einer Umsetzung in nationales Recht.181 Dies stellt in besonderer Weise sicher, dass ihre Regelungen in allen Mitgliedstaaten einheitlich (s. aber Rz. 28) gelten und bezogen auf die geregelte Materie einen einheitlichen Raum des Rechts schaffen.182 Aufgrund verschiedener Verweise auf das Recht der Mitgliedstaaten (Art. 11 Abs. 1, 12 Abs. 5 S. 2, 3, 28 13 Abs. 1, 2, 19, 20, 22 Abs. 1 EU-ZustVO 2020) sowie verschiedener Öffnungs- bzw. Vorbehaltsregelungen (Art. 7, 8 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2, 14 Abs. 2, 17 Abs. 2, 22 Abs. 2 Unterabs. 1, Abs. 4 Unterabs. 3 EU-ZustVO 2020) schafft die Verordnung unbeschadet des Vorstehenden (s. Rz. 27) kein vollständig unionsweit harmonisiertes autonomes Recht, sondern eine Mischung aus europäischem und nationalem Recht.183 Ausgangspunkt ist dabei die einheitliche Geltung der Vorschriften der Verordnung. Nur in dem Umfang, in dem sich die Verordnung einer (gegebenenfalls konkludenten) Regelung enthält oder die in Bezug auf Voraussetzungen und Umfang einheitlich geltende Verordnung auf das nationale Recht einschließlich den Mitgliedstaaten eingeräumte Abweichungsmöglichkeiten verweist, gilt nationales Recht (s. auch Rz. 93 ff.). 2. Auslegung des Rechtsakts a) Auslegungskompetenz Damit die Verordnung ihre Ziele, die Vereinheitlichung (Harmonisierung) der Zustellungshilfe sowie der direkten und der unmittelbaren Zustellung einschließlich des Schutzes des Zustellungsadressaten (s. auch Rz. 48 ff.), erreichen kann, muss sie in allen Mitgliedstaaten einheitlich gelten.184 Dies erfordert nicht nur, dass mit der Verordnung in allen Mitgliedstaaten dasselbe Instrument gilt, sondern darüber hinaus auch, dass die Verordnung in allen Mitgliedstaaten mit dem gleichen Normverständnis angewendet, d.h. einheitlich ausgelegt wird. Dazu sieht Art. 267 Unterabs. 1 lit. b AEUV zunächst vor, dass dem EuGH als Gerichtshof auf der Ebene der Union die Kompetenz zur Auslegung der Verordnung zukommt.185 Anders als noch im Zusammenhang mit dem EuZÜ vorgesehen (s. Rz. 10), musste dem EuGH eine entsprechende Kompetenz nicht durch gesonderte Vereinbarung
179 Vgl. EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 51 – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 49 – Roda Golf & Beach Resort SL; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 46 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 48 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; GA Tizzano, Schlussanträge v. 17.11.2005 – C-473/04, ECLI:EU:C:2005:698 Rz. 34 – Plumex/Young Sports NV; BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 15; OGH v. 27.11.2013 – 2Ob156/13z zu 4.1 der Gründe; OLG Hamburg v. 7.7.2006 – 8 W 4/06, BeckRS 2011, 17369; OLG Innsbruck v. 10.10.2018 – 25Rs49/18v zu 4. der Gründe; Cour d’appel Paris v. 26.1.2007 – 06/09408; BT-Drucks. 20/1110, 24; Brenn, Art. 25 EZV Anm. a); Stein/Jonas/Domej (2021), Vor § 1067 ZPO Rz. 5, Vor Art. 1 EuZVO Rz. 68; Nordmeier in Thomas/Putzo, Vor EuZuStVO Rz. 2; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Einl. EuZVO Rz. 7; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 24. 180 Vgl. BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 190/10, NJW 2011, 1885 Rz. 18; Springer, S. 25 f. 181 Vgl. Sharma, S. 79; Springer, S. 25; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 24. 182 Vgl. auch Lechner, A5-0060/1999, S. 5; COM(2018) 379 final, S. 5, 6; SWD(2018) 287 final, S. 25; EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 52 – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 49 – Roda Golf & Beach Resort SL; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI: EU:C:2005:665 Rz. 46 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 183 Vgl. auch Rösler/Siepmann, RIW 2006, 512, 515; Stadler, IPRax 2001, 514, 521. 184 Vgl. EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 52 – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 44 ff. – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 48 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. 185 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 47; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 31; Nordmeier in Thomas/Putzo, Vor EuZuStVO Rz. 4. Vgl. auch ABl. EG 1997 C 261/38.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung (Art. 17 EuZÜ i.V.m. Protokoll) eingeräumt werden, sondern folgt diese aus der Natur der Verordnung als Handlung der Organe der EU. Darüber hinaus klärt Art. 267 Unterabs. 2, 3 AEUV das Verhältnis der dem EuGH zukommenden Auslegungskompetenz zur Auslegungskompetenz der mitgliedstaatlichen Gerichte. Danach bleibt die Auslegungskompetenz der mitgliedstaatlichen Gerichte von der Auslegungskompetenz des EuGH zunächst unberührt. Im Rahmen der Anwendung der Verordnung müssen mitgliedstaatliche Gerichte deren Regelungen selbstverständlich vor ihrer Anwendung auslegen. Sie können dabei den EuGH nach Art. 267 Unterabs. 2 AEUV durch eine Vorlage um Unterstützung ersuchen und ein letztinstanzlich erkennendes nationales Gericht muss den EuGH um Unterstützung bitten (Art. 267 Unterabs. 3 AEUV),186 sofern eine Auslegungsfrage nicht bereits vom EuGH entschieden wurde, von vornherein eindeutig (acte claire) oder durch die Rechtsprechung des EuGH in einer Weise geklärt ist (acte éclairé), dass keine vernünftigen Zweifel bestehen.187 An das vom EuGH auf ein Vorabentscheidungsersuchen befürwortete Auslegungsergebnis sind die mitgliedstaatlichen Gerichte in dem Verfahren, in dem die Vorlage erfolgt ist, gebunden und dürfen in sonstigen Verfahren vom Auslegungsergebnis des EuGH allenfalls nach einer auf ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen erfolgten Änderung der Auslegung abweichen.188 In dieser Zentralisierung der letztentscheidenden Auslegungsautorität liegt im Hinblick auf Rechtssicherheit und -klarheit ein Vorteil der Verordnung gegenüber dem HZÜ, welches derartiges nicht kennt.189 b) Auslegungsziel 30
Wie ihre Vorgänger ist die Verordnung autonom auszulegen.190 Dies bedeutet zunächst vertikal, dass sie – soweit der Verordnungstext nicht (ausdrücklich oder konkludent) auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist (s. Rz. 28)191 – ohne Bindung an nationale Begriffsverständnisse auszulegen ist. Hierdurch wird sichergestellt, dass die Verordnung – ihrem Ziel entsprechend – in allen Mitgliedstaaten einheitlich gilt.192 Nicht ausgeschlossen wird hierdurch, die nationalen Rechtsordnungen rechtsvergleichend als Erkenntnisquelle zu berücksichtigen.
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Weiter bedeutet autonome Auslegung nach Ansicht des EuGH horizontal, dass im Ausgangspunkt die in der EU-ZustVO 2020 verwendeten Begriffe ohne Rücksicht auf ihre Bedeutung in anderen Rechtsakten der EU auszulegen sind.193 Freilich steht dieser Ausgangspunkt in einem Spannungsverhältnis zunächst zur auch für Unionsrechtsakte geltenden systematischen Auslegungsmethode. Dies betrifft sowohl formal, dass der Umstand, dass verschiedene Rechtsakte in einem inhaltlich-systema-
186 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 31. 187 EuGH v. 6.12.2005 – C-461/03, ECLI:EU:C:2005:742 Rz. 16 – Gaston Schul Douane-expediteur BV/Minister van Landbouw, Natuur en Voedselkwaliteit; EuGH v. 6.10.1982 – Rs. 283/81, ECLI:EU:C:1982:335 Rz. 21 – Srl CILFIT und Lanificio di Gavardo SpA/Ministero della Sanità. 188 Vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 9.12.2014 – C-226/13 u.a., ECLI:EU:C:2014:2424 Rz. 37 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; LG Marburg v. 22.9.2010 – 2 O 209/04, BeckRS 2011, 2242 Rz. 20; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Einl. EuZVO Rz. 6. 189 Krit. dagegen (unter dem Gesichtspunkt der Schnelligkeit) Stadler, ZZPInt. 11 (2006), 227. 190 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 32 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 Rz. 39 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 60 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 43 ff. – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 75; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 32; Geimer/ Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 35; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 26. 191 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 33; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 26. 192 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 60 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 44 ff. – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 193 Vgl. EuGH v. 14.9.2017 – C-168/16 und C-169/16, ECLI:EU:C:2017:688 Rz. 74 – Sandra Nogueira u.a./ Crewlink Ireland Ltd sowie Miguel José Moreno Osacar/Ryanair Designated Activity Company mit Anm. Ulrici, jurisPR-ArbR 43/2017 Anm. 5. Vgl. auch BAG v. 24.6.2020 – 5 AZR 55/19 (A), AP EuGVVO § 6 Nr. 1 Rz. 66.
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Einleitung
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tischen Zusammenhang stehen,194 dafür spricht, dass Begrifflichkeiten mit einheitlicher Bedeutung verwendet werden, als auch materiell den Umstand, dass namentlich die auf den Kompetenztitel justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen gestützten Rechtsakte in vielerlei Hinsicht auf Ergänzung und Zusammenwirken angelegt sind und daher eine kohärente Auslegung anzustreben ist (s. Rz. 36). Der EuGH hat daher dem Gebot autonomer Auslegung im Horizontalverhältnis auch nur selten Bedeutung beigemessen (s. aber Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 23) und ist vielmehr – zu Recht – umgekehrt davon ausgegangen, dass die in den Rechtsakten des Europäischen Zivilverfahrensrechts verwendeten Begrifflichkeiten im Zweifel entsprechend ihrer Bedeutung in der Brüssel Ia-VO als dem zentralen Rechtsakt des Rechtsgebiets auszulegen sind.195 Für die Verordnung weist in diese Richtung nicht zuletzt, dass sich ihre Wurzeln bis zum BrüsselÜbk. zurückverfolgen lassen und in Erwägungsgrund 44 S. 1 EU-ZustVO 2020 (versehentlich) Eingang gefunden hat ein aus Erwägungsgrund 98 der die Brüssel Ia-VO thematisch ergänzenden Brüssel IIb-VO entnommener Textbaustein (s. Rz. 2). Darüber hinaus steht dieser Ausgangspunkt in einem Spannungsverhältnis zur auch für Unionsrechtsakte geltenden historischen Auslegungsmethode, nach welcher der Umstand, dass die Verordnung Nachfolgeregelung zur EG-ZustVO 2007 wie zur EG-ZustVO 2000 ist, dafür spricht, dass Begrifflichkeiten in der Verordnung mit demselben Begriffsverständnis wie in den Vorgängerverordnungen verwendet werden. In diesem Spannungsverhältnis wird der historischen Auslegung Vorrang eingeräumt, weil die Entstehungsgeschichte und insbesondere Art. 36 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 i.V.m. Anhang III EU-ZustVO 2020 keinen Zweifel daran lassen, dass die Verordnung unbeschadet ihres Erlasses als Neuregelung anstatt als Änderungsrechtsakt eine Weiterentwicklung der EG-ZustVO 2007 ist, so wie diese eine Weiterentwicklung der EG-ZustVO 2000 war; jeweils erfolgte der Neuerlass anstatt des Erlasses eines Änderungsrechtsakts allein im Interesse der leichteren Verständlichkeit (vgl. Erwägungsgrund 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020). Konsequenz hieraus ist, dass Entscheidungen des EuGH zu Vorgängerverordnungen für die geltende Verordnung die gleiche Verbindlichkeit wie für die Vorgängerverordnungen haben, soweit die Regelungen der Verordnung als zu den Vorgängerregelungen gleichwertig angesehen werden können.196 Das Gebot autonomer Auslegung ist nicht nur im Verhältnis zu den nationalen Rechtsordnungen und zu anderen Rechtsakten der Union, sondern auch im Verhältnis zu völkerrechtlichen Übereinkommen zu beachten. Die Verordnung ist daher auch ohne Bindung an die Begriffsverständnisse, welche völkerrechtlichen Übereinkommen wie HZÜ oder HZPÜ zugrunde liegen, auszulegen (s. z.B. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 3, 4 f.).197 Nicht ausgeschlossen ist allerdings, einer nachweisbaren Verwurzelung von Einzelregelungen der Verordnung in der Tradition des HZÜ oder des HZPÜ Rechnung zu tragen und im Zweifel eine am Begriffsverständnis dieser Instrumente orientierte Auslegung zu bevorzugen.198
194 Vgl. e contrario EuGH v. 14.9.2017 – C-168/16, C-169/16, ECLI:EU:C:2017:688 Rz. 74 – Sandra Nogueira u.a./Crewlink Ireland Ltd sowie Miguel José Moreno Osacar/Ryanair Designated Activity Company: „unterschiedliche Ziele verfolgen“. 195 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 34; Hess, NJW 2004, 3301, 3302. – Vgl. auch EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 50 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. 196 GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 46 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. Vgl. auch Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 25 EuZVO Rz. 1. Vgl. weiter COM(2018) 379 final, S. 14; SWD(2018) 286 final, S. 3. Vgl. jeweils für die Brüssel Ia-VO auch EuGH v. 20.10.2022 – C-604/20, ECLI:EU:C:2022:807 Rz. 29 – ROI Land Investments Ltd/FD; EuGH v. 9.12.2021 – C-242/20, ECLI:EU:C: 2021:985 Rz. 22 – HRVATSKE SˇUME d.o.o./BP Europa SE; EuGH v. 3.10.2019 – C-208/18, ECLI:EU:C: 2019:825 Rz. 38 – Petruchová/FIBO Group Holdings Limited; EuGH v. 16.11.2016 – C-417/15, ECLI:EU:C: 2016:881 Rz. 26 – W. Schmidt/C. Schmidt. 197 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 76. 198 Vgl. auch EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 52 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 87 – Roda Golf & Beach Resort SL; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 76; Knöfel, IPRax 2017, 245, 247 ff.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung c) Auslegungsmethoden aa) Grundsätze 33
Die Verordnung ist nach den allgemein für generell-abstrakte Rechtsakte der EU geltenden Grundsätzen auszulegen. Diese umfassen im Grundsatz die vier klassischen Auslegungskriterien.199 Bei ihrer Anwendung ist aber Rücksicht auf bestimmte der Natur des europäischen Rechts geschuldete Besonderheiten zu nehmen.
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Zu beachten ist, dass allen Sprachfassungen die gleiche Verbindlichkeit zukommt, zugleich aber die Verordnung in allen Mitgliedstaaten einheitlich gilt. Bei bestehenden Unterschieden zwischen den verschiedenen Sprachfassungen einer Vorschrift, handelt es sich nicht offensichtlich um Übersetzungs- oder Redaktionsfehler,200 ist einer Vorschrift aus diesem Grund ein einheitlicher Inhalt insbesondere anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung sowie gegebenenfalls ihrer Entstehungsgeschichte zu geben.201 Die (wie der deutsche Gesetzgeber besonders betont: unter deutscher Ratspräsidentschaft202 erlassene) Verordnung stellt Rechtsanwender insoweit in besonderem Maße vor Herausforderungen, weil ihr Text (in der deutschen Sprachfassung) von zahlreichen mehr oder weniger offensichtlichen Übersetzungsfehlern gekennzeichnet ist (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 23, 81, s. Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 5, s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 14, 75, s. Art. 27 EU-ZustVO 2020 Rz. 9).203
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Im Rahmen der teleologischen Auslegung kommt den die Ziele eines Rechtsaktes entwickelnden Erwägungsgründen herausragende Bedeutung zu.204 Diese entfalten unmittelbar keine normative Wirkung, wirken aber mittelbar im Rahmen des verfügenden Verordnungstextes (s. Rz. 65).205 Dabei ist, was auch der EuGH nicht nur ausnahmsweise übersieht,206 aber unbedingt zu beachten, inwieweit ein einzelner Erwägungsgrund nur mit einem bestimmten Absatz, Artikel, Abschnitt oder Kapitel, nicht aber mit der gesamten Verordnung korrespondiert, weil ein Erwägungsgrund nur für den Teil des verfügenden Normtextes wirken kann, für den er bestimmt ist. 199 Vgl. EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 33 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.: Wortlaut, Zusammenhang, verfolgte Ziele; EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C: 2022:427 Rz. 33 f. – SR/EW u.a.: Definition (Wortlaut), Zusammenhang (Systematik), Ziele (Telos), Historie; EuGH v. 22.4.2021 – C-826/19, ECLI:EU:C:2021:318 Rz. 22 – WZ/Austrian Airlines AG: gewöhnlicher Sprachgebrauch, Zusammenhang, verfolgte Ziele; EuGH v. 10.12.2018 – C-621/18, ECLI:EU:C:2018:999 Rz. 47 – Andy Wightman u.a./Secretary of State for Exiting the European Union, Chris Leslie, Tom Brake: Wortlaut, Ziele (Telos), Zusammenhang und gesamtes Unionsrecht (Systematik), Entstehungsgeschichte; EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 35 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez: Wortlaut, Zusammenhang (Systematik), Ziele (Telos) und Entstehungsgeschichte; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 47 ff. – Götz Leffler/Berlin Chemie AG: Wortlaut, Genese, Telos; Hess, NJW 2004, 3301, 3302. 200 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 36. 201 EuGH v. 10.12.2020 – C-774/19, ECLI:EU:C:2020:1015 Rz. 27 – A.B., B.B./Personal Exchange International Limited; EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 35 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; EuGH v. 17.11.2011 – C-412/10 ECLI:EU:C:2011:747 Rz. 28 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA. – Vgl. auch Hess, NJW 2004, 3301, 3302. 202 BT-Drucks. 20/1110, 1, 19. 203 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 5: „Verlust an sprachlicher Qualität“. 204 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 77; Würdinger, IPRax 2013, 61, 63. 205 Vgl. Würdinger, IPRax 2013, 61, 63. 206 Z.B. stützte sich EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 48 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a. im Zusammenhang mit der Auslegung des die Beziehung des Antragstellers zum Zustellungsadressaten betreffenden Annahmeverweigerungsrechts unzutreffend auf den nach Wortlaut und Systematik als Abgrenzung zu Art. 13 HZÜ auf die Pflicht der Empfangsstelle zur Rechtshilfegewährung (zutreffend insoweit EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015: 383 Rz. 41 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik) und nicht auf die Annahme einer Zustellung durch den Empfänger bezogenen Erwägungsgrund 10 EG-ZustVO 2007 (der neue Erwägungsgrund 23 EU-ZustVO 2020 weicht nach Wortlaut und Systematik ab). Im gleichen Sinne unzutreffend leitete EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 53 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a. aus Erwägungsgrund 10 EG-ZustVO 2007 eine Beschränkung des Annahmeverweigerungsrechts des Zustellungsadressaten ab.
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Einl. EU-ZustVO 2020
Zu berücksichtigen ist im Rahmen der systematischen und teleologischen Auslegung, dass der EU 36 (auch) im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen keine umfassende Verordnungskompetenz zukommt, sondern das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung sowie das Subsidiaritätsprinzip gelten. In der Folge beruht das Europäische Zivilverfahrensrecht nicht auf einer Gesamtkodifikation, sondern auf Einzelfragen (insbesondere Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung, Zustellung, Beweisaufnahme, Mahnverfahren, Bagatellverfahren) regelnden Verordnungen. Unbeschadet der Aufteilung auf verschiedene Verordnungen sind die einzelnen Verordnungen aber Teil eines Gesamtsystems (gemeinsamer Rechtsraum).207 Sie sind daher jeweils mit Rücksicht auf die anderen Verordnungen, d.h. kohärent auszulegen.208 Im Rahmen der historischen Auslegung ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Verordnung Nach- 37 folgeregelung zu EG-ZustVO 2007 und EG-ZustVO 2000 ist. Soweit die Regelungen der Verordnung noch zu den Vorgängerregelungen gleichwertig sind, sind sie im Einklang mit diesen auszulegen (s. Rz. 31 a.E.). Weiter ist zu berücksichtigen, dass die EG-ZustVO 2000 eine Transposition des EuZÜ ist (s. Rz. 12), weshalb im Rahmen der Auslegung der Verordnung insbesondere auch der Erläuternde Bericht zum EuZÜ zu berücksichtigen ist,209 soweit die Regelungen der Verordnung (auch unter Berücksichtigung der mit dem Vertrag von Amsterdam erfolgten Vergemeinschaftung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen)210 mit den Regelungen des EuZÜ vergleichbar sind. Weiter ist im Rahmen der historischen Auslegung zu berücksichtigen, dass die Verordnung in der Tradition des HZÜ steht,211 an dem sich inzwischen alle Mitgliedstaaten beteiligt haben. Im Zweifel ist daher ein dieser Tradition entsprechendes Auslegungsergebnis zu bevorzugen (s. Rz. 31). Denn die Verordnung teilt mit dem HZÜ das Ziel, grenzüberschreitende Zustellungen zu erleichtern, ohne den Schutz des Zustellungsadressaten zu vernachlässigen. Dabei geht die Verordnung mit Rücksicht auf das wechselseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten bzw. die insbesondere in Art. 6 EMRK und Art. 47 GRCh zum Ausdruck gekommenen gemeinsamen Rechtsüberzeugungen sogar jeweils weiter als das HZÜ, weshalb eine Auslegung zu bevorzugen ist, nach welcher die Verordnung in ihren Wirkungen jeweils zumindest nicht hinter dem HZÜ zurückbleibt. Schließlich ist darauf zu achten, dass die Verordnung primärrechtskonform, d.h. insbesondere im Einklang mit der Grundrechtscharta (vgl. Erwägungsgrund 41 EU-ZustVO 2020, s. auch Art. 32
207 Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 35, 38. Vgl. auch ABl. EG 1997 C 261/26; COM(2018) 379 final, S. 4. – A.A. tendenziell GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 21 ff. – Emmanuel Lebek: unterschiedliche Anwendungsbereiche sprechen gegen abgestimmte Auslegung. 208 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 21; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 75; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 34; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 38. Vgl. EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 42 ff. – Emmanuel Lebek/Janusz Domino. 209 EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 39 – SR/EW u.a.; EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 40 f. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 53 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 6 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 88 – Roda Golf & Beach Resort SL; GA Léger, Schlussanträge v. 28.9.2006 – C-283/05, ECLI:EU:C:2006:617 Rz. 13 – ASML Netherlands BV/Semiconductor Industry Services GmbH; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 32 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 77; Knöfel, IPRax 2017, 245, 251 f.; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 5, 37; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.10; Springer, S. 36. 210 EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 47 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 211 GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 32 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 29 f. – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 87 – Roda Golf & Beach Resort SL; GA Léger, Schlussanträge v. 28.9.2006 – C-283/05, ECLI:EU:C:2006:617 Rz. 13 – ASML Netherlands BV/Semiconductor Industry Services GmbH; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 28 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Knöfel, IPRax 2017, 245, 248 f.; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 37.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff.),212 und unter Gewährleistung ihrer praktischen Wirksamkeit (Effektivitätsgrundsatz) auszulegen ist. bb) Insbesondere: Anwendungsbereich 39
Mit für die Verordnung fortbestehender Bedeutung (s. Rz. 37) hat der EuGH zur Klärung des Anwendungsbereichs der EG-ZustVO 2007 in der Rechtssache Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik maßgeblich Bezug genommen auf die (in den Erwägungsgründen ausgedrückten) Verordnungsziele.213 Diese Vorgehensweise ist in der Rechtsprechung des EuGH fest etabliert.214 Sie verstößt allerdings gegen Denkgesetze und kann daher nicht überzeugen. Der Anwendungsbereich eines Rechtsinstruments lässt sich (jenseits der praktischen Nichterreichung) nicht ausgehend von den mit einem Rechtsinstrument verfolgten Zielen bestimmen, weil der Anwendungsbereich gerade darüber befindet, in welchem Umfang ein Rechtsinstrument bestimmt Ziele verfolgt. Deutlich wird dies z.B. bei der durch Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 erfolgten Beschränkung auf Zivil- und Handelssachen – die hierauf bezogene Aussage in Erwägungsgrund 9 S. 1 EU-ZustVO 2020 ist außerhalb von Zivil- und Handelssachen nicht weniger zutreffend. Jeder Regelung des Anwendungsbereichs ist eigen, dass ihre Grenzen zugleich die Grenzen bestimmen, (nur) in denen bestimmte Ziele verfolgt werden. Folgte man dem Ansatz des EuGH, wonach der Anwendungsbereich im Zweifel weit auszulegen ist, damit die Verordnungsziele in weiterem Umfang erreicht werden, dürften Verordnungen letztlich gar keine Beschränkungen ihres Anwendungsbereichs enthalten und dieser wäre stets bis zur Unkenntlichkeit zu verschleifen, weil sich die Ziele dann noch weitergehender erreichen ließen. cc) Insbesondere: Interessenausgleich
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Als roter Faden zieht sich durch die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung der EG-ZustVO 2000/EG-ZustVO 2007 der Hinweis auf das zwischen den Interessen des Antragstellers und den Interessen des Zustellungsadressaten bestehende Spannungsverhältnis (s. auch Rz. 51) nebst der Folgerung, dass Auslegungsfragen dementsprechend (unter Marginalisierung der üblichen Auslegungskriterien) durch Abwägung der betroffenen Interessen im Einzelfall bzw. Herstellung eines ausgewogenen Ausgleichs zwischen beiden Interessen im Einzelfall zu beantworten sind.215 Hierdurch hat sich der EuGH praktisch grenzenlos zur Rechtsgestaltung selbstermächtigt. Dies steht nicht nur im Widerspruch zur Gewaltenteilung zwischen den Organen der EU, sondern überzeugt auch methodisch nicht. Denn den beteiligten Interessen kommt kein naturgegebenes oder primärrechtlich bestimmtes absolutes Gewicht zu. Vielmehr obliegt dem Verordnungsgeber, die beteiligten Interessen zum Zwecke ihres Ausgleichs zu gewichten. Hierbei kommt dem Verordnungsgeber ein nicht geringer Beurteilungsspielraum zu mit der Folge, dass verschiedene Auslegungsergebnisse noch primärrechtskonform sind. Ein einzig richtiges Auslegungsergebnis ist dem Primärrecht regelmäßig nicht zu entnehmen. Durch die Rechtsprechung ist dementsprechend zu ermitteln, wie dieser Beurteilungsspielraum durch den Verordnungsgeber genutzt wurde, und ist nicht eine eigene Bewertung vorzunehmen. Dies 212 Vgl. Hess, EuZPR, Rz. 8.6 a.E. 213 EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 Rz. 44 ff. – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik. 214 Vgl. z.B. EuGH v. 17.11.2016 – C-216/15, ECLI:EU:C:2016:883 Rz. 33 ff. – Betriebsrat der Ruhrlandklinik gGmbH/Ruhrlandklinik gGmbH: da Richtlinie dem Schutz von Arbeitnehmern diene, könnten Grenzen des (anwendungseröffnenden) Arbeitnehmerbegriffs nicht anerkannt werden, weil anderenfalls das Richtlinienziel nicht erreicht werde; dagegen Ulrici, jurisPR-ArbR 1/2017 Anm. 1 unter C. II. 2. 215 EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 44, 46 – SR/EW u.a.; EuGH v. 5.5.2022 – C-346/21, ECLI:EU:C:2022:368 Rz. 28 – ING Luxemburg SA/VX; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 51, 72 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016: 316 Rz. 51, 58 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI: EU:C:2015:603 Rz. 33 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI: EU:C:2012:824 Rz. 35 f. – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski, IPRax 2013, 157; EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 47 f. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 22 ff., 77, 81 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. Zustimmend Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 3.
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Einleitung
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beachtet die Herangehensweise des EuGH nicht. Sie legt vielmehr inzident zugrunde, dass primärrechtlich nur eine einzige (die eigene) Wertung vertretbar ist. Diese Sichtweise, denkt man sie konsequent zu Ende, führt dann freilich dazu, dass sekundäres Unionsrecht entbehrlich ist, weil durch solches nur jeweils nachvollzogen werden könnte, was sich aus dem Primärrecht ohnehin bereits ergibt.
IV. Geltungsbereich 1. Intertemporär Die Verordnung ist zum 22.12.2020 in Kraft getreten (Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 1 EU-ZustVO 2020, s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Geltung erlangt hat sie, sieht man ab von den in Art. 37 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 benannten Regelungen, welche die Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen betreffen, am 1.7.2022 (Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 2 EU-ZustVO 2020). Mit der sich aus Art. 37 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 ergebenden Modifikation finden ihre Regelungen intertemporär Anwendung auf die ab dem 1.7.2022 in ihren Anwendungsbereich fallenden Sachverhalte (näher s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 f.).
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2. Territorial a) Mitgliedstaaten Die Verordnung gilt im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten der EU, ausgenommen Däne- 42 mark (s. Rz. 44). Keine Anwendung findet sie danach z.B. im Rechtsverkehr mit der Türkei.216 Welche Territorien dabei zu den Mitgliedstaaten der EU gehören, richtet sich nach Art. 52 Abs. 2 EUV, Art. 355 AEUV.217 Danach gehören zu Frankreich, Portugal bzw. Spanien auch Guadeloupe, Französisch-Guayana, Martinique, Mayotte, Réunion, Saint-Martin, die Azoren, Madeira und die Kanarischen Inseln sowie die Exklaven Ceuta und Melilla. Hinsichtlich Finnlands gilt die Verordnung auch für die Ålandinseln (Art. 355 Abs. 4 AEUV). Keine Anwendung findet die Verordnung für das aus der EU ausgeschiedene Saint Barthélmy.218 Sie gilt auch nicht für Andorra, Monaco, San Marino und den Vatikan. Weiterhin gilt sie nicht für die überseeischen Gebiete Frankreichs (soweit nicht in Art. 355 Abs. 1 AEUV benannt) und der Niederlande.219 Außerdem findet die Verordnung keine Anwendung in den Teilen Zyperns, in denen die Anwendung des Besitzstandes der EU mit Blick darauf ausgesetzt ist, dass die Regierung aufgrund der völkerrechtswidrigen Besetzung durch die Türkei keine tatsächliche Kontrolle ausübt.
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b) Dänemark In Dänemark entfaltet die Verordnung nicht unmittelbar die ihr nach Art. 288 Unterabs. 2 S. 1 AEUV 44 zukommenden Wirkungen (Erwägungsgrund 48 EU-ZustVO 2020).220 Hintergrund dafür ist, dass Dänemark sich nach Art. 1, 2 des Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks zum AEUV221 generell nicht an Maßnahmen nach Art. 67 AEUV (s. Rz. 1) beteiligt.222 Allerdings hat Dänemark (wie 216 BGH v. 18.9.2012 – VI ZR 223/11, BeckRS 2012, 21272 Rz. 20. 217 A.A. BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 4: maßgeblich sind mitgliedstaatliche Ländergrenzen. 218 Vgl. ABl. EU 2010 L 325/4. 219 Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 155; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 17. 220 COM(2013) 858 final, S. 2; BT-Drucks. 20/1110, 24; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 31; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Knöfel, RIW 2021, 473, 474; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 1 EuZuStVO Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 18. 221 ABl. EU 2012 C 326/299. 222 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 55; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2022, 97, 106; Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2023), Art. 1 Zust EU-DK Abk Rz. 1.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung schon für die EG-ZustVO 2007)223 gem. Art. 3 Abs. 2 des mit Beschluss 2006/326/EG des Rates vom 27.4.2006 geschlossenen Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen224 der Kommission mit Schreiben vom 22.12.2020 mitgeteilt, dass es die EU-ZustVO 2020 umsetzen wird.225 Dementsprechend gilt die Verordnung als Änderung des zwischen Dänemark (ohne Grönland und Färör)226 und der EG geschlossenen Abkommens und ist nach den Regelungen des Völkerrechts im Verhältnis der Mitgliedstaaten zu Dänemark anwendbar (Art. 2 Abs. 1 Zust EUDK Abk, Art. 3 Abs. 2 Zust EU-DK Abk; vgl. auch §§ 183 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 1071 ZPO).227 c) Irland 45
Die Verordnung findet Anwendung auch in Irland bzw. im Rechtsverkehr zu Irland (vgl. Erwägungsgrund 47 EU-ZustVO 2020). Gemäß dem Protokoll Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands zum AEUV228 hat Irland (wie das Vereinigte Königreich, s. Rz. 46) mit Schreiben vom 22.10.2018229 erklärt, sich an der Verordnung zu beteiligen (Opt-in).230 d) Vereinigtes Königreich
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Keine Anwendung findet die Verordnung im Vereinigten Königreich bzw. im Rechtsverkehr mit dem Vereinigten Königreich.231 Zwar hatte das Vereinigte Königreich am 17.10.2018, wie bereits zu den Vorgängerverordnungen, nach Art. 3 bzw. Art. 4a Abs. 1 des Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts seinen Teilnahmewunsch bekundet.232 Allerdings ist in dem zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich geschlossenen Austrittsabkommen keine (Fort-)Geltung der Verordnung vorgesehen.233 Im Verhältnis zum Vereinigten Königreich gilt auch nicht (mehr) die EG-ZustVO 2007. Diese fand intertemporäre Anwendung im Verhältnis der Mitgliedstaaten der EU zum Vereinigten Königreich nur auf gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke, die vor dem Ablauf der Übergangszeit (31.12.2020) zum Zwecke der Zustellung bei einer der in Art. 68 lit. a BrexitAbk (i.V.m. Art. 69 Abs. 3 BrexitAbk) benannten Stellen eingegangen sind.234 Seit dem 1.1.2021 richtet sich die Rechtshilfe bei der Zustellung im Verhältnis der Mitgliedstaaten der EU zum Vereinigten Königreich nach den Regelungen des HZÜ235 sowie gegebenenfalls daneben (Art. 25 HZÜ) nach geschlossenen 223 ABl. EU 2008 L 331/21; COM(2013) 858 final, S. 3; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 19 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 1 EuZVO Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 18. 224 ABl. EU 2005 L 300/55. 225 ABl. EU 2021 L 19/1; BT-Drucks. 20/1110, 24; Knöfel, RIW 2021, 473, 474 f.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2022, 97, 106; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 1 EuZuStVO Rz. 6. – Übersehen von Gebauer/Wiedmann/ Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 11. 226 S. Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2023), Art. 8 Zust EU-DK Abk Rz. 3. 227 BT-Drucks. 20/1110, 24; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 4. 228 ABl. EU 2008 C 115/295. 229 Anlage zu Ratsdok. 13482/18 (23.10.2018). 230 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2022, 97, 106; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 17. Vgl. zur EG-ZustVO 2007 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 54. 231 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2022, 97, 106; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 1 EuZuStVO Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 17; Richard, Rev.crit.DIP 2021, 349, 350; Schlosser/Hess/ Schlosser/Hess, Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 4; Wagner, IPRax 2021, 2, 13. Übersehen von Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 18 EuZVO Rz. 2: Schottland. 232 Anlage zu Ratsdok. 13622/18 (26.10.2018); Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 17. 233 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 7; Wagner, IPRax 2021, 2, 13. 234 Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 1 EuZuStVO Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 7; Wagner, IPRax 2021, 2, 13. Vgl. auch OLG Dresden v. 8.3.2021 – 8 U 2149/20, BeckRS 2021, 18109 Rz. 10; OLG Köln v. 2.3.2023 – 18 U 189/21, BeckRS 2023, 4331 Rz. 60. 235 BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 13 f.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2022, 97, 106; Richard, Rev.crit.DIP 2021, 349, 350; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 29 EuZVO 2022 Rz. 2.
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Einl. EU-ZustVO 2020
bilateralen Abkommen (z.B. Art. 2–7 deutsch-britisches Abkommen vom 20.3.1928 über den Rechtsverkehr236).237 e) Island, Norwegen, Schweiz Die Verordnung gilt nicht im Verhältnis zu den EFTA-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen und 47 Schweiz). Anwendung findet im Verkehr mit diesen Staaten das HZÜ.238 Davon abgesehen werden mit Island, Norwegen und der Schweiz Verhandlungen über den Abschluss von Parallelübereinkommen zu EU-ZustVO 2020 und EU-BewVO 2020 nach dem Vorbild des LugÜbk geführt.239
V. Ziele des Rechtsakts 1. Metaebene Auf der Metaebene dient die Verordnung wie ihre beiden Vorgänger der Errichtung eines Raums der 48 Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem die Grundrechte und die verschiedenen Rechtsordnungen und -traditionen der Mitgliedstaaten geachtet werden (Art. 3 Abs. 2 EUV, Art. 67 AEUV), und eines gemeinsamen Binnenmarktes (Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 81 Abs. 2 AEUV).240 Entsprechend ihrer Kompetenzgrundlage (s. Rz. 1) zielt die Verordnung, wie z.B. auch die Brüssel Ia-VO, auf die Entwicklung einer justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug, die auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen beruht. Dass Rechtsschutz auch effektiv in grenzüberschreitenden Sachverhalten gewährt wird, ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass der Binnenmarkt funktioniert241 und der dem gemeinsamen Wohlstand dienende Handel innerhalb der Union angekurbelt wird. Durch Schaffung größerer Rechtssicherheit und die Vereinfachung, Straffung und Digitalisierung von Verfahren kann der Binnenmarkt gefördert werden (Erwägungsgrund 3 S. 3 EU-ZustVO 2020). In diesem Kontext sind erforderlich nicht nur Regelungen über die Anerkennung und grenzüberschreitende Vollstreckbarkeit von Gerichtsentscheidungen, sondern als Voraussetzung einer vereinfachten Anerkennung und Vollstreckung auch eine Koordinierung der gerichtlichen Zuständigkeit 236 RGBl. 1928 II 623, RGBl. 1929 II 133, BGBl. 1953 II 116. Vgl. auch § 3 Abs. 2 Nr. 3 ZRHO. Dazu vgl. Kondring, S. 162 ff. 237 Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 1 EuZuStVO Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 7; Ungerer, NJW 2021, 1270 Rz. 20; Wagner, IPRax 2021, 2, 13. 238 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 57. 239 COM(2013) 858 final, S. 18; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 63; Knöfel, RIW 2021, 473, 475; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2015, 1, 10 f.; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2021, 105, 116; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 9; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 13. 240 Vgl. KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48, 49; KOM(2000) 75 endg.; Gauzès, A6-0024/2006, S. 8; COM(2013) 858 final, S. 2, 5; Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 1; COM(2018) 379 final, S. 1; SWD(2018) 287 final, S. 29; EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 43 – SR/EW u.a.; EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 36, 67 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 29 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 44 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 19, 62 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/1. 241 COM(2013) 858 final, S. 5; European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, Rz. 41; COM(2018) 379 final, S. 1 f., 5; EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C: 2009:395 Rz. 55 – Roda Golf & Beach Resort SL; EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 37 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 71 – Roda Golf & Beach Resort SL; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 1.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung (Brüssel Ia-VO, Brüssel IIb-VO als règlement double)242 und überdies Regelungen zur Gewährleistung einer reibungslosen und zügigen grenzüberschreitenden Zustellung jedenfalls von gerichtlichen Schriftstücken.243 Letzteres ergibt sich primär gar nicht daraus, dass die Begründung eines Prozessrechtsverhältnisses regelmäßig davon abhängig ist, den Beklagten einzubeziehen,244 wofür in den nationalen Prozessrechten formal (auch) an den Akt der Zustellung eines verfahrenseinleitenden oder gleichwertigen Schriftstücks angeknüpft wird (vgl. auch Art. 32 Brüssel Ia-VO). Denn Schwierigkeiten bei einer Zustellung im Ausland könnten auch durch die Fiktion einer (inländischen) Zustellung (z.B. öffentliche Zustellung,245 remise au parquet,246 Bestellung eines Zustellungsvertreters [§ 6 ZVG] bzw. Kuratorzustellung [§ 116 öZPO]247) kompensiert werden.248 Vielmehr ergibt sich das entsprechende Bedürfnis vorrangig daraus, dass die Verletzung von Verteidigungsrechten, zu der es durch eine unzureichende (gegebenenfalls nur fiktive) Unterrichtung des Beklagten kommen kann, seit jeher ein wesentlicher Grund ist, eine ausländische Entscheidung nicht anzuerkennen und ihre Vollstreckung in vom Gerichtsstaat verschiedenen Staaten zu verweigern (vgl. § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 407 Nr. 2 öEO, Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO, Art. 24 Unterabs. 1 lit. b EG-UntVO).249 Die Gefahr, dass Anerkennung und Vollstreckung entsprechend scheitern, soll mit der Verordnung verringert werden (mit hinreichend gutem Willen kann dies der verunglückten Fassung des Erwägungsgrunds 44 S. 1 EU-ZustVO 2020 entnommen werden, vgl. auch Rz. 2).250 50
Grundbedingung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist ein wechselseitiges Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten, zumindest aber der feste politische Wille hierzu. Dieses Vertrauen trägt die zahlreichen Erleichterungen im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten im Vergleich zum verordnungs- und vertraglosen Rechtsverkehr mit Drittstaaten. Dies gilt auch für die von der Verordnung gegenüber HZPÜ und HZÜ vorgesehenen zustellungserleichternden und mit (weitergehenden) Einschränkungen der Souveränität des Empfangsstaats verbundenen Abweichungen.251 Legt man zugrunde, dass die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten trotz ihrer Verschiedenheit zentrale Grundwertungen teilen252 und äquivalent sind, besteht deutlich geringerer Anlass dazu, inländische Einwohner vor den Rechtswirkungen einer importierten Zustellung zu schützen.253 Abweichend 242 243 244 245 246
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Vgl. Schack, SchlHA 2006, 115. Vgl. auch Hess, NJW 2001, 15, 20. Tendenziell a.A. Knöfel, RIW 2021, 473. Vgl. Gottwald in FS Schütze, S. 225, 229. Vgl. OLG Karlsruhe v. 12.3.1999 – 9 W 69/97, RIW 1999, 538 zu II. 3 a. der Gründe; Bajons in FS Schütze, S. 49, 55 f.; Gottwald in FS Schütze, S. 225, 229; Tsikrikas, ZZPInt. 15 (2010), 145, 152. Vgl. SWD(2018) 287 final, S. 67. Vgl. Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, Rz. 292; Karaaslan, S. 11 f.; Kondring, S. 80; Schack, IZVR, Rz. 718. Vgl. auch Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 2. Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 1; COM(2018) 379 final, S. 1: „die nicht ordnungsgemäße Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ist beispielsweise der mit Abstand am häufigsten genannte Grund für die Ablehnung der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen.“; European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, Rz. 35, 134 f.; SWD(2018) 286 final, S. 2; SWD(2018) 287 final, S. 6; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 30 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 14. Aufl. 2022, Rz. 55.68; Hess, NJW 2001, 15, 17: „In der Praxis scheitert die Urteilsfreizügigkeit im Binnenmarkt an der Zustellung“; Klötgen in Kengyel/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht (2007), S. 87, 88: „scheitert die Urteilsfreizügigkeit … regelmäßig an der Zustellung“. Vgl. auch BGH v. 3.8.2011 – XII ZB 187/10, NJW 2011, 3103 Rz. 12. Vgl. MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 7. Vgl. auch GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012: 583 Rz. 62 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48 Ziff. 3.1.2. Vgl. Stadler, IPRax 2001, 514, 515.
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Einleitung
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von Art. 13 HZÜ kann aufgrund des wechselseitigen Vertrauens insbesondere auf eine präventive ordre public-Prüfung verzichtet werden.254 Selbst wenn man ein entsprechendes Filter im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten noch als erforderlich ansieht, wofür u.a. die Tendenzen zur Aushöhlung des Rechtstaats in einzelnen Mitgliedstaaten sprechen, wirken sich die hiermit verbundenen Beschränkungen im Ergebnis aber jedenfalls so selten aus, dass eine nachgelagerte Kontrolle (z.B. Art. 45 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO)255 im Vergleich zu einer präventiven Kontrolle (wie nach Art. 13 HZÜ) prozessökonomischer erscheint.256 Die im Vergleich mit insbesondere dem HZPÜ, aber auch dem HZÜ erfolgte Stärkung des im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr vorgesehenen Adressatenschutzes ihrerseits wird ermöglicht bzw. erleichtert dadurch, dass die Mitgliedstaaten, wie nicht zuletzt in der einheitlich geltenden Grundrechtscharta ersichtlich wird, gemeinsame Überzeugungen teilen. 2. Konkrete Verordnungsziele Die Verordnung ist (wie ihre Vorgänger) ein wichtiges Instrument für die justizielle Zusammenarbeit 51 in Europa.257 Sie setzt den Rahmen für die Übermittlung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken in Zivil- und Handelssachen zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. Erwägungsgrund 4 EU-ZustVO 2020) und verfolgt den Zweck, die Zustellung solcher Schriftstücken im Ausland (weiter) zu verbessern und zu beschleunigen258 und zugleich ein hohes Maß an Sicherheit und Schutz bei der Übermittlung solcher Schriftstücke – unter Wahrung des Schutzes der Rechte der Zustellungsadressaten (s. Rz. 55) sowie des Schutzes der Privatsphäre und der personenbezogenen Daten – sicherzustellen (Erwägungsgrund 3 S. 1 EU-ZustVO 2020). Erklärtes Ziel (insbesondere auch der jüngsten Reform der Zustellungsverordnung) ist, die Effizienz und Schnelligkeit von Gerichtsverfahren durch ihre Vereinfachung und Straffung im Bereich der Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in der Union zu verbessern, und gleichzeitig dazu beizutragen, Verzögerungen und Kosten für natürliche Personen und Unternehmen zu verringern (Erwägungsgrund 3 S. 2 EU-ZustVO 2020).259 Dabei stehen das Ziel, die Zustellung zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu verbilligen, und die Ziele, die Übermittlung sicher zu gestalten und die Rechte des Zustellungsadressaten zu
254 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 12; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 12; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 11; Meyer, IPRax 1997, 401, 404; Schack, IZVR, Rz. 742; Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Einl. Brüssel Ia-VO Rz. 5. 255 Vgl. GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 30 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Cour de cassation v. 14.10.2009 – 08-14.849. 256 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 12 f.; Stadler, IPRax 2001, 514, 515. 257 COM(2018) 379 final, S. 1; SWD(2018) 286 final, S. 2; SWD(2018) 287 final, S. 29; Ratsdok. 9890/2/20 REV 2 ADD 1 (5.11.2020), Ziff. 2. Vgl. auch Mankowski, EuZW 2015, 950, 951: „Bei kaum einem anderen Rechtsakt des europäischen IZVR kann man so wenig an der Förderung des Binnenmarkts zweifeln wie bei der EuZVO, die sich einer wichtigen Voraussetzung für die grenzüberschreitende Durchsetzung von Forderungen annimmt und damit Meilenstein auf dem Weg zu einem Europa der Gläubiger ist.“ 258 KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/48; KOM(2005) 305 endg./2, S. 2, 3; Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 9; SWD(2018) 286 final, S. 3; SWD(2018) 287 final, S. 29; BT-Drucks. 20/1110, 1, 19; EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 37 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 30 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 Rz. 40 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 2, 19 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Brenn, Einf. EZV I. 3.; Brenn, Europäischer Zivilprozess (2005) Rz. 260; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 3; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 6; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/2; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 31; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239; Stadler, IPRax 2001, 514, 515; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 1, Art. 1 EuZVO Rz. 1; Sujecki, EuZW 2021, 286. 259 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 2, 7; SWD(2018) 287 final, S. 29; Sujecki, EuZW 2021, 286.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung schützen, in einem Spannungsverhältnis.260 Es müssen durch die Verordnung (s. auch Rz. 40) die Interessen desjenigen, in dessen Interessen eine Zustellung erfolgen soll (Antragsteller, insbesondere Justizgewährungsanspruch des Klägers),261 mit den Interessen des Zustellungsadressaten (insbesondere Anspruch auf faires Verfahren und rechtliches Gehör) ausgeglichen werden.262 Zugleich sind Souveränitätsvorbehalte und das Allgemeininteresse an einer schonenden Inanspruchnahme staatlicher Ressourcen zu berücksichtigen.263 52
Zur Zielerreichung widmet sich die Verordnung wie ihre Vorgänger und auch HZÜ sowie HZPÜ zunächst der Erleichterung und Vereinheitlichung der im Verhältnis der Mitgliedstaaten zum Zwecke der grenzüberschreitenden Zustellung gewährten Rechtshilfe (zum gedanklichen Hintergrund s. Rz. 5).264 Im Anschluss an das HZÜ erfolgt die Rechtshilfegewährung anders als noch unter dem HZPÜ im Regelfall nicht mehr auf diplomatischem265 oder konsularischem Weg, sondern durch direkte Kommunikation zwischen hierzu in Ursprungs- und Empfangsstaat bestimmten Stellen (s. Rz. 6, 9).266 Abweichend vom Regelungsansatz des HZÜ legt die Verordnung diesbezüglich Wert darauf, dass die Kommunikation zwischen Ursprungs- und Empfangsstaat im Grundsatz dezentralisiert, d.h. nicht unter Einschaltung von zentralen Vermittlungsstellen, sondern nach Möglichkeit direkt zwischen der im Ursprungsmitgliedstaat für die Einleitung eines Zustellungsverfahrens zuständigen Stelle und der im Empfangsmitgliedstaat für die Einleitung eines Zustellungsverfahrens zuständigen (eine Zustellung ausführenden oder beauftragenden) Stelle erfolgt (vgl. bereits Art. 1 Abs. 4 HZPÜ);267 die Ausschaltung von Vermittlungsstellen soll die Erledigung grenzüberschreitender Zustellungen beschleunigen (s. Rz. 9 f., Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff.). Der Beschleunigung dient dabei schließlich auch, dass die Verordnung im Unterschied zu ihren Vorgängern im Verhältnis von Übermittlungs- zu Empfangsstelle eine elektronische Kommunikation nicht nur zulässt (vgl. Art. 4 Abs. 2 EG-ZustVO 2007, vgl. § 45 S. 3 ZRHO, s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 3), sondern (nach Ablauf einer Übergangsfrist, s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) ausdrücklich als im Grundsatz obligatorisch vorsieht, um die mit einer papiergebundenen Kommunikation verbunden Verzögerungen zu vermeiden (vgl. Erwägungsgrund 10 EU-ZustVO 2020; s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 1, 11 ff.).268 260 Zum Annahmeverweigerungsrecht vgl. z.B. Stadler, IPRax 2001, 514, 521; s. zudem die Rechtsprechungsnachweise bei Rz. 40. 261 Vgl. Springer, S. 20 f. 262 Vgl. Hausmann, EuLF 2007 II, 1; Paal, BauR 2008, 228, 236; Springer, S. 21. Allgemein auch Rohe in FS Vollkommer, S. 291, 292 f. 263 Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 2, 15; Hausmann, EuLF 2007 II, 1. Nicht ganz treffend erscheint die Beschreibung des Interessengeflechts als „magisches Dreieck“ (so Stadler, IPRax 2001, 514, 515 und im Anschluss hieran Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 7), weil die Souveränitätsvorbehalte im Konkreten auf die Interessen des Zustellungsadressaten ausgerichtet sind (so auch Stadler, IPRax 2001, 514, 516; dagegen aber Karaaslan, S. 11 unter Berufung auf BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, 373 f., wo freilich nur die abstrakte Ausrichtung auf der Ebene des Völkerrechts behandelt wird) und die Schonung staatlicher Ressourcen aufgrund des Justizgewährungsanspruchs ein untergeordnetes Interesse betrifft. Von einem bloßen Spannungsverhältnis anstatt von einem „Dreieck“ spricht, was vorzugswürdig erscheint, Hess, NJW 2001, 15, hieran anknüpfend GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 20 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 47, 68 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd; ebenso Fahrbach/Schiener, IWRZ 2016, 158; Hess, EuZPR, Rz. 8.3; Sujecki, ZEuP 2007, 358; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 3. Vgl. zudem Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 180, der als dreifache Leitvorgabe Rechtssicherheit, Rechtsschutzgewährung und Gehörsgewährung, nicht aber Souveränitätsinteressen benennt. 264 Vgl. EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 30 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a. 265 Zur Maßgeblichkeit dieses Wegs im vertragslosen Rechtshilfeverkehr vgl. GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 26 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Pfennig, S. 59 f. Zur Maßgeblichkeit dieses Wegs im Rahmen des Haager Abkommens zur Regelung von Fragen des internationalen Privatrechts vom 14.11.1896 vgl. Heidecker, ZZP 23 (1897), 164, 166. 266 Vgl. GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 28 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 267 Vgl. Brenn, Einf. EZV I. 3. 268 COM(2018) 379 final, S. 7; SWD(2018) 286 final, S. 2, 3, 4; BT-Drucks. 20/1110, 1.
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Einleitung
Einl. EU-ZustVO 2020
Daneben sieht die Verordnung im Interesse der Erleichterung grenzüberschreitender Zustellungen als 53 Alternative zum die Souveränitätsschranke ausgleichenden Rechtshilfeverfahren (Empfangsmitgliedstaat als „Erfüllungsgehilfe“) vor, die Souveränitätsschranke im Empfangsmitgliedstaat zu senken und in bestimmtem Umfang direkte Zustellungen zuzulassen.269 Hierdurch lässt sich der Zeitverlust, welcher mit der Einschaltung von Rechtshilfestellen verbunden ist, reduzieren.270 Im Unterschied zu HZPÜ und HZÜ erlaubt die Verordnung im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten kein generelles Opt-out bei Direktzustellungen. Vielmehr schafft sie hierfür teilweise sogar Einheitsrecht (Harmonisierung der Postdirektzustellung, s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 f.). Über das HZÜ und ihre beiden Vorgänger hinaus sieht die Verordnung (neben der Zustellung durch diplomatische Vertreter und konsularische Bedienstete) als Art der Direktzustellung zudem nicht mehr nur die Postdirektzustellung, sondern auch die Möglichkeit zur elektronischen Direktzustellung vor, welche gegenüber der Postzustellung nochmals einen beträchtlichen Geschwindigkeitsvorteil verspricht (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Anders als die Postdirektzustellung ist die elektronische Direktzustellung allerdings nicht unbeschränkt, sondern vom Ursprungsmitgliedstaat zwingend nur entsprechend dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung zu eröffnen und vom Empfangsmitgliedstaat nur bei Beachtung bestimmter verordnungsautonomer Mindestbedingungen und punktuell zugelassener nationaler Zusatzbedingungen zu dulden (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 ff.). Ergänzend zur Erleichterung grenzüberschreitender Zustellungen im Wege der Rechtshilfe (vergleich- 54 bar der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung nach Exequatur) oder der Direktzustellung (vergleichbar der automatischen Entscheidungsanerkennung) bekräftigt die Verordnung im Anschluss an das HZÜ, dass (in gewissen Grenzen) auch die Möglichkeit zur unmittelbaren Zustellung (vergleichbar der Klage im ausländischen Vollstreckungsstaat) besteht, d.h. eine an einem Prozess beteiligte Person eine zuständige Stelle im Empfangsmitgliedstaat unmittelbar mit der Zustellung beauftragen kann (s. Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 1).271 Indem die Verordnung die Möglichkeit zur unmittelbaren Zustellung bekräftigt, vermeidet sie nicht nur einen nicht erwünschten Umkehrschluss und schließt Diskriminierungen grenzüberschreitender Sachverhalte aus, sondern schafft überdies die Voraussetzung dafür, dass die von der Verordnung im Interesse des Zustellungsadressaten vorgesehenen Schutzinstrumente (s. Rz. 55) auch als auf den Fall der unmittelbaren Zustellung anwendbar erklärt werden können (s. Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 24 f.). Die Verordnung verfolgt anders als die Regelungen des HZPÜ nicht einseitig das Ziel, Zustellungen zu erleichtern und zu beschleunigen, sondern schenkt ähnlich wie das HZÜ auch dem gegenläufigen Interesse Beachtung, Zustellungsadressaten vor den besonderen Gefahren angemessen zu schützen, die mit Zustellungen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr verbunden sind (s. Rz. 6, 20, 40, 51).272 Dies dient in letzter Konsequenz aber nicht nur den Zustellungsadressaten, sondern auch den Interessen des Antragstellers, weil für ihn namentlich die Gefahr der Enttäuschung273 gemindert wird, die sich einstellt, wenn aufgrund einer Verletzung von Verteidigungsrechten einem erlangten
269 Vgl. GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 21 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 270 Vgl. GA Tizzano, Schlussanträge v. 17.11.2005 – C-473/04, ECLI:EU:C:2005:698 Rz. 26 – Plumex/Young Sports NV: Rechtshilfe nicht der schnellste Weg; ebenso Schack, IZVR, Rz. 727. 271 COM(2018) 379 final, S. 7. 272 Nassauer, A4-0101/97, B. 6.; COM(2018) 379 final, S. 3, 9; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017: 157 Rz. 51 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C: 2012:824 Rz. 36 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 46 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 32; Würdinger, IPRax 2013, 61 („legislativer Eckstein“). 273 European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, Rz. 156; Heiderhoff, IPRax 2013, 309: „trapping of the claimant who, trusting in the decision of the court of origin, is then surprised by the differing measures of the recognising state“.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung Titel die grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung versagt bleibt.274 Vor diesem Hintergrund nimmt die Verordnung insbesondere das für den Zustellungsadressaten im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr bestehende Risiko des Empfangs fremdsprachiger Erklärungen in den Blick.275 Sie trägt diesem, um unnötige Übersetzungskosten zu vermeiden, abweichend von HZPÜ und HZÜ nicht durch eine (aus Sicht des Zustellungsadressaten) unbedingte Übersetzungsobliegenheit des Antragstellers, sondern durch ein dem Zustellungsadressaten gewährtes Annahmeverweigerungsrecht (bedingte Übersetzungsobliegenheit des Antragstellers) Rechnung (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 ff.).276 Diese Ausgestaltung ermöglicht, unter Einbeziehung des Zustellungsadressaten zu klären, ob tatsächlich ein Übersetzungsbedarf besteht. Außerdem nimmt die Verordnung in Art. 22 EU-ZustVO 2020 ausführlich die im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr bestehende Gefahr in den Blick, dass im Formmitgliedstaat eine (Versäumnis-) Entscheidung ergeht, bevor/ohne dass der Beklagte Kenntnis von einer Klage erlangt hat und seine Verteidigung angemessen vorbereiten konnte.277 Dazu sieht Art. 22 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 präventiv als Grundsatz vor, dass eine Entscheidung trotz Nichteinlassung erst ergehen kann, wenn die rechtzeitige Zustellung vom erkennenden Gericht festgestellt wurde (s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 36 ff.), bzw. hiervon unabhängig nur ausnahmsweise bei Nachweis ausreichender Zustellungsbemühungen des Antragstellers ergehen darf (s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 67 ff.). Insbesondere für den zuletzt benannten Ausnahmefall wird für den Beklagten zudem verordnungsautonom eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit eröffnet, welche kurativ einen adäquaten Rechtsschutz eröffnen soll (s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 80 ff.).278 Vor allem aber ist die Verordnung, anders als nach h.A. das HZPÜ und das HZÜ,279 ein obligatorisches Instrument (s. Rz. 56, Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 3) und schließt aus, dass trotz bekannter Zustelladresse anstatt einer (effektiven) Zustellung im Ausland eine (fiktive) Zustellung im Inland erfolgt (Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020),280 und sichert hierdurch den vorstehend beschriebenen sowie den weitergehend in der Verordnung angelegten Schutz des Zustellungsadressaten dagegen ab, unterlaufen zu werden.
VI. Inhalt des Rechtsakts 1. Geregeltes 56
Die Verordnung setzt den Rahmen für die grenzüberschreitende Zustellung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken in Zivil- und Handelssachen zwischen den Mitgliedstaaten (Erwägungsgrund 4 EU-ZustVO 2020). Ihr kommt in ihrem Anwendungsbereich Anwendungsvorrang (s. Rz. 27 f.) gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten zu. Im Verhältnis zu (fiktiven) Inlandszustellungen und zu Zustellungen in Drittstaaten (s. Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 6) gilt sie bei entsprechender Eröffnung ihres Anwendungsbereichs zwingend (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 f.).281 Für
274 Vgl. SWD(2018) 287 final, S. 23; Stadler, IPRax 2001, 514, 518, vgl. auch Stadler, IPRax 2001, 514, 515: beiderseitiges Interesse an Rechtssicherheit. – Zur Vermeidung einer faktischen Rechtsschutzverweigerung vgl. OGH v. 29.1.2002 – 1Ob10/02f: Nichtigkeitsklage des Klägers zur Wiedereröffnung des rechtskräftig abgeschlossenen Prozesses. 275 Vgl. EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 37 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski, IPRax 2013, 157. 276 Vgl. Brenn, Einf. EZV I. 3. 277 Vgl. EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 33 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 33 – Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s r.o.; EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 37 – Krystyna Alder, Ewald Alder/ Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. 278 Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 23 – Emmanuel Lebek. 279 Geimer, S. 37 f.; Knöfel, RIW 2021, 473, 475. 280 EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 39 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski, IPRax 2013, 157; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012: 583 Rz. 28 ff. – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu I. 4. der Gründe. 281 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 71.
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Einleitung
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(obligatorische wie fakultative) grenzüberschreitende Zustellungen gilt sie im Grundsatz exklusiv, d.h. schließt sie im Ausgangspunkt einen Rückgriff auf andere Übermittlungs- und Zustellungswege aus.282 Inhaltlich verfolgt die Verordnung allerdings einen nur beschränkten Regelungsansatz,283 welcher die Regelung bestimmter Fragen durch andere Rechtsakte, insbesondere auch durch solche des nationalen Rechts, nicht ausschließt, sondern gerade voraussetzt und auf die Regelung durch andere Rechtsakte, insbesondere auch des nationalen Rechts, verweist. Zu kurz greift bzw. zu undifferenziert ist aber die insbesondere zu den beiden Vorgängerverordnungen verbreitete Annahme,284 im Kern würde wie vom HZÜ lediglich der Vorgang der eigentlichen Übermittlung eines zuzustellenden Schriftstücks von einem in einen anderen Mitgliedstaat geregelt (s. Rz. 61). Daher ist davor zu warnen, aus einem entsprechenden pauschalen Vorverständnis Rechtsfolgen abzuleiten.285 In ihrem Kapitel I regelt die Verordnung zunächst die Eröffnung ihres Anwendungsbereichs und in- 57 soweit wie die Vorgängerverordnung, wann eine erforderliche Zustellung (s. Rz. 60) obligatorisch als grenzüberschreitende Zustellung auszuführen ist (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 3) und wann eine entsprechende Ausführung (fakultativ) möglich ist (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 4). Daneben enthält Kapitel I administrative Vorschriften betreffend die Übermittlung zuzustellender Schriftstücke im Rechtshilfeverkehr von den Stellen eines Mitgliedstaats an die Stellen eines anderen Mitgliedstaats (Art. 3–5, 7 EU-ZustVO 2020).286 Dazu ergänzend enthält es ein im Zusammenhang mit der Digitalisierung der Kommunikation zwischen den Stellen der Mitgliedstaaten stehendes Verbot der Diskriminierung von elektronischen Speicherungen in Ansehung von Rechts- und Beweiswirkungen (Art. 6 EU-ZustVO 2020). In ihrem Kern (Kapitel II) schafft die Verordnung ein (exklusives) System zur grenzüberschreitenden Zustellung von gerichtlichen und außergerichtlichen (vgl. Kapitel III bzw. Art. 21 EU-ZustVO 2020) Schriftstücken aus einem (Ursprungs-)Mitgliedstaat in einem anderen (Empfangs-)Mitgliedstaat. Dabei verfolgt sie zwei verschiedene Ansätze.287 Der erste geht dahin, als Ausgleich zum aufrechterhaltenen Souveränitätsanspruch des Empfangsmitgliedstaats Wege zu etablieren, auf denen zuzustellende Schriftstücke in den Empfangsmitgliedstaat übermittelt werden können, und den Empfangsmitgliedstaat zu verpflichten, Rechtshilfe zu leisten und auf diesen Wegen übermittelte Schriftstücke zuzustellen bzw. zustellen zu lassen (Abschnitt 1: Kommunikation zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen; Art. 16 EU-ZustVO 2020: Übermittlung auf diplomatischem oder konsularischem Weg). Insoweit regelt die Verordnung neben der Inpflichtnahme des Empfangsmitgliedstaats (Empfangsmitgliedstaat als „Erfüllungsgehilfe“) im Kern lediglich die grenzüberschreitende Übermittlung an die zuständigen Stellen des Empfangsmitgliedstaats (s. Rz. 56), welche erst ihrerseits das eigentliche Zustellungsverfahren nach dem für sie geltenden Recht einleiten. Als Alternative dazu zielt der zweite
282 Abw. Begrifflichkeiten bei Knöfel RIW 2021, 473, 475, der den obligatorischen Charakter des Instruments (Verhältnis zu Inlandszustellungen) und die Exklusivität der Übermittelungs- und Zustellungswege (Verhältnis zum nationalen Recht über Auslandszustellungen) zugleich unter den Begriff der Exklusivität zu fassen scheint. 283 GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 95 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 20; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/3; Rauscher, JZ 2006, 251. Vgl. auch BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 16; OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu Ziff. 4.1 der Gründe. 284 So z.B. BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 16; OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu Ziff. 4.1 der Gründe; OLG Innsbruck v. 10.10.2018 – 25Rs49/18v zu 4. der Gründe; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 20; Hess, EuZPR, Rz. 8.11; Hüßtege in Thomas/Putzo (43. Aufl. 2022), Anh. II § 1071 ZPO Rz. 2 a.E.; Knöfel, RIW 2021, 473; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/3; Paal, BauR 2008, 228, 237; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 13 EuZuStVO Rz. 2; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Einl. EuZVO Rz. 8; Peer, ÖJZ 2012, 5; Schack, IZVR, Rz. 741. So aber auch COM(2018) 379 final, S. 5. 285 So aber z.B. OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu Ziff. 4.1 der Gründe; OLG Innsbruck v. 10.10.2018 – 25Rs49/18v zu 4. der Gründe. 286 Vgl. Stadler, IPRax 2001, 514, 516. 287 Vgl. auch GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 21 – Götz Leffler/ Berlin Chemie AG; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 1 EuZVO Rz. 28. Vgl. allgemein zu aktiver und passiver Zustellungshilfe Geimer, S. 21 ff.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung Ansatz darauf, den Souveränitätsanspruch des Empfangsmitgliedstaats (ausschnittweise) zurückzunehmen und dadurch den zustellungsberechtigten Stellen des Ursprungsmitgliedstaats bzw. dessen Übermittlungsstellen in weiterem Umfang die Wahrnehmung von Hoheitsrechten zu ermöglichen. Dazu werden verschiedene Wege eröffnet, auf denen direkt in einem anderen (Empfangs-)Mitgliedstaat zugestellt werden kann (Art. 17–19 EU-ZustVO 2020). Im Zusammenhang damit gestaltet die Verordnung mit unterschiedlicher Intensität auch die Ausführung der Zustellung aus – sie beschränkt sich insoweit gerade nicht auf die Regelung der Übermittlung. Ebenfalls dem zweiten Ansatz folgend eröffnet Art. 20 EU-ZustVO 2020 für an einem Gerichtsverfahren Beteiligte die Möglichkeit zur unmittelbaren Zustellung durch Beauftragung ausländischer Stellen im Empfangsmitgliedstaat. In diesem Zusammenhang regelt die Verordnung wiederum nicht die Ausführung der Zustellung, sondern beschränkt sich im Kern auf die Eröffnung eines weiteren Übermittlungswegs neben dem Rechtshilfeverkehr. 59
Die Verordnung macht punktuell auch unterschiedslos für alle vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege Vorgaben zur Ausführung einer grenzüberschreitenden Zustellung. Dies betrifft die Sprachregelung in Art. 12 EU-ZustVO 2020 (s. Rz. 61). Darüber hinaus enthält die Verordnung im Grundsatz ebenfalls ohne Rücksicht auf den genutzten Übermittlungs- oder Zustellungsweg Regelungen betreffend die Zustellungswirkungen. Dies betrifft zunächst die (harmonisierte) Kollisionsregel zur Bestimmung des das Zustellungsdatum klärenden Rechts (Art. 13 EU-ZustVO 2020). Darüber hinaus betrifft dies die wie die Sprachregelung dem spezifischen Schutz des Zustellungsadressaten (Beklagten) vor den Gefahren einer importierten Zustellung dienende Regelung zur Verfahrensweise bei Nichteinlassung des Beklagten (Art. 22 EU-ZustVO 2020). 2. Ungeregeltes a) Zustellungslast
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Die Verordnung regelt zwar autonom, wann eine Zustellung als grenzüberschreitende Zustellung ausgeführt werden muss oder darf (s. Rz. 56, 57). Durch sie wird dagegen nicht geregelt, inwieweit eine Zustellung überhaupt erforderlich ist, d.h. ob und an wen ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück (zur Bewirkung einer Rechtsfolge) zugestellt werden muss oder kann.288 Vielmehr setzt die Verordnung eine bestehende Zustellungslast voraus (vgl. Erwägungsgrund 6 EU-ZustVO 2020 a.E.). Inwieweit eine Zustellungslast besteht, richtet sich nach dem anwendbaren (nationalen oder unionalen) Verfahrensrecht bzw. dem anwendbaren (nationalen oder unionalen) Sachrecht.289 Dementsprechend ist nicht der Verordnung, sondern den vorgenannten Rechtsquellen auch zu entnehmen, inwieweit die Zustellung bei Handlungs-, Geschäfts- bzw. Prozessunfähigkeit durch eine Zustellung an eine andere Person (und welche) ersetzt werden kann oder muss.290 Erst aufbauend darauf, dass ausgehend von den genannten Rechtsquellen eine Zustellung an einen bestimmten Empfänger erfolgen muss bzw. soll, bestimmt dann die Verordnung, inwieweit die entsprechende Zustellung grenzüberschreitend auszuführen ist (s. Rz. 56) und welche Übermittlungs- und Zustellungswege in diesem Fall genutzt werden müssen bzw. können (s. Rz. 56). Selbst in Bezug auf eine in ihrem nationalen Recht begründete Zustellungslast ist den Mitgliedstaaten verwehrt, anstelle einer nach Maßgabe von Art. 1 EU-ZustVO 2020 zwingend in einem anderen Mitgliedstaat (im Ausland) vorzunehmenden Zustellung eine (fiktive) Inlandszustellung vorzusehen bzw. zu akzeptieren oder für eine (obligatorische oder fakultative) Auslandszustellung in einem anderen Mitgliedstaat nicht von der Verordnung (oder einem mit dieser vereinbaren Übereinkommen) vorgesehene Wege zu eröffnen oder zu
288 OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu Ziff. 4.1 der Gründe; OGH v. 1.3.2012 – 1Ob218/11g zu I. 4. der Gründe; OLG Karlsruhe v. 24.6.2010 – 9 U 151/09, BeckRS 2011, 4793 zu II. A. 2. a) der Gründe; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 21; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/3; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Einl. EuZVO Rz. 8; Gebauer/ Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 6, 21. 289 Vgl. OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu Ziff. 4.1 der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 69; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 21. 290 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 69; Hess, NJW 2001, 15, 22; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3.
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Einleitung
Einl. EU-ZustVO 2020
akzeptieren. Ebenso wenig wie die Verordnung bestimmt, welche Schriftstücke zustellungsbedürftig sind (Ob der Zustellung), trifft sie eine Aussage dazu, in welcher Form (Original, Ausfertigung, beglaubigte Abschrift oder Kopie) ein Schriftstück (bei der eine Zustellung veranlassenden Stelle eingehen bzw.) dem Adressaten zugehen muss, um bestimmte Rechtsfolgen zu bewirken.291 Auch dies richtet sich nach dem (nationalen oder unionalen) Recht, aus dem sich eine Zustellungslast ergibt, bzw. welches durch dieses berufen wird.292 b) Ausführung der Zustellung Verbreitet ist die Aussage, dass die Verordnung nur den Vorgang der grenzüberschreitenden Über- 61 mittlung des zustellenden Schriftstücks, nicht dagegen die eigentliche Ausführung der Zustellung regelt (s. oben Rz. 56). Dies gelte für die Bestimmung der hierfür zuständigen Stelle (z.B. Gerichtsvollzieher), des Empfängers (z.B. gesetzlicher Vertreter) oder eines Ersatzempfängers (z.B. erwachsener Mitbewohner), des Zustellungsorts (z.B. Wohnung, Geschäftslokal), die Form der Information des Empfängers (z.B. Verwendung besonderer Umschläge, mündliche Belehrung über Bedeutung) und damit letztlich auch den Zeitpunkt des Eintritts der Zustellungswirkungen.293 Diese Sichtweise erscheint in mehrfacher Hinsicht zu undifferenziert. Einerseits ist richtig, dass die Verordnung in Art. 11 EU-ZustVO 2020 für die Ausführung einer auf dem Rechtshilfeweg vermittelten Zustellung auf andere Quellen (Recht des Empfangsmitgliedstaats, Vorgaben der Übermittlungsstelle) verweist. Ebenso ist richtig, dass Art. 17, 19 EU-ZustVO 2020 für die Ausführung einer Direktzustellung durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete ebenso wie für die elektronische Direktzustellung eine Regelung durch das Recht des Ursprungsmitgliedstaats voraussetzen. Hinsichtlich des Zustellungszeitpunkts erfolgt im Grundsatz zwar auch keine autonome Ausgestaltung, weil sie ohne autonome Regelung der Zustellungsformen kaum denkbar ist. Immerhin enthält die Verordnung insoweit aber eine autonome Kollisionsregel (s. auch Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 2). Andererseits beschränkt die Verordnung in ihrem Anwendungsbereich den Antragsteller auf die von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege (s. Rz. 57, 60), was Auswirkungen haben kann auf den Empfänger (z.B. Staatsanwalt, Kurator) und den Zustellungsort (z.B. Gerichtsakte oder -tafel). Die Anwendbarkeit der Verordnung folgt nämlich nicht der Lage eines durch das nationale Recht vorgegebenen Zustellungsorts, sondern es bestimmt sich der maßgebliche Zustellungsort anknüpfend an die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung und die Beschränkung auf die von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege. Auch gestaltet die Verordnung die Ausführung der Zustellung ohne Rücksicht auf den genutzten Übermittlungs- bzw. Zustellungsweg in Art. 12 EU-ZustVO 2020 punktuell selbst aus (z.B. Belehrungspflicht, Annahmeverweigerungsrecht).294 Für Direktzustellungen per Postdienst und in elektronischer Form macht die Verordnung (teilweise) weitere Vorgaben für die Ausführung der Zustellung. In Art. 18 EU-ZustVO 2020 i.V.m. der in Erwägungsgrund 30 EU-ZustVO 2020 erwähnten Rechtsprechung des EuGH zur Ersatzzustellung ist die Ausführung einer Postdirektzustellung verordnungsautonom geregelt (harmonisiert, s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 f.). Betreffend die elektronische Zustellung erfolgt durch Art. 19 EU-ZustVO 2020 zwar keine vergleichbare Harmonisierung. Es werden aber unionseinheitliche Mindestanforderungen aufgestellt, von deren Beachtung die Wirksamkeit einer elektronischen Zustellung abhängig sein soll (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 18, 22 ff.).
291 Vgl. LG Frankenthal v. 19.2.2020 – 3 O 186/19, BeckRS 2020, 19610 Rz. 22; LG Leipzig v. 8.10.2020 – 7 O 138/20, BeckRS 2020, 49290 Rz. 15. 292 Vgl. Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 7 EuZVO Rz. 5. 293 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 16; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 21; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3 ff. 294 Vgl. EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 36 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 7 EuZVO Rz. 1.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung c) Heilung von Zustellungsmängeln 62
Die Verordnung enthält, was vielfach beklagt wird, keine allgemeine Regelung zur Heilung von Zustellungsmängeln.295 Zwar hat diese Frage für einen zuvor stark umstrittenen Bereich296 bereits seit geraumer Zeit seine Brisanz verloren, weil der Versagungsgrund in Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO nicht an das Fehlen einer formell ordnungsgemäßen Zustellung,297 sondern an das Fehlen einer rechtzeitigen und die Verteidigung ermöglichenden Zustellung anknüpft (ebenso z.B. Art. 24 Unterabs. 1 lit. b EG-UntVO, Art. 38 lit. b, 39 Abs. 1 lit. b Brüssel IIb-VO).298 Gleichwohl bleibt die Frage der Heilung von Zustellungsmängeln von hoher praktischer Bedeutung, weil Rechtsfolgen in zahlreichen Zusammenhängen an das Bewirken einer ordnungsgemäßen Zustellung oder (zusätzlich) an die Beachtung bestimmter Mindestanforderungen gebunden werden (Letzteres gilt nicht zuletzt auch für Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO, der an das autonom auszulegende299 Erfordernis anknüpft „in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte“).
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Dass die Verordnung keine allgemeine Heilungsvorschrift enthält, ist ihrer Entwicklung aus dem HZÜ nebst ihrer Fokussierung auf den Rechtshilfeverkehr geschuldet. Ausgehend von der Vorstellung, dass Zustellungen Hoheitsakte sind (s. Rz. 5, 67), können sie von den Stellen des Ursprungsmitgliedstaats auf fremdem Hoheitsgebiet mangels einer ausreichenden Kompetenz nicht wirksam vorgenommen werden. Dadurch, dass ein Empfänger erfolgreich von einem zuzustellenden Schriftstück informiert wird, gerät dieser Kompetenzmangel nicht in Wegfall. Der hiergegen vorgebrachte Einwand, dass sich die Heilung im Unterschied zur Zustellung im Inland vollzieht,300 verfängt nicht. Er ist rein formal und stellt die Reichweite der Souveränität des Empfangsmitgliedstaats faktisch zur Disposition des Ursprungsmitgliedstaats.301 Da die Herbeiführung des mit einer Zustellung angestrebten Erfolgs (Information des Empfängers) den Kompetenzmangel nicht ausräumen kann und gerade nicht faktisch schrankenlos Direktzustellungen ermöglicht werden sollen, wurde keine Heilungsvorschrift für den Fall vorgesehen, dass eine Zustellung durch eine Stelle des Ursprungsmitgliedstaats auf einem von der Verordnung nicht vorgesehenen Weg bewirkt wird. Wird dagegen eine Zustellung durch Stellen des Empfangsmitgliedstaats bewirkt, erscheint eine Heilungsregelung glei295 Vgl. Brand, NJW 2004, 1138; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 14. Aufl. 2022, Rz. 55.74; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 27; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 58; Gottwald in FS Schütze, S. 225, 234; Falmbigl, zak 2013, 270, 273; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 21; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 38; Richter, IPRax 2022, 433, 439; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240 f.; Schlosser/Hess/Schlosser, Vor Art. 12 EuZVO Rz. 1; Stadler, IPRax 2001, 514, 520 f. 296 Vgl. dazu z.B. Brand/Reichhelm, IPRax 2001, 173, 175 f.; Rauscher, IPRax 1991, 155. 297 Anders zuvor Art. 27 Nr. 2 BrüsselÜbk., vgl. EuGH v. 3.7.1990 – C-305/88, ECLI:EU:C:1990:275 Rz. 15 ff. – Isabelle Lancray SA/Peters und Sickert KG, IPRax 1991, 177. 298 Vgl. EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 67 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; Bach, IPRax 2011, 241, 242, 243 f.; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 21. 299 Bach, IPRax 2011, 241, 242, 243 f. 300 Vgl. Kondring, S. 190 f.: innerstaatliche Folge anknüpfend an ausländischen Sachverhalt. 301 Vgl. auch BGH v. 2.12.1992 – XII ZB 64/91, NJW 1993, 598, 600: „Gegen die Zulassung einer Heilung spricht schließlich, daß ein Verstoß gegen wesentliche Förmlichkeiten des internationalen Rechtsverkehrs sanktionslos bliebe, wenn das zuzustellende Schriftstück den Bekl. nur auf irgendeine Weise erreichte. Dies liefe dem erstrebenswerten Ziel einer einheitlichen Anwendung des Abkommens in den Vertragsstaaten zuwider.“; BGH v. 24.2.1972 – II ZR 7/71, NJW 1972, 1004, 1005: „Die Rechtsordnung des betreffenden Staates bliebe mithin unbeachtet, wenn der formlose Zugang der Klageschrift an eine dort ansässige Partei zur Begründung eines dem deutschen Zivilprozeßrecht unterliegenden Prozeßrechtsverhältnisses genügen würde.“ Vgl. in anderem Kontext auch EuGH v. 16.2.2006 – C-3/05, ECLI:EU:C:2006:113 Rz. 36 – J.M. Van der Hoeven BV u.a., Pubblico Ministero: „Zweitens ist zu berücksichtigen, dass das Zustellungserfordernis bedeutungslos zu werden drohte, wenn es allein auf die Kenntnis des Vollstreckungsschuldners von der Entscheidung über die Zulassung der Zwangsvollstreckung ankäme. Die Antragsteller wären dann nämlich versucht, die für eine ordnungsgemäße Zustellung vorgesehenen Bahnen zu verlassen …“; GA Kokott, Schlussanträge v. 24.11.2005 – C-3/05, ECLI:EU:C:2005:722 Rz. 57 – Gaetano Verdoliva/J. M. Van der Hoeven BV u.a.: „Eine Auslegung, die die Kenntnisnahme der Zustellung gleichstellte, wäre zudem geeignet, das Zustellungserfordernis völlig auszuhöhlen. Käme es nämlich nur auf die Kenntnis an, so wäre der Vollstreckungsgläubiger versucht, die für eine förmliche Zustellung vorgesehenen Bahnen zu verlassen.“
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Einleitung
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chermaßen entbehrlich. Denn die den Stellen des Empfangsmitgliedstaats zukommende Kompetenz bestimmt sich nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats, welches keine Rücksicht darauf nehmen muss, ob ordnungsgemäß der von der Verordnung vorgesehene Übermittlungsweg genutzt wurde (s. auch Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 23).302 Ebenso richtet sich nach dem für die Stellen des Empfangsmitgliedstaats geltenden Recht, unter welchen Voraussetzungen Zustellungswirkungen ausgelöst werden. Dies umfasst jeweils auch nach dem anwendbaren Recht vorgesehene Heilungsvorschriften. Denn nur unter Berücksichtigung von Heilungsvorschriften lässt sich bestimmen, von welchen Voraussetzungen der Eintritt von Zustellungswirkungen abhängig ist – Heilungsvorschriften sind integraler Bestandteil von Zustellungsvorschriften.303 Ergänzend zur Anwendung der für die Stellen des Empfangsmitgliedstaats geltenden Heilungsvorschriften eine verordnungsautonome Heilungsvorschrift vorzusehen, widerspräche dagegen tendenziell dem in Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 verfolgten Ansatz, den Zustellungsadressaten dadurch zu schützen, dass die Zustellung nach seinem ihm bekannten Heimatrecht ausgeführt wird.304 Infolge der Orientierung der Verordnung am HZÜ wurde allerdings übersehen, dass die Verordnung deutlich weiter als jenes Direktzustellungen zulässt, welche durch Stellen des Ursprungsmitgliedstaats ausgeführt werden. Soweit sich die Ausführung einer Direktzustellung nicht nach dem Recht des Ursprungs- oder des Empfangsmitgliedstaats richtet, sondern verordnungsautonom bestimmt wird, fehlen, wenn man dem Gedanken, dass Heilungsvorschriften integraler Bestandteil des Zustellungsrechts sind, folgt, Anordnungen zur Heilung von Zustellungsmängeln. Ob und inwieweit jeweils eine Heilung in Betracht kommt, bestimmt sich in Ermangelung einer all- 64 gemeinen Heilungsvorschrift in der Verordnung nach dem Recht, welches den Rechtsfolgen auslösenden Zustellungstatbestand regelt, weil Heilungsvorschriften Ergänzungen zum Zustellungstatbestand sind.305 Im Ausgangspunkt ist der Zustellungstatbestand dem Recht zu entnehmen, welches für den Eintritt einer Rechtsfolge eine Zustellungslast begründet bzw. welches den Eintritt einer bestimmten Rechtsfolge von der Einhaltung von Mindestbedingungen abhängig macht.306 In den Mitgliedstaaten umfasst dieses Recht auch die Verordnung, welche in ihrem Anwendungsbereich exklusiv den Zustellungstatbestand regelt. Freilich enthält die Verordnung zum Zustellungstatbestand nicht durchgängig eine umfassende autonome Regelung, sondern verweist umfangreich auf das Recht des Empfangs- bzw. des Ursprungsmitgliedstaats. Dieser Verweis umfasst jeweils auch die Heilungsvorschriften des berufenen Rechts,307 allerdings beschränkt auf die von dem jeweiligen Recht formulierten Anforderungen.308 Dies bedeutet erstens, dass sich die Heilung von Zustellungsmängeln nur insoweit nach der Verordnung bestimmt (s. auch Rz. 63), wie die Verordnung den Zustellungstatbestand (mit)bestimmt (z.B. Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO 2020). Umgekehrt bedeutet dies, dass eine Heilung ausscheidet, soweit die Verordnung den (vom lediglich die Beziehung zwischen den Stellen der Mitgliedstaaten betreffenden Vorgang der bloßen Übermittlung zu unterscheidenden, s. Rz. 58, 96) Zustellungstatbestand bestimmt, ohne (konkludent) einen Heilungstatbestand vorzusehen.309 Ein ergänzender Rückgriff auf nationale Heilungsvorschriften (insbesondere des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats) ist aufgrund des Anwendungsvorrangs der Verordnung nicht möglich, weil ei302 A.A. inzident wohl EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 60 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. 303 Heiderhoff, IPRax 2007, 202, 203; vgl. auch Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 14. Aufl. 2022, Rz. 55.74; Kondring, S. 211, 239. 304 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 30; Heiderhoff, IPRax 2007, 202, 203. 305 Heiderhoff, IPRax 2007, 202, 203; vgl. auch Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 14. Aufl. 2022, Rz. 55.74; Kondring, S. 211, 239. 306 Vgl. EuGH v. 16.2.2006 – C-3/05, ECLI:EU:C:2006:113 Rz. 33 ff. – Verdoliva/Van der Hoeven; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/15 (für gerichtliche Schriftstücke lex fori). – Missverständlich EuGH v. 3.7.1990 – C-305/88, ECLI:EU:C:1990:275 Rz. 26 – Isabelle Lancray SA/Peters und Sickert KG. 307 Vgl. EuGH v. 3.7.1990 – C-305/88, ECLI:EU:C:1990:275 Rz. 29 ff. – Isabelle Lancray SA/Peters und Sickert KG. – Unklar Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/15. 308 Vgl. Hess, NJW 2002, 2417, 2424; Stadler, IPRax 2002, 282, 283. 309 Vgl. zum HZÜ BGH v. 3.4.2019 – XII ZB 311/17, NJW 2019, 2940 Rz. 24; BGH v. 14.9.2011 – XII ZR 168/09, NJW 2011, 3581 Rz. 38; BGH v. 2.12.1992 – XII ZB 64/91, NJW 1993, 598, 600; Schack, IZVR, Rz. 749. – A.A. de Lind van Wijngaarden-Maack, IPRax 2004, 212, 216 f.; Stadler, IPRax 2002, 282, 284; zum HZÜ auch OLG Hamm v. 1.9.1999 – 5 UF 84/99, FamRZ 2000, 898.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung ne Heilung von Defiziten in einem durch die Verordnung gefassten Tatbestand diesen Tatbestand verändert.310 Jede Anwendung nationaler Heilungsvorschriften auf einen von der Verordnung ausgestalteten Zustellungstatbestand ist daher geeignet, die einheitliche Geltung der Verordnung in Frage zu stellen.311 Abweichendes folgt entgegen teilweiser Annahme312 auch nicht aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Götz Leffler/Berlin Chemie AG.313 Soweit der EuGH dort unter Bezugnahme auf den Effektivitätsgrundsatz angenommen hat, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, ihr Recht so auszugestalten, dass eine den Zielen der Verordnung entsprechende Heilung stets erfolgen muss,314 folgt hieraus nichts für (sondern nur gegen) die Heilung von Verstößen gegen die Verordnung.315 Denn die Aussagen des EuGH betrafen keinen Verstoß gegen die von der Verordnung formulierten Anforderungen an eine Zustellung, sondern die Folgen des Gebrauchmachens von einem von der Verordnung im Interesse von Antragsteller und Zustellungsadressat gleichermaßen vorgesehenen Modus (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 ff.). Soweit die Verordnung nicht eine Möglichkeit eröffnet, sondern Bedingungen für die Ordnungsmäßigkeit einer Zustellung vorsieht, gebietet der Effektivitätsgrundsatz in der Tendenz gerade, dass diese Bedingungen nicht durch die Anwendung nationaler Heilungsvorschriften ausgehöhlt werden. Zweitens bedeutet dies, dass sich die Heilung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats richtet, soweit diesem der Zustellungstatbestand zu entnehmen ist (mit Einschränkungen bei Art. 11 Abs. 1 Var. 2 EU-ZustVO 2020, grundsätzlich umfassend bei Art. 17 EU-ZustVO 2020).316 Drittens bedeutet dies, dass sich die Heilung ausschließlich nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats richtet, soweit diesem der Zustellungstatbestand zu entnehmen ist.317 Aufgrund des mit Anwendungsvorrang versehenen Exklusivitätsanspruchs der Verordnung (s. Rz. 56) ist entgegen ganz h.A.318 ausgeschlossen, in diesem Fall (ergänzend) die Heilungsvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats anzuwenden. Denn durch den (ergänzenden) Rückgriff auf die Heilungsvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats würde nicht nur der dem Schutz des Zustellungsadressaten dienende Ansatz des Art. 11 Abs. 1 Var. 1 EU-ZustVO 2020, sondern potentiell ebenso die in Art. 11 Abs. 1 Var. 2 EU-ZustVO 2020 benannte Grenze319 entwertet.
310 Vgl. Eichel, IPRax 2017, 352, 354; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 32, Art. 1 EuZVO Rz. 19; Linke/Hau, IZVR, Rz. 8.49; Geimer/Schütze/Okonska, Vor Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 27 f.; Rauscher, JZ 2006, 251; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 12; Richter, IPRax 2022, 433, 439; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.38 (zur Sprachenregelung). Vgl. auch LG Hamburg v. 25.2.2021 – 327 O 433/19, BeckRS 2021, 6471 Rz. 30. – A.A. OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu I. 10.3 der Gründe; OLG Dresden v. 8.3.2021 – 8 U 2149/20, BeckRS 2021, 18109 Rz. 13; OLG Dresden v. 7.4.2020 – 4 U 2805/19, BeckRS 2020, 7500 Rz. 10; Falmbigl, zak 2013, 270, 273; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 44; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240 f.; Schlosser/Hess/Schlosser, Vor Art. 12 EuZVO Rz. 1; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1068 ZPO Rz. 8. 311 Vgl. EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 44 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. Vgl. auch Schack in FS Geimer, S. 931, 944 f.: Heilung setzt im Rahmen staatsvertraglicher Regelungen eine einheitliche Definition der Zweckerreichung voraus. 312 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 15; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 44. 313 EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 314 EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 49 ff. – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 315 A.A. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 15. 316 Vgl. auch Stürner, JZ 1992, 325, 330 f. 317 Vgl. auch Stürner, JZ 1992, 325, 331. 318 Vgl. OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu I. 3. der Gründe: Recht des Ursprungsmitgliedstaats für gerichtliche Schriftstücke; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 44; Peer in Burgstaller/ Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Einl. EuZVO Rz. 8, Art. 7 EuZVO Rz. 5; Richter, IPRax 2022, 433, 439 f.; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240 f.; Schack, IZVR, Rz. 746 ff. Zum HZÜ auch BGH v. 14.9.2011 – XII ZR 168/09, NJW 2011, 3581 Rz. 24 ff. Vgl. im Zusammenhang mit der Versagung von Anerkennung und Vollstreckung auch Roth in FS Gerhardt, S. 799, 808, 811 ff. (alternative Heilungsmöglichkeit außer bei Verstößen gegen die Vorgaben der Verordnung). 319 Vgl. BGH v. 2.12.1992 – XII ZB 64/91, NJW 1993, 598, 600: „Dem Bekl. zuzumuten, für eine Übersetzung der Klageschrift ggf. selbst zu sorgen (…), könnte auch auf eine Aushöhlung des Schutzes hinauslaufen, den die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer diesbezüglichen Erklärung beabsichtigt hat.“
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VII. Systematik des Rechtsakts 1. Systematik des Verordnungstextes Eingeleitet wird die Verordnung durch die insbesondere Anlass, Ziele320 und Maximen verlautbaren- 65 den Erwägungsgründe. Diese sind dem verfügenden Normtext vorangestellt. Sie sind entgegen teilweiser, vom EuGH aber nur verbal,321 nicht dagegen inhaltlich322 geteilter Ansicht323 von gleicher Verbindlichkeit wie der verfügende Verordnungstext und setzten nicht anders als dieser für delegierte Rechtsakte eine Grenze. Dies wird in Erwägungsgrund 37 EU-ZustVO 2020324 deutlich erkennbar.325 Allerdings kommt ihnen anders als dem verfügenden Verordnungstext keine unmittelbare Geltung zu.326 Vielmehr entfalten sie ihre Wirkungen nur im Rahmen der Auslegung und Anwendung des verfügenden Verordnungstextes (s. Rz. 35).327 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Verordnungsgeber im verfügenden Verordnungstext zum Ausdruck bringt, inwieweit und wodurch er seinen Erwägungen Rechnung tragen will. Im Fall von anderweitig nicht auflösbaren Widersprüchen gebührt danach dem verfügenden Verordnungstext der Vorrang.328 Dem verfügenden Verordnungstext folgen drei Anhänge, welchen ebenfalls dieselbe Verbindlichkeit wie dem verfügenden Verordnungstext und den Erwägungsgründen zukommt. Anders als dem verfügenden Verordnungstext kommt den Anhängen keine unmittelbare Geltung zu. Vielmehr erlangen sie ihre Bedeutung dadurch, dass der verfügende Verordnungstext auf sie Bezug nimmt und ihnen dabei bestimmte Wirkungen beimisst (vgl. Art. 36 Abs. 2 EU-ZustVO 2020). Daneben kann den Anhängen, insbesondere den in Anhang I zusammengefassten Formblättern Bedeutung im Rahmen der Auslegung der Verordnung, auch des ver-
320 Vgl. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 1. 321 Z.B. EuGH v. 13.9.2018 – C-287/17, ECLI:EU:C:2018:707 Rz. 33 – Cˇeská pojisˇtovna a.s./WCZ, spol. s r.o.; EuGH v. 25.2.2010 – C-562/08, ECLI:EU:C:2010:93 Rz. 40 – Müller Fleisch GmbH/Land Baden-Württemberg; EuGH v. 2.4.2009 – C-134/08, ECLI:EU:C:2009:229 Rz. 16 – Hauptzollamt Bremen/J. E. Tyson Parketthandel GmbH hanse j; EuGH v. 24.11.2005 – C-136/04, ECLI:EU:C:2005:716 Rz. 32 – Deutsches Milch-Kontor GmbH/Hauptzollamt Hamburg-Jonas. 322 Vgl. nur EuGH v. 14.10.2020 – C-681/18, ECLI:EU:C:2020:823 Rz. 51, 62, 72 – JH/KG: Erwägungsgrund 15 der Richtlinie 2008/104/EG stelle ausdrücklich und mit bindender Wirkung als Gegenstand eines Umgehungsschutz genießenden Wesensgehalts der Richtlinie fest, dass die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses unbefristete Arbeitsverträge sind; EuGH v. 27.2.2020 – C-25/19, ECLI:EU:C:2020:126 Rz. 28, 45 – Corporis sp. z o.o./Gefion Insurance A/S: Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2007 bestimme über deren Anwendbarkeit; EuGH v. 10.10.2013 – C-306/12, ECLI:EU:C:2013:650 Rz. 20 – Spedition Welter GmbH/ Avanssur SA: der 37. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/103/EG verpflichte die Mitgliedstaaten. Vgl. weiter EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 23 f. – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski: die ausschließlich in Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2007 erwähnte Benennung eines Bevollmächtigten im Forummitgliedstaat ist ein Umstand, in dem die Verordnung keine Anwendung findet. Vgl. auch GA Cruz Villalón, Schlussanträge v. 30.5.2013 – C-306/12, ECLI:EU:C:2013:359 Rz. 27 – Spedition Welter GmbH/Avanssur SA: „… 37. Erwägungsgrund der Richtlinie, in dem kategorisch festgestellt wird, dass ausreichende Vollmachten die Vertretung … umfassen“. 323 So z.B. BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 23 a.E.; Knöfel, RIW 2021, 473, 483; Kondring, EWS 2013, 128, 133; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 4. Vgl. auch COM(2018) 379 final, S. 13: „schafft dadurch Rechtssicherheit hinsichtlich des legislativen Charakters“. 324 Weiteres Beispiel ist Erwägungsgrund 38 S. 3 EU-ZustVO 2020. 325 Hierdurch wird widerlegt GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 6.9.2007 – C-267/06, ECLI:EU:C:2007: 486 Rz. 76 – Tadao Maruko/Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen. 326 Vgl. Cour de cassation v. 20.11.2012 – 11-17653; Würdinger, IPRax 2013, 61, 63. 327 EuGH v. 14.10.2020 – C-681/18, ECLI:EU:C:2020:823 Rz. 29, 47 – JH/KG: „im Licht“; EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 30, 37, IPRax 2013, 157 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski: „im Licht“; GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 6.9.2007 – C-267/06, ECLI: EU:C:2007:486 Rz. 76 – Tadao Maruko/Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen. 328 Vgl. auch EuGH v. 13.9.2018 – C-287/17, ECLI:EU:C:2018:707 Rz. 33 – Cˇeská pojisˇtovna a.s./WCZ, spol. s r.o.; EuGH v. 2.4.2009 – C-134/08, ECLI:EU:C:2009:229 Rz. 16 – Hauptzollamt Bremen/J. E. Tyson Parketthandel GmbH hanse j; EuGH v. 24.11.2005 – C-136/04, ECLI:EU:C:2005:716 Rz. 32 – Deutsches Milch-Kontor GmbH/Hauptzollamt Hamburg-Jonas; EuGH v. 19.11.1998 – C-162/97, ECLI:EU:C:1998:554 Rz. 54 – Gunnar Nilsson u.a.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung fügenden Verordnungstextes, zukommen,329 weil und soweit die Formblätter einen Rückschluss auf den Normsetzungswillen zulassen.330 Letzteres ist nicht mehr der Fall, soweit die Formblätter im Verfahren nach Art. 23 EU-ZustVO 2020 geändert wurden, weil Art. 23, 24 EU-ZustVO 2020 nur zu Änderungen im Rahmen der Regelungen der Verordnung und nicht zu den Regelungsgehalt modifizierenden Änderungen ermächtigen (Erlass delegierter Rechtsakte, s. Art. 23 EU-ZustVO 2020 Rz. 3).331 66
Der verfügende Verordnungstext ist in vier Kapitel gegliedert.332 Im Kapitel 1 finden sich allgemeine, insbesondere organisatorische Bestimmungen,333 welche vorbehaltlich einer spezielleren Anordnung oder ihrer Natur gleichermaßen für gerichtliche (Kapitel 2) wie für außergerichtliche Schriftstücke (Kapitel 3) Geltung beanspruchen334 und zwar ohne Rücksicht auf den Übermittlungs- oder Zustellungsweg. Den Kern der Verordnung bildet Kapitel 2, welcher die Übermittlung bzw. Zustellung gerichtlicher Stückstücke behandelt.335 Das der Übermittlung bzw. Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke gewidmet Kapitel 3 beschränkt sich auf einen auf Kapitel 2 verweisenden Artikel.336 Das Kapitel über gerichtliche Schriftstücke ist gegliedert in zwei Abschnitte.337 Gegenstand des ersten Abschnitts ist in Weiterentwicklung überkommener Ansätze die Vereinheitlichung und Beschleunigung der grenzüberschreitenden Übermittlung zuzustellender Schriftstücke, um für ihre Zustellung im Ausland Rechtshilfe in Anspruch zu nehmen (s. auch Rz. 58).338 Aus der Sicht der Verordnung bildet der Weg der einfachen Rechtshilfe den regelungstechnischen Normalfall zur Bewirkung von Zustellungen im Ausland (s. Rz. 68). Aus diesem Grund werden in diesem Kontext zugleich der (aus Übereinkommen zur Rechtshilfe entwickelte) Schutz des Zustellungsadressaten vor Fremdsprachigkeit des zuzustellenden Schriftstücks sowie die Bestimmung des auf das Zustellungsdatum anwendbaren Rechts behandelt, obwohl beide Regelungen im Grundsatz auch für die anderen Übermittlungs- und Zustellungswege gelten (s. auch Rz. 59). Gegenstand des zweiten Abschnitts sind als Alternativen zum einfachen Rechtshilfeweg vorgesehene Wege, um im Ausland eine Zustellung zu bewirken.339 Dabei behandelt Art. 16 EU-ZustVO 2020 einen alternativen Weg der Übermittlung zur Inanspruchnahme von Rechtshilfe, während Art. 17–19 EU-ZustVO 2020 drei Arten der direkten Zustellung aus dem Ursprungs- im Empfangsmitgliedstaat, d.h. Zustellungs- und nicht bloße Übermittlungswege (s. auch Rz. 58) regeln und (teilweise) vereinheitlichen.340 Art. 20 EU-ZustVO 2020 schließlich erlaubt, ohne dabei zugleich eine bestimmte Art der Übermittlung oder Zustellung vorauszusetzen oder vorzugeben, die unmittelbare Zustellung. Kapitel 4 der Verordnung enthält Schlussbestimmungen.341 Bei diesen handelt es sich abgesehen von Regelungen zur Anwendbarkeit342 ganz überwiegend um an die Kommission oder die Mitgliedstaaten und nicht an Sender und Empfänger 329 Vgl. EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 41 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. Vgl. zur EG-MahnVO auch EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 Rz. 50 – Iwona Szyrocka/SiGer Technologie GmbH. 330 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 41. – Dies wird relevant bei den Formblättern I und J und jeweils der dortigen Fußnote 1 in Bezug auf Art. 11 Abs. 2 S. 2 lit. a EU-ZustVO 2020. 331 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 41. 332 Klötgen in Kengyel/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht (2007), S. 87, 91. 333 Brenn, Einf. EZV I. 4; Brenn, Europäischer Zivilprozess, 2005, Rz. 262; Klötgen in Kengyel/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht (2007), S. 87, 91; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.15. 334 BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 vor Rz. 1. 335 Klötgen in Kengyel/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht (2007), S. 87, 92. 336 Vgl. Klötgen in Kengyel/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht (2007), S. 87, 92; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.17. 337 EuGH v. 9.2.2006 – C-473/04, ECLI:EU:C:2006:96 Rz. 6 – Plumex/Young Sports NV; Klötgen in Kengyel/ Rechberger (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht (2007), S. 87, 92. 338 Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.16. 339 Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.16. 340 Zur Unterscheidung von Übermittlung und Zustellung vgl. auch SWD(2018) 286 final, S. 2; Brenn, Vor Art. 4 EZV Anm. b); Brenn, Europäischer Zivilprozess (2005) Rz. 265 ff. – Ohne eine solche Unterscheidung aber z.B. Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 14. Aufl. 2022, Rz. 55.70: drei Zustellungswege; Sujecki, GPR 2005, 193: vier Zustellungsalternativen. 341 Brenn, Einf. EZV I. 4. 342 Vgl. Brenn, Kap. IV EZV; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.18.
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Einleitung
Einl. EU-ZustVO 2020
gerichtete Normen. Abweichendes gilt für den Kapitel 4 einleitenden Art. 22 EU-ZustVO 2020 (Art. 19 EG-ZustVO 2007), welcher sich an das eine Zustellung (verfügende und) feststellende Gericht richtet und für verfahrenseinleitende Schriftstücke einen unabhängig vom Übermittlungs- oder Zustellungsweg geltenden Schutz für den sich auf einen Rechtsstreit nicht einlassenden Beklagten begründet.343 2. Systematik der Zustellungsarten a) Allgemeines Die Verordnung ist wie ihre Vorgänger344 der tradierten, bereits HZPÜ und HZÜ prägenden Ansicht 67 verhaftet, dass die Zustellung eines Schriftstücks ein Hoheitsakt ist (s. auch Rz. 5, 63). Aufgrund ihrer Souveränität müssen Staaten als Empfangsmitgliedstaaten die Zustellung eines einen Hoheitsakt enthaltenden Schriftstücks oder die durch eine ausländische Behörde bzw. eine dazu im Ausland beliehene Person ausgelöste Zustellung auf ihrem Hoheitsgebiet nicht dulden. Spiegelbildlich räumen die Mitgliedstaaten ihren Behörden und beliehenen Stellen keine Zustellungsbefugnisse für in einem fremden Mitgliedstaat vorzunehmende Zustellungen ein. Dieses Verständnis wird in der Verordnung als solcher sowie in verschiedenen Einzelregelung der Verordnung (s. Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 7) erkennbar, weil die Existenz der Verordnung ebenso wie einzelne ihrer Regelungen (insbesondere Abschnitt 1 von Kapitel II) nur auf der Grundlage dieser Annahme verständlich sind. Ausgehend von dem tradierten Grundverständnis behandelt die Verordnung wie ihre beiden Vorgängerverordnungen (und das HZÜ) die beiden eine grenzüberschreitende Zustellung ermöglichenden Ansätze (s. Rz. 58).345 Unbeschadet des Umstands, dass die Verordnung, wie nicht zuletzt in der Detailliertheit der entsprechenden Regelungen erkennbar wird, den (einfachen) Rechtshilfeweg als Normfallfall ansieht (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 2), besteht zwischen den der Inanspruchnahme von Rechtshilfe dienenden Übermittlungswegen (Art. 8–16 EU-ZustVO 2020) und den durch Rücknahme des Souveränitätsanspruchs eröffneten Zustellungswegen (Art. 17–20 EU-ZustVO 2020) kein generelles Rangverhältnis und sind insbesondere die Zustellungswege nicht subsidiär zu den Übermittlungswegen.346 Vielmehr bestehen, liegen die jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen vor, Zustellungswege gleichrangig neben Übermittlungswegen und die eine Auslandszustellung initiierende Stelle (nicht notwendig der Antragsteller347) kann zwischen verschiedenen eröffneten Wegen nach pflichtgemäßem, mit 343 Vgl. Brenn, Einf. EZV I. 4., Kap. IV EZV; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.18. 344 Stadler, IPRax 2002, 471, 472. 345 Vgl. Knöfel, RIW 2021, 473, 474. 346 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 71 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 57 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 31 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; EuGH v. 9.2.2006 – C-473/04, ECLI:EU:C:2006:96 Rz. 19 ff. – Plumex/Young Sports NV; GA Tizzano, Schlussanträge v. 17.11.2005 – C-473/04, ECLI:EU:C:2005:698 Rz. 21 ff. – Plumex/Young Sports NV; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 76 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu Ziff. 4.2 der Gründe; OLG Dresden v. 6.11.2018 – 4 W 940/18, NJW-RR 2019, 319 Rz. 5; OLG Düsseldorf v. 16.3.2017 – 15 U 67/16, GRUR-RS 2017, 113388 Rz. 55; OLG Düsseldorf v. 15.7.2005 – 3 UF 285/04, BeckRS 2005, 8768 zu II. 2. a der Gründe; OLG Frankfurt v. 3.11.2021 – 6 W 95/21, BeckRS 2021, 34589 Rz. 9; Audiencia Provincial Barcelona v. 14.12.2015 – 518/2015; Eparchiako Dikastirio Nicosia v. 30.9.2016 – 6700/2012; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 19, 22; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 16; Heiderhoff, IPRax 2007, 293; Hüßtege in Thomas/Putzo (43. Aufl. 2022), Anh. II § 1071 ZPO Rz. 13; Knöfel, RIW 2021, 473, 474; Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 185; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/10; Nordmeier in Thomas/Putzo, Vor EuZuStVO Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 1; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240; Schack, IZVR, Rz. 742; Stadler, IPRax 2001, 514, 516; Sujecki, EuZW 2007, 44, 44 f. – A.A. MainStrat, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1348/2000 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matter (März 2004), S. 7 f., 61, 66 („a subsidiary mean of transmission“, „as subsidiary mechanism“); Hess, NJW 2001, 15, 19, 21; Hess, JZ 2001, 573, 577; Hess, NJW 2002, 2417, 2422; Sharma, S. 98 mit Fn. 112. 347 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor § 1067 ZPO Rz. 6, Vor Art. 1 EuZVO Rz. 25.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung Blick auf die im Entscheidungszeitpunkt bestehenden Unsicherheiten sehr weitem Ermessen348 wählen.349 In die Abwägungsentscheidung sind einzustellen insbesondere die Vor- und Nachteile der verschiedenen Wege im konkreten Fall, z.B. die Schnelligkeit und Kostengünstigkeit einer Direktzustellung per Post350 im Vergleich zur höheren Zuverlässigkeit einer Zustellung im Wege der Rechtshilfe.351 Dadurch, dass die Verordnung ein Rangverhältnis nicht vorsieht, wird nicht ausgeschlossen, dass die Mitgliedstaaten in (ganz oder teilweise) abstrakt-genereller Vorwegnahme der zu treffenden Ermessensentscheidung als Ursprungsmitgliedstaaten ein solches aus mit den Zielen der Verordnung vereinbaren Erwägungen begründen (s. auch Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 8). Soweit zwischen verschiedenen Übermittlungs- und Zustellungswegen gewählt werden kann, dürfen im Grundsatz die mit der Nutzung eines Übermittlungs- oder Zustellungswegs im Vergleich mit anderen Übermittlungs- und Zustellungswegen verbundenen Verzögerungen nicht zum Nachteil des Antragstellers berücksichtigt werden, weil die Schnelligkeit im Rahmen der Ermessensentscheidung nur einer von mehreren zu berücksichtigenden Gesichtspunkten ist (s. Rz. 113). Ebenso kann die auslösende Stelle neben dem Übermittlungsweg kumulativ auch einen oder mehrere Zustellungswege bzw. mehrere Zustellungswege nutzen (zum Zustellungszeitpunkt s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 15).352 In einem Subsidiaritätsverhältnis zum Übermittlungsweg nach Art. 8 EU-ZustVO 2020 (nicht aber auch zu den Zustellungswegen des Kapitels II, Abschnitt 2) steht lediglich der Übermittlungsweg nach Art. 16 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 16 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff.), weshalb insoweit keine Wahl- und nur ausnahmsweise eine Kumulationsmöglichkeit besteht. b) Zustellung im Wege der Rechtshilfe 69
Wie ihre beiden Vorgänger und auch HZPÜ sowie HZÜ widmet sich die Verordnung schwerpunktmäßig der Ordnung und Erleichterung der Rechtshilfe bei der Zustellung von Schriftstücken. Aufgrund der – durch die EU geförderten und unterstützten – engeren Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und des gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten sieht die Verordnung dabei (wie ihre Vorgänger) im Vergleich zu HZPÜ und HZÜ eine Reihe von der Beschleunigung dienenden Erleichterungen vor. Die zwischen den Mitgliedstaaten bestehende Zusammenarbeit hat, unterstützt durch Informationsangebote der EU (z.B. Europäisches Justizportal) und eine intensive Standardisierung der Kommunikation durch Formblätter, eine der Beschleunigung von Zustellungen dienliche und von HZÜ und HZPÜ selbst nicht vorgesehene Dezentralisierung der an der Rechtshilfe beteiligten Stellen ermöglicht. Aufgrund des zwischen den Mitgliedstaaten wechselseitig bestehenden Vertrauens konnte insbesondere auf die Möglichkeit einer ordre public-Prüfung (Art. 13 HZÜ) verzichtet werden (s. Rz. 50).
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Wie ihre beiden Vorgänger sieht die Verordnung für die Zustellung im Wege der Rechtshilfe im Regelfall vor, dass ein Schriftstück durch eine Übermittlungsstelle des Ursprungsmitgliedstaats an eine 348 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 25; Geimer/Schütze/Okonska, Vor Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4. Tendenziell noch weiter OLG Hamburg v. 7.7.2006 – 8 W 4/06, BeckRS 2011, 17369; Eixelsberger, ecolex 2016, 1065. 349 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 59 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272; EuGH v. 9.2.2006 – C-473/04, ECLI:EU:C:2006:96 Rz. 21 – Plumex/Young Sports NV; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 77 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Tizzano, Schlussanträge v. 17.11.2005 – C-473/04, ECLI:EU:C:2005:698 Rz. 27 – Plumex/Young Sports NV; OLG Frankfurt v. 3.11.2021 – 6 W 95/21, NJW-RR 2022, 211 Rz. 9; OLG Hamburg v. 7.7.2006 – 8 W 4/06, BeckRS 2011, 17369; OLG Düsseldorf v. 15.7.2005 – 3 UF 285/04, BeckRS 2005, 8768 zu II. 2. a) der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor § 1067 ZPO Rz. 6, Vor Art. 1 EuZVO Rz. 22, Art. 14 EuZVO Rz. 4; Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 4; Kuntze-Kaufhold/Beichel-Benedetti, NJW 2003, 1998, 1999; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/10; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Vor Art. 12 EuZVO Rz. 1, Art. 14 EuZVO Rz. 6. – Krit. Nassauer, A4-0101/97, B. 9. 350 Diese als regelmäßig durchschlagend ansehend Knöfel, RIW 2021, 473, 482. 351 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 1. 352 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 59 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 77 f. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 22; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/10; Geimer/Schütze/Okonska, Vor Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 1; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240.
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Einleitung
Einl. EU-ZustVO 2020
Empfangsstelle in dem hiervon verschiedenen Empfangsmitgliedstaat zum Zweck der Zustellung übermittelt wird. Dementsprechend nehmen die Vorschriften zur Vereinheitlichung dieses Zustellungsweges den breitesten Raum in der Verordnung ein. Die Verordnung trifft in diesem Zusammenhang nicht nur Anordnungen betreffend die Bestimmung der Übermittlungs- und Empfangsstellen, die diese treffenden Pflichten und die von ihnen zu beachtenden Fristen, sondern – insoweit abweichend von ihren beiden Vorgängern – auch konkret solche betreffend die Form der Kommunikation zwischen Übermittlungs- und Empfangsbehörde. Nach Ablauf einer Übergangsfrist hat diese im Grundsatz obligatorisch auf elektronischem Weg zu erfolgen (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10, 11 ff.). Nur beschränkt auf Ausnahmefälle (vgl. auch § 6 Abs. 2, 3 ZRHO) behält Art. 16 EU-ZustVO 2020 die Möglichkeit bei, dass auf diplomatischem oder konsularischem Weg um Rechtshilfe ersucht wird, s. Art. 16 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff.).353 c) Direktzustellung aa) Allgemeines Die Verordnung sieht wie ihre beiden Vorgänger und wie in Ansätzen auch bereits HZÜ und HZPÜ 71 neben der im Wege der Rechtshilfe vermittelten Zustellung als gleichwertige und nicht subsidiäre Alternative (s. Rz. 68) auch die direkte Zustellung durch eine Stelle eines Mitgliedstaats an einen Adressaten in einem anderen Mitgliedstaat vor. Ausgehend von der tradierten Vorstellung, dass Zustellungen Hoheitsakte sind, ist hiermit verbunden die Rücknahme der Souveränität des Empfangsmitgliedstaats (s. Rz. 58). Aufgrund des zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden gegenseitigen Vertrauens und im Hinblick auf das Ziel eines einheitlichen Raums des Rechts, kommt Souveränitätsvorbehalten im Verhältnis der Mitgliedstaaten allerdings nur geringes Gewicht zu,354 weshalb eine Rücknahme nahe lag. bb) Zustellung durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete Wie bereits das HZÜ sieht Art. 17 EU-ZustVO 2020 die Möglichkeit der Zustellung durch im Empfangsmitgliedstaat akkreditiertes diplomatisches oder konsularisches Personal (des Ursprungsmitgliedstaats oder eines von diesem beauftragten Staats) vor. Diese Möglichkeit und den mit ihr einhergehenden Souveränitätsverzicht können die Mitgliedstaaten beschränken (s. Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 ff.). Die auch im HZÜ vorgesehene Beschränkungsmöglichkeit entspricht überkommener Tradition und trägt dem Umstand Rechnung, dass diplomatisches und konsularisches Personal der Akkreditierung des Gaststaates bedarf und eine solche Akkreditierung mit Vorbehalten und Bedingungen verbunden werden kann (vgl. auch § 14 Abs. 2 S. 1 ZRHO). Nicht beschränkbar ist entsprechend den internationalen Traditionen355 allein die Befugnis, diplomatische oder konsularische Zustellungen an Staatsangehörige des Ursprungsmitgliedstaats zu bewirken (s. Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 ff., 17).
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cc) Zustellung durch Postdienste Art. 18 EU-ZustVO 2020 sieht wie seine beiden Vorgänger und im Ansatz auch bereits HZÜ und 73 HZPÜ die Möglichkeit zur Direktzustellung per Postdienst vor. Dabei sieht die Vorschrift im Unterschied zu HZÜ und HZPÜ für Empfangsmitgliedstaaten nicht mehr vor die Möglichkeit zu einem Opt-out und im Unterschied zu Art. 14 EG-ZustVO 2000 auch nicht mehr die Möglichkeit zu einer Beschränkung durch den Empfangsmitgliedstaat. Vielmehr harmonisiert Art. 18 EU-ZustVO 2020 wie bereits Art. 14 EG-ZustVO 2007 die Direktzustellung durch Postdienste und zwar auch hinsicht353 Nach Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 4; Knöfel, RIW 2021, 473, 474, 482 sowie Linke/Hau, IZVR, Rz. 8.25 soll es sich hierbei nicht um eine Zustellung im Wege der Rechtshilfe, sondern um eine Direktzustellung ohne Rechtshilfe handeln. Wie hier dagegen Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 183. 354 MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 7; Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 2; Hess, NJW 2001, 15, 16. 355 Vgl. Pfennig, S. 32, 34, 67.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung lich der Ausführung der Zustellung (s. Rz. 61). Zugleich unterscheidet sich Art. 18 EU-ZustVO 2020 von allen früheren Regelungen dadurch, dass die Möglichkeit zur Postdirektzustellung ausdrücklich für alle im Ursprungsmitgliedstaat zustellungsberechtigten Stellen (und nicht nur für Übermittlungsstellen) eröffnet wird (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff.) und sie zudem nicht mehr von einer Zulassung durch den Ursprungsmitgliedstaat abhängig ist, sondern der Zustellungsweg der Postdirektzustellung verordnungsautonom zugelassen ist (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 7). dd) Elektronische Zustellung 74
Über die Vorgängerverordnungen und HZÜ sowie HZPÜ hinausgehend sieht Art. 19 EU-ZustVO 2020 vor die elektronische Zustellung als neue Form der Direktzustellung. Anders als für die Postdirektzustellung ist dieser Zustellungsweg aber nicht verordnungsautonom, sondern nur in Abhängigkeit von dem auf das Gerichtsverfahren, auf welches sich das zuzustellende gerichtliche Schriftstück bezieht, anwendbaren Recht gegeben. Anders als für die Postdirektzustellung wurde die Ausführung der elektronischen Direktzustellung auch nicht harmonisiert. Vielmehr verweist Art. 19 EU-ZustVO 2020 insoweit ebenfalls auf das für das Gerichtsverfahren geltende Recht. Zumindest aber bemüht sich die Vorschrift insoweit um eine gewisse Harmonisierung dadurch, dass sie im Interesse der Zuverlässigkeit der Zustellung und des Schutzes der Beteiligten bei der Ausführung der Zustellung zu beachtende Mindestvorgaben formuliert. Bei deren Beachtung besteht für Empfangsmitgliedstaaten vergleichbar wie für die Postdirektzustellung keine Möglichkeit zu einem diesen Zustellungsweg ausschließenden Opt-out und nach Art. 19 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 auch nur punktuell und eng zweckgebunden die Möglichkeit zu einer Beschränkung durch Festlegung weitergehender Anforderungen (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 30 ff.). Hintergrund der im Vergleich zur Postdirektzustellung abweichenden (zögerlicheren) Ausgestaltung ist, dass mit der Zustellung als förmlicher Information auch ein besonderer Warneffekt verbunden sein soll, welcher verfehlt werden könnte, wenn in einer Form zugestellt wird, welche als Zustellungsform (bislang) nicht allgemein bekannt und anerkannt ist.356 d) Unmittelbare Zustellung
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Ergänzend zu den Regelungen, bei welchen eine in einem Mitgliedstaat durch eine Behörde veranlasste Zustellung für diese in einem anderen Mitgliedstaat ausgeführt wird, sieht Art. 20 EU-ZustVO 2020 vor, dass die Möglichkeit zur unmittelbaren Zustellung besteht, soweit diese im Ursprungs- und Empfangsmitgliedstaat vorgesehen ist. Unter dieser Voraussetzung kann eine an einem Rechtsstreit beteiligte Person unmittelbar im Ausland die hierfür zuständige Stelle mit einer Zustellung beauftragen. Die Bedeutung dieser Anordnung liegt zunächst darin, dass durch sie eine Diskriminierung von Zustellungsaufträgen von Ausländern bzw. im Ausland ausgeschlossen wird (s. Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 1). Zudem wird ein Anknüpfungspunkt dafür geschaffen, den vorgesehenen Schutz des Zustellungsadressaten auch auf diese Fälle anzuwenden.
VIII. Verhältnis zu anderen Instrumenten des internationalen Rechts 1. Brüssel Ia-VO, Brüssel IIb-VO, EU-ErbVO, EU-EheGüterVO, EU-LP-GüterVO 76
Sowohl Brüssel Ia-VO als auch Brüssel IIb-VO, EU-ErbVO, EU-EheGüterVO und EU-LP-GüterVO gehen erstens in verschiedenen Zusammenhängen davon aus, dass es im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr zu einer Zustellung in einem vom Forummitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat kommen kann bzw. muss (Art. 2 lit. a Unterabs. 2 Brüssel Ia-VO, Art. 42 Abs. 2 lit. c Brüssel Ia-VO, Art. 43 Brüssel Ia-VO, Art. 35 Abs. 2 lit. c Brüssel IIb-VO, Art. 55 Brüssel IIb-VO, Art. 50 Abs. 5 S. 1 EU-ErbVO, Art. 49 Abs. 5 S. 1 EU-EheGüterVO/EU-LP-GüterVO). Für die Bestimmung des Zeitpunkts der Rechtshängigkeit im Sinne des Zuständigkeitsregimes enthalten Art. 32 Brüssel Ia-VO, Art. 17 Brüssel IIb-VO, Art. 14 EU-ErbVO/EU-EheGüterVO/EU-LP-GüterVO allerdings eine vorrangig vom Zeitpunkt der Zustellung abgelöste und im entsprechenden Umfang einen Rückgriff auf Art. 13 EU-ZustVO 2020 (i.V.m. Art. 12 Abs. 5 S. 3 EU-ZustVO 2020) nicht erfordernde Regelung (s. 356 Vgl. Schack in FS Geimer, S. 931, 935.
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Einleitung
Einl. EU-ZustVO 2020
Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 1, 22). Diese knüpft an die Priorität der Maßnahme an, mit welcher der Kläger nach dem anwendbaren Recht die Verfahrenseinleitung erstmalig final aus der Hand gibt, vorausgesetzt, er versäumt im Anschluss nicht, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen. Aktualisiert durch entweder die Entscheidung des Klägers für die vorsorgliche Beibringung einer Übersetzung oder die Annahmeverweigerung durch den Beklagten zählt zu diesen Maßnahmen auch die Beschaffung einer Übersetzung.357 Ob der Kläger jeweils die ihm obliegenden Maßnahmen getroffen hat einschließlich der Frage, ob ihn infolge wirksamer Annahmeverweigerung eine Obliegenheit zur Beschaffung einer Übersetzung getroffen hat, beurteilt jedes angerufene Gericht ausschließlich für das bei ihm anhängige Verfahren und ist im Übrigen auf eine Mitteilung eines anderen angerufenen Gerichts nach Art. 29 Abs. 2 Brüssel Ia-VO angewiesen und an eine solche gebunden. Die Annahme, jedes angerufene Gericht habe ohne Bindung an die Entscheidung des anderen Gerichts selbst darüber zu entscheiden, ob vor dem anderen Gericht den dortigen Obliegenheiten genügt wurde, ist mit dem gegenseitigen Vertrauen im Verhältnis der Mitgliedstaaten nicht zu vereinbaren.358 Zweitens kennen sowohl Brüssel Ia-VO als auch Brüssel IIb-VO und EU-ErbVO usw. (vgl. Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO, Art. 38 lit. b, 39 Abs. 1 lit. b Brüssel IIb-VO,359 Art. 40 lit. b EU-ErbVO, Art. 37 lit. b EU-EheGüterVO/EU-LP-GüterVO) den eng insbesondere mit einer grenzüberschreitenden Zustellung verbundenen Anerkennungs-/Vollstreckungsversagungsgrund der die wirksame Rechtsverteidigung verkürzenden, nicht rechtzeitigen Zustellung des verfahrenseinleitenden oder gleichwertigen Schriftstücks bei Nichteinlassung des Beklagten (s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff.).360 Allerdings enthalten trotz der vorstehend beschriebenen Bedeutung grenzüberschreitender Zustellun- 77 gen für den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr weder Brüssel Ia-VO noch Brüssel IIb-VO, EUErbVO, EU-EheGüterVO oder EU-LP-GüterVO ein autonomes Zustellungsrecht, welches eine grenzüberschreitende Zustellung im Wege der Rechtshilfe, eine Direktzustellung oder eine unmittelbare Zustellung, welche durch die Verordnung geregelt werden, entbehrlich macht.361 Anders als noch Anhang Art. IV Abs. 2 BrüsselÜbk. enthalten Brüssel Ia-VO, Brüssel IIb-VO, EU-ErbVO, EU-EheGüterVO und EU-LP-GüterVO auch keine Regelungen über die Rechtshilfe bei Zustellungen. Vielmehr verweisen diese Verordnungen auf das geltende Zustellungsrecht und setzen dabei für die Zustellung aus einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat die Geltung der auch in der Tradition von Anhang Art. IVAbs. 2 BrüsselÜbk. stehenden Verordnung bzw. ihrer Vorgänger voraus. Eine Normenkonkurrenz zwischen Verordnung einerseits und Brüssel Ia-VO, Brüssel IIb-VO, EU-ErbVO, EU-EheGüterVO bzw. EU-LP-GüterVO andererseits ist insoweit ausgeschlossen. Die Verordnung steht zu Brüssel Ia-VO, Brüssel IIb-VO, EU-ErbVO, EU-EheGüterVO und EU-LP-GüterVO insoweit vielmehr in einem Verhältnis der Ergänzung.362 Obwohl sowohl Art. 28 Brüssel Ia-VO, Art. 19 Brüssel IIb-VO und Art. 16 EU-ErbVO/EU-EheGüter- 78 VO/EU-LP-GüterVO einerseits als auch Art. 22 Abs. 1, 2 EU-ZustVO 2020 andererseits einen präventiven Schutz des Beklagten bei Nichteinlassung vorsehen, kommt es insoweit auch nicht zur Normenkonkurrenz, weil Art. 28 Abs. 3 Brüssel Ia-VO, Art. 19 Abs. 2 Brüssel IIb-VO bzw. Art. 16 Abs. 2 EU-ErbVO/EU-EheGüterVO/EU-LP-GüterVO eine solche dadurch vermeiden, dass sie im Anwendungsbereich der Verordnung deren Anwendung Vorrang einräumen und die autonome Regelung in Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO, Art. 19 Abs. 1 Brüssel IIb-VO bzw. Art. 16 Abs. 1 EU-ErbVO/EU-EheGüterVO/EU-LP-GüterVO für unanwendbar erklären.363 Trotz des Umstands, dass die Verordnung im Ergebnis in allen Mitgliedstaaten einschließlich Dänemark Anwendung findet, sind Art. 28 Abs. 2 357 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 40. 358 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 39. – A.A. OLG Karlsruhe v. 28.3.2006 – 8 U 218/05, BeckRS 2006, 18153 Rz. 61; LG Düsseldorf v. 10.3.2016 – 14c O 58/15, GRUR-RR 2016, 228 Rz. 34; LG Düsseldorf v. 30.4.2015 – 14c O 183/13, BeckRS 2015, 8356; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 87. 359 Zur nicht ganz deckungsgleichen Begrenzung der Versagungsgründe vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 53. 360 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 53, 54, 59. 361 Vgl. Netzer, S. 92. 362 Vgl. auch COM(2018) 379 final, S. 4; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 58. 363 Vgl. GA Léger, Schlussanträge v. 28.9.2006 – C-283/05, ECLI:EU:C:2006:617 Rz. 16 – ASML Netherlands BV/ Semiconductor Industry Services GmbH. Vgl. auch Kondring, S. 171 zu Art. 20 Abs. 3 BrüsselÜbk. und HZÜ.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung Brüssel Ia-VO, Art. 19 Abs. 1 Brüssel IIb-VO bzw. Art. 16 Abs. 1 EU-ErbVO/EU-EheGüterVO/EULP-GüterVO (vorbehaltlich der Anwendbarkeit von Art. 15 HZÜ) für den auf das Gebiet der Mitgliedstaaten beschränkten Rechtsverkehr gleichwohl nicht ohne Anwendungsfeld, weil Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO, Art. 19 Brüssel IIb-VO bzw. Art. 16 EU-ErbVO/EU-EheGüterVO/EU-LP-GüterVO einerseits und Art. 22 EU-ZustVO 2020 andererseits insoweit nicht kohärent abgefasst sind, als Art. 22 EU-ZustVO 2020 an die bekannte Zustelladresse des Empfängers und die fünf anderen Regelungen an den Wohnsitz bzw. den gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten anknüpfen. Unabhängig davon kommt Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO, Art. 19 Abs. 1 Brüssel IIb-VO bzw. Art. 16 Abs. 1 EU-ErbVO/ EU-EheGüterVO/EU-LP-GüterVO ein eigenes Anwendungsfeld jedenfalls zu, wenn die Zustellung aus einem Mitgliedstaat in einem Drittstaat, für welchen nicht Art. 15 HZÜ gilt, erfolgen muss (z.B. aus Deutschland an den in Liechtenstein wohnhaften Organwalter einer Gesellschaft, die ihren Sitz in Österreich hat).364 79
Sowohl Art. 43 Abs. 2 Brüssel Ia-VO, Art. 55 Abs. 2 f. Brüssel IIb-VO einerseits als auch Art. 12 EU-ZustVO 2020 andererseits widmen sich dem Schutz des Zustellungsadressaten davor, dass die an eine Zustellung anknüpfenden Wirkungen eintreten, obwohl der Empfänger die Sprache des Schriftstücks nicht versteht und auch nicht verstehen muss. Während Art. 12 EU-ZustVO 2020 zur Erleichterung von Zustellungen in bewusster Abkehr von HZPÜ und HZÜ auf eine (aus Sicht des Zustellungsadressaten) unbedingte Übersetzungsobliegenheit verzichtet und an deren Stelle ein (zeitlich limitiertes) Recht zur Annahmeverweigerung vorsieht (bedingte Übersetzungsobliegenheit; s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 ff.), sehen Art. 43 Abs. 2 Brüssel Ia-VO und Art. 55 Abs. 2 Brüssel Ia-VO unter im Übrigen vergleichbaren365 materiellen Voraussetzungen vor, dass der Schuldner – ohne zeitliche Begrenzung – eine Übersetzung fordern kann und bis zu deren Zustellung die Vollstreckung auf sichernde Maßnahmen beschränkt ist. Zwischen Art. 43 Abs. 2 Brüssel Ia-VO und Art. 55 Abs. 2 f. Brüssel IIb-VO einerseits und Art. 12 EU-ZustVO 2020 andererseits besteht kein Spezialitätsverhältnis.366 Vielmehr wird der Schuldner doppelt geschützt.367 Er kann nach Maßgabe von Art. 12 EU-ZustVO 2020 die Annahme verweigern und hierdurch (zunächst) die Zustellung verhindern mit der Folge, dass es an einer Voraussetzung der Vollstreckbarkeit fehlt und eine Entscheidung gar nicht vollstreckbar ist. Hiervon unabhängig, d.h. auch bei Nichtausübung des Verweigerungsrechts kann er nach Maßgabe von Art. 43 Abs. 2 Brüssel Ia-VO bzw. Art. 55 Abs. 2 f. Brüssel IIb-VO eine Übersetzung fordern mit der Folge, dass es zwar nicht an einer Zustellung fehlt und eine Vollstreckung nicht ausgeschlossen ist, dass die Vollstreckung aber zunächst auf sichernde Maßnahmen beschränkt ist. Da EU-ErbVO, EU-EheGüterVO und EU-LP-GüterVO für den Zustellungsadressaten keine besonderen Regelungen für den Fall der Fremdsprachigkeit vorsehen,368 bleibt es insoweit bei dem durch Art. 12 EU-ZustVO 2020 vermittelten Schutz. 2. EG-UntVO
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Die EG-UntVO geht wie Brüssel Ia-VO und Brüssel IIb-VO ebenfalls davon aus, dass es im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr zu einer Zustellung in einem vom Forummitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat kommen kann oder muss (Art. 9 EG-UntVO, Art. 11 Abs. 2, 3 EG-UntVO, Art. 32 Abs. 5 S. 1 EG-UntVO, Art. 51 Abs. 2 lit. j EG-UntVO); für die Bestimmung des Zeitpunkts der Rechtshängigkeit enthält Art. 9 EG-UntVO eine mit Art. 32 Brüssel Ia-VO vergleichbare Regelung (s. Rz. 76). Auch kennt die EG-UntVO, soweit nicht nach Art. 17 EG-UntVO die Anfechtung von Anerkennung und Vollstreckbarkeit im Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsmitgliedstaat vollständig ausgeschlossen und der Schuldner auf den Rechtsschutz im Ursprungsmitgliedstaat (vgl. Art. 19 Abs. 1 lit. a EG-UntVO) beschränkt ist (s. auch Rz. 82),369 vergleichbar zu Brüssel Ia-VO und Brüssel IIb-VO den eng mit der Zustellung verbundenen Anerkennungs-/Vollstreckungsversagungs364 Vgl. Netzer, S. 93. 365 Unterschiede bestehen freilich im Anknüpfungspunkt (EU-ZustVO 2020: Zustellungsort, Brüssel Ia-VO: Wohnsitz, Brüssel IIb-VO: gewöhnlicher Aufenthalt). 366 Unklar Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 15. 367 GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 30 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 368 Art. 47 Abs. 2 EU-ErbVO bzw. Art. 46 Abs. 2 EU-EheGüterVO/EU-LP-GüterVO dienen dem Gericht. 369 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 56.
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Einl. EU-ZustVO 2020
grund der die wirksame Rechtsverteidigung verkürzenden, nicht rechtzeitigen Zustellung des verfahrenseinleitenden oder gleichwertigen Schriftstücks bei Nichteinlassung des Beklagten (Art. 21 Abs. 1 EG-UntVO i.V.m. § 328 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 407 Nr. 2 öEO bzw. vergleichbaren nationalen Anordnungen, Art. 24 Unterabs. 1 lit. b EG-UntVO). Wie die beiden anderen Verordnungen enthält sie gleichwohl kein autonomes Zustellungsrecht, welches eine grenzüberschreitende Zustellung im Wege der Rechtshilfe, eine Direktzustellung oder eine unmittelbare Zustellung, welche durch die Verordnung geregelt werden, entbehrlich macht. Vielmehr verweist die EG-UnthVO auf das geltende Zustellungsrecht und setzt dabei für die Zustellung aus einem Mitgliedstaat in einem anderen die Geltung der Verordnung voraus.370 Von der Brüssel Ia-VO und der Brüssel IIb-VO unterscheidet sich die EGUntVO dadurch, dass der Zentralen Behörde (Art. 49 EG-UntVO) im Zusammenhang auch mit der im Rechtshilfeweg erfolgenden grenzüberschreitenden Zustellung relevante Pflichten auferlegt sind (Art. 51 Abs. 2 lit. j EG-UntVO, Art. 62 Abs. 1 EG-UntVO). Diese Pflichten bestehen unbeschadet der sich nach der Verordnung ergebenden Pflichten, d.h. beide Rechtsakte finden insoweit gegebenenfalls nebeneinander Anwendung, ohne sich zu beschränken.371 Eine autonome und für die Bestimmung des Zeitpunkts der Rechtshängigkeit im Sinne des Zuständigkeitsregimes speziellere Regelung enthält Art. 9 EG-UntVO; Art. 13 EU-ZustVO 2020 gilt insoweit nicht. Nach Art. 51 Abs. 2 lit. b EG-UntVO i.V.m. Art. 61 Abs. 2 lit. a EG-UntVO leistet die Zentrale Behörde (Art. 49 EG-UntVO) Hilfe zur Ermittlung der Anschrift einer verpflichteten oder berechtigten Person, d.h. der Zustelladresse eines Empfängers. Diese Verpflichtung besteht ohne Rücksicht auf die von den Mitgliedstaaten im Rahmen von Art. 7 EU-ZustVO 2020 zu leistende Unterstützung. Umgekehrt lässt die die Zentralen Behörden treffende Verpflichtung unberührt die Pflicht der Mitgliedstaaten, auf einem in Art. 7 EU-ZustVO 2020 benannten Weg Hilfestellung zur Anschriftenermittlung (s. Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 ff.) zu geben.
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Hinsichtlich des präventiven Schutzes des Zustellungsadressaten enthält Art. 11 EG-UntVO eine autonome Regelung. Diese tritt zu Art. 22 Abs. 1, 2 EU-ZustVO 2020 allerdings nicht in Normenkonkurrenz, weil Art. 11 Abs. 2 EG-UntVO sie vergleichbar zu Art. 28 Abs. 3 Brüssel Ia-VO bzw. Art. 19 Abs. 2 Brüssel IIb-VO (s. Rz. 78) im Geltungsbereich von Art. 22 EU-ZustVO 2020 für unanwendbar erklärt. Verdrängt wird allerdings der kurative Schutz nach Art. 22 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 durch die spezielleren Regelungen in Art. 19 EG-UntVO.372 Anders als Brüssel Ia-VO und Brüssel IIb-VO widmet sich die EG-UntVO dem Schutz des Beklagten nicht unter dem Gesichtspunkt der sich aus der Fremdsprachigkeit eines Schriftstücks ergebenden Erschwerungen. Zwar enthält die EG-UntVO Vorschriften, welche die Übermittlung einer Übersetzung vorgeben (z.B. Art. 20 EG-UntVO). Allerdings dienen diese Anordnungen nicht dem Interesse eines Zustellungsadressaten, sondern den befassten ausländischen Organen der Rechtspflege. Den Schutz des Zustellungsadressaten gewährleistet auch für Unterhaltssachen in seinem Anwendungsbereich Art. 12 EU-ZustVO 2020.
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3. EG-VollstrTitelVO, EG-MahnVO Der Zustellung (des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bzw. des Europäischen Zahlungsbefehls) 83 kommt sowohl im Rahmen der EG-VollstrTitelVO als auch im Rahmen der EG-MahnVO herausragende Bedeutung für die Feststellung zu, dass eine Forderung unbestritten ist. Jeweils wird aus einem Unterlassen des Schuldners (Nichteinlassung bzw. nicht fristgerechter Widerspruch) gefolgert, dass der Schuldner kein Interesse an einer streitigen Prüfung der Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs hat. Dieser Schluss von einem Unterlassen des Schuldners auf das Nichtbestreiten des geltend gemachten Anspruchs ist nur tragfähig, wenn eine Reaktion des Schuldners (Einlassung, fristgerechter Widerspruch) hinreichend provoziert wurde. Die entsprechende Provokation soll erfolgen durch die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bzw. des Europäischen Zahlungsbefehls. Davon, wie die Zustellung erfolgt (ist), ist abhängig, ob von einer hinreichenden Provokation ausgegangen werden kann.
370 Vgl. SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 58. 371 Vgl. SWD(2018) 287 final, 139; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 59. 372 Unklar Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 19a.
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Trotz der erkennbar hohen Bedeutung der Zustellung für EG-VollstrTitelVO und EG-MahnVO regeln beide Rechtsakte nicht selbst die Zustellung und auch nicht eine zum Zweck grenzüberschreitender Zustellungen erforderliche Rechtshilfe.373 Vielmehr beschränken sich beide Rechtsakte darauf, Mindestanforderungen zu formulieren, denen eine Zustellung genügen muss, um aus Sicht des betreffenden Rechtsakts als wirksame Zustellung anerkannt werden zu können (Art. 13–15 EG-VollstrTitelVO, Art. 13–15 EG-MahnVO).374 Eine Normenkonkurrenz ist danach insoweit ausgeschlossen. Dementsprechend stellen beide Rechtsakte auch vorsorglich klar, dass die Anwendung der Verordnung unberührt bleibt (Art. 28 EG-VollstrTitelVO und Art. 27 EG-MahnVO; vgl. auch Art. 36 EU-ZustVO 2020 Rz. 6).375 Beide Rechtsakte gehen davon aus, dass die Zustellung erfolgt auf der Grundlage des im Forummitgliedstaat geltenden Zustellungsrechts, zu welchem für grenzüberschreitende Zustellungen zwischen den Mitgliedstaaten die Verordnung einschließlich insbesondere des Annahmeverweigerungsrechts (Art. 12 EU-ZustVO 2020) gehört.376 Wirksam aus Sicht der beiden Rechtsakte ist eine Zustellung nur, wenn sie nach dem anwendbaren Zustellungsrecht (einschließlich der Regelungen der Verordnung) wirksam ist und den Mindestanforderungen genügt (doppelte Schranke). Für die EG-VollstrTitelVO erscheint weitgehend selbstverständlich, dass kein Zustellungsrecht normiert, sondern nur Mindestanforderungen aufgestellt werden, weil die EG-VollstrTitelVO auch sonst kein Erkenntnisverfahren, sondern lediglich eine Alternative zum Exequaturverfahren regelt. Demgegenüber ist Gegenstand der EG-MahnVO die Ausgestaltung eines europäischen Erkenntnisverfahrens. Es hätte demnach nicht ferngelegen, dass dieser Rechtsakt auch die nach dem gewählten Ansatz (Provokationsverfahren) zentrale Zustellung autonom regelt. Dass sich der Verordnungsgeber stattdessen auf die EG-ZustVO 2000 verlassen und ergänzend zu dieser Mindeststandards bestimmt hat, erfolgte mutmaßlich mit Rücksicht auf Kompetenzzweifel und um eine Einigung im Rat zu erleichtern.
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Eigenständig widmen sich EG-VollstrTitelVO und EG-MahnVO allerdings dem Schutz des Beklagten bei Nichteinlassung. So wenig die EG-VollstrTitelVO ein Erkenntnisverfahren regelt, sieht sie diesbezüglich einen zu Art. 22 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 vergleichbaren präventiven Schutz vor. Sie stellt an nationale Erkenntnisverfahren nur bestimmte Mindestanforderungen, damit ein Vollstreckungstitel als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden kann, und greift dabei im Zusammenhang mit der Heilung von Verstößen gegen diese Mindestanforderungen auch den Schutzmaßstab von Art. 22 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 auf (vgl. Art. 18 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO). Außerdem zielen die in Art. 18 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO formulierten Mindestanforderungen vergleichbar zu Art. 22 373 GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 39 – Krystyna Alder, Ewald Alder/ Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; Frauenberger-Pfeiler in König/Mayer, Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich II (2009), S. 89, 89 f.; Netzer, S. 102 f., 107. – Zumindest missverständlich dann aber GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 40 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski: aus Verordnungen folgt, dass Mitgliedstaaten sich Postdirektzustellung nicht entziehen können. Zumindest missverständlich auch Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 19 EuZVO Rz. 17: „werden sie von Kontrollmaßstab … in den unmittelbaren Anwendungsbereich des Verfahrens … verschoben“ (zur EG-MahnVO); Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 18, 19a: „abschließende Regelung für Zustellungen“, EG-UntVO regelt „anders als die EG-VollstrTitelVO“ die Zustellung nicht; Kern in FS Geimer, S. 311, 316: EG-MahnVO enthalte für ihren Bereich „Europaweit einheitliche Zustellungsregeln“; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/4 a.E.: Verordnungen der 2. Generation enthalten spezielle Zustellungsvorschriften. Zumindest missverständlich auch Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 14: Zustellungsregeln gelten auch bei innerstaatlicher Zustellung. 374 SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 60; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 39 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; Corte di Cassazione v. 22.5.2015 – n. 10543; AG Berlin-Wedding v. 30.5.2016 – 70b C 4/11, BeckRS 2016, 10935; Drehsen, IPRax 2019, 378, 379; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 60, 63; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 20; Hüßtege, IPRax 2009, 321, 322; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 48 f.; Rauscher in FS Kropholler, 2008, S. 851, 852 f., 854, 857; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 5, 6; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-MahnVO Rz. 2. 375 Vgl. EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 39 – Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s r.o.; GA Wathelet, Schlussanträge v. 29.5.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:341 Rz. 80 – Catlin Europe SE/ O. K. Trans Praha spol. s r.o.; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 60, 63. 376 Vgl. EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 40 – Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s r.o.; Drehsen, IPRax 2019, 378, 378 f.; Hüßtege, IPRax 2009, 321, 322 f.
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Einleitung
Einl. EU-ZustVO 2020
Abs. 4 EU-ZustVO 2020 auf einen kurativen Schutz. Entsprechendes gilt für die in Art. 19 Abs. 1 EGVollstrTitelVO formulierte Mindestanforderung an das Recht des Forummitgliedstaats. Da die EGVollstrTitelVO auch in Ansehung des nachgelagerten Schutzes nur Mindestanforderungen formuliert, nicht aber eine autonome Gestaltung vornimmt, scheidet eine Normenkonkurrenz aus; den Mindestanforderungen nach Art. 19 EG-VollstrTitelVO wird in seinem Anwendungsbereich durch Art. 22 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 Rechnung getragen. Die EG-MahnVO widmet sich dem Beklagtenschutz dagegen präventiv durch die autonomen Verfahrensregeln in Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO (Fristwahrung durch Absendung) und in Art. 18 Abs. 1 S. 2 EG-MahnVO sowie kurativ in dem autonomen Rechtsbehelf in Art. 20 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO. Diese autonomen Regeln verdrängen als lex specialis Art. 22 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 87). 4. EG-BagatellVO Die EG-BagatellVO regelt (ähnlich wie die EG-MahnVO und die EU-KPfVO) ein europäisches Rechtsschutzverfahren. In dieses wird der Schuldner einbezogen durch die Zustellung des verfahrenseinleitenden Antrags. Diesbezüglich enthielt die EG-BagatellVO bereits anfänglich in ihrem Art. 13 Abs. 1 i.d.F. vom 1.1.2009 eine autonome Zustellungsregel, nach welcher die Zustellung durch Postdienste gegen Empfangsbestätigung erfolgt.377 Ergänzend dazu ordnete Art. 13 Abs. 2 EG-BagatellVO i.d.F. vom 1.1.2009 an, dass die Zustellung in einer der in Art. 13, 14 EG-VollstrTitelVO genannten Arten erfolgen könne. Die ganz h.A. verstand Art. 13 Abs. 2 EG-BagatellVO i.d.F. vom 1.1.2009 dabei dahin, dass die Mindeststandards (s. Rz. 84) in Art. 13, 14 EG-VollstrTitelVO infolge ihrer Inbezugnahme zu „operativen“ Zustellungsregeln wurden.378 An diese Rechtslage knüpft der geltende Art. 13 EG-BagatellVO an,379 differenziert aber hinsichtlich der zulässigen Zustellungsarten nach der Art des zuzustellenden Schriftstücks. Hinsichtlich der für das Verfahren besonders bedeutsamen Schriftstücke, insbesondere verfahrenseinleitender Antrag, sieht Art. 13 Abs. 1 EG-BagatellVO als autonom geregelte Zustellungsformen380 wahlweise die Zustellung per Post oder – unter bestimmten Voraussetzungen – auch schon381 eine elektronische Zustellung (s. auch Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 2, 5), jeweils gegen Empfangsbekenntnis, vor. Hinsichtlich des übrigen Schriftverkehrs ist, soweit das Recht des Ursprungsmitgliedstaats dies vorsieht, die elektronische Übermittlung vorgesehen (Art. 13 Abs. 2 EG-BagatellVO). Soweit die Zustellung nicht auf diesem Weg bewirkt werden kann, ordnet Art. 13 Abs. 4 Unterabs. 1 EG-BagatellVO an, dass die besonders bedeutsamen Schriftstücke in einer der in Art. 13, 14 EG-MahnVO genannten Arten zugestellt werden können. Der übrige Schriftverkehr kann, soweit eine Übermittlung nach Art. 13 Abs. 2 EG-BagatellVO nicht möglich oder aufgrund besonderer Umstände nicht angezeigt ist, in jeder Form, welche das Recht des Ursprungsmitgliedstaats vorsieht, erfolgen.
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Die verordnungsautonomen Zustellungsregelungen in Art. 13 EG-BagatellVO gehen als lex specialis den Vorschriften der Verordnung vor.382 Für die Anwendung der Verordnung bleibt kein Raum.383 Dies gilt im Grundsatz auch in Bezug auf den Schutz des Zustellungsadressaten bei Fremdsprachigkeit.384 Art. 6 Abs. 3 EG-BagatellVO enthält in Anlehnung an Art. 12 EU-ZustVO 2020 ein eigenes Annahmeverweigerungsrecht und regelt die Rechtswirkungen einer Annahmeverweigerung. Keine
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377 Netzer, S. 112; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 51. 378 Hau in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-BagatellVO Rz. 5; Varga in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rz. 1. – A.A. Rauscher in FS Kropholler, 2008, S. 851, 859. 379 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 64; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 6. – A.A. Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 5: Kontrollregime wie nach EG-MahnVO und EG-VollstrTitelVO. 380 Knöfel, RIW 2021, 473, 479. 381 SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 60; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 1. 382 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 64; Hau in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-BagatellVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 51. – A.A. SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 60; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 14. 383 A.A. Frauenberger-Pfeiler in König/Mayer, Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich II (2009), S. 89, 90. 384 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 64.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung Aussage trifft Art. 6 Abs. 3 EG-BagatellVO dabei allerdings dazu, ob und inwieweit durch die nachträgliche Zustellung einer Übersetzung die Wirkungen der Zustellung auf den Zeitpunkt der Zustellung, deren Annahme verweigert wurde, zurückbezogen werden können. Zu Recht wird befürwortet, diese Lücke durch entsprechende Anwendung von Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO 2020 zu schließen.385 Verdrängt wird auch der von der Verordnung begründete Schutz des Beklagten bei Nichteinlassung. Diesbezüglich enthält die EG-BagatellVO keinen mit Art. 22 EU-ZustVO 2020 vergleichbaren gesonderten präventiven Schutz, sondern lediglich einen kurativen Schutz (Art. 18 Abs. 1 EG-BagatellVO). Gleichwohl wird Art. 22 EU-ZustVO 2020 vollständig verdrängt, weil der präventive Schutz des Beklagten dadurch gewährleistet wird, dass Art. 7 Abs. 3 EG-BagatellVO eine Entscheidung trotz Nichteinlassung erst nach Ablauf von 30 Tagen ab Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks erlaubt und diese Frist nur im Falle wirksamer Zustellung, deren Vorliegen vom erkennenden Gericht festzustellen ist, anläuft. 5. EU-KPfVO 88
Die EU-KPfVO regelt (ähnlich wie EG-MahnVO und EG-BagatellVO) ein europäisches Rechtsschutzverfahren. In dieses wird der Schuldner einbezogen durch die Zustellung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung nebst der weiteren in Art. 28 Abs. 1 EU-KPfVO benannten Unterlagen. Wie diese Zustellung zu erfolgen hat, regelt Art. 28 EU-KPfVO autonom.386 Die Vorschrift unterscheidet dabei zwischen Zustellungen im Forummitgliedstaat und solchen in einem anderen Mitgliedstaat. Für diese Unterscheidung knüpft sie wie Art. 28 Brüssel Ia-VO und anders als z.B. Art. 19 Brüssel IIbVO (gewöhnlicher Aufenthalt) und insbesondere auch anders als Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 (bekannte Zustelladresse des Empfängers) an den Wohnsitz des Schuldners (Beklagten) an. Soweit die Zustellung im Forummitgliedstaat zu erfolgen hat, ist sie nach dessen (nationalem) Recht auszuführen (Art. 28 Abs. 2 EU-KPfVO). Für eine in einem anderen Mitgliedstaat erforderliche Zustellung sieht Art. 28 Abs. 3 EU-KPfVO eine Zustellung durch diesen Mitgliedstaat nach seinem nationalen Recht vor, welche entweder auf ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen des Ursprungsgerichts oder auf unmittelbaren Antrag des Gläubigers erfolgt. Vergleichbar ist dies zu Art. 8, 11 EU-ZustVO 2020 und Art. 20 EU-ZustVO 2020. Diese Anordnungen verdrängen als lex specialis die Regelungen der Verordnung.387
89
Durch speziellere Regelungen der EU-KPfVO verdrängt wird auch der von der Verordnung vorgesehene Schutz des Beklagten. Den Schutz vor Fremdsprachigkeit regelt Art. 49 Abs. 1 EU-KPfVO autonom dahingehen, dass dem zuzustellenden Schriftstück unter den Voraussetzungen, unter denen nach Art. 12 EU-ZustVO 2020 ein Annahmeverweigerungsrecht besteht, unbedingt eine Übersetzung beizufügen ist, anderenfalls der Beschluss über eine Kontopfändung vorbehaltlich einer Heilung (Art. 33 Abs. 3 EU-KPfVO) nach Art. 33 Abs. 1 lit. c EU-KPfVO auf Rechtsbehelf aufgehoben werden kann. Einen zu Art. 22 EU-ZustVO 2020 vergleichbaren Schutz bei Nichteinlassung des Beklagten kennt die EU-KPfVO nicht. Dies beruht darauf, dass der Beschluss über die Kontopfändung auch dann ohne vorherige Anhörung des Schuldners ergeht, wenn ein Hauptsacheverfahren noch nicht eingeleitet wurde (Art. 11 EU-KPfVO); dies entspricht materiell Art. 22 Abs. 3 EU-ZustVO 2020. Nachgelagert zur Anordnung der Kontopfändung tragen dann die autonomen Verfahrensregelungen der EU-KPfVO dem Schutz des Beklagten insbesondere dadurch Rechnung, dass der Gläubiger die ordnungsgemäße Einleitung eines Hauptsacheverfahrens nachzuweisen hat, der Beschluss über die Pfändung anderenfalls von Amts wegen aufgehoben wird (Art. 10 Abs. 2 EU-KPfVO). Weiter tragen die autonomen Verfahrensregelungen dem Schutz des Schuldners dadurch Rechnung, dass ein nicht fristgemäß zugestellter Beschluss über die Pfändung vorbehaltlich einer Heilung (Art. 33 Abs. 3 EUKPfVO) nach Art. 33 Abs. 1 lit. b EU-KPfVO aufgehoben werden kann. 385 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 64; Hau in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-BagatellVO Rz. 4; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 51. 386 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 65; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 52. 387 Vgl. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 14. Zu einem verbleibenden Anwendungsfeld der Verordnung in Verfahren nach der EU-KPfVO vgl. Art. 48 lit. a EU-KfVO; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 65; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 3; Geimer/Schütze/ Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 52.
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Einleitung
Einl. EU-ZustVO 2020
6. EG-InsVO Die EG-InsVO sieht zwar vor, dass Gläubiger mit Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in ei- 90 nem Mitgliedstaat über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Schuldners zu informieren sind. Zu diesem Zweck sind allerdings Insolvenzregister einzurichten. Dagegen soll die Verordnung ausweislich Erwägungsgrund 64 EG-InsVO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung auf die Information des Gläubigers keine Anwendung finden.388 Vielmehr bestimmt das auf das Insolvenzverfahren anwendbare Recht, wie die Gläubiger jenseits von Veröffentlichungen im Insolvenzregister zu informieren sind. Ist danach zur Information des Gläubigers eine Zustellung vorgesehen, sind hierfür auch in grenzüberschreitenden Fällen nicht nur die von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege eröffnet. Erwägungsgrund 64 EG-InsVO nimmt insoweit den obligatorischen Charakter der Verordnung (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 3) zurück. Den Mitgliedstaaten bleibt daher insoweit unbenommen, anstatt einer effektiven Auslandszustellung eine fiktive Inlandszustellung zur Information der Gläubiger vorzusehen. Beschränkt ist diese Rücknahme des obligatorischen Charakters aber auf die Information der Gläubiger über die Einleitung des Insolvenzverfahrens. Sie gilt dagegen nicht, soweit nach dem auf das Insolvenzverfahren oder ein Annexverfahren anwendbaren Recht sonst Zustellungen vorgesehen sind. Für diese gilt in ihrem Anwendungsbereich die Verordnung einschließlich ihres zwingenden Geltungsanspruchs. 7. HZPÜ, HZÜ Nach Art. 29 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 genießt die Verordnung in ihrem Anwendungsbereich im Ver- 91 hältnis der Mitgliedstaaten (einschließlich Dänemark, s. Rz. 44), welche an diesen Übereinkommen beteiligt sind, Vorrang gegenüber HZPÜ und HZÜ und verdrängt diese Übereinkommen (vgl. § 33 S. 1 ZRHO, § 91 Abs. 1 S. 1 ZRHO; s. Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 7).389 Dies dient der Harmonisierung des die Zustellung im Ausland regelnden Rechts und soll die bei Erlass der Verordnung beklagte Unübersichtlichkeit des Rechts (s. Rz. 8) ausräumen. Zwar wird Letzteres durch Art. 29 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 relativiert (s. Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 8). Der Vorrang gegenüber HZPÜ und HZÜ wird hierdurch allerdings nicht zurückgenommen, weil diese beiden Übereinkommen gegenüber der Verordnung keine weitere Erleichterung bzw. Beschleunigung regeln. Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass HZPÜ und HZÜ einen etwas schwächer ausgebildeten Schutz des Zustellungsadressaten vorsehen, was tendenziell Zustellungen erleichtert. Denn ein schwächer ausgebildeter Schutz des Zustellungsadressaten ist mit der Verordnung i.S.v. Art. 29 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 unvereinbar. Nicht verdrängt werden HZPÜ und HZÜ im Verhältnis zu Vertragsstaaten, welche nicht zugleich Mitgliedstaaten der EU sind bzw. für welche die Verordnung nicht gilt (s. Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 f.).390 Dies betrifft seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU insbesondere auch das Verhältnis der Mitgliedstaaten zum Vereinigten Königreich (s. Rz. 46).
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IX. Verhältnis zum nationalen Zustellungsrecht 1. Anwendungsvorrang der Verordnung a) Ausgangspunkt Im Ausgangspunkt wird das Verhältnis der Verordnung zum nationalen Zustellungsrecht bestimmt durch Art. 288 Unterabs. 2 AEUV. Danach gilt die Verordnung unmittelbar in allen Mitgliedstaaten
388 SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 59. 389 Knöfel, RIW 2021, 473; Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Einl. Brüssel Ia-VO Rz. 5. 390 Vgl. zum Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika BGH v. 14.9.2011 – XII ZR 168/09, NJW 2011, 3581 Rz. 19; zur früheren Rechtslage im Verhältnis zu Dänemark BGH v. 6.5.2004 – IX ZB 43/03, NJW 2004, 2386; zum Verhältnis zu Venezuela BAG v. 18.12.2014 – 2 AZR 1004/13, AP GVG § 20 Nr. 9 Rz. 53; zum Verhältnis zur Türkei BGH v. 18.9.2012 – VI ZR 223/11, BeckRS 2012, 21272 Rz. 20; OLG Hamm v. 10.8.2011 – 8 U 3/11, BeckRS 2011, 25504 zu II. 1. a) aa) der Gründe.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung und ihr kommt dabei Anwendungsvorrang zu vor dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten (s. Rz. 27). Dies bedeutet, dass im Falle eines Widerspruchs zwischen der Verordnung, so wie sie vom EuGH verbindlich ausgelegt wird (s. Rz. 29), und nationalen Rechtsvorschriften die Verordnung anzuwenden ist und das nationale Recht, soweit es unvereinbar ist, nicht zur Anwendung kommt (vgl. § 121 Abs. 3 öZPO). Darüber hinaus leitet der EuGH aus Art. 288 Unterabs. 2 AEUV ab, dass die Mitgliedstaaten im Grundsatz keine unmittelbar geltendes Unionsrecht wiederholenden Gesetze oder Verwaltungsvorschriften erlassen dürfen (unzulässig daher bereits vor dem 1.7.2022 z.B. § 102 Abs. 1, 2 ZRHO und § 109 ZRHO).391 b) Beschränkter Regelungsansatz der Verordnung 94
Anwendungsvorrang und Normsetzungssperre (s. Rz. 93) gelten jeweils nur, solange und soweit der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist392 und soweit die Verordnung verbindliches Recht setzt (z.B. nicht Zustellungslast, sondern nur, wann einer bestehenden Zustellungslast durch eine grenzüberschreitende Zustellung zwischen den Mitgliedstaaten zu genügen ist, s. auch Rz. 95).393 Aufgrund des nur beschränkten Regelungsansatzes der Verordnung (s. Rz. 56) erstrecken sich Anwendungsvorrang und Normsetzungssperre nicht auf das gesamte Zustellungsrecht, nicht alle mit grenzüberschreitenden Zustellungen verbundenen Fragen und noch nicht einmal umfassend auf den Rechtshilfeverkehr zwischen Mitgliedstaaten im Bereich von Zustellungen. Sie stehen insbesondere nicht entgegen dem Erlass von (ausfüllenden) Durchführungsvorschriften (s. Rz. 98 ff.).
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Allerdings sperrt die Verordnung aufgrund ihres Anwendungsvorrangs z.B. die Anwendung der Vorschriften über eine fiktive Inlandszustellung bei hinreichend bekannter Zustelladresse des Zustellungsempfängers (nur) in einem anderen Mitgliedstaat (vgl. auch § 183 Abs. 1 S. 1 ZPO [auch i.V.m. § 184 ZPO]).394 Dies ergibt sich daraus, dass der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung ausweislich Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 nicht nur Bedeutung dafür zukommt, ob die von der Verordnung vorgesehenen (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswege genutzt werden dürfen, sondern bei entsprechender Eröffnung des Anwendungsbereichs auch einer dieser Übermittlungs- und Zustellungswege genutzt werden muss (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 3), und die Verordnung autonom über die Eröffnung ihres Anwendungsbereichs bestimmt. Da der Vorschlag der Kommission, durch Einfügung eines Art. 7a fiktive Zustellungen im laufenden Rechtsstreit zuzulassen, keinen Eingang in die Verordnung gefunden hat, gilt dies nicht nur für das verfahrenseinleitende Schriftstück (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 15 ff.).395 Die Mitgliedstaaten können mithin nicht abweichend von Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 regeln, dass eine Zustellung nicht in einem anderen Mitgliedstaat zu bewirken ist. Sie können lediglich regeln, wer zu informieren bzw. an wen zuzustellen ist,396 was Auswirkungen darauf haben kann, ob eine den Anwendungsbereich der Verordnung eröffnende grenzüberschreitende Zustellung gegeben ist (vgl. auch Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020). Dabei haben die Mitgliedstaaten das Gebot der Nichtdiskriminierung und den Effektivitätsgrundsatz zu beachten, was ihre Gestaltungsfreiheit im Zusammenhang mit in Abhängigkeit vom Fehlen einer
391 Vgl. EuGH v. 7.2.1973 – Rs. 39/72, ECLI:EU:C:1973:13 Rz. 16 f. – Kommission der Europäischen Gemeinschaften/Italienische Republik. 392 Vgl. z.B. den Sachverhalt bei BGH v. 7.12.2010 – VI ZR 48/10, NJW-RR 2011, 417 Rz. 11. Infolge Bestellung eines inländischen Prozessbevollmächtigten ist der Anwendungsbereich der Verordnung nicht mehr eröffnet; ähnlich Audiencia Provincial Zaragoza v. 20.2.2012 – 109/2012. 393 OGH v. 1.3.2012 – 1Ob218/11g zu I. 4. der Gründe; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 56. Vgl. auch EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 51 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 394 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 14, 28 ff.; Hüßtege in Thomas/Putzo (43. Aufl. 2022), Anh. II § 1071 ZPO Rz. 7; Knöfel, RIW 2021, 473, 475; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 1 EuZuStVO Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 23. Vgl. OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu I. 4. der Gründe; Audiencia Provincial Barcelona v. 8.2.2006 – 54/2006; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 36. 395 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 28, 31; Knöfel, RIW 2021, 473, 476. 396 Vgl. Cour de cassation v. 15.11.2016 – 14-16674: Geschäftsführer neben Gesellschaft.
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Einleitung
Einl. EU-ZustVO 2020
bekannten Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat stehenden Bestimmungen des Empfängers beschränkt (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 43). Bedeutung erlangt der Anwendungsvorrang der Verordnung auch im Zusammenhang mit der über- 96 aus umstrittenen und in hohem Maße praxisrelevanten Frage nach der Heilung fehlerhafter Zustellungen. Regelungen, nach denen Rechtsfolgen auch dann eintreten, wenn der hierfür vorgesehene Tatbestand nicht vollständig erfüllt ist, entwerten den für die betreffenden Rechtswirkungen vorausgesetzten Tatbestand.397 Nichts anderes gilt für Vorschriften, welche anknüpfend an die Nachholung des für bestimmte Rechtswirkungen vorausgesetzten Tatbestands den Eintritt der Rechtswirkungen rückwirkend auf einen Zeitpunkt, zu welchem der Tatbestand noch nicht erfüllt war, fingieren, soweit die Nachholung nicht zugleich dazu führt, dass rückwirkend der Zweck der betreffenden Voraussetzung vollständig erreicht wird bzw. sich rückwirkend vollständig erledigt. Vorschriften des nationalen Rechts können aufgrund des Anwendungsvorrangs der Verordnung danach erstens keine Abstriche von einem durch Unionsrecht als Voraussetzung bestimmter Rechtswirkungen gefassten Tatbestand anordnen. Deshalb kann eine Heilung von Mängeln verordnungsautonomer Wirksamkeitsvoraussetzungen, dies sind die Anforderungen der Verordnung an die Zustellung (z.B. Anforderungen an Ersatzzustellung nach Erwägungsgrund 30 EU-ZustVO 2020 oder Mindestvoraussetzungen nach Art. 19 Abs. 1 EU-ZustVO 2020), nicht dagegen Anforderungen an den Rechtshilfeverkehr zwischen den Stellen der Mitgliedstaaten (s. Rz. 63, Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 1),398 auf der Grundlage nationalen Rechts nicht losgelöst von der ordnungsgemäßen Nachholung der Voraussetzungen in Betracht kommen. Aufgrund des Anwendungsvorrangs der Verordnung kommt eine Heilung von Mängeln verordnungsautonomer Wirksamkeitsvoraussetzungen auf der Grundlage nationalen Rechts aber selbst bei Nachholung der Voraussetzungen nicht in Betracht, wenn und soweit die Nachholung den Zweck der betreffenden Voraussetzungen nicht mehr erreichen kann oder sich dieser (rückwirkend) erledigt. Zweitens umfasst der Anwendungsvorrang unabhängig hiervon aber auch den Exklusivitätsanspruch der Verordnung (dazu s. Rz. 56). Ausgehend von diesem ist ausgeschlossen, dass in Anwendung des nationalen Rechts (des Ursprungsmitgliedstaats) eine Heilung von Zustellungsmängeln weitergehend als nach den Heilungsvorschriften des auf die Ausführung der Zustellung anwendbaren Rechts zugelassen wird. Denn hierdurch würde im Ergebnis ein von der Verordnung nicht eröffneter Übermittlungs- bzw. Zustellungsweg eröffnet (s. Rz. 64). c) Gebundene Der der Verordnung zukommende Anwendungsvorrang und die durch sie bewirkte Normsetzungs- 97 sperre betreffen gleichermaßen Export wie Import zuzustellender Schriftstücke, d.h. sind sowohl im Verhältnis zum nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaats als auch im Verhältnis zum Recht des Empfangsmitgliedstaats zu beachten. Beim Export eines zuzustellenden Schriftstücks zeigt sich dies darin, dass zwar im Grundsatz nicht die Verordnung, sondern das nationale Recht regelt, an wen überhaupt eine Zustellung zu erfolgen hat, die Verordnung allerdings das nationale Recht schon in der Frage beschränkt, ob die betreffende Zustellung im Inland oder im Ausland vorzunehmen ist, d.h. überhaupt ein Export eines Schriftstücks erforderlich ist (s. Rz. 57). Ist bekannt, dass der Empfänger zwar nicht im Ursprungsmitgliedstaat, wohl aber in einem anderen Mitgliedstaat eine Zustelladresse hat, findet die Verordnung Anwendung und beschränkt die Möglichkeit, anstelle einer (effektiven) Auslandszustellung eine (fiktive) Inlandszustellung vorzusehen (s. Rz. 95). Beim Import zuzustellender Schriftstücke zeigt sich dies darin, dass ihre Zustellung ohne (generelle) Abwehrmöglichkeit gegebenenfalls in einer vom Recht des Zustellungsstaats nicht vorgesehenen ausländischen Form (s. Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 20 ff.) bzw. unabhängig von ihrer Zulassung im Empfangsmitgliedstaat dort durch Direktzustellung per Post (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 4) oder elektronische Direktzustellung (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 11) erfolgen kann.
397 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 19. 398 Vgl. auch Stadler, IPRax 2002, 282, 285. – A.A. inzident wohl EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C: 2015:744 Rz. 60 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung 2. Durchführungsvorschriften a) Deutschland 98
Der deutsche Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Einführung von Durchführungsvorschriften für die EG-BewVO 2001 zum 1.1.2004 in die ZPO ein elftes Buch eingefügt399 und dort in Abschnitt 1 besondere Durchführungsvorschriften zunächst für die Vorgängerverordnungen400 und inzwischen zur Verordnung (sowie dem mit dem Königreich Dänemark geschlossene Parallelabkommen) zusammengefasst.401 Entsprechende Durchsetzungsvorschriften fanden sich zuvor in einem Spezialgesetz.402 Sie betrafen und betreffen gleichermaßen Import und Export von zuzustellenden Schriftstücken.403
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Der Abschnitt umfasst die organisatorischen Regelungen zu den deutschen Übermittlungs- und Empfangsstellen sowie zu den unterstützenden Zentralstellen (§ 1069 ZPO). Übermittlungsstellen sind vorbehaltlich landrechtlicher Abweichungen die die Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks betreibenden Gerichte sowie für außergerichtliche Schriftstücke entsprechend ihrem Amtsbezirk die AG (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 ff. und s. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 20). Empfangsstellen sind (vorbehaltlich einer Konzentration, s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 26, 28 ff.) für ihren Bezirk jeweils die AG (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 26). Die Zentralstellen bestimmen auf Landesebene die Bundesländer (s. Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 21). Daneben fungiert das Bundesamt für Justiz als Zentralstelle auf Bundesebene. Organisatorischer Natur ist überdies § 1070 ZPO, nach dem nach der Verordnung aus einem anderen Mitgliedstaat eingehende Zustellungsanträge, Bescheinigungen und Mitteilungen (nicht die zuzustellenden Schriftstücke, s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 19) in deutscher oder englischer Sprache verfasst oder von einer entsprechenden Übersetzung begleitet sein müssen (s. auch Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 32).
100
Der Zustellung durch konsularische oder diplomatische Bedienstete widmet sich für Import wie Export § 1067 ZPO. Danach nutzen deutsche Stellen diesen Zustellungsweg für den Export nur im begründeten Ausnahmefall (§ 1067 Abs. 1 S. 1 ZPO). Andere Mitgliedstaaten dürfen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auf diesem Weg nur an ihre Staatsangehörigen zustellen (§ 1067 Abs. 2 ZPO). Der vormals für Export wie Import Regelungen zur Zustellung durch Postdienste enthaltende § 1068 ZPO hat seit 1.7.2022 zum Gegenstand allein den Import elektronischer Zustellungen.404 Aus einem anderen Mitgliedstaat eingehende elektronische Zustellungen können nach § 1068 ZPO allein nach Art. 19 Abs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020 erfolgen. Diese Festlegung ist verordnungswidrig (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 34). Denn Art. 19 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 erlaubt lediglich, die Zustellung per E-Mail an weitere Bedingungen zu knüpfen, nicht dagegen den Ausschluss der Zustellung per E-Mail (vgl. Erwägungsgrund 33 S. 4 EU-ZustVO 2020).
101
Export und Import von zuzustellenden Schriftstücken sind nicht nur Regelungsgegenstand der §§ 1068 ff. ZPO, sondern auch der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO).405 Hierbei handelt es sich um eine vom Bund und den Ländern erlassene Verwaltungsvorschrift, welche nur verwaltungsintern (und nur soweit mit höherrangigem Recht vereinbar)406 für die Abwicklung des Rechts-
399 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor § 1067 ZPO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 60; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 2. 400 Zur mit Überarbeitungen der Zustellungsverordnung verbundenen Entwicklungsgeschichte dieses Abschnitts vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor § 1067 ZPO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 35; Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EU) 2020/1784 Rz. 58 ff.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 2. 401 Vgl. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 24. 402 EG-Zustellungsdurchführungsgesetz vom 9.7.2001 (BGBl. I 2001, 1536). 403 Zu § 1067 ZPO vgl. BT-Drucks. 20/1110, 28. 404 A.A. Wagner, EuZW 2022, 733, 734: Export. 405 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor § 1067 ZPO Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 16; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, ErwGr. EuZVO Rz. 25. 406 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 17; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 242 f.
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Einl. EU-ZustVO 2020
hilfeverkehrs bindend ist.407 Sie widmet sich in §§ 33–49 ZRHO den ausgehenden Ersuchen (Export) und in §§ 91–109 ZRHO den eingehenden Ersuchen (Import). Inhaltlich zielen die Vorschriften der ZRHO auf eine für die beteiligten inländischen Stellen verbindliche Konkretisierung der Regelungen der Verordnung und der §§ 1067 ff. ZPO. Dabei bezieht sich die ZRHO derzeit allerdings noch auf den Rechtsstand vor dem 1.7.2022. b) Österreich Die österreichische ZPO (auf welche für Zustellungen in Außerstreitverfahren § 24 Abs. 1 AußStrG 102 verweist) enthält keine besonderen Durchführungsvorschriften, sondern begnügt sich mit einem Verweis auf den Anwendungsvorrang der Verordnung (§ 121 Abs. 3 öZPO). Daneben enthält das österreichische Zustellungsgesetz das nationale Zustellungsrecht, welches auch Vorschriften über die Zustellung im Ausland sowie die Zustellung für ausländische Behörden enthält.408 3. Nationales Zustellungsrecht a) Überblick Das nationale deutsche Zustellungsrecht ist enthalten in §§ 166–213a ZPO. Gegenstand dieser Vor- 103 schriften ist die Ausführung einer Zustellung. Dagegen beantworten sie nicht die Frage, welche Schriftstücke einer Zustellung an welche Person bedürfen und was (z.B. Original oder Abschrift, papiergebundene oder elektronische Abschrift) zuzustellen ist. Anordnungen hierzu enthalten das jeweilige Verfahrensrecht oder das anwendbare materielle Recht als eine Zustellungslast begründendes Recht. Hinsichtlich der Durchführung der Zustellung unterscheiden die Vorschriften zwischen der Zustellung von Amts wegen (rechtstechnischer und tatsächlicher Regelfall) und der Zustellung im Parteibetrieb (rechtstechnischer und tatsächlicher Ausnahmefall). Dementsprechend fällt der Untertitel zur Zustellung im Parteibetrieb, blendet man die Anzahl der nicht mehr besetzten Paragraphen aus, deutlich knapper aus, weil der Gesetzgeber vielfach auf die Vorschriften über die Amtszustellung Bezug nimmt.409 Im Untertitel über die Amtszustellung trifft das Gesetz Aussagen zum Zustellungsempfänger (§§ 170–172 ZPO), zum Zustellungsort (§ 177 ZPO), die eröffneten Arten der Zustellung an den Zustellungsempfänger (§§ 173–176 ZPO), die eröffneten Arten einer ersatzweisen Zustellung (§§ 178–181 ZPO), die Zustellung im Ausland und im Zusammenhang hiermit, aber auch allgemein zur Möglichkeit einer fiktiven Zustellung (§§ 184, 185 ZPO). Während den Vorschriften über die Zustellung im Ausland aufgrund des Anwendungsvorrangs der Verordnung in deren Anwendungsbereich keine Bedeutung zukommt, finden die übrigen Vorschriften Anwendung, soweit die Verordnung auf das nationale Recht verweist (z.B. Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 und Art. 19 EU-ZustVO 2020). Für die Verfahren nach dem FamFG verweist § 15 Abs. 2 FamFG auf die Regelungen der ZPO. Dabei 104 umfasst die Verweisung auf § 183 Abs. 1 S. 1 ZPO auch die Weiterverweisung auf Abschnitt 1 des elften Buches der ZPO.410 Da die Verordnung Zivil- und Handelssachen ohne Rücksicht auf den nationalen Rechtsweg erfasst (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 25), findet diese auf die dem FamFG unterfallenden Zivil- und Handelssachen unmittelbar Anwendung. Soweit das FamFG öffentlich-rechtliche Streitigkeiten (i.S.v. Art. 1 EU-ZustVO 2020) erfasst, findet die Verordnung keine Anwendung und die Zustellung im Ausland richtet sich nach § 183 Abs. 2 bis 5 ZPO und § 184 ZPO. Entsprechend stellt sich die Rechtslage dar für das arbeitsgerichtliche Verfahren (§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG verweist auf die Regelungen der ZPO und § 13a ArbGG verweist gesondert auf das elfte Buch der ZPO). Außerdem gilt Vergleichbares über § 4 InsO für die Verfahren nach der InsO. Nach § 869 ZPO gilt im ZVG-Verfahren das Recht der ZPO unter Berücksichtigung der speziellen Regelungen in §§ 3–8 ZVG.
407 OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 33; Linke/Hau, IZVR, Rz. 8.23; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 16 f.; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 241; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, ErwGr. EuZVO Rz. 25. 408 Vgl. Brenn, Einf. EZV I. 6. 409 Vgl. Stadler, IPRax 2002, 471. 410 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 3.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung b) Einzelfragen aa) Fiktive Zustellungen 105
Für im Ausland zu bewirkende Zustellungen enthalten §§ 184, 185 Nr. 2, 3 ZPO und § 4 ZVG besondere Vorschriften, welche das effektive Bewirken einer Zustellung im Ausland entbehrlich machen und durch eine fiktive Zustellung411 im Inland ersetzen sollen. In diesem Sinne sieht § 184 ZPO vor, dass innerhalb eines Rechtsstreits (d.h. nicht für die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks)412 einer im Ausland befindlichen Partei aufgegeben werden kann, im Inland einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen, widrigenfalls eine Zustellung an sie bereits durch die Absendung im Inland nach Ablauf einer bestimmten Frist als bewirkt gilt. Nach Maßgabe von §§ 186–188 ZPO gilt eine im Ausland zu bewirkende Zustellung in den Fällen von § 185 Nr. 2, 3 ZPO als durch eine öffentliche Bekanntmachung im Inland bewirkt. Vergleichbar dazu sieht § 6 ZVG i.V.m. § 185 Nr. 2, 3 ZPO anstatt einer öffentlichen Zustellung die gerichtliche Bestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten, an den zugestellt werden kann, vor. Durch die Anwendung dieser Regelungen droht, dass die zum Schutz des Zustellungsadressaten von der Verordnung vorgesehenen Anordnungen unterlaufen werden.413
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Da die Verordnung nicht nur den für grenzüberschreitende Zustellungen vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswegen Exklusivität beimisst, sondern anders als nach h.A. HZÜ und HZPÜ in ihrem entsprechenden Anwendungsbereich ein obligatorisches Instrument ist (s. Rz. 55, 56 und Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 f., 9), schließt sie aus, eine Zustellung auf einem durch die Verordnung eröffneten Übermittlungs- bzw. Zustellungsweg unter Rückgriff auf nationales Zustellungsrecht durch eine (fiktive) Inlandszustellung zu ersetzen (s. Rz. 95). Letzteres gilt aber nur, soweit nach Art. 1 EU-ZustVO 2020 der durch die Verordnung autonom bestimmte entsprechende Anwendungsbereich eröffnet ist, d.h. der Zustellungsempfänger im Ursprungsmitgliedstaat keine bekannte Zustelladresse, eine solche aber in mindestens einem anderen Mitgliedstaat hat. Danach bleibt für die Anwendung von § 185 Nr. 3 ZPO (anders als für den unter Beachtung des Anwendungsvorrangs des Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 [i.V.m. Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020: bekannte Zustelladresse] anwendbaren § 185 Nr. 1 ZPO)414 kein Raum, weil unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten die Verordnung für ihren Anwendungsbereich (d.h. bis zum Nachweis, dass eine bekannte Zustelladresse fehlt) gerade sicherstellt, dass eine Auslandszustellung zumutbar möglich ist.415 Ebenso wenig bleibt Raum für die Anwendung von § 184 ZPO.416 Dem Zustellungsadressat kann daher auch im laufenden Rechtsstreit nicht nach § 184 ZPO die Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten im Inland aufgegeben werden, wie sich nicht zuletzt aus der Bezugnahme von § 184 ZPO auf die im Anwendungsbereich der Verordnung nicht geltenden § 183 Abs. 2 bis 5 ZPO ergibt;417 Art. 7a des Kommissionsentwurfs, welcher (auf der Ebene des Unionsrechts) die 411 Vgl. Heckel, IPRax 2008, 218, 219. 412 BGH v. 12.12.2012 – VIII ZR 307/11, NJW 2013, 387 Rz. 23; OLG Düsseldorf v. 11.1.2008 – 17 U 86/07, NJW-RR 2008, 1522 zu II. 1. der Gründe; OLG Saarbrücken v. 9.2.2010 – 4 U 449/09, BeckRS 2010, 8270 zu V. 2. b. der Gründe; Häublein/Müller in MünchKomm/ZPO, § 184 ZPO Rz. 2; Heinze, IPRax 2013, 132, 133; Schack, IZVR, Rz. 726. 413 Heinze, IPRax 2010, 155, 159. Vgl. auch GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012: 583 Rz. 44 ff., 52 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. 414 Vgl. OLG München v. 6.7.2022 – 7 U 3126/20, BeckRS 2022, 22631 Rz. 21; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/ EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 40; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 32; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 12. 415 Heiderhoff, EuZW 2006, 235, 237; Heiderhoff, IPRax 2010, 343; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 40; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 32; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 12. – Vgl. auch GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 62 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. – A.A. wohl Geimer, IPRax 2010, 224, 226. 416 OLG Düsseldorf v. 11.1.2008 – 17 U 86/07, NJW-RR 2008, 1522 zu II. 2. b. der Gründe; Heiderhoff, EuZW 2006, 235, 237; Heinze, IPRax 2010, 155, 159 f.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 30. – A.A. BReg., BT-Drucks. 16/8839, 38 f. 417 Vgl. BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 190/10, EuZW 2011, 276 Rz. 17 ff.; Häublein/Müller in MünchKomm/ZPO, § 184 ZPO Rz. 3; Roth in Stein/Jonas (2016), § 184 ZPO Rz. 2; Anders/Gehle/Vogt-Beheim, § 184 ZPO Rz. 4.
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Einleitung
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Anwendung von § 184 ZPO abgedeckt hätte, hat keinen Eingang in die Verordnung gefunden (s. Rz. 20, 95). Anderes gilt, wenn bzw. sobald der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist, d.h. zunächst in dem Fall, dass der Zustellungsadressat im Inland einen Zustellungsbevollmächtigten bestellt hat mit der Folge, dass an diesen zugestellt werden kann ohne Rücksicht auf die Verordnung (vgl. Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020), und zudem in dem Fall, dass (gegebenenfalls auch erst infolge eines auf Grundlage der Verordnung unternommenen Zustellungsversuchs) sich feststellen lässt, dass der Zustellungsempfänger keine bekannte Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat hat. Dann verdrängt die Verordnung nicht den Rückgriff auf das nationale Zustellungsrecht und auch nicht den Rückgriff auf die Fiktion einer Inlandszustellung. Nur nach dieser Maßgabe, d.h. nur im Falle einer auch an einer ohne Ermittlungen bekannten Anschrift in einem anderen Mitgliedstaat nicht möglichen Zustellung ist auch die Anwendung von § 185 Nr. 2 ZPO zulässig.418 Nur entsprechend eingeschränkt kommen auch §§ 4, 6 ZVG zur Anwendung. bb) Zustellungsort Hinsichtlich des Zustellungsorts bestimmt § 177 ZPO, dass ein Schriftstück dem Zustellungsadressa- 107 ten zum Zweck der Zustellung an jedem Ort übergeben werden kann, an dem er angetroffen wird. Da die Verordnung das ihren Anwendungsbereich bestimmende Merkmal einer grenzüberschreitenden Zustellung autonom regelt (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff.), erlangt § 177 ZPO wie sonstige nationale Vorschriften über den Zustellungsort keine Bedeutung für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung.419 Für in der Bundesrepublik Deutschland angeordnete Zustellungen folgt nicht die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung der Anwendung von § 177 ZPO, sondern ist § 177 ZPO nur anwendbar, wenn der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist oder im Anwendungsbereich der Verordnung die Zustellung nach deutschem Zustellungsrecht auszuführen ist (s. Rz. 57, 95).420 Vorstehendes galt bereits für die EG-ZustVO 2007. Gleichwohl war für diese umstritten, inwieweit sich § 177 ZPO auf die Anwendung der Verordnung auswirkt. Teilweise wurde unter Verweis auf den Wortlaut von Art. 1 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 („zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist“) vertreten, dass in dem Fall, dass ein im Ausland domizilierter Zustellungsempfänger zufällig im Inland angetroffen wurde (z.B. während eines Urlaubs), eine durch Übergabe an den angetroffenen Zustellungsempfänger mögliche Zustellung aus dem Anwendungsbereich der EG-ZustVO 2007 falle, weil anstelle einer Auslandszustellung eine Inlandszustellung erfolge.421 Im Weiteren wurde hieraus überwiegend geschlussfolgert, dass der Zustellungsadressat nicht den durch die EG-ZustVO 2007 vorgesehenen Schutz, insbesondere vor Fremdsprachigkeit genießt.422 Die Gegenansicht sprach sich vor diesem Hintergrund unter Verweis auf die Teleologie dafür aus, dass die EG-ZustVO 2007 unbeschadet des Verordnungswortlauts in diesen Fällen anwendbar ist, nach Sinn und Zweck allerdings die Übergabe am Ort des Antreffens (unter Wahrung des Beklagtenschutzes) möglich bleibe.423 Vom 418 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 32; BeckOK/ZPO/Thode, Ed. 47 (1.6.2022), § 1068 ZPO Rz. 9. I.Erg. auch Jacoby in FS Kropholler, S. 819, 821 ff. Vgl. bereits BT-Drucks. 16/6140, 70. – A.A. BTDrucks. 16/6140, 78; inzident BGH v. 31.10.2018 – I ZR 20/18, NJW-RR 2019, 294 Rz. 12 ff.; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 40. – Offen Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 12. 419 Vgl. bereits Heinze, IPRax 2010, 155, 159. – A.A. Roth in Stein/Jonas (2016), § 177 ZPO Rz. 4; vgl. OGH v. 1.3.2012 – 1Ob218/11g zu I. 4., 5. der Gründe. 420 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4. 421 So z.B. LG Hamburg v. 12.3.2013 – 325 O 224/12, RdTW 2013, 288 Rz. 23; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 14. Aufl. 2022, Rz. 55.71; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 13; Roth in Stein/Jonas (2016), § 177 ZPO Rz. 4; Anders/Gehle/Schmidt (80. Aufl. 2022), Vor § 1067 ZPO Rz. 1; Springer, S. 27. 422 So LG Hamburg v. 12.3.2013 – 325 O 224/12, RdTW 2013, 288 Rz. 26; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 14; Roth in Stein/Jonas (2016), § 177 ZPO Rz. 4. Unklar Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, 14. Aufl. 2022, Rz. 55.71. 423 Cour de cassation v. 22.9.2016 – 15-18715; Häublein/Müller in MünchKomm/ZPO, § 177 ZPO Rz. 2; Heiderhoff, ZZPInt. 10 (2005), 296, 299; Heiderhoff, EuZW 2006, 235, 237; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 15; Hess, EuZPR, Rz. 8.28. – Insgesamt (für verfahrenseinleitende Schriftstücke) gegen Zustellung am Ort eines nur vorübergehenden Aufenthalts und gegen Annahme einer Inlands-
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung Verordnungsgeber wurde dieser Meinungsstreit im Ergebnis im Sinne der ersten Ansicht entschieden.424 Dazu wurde allerdings nicht bestimmt, dass die Eröffnung des Anwendungsbereichs nunmehr nationalen Vorschriften zum Zustellungsort folgt. Vielmehr ist dies das Ergebnis daraus, dass der Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 konkretisierende Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 abweichend von der Art. 1 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 konkretisierenden Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski (und auch anders als z.B. im Rahmen von Art. 28 Abs. 3 Brüssel Ia-VO, Art. 19 Abs. 2 Brüssel IIb-VO und Art. 16 Abs. 2 EUErbVO/EU-EheGüterVO/EU-LP-GüterVO) nicht mehr am bekannten Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, sondern an der bekannten Zustelladresse anknüpft und der Begriff der bekannten Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat (anders als der Begriff der bekannten Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat) keine besonderen Anforderungen an die Beständigkeit stellt (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 51 ff.) – der in Deutschland angetroffene Zustellungsempfänger hat in diesem Moment im Inland eine bekannte Zustelladresse, weil dort eine persönliche Übergabe an ihn möglich ist.425 Unbeschadet ihres ohne Rücksicht auf nationale Vorschriften zum Zustellungsort eröffneten Anwendungsbereichs steht die Verordnung danach der Anwendung von § 177 ZPO und vergleichbaren nationalen Vorschrift nicht entgegen. Dem angetroffenen Empfänger kann während eines vorübergehenden Aufenthalts im Ursprungsmitgliedstaat zugestellt werden. Eine solche Zustellung fällt nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung und der Zustellungsadressat genießt daher nicht den durch die Verordnung vorgesehenen Schutz. Entgegen teilweiser Annahme ist auch nicht gerechtfertigt, einzelne Schutzvorschriften analog anzuwenden. Deutlich wird dies nicht zuletzt bei der im Fokus stehenden Frage einer (entsprechenden) Anwendung von Art. 12 EU-ZustVO 2020. Denn mit einer analogen Anwendung von Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 wäre für den Regelfall kein stärkerer Schutz für den Zustellungsadressaten verbunden. Nach Erwägungsgrund 24 EU-ZustVO 2020 („Zustellungsort“) kann die Zustellung erfolgen in der Sprache des Ortes, an dem die Zustellung bewirkt wird (vgl. Art. 12 Abs. 1 lit. b EU-ZustVO 2020 a.E.). Dass dieser Ort der Wohnsitz oder ständige Aufenthalt des Empfängers ist, wird dabei nicht vorausgesetzt.426 Gerade in der Amtssprache des Zustellungsorts wird eine Zustellung an dem Ort, an dem der Empfänger angetroffen wird (§ 177 ZPO), regelmäßig aber ohnehin erfolgen. Zur Stärkung des Schutzes des Zustellungsadressaten bedürfte es danach im Kern nicht einer Analogie zu Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020, sondern einer (dem Verordnungsgeber vorbehaltene) Abänderung von Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 (Maßgeblichkeit der Amtssprache am Wohnsitz anstatt am Zustellungsort). cc) Ersatzzustellung 109
Durch die Zustellung soll eine bestimmte Person förmlich informiert werden. Zu diesem Zweck ist dem Empfänger, erfolgt die Information nicht auf elektronischem Weg, die Verkörperung des zuzustellenden Schriftstücks zu übergeben (vgl. Art. 22 Abs. 1 lit. b Alt. 1 EU-ZustVO 2020). Allerdings wird der Empfänger erfahrungsgemäß nicht selten aus verschiedenen Gründen (z.B. Beruf, Urlaubsreise, Krankenhausaufenthalt, vgl. Erwägungsgrund 22 S. 1 EU-ZustVO 2020) an seiner bekannten (verstetigten) Zustelladresse (insbesondere Wohnung) nicht angetroffen. Um ihm das Schriftstück gleichwohl zu übergeben, sind weitere Übergabeversuche erforderlich, wodurch sich die Zustellung verzögert. Vermeiden lässt sich dies dadurch, dass für den Fall, dass der Empfänger nicht angetroffen wird, die Zustellung dadurch erfolgen kann, dass ein Schriftstück so in die Nähe zum Empfänger gebracht wird, dass die Erfahrung hinreichend dafür spricht, er erlangt zuverlässig die effektive Möglichkeit zur Kenntnisnahme (vgl. Art. 22 Abs. 1 lit. b Alt. 2 EU-ZustVO 2020), und bereits anknüpfend hieran (sogleich oder nach Ablauf einer gewissen Zeit) die Zustellungswirkungen eintreten (z.B. §§ 178, 180, 181 ZPO). Hierdurch werden die Interessen des Antragstellers und des Zustellungsadreszustellung bei vorübergehendem inländischen Aufenthalt Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 1 EuZVO Rz. 36 ff. 424 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 28. 425 Vgl. BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 5. – A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 28. 426 A.A. (verbal) zur EG-ZustVO 2007 Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 40.
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saten in Ausgleich gebracht. Nicht zuletzt mit Blick auf die zur Herstellung eines Interessenausgleichs anzustellenden Wertungen unterscheiden sich die vor diesem Hintergrund geschaffenen Regelungen der Mitgliedstaaten (s. auch Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 f.).427 Die Vornahme einer Ersatzzustellung richtet sich jeweils (nur) nach dem auf die Ausführung einer 110 Zustellung anwendbaren Recht.428 Dies ist im Falle des Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 (auch i.V.m. Art. 16 EU-ZustVO 2020) das Recht des Empfangsmitgliedstaats.429 Abweichend hiervon sind im Falle von Art. 11 Abs. 1 Var. 2 EU-ZustVO 2020 entsprechende Vorgaben der Übermittlungsstelle zu beachten. Ebenfalls das Recht des Empfangsmitgliedstaats ist berufen in den Fällen des Art. 20 EU-ZustVO 2020. Dagegen ist im Falle des Art. 17 EU-ZustVO 2020 das Recht des Ursprungsmitgliedstaats maßgeblich.430 Weder das (nationale) Recht des Ursprungs- noch des Empfangsmitgliedstaats ist maßgeblich im Falle der Postdirektzustellung. Dieser Zustellungsweg ist durch die Verordnung verordnungsautonom auch in seiner Ausführung geregelt worden mit der Folge, dass sich die Ersatzzustellung nach der Verordnung richtet (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 25 ff.).431 Für die elektronische Direktzustellung erlangt die Ersatzzustellung keine Bedeutung,432 weil die Zustellung ohne persönliche Übergabe auskommt und erst mit Abgabe der Empfangsbestätigung durch den Empfänger erfolgt ist. dd) Zustellungszeitpunkt Hinsichtlich des Zustellungszeitpunkts enthält Art. 13 EU-ZustVO 2020 ein harmonisiertes Kollisi- 111 onsrecht (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 2). Im Ausgangspunkt richtet sich der Zeitpunkt der Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 18; zu Zustellungen in einer im Empfangsmitgliedstaat unbekannten Form s. aber auch Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 16; zur Zustellung durch diplomatische oder konsularische Bedienstete s. aber auch Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 16; zur Postdirektzustellung s. aber auch Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 35). Soweit eine Zustellung nach dem anwendbaren Verfahrens- oder Sachrecht allerdings eine Frist wahren muss,433 richtet sich der Zeitpunkt der Zustellung für den zur Wahrung der Frist eine Zustellung bewirken wollenden Antragsteller nach dem Recht, welches die Frist vorsieht (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff.). Ist nach diesen Grundsätzen deutsches Recht berufen, gilt § 167 ZPO als Ergänzung zu dem Grundsatz, dass die Zustellung mit der Vollendung des von der genutzten Zustellungsart vorausgesetzten Tatbestands bewirkt ist (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 26). Nach § 167 ZPO werden die Wirkungen der Zustellung vom Zeitpunkt der Vollendung des vorausgesetzten Zustellungstatbestands rückbezogen auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags oder der Erklärung bei der staatlichen Stelle, welche für die Anordnung oder Ausführung einer Zustellung zuständig ist, wenn es der Zustellung zur Fristwahrung bedarf und der Tatbestand der Zustellung (unter Berücksichtigung von Heilungsvorschriften und einer nach diesen vorgesehenen Rückwirkungsfiktion)434 demnächst zum 427 Vgl. SWD(2018) 287 final, S. 152. 428 Vgl. Audiencia Provincial Zaragoza v. 11.10.2007 – 517/2007; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 72; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 16. – A.A. OGH v. 20.12.2012 – 2Ob217/12v zu I. 2.2. der Gründe: lex fori; OGH v. 1.3.2012 – 1Ob218/11g zu I. 4. der Gründe: lex fori; OLG Innsbruck v. 10.10.2018 – 25Rs49/18v zu 4., 5.1 der Gründe: lex fori. 429 Zu den Unterschieden zwischen den Rechten der Mitgliedstaaten vgl. European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, S. 56. 430 Abw. wohl Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 34, die sich für die verwandte Frage der Heilung für die Maßgeblichkeit des Rechts des Empfangsmitgliedstaats ausspricht. 431 A.A. OLG Innsbruck v. 10.10.2018 – 25Rs49/18v zu 4., 5.1 der Gründe: lex fori. 432 A.A. inzident Kern in FS Geimer, S. 311, 318. 433 Unpassend erscheint das Beispiel bei Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 41, weil die Wahrung der Berufungsfrist im deutschen Recht nicht der Zustellung eines Schriftsatzes bedarf. 434 Abw. (Erfüllung des Heilungstatbestands innerhalb des demnächst-Zeitraums) BGH v. 12.3.2015 – III ZR 207/14, NJW 2015, 1760 Rz. 19; Häublein/Müller in MünchKomm/ZPO, § 167 ZPO Rz. 21; Roth in Stein/Jonas (2016), § 167 ZPO Rz. 17. – Gegen Berücksichtigung einer Heilung Brand, NJW 2004, 1138, 1139.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung Fristablauf 435 tatsächlich bewirkt wird. Ob der Tatbestand der Zustellung demnächst zum Fristablauf erfüllt wurde, bestimmt sich nicht anhand einer festen (absoluten) Zeitgrenze,436 sondern unter Berücksichtigung des Normzwecks anhand einer Abwägung der schutzwürdigen Interessen desjenigen, der eine Frist wahren muss, mit den durch einen Fristablauf geschützten Interessen des Zustellungsadressaten.437 112
Da § 167 ZPO denjenigen, der eine Frist zu wahren hat, vor den Nachteilen einer außerhalb seiner Einflusssphäre liegenden verzögerten Zustellung bewahren soll, überwiegen im Grundsatz seine Interessen, soweit von demjenigen, der die Frist zu wahren hat, eine Verzögerung von nicht mehr als 14 Tagen zu vertreten ist (z.B. durch Angabe einer unzutreffenden Anschrift oder die verzögerte Einzahlung eines Vorschusses).438 Selbst sehr umfangreiche Verzögerungen von mehreren Wochen, Monaten439 oder im Einzelfall auch Jahren440 stehen, soweit sie von demjenigen, der eine Frist zu wahren hat, nicht zu vertreten sind,441 der Annahme, eine Zustellung sei demnächst erfolgt, nicht entgegen. Dies gilt ohne Einschränkung, soweit bereits das eine Frist vorsehende Recht dem Adressaten das Risiko einer verzögerten Übermittlung zuweist (vgl. z.B. § 121 Abs. 1 S. 2 BGB). Im Übrigen ist im Zusammenhang mit im Ausland zu bewirkenden Zustellungen zu berücksichtigen, dass die Realisierung eines im Falle von Verzögerungen für Antragsteller bzw. Zustellungsadressat denkbaren Amtshaftungsanspruchs gegen einen ausländischen Staat mit erhöhten Schwierigkeiten verbunden ist. Dementsprechend überwiegen die Interessen des Zustellungsadressaten bei im Bereich der Stellen des Empfangsmitgliedstaats liegenden Verzögerungen erst nach deutlich längerer Zeit als bei im Bereich innerstaatlicher Stellen verursachten Verzögerungen. Denn der Antragsteller hat Einfluss auf die Bestimmung des Ursprungsmitgliedstaats und der Zustellungsadressat hat Einfluss auf die Bestimmung des Empfangsmitgliedstaats.
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Verzögerungen sind vom Antragsteller zu vertreten nur, wenn er in für die Verzögerung kausaler Weise eine im Interesse auch des Zustellungsadressaten bestehende Obliegenheit verletzt hat. Eine entsprechende Obliegenheitsverletzung ergibt sich regelmäßig nicht daraus, dass der Antragsteller nicht den schnellsten Übermittlungs- bzw. Zustellungsweg gewählt bzw. eine solche Wahl angeregt hat.442 Denn hinsichtlich der Auswahl des Übermittlungs- bzw. Zustellungswegs besteht ein weites Ermessen (s. Rz. 68), bei dessen Ausübung neben der Schnelligkeit auch weitere Gesichtspunkte (z.B. Zuverlässigkeit, Sicherheit) berücksichtigt werden können. Nur im Falle einer (ex ante) im Ergebnis fehlerhaften Ermessensausübung kommt eine Obliegenheitsverletzung in Betracht. Nach Ansicht des BGH kann sich eine Obliegenheitsverletzung grundsätzlich443 nicht daraus ergeben, dass die zuständigen staatlichen Stellen nicht ausreichend überwacht, erinnert oder korrigiert werden.444 Den 435 Vgl. BGH v. 21.3.2022 – VIa ZR 275/21, NJW 2022, 2196 Rz. 18; BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 39. – A.A. (die Zustellungsdauer betrachtend) OLG Frankfurt v. 18.8.1987 – 3 UF 255/86, BeckRS 2010, 30106. 436 BGH v. 21.3.2022 – VIa ZR 275/21, NJW 2022, 2196 Rz. 17; BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 18; OLG Dresden v. 7.4.2020 – 4 U 2805/19, BeckRS 2020, 7500 Rz. 9; OLG Frankfurt v. 8.5.2019 – 13 U 210/17, NZI 2019, 727 Rz. 27. 437 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 18; OLG Frankfurt v. 8.5.2019 – 13 U 210/17, NZI 2019, 727 Rz. 27 f. 438 Vgl. BGH v. 21.3.2022 – VIa ZR 275/21, NJW 2022, 2196 Rz. 18 f. – Dagegen und für – freilich keinen praxistauglichen Maßstab aufzeigend – eine Einzelfallbetrachtung Brand, NJW 2004, 1138, 1140 f. 439 BGH v. 21.3.2022 – VIa ZR 275/21, NJW 2022, 2196 Rz. 17. 440 Vgl. OLG Frankfurt v. 18.8.1987 – 3 UF 255/86, BeckRS 2010, 30106 (freilich unzutreffend die Zustellungsdauer und nicht die Fristüberschreitung [nur wenige Monate] betrachtend). 441 Vgl. zur Dauer einer Auslandszustellung auch das Planbeispiel von Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 66. 442 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 30 f.; Hök, ZAP 2005, 735, 743 f. – A.A. Försterling, IPRax 2005, 124, 125; Kuntze-Kaufhold/Beichel-Benedetti, NJW 2003, 1998, 1999; vgl. auch Brand/Reichhelm, IPRax 2001, 173, 177. 443 Vgl. zur gebotenen Vorsicht Schlosser, IPRax 2021, 453, 454. 444 BGH v. 21.3.2022 – VIa ZR 275/21, NJW 2022, 2196 Rz. 21. – A.A. Kuntze-Kaufhold/Beichel-Benedetti, NJW 2003, 1998, 2000.
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Einl. EU-ZustVO 2020
Antragsteller treffen insoweit im Grundsatz keine Obliegenheiten. Den Antragsteller trifft auch keine Obliegenheit, ein Schriftstück vorab zum Zweck der Zustellung übersetzen zu lassen;445 ebenso wenig trifft den Antragsteller eine Obliegenheit, von der Einholung einer vorsorglichen Übersetzung Abstand zu nehmen.446 Vielmehr steht es im Ausgangspunkt nach Art. 9 EU-ZustVO 2020 im Belieben des Antragstellers, mit oder zunächst ohne Übersetzung zuzustellen (s. Art. 9 EU-ZustVO 2020 Rz. 16 f.). Erst nachdem die Übersetzungsobliegenheit durch Wahl des Antragstellers oder des Zustellungsadressaten unbedingt geworden ist, muss der Antragsteller ihr unverzüglich entsprechen, d.h. eine Übersetzung beibringen oder den Vorschuss für eine gerichtlich zu beauftragende Übersetzung einzahlen (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 104).447 Über die Berücksichtigung dessen und nicht durch eine verordnungsautonome Reduktion von Art. 12 Abs. 5 S. 3 EU-ZustVO 2020 ist den Gerechtigkeitsvorstellungen der deutschen Rechts Geltung zu verschaffen (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 102 ff., 105). ee) Elektronische Kommunikation Gerichtliche Schriftstücke werden zwischen den Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen un- 114 mittelbar und so schnell wie möglich übermittelt (Art. 8 Abs. 1 EU-ZustVO 2020). Nach Ablauf der Übergangsfrist nach Art. 37 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 (1.5.2025) hat die Übermittlung im Grundsatz zwingend elektronisch über ein dezentrales IT-System zu erfolgen (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10, 11 ff.).448 Von der (elektronischen) Kommunikation zwischen den Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen zu unterscheiden ist die mit der Verordnung erstmals eröffnete Möglichkeit zur elektronischen Direktzustellung. Bei dieser wird ein zuzustellendes gerichtliches Schriftstück nicht von einer der vorgenannten Stellen an eine andere der vorgenannten Stellen in einen anderen Mitgliedstaat übermittelt, sondern ein gerichtliches Schriftstück wird durch ein in einem Mitgliedstaat ansässiges Gericht, eine Übermittlungsstelle oder einen Verfahrensbeteiligten dem Zustellungsadressaten, der eine bekannte Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat hat, direkt an sein elektronisches Postfach übermittelt. Durchgeführt wird diese Zustellung nach der lex fori. Sie kommt nur in Betracht unter den von Art. 19 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 benannten Voraussetzungen (neben einer besonderen Zustimmung des Adressaten entweder in der Form eines elektronischen Einschreibens oder unter Beachtung des unionsrechtsautonom vorgefassten und gegebenenfalls durch den Empfangsmitgliedstaat konkretisierten Rahmens per E-Mail gegen Empfangsbestätigung). In vor deutschen Gerichten geführten Verfahren können elektronische Direktzustellungen danach nur in den von § 173 ZPO gezogenen Grenzen erfolgen und müssen zusätzlich die sich aus Art. 19 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 sowie gegebenenfalls aus dem Recht des Empfangsmitgliedstaats ergebenden Beschränkungen (Art. 19 Abs. 2 EU-ZustVO 2020) einhalten. Letzteres erlangt bislang keine praktische Bedeutung, weil nach § 173 ZPO Zustellungen nur auf einem sicheren und Art. 19 Abs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020 unterfallenden Übermittlungsweg bewirkt werden können.449 ff) Heilung Ein Schriftstück gilt nach § 189 ZPO spätestens in dem Zeitpunkt als zugestellt, in welchem es der Person, an welche die Zustellung zu richten war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist, auch wenn sich die formgerechte Zustellung nicht nachweisen lässt oder der Zugang unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften bewirkt wurde. Unter der Voraussetzung, dass der Empfänger das zuzustellende Schriftstück tatsächlich erhalten hat, d.h. für ihn die effektive Möglichkeit zur Kenntnisnahme geschaffen wurde, verzichtet das deutsche Zustellungsrecht auf die Einhal445 Schlosser, IPRax 2021, 453, 454. – A.A. Schack, IZVR, Rz. 743. 446 Hess, IPRax 2020, 127, 127 f.; Schlosser, IPRax 2021, 453, 454; vgl. auch BGH v. 11.7.2003 – V ZR 414/02, NJW 2003, 2830, 2831. – A.A. Brand, NJW 2004, 1138, 1139 f.; Brand/Reichhelm, IPRax 2001, 173, 177. 447 Vgl. Hess, IPRax 2020, 127, 128. 448 Verfehlt war die Ansicht von Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 42, die die Zustellung regelnde Anordnung in § 174 Abs. 3 S. 1 ZPO (i.d.F. v. 3.5.2011) habe unter der EG-ZustVO 2007 die nationale Grundlage für die Kommunikation zwischen den Übermittlungs- und Empfangsstellen enthalten. 449 BT-Drucks. 20/1110, 30.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung tung von Förmlichkeiten – deren Beachtung dient der Information des Empfängers, ist dagegen nicht Selbstzweck. Die Verordnung ihrerseits enthält demgegenüber keine allgemeine Heilungsvorschrift (s. Rz. 62) und auch keine spezifische Kollisionsregel für das auf die Heilung von Zustellungsmängeln anwendbare Recht.450 Vielmehr sieht Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO 2020 eine Heilung nur zur Überwindung einer wirksamen Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts vor; eine entsprechende Anwendung dieser Heilungsmöglichkeit wurde vom EuGH befürwortet für den Fall der Verletzung der Belehrungspflicht aus Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 75).451 Weitere Regelungen zur Heilung von Zustellungsmängeln enthält die Verordnung nicht. Zunächst handelt es sich bei Art. 22 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 nicht um eine Heilungsvorschrift, wie u.a. in Art. 22 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 erkennbar wird (s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 f.). Auch Art. 22 Abs. 1 lit. b EU-ZustVO 2020 ist nicht als Heilungsvorschrift zu qualifizieren, sondern regelt einen zur Zustellung alternativen Tatbestand, durch dessen Erfüllung dem von Art. 22 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 angestrebten Schutz des Beklagten genügt wird.452 Vergleichbares gilt schließlich für verordnungsautonom getroffene Aussagen zur Zulässigkeit einer Ersatzzustellung (Erwägungsgrund 30 EU-ZustVO 2020). Es existiert schließlich auch kein (ungeschriebener) unionsrechtlicher Grundsatz der Heilung durch tatsächlichen Zugang.453 116
Die Heilung von Zustellungsmängeln richtet sich (nur) nach dem auf die Ausführung der Zustellung anwendbaren Recht; von vornherein keiner Heilung bedürfen von Zustellungsmängeln zu unterscheidende Verstöße lediglich gegen die den Rechtshilfeverkehr ausgestaltenden Vorschriften, weil sie die Wirksamkeit einer Zustellung nicht berühren (s. Rz. 63). Im Anwendungsbereich der Verordnung kommt nach Vorstehendem eine Heilung von Zustellungsmängeln in Anwendung von § 189 ZPO nur in Betracht, soweit sich die Ausführung der Zustellung nach deutschem Recht richtet (insbesondere eingehende Zustellungsersuchen).454 Im Übrigen scheitert ein Rückgriff auf § 189 ZPO am Anwendungsvorrang der Verordnung.455 Dies gilt zunächst, soweit sich die Ausführung der Zustellung nach Unionsrecht (z.B. Art. 12 EU-ZustVO 2020, Art. 18 EU-ZustVO 2020) richtet (s. Rz. 64).456 Unter Beachtung des Exklusivitätsanspruchs der Verordnung gilt dies aber auch, soweit eine Zustellung (wegen Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020) nach dem Recht eines anderen Mittgliedstaats ausgeführt wird (s. Rz. 64). Hier kommt ein Rückgriff auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaats an-
450 Vgl. OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu I. 10.3. der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 27. 451 EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 60 ff. – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a. 452 Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 4. – Abw. OLG Frankfurt v. 20.8.2008 – 5 W 23/08, NJW-RR 2009, 71, 72; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 15 f., 18 ff.; vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 27. 453 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 27; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 41; Geimer/Schütze/Okonska, Vor Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 24; Roth in FS Gerhardt, S. 799, 805. Vgl. auch EuGH v. 16.2.2006 – C-3/05, ECLI:EU:C:2006:113 Rz. 36 – J.M. Van der Hoeven BV u.a., Pubblico Ministero; GA Kokott, Schlussanträge v. 24.11.2005 – C-3/05, ECLI:EU:C:2005:722 Rz. 50 ff. – Gaetano Verdoliva/J. M. Van der Hoeven BV u.a. – Zu Art. 27 Nr. 2 BrüsselÜbk. (nicht dagegen für das Erkenntnisverfahren im Forummitgliedstaat) für einen solchen Grundsatz aber Kondring, S. 338 ff., 368 f. – A.A. inzident Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 8 EuZVO Rz. 9: Heilung bei Annahmeverweigerung infolge Kenntniserlangung. 454 Vgl. Stadler, IPRax 2002, 471, 477. 455 Vgl. Eichel, IPRax 2017, 352, 354; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 32, Art. 1 EuZVO Rz. 19; Rauscher, JZ 2006, 251; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1068 ZPO Rz. 11, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 12; Richter, IPRax 2022, 433, 439; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.38 (zur Sprachenregelung). Vgl. auch LG Hamburg v. 25.2.2021 – 327 O 433/19, BeckRS 2021, 6471 Rz. 30. Vgl. zum HZÜ BGH v. 14.9.2011 – XII ZR 168/09, NJW 2011, 3581 Rz. 38. – A.A. OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu I. 10.3 der Gründe; OLG Dresden v. 8.3.2021 – 8 U 2149/20, BeckRS 2021, 18109 Rz. 13; OLG Dresden v. 7.4.2020 – 4 U 2805/19, BeckRS 2020, 7500 Rz. 10; LG Frankenthal v. 10.7.2020 – 9 O 55/19, BeckRS 2020, 20368 Rz. 28; LG Hamburg v. 24.6.2021 – 327 O 32/20, BeckRS 2021, 57817 Rz. 24; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 44; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240 f.; Schlosser/Hess/Schlosser, Vor Art. 12 EuZVO Rz. 1; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1068 ZPO Rz. 8. 456 A.A. LG Frankenthal v. 10.7.2020 – 9 O 55/19, BeckRS 2020, 20368 Rz. 28 für Postzustellung.
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statt oder ergänzend zum Recht des Empfangsmitgliedstaats nicht in Betracht.457 Erst recht scheitert mit Blick auf den Exklusivitätsanspruch der Verordnung eine Heilung in Anwendung von § 189 ZPO in dem Fall, dass die Zustellung auf einem von der Verordnung gar nicht eröffneten Übermittlungsoder Zustellungsweg bewirkt wurde (s. Rz. 63). Von der Möglichkeit, Zustellungsmängel zu heilen, streng zu unterscheiden ist die Möglichkeit, die 117 infolge eines Zustellungsmangels fehlerhafte und unwirksame Prozesshandlung zu ersetzen.458 Diesbezüglich sieht § 295 ZPO vor, dass die Verletzung einer das Verfahren und insbesondere die Form einer Prozesshandlung betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden kann, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet oder den Mangel nicht fristgemäß gerügt hat, obgleich er ihr bekannt war oder bekannt sein musste. Dies gilt auch für den Fall, dass sich die Unwirksamkeit einer Prozesshandlung aus einem Zustellungsmangel ergibt und zwar ohne Rücksicht darauf, in der Verletzung welcher Rechtsordnung (Recht des Ursprungs- oder des Empfangsmitgliedstaats oder Unionsrecht) der Zustellungsmangel gründet.459 In Abgrenzung zur Begrenzung eines Rückgriffs auf § 189 ZPO durch den Anwendungsvorrang der Verordnung wirkt sich aus, dass der Anwendung von § 295 ZPO der Verzicht auf eine Zustellung entspricht, während die Anwendung von § 189 ZPO einer Modifizierung des Zustellungstatbestands entspricht, und die Verordnung nicht regelt, ob überhaupt eine Zustellung erforderlich ist (vgl. Erwägungsgrund 6 EU-ZustVO 2020 a.E.; s. Rz. 60), sondern nur bestimmt, wann eine erforderliche Zustellung als grenzüberschreitende Zustellung auf den von der Verordnung vorgesehenen Wegen zu erfolgen hat. Allerdings ist zu beachten und bleibt unberührt, dass jedenfalls wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts nicht in Anwendung von § 295 ZPO auf unionsrechtlich fundierte Zustellungslasten (z.B. Art. 22 Abs. 1 EU-ZustVO 2020, auf welche § 295 ZPO freilich schon seinen Voraussetzungen nach keine Anwendung findet) verzichtet werden kann. gg) Pfändungs- und Überweisungsbeschluss; Vorpfändung Gesondert angesprochen wird die Zustellung im Ausland für Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse 118 deutscher Vollstreckungsgerichte in § 829 Abs. 2 S. 3 ZPO (i.V.m. § 835 Abs. 3 S. 1 ZPO) und für die Zustellung der Benachrichtigung über eine Vorpfändung durch deutsche Gerichtsvollzieher (§ 845 Abs. 1 S. 3 ZPO). Darin, dass die dortigen Anordnungen nur außerhalb des Geltungsbereichs des Unionsrechts, d.h. der Verordnung (sowie des mit dem Königreich Dänemark geschlossenen Parallelabkommens) gelten, findet seine Bestätigung, dass Zustellungen im Anwendungsbereich dieser beiden Rechtsakte exklusiv nach deren Vorschriften erfolgen.460 Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse deutscher Vollstreckungsgerichte und auf Grundlage von § 845 ZPO erfolgte Vorpfändungen, welche durch die EU-KPfVO als fakultatives Instrument nicht ausgeschlossen werden (vgl. Art. 1 Abs. 2 EUKPfVO), sind danach an Drittschuldner und Schuldner mit bekannter Zustelladresse (nur) in einem anderen Mitgliedstaat nach den Vorschriften der Verordnung zuzustellen, soweit es nicht ausnahmsweise an einer Zivilsache fehlt (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff.).461 Vice Versa gilt dasselbe.462 457 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 29 ff. – A.A. OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu I. 3. der Gründe: Recht des Ursprungsmitgliedstaats für gerichtliche Schriftstücke; LG Hamburg v. 24.6.2021 – 327 O 32/20, BeckRS 2021, 57817 Rz. 24 (Ursprungsmitgliedstaat); LG Hamburg v. 25.2.2021 – 327 O 433/19, BeckRS 2021, 6471 Rz. 30 (Ursprungsmitgliedstaat); BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 42; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 44; Kondring, IPRax 2007, 138, 142 f.; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Einl. EuZVO Rz. 8, Art. 7 EuZVO Rz. 5; Richter, IPRax 2022, 433, 439 f.; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240 f.; Schack, IZVR, Rz. 746 ff. Zum HZÜ auch BGH v. 14.9.2011 – XII ZR 168/09, NJW 2011, 3581 Rz. 24 ff. 458 Vgl. Kondring, S. 60. Vgl. zudem in Bezug auf den Verzicht auf die wirksame Zustellung im Rahmen der Anerkennung Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 12. 459 Vgl. OLG Saarbrücken v. 9.2.2010 – 4 U 449/09, IPRax 2012, 157, BeckRS 2010, 8270 zu V. 1. b) der Gründe; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 44. – A.A. tendenziell Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 19. 460 Vgl. BT-Drucks. 20/1110, 27. 461 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 25. 462 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 25; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 1 EuZVO Rz. 6.
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Einl. EU-ZustVO 2020 Einleitung 119
Wird ein Pfändungs- bzw. Überweisungsbeschluss bzw. eine Benachrichtigung von einer Vorpfändung auf der Grundlage der Verordnung im Ausland wirksam zugestellt, treten die nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats anknüpfend hieran vorgesehenen Rechtswirkungen ein. Da ein Pfändungs- bzw. Überweisungsbeschluss bzw. das von einer Vorpfändung bewirkte Zahlungsverbot ein Hoheitsakt ist, sind diese Rechtswirkungen im Ausgangspunkt aber auf den Ursprungsmitgliedstaat beschränkt.463 Dazu, ob sie auch im Empfangsmitgliedstaat (oder weiteren Staaten) eintreten, trifft die Verordnung (ebenso wie die Brüssel Ia-VO) keine Aussage.464 Vielmehr richtet sich dies nach dem Recht des Empfangsmitgliedsstaats (bzw. der weiteren Staaten).465 Dieses befindet darüber, ob und inwieweit die hoheitlichen Wirkungen eines Pfändungs- bzw. Überweisungsbeschlusses (einschließlich z.B. § 840 ZPO) bzw. einer Vorpfändung anerkannt werden. Daraus, dass der betreffende Mitgliedstaat durch Gewährung von Rechtshilfe an der Zustellung mitgewirkt hat, folgt keine Pflicht zur Anerkennung der Wirkungen des zugestellten Hoheitsakts. hh) Rechtsschutz
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Die Verordnung sieht keinen autonomen Rechtsschutz betreffend die (zentrale) Feststellung der Wirksamkeit einer Zustellung vor. Vielmehr geht sie davon aus, dass jeweils diejenige Instanz, welche über die an eine Zustellung anknüpfenden Rechtsfolgen zu erkennen hat, als Vorfrage hierzu auch die Wirksamkeit der Zustellung feststellt (s. auch Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 49, 59, 93).466 Dies bedeutet, dass im Rahmen eines vor einem deutschen Gericht nach der ZPO geführten Zivilprozesses das erkennende Gericht z.B. im Rahmen der Entscheidung über Prozesszinsen nach § 291 BGB die Wirksamkeit der Zustellung festzustellen hat. Den in eine grenzüberschreitende Zustellung auf der Grundlage der Verordnung eingebundenen Stellen (insbesondere Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen, Zustellpersonen, Postdienstleister) kommt (als solchen) eine entsprechende Entscheidungskompetenz dagegen nicht zu (s. auch Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 5, 18).467 Die Verordnung regelt ebenso wenig einen Rechtsschutz der Betroffenen gegen Vornahme oder Unterlassung von Maßnahmen der in die grenzüberschreitende Zustellung eingeschalteten Stellen.468 Unter Berücksichtigung des beschränkten Regelungsansatzes der Verordnung bedeutet dies aber nicht, dass Rechtsschutz insoweit nicht zu erlangen ist, sondern, dass sich der Rechtsschutz nach dem jeweils auf die Beziehung zur jeweils eingeschalteten Stelle anwendbaren Recht richtet.469 Dabei ist der Anwendungsvorrang der Verordnung zu beachten, weshalb ein die Schnelligkeit der Zustellung beeinträchtigender Rechtsschutz nur in Betracht kommt, soweit dies zum Schutz hinreichend gewichtiger, unionsrechtlich als schutzwürdig anerkannter Interessen erforderlich ist. Dagegen folgt aus dem Anwendungsvorrang der Verordnung nicht, dass der nach nationalem Recht eröffnete Rechtsschutz nicht befristet werden darf, weil und soweit die Verordnung einen entsprechenden Rechtsschutz nicht vorsieht und die Befristung des Rechtsschutzes nicht der Heilung von Zustellungsmängeln gleichkommende Wirkungen zeitigt.470
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Maßnahmen und Unterlassungen deutscher Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen sind Justizverwaltungsakte.471 Der Rechtsschutz der Betroffenen richtet sich dementsprechend für ein463 Vgl. Geimer, S. 74 f. 464 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 12; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 1 EuZVO Rz. 6. 465 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 12; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 26; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 1 EuZVO Rz. 6. 466 Vgl. EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 56 f., 65, 76 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 41, 73 – Alpha Bank Cyprus Ltd./ Senh Dau Si u.a. Vgl. auch Geimer, S. 95 f. 467 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 55 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 37 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a. 468 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 35. 469 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 35 f. 470 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 36. – A.A. OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 17 ff. 471 KG v. 13.8.2015 – 1 VA 8/15, BeckRS 2015, 16899 Rz. 4; OLG Dresden v. 6.11.2018 – 4 W 940/18, NJW-RR 2019, 319 Rz. 2; OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 15.
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Einleitung
Einl. EU-ZustVO 2020
wie ausgehende Zustellungen472 insoweit nach Art. 23 ff. EGGVG. Dies gilt zunächst, wenn beanstandet werden soll, dass die Übermittlungsstelle die Vermittlung oder Ausführung einer Zustellung verweigert473 oder Anregungen des Antragstellers nicht berücksichtigt hat. Weiter gilt dies, wenn beanstandet werden soll, dass eine Empfangsstelle auf ausländisches Ersuchen im Inland die Zustellung verfügt oder fehlerhaft verfügt bzw. ausgeführt hat.474 Rechtsschutz kann, besteht ein hinreichendes Interesse (z.B. Verhinderung oder Widerlegung bzw. Erschütterung einer Zustellungsbescheinigung), in diesem Fall auch noch nach Ausführung der Zustellung und auch nach Rücksendung der Zustellungsbescheinigung erlangt werden.475 Ebenfalls gilt dies, wenn beanstandet werden soll, dass die Zustellungsbescheinigung nach Art. 14 EU-ZustVO 2020 fehlerhaft ausgestellt und z.B. eine Annahmeverweigerung nicht vermerkt wurde. Überdies gilt dies in dem Fall, dass die Weigerung einer Übermittlungsstelle, eine Parteizustellung zu vermitteln, beanstandet werden soll. Vorbeugender Rechtsschutz ist sowohl gegen die Verfügung oder Ausführung einer Zustellung (durch deutsche Empfangsstellen) wie gegen die Übermittlung eines Rechtshilfeersuchens (durch deutsche Übermittlungsstellen) gegeben.476 Vom Rechtsschutz gegen Maßnahmen und Unterlassungen von Übermittlungs-, Empfangs- und Zen- 122 tralstellen zu unterscheiden ist der durch das und gegenüber dem Prozessgericht gewährte Rechtsschutz, selbst wenn das Prozessgericht zugleich Übermittlungsstelle ist. Nur in seiner Eigenschaft als Übermittlungsstelle übt das Prozessgericht eine Tätigkeit im Rahmen der Justizverwaltung aus. Dagegen wird es in seiner Eigenschaft als Prozessgericht rechtsprechend tätig.477 Lehnt das Prozessgericht im Rahmen seiner rechtsprechenden Tätigkeit die Anordnung einer Zustellung ab oder legt es dem Antragsteller in dieser Eigenschaft z.B. auf, eine Übersetzung beizubringen, richtet sich der Rechtsschutz des Antragstellers nicht nach §§ 23 ff. EGGVG. Vielmehr sind für den Antragsteller die im Rahmen des vor dem Prozessgericht geführten Verfahrens eröffneten Rechtsbehelfe gegeben (insbesondere sofortige Beschwerde).478 Das Prozessgericht ist im Rahmen seiner rechtsprechenden Tätigkeit an die Entscheidungen einer Übermittlungs-, Empfangs- oder Zentralstelle oder eine im Verfahren nach 23 ff. EGGVG ergangene Entscheidung nur in dem Maße gebunden, wie ein Justizverwaltungsakt aufgrund von ihm gegebenenfalls zukommenden Drittwirkungen auch die Parteien bindet.479
X. Länderangaben Unbeschadet der Regelung der Grenzen überschreitenden Zustellung von gerichtlichen und außer- 123 gerichtlichen Schriftstücken in Zivil- und Handelssachen in einer in allen beteiligten Mitgliedstaaten (zu Dänemark s. Rz. 44) unmittelbar geltenden Verordnung ist die Praxis unverändert auf länderspezifische Kenntnisse angewiesen. Dies gilt einmal – nicht anders als in Bundesstaaten – im Hinblick auf die jeweils für die Mitwirkung an einer Zustellung zuständigen Stellen (s. Rz. 98 ff.). Weiter gilt dies im Hinblick auf die Ausfüllung der von der Verordnung, freilich in zunehmend deutlich geringem Umfang, für die Mitgliedstaaten vorgesehenen Vorbehalts-, Beschränkungs- und Abweichungsmöglichkeiten (s. Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 ff., Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 30 ff.). Die Mitgliedstaaten haben vor diesem Hintergrund der Kommission nach Art. 33 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 472 Geimer/Schütze/Okonska, Vor Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Pabst in MünchKomm/ZPO, § 23 EGGVG Rz. 74. 473 OLG Dresden v. 6.11.2018 – 4 W 940/18, NJW-RR 2019, 319 Rz. 2. – A.A. für außergerichtliche Schriftstücke BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 21 EuZVO 2022 Rz. 3: verwaltungsrechtliche Leistungsklage. 474 Vgl. KG v. 13.8.2015 – 1 VA 8/15, BeckRS 2015, 16899 Rz. 4; OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 15; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 36. 475 OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 16; Geimer/Schütze/Okonska, Vor Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Pabst in MünchKomm/ZPO, § 23 EGGVG Rz. 74. 476 Wieczorek/Schütze/Schütze, Vor §§ 1067–1071 ZPO Rz. 5. 477 OLG Dresden v. 6.11.2018 – 4 W 940/18, NJW-RR 2019, 319 Rz. 2. 478 OLG Dresden v. 6.11.2018 – 4 W 940/18, NJW-RR 2019, 319 Rz. 2; OLG Frankfurt v. 3.11.2021 – 6 W 95/21, BeckRS 2021, 34589 Rz. 5; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor § 1067 ZPO Rz. 7. 479 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 36.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich eine Reihe von hiermit im Zusammenhang stehenden Angaben zu übermitteln. Diese werden durch die Kommission in gewissem Umfang im Amtsblatt der Union bekannt gemacht.480 Vor allem aber hat die Kommission ein Handbuch zu erstellen, zu aktualisieren und in elektronischer Form zu publizieren, dem die notwendigen Angaben entnommen werden können (Erwägungsgrund 36 EU-ZustVO 2020, Art. 33 Abs. 4 EU-ZustVO 2020). Dem trägt die Kommission Rechnung durch eine eigene Rubrik (Europäischer Gerichtsatlas für Zivilsachen – Zustellung von Schriftstücken (Neufassung)) im e-Justice-Portal. Dort können die länderspezifischen Angaben eingesehen werden. Dass diese Angaben in elektronischer Form vorgehalten werden, soll ermöglichen, dass sie von hoher Aktualität sind. Freilich lässt die Aktualität, insbesondere aufgrund von Nachlässigkeiten der Mitgliedstaaten (vgl. Erwägungsgrund 36 S. 2 EU-ZustVO 2020), teilweise zu wünschen übrig.481
Kapitel I Allgemeine Bestimmungen (Art. 1–Art. 7)
Artikel 1 Anwendungsbereich (1) 1Diese Verordnung gilt für die grenzüberschreitende Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen. 2Sie gilt insbesondere nicht für Steuerund Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung eines Mitgliedstaats für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta iure imperii“). (2) Mit Ausnahme des Artikels 7 gilt diese Verordnung nicht, wenn die Anschrift des Empfängers eines Schriftstücks unbekannt ist. (3) Diese Verordnung gilt nicht für die Zustellung eines Schriftstücks in dem Forummitgliedstaat an einen Bevollmächtigten der Person, an die zugestellt werden soll, unabhängig davon, wo diese Person ihren Wohnsitz hat. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Teilregelung des Anwendungsbereichs . b) Dreifache Begrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . c) Bedeutung der Eröffnung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EG-ZustVO 2000 . . . . . . . . . . . . . c) EG-ZustVO 2007 . . . . . . . . . . . . . d) EU-ZustVO 2020 . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . bb) Neufassung grenzüberschreitendes Element . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 1 1
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. 3 . 6 . 6 . 7 . 8 . 10 . 10
. . 14
3. Dispositivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 II. Zivil- und Handelssache . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handelssachen als Unterfall der Zivilsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentliches Recht . . . . . . . . . . . . c) Autonome Auslegung statt Doppelqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . d) Parallelität zur Brüssel Ia-VO; keine eingeschränkte Kognitionsobliegenheit/ -befugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstand der Qualifikation . . . . . . . 3. Begriffsbedeutung . . . . . . . . . . . . . . 4. Erfasste Rechtsbereiche . . . . . . . . . . .
. . 19 . . 19 . . 19 . . 20 . . 22 . . . .
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23 24 25 27
480 Vgl. für die Vergangenheit die Aufstellung bei Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 45. 481 Vgl. schon Gauzès, A6-0024/2006, S. 4 mit Vorschlag für neuen Erwägungsgrund 9a; Erwägungsgrund 19 S. 2 EG-ZustVO 2007; Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 43; SWD(2018) 287 final, S. 19; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 44. Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 33 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich eine Reihe von hiermit im Zusammenhang stehenden Angaben zu übermitteln. Diese werden durch die Kommission in gewissem Umfang im Amtsblatt der Union bekannt gemacht.480 Vor allem aber hat die Kommission ein Handbuch zu erstellen, zu aktualisieren und in elektronischer Form zu publizieren, dem die notwendigen Angaben entnommen werden können (Erwägungsgrund 36 EU-ZustVO 2020, Art. 33 Abs. 4 EU-ZustVO 2020). Dem trägt die Kommission Rechnung durch eine eigene Rubrik (Europäischer Gerichtsatlas für Zivilsachen – Zustellung von Schriftstücken (Neufassung)) im e-Justice-Portal. Dort können die länderspezifischen Angaben eingesehen werden. Dass diese Angaben in elektronischer Form vorgehalten werden, soll ermöglichen, dass sie von hoher Aktualität sind. Freilich lässt die Aktualität, insbesondere aufgrund von Nachlässigkeiten der Mitgliedstaaten (vgl. Erwägungsgrund 36 S. 2 EU-ZustVO 2020), teilweise zu wünschen übrig.481
Kapitel I Allgemeine Bestimmungen (Art. 1–Art. 7)
Artikel 1 Anwendungsbereich (1) 1Diese Verordnung gilt für die grenzüberschreitende Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen. 2Sie gilt insbesondere nicht für Steuerund Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung eines Mitgliedstaats für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta iure imperii“). (2) Mit Ausnahme des Artikels 7 gilt diese Verordnung nicht, wenn die Anschrift des Empfängers eines Schriftstücks unbekannt ist. (3) Diese Verordnung gilt nicht für die Zustellung eines Schriftstücks in dem Forummitgliedstaat an einen Bevollmächtigten der Person, an die zugestellt werden soll, unabhängig davon, wo diese Person ihren Wohnsitz hat. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Teilregelung des Anwendungsbereichs . b) Dreifache Begrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . c) Bedeutung der Eröffnung des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . b) EG-ZustVO 2000 . . . . . . . . . . . . . c) EG-ZustVO 2007 . . . . . . . . . . . . . d) EU-ZustVO 2020 . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . bb) Neufassung grenzüberschreitendes Element . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Dispositivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 II. Zivil- und Handelssache . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handelssachen als Unterfall der Zivilsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Öffentliches Recht . . . . . . . . . . . . c) Autonome Auslegung statt Doppelqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . d) Parallelität zur Brüssel Ia-VO; keine eingeschränkte Kognitionsobliegenheit/ -befugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenstand der Qualifikation . . . . . . . 3. Begriffsbedeutung . . . . . . . . . . . . . . 4. Erfasste Rechtsbereiche . . . . . . . . . . .
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480 Vgl. für die Vergangenheit die Aufstellung bei Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 45. 481 Vgl. schon Gauzès, A6-0024/2006, S. 4 mit Vorschlag für neuen Erwägungsgrund 9a; Erwägungsgrund 19 S. 2 EG-ZustVO 2007; Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 43; SWD(2018) 287 final, S. 19; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 44. Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 33 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen III. Gerichtliche oder außergerichtliche Schriftstücke . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schriftstück . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gerichtlich . . . . . . . . . . . . . . . 4. Außergerichtlich . . . . . . . . . . . .
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IV. Grenzüberschreitende Zustellung zwischen Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wesensmerkmal: Erfordernis grenzüberschreitender Information . . . . . . . . . . . . 3. Bekannte Zustelladresse in anderem Mitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begriffe und Bedeutung . . . . . . . . bb) Zustellungsadressat . . . . . . . . . . . cc) Zustellungsempfänger . . . . . . . . . b) Zustelladresse . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bekanntheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine bekannte Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . a) Nur halbseitige Voraussetzung . . . . . . . b) Zustelladresse . . . . . . . . . . . . . . . . .
29 29 30 31 32 33 33 36 39 39 39 41 42 44 46 50 50 51
Art. 1 EU-ZustVO 2020
c) Bekanntheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zeitpunkt und Horizont . . . . . . . . . . . . 6. Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich eröffnet . . . . . . . . b) Anwendungsbereich nicht eröffnet . . . . . V. Anwendungsbeschränkung bei unbekannter Anschrift (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unbekanntheit . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Anwendungsausschluss bei Zustellung an Vertreter (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuzustellendes Schriftstück . . . . . . . . b) Bevollmächtigter im Ursprungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unerheblich: Wohnsitz des Vertretenen . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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54 55 56 56 58 59 59 60 60 61 63 65 65 67 67
. 68 . 70 . 71
Schrifttum: Bach, Beklagter mit unbekanntem Wohnsitz – Internationale Zuständigkeit, fiktive Zustellung und Vollstreckung eines Versäumnisurteils, EuZW 2012, 381; Bach, Kein obligatorischer Charakter der EuBeweisVO bei Vernehmung eines ausländischen Zeugen, EuZW 2012, 833; Bittmann, Der Begriff der „Zivil- und Handelssache“ im internationalen Rechtshilfeverkehr, IPRax 2012, 216; Düsterhaus, Anm. zu EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, NJW 2013, 445; R. Geimer, English Substituted Service (Service by an Alternative Method) and the Race to the Courthouses, in FS Rolf A. Schütze, 1999, S. 205; Hau, Einstweiliger Rechtsschutz gegen öffentliche Auftraggeber, IPRax 2022, 232; Heiderhoff, Keine Pflicht zur Bestellung eines inländischen Zustellungsbeauftragten im Anwendungsbereich der Europäischen Zustellungsverordnung, LMK 2011, 317529; Hesterberg/Mathey, Grenzüberschreitende Zustellungen innerhalb der Europäischen Union nach VO (EG) Nr. 1393/2007, DGVZ 2017, 98; Knöfel, RIW-Kommentar zu EuGH v. 11.6.2015 – C-226 u.a., RIW 2015, 503; Kondring, Vom stillen Ende der Remise au Parquet in Europa, RIW 2007, 330; Mankowski, Zustellung der von Privatpersonen erhobenen Klagen wegen des Zwangsumtauschs von griechischen Staatsanleihen an Griechenland nach EuZustVO („Fahnenbrock“), EWiR 2015, 495; Mankowski, Griechische Staatsanleihen und der griechische Schuldenschnitt vor dem EuGH (Folge Zwei), ZIP 2019, 193; Mankowski, Internationale Zuständigkeit für Streitigkeiten aus Vergabeverfahren nach Bestimmungen der EuGVVO zu Zivil- und Handelssachen („TOTO“), EWiR 2021, 747; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988; Roth, Remise au parquet und Auslandszustellung nach dem Haager Zustellungsübereinkommen von 1965, IPRax 2000, 497; Stadler, Ordnungsgemäße Zustellung im Wege der remise au parquet und Heilung von Zustellungsfehlern nach der Europäischen Zustellungsverordnung, IPRax 2006, 116; Strasser, Neues zum Europäischen Zustellungsrecht, Rpfleger 2013, 585; Stürner, Fiktive Inlandszustellungen und europäisches Recht, ZZP 126 (2013), 137; Sujecki, Zustellung an den Prozessbevollmächtigten der Vorinstanz in grenzüberschreitenden Fällen, EWS 2010, 523; Sujecki, Anm. zu BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 190/10, NJW 2011, 1887; Wagner, Anwendbarkeit der EuZVO auf Klagen gegen den griechischen Staat wegen des Zwangsumtauschs von Staatsanleihen, EuZW 2015, 636; Wißling, Zustellungserfordernis nach EuZVO und Anerkennungshindernis nach EuGVVO – zwei Seiten einer Medaille, GPR 2017, 25. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck a) Teilregelung des Anwendungsbereichs Der Vorschrift kommt für die Anwendung der Verordnung zentrale Bedeutung (s. auch Rz. 3 f.) zu. Ausweislich ihrer Überschrift behandelt sie die Festlegung (Eröffnung und Begrenzung) des AnwenUlrici
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich dungsbereichs der Verordnung.1 Entgegen der dadurch erweckten Erwartungen ist Gegenstand der Vorschrift tatsächlich aber nicht die Fassung des Anwendungsbereichs der Verordnung in allen seinen Dimensionen. Vielmehr wird lediglich eine Dimension des Anwendungsbereichs geregelt. Im Unterschied zu Art. 1 Abs. 3 EG-ZustVO 2007 trifft die Vorschrift zunächst keine Aussage mehr zum territorialen Anwendungsbereich.2 Insoweit verweist vielmehr die Schlussformel der Verordnung auf den Vertrag über die Europäische Union und den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union nebst der beigefügten Protokolle und erläutern daneben die Erwägungsgründe 47 f. EU-ZustVO 2020 diese Verweisung (zum territorialen Anwendungsbereich s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 ff.). Ebenfalls keine Aussage trifft die Vorschrift zum zeitlichen Anwendungsbereich. Dieser richtet sich nach Art. 37 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 f.); hieran anknüpfend begrenzt Art. 36 EU-ZustVO 2020 den zeitlichen Geltungsbereich der EG-ZustVO 2007 (s. Art. 36 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 f.). Durch die Vorschrift geregelt wird lediglich der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung.3 Auf eine gesonderte Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs wurde daneben verzichtet. Der Staatsangehörigkeit desjenigen, in dessen Interesse eine Zustellung liegt (Antragsteller, s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff.), und desjenigen, für und gegen den (Zustellungsadressat) oder an den (Zustellungsempfänger) zugestellt wird (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 ff.), kommt für die Anwendung der Verordnung, sieht man von Art. 17 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 ab (s. Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 ff.), keine Bedeutung zu.4 Die sich aus einer einem Zustellungsadressaten zukommenden Immunität ergebenden Grenzen bleiben unberührt. Sie stehen im Ausgangspunkt einer Zustellung aber nicht entgegen.5 Denn Staaten können auf ihre Immunität verzichten, was sachgerecht erst nach durch Zustellung erfolgter Verfahrensbegründung nebst Bestimmung eines Streitgegenstands möglich ist.6 Allerdings findet die Verordnung nach Maßgabe von Abs. 1 S. 2 („acta iure imperii“) keine Anwendung. b) Dreifache Begrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs 2
Den von ihr geregelten sachlichen Anwendungsbereich fasst die Vorschrift unter Kumulation dreier Kriterien.7 Anwendung findet die Verordnung danach in sachlicher Hinsichtlich nur für (1) grenzüberschreitende Zustellungen von (2) gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken in (3) Ziviloder Handelssachen. Mit der Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Zivil- oder Handelssachen lehnt sich der Verordnungsgeber an Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO sowie die parallelen Rechtsakte an (s. Rz. 19 ff.). Er verzichtet in diesem Zusammenhang allerdings auf einen mit Art. 1 Abs. 2 Brüssel IaVO vergleichbaren und der Abgrenzung der Brüssel Ia-VO gegenüber den für spezielle Materien vorgesehenen parallelen Instrumenten dienenden Ausnahmenkatalog. Der Anwendungsbereich der Verordnung reicht daher insoweit über den der Brüssel Ia-VO hinaus. Er kann (und soll) sich gleichermaßen z.B. mit dem der Brüssel Ia-VO wie mit dem der Brüssel IIb-VO oder z.B. auch der EGInsVO überschneiden (s. Rz. 27 f.). Mit dem Bezug auf gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke folgt Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 (sprachlich) Art. 1 Abs. 1 HZÜ sowie der Überschrift zu Abschnitt I HZPÜ (s. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 3; s. auch Rz. 32). Durch ihn soll, wie in Art. 21 EU-ZustVO 2020 erkennbar wird, aber weniger der Anwendungsbereich beschränkt als vielmehr der Anwendungsbereich über die im Fokus stehende Zustellung gerichtlicher Schriftstücke (Erwägungs-
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Vgl. ABl. EG 1997 C 261/28; KOM(1999) 219 endg. Abw. Verständnis bei BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 vor Rz. 1. Brenn, Art. 1 EZV Anm. a). Bataller, ABl. EG 1999 C 368/49 Ziff. 4.1.1. BGH v. 19.12.2017 – XI ZR 796/16, NJW 2018, 854 Rz. 29; BGH v. 8.3.2016 – VI ZR 516/14, BeckRS 2016, 6590 Rz. 24; BAG v. 18.9.2019 – 5 AZR 81/19, AP GVG § 20 Nr. 15 Rz. 40; LG Bonn v. 20.4.2016 – 1 O 72/13, BeckRS 2016, 10913; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 6; Mankowski, EWiR 2015, 495, 496; Mankowski, ZIP 2019, 193, 196 f.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 6. – A.A. KG v. 13.8.2015 – 1 VA 8/15, BeckRS 2015, 16899 Rz. 14; LG Neuruppin v. 5.6.2014 – 5 O 25/14, BeckRS 2014, 13055 zu 2. b) der Gründe. 6 Mankowski, EWiR 2015, 495, 496; Mankowski, ZIP 2019, 193, 196 f. 7 Vgl. auch Sharma, S. 82 ff.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
gründe 3 S. 2, 9 S. 1, 31 S. 1 EU-ZustVO 2020)8 hinaus ausgeweitet werden. Der Kompetenzgrundlage (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 1 f.) geschuldet ist die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf grenzüberschreitende Sachverhalte, deren Ausgestaltung Gegenstand der Erwägungsgründe 5 bis 7 EU-ZustVO 2020 sowie des Abs. 3 ist (s. Rz. 33 ff.). Dem Verständnis dieser Beschränkung kommt für die praktische Wirksamkeit der Verordnung beträchtliche Bedeutung zu und sie stand bereits zu den Vorgängerverordnungen in besonderer Weise im Fokus des wissenschaftlichen Interesses (s. Rz. 14 ff.). Entgegen ganz verbreiteter Annahme9 nicht auf die Ausgestaltung und Begrenzung des grenzüberschreitenden Elements zielt Abs. 2. Gegenstand dieser Regelung ist vielmehr die Begrenzung der die Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaat treffenden Pflichten.10 Freilich ist die Bekanntheit einer Anschrift im Empfangsmitgliedstaat unabhängig von Abs. 2 ein eigenständiges Unterelemente des grenzüberschreitenden Elements. Dieses von Abs. 2 zu unterscheiden ist erforderlich, um die vom Verordnungsgeber in Abs. 2 angesprochenen Ermittlungspflichten des Empfangsmitgliedstaats nicht sachwidrig in das den Ursprungsmitgliedstaat in Form des obligatorischen Charakters der Verordnung bindende grenzüberschreitende Element zu importieren. c) Bedeutung der Eröffnung des Anwendungsbereichs Der Eröffnung des Anwendungsbereichs kommt im Rahmen der Verordnung eine zweifache Bedeutung zu. Hierin unterscheidet sich die Vorschrift von Art. 1 HZÜ und Art. 1 HZPÜ. Für HZÜ und HZPÜ entscheidet die Eröffnung des Anwendungsbereichs nach ganz h.A. lediglich darüber, wann die von HZÜ und HZPÜ vorgesehenen (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswege im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr genutzt werden können und inwieweit die Vertragsstaaten als Bestimmungsstaaten (Empfangsmitgliedstaaten, s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 f.) eine Einschränkung ihrer Souveränität zu dulden bzw. zu ihr einen Ausgleich zu gewähren haben. Aus der Eröffnung des Anwendungsbereichs des HZÜ bzw. des HZPÜ folgt nach ganz h.A. dagegen nicht, dass aufgrund des jeweiligen Übereinkommens11 die vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege anstelle einer (fiktiven) Inlandszustellung genutzt werden müssen bzw. der Antragsteller auf ihre Nutzung anstatt einer (fiktiven) Inlandszustellung beschränkt ist.12 Demgegenüber entscheidet die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung nicht nur darüber, wann die vorgesehenen (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswege genutzt werden können. Vielmehr erlangt die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung Bedeutung auch dafür, wann (unter Zurücktreten nationalen Zustellungsrechts) der Antragsteller für eine Zustellung auf eine grenzüberschreitende Zustellung
8 Vgl. auch GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 49 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. 9 Vgl. EuGH v. 15.3.2012 – C-292/10, ECLI:EU:C:2012:142 Rz. 53 – G/Cornelius de Visser; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 43, 51 ff.; Heiderhoff, IPRax 2013, 309, 312; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 33, 47; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 32, 35; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 19 ff. 10 ABl. EG 1997 C 261/28; KOM(1999) 219 endg.; Lechner, A5-0060/1999, S. 14; Meyer, IPRax 1997, 401, 403; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 1 EuZVO Rz. 9; Sharma, S. 84 f. 11 Nach h.A. richtet sich vielmehr nach dem nationalen Recht der Vertragsstaaten als Ursprungsstaaten, in welchem Verhältnis die durch HZÜ bzw. HZPÜ eröffneten Übermittlungs- und Zustellungswege zu Formen der (fiktiven) Inlandszustellung stehen. 12 GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 31 – Krystyna Alder, Ewald Alder/ Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; BGH v. 26.6.2012 – VI ZR 241/11, NJW 2012, 2588 Rz. 17; BT-Drucks. 7/4892, 42; OLG Karlsruhe v. 24.6.2010 – 9 U 151/09, BeckRS 2011, 4793 zu II. A. 2) a) der Gründe; Bajons in FS Schütze, S. 49, 52; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 1 mit Fn. 2; Geimer, S. 37 f., 40, 180 f.; Geimer in FS Schütze, S. 205, 215; Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 2, 6; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 4, 39; Hess, NJW 2001, 15, 17; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 7; Kondring, S. 139, 225, 253, 388 f. (für § 175 ZPO a.F. aber auf Benachrichtigung ausweichend); Kondring, IPRax 2007, 138, 139; Kondring, RIW 2007, 330; Kondring, EWS 2013, 128, 129, 130; Roth, IPRax 2000, 497; Schack, IZVR, Rz. 718, 732, 737, 739; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.8; Stürner, JZ 1992, 325, 327; Stürner, ZZP 126 (2013), 137, 151. – Abw. Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 189; Rauscher, IPRax 1991, 155, 158. Vgl. auch Häublein/Müller in MünchKomm/ZPO, § 184 ZPO Rz. 4.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich verwiesen und deshalb auf die von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege beschränkt ist, d.h. diese (im Verhältnis zu [fiktiven] Inlandszustellungen) für eine Zustellung nutzen muss.13 Erkennbar wird dies zuvorderst in Abs. 3 der Vorschrift, für den es in HZÜ und HZPÜ keine Entsprechung gibt. Bestätigt wird dies dann aber vor allem durch den auf den, mit Bedeutung insbesondere für den Schutz des Zustellungsadressaten,14 harmonisierenden Ansatz der Verordnung Bezug nehmenden Erwägungsgrund 4 S. 1 EU-ZustVO 2020 („Regeln … festgelegt“) und vor allem durch Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 (S. 1 Halbs. 3 spricht nur das Müssen, nicht das Dürfen an) und die zu diesem Erwägungsgrund führende Rechtsprechung des EuGH (s. Rz. 9, 14 ff.).15 4
Unbeschadet des Umstands, dass der Wortlaut der Vorschrift im Zusammenhang mit Eröffnung und Begrenzung des Anwendungsbereichs der Verordnung nicht zwischen den beiden Bedeutungen der Fassung des Anwendungsbereichs differenziert, ist der Anwendungsbereich der Verordnung nicht für beide Bedeutungen im gleichen Umfang eröffnet.16 Von den durch die Verordnung eröffneten (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswegen kann in weiterem Umfang Gebrauch gemacht werden als sie für Zustellungen zwingend genutzt werden müssen. Dies klingt in dem Einschub in Erwägungsgrund 6 EU-ZustVO 2020 an und ist dem Umstand geschuldet, dass einzelne den Anwendungsbereich konturierende Bedingungen darauf abzielen, zum Schutz des Zustellungsadressaten die Anwendbarkeit der Verordnung sicherzustellen, nicht dagegen verhindern sollen, dass (unter Wahrung des Schutzes des Zustellungsadressaten) zugunsten des Antragstellers in weiterem Umfang grenzüberschreitende Zustellungen beschleunigt werden (s. Rz. 50, 65, 71). Auch steht dies im Einklang mit der zur EG-ZustVO 2007 im Schrifttum verbreiteten, wenngleich hinsichtlich ihres konkreten Inhalts hier nicht geteilten, sondern abgelehnten (s. Rz. 29, Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 16), Ansicht, dass der zwingende Charakter der Verordnung nur gerichtliche, nicht aber außergerichtliche Schriftstücke erfasst. Schließlich und vor allem spricht hierfür aber, dass anderenfalls der Anwendungsbereich der Verordnung in nennenswertem Umfang für das Nutzenkönnen hinter dem des HZÜ zurückbliebe mit der Folge, dass entgegen der Intention des Verordnungsgebers in entsprechendem Umfang das HZÜ zur Anwendung käme.
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Unbeschadet der zentralen Bedeutung der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung sieht diese keine Möglichkeit einer zentralen Prüfung und Feststellung vor (s. auch Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 120, Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 11).17 Vielmehr hat jeweils diejenige Instanz, welche über die Wirksamkeit oder Ordnungsmäßigkeit einer Zustellung zu erkennen hat, inzident und – soweit nicht ausnahmsweise Rechtskraftwirkungen bestehen – ohne Bindung an oder für die Entscheidungen anderer Instanzen darüber zu entscheiden, ob der Anwendungsbereich eröffnet ist. Die vom EuGH postulierte Einschränkung der Kognitionsobliegenheit (s. Rz. 23) in der Situation der Verfahrenseinleitung befördert dabei, dass verschiedene Instanzen im Einzelfall zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen.18
13 Vgl. EuGH v. 27.2.2020 – C-25/19, ECLI:EU:C:2020:126 Rz. 29 – Corporis sp. z o.o./Gefion Insurance A/S; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 68 f. – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 25 ff. – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; Heiderhoff, ZZPInt. 10 (2005), 296, 298; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Richter, IPRax 2022, 433, 434; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 2 f. – A.A. (zu Art. 1 EG-ZustVO 2007) OLG Karlsruhe v. 24.6.2010 – 9 U 151/09, BeckRS 2011, 4793 zu II. A. 2) a) der Gründe. 14 Vgl. auch GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 44 ff., 52 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. 15 Vgl. zudem die Gegenüberstellung beider Fragen in COM(2013) 858 final, S. 5 (Ziff. 3.1.1. vs. Ziff. 3.1.2). 16 A.A. inzident EuGH v. 27.2.2020 – C-25/19, ECLI:EU:C:2020:126 Rz. 25 ff. – Corporis sp. z o.o./Gefion Insurance A/S; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 13; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 156; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 23: Rücksendung bei Wohnsitz im Ursprungsmitgliedstaat. A.A. wohl auch Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2022, 97, 106. 17 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 3. 18 BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 21.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
2. Entstehungsgeschichte a) Allgemein Die Regelung geht zurück auf Art. 1 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)19 und Art. 1 EG-ZustVO 2000.20 Über diese Entwicklungslinie ist sie (unter Berücksichtigung der beschränkten Identität des Normzwecks, s. Rz. 3 f.) zudem auf Art. 1 HZÜ rückführbar und steht letztlich gleichermaßen auch in einer gemeinsamen Tradition zu dem allerdings weniger detaillierten Art. 1 HZPÜ sowie der Überschrift von Kapitel I HZPÜ.
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b) EG-ZustVO 2000 Nach dem an Art. 1 HZÜ anknüpfenden21 und in Art. 1 EG-ZustVO 2000 aufgegangenen Art. 1 EuZÜ 7 war der Anwendungsbereich eröffnet, wenn in Zivil- oder Handelssachen ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück von einem in einen anderen Mitgliedstaat zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist (Abs. 1); eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaat bestand nicht, wenn die Anschrift des Empfängers des Schriftstücks unbekannt ist (Abs. 2). Dabei ging Art. 1 EG-ZustVO 2000 von einem autonomen Verständnis des Begriffs der Zivil- und Handelssache aus, während zu Art. 1 HZÜ verbreitet eine Doppelqualifikation vertreten wurde (s. Rz. 22).22 Mit Rücksicht auf die Anlehnung an das HZÜ (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 37) und dessen Verständnis (s. Rz. 3), das Fehlen hierzu abgrenzender Erläuterungen,23 den Verordnungswortlaut,24 welcher sich von dem des Art. 1 HZPÜ („Schriftstücke[n], die für eine im Ausland befindliche Person bestimmt sind“) unterschied und die Übermittlung anstatt der Zustellung fokussierte, die Ausrichtung von Art. 19 EG-ZustVO 2007 auch auf „ein gleichwertiges Schriftstück“ (s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 24) sowie die schwerpunktmäßige25 Ausrichtung der Verordnung auf den Rechtshilfeverkehr (vgl. auch Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2000) wurde ganz überwiegend wie für Art. 1 HZÜ davon ausgegangen, dass die Eröffnung des Anwendungsbereichs Bedeutung nur dafür erlangt, inwieweit von den vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswegen Gebrauch gemacht werden kann. Dementsprechend wurde in Bezug auf das grenzüberschreitende Element wie für das HZÜ (s. Rz. 3) überwiegend angenommen, dass die Verordnung nicht selbst vorgebe, wann eine Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat erfolgen und ein Schriftstück daher in einen anderen Mitgliedstaat übermittelt werden muss, sondern sich dies nach dem für die eine Zustellung auslösende Stelle geltenden Recht bestimmte.26 Nur soweit nach dem für die eine Zustellung auslösende Stelle geltenden Recht eine solche in einem anderen Mitgliedstaat zu erfolgen hat, wurde der Anwendungsbereich der Verordnung als eröffnet angesehen.27 Der Anwendungsbereich der Verordnung wurde danach wie der Anwendungsbereich des HZÜ von der h.A. als nicht eröffnet angesehen, soweit anstelle einer effektiven Zustellung 19 20 21 22 23 24
Vgl. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 1 ff. Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 1. Vgl. Nassauer, A4-0101/97, B. 5.; Meyer, IPRax 1997, 401, 403. ABl. EG 1997 C 261/28. Vgl. ABl. EG 1997 C 261/28. Vgl. Stadler, IPRax 2001, 514, 516: „mißverständlich“. Zur Unklarheit des Wortlauts der Regelung vgl. auch EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 21 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 20, 51 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. 25 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/30; KOM(1999) 219 endg.: „Hauptübermittlungsweg“; COM(2013) 858 final, S. 10: „wichtigsten Übermittlungsweg“; Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 16: „ordinary method“; COM(2018) 379 final, S. 3: „herkömmlicher Weg“; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 9, 42: „main channel“, „main method“; Zöller/Geimer, Art. 1 EuZustVO Rz. 5. 26 Audiencia Provincial Zaragoza v. 13.2.2007 – 70/07; Bajons in FS Schütze, S. 49, 52 f.; Brenn, Art. 1 EZV Anm. i); Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 8; Heckel, IPRax 2008, 218, 220; Karaaslan, S. 2, 67; Peer, ÖJZ 2012, 5; Rahlf/Gottschalk, EWS 2004, 303, 305 f. Vgl. auch Heckel, IPRax 2008, 218, 221: EU fehle Kompetenz, einen Vorrang effektiver Zustellungen anzuordnen. – Anders aber die Bekanntmachung des französischen Justizministers vom 18.8.2004, zit. n. Kondring, RIW 2007, 330, 331. 27 Vgl. auch Audiencia Provincial Zaragoza v. 13.2.2007 – 70/07. – Abw. aber bereits OLG Düsseldorf v. 11.1.2008 – 17 U 86/07, IPRax 2010, 169 zu II. 2. b) der Gründe.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich im Ausland eine (fiktive) Zustellung im Inland erfolgen konnte.28 Es oblag nach diesem Verständnis den Mitgliedstaaten, vorbehaltlich der sich aus dem primären Unionsrecht ergebenden Schranken,29 durch Ausgestaltung ihres Rechts zu bestimmen, in welchem Verhältnis Zustellungen im Ausland zu inländischen Zustellungen stehen und inwieweit sich ein den Anwendungsbereich der Verordnung eröffnendes Bedürfnis zur grenzüberschreitenden Zustellung ergibt. c) EG-ZustVO 2007 8
Zum sachlichen Anwendungsbereich formulierte Art. 1 EG-ZustVO 2007 in Abs. 1, 2 im Grundsatz inhaltsgleich mit Art. 1 EG-ZustVO 2000. Durch Aufnahme von Abs. 1 S. 2 wurde in Anlehnung an die Brüssel I-VO, die EG-VollstrTitelVO und die EG-MahnVO aber klargestellt,30 dass Steuer-,31 Zoll-, Verwaltungs-32 und Staatshaftungssachen im Sinne der Verordnung keine Zivil- und Handelssachen sind. Dagegen blieb im verfügenden Normtext insbesondere die Fassung des grenzüberschreitenden Elements unverändert, obwohl der EuGH in der Rechtssache Scania Finance France SA/ Rockinger Spezialfabrik für Anhängerkupplungen GmbH & Co. ausgehend von der Formulierung in Art. IV Protokoll zum BüsselÜbk. und unter Hinweis auf die Bedeutung der Harmonisierung für den Schutz des Beklagten und das Funktionieren des durch das BrüsselÜbk. geschaffenen Systems zu Art. 27 Nr. 2 BrüsselÜbk. angenommen hatte, dass das Übereinkommen für seine Zwecke den Kreis der Übermittlungs- und Zustellungswege abschließend regelt mit der Folge, dass in den Fällen einer fiktiven Inlandszustellung Anerkennung und Vollstreckung verweigert werden können, weil, sofern zwischen Urteils- und Vollstreckungsstaat ein internationales Übereinkommen gilt, die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung des verfahrenseinleitenden oder gleichwertigen Schriftstücks an einen Beklagten im Grundsatz ausschließlich nach den Bestimmungen des jeweils geltenden Übereinkommens (und nicht nach dem Zustellungsrecht des Ursprungsmitgliedstaat) zu beurteilen ist.33 Ebenso wurde Art. 19 EG-ZustVO 2000 unverändert übernommen. Der Verordnungsgeber34 reagierte auf die vorgenannte Rechtsprechung des EuGH allerdings durch Einfügung eines neuen Erwägungsgrunds 8 EG-ZustVO 2007 (Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020), um auszuschließen, dass (für Anerkennung und Vollstreckung) eine grenzüberschreitende Zustellung auch dann erforderlich ist, wenn ohne Schutzminderung im Inland an einen Bevollmächtigten zugestellt werden kann. Neu im Vergleich mit Art. 1 EG-ZustVO 2000 war schließlich (nicht inhaltlich, aber textlich), dass Art. 1 Abs. 3 EG-ZustVO 2007 vergleichbar wie z.B. auch Art. 2 Abs. 3 EG-VollstrTitelVO und Art. 2 Abs. 3 EGMahnVO in Bezug auf den territorialen Anwendungsbereich klarstellte, dass die Verordnung keine 28 BT-Drucks. 16/6140, 78; Schack in FS Geimer, S. 931, 932, 942. 29 Zu diesen vgl. COM(2018) 379 final, S. 10; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012: 583 Rz. 27, 74 ff. – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; OLG Karlsruhe v. 12.3.1999 – 9 W 69/97, RIW 1999, 538, 539 zu II. 3 f. der Gründe; Bajons in FS Schütze, S. 49, 60 f., 66 f.; Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 6 f.; Heckel, IPRax 2008, 218, 223 f.; Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 189 f.; Roth, IPRax 2000, 497, 498; Sharma, S. 68 ff.; Stadler, IPRax 2001, 514, 516. 30 Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 1 EuZVO Rz. 1. – A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 2; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 20; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 2 mit Fn. 8; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 1, die annehmen, dass der Anwendungsbereich eingeschränkt wurde. Dem liegt ein Missverständnis der Begründung zum EuZÜ und zum Kommissionsentwurf zur EG-ZustVO 2000 zugrunde. Dort ist nicht ausgeführt, dass die Verordnung auch Straf-, Verwaltungsund Steuersachen erfasst, die zugleich Zivilsachen sind. Vielmehr ist dort nur hervorgehoben, dass Zivilsachen (subjektive Privatrechte) auch Gegenstand von Straf-, Verwaltungs- und Steuerverfahren sein können (z.B. Adhäsionsverfahren), vgl. ABl. EG 1997 C 261/28: „Nebenklagen“; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/49: „Zivilklagen, über die in Straf- oder Steuersachen entschieden wird“; KOM(1999) 219 endg.: „damit zusammenhängende zivilrechtliche Verfahren“; Lechner, A5-0060/1999, S. 14: „zusammenhängenden zivilrechtlichen Verfahren“; Brenn, Art. 1 EZV Anm. c). 31 Vgl. bereits ABl. EG 1997 C 261/31. 32 Unsicher dazu z.B. Nassauer, A4-0101/97, B. 7. 33 EuGH v. 13.10.2005 – C-522/03, ECLI:EU:C:2005:606 Rz. 21 ff. – Scania Finance France SA/Rockinger Spezialfabrik für Anhängerkupplungen GmbH & Co. Zur Einordnung vgl. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 10 f.; Heiderhoff, ZZPInt. 10 (2005), 296; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 23; Stadler, IPRax 2006, 116. 34 Vgl. KOM(2006) 751 endg. v. 1.12.2006 mit KOM(2005) 305/2 endg. v. 7.7.2005.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
Anwendung in und im Verhältnis zu Dänemark findet, welches insoweit nicht als Mitgliedstaat anzusehen war. Ungeachtet des eingefügten Erwägungsgrunds 8 EG-ZustVO 200735 ging die ganz h.A. weiter davon 9 aus, dass die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung Bedeutung lediglich dafür erlangt, wann die von der Verordnung vorgesehenen (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswege genutzt werden können. Dass Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2007 ersichtlich nicht darauf abzielte, die Möglichkeit, von der eine beschleunigte Zustellung fördernden Verordnung Gebrauch zu machen, zu beschränken, sondern nur den Bereich begrenzen sollte, in dem die Verordnung zwingend ist und nicht sachwidrig unter Nutzung von – das liegt in ihrer Natur – noch schnelleren Inlandszustellungen von ihrer Anwendung abgesehen werden kann, fand ganz überwiegend keine Beachtung. Dementsprechend nahm die ganz h.A. auch unverändert an, dass Art. 1 EG-ZustVO 2007 (ebenso wie Art. 19 EG-ZustVO 2007) voraussetzt, dass anderweitig bestimmt ist, ob eine grenzüberschreitende Übermittlung zum Zweck der Zustellung erforderlich ist, nicht aber selbst bestimmt, wann eine grenzüberschreitende Zustellung zu erfolgen hat.36 Dem trat dann der EuGH mit seiner Entscheidung in der die Zustellung einer Terminsladung an den Kläger betreffenden Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski entgegen.37 Er gestand zwar zu, dass sich dem Wortlaut (s. auch Rz. 7) von Art. 1 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 nicht entnehmen lasse, wann ein Schriftstück zum Zweck der Zustellung grenzüberschreitend übermittelt werden muss.38 Er verwies aber darauf, dass unter systematischen Gesichtspunkten zu berücksichtigen sei, dass die Verordnung nur zwei Fälle (Art. 1 Abs. 2 EG-ZustVO 2007: unbekannte Anschrift und Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2007: inländischer Bevollmächtigter) benenne, die den von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswegen entzogen seien.39 Im Umkehrschluss bedeute dies, dass die von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege im Grundsatz genutzt werden müssten und es könne nicht auf im Recht des Ursprungsmitgliedstaats vorgesehene inländische Zustellungswege zurückgegriffen werden. Dies wiederum bedeute, dass die Verordnung letztlich auch selbst bestimme (autonom), wann ein Schriftstück zum Zweck der Zustellung grenzüberschreitend zugestellt werden muss.40 Dies sei immer dann der Fall, wenn der Empfänger nicht im Forummitglied35 Zur Bedeutung des Erwägungsgrunds 8 EG-ZustVO 2007 vgl. auch Heinze, IPRax 2010, 155, 159; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 26; Sujecki, NJW 2011, 1887, 1888. Diese Bedeutung missverstanden durch OLG Karlsruhe v. 24.6.2010 – 9 U 151/09, BeckRS 2011, 4793 zu II. A. 2) a) der Gründe. 36 BGH v. 7.12.2010 – VI ZR 48/10, NJW-RR 2011, 417 Rz. 8; OGH v. 1.3.2012 – 1Ob218/11g zu I. 5. der Gründe; OGH v. 28.2.2012 – 8Ob17/12a zu 3.2 der Gründe; OLG Karlsruhe v. 24.6.2010 – 9 U 151/09, BeckRS 2011, 4793 zu II. A. 2) a) der Gründe; LG Hamburg v. 12.3.2013 – 325 O 224/12, RdTW 2013, 288 Rz. 23; Bach, EuZW 2012, 833, 835; Frauenberger-Pfeiler in König/Mayer, Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich II (2009), S. 89, 98 f. (ausweichend auf Benachrichtigung); Geimer, IPRax 2010, 224, 225; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 19; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Einl. EuZVO Rz. 8, Art. 1 EuZVO Rz. 4; Rösler/Siepmann, RIW 2006, 512, 516; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 1 EuZVO Rz. 4; Springer, S. 27; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 3; Stroschein, S. 107; Sujecki, EWS 2010, 523, 526; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 6. – A.A. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 20; Heiderhoff, EuZW 2006, 235, 236 ff.; Heiderhoff, LMK 2011, 317529; Heinze, IPRax 2010, 155, 157 ff. 37 EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 19 ff. – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. Folgend EuGH v. 27.2.2020 – C-25/19, ECLI:EU:C:2020:126 Rz. 29 – Corporis sp. z o.o./Gefion Insurance A/S; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 68 f. – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, Rz. 295; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 15; Schack, IZVR, Rz. 741. Ablehnend Kondring, EWS 2013, 128, 131 ff.; Strasser, Rpfleger 2013, 585, 587 f. 38 EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 21 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. 39 EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 22 ff. – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. Vgl. auch EuGH v. 27.2.2020 – C-25/19, ECLI:EU:C:2020:126 Rz. 29 – Corporis sp. z o.o./Gefion Insurance A/S; EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 51 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 68 f. – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a. 40 EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 25 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich staat, sondern in einem anderen Mitgliedstaat „ansässig“ ist.41 Eine entsprechende Ansässigkeit sei dort gegeben, wo der Empfänger (oder ein von ihm bestellter Bevollmächtigter) bekanntermaßen einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.42 Keine Aufmerksamkeit widmete der EuGH allerdings dem Einschub „ein gleichwertiges Schriftstück“ in Art. 19 EG-ZustVO 2007 (dazu s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 24);43 geschuldet sein dürfte diese Blickverengung dem Umstand, dass das Vorabentscheidungsersuchen gerade nicht die Situation der Verfahrenseinleitung betraf. d) EU-ZustVO 2020 aa) Allgemein 10
Die Vorschrift übernimmt aus den beiden Vorgängervorschriften die Beschränkung auf Zivil- und Handelssachen unter Beibehaltung der in Anlehnung an die Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO erfolgten Präzisierungen in Abs. 1 S. 2.44 Obwohl der Evaluationsbericht zur EG-ZustVO 200745 ebenso wie (im Zusammenhang mit dem griechischen Schuldenschnitt) wissenschaftliche Diskussion46 und EuGH47 der Zustellung von Schriftstücken an Staaten besondere Aufmerksamkeit widmeten, war dieser Aspekt des sachlichen Anwendungsbereichs letztlich nicht Gegenstand gesonderter Diskussionen im Verordnungsverfahren. Dies spricht dafür, dass die Rechtsprechung des EuGH, unbeschadet ihrer mangelnden Überzeugungskraft (s. Rz. 23), verbreitet als im Ergebnis jedenfalls nicht praxisuntauglich angesehen wurde.
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Ebenfalls aus den beiden Vorgängervorschriften übernommen wurde die insbesondere gegen eine sachlich nicht gerechtfertigte Einengung des Anwendungsbereichs gerichtete Klarstellung, dass die Verordnung gleichermaßen für gerichtliche wie für außergerichtliche Schriftstücke gilt (s. Rz. 2, Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 1). Zur EG-ZustVO 2007 hatte der EuGH in den Rechtssachen Roda Golf & Beach Resort SL48 und Tecom Mican SL, José Arias Domínguez49 unter Verweis auf die Ausrichtung der Verordnung auf die Verwirklichung des Binnenmarktes50 in diesem Zusammenhang klargestellt, dass der Begriff des außergerichtlichen Schriftstücks weiter als im Rahmen von Art. 17 HZÜ zu verstehen ist und letztlich auch alle nicht von einem Gericht stammenden oder sich auf ein Gerichtsverfahren beziehenden, aber rechtserheblichen Schriftstücke erfasst (s. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff.), selbst wenn sie nicht von einer Behörde oder einem Justizbeamten ausgestellt wurden.51 Hierhinter sollte, mit Blick auf die geringe Überzeugungskraft der hieran geäußerten Kritik (s. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 5) und mutmaßlich angesichts der vom EuGH betonten Relevanz für den Binnenmarkt, auch der Anwendungsbereich der Neufassung nicht zurückfallen. Zu diesem Zweck wurde das weite Verständnis des EuGH zum Begriff außergerichtliches Schriftstück in Erwägungsgrund 8 EU-ZustVO 2020 festgeschrieben.
41 EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 25 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. 42 Vgl. EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 24 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 155; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 15. 43 EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 39 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski erwähnt Art. 19 EG-ZustVO 2007 lediglich als Teil des gegen ein Unterlaufen abzusichernden Adressatenschutzes. 44 Knöfel, RIW 2021, 473, 474. 45 COM(2013) 858 final, S. 9. 46 Z.B. Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240, inhaltlich mit verfehltem Verweis auf den nur den Rechtshilfeweg („Übermittlung“) und nicht die Zustellung regelnden Art. 4 Abs. 2 EG-ZustVO 2007. 47 EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; GA Bot, Schlussanträge v. 9.12.2014 – C-226/13 u.a., ECLI:EU:C:2014:2424 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik. 48 EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 51 ff. – Roda Golf & Beach Resort SL. 49 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 31 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. 50 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 45 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 55 f. – Roda Golf & Beach Resort SL. 51 Krit. SWD(2018) 287 final, S. 12.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
Neu gefasst wurde Abs. 2 in Ergänzung zum neu eingefügten Art. 7 EU-ZustVO 2020.52 Nach dem neuen Art. 7 EU-ZustVO 2020 haben die Mitgliedstaaten als (potentielle) Empfangsmitgliedstaaten die Ermittlung der aktuellen Anschrift eines Empfängers (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 ff.) zu unterstützen. Da eine entsprechende Unterstützung insbesondere in dem Fall erforderlich ist, dass die Zustelladresse des Empfängers unbekannt ist, hielt der Kommissionsentwurf (zu Unrecht, bedenkt man die auch im Fall einer unbekannten Zustelladresse als selbstverständlich angesehene Geltung von Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO 2020) für erforderlich, Abs. 2 gegenüber der Unterstützung zur Anschriftenermittlung zurückzunehmen.53 Die Stellungnahmen des EWSA54 und des Parlaments in erster Lesung55 gingen hierauf nicht gesondert ein. Der Rat übernahm letztlich den Vorschlag der Kommission, ohne zu berücksichtigen, dass der von ihm beschlossene Art. 7 EU-ZustVO 2020, welcher im Unterschied zum entsprechenden Vorschlag der Kommission (s. Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 5) keine einzelfallbezogene Verpflichtung begründet, keinen Anwendungsbereich in dem von der Vorschrift geregelten Sinne besitzt (s. Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 6).56
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Nicht aus der Vorgängervorschrift übernommen wurde entgegen dem Kommissionsentwurf57 13 schließlich ohne weitere Erörterung im Verordnungsverfahren die auf eine Klarstellung des territorialen Anwendungsbereichs gerichtete Aussage des Art. 1 Abs. 3 EG-ZustVO 2007. Hiermit ist eine inhaltliche Änderung aber nicht verbunden (vgl. Erwägungsgrund 48 EU-ZustVO 2020).58 Es wird vielmehr nur dem Umstand Rechnung getragen, dass der Beschränkung des territorialen Anwendungsbereichs aufgrund der Beteiligung Dänemarks auf völkervertragsrechtlicher Grundlage praktisch keine Bedeutung zukommt (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 44). bb) Neufassung grenzüberschreitendes Element Aus den Vorgängervorschriften nicht übernommen, sondern bewusst neu formuliert wurde das 14 grenzüberschreitende Element.59 Den Anlass hierzu gab die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski (s. Rz. 9), nach der eine Zustellung dem Anwendungsbereich der Verordnung und der Geltung der dem Schutz des Zustellungsadressaten dienenden Vorschriften nicht dadurch entzogen werden kann,60 dass im Einklang mit dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats anstatt einer effektiven Zustellung im Ausland eine (fiktive) Inlandszustellung erfolgt.61 Bereits der Umstand, dass dieses Verständnis in der im verfügenden Verordnungstext der EG-ZustVO 2007 verwendeten Formulierung „in denen … in einen anderen Mitgliedstaat … zu übermitteln ist“ nicht zweifelsfrei erkennbar war (s. Rz. 7, 9), sondern vor allem aus einem Erwägungsgrund gewonnen wurde (s. Rz. 9),62 legte nahe, die Verständlichkeit der Vorschrift im Rahmen der Reform durch eine Neuformulierung zu verbessern. Als nicht hilfreich erweist sich insoweit freilich, dass Art. 22 EU-ZustVO 2020 im Ergebnis aus Art. 19 EG-ZustVO 2007 unverändert den Einschub „ein gleichwertiges Schriftstück“ übernommen hat (s. dazu Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 24). Der Kommissionsvorschlag zielte allerdings nicht nur auf eine bessere Verständlichkeit der Vor- 15 schrift, sondern darüber hinaus auf eine Korrektur der Rechtsprechung des EuGH.63 Da die Entschei52 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 2. Vgl. auch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 6. 53 COM(2018) 379 final, S. 13. 54 Bataller, ABl. EU 2019 C 62/56 ff. 55 Cofferati, A8-0001/2019. 56 Ratsdok. 9890/20 (20.10.2020), S. 20. Vgl. aber auch den Änderungsvorschlag bei Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 18. 57 COM(2018) 379 final, S. 19. 58 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 4. 59 Ohne Problembewusstsein verkannt von Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 1. 60 SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 39; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 44 ff., 52 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. 61 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 12 f.; SWD(2018) 287 final, S. 18; Knöfel, RIW 2021, 473, 475; Mansel/Thorn/ Wagner, IPRax 2022, 97, 106; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 10. 62 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 10; SWD(2018) 287 final, S. 17. 63 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 4. Vgl. Bataller, ABl. EU 2019 C 62/58 Ziff. 3.3.1.1.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich dung in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski die Zustellung einer Terminsladung an den Kläger betraf, hatte der EuGH die Stellung von Zustellungsadressaten zunächst zwar nur für gerichtliche Schriftstücke, insoweit allerdings nicht nur für die Verfahrenseinleitung,64 sondern generell gestärkt.65 Im Rahmen seiner Entscheidung in der Rechtssache Tecom Mican SL, José Arias Domínguez hatte der EuGH dann klargestellt, dass der obligatorische Charakter der EG-ZustVO 2007 auch die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke erfasst.66 Beides erschien der Kommission zu weitgehend, weil hierdurch den Mitgliedstaaten unmöglich gemacht wird, auf in den nationalen Rechten verbreitet etablierte Möglichkeiten zur fiktiven Zustellung (insbesondere entsprechend § 184 ZPO als Reaktion auf die Nichtbenennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten) zurückzugreifen. Mit Blick hierauf schlug die Kommission zunächst vor, zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken zu unterscheiden.67 Für die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke sollte es beim bekannten Erfordernis einer grenzüberschreitenden Übermittlung bleiben.68 Dagegen sollte das grenzüberschreitende Element für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke dahin gefasst werden, dass der Zustellungsempfänger seinen Wohnsitz in einem anderem Mitgliedstaat als dem Forummitgliedstaat hat.69 Als Vorteil einer Anknüpfung an den Wohnsitz (z.B. auch in Art. 14, 15 und 15a des Kommissionsentwurfs70) wurde dabei gesehen, dass dieser Anknüpfungspunkt sich auch im Zusammenhang mit elektronischen Zustellungen als tauglich erweist.71 Zugleich schlug die Kommission als Ergänzung dazu einen neuen Art. 7a vor. Dieser sollte bewirken, dass die zu einem höheren Schutzniveau des Zustellungsadressaten führende Ausweitung im Ergebnis nur für die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, dem für den Beklagtenschutz herausragende Bedeutung zukommt, gilt.72 Im eingeleiteten Verfahren dagegen sollte die Möglichkeit bestehen, fiktiv zuzustellen anknüpfend an die Verletzung der Obliegenheit zur Bestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten oder zur Einwilligung in eine elektronische Zustellung. Schließlich sollte Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2007 seiner Bedeutung entsprechend als Art. 1 Abs. 3 neu in den verfügenden Normtext aufgenommen werden.73 16
Der EWSA übte an diesem Konzept keine Kritik.74 Nach Ansicht des Parlaments sollte die Verordnung auch im Falle der Bestellung eines Bevollmächtigten auf die Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke obligatorische Anwendung finden. Nur im Übrigen, d.h. insbesondere nach ordnungsgemäßer Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, sollte an Empfänger mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Inlandszustellung einschließlich der Zustellung an einen Bevollmächtigten in Betracht kommen. Dazu sollte die Anwendungsausnahme im neu vorgeschlagenen
64 A.A. zuvor OLG Karlsruhe v. 24.6.2010 – 9 U 151/09, BeckRS 2011, 4793 zu II. A. 2) der Gründe. 65 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 23. 66 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 50 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 75 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.53. 67 COM(2018) 379 final, S. 12; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 4. 68 COM(2018) 379 final, S. 12, 19. Nicht eindeutig positionierte sich die Kommission dabei dazu, ob für außergerichtliche Schriftstücke das betreffende Erfordernis im Sinne der Entscheidung in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski oder, was mit Blick auf die geringere Bedeutung außergerichtlicher gegenüber gerichtlichen Schriftstücken und der Betonung der für gerichtliche Schriftstücke angestrebten Zurückdrängung fiktiver Zustellungen näher liegt, im Sinne der vor dieser Entscheidung h.A. verstanden werden sollte. 69 COM(2018) 379 final, S. 2, 9, 10, 12 f., 17, 19. 70 COM(2018) 379 final, S. 23 f. 71 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 17 in Erwägungsgrund 7 S. 2 Kommissionsentwurf. 72 COM(2018) 379 final, S. 13, 14, 22; Knöfel, RIW 2021, 473, 476; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EGZustellVO Rz. 30; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 4, 7; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 11. In diese Richtung auch bereits Heckel, IPRax 2008, 218, 224; Kondring, EWS 2013, 128, 132 f., 134; Stürner, ZZP 126 (2013), 137, 144, 146 f., 152. 73 COM(2018) 379 final, S. 13. Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 30; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 29. Richter, IPRax 2022, 433, 436 geht insoweit zu Unrecht von einer echten Neuerung aus. 74 ABl. 2019 C 62/61 f.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
Art. 1 Abs. 3 (vormals Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2007) entfallen75 und in dem neu einzufügenden Art. 7a in Abs. 1 ein „Recht“, nach Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks einen Empfangsvertreter zu bestellen, begründet sowie in Abs. 2 vorgesehen werden, dass anknüpfend an die Verletzung der „Pflicht“76 zur Bestellung eines Vertreters und die Nichteinwilligung in eine elektronische Zustellung jede nach dem Recht des Forummitgliedstaats zugelassene Zustellungsform (einschließlich fiktiver Zustellungen) genutzt werden kann, wenn über diese Folge noch „vor der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks“77 belehrt worden ist.78 Die Beratungen im Rat führten erstens dazu, von der durch die Kommission vorgeschlagenen Kor- 17 rektur der Entscheidung in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski und einer unterschiedlichen Regelung für gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke Abstand zu nehmen;79 hierdurch wurde vermieden, dass die bislang durch die Gleichstellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke (bewusst, s. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 3) überdeckte Frage der Abgrenzung beider Begriffe aufbricht und angesichts unterschiedlicher Rechtsfolgen eine trennscharfe Abgrenzung erforderlich wird. Vom Rat vorgesehen wurde stattdessen zunächst, in Abs. 1 der Vorschrift anstelle der missverständlich80 zu stark auf das tatsächliche Erfordernis eines physischen Grenzübertritts eines Schriftstücks verweisenden Wendung „in denen … in einen anderen Mitgliedstaat … zu übermitteln ist“ die zutreffend81 auf eine grenzüberschreitende Dimension der mit einer Zustellung bezweckten Information eines Empfängers verweisende Formulierung „grenzüberschreitende Zustellung“82 zu verwenden. Darüber hinaus wurden vom EuGH in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski getroffene Kernaussagen zur Erläuterung in die Erwägungsgründe 5–7 EU-ZustVO 2020 aufgenommen.83 Diese Übernahme erfolgte allerdings nicht unverändert. Während der EuGH als Anknüpfungspunkte für „Ansässigkeit“ den Wohnsitz und (über den Kommissionsvorschlag hinaus auch) den gewöhnlichen Aufenthalt benannt hatte,84 knüpft Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 an das (letztlich auch in Abs. 2 benannte) Kriterium der bekannten Zustelladresse an85 und beantwortete damit en passant im Ergebnis die Streitfrage um die Möglichkeit einer effektiven Inlandszustellung an im Ausland ansässige Empfänger während eines kurzzeitigen bzw. vorübergehenden Aufenthalts im Ursprungsmitgliedstaat (s. Rz. 53).86 Der Weg, die Details nur in den Erwägungsgründen und nicht im verfügenden Normtext zu klären, hatte für das Verordnungsverfahren den Vorteil, nicht selbst ausdrücklich und abschließend entscheiden zu müssen, ob und inwieweit die vom EuGH zu einem bestimmten Fall (Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks im eingeleiteten Verfahren) aufgestellten Grundsätze auch auf andere Fälle (insbesondere Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke) zu übertragen sind, sondern die Verant-
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Cofferati, A8-0001/2019, S. 14. Krit. zu den Begrifflichkeiten auch Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 15. Krit. dazu auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 31. Cofferati, A8-0001/2019, S. 23 f. A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 32. Vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 20, 51 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. Krit. dagegen Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 4. Vgl. bereits EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 21, 26 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski, IPRax 2013, 157, wo in der deutschen Sprachfassung bereits auf „zuzustellen ist“ anstatt wie von Art. 1 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 gefordert „übermitteln ist“ abgestellt wird (in der englischen Sprachfassung wird in Rz. 21 wie in Art. 1 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 „transmitted“ und in Rz. 26 abweichend von Art. 1 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 „served“ verwendet). Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 10. EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 24 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski, IPRax 2013, 157; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 155. – Demgegenüber nahm GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-315/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 20, 24 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski Bezug zunächst auch auf die „Anschrift“. Übersehen von Hüßtege in Thomas/Putzo (43. Aufl. 2022), Anh. II § 1071 ZPO Rz. 2. Zum Hintergrund Ratsdok. 6067/19 (5.3.2019), S. 8. – Übersehen von Knöfel, RIW 2021, 473, 475: erfasst werde „ausnahmslos jede Zustellung von Schriftstücken …, deren Empfänger seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.“; Anders/Gehle/Schmidt, Vor § 1067 ZPO Rz. 1.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich wortung hierfür dem EuGH zuschieben zu können.87 Vergleichbares gilt für die Klärung der sich aus der in Art. 19 EU-ZustVO 2020 erfolgten Zulassung elektronischer Direktzustellungen und der Ubiquität von elektronischen Postfächern in Bezug auf das grenzüberschreitende Element ergebenden Fragen (s. Rz. 44, 60). Zweitens wurde vom Rat zu Recht abgelehnt der Kommissionsvorschlag für einen neuen Art. 7a.88 Zwar ist nicht zu bestreiten, dass eine Obliegenheit zur Bestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigen geeignet ist, Gerichtsverfahren zu effektivieren und zu beschleunigen. Zugleich steht eine solche Möglichkeit aber im Widerspruch zum Gedanken eines einheitlichen Raums des Rechts und bedeutete in letzter Konsequenz nicht weniger als das Eingeständnis, dass die von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege nicht ausreichend effektiv und schnell sind. 3. Dispositivität 18
Der Anwendungsbereich der Verordnung gilt für Antragsteller und Empfänger zwingend, soweit er darüber entscheidet, inwieweit von den in der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswegen Gebrauch gemacht werden kann (s. Rz. 3). Antragsteller und Zustellungsadressat können daher nicht (mit bindender Wirkung für die beteiligten Mitgliedstaaten und ihre Stellen) vereinbaren, dass die vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege auch außerhalb von Zivil- und Handelssachen oder zur Übermittlung anderer Informationen als gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke verwendet werden können – ebenso wenig kann ein Mitgliedstaat den Anwendungsbereich ausweiten (z.B. umfasst der Verweis aus § 56 Abs. 2 VwGO auf die ZPO [außerhalb von Zivil- und Handelssachen] nicht auch die Vorschriften der Verordnung).89 Demgegenüber können Antragsteller und Empfänger (gegebenenfalls unter Beteiligung weiterer durch die Verordnung geschützter Beteiligter) den Anwendungsbereich der Verordnung einschränken, soweit die Eröffnung des Anwendungsbereichs darüber befindet, inwieweit von den in der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswegen Gebrauch gemacht werden muss.90 Insbesondere durch Vereinbarung einer Festlegung auf eine in einem Mitgliedstaat ansässige Empfangsperson wird der zwingende Charakter der Verordnung zurückgenommen (vgl. auch Abs. 3). Aber auch darüber hinaus kann der Zustellungsadressat auf den Schutz der Verordnung verzichten; hiervon zu unterscheiden ist, inwieweit eine im Recht der Mitgliedstaaten vorgesehene Beachtung der Verordnung der Disposition der Parteien unterliegt.
II. Zivil- und Handelssache 1. Allgemeines a) Handelssachen als Unterfall der Zivilsachen 19
Entsprechend der genutzten Kompetenzgrundlage (Art. 81 AEUV, s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 1 f.) und im Einklang mit Art. 1 HZÜ ist der Anwendungsbereich der Verordnung auf Zivil- und Handelssachen beschränkt.91 Unbeschadet des Umstands, dass Abs. 1 anders als Art. 1 Abs. 1 Brüssel IaVO und die ganz überwiegende Mehrzahl der Verordnungen zum europäischen Zivilverfahrensrecht die Begriffe Zivilsachen und Handelssachen nicht durch die Konjunktion „und“, sondern durch ein „oder“ verbindet,92 kommt dem Begriff der Handelssache wie im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 Brüs87 Unkritisch Knöfel, RIW 2021, 473, 475. 88 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 30; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 7; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 11. Den Vorschlag befürwortend tendenziell Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 15; Eichel, ZVglRWiss 119 (2020), 220, 234; Knöfel, RIW 2021, 473, 476. 89 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. 90 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 27, 34. 91 Vgl. KG v. 13.8.2015 – 1 VA 8/15, BeckRS 2015, 16899 Rz. 6. 92 Anders noch Art. 1 Abs. 1 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 19. Anders zuvor auch KOM(2000) 75 endg. zu Art. 6; KOM(2006) 751 endg., S. 7 zu Art. 1; Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the mod-
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
sel Ia-VO keine eigenständige Bedeutung zu.93 Er bezeichnet wie dort nur einen Unterfall der Zivilsachen, was nicht zuletzt darin eine Bestätigung findet, dass die herangezogene Kompetenzgrundlage ihrerseits nur Zivilsachen erwähnt. b) Öffentliches Recht Keine Anwendung findet die Verordnung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (z.B. Art. 73 f., 20 77–80, 87–89 AEUV) einschließlich des Strafrechts (vgl. Art. 82–86 AEUV).94 Grenzüberschreitende Zustellungen in Verwaltungssachen (nicht Steuer- oder Strafsachen) sind Gegenstand des Europäischen Übereinkommens über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland vom 24.11.1977 (BGBl. II 1981, 535).95 Für Zoll- und Steuersachen ist die Beitreibungsrichtlinie 2010/24/EU zu beachten.96 Zustellungen auf dem Gebiet des Strafrechts sind Gegenstand von Art. 5 des Übereinkommens vom 29.5.2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.97 Schriftstücke, denen Doppelnatur zukommt, werden von der Verordnung nur teilweise erfasst.98 Ihre 21 grenzüberschreitende Zustellung kann nur unter Beachtung des rechtlichen Rahmens der Verordnung erfolgen, was insbesondere für den Empfänger die Geltung des durch die Verordnung vorgesehenen Schutzes sichert.99 Zugleich kommt ihre grenzüberschreitende Zustellung aber nur in Betracht, wenn zusätzlich die Voraussetzungen für eine grenzüberschreitende Zustellung eines der anderen Natur entsprechenden Schriftstücks vorliegen.100 Dafür spricht, dass die Verordnung ausweislich der in ihr enthaltenen Regelungen zur Rechtshilfe unverändert davon ausgeht, dass Zustellungen Hoheitsakte sind (s. auch Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 5, 63, 67). Staaten müssen daher aufgrund ihrer Souveränität eine amtliche Zustellung, veranlasst durch eine ausländische Stelle, auf ihrem Hoheitsgebiet nicht dulden. Nur gegenüber Zivil- und Handelssachen, nicht aber auch darüber hinaus und damit auch nicht gegenüber Schriftstücken mit Doppelnatur beschränkt die Verordnung den Souveränitätsanspruch der Mitgliedstaaten bzw. sieht zu diesem einen Ausgleich vor. Weiter lässt sich die Klarstellung in Abs. 1 S. 2 als Hinweis auf dieses Verständnis interpretieren. Keine Probleme ergeben sich hieraus namentlich für die Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken betreffend ein Adhäsionsverfahren, weil sie hinsichtlich ihrer gegebenenfalls auch strafrechtlichen Natur nach h.A. durch Art. 5 des Übereinkommens vom 29.5.2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfasst werden.101
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ernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 9. Brenn, Art. 1 EZV Anm. a); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 1 mit Fn. 1; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 26; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 1; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.25; Wagner, EuZW 2015, 636, 637. – Ohne weiteres auch GA Bot, Schlussanträge v. 4.7.2018 – C-308/17, ECLI:EU:C:2018:528 Rz. 49 – Hellenische Republik/Leo Kuhn. Vgl. ABl. EG 1997 C 261/28; Nassauer, A4-0101/97, B. 7. VGH München v. 25.11.2015 – 11 CS 15.2222, BeckRS 2015, 56196 Rz. 10; VG Gelsenkirchen v. 27.10.2014 – 7 L 1401/14, BeckRS 2014, 59164; Hess, EuZPR, Rz. 8.10; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 23; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 3; Sharma, S. 30 f. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 2; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 24. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 3 verweist dagegen noch auf die Richtlinie 76/308/EWG. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 29; Hess, EuZPR, Rz. 8.10; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 25. Ohne Festlegung SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 54, 67. Vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 52 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. A.A. Hess, NJW 2001, 15, 20 zur Adhäsionsklage: ein Rechtsinstrument verdrängt das andere. Vgl. (zu Art. 52 Schengener Durchführungsübereinkommen) Hess, NJW 2001, 15, 20. Für alleinige Anwendung der EG-ZustVO 2000 dagegen Brenn, Art. 1 EZV Anm. c).
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich c) Autonome Auslegung statt Doppelqualifikation 22
Die Verordnung definiert den Begriff der Zivil- und Handelssache nicht, sondern setzt ein bestimmtes Verständnis voraus.102 Während für Art. 1 HZÜ verbreitet davon ausgegangen wird, dass hinsichtlich des Vorliegens einer Zivil- und Handelssache eine (alternative bzw. kumulative) Doppelqualifikation anhand der betroffenen nationalen Rechtsordnungen (Recht des Übermittlungs-/Ursprungsmitgliedstaats oder/und Recht des Bestimmungs-/Empfangsmitgliedstaats) zu erfolgen hat,103 ist für die Verordnung von einem autonomen Begriffsverständnis auszugehen (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 30).104 Hiergegen scheint zwar auf den ersten Blick zu sprechen der Hinweis im erläuternden Bericht zum EuZÜ,105 dass der Wahrung der Rechte der Streitparteien Vorrang zukomme und alle Begriffe dementsprechend flexibel zu handhaben seien. Allerdings wird dieser Hinweis durch die gegenläufige Feststellung des erläuternden Berichts zum EuZÜ entkräftet, dass die verwendeten Begriffe ebenso wie die in anderen Rechtsakten zum europäischen Zivilverfahrensrecht verwendeten Begriffe autonom auszulegen seien.106 Zudem verweist die in Abs. 1 S. 2 vom Verordnungsgeber zum Ausdruck gebrachte Orientierung an dem seinerseits autonom auszulegenden Art. 1 Brüssel I-VO/Brüssel IaVO deutlich auf eine autonome Auslegung der Regelung zum Anwendungsbereich insgesamt. Auch legt der Erlass des Instruments als Verordnung nahe, dass ein für alle Mitgliedstaaten einheitlicher Anwendungsbereich angestrebt ist. In dieselbe Richtung weist, dass die im Zusammenhang mit der Souveränität der Mitgliedstaaten zu sehende Begrenzung des Anwendungsbereichs aus der Sicht des Empfangsmitgliedstaats leer zu laufen droht, wenn (allein) die nationale Qualifikation des Ursprungsmitgliedstaats entscheiden könnte. Vor allem aber geht der EuGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass europäische Rechtsakte regelmäßig autonom auszulegen sind und die verwendeten Begriffe im Grundsatz ohne Rücksicht auf nationale Verständnisse auszulegen sind, soweit ein europäischer Rechtsakt nicht auf das nationale Recht verweist (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 30). d) Parallelität zur Brüssel Ia-VO; keine eingeschränkte Kognitionsobliegenheit/-befugnis
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Dem Begriffspaar Zivil- und/oder Handelssache kommt im Rahmen der Vorschrift dieselbe Bedeutung wie bei Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO zu.107 Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass der 102 ABl. EG 1997 C 261/28; EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015: 383 Rz. 38 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; GA Bot, Schlussanträge v. 9.12.2014 – C-226/13 u.a., ECLI:EU:C:2014:2424 Rz. 47 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik. 103 Vgl. Bittmann, IPRax 2012, 216, 216 f.; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 33, Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Pfennig, S. 36 f.; Schlosser/Hess/Schlosser (4. Aufl. 2015), Art. 1 HZÜ Rz. 2; Geimer/Schütze/Sujecki, Art. 1 HZÜ Rz. 10. 104 ABl. EG 1997 C 261/28; Nassauer, A4-0101/97, B. 7.; KOM(1999) 219 endg.; EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 Rz. 39 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; GA Bot, Schlussanträge v. 9.12.2014 – C-226/13 u.a., ECLI:EU:C:2014:2424 Rz. 40, 50 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; OLG Innsbruck v. 10.10.2018 – 25Rs49/18v zu 1. der Gründe; LG Neuruppin v. 5.6.2014 – 5 O 25/14, BeckRS 2014, 13055 zu 1. b) der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 1; Zöller/Geimer, Art. 1 EuZustVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 32 f., Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Meyer, IPRax 1997, 401, 403; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 1; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1067 ZPO Rz. 1; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.25; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 3. 105 ABl. EG 1997 C 261/28. 106 ABl. EG 1997 C 261/28. – A.A. tendenziell Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 5. 107 ABl. EG 1997 C 261/28; KOM(1999) 219 endg.; GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI: EU:C:2020:971 Rz. 34, 39, 42, 77, 87 – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o.; GA Bot, Schlussanträge v. 9.12.2014 – C-226/13 u.a., ECLI:EU:C:2014:2424 Rz. 45, 48 f. – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; LG Neuruppin v. 5.6.2014 – 5 O 25/14, BeckRS 2014, 13055 zu 2. a) der Gründe; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 21, Art. 1 Rz. 12; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 24; Zöller/Geimer, Art. 1 EuZustVO Rz. 1; Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 3; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/5; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 1 EuZuStVO Rz. 4; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 1 EuZVO Rz. 2; Rauscher in Münch-
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
EuGH in der Rechtssache Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik die (horizontale) Autonomie des Verständnisses der von der Verordnung verwendeten Begriffe auch gegenüber dem Verständnis derselben Begriffe bei Verwendung in anderen Rechtsakten (auch des europäischen Zivilverfahrensrechts) betont hat.108 Denn erstens hat der EuGH in der betreffenden Entscheidung dem Begriffspaar Zivil- und/oder Handelssache für die Verordnung tatsächlich gar keine andere Bedeutung als im Rahmen der Brüssel Ia-VO beigemessen, sondern lediglich (beschränkt auf verfahrenseinleitende Schriftstücke)109 eine in Anlehnung an Art. 6 Abs. 3 EG-ZustVO 2007 (Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO 2020) beschränkte Kognitionsobliegenheit110 kreiert111 (Ablehnung nur bei offensichtlichem Fehlen einer Zivil- und Handelssache).112 Die einem Begriff zukommende Bedeutung und der an das Vorliegen eines der Bedeutung entsprechenden Falles (in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht)113 anzulegende Prüfungsmaßstab betreffen unterschiedliche Ebenen.114 Zweitens und vor allem überzeugt die Entscheidung des EuGH nicht.115 Sie leidet zunächst an einem in der Rechtsprechung des EuGH verbreitet anzutreffenden Verstoß gegen Denkgesetze. Entgegen der Vorgehensweise des EuGH kann der Anwendungsbereich eines Rechtsinstruments nicht ausgehend von den (in den Erwägungsgründen ausgedrückten) Zielen des Rechtsinstruments bestimmt werden, weil der Anwendungsbereich gerade darüber befindet, in welchem Umfang ein Rechtsinstrument bestimmt Ziele verfolgt (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 39). In mehrfacher Hinsicht fehl geht aber auch der Hinweis des EuGH, dass der eingeschränkte Prüfungsmaßstab durch die Situation der Verfahrenseinleitung bedingt sei, in welcher noch nicht nach Anhörung aller Beteiligten über das Vorliegen einer Zivil- und Handelssache entschieden werden könne. Zunächst ignoriert diese Begründung, dass die Verordnung auch für die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke gilt und in dieser Situation ein eine Prüfung ermöglichendes Verfahren regelmäßig noch gar nicht eingeleitet ist. Davon abgesehen verkennt der EuGH, dass bei Zustellung eines außergerichtlichen Schriftstücks ebenso wie bei der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks es der Antragsteller in der Hand hat, die den Anwendungsbereich der Verordnung eröffnenden Umstände darzulegen (bereits dies ist geeignet, die z.B. durch Abs. 1 S. 2 geschützten Interessen der Mitgliedstaaten116 zu verkürzen).117 Ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab
108 109 110 111 112
113 114
115
116 117
Komm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 1; Anders/Gehle/Schmidt, Vor § 1067 ZPO Rz. 6; Wieczorek/Schütze/ Schütze, § 1067 ZPO Rz. 1; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.25; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 20, Art. 1 EuZVO Rz. 3; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 1 EuZVO Rz. 1. EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 Rz. 44 ff. – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik. Abw. GA Bot, Schlussanträge v. 9.12.2014 – C-226/13 u.a., ECLI:EU:C: 2014:2424 Rz. 45, 48 f. – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik. EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 Rz. 31, 43 f. – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 4. Dazu, dass sich hieraus keine Vorgaben zur Verfahrensstruktur ergeben, vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 7. Vgl. auch GA Bot, Schlussanträge v. 4.7.2018 – C-308/17, ECLI:EU:C:2018:528 Rz. 52 – Hellenische Republik/ Leo Kuhn. Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 6; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 1, 5. – A.A. Hüßtege in Thomas/ Putzo (43. Aufl. 2022), Anh. II § 1071 ZPO Rz. 9; Knöfel, RIW 2015, 503, 504; Mankowski, EWiR 2015, 495, 496; Mankowski, ZIP 2019, 193, 196. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 6; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7. Vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 4.7.2018 – C-308/17, ECLI:EU:C:2018:528 Rz. 55 ff. – Hellenische Republik/ Leo Kuhn; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 6; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 1, 5; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 3. Vgl. auch die die eingeschränkte Kognitionsbefugnis ausblendenden Ausführungen bei GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI:EU:C:2020:971 Rz. 36 ff. – Obala i lucˇice d.o.o./ NLB Leasing d.o.o. Gegen eine eingeschränkte Kognitionsbefugnis auch GA Bot, Schlussanträge v. 9.12.2014 – C-226/13 u.a., ECLI:EU:C:2014:2424 Rz. 72 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik. – A.A. Zöller/Geimer, Art. 1 EuZustVO Rz. 1; Hess, EuZPR, Rz. 8.9 mit Fn. 47; Hüßtege in Thomas/Putzo (43. Aufl. 2022), Anh. II § 1071 ZPO Rz. 9; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 1 EuZuStVO Rz. 4. Vgl. zu Ansprüchen aus Kriegsschäden Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 4. Vgl. auch Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 3: weitere Auslegung nicht erforderlich.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich ist zum Schutz des Antragstellers entbehrlich (und geeignet die Interessen der Mitgliedstaaten zusätzlich zu verkürzen).118 Ein abweichender Prüfungsmaßstab ist letztlich aber auch nicht geboten zum Schutz des Zustellungsadressaten (den namentlich Art. 22 EU-ZustVO 2020 gewährleistet), weil auch ein eingeschränkter Prüfungsmaßstab kaum wirksamen Schutz zu leisten vermag dagegen, dass der Antragsteller die Eröffnung des Anwendungsbereichs gegebenenfalls verschleiert (oder erschleicht). 2. Gegenstand der Qualifikation 24
Von Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO unterscheidet sich Abs. 1 im Gegenstand der Qualifikation. Hinsichtlich der Eröffnung des Anwendungsbereichs der die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen regelnden Vorschriften knüpft Art. 1 Abs. 1 Brüssel IaVO an die Qualifikation des Streitgegenstands an. Demgegenüber knüpft Abs. 1 für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der die Zustellung von Schriftstücken regelnden Verordnung an die Qualifikation der Zustellung, genauer der Zustellungslast, welcher genügt werden soll, an.119 Dass für die Eröffnung des Anwendungsbereichs nicht an die Qualifikation des Streitgegenstands angeknüpft werden kann, folgt bereits daraus, dass die Verordnung (unterschiedslos) auch die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke, d.h. solcher ohne Bezug zu einem Rechtsstreit (s. Rz. 30 ff.) erfasst. Zu qualifizieren ist eine Zustellungslast ausgehend von der Natur des Rechtsverhältnisses, auf dessen Elemente bzw. deren (gerichtliche oder außergerichtliche) Verwirklichung sich die an die Zustellung eines Schriftstücks – bei Berücksichtigung seines Inhalts – geknüpften Rechtswirkungen beziehen.120 3. Begriffsbedeutung
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Zivilsachen sind materiell-rechtliche Rechtsverhältnisse, die zivilrechtlicher Natur sind.121 Ihr Gegenteil bilden und nicht erfasst sind öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse, vor allem Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Staatshaftung für hoheitliche Tätigkeiten (vgl. Abs. 1 S. 2 und Erwägungsgründe 4 S. 2 und 8 S. 2 EU-ZustVO 2020).122 Zwischen Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen ist nicht anhand der Art der eröffneten Gerichtsbarkeit zu unterscheiden, auch wenn Abs. 1 dies anders als Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO nicht gesondert klarstellt.123 Erst Recht ist die Verfahrensart (z.B. Antrags- oder Amtsverfahren, Klageoder Mahnverfahren, Eilverfahren) ohne Bedeutung. Zwischen Zivilsachen und öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisse ist ebenso wenig anhand der Beteiligten zu unterscheiden.124 Weder sind alle Rechtsverhältnisse zwischen einer Behörde und einer Privatperson dem Anwendungsbereich der Verordnung entzogen, sondern können auch zwischen Behörden und Privatpersonen zivilrechtliche Rechtsverhältnisse (privatwirtschaftliches Handeln eines Hoheitsträgers, acta iure gestionis) bestehen.125 Der Verordnung unterliegen kann daher, unter Eröffnung aller von der Verordnung vorgese118 A.A. wohl Bataller, ABl. EG 1999 C 368/49; KOM(2000) 75 endg. zu Art. 6, deren Änderungsvorschlag aber keinen Eingang in den Verordnungstext gefunden hat. 119 Vgl. auch SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 54. – A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 1 (widersprüchlich: Streitgegenstand, aber unerheblich, ob es Verfahren gibt); Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 1 (Verfahrensgegenstand); Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239 (Streitigkeit, Klagegegenstand). 120 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 1. 121 Vgl. Gottwald in MünchKomm/ZPO, Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 1. 122 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 28; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 3. 123 Brenn, Art. 1 EZV Anm. c); Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 25; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Karaaslan, S. 69; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 1 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 1. 124 GA Bot, Schlussanträge v. 9.12.2014 – C-226/13 u.a., ECLI:EU:C:2014:2424 Rz. 52 – Stefan Fahnenbrock u.a./ Hellenische Republik. 125 EuGH v. 21.9.2021 – C-30/21, ECLI:EU:C:2021:753 Rz. 26 – Nemzeti Útdíjfizetési Szolgáltató Zrt./NW; EuGH v. 25.3.2021 – C-307/19, ECLI:EU:C:2021:236 Rz. 62 ff. – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o.; EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 Rz. 50 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; EuGH v. 15.2.2007 – C-292/05, ECLI:EU:C:2007:102 Rz. 28 ff. – Eirini Le-
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henen Übermittlungs- und Zustellungswege, auch die Zustellung an Staaten und internationale Organisationen.126 Noch unterfallen alle Rechtsverhältnisse zwischen Privatrechtssubjekten der Verordnung, sondern können auch zwischen Privatrechtssubjekten öffentlich-rechtlich zu qualifizierende Rechtsverhältnisse (z.B. bei Beleihung eines Privatrechtssubjekts) bestehen. Ob ein Rechtsverhältnis zivil- oder öffentlich-rechtlich zu qualifizieren ist, bestimmt sich vielmehr danach, ob es im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher, d.h. von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden Regeln abweichender Befugnisse steht.127 In Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat der EuGH zu Art. 1 Brüssel Ia-VO erkannt, dass z.B. eine Parkgebühr an einer öffentlichen Straße eine Zivilsache ist, wenn die Gebühr von einer mit der Erhebung betrauten privaten Gesellschaft eingefordert wird.128 Weiter wurde erkannt, dass Schadensersatzansprüche auch dann Zivilsachen sind, wenn sie im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens geltend gemacht werden. Zivilsache ist insbesondere aufgrund der im Gleichordnungsverhältnis als Standschafter erfolgenden Rechtsdurchsetzung zudem die Unterlassungsklage einer Behörde gegen unlautere Geschäftspraktiken zum Schutz von Verbraucherinteressen.129 Entsprechendes gilt für Verbandsklagen nach §§ 1 ff. UKlaG, Verbraucherschutzklagen eines Ombudsmanns sowie Gewinnabschöpfungsklagen nach UWG. Zivilsachen sind auch Patentsachen130 und Vergabeverfahren.131 Soweit die Rechtsdurchsetzung nur im Gleichordnungsverhältnis möglich ist, handelt es sich auch um eine Zivilsache, wenn eine Behörde die Rückzahlung von zu viel geleisteter Wiedergutmachung fordert.132 Entsprechendes soll gelten, wenn eine Behörde Schadensersatz wegen hinterzogener Mehrwertsteuer verlangt.133 Die Verurteilung zur Zahlung eines Ordnungsgeldes teilt ohne Rücksicht auf den Zahlungsempfänger die Natur der Verpflichtung, deren Durchsetzung sie dient und ist mithin unabhängig vom Begünstigten der Zahlung eine Zivilsache, wenn eine private (Unterlassungs-)Pflicht durchgesetzt werden soll. Entsprechendes gilt allgemein für Zwangsvollstreckungsverfahren.134 Ebenfalls ist Zivilsache die Vergütung eines gerichtlichen Sachverständigen, auch wenn sie durch das den Sachverständigen bestellende Gericht durch eine Entscheidung festgesetzt wird.135 Keine Zivilsache ist die Nachforderung von Vergütung für im Rahmen eines Gefangenenverhältnisses geleistete Arbeit.136 Ebenfalls keine Zivilsache ist nach der Rechtsprechung des EuGH die Klage aus einer durch ein Gesetz des Verpflichteten final geänderten Anleihe (s. aber auch Rz. 23).137
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chouritou u.a./Regierung der Bundesrepublik Deutschland; EuGH v. 14.10.1976 – Rs. 29/76, ECLI:EU:C: 1976:137 Rz. 4 – LTU Lufttransportunternehmen GmbH & Co. KG/Eurocontrol. COM(2013) 858 final, S. 9; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 2. Vgl. EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 Rz. 50 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; GA Bot, Schlussanträge v. 9.12.2014 – C-226/13 u.a., ECLI:EU:C:2014: 2424 Rz. 40 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; KG v. 13.8.2015 – 1 VA 8/15, BeckRS 2015, 16899 Rz. 9; VGH München v. 25.11.2015 – 11 CS 15.2222, BeckRS 2015, 56196 Rz. 10; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 1. EuGH v. 9.3.2017 – C-551/15, ECLI:EU:C:2017:193 Rz. 29 ff. – Pula Parking d.o.o./Sven Klaus Tederahn; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 2. EuGH v. 16.7.2020 – C-73/19, ECLI:EU:C:2020:568 Rz. 26 ff. – Belgischer Staat/Movic BV u.a.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 1. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 1. Mankowski, EWiR 2021, 747, 748; vgl. auch EuGH v. 6.10.2021 – C-581/20, ECLI:EU:C:2021:808 Rz. 43 – ´ stwa Rzeczypospolitej Polskiej reprezentowany przez Generalnego Dyrektora Dróg Krajowych i AuSkarb Pan tostrad/TOTO SpA – Costruzioni Generali, Vianini Lavori SpA. – A.A. Tribunale Amministrativo Regionale Latium v. 17.3.2014 – 2946. Zurückhaltend Hau, IPRax 2022, 232, 233. EuGH v. 11.4.2013 – C-645/11, ECLI:EU:C:2013:228 Rz. 29 ff. – Land Berlin/Ellen Mirjam Sapir ua., IPRax 2014, 167. EuGH v. 12.9.2013 – C-49/12, ECLI:EU:C:2013:545 Rz. 29 ff. – The Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs/Sunico ApS, IPRax 2015, 84. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 12; Hesterberg/Mathey, DGVZ 2017, 98; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 1. Cour de cassation v. 14.11.2013 – 12-21107. KG v. 13.8.2015 – 1 VA 8/15, BeckRS 2015, 16899 Rz. 8 ff. EuGH v. 15.11.2018 – C-308/17, ECLI:EU:C:2018:911 Rz. 29 ff. – Hellenische Republik/Leo Kuhn. – A.A. Zöller/Geimer, Art. 1 EuZustVO Rz. 1.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich 4. Erfasste Rechtsbereiche 27
Die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung für Zivil- und Handelssachen ist nicht dadurch eingeschränkt, dass aus ihm bestimmte Materien ausgenommen sind. Hierin unterscheidet sich der Anwendungsbereich der Verordnung von dem der Brüssel Ia-VO, aus welchem durch Art. 1 Abs. 2 Brüssel Ia-VO bestimmte Rechtsmaterien ausgenommen sind.138 Dieser Unterschied gründet materiell darin, dass den Eigenarten der in Art. 1 Abs. 2 Brüssel Ia-VO benannten Rechtsbereiche leicht Bedeutung für die sachgerechte inhaltliche Ausgestaltung von Regelungen zur gerichtlichen Zuständigkeit oder zur Anerkennung und Vollstreckung (Brüssel Ia-VO), dagegen grundsätzlich kaum für die sachgerechte Ausgestaltung der grenzüberschreitenden Bewirkung einer Zustellung und des dabei vorgesehenen Adressatenschutzes zukommt.139 Der Unterschied ist dementsprechend im Zusammenhang damit zu sehen, dass zu einem Teil der in Art. 1 Abs. 2 Brüssel Ia-VO benannten Gegenstände spezielle Instrumente (z.B. EG-UntVO, EU-ErbVO, EG-InsVO) existieren, welche die Brüssel Ia-VO ergänzen, d.h. Art. 1 Abs. 2 Brüssel Ia-VO auch der Abgrenzung der die gerichtliche Zuständigkeit bzw. die Anerkennung und Vollstreckung regelnden verschiedenen Instrumente dient.
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Der Anwendungsbereich der Verordnung reicht mithin, wie z.B. teilweise auch der der EG-MahnVO, über den der Brüssel Ia-VO hinaus.140 Er deckt nicht nur den Anwendungsbereich der Brüssel IaVO, sondern insbesondere auch die Anwendungsbereiche der Brüssel IIb-VO,141 der EU-ErbVO, der EG-UntVO,142 der EU-EheGüterVO, der EU-LP-GüterVO, der EG-InsVO143 ab.144 Auch unterfallen ihm Zustellungen z.B. mit Bezug zum Personenstand (e contrario Art. 22 Abs. 5 EU-ZustVO 2020),145 in zivilrechtlichen Schiedsverfahren,146 zur sozialen Sicherheit147 und zu Abstammungssachen.148
III. Gerichtliche oder außergerichtliche Schriftstücke 1. Allgemeines 29
Die Verordnung erfasst gleichermaßen die Zustellung gerichtlicher wie außergerichtlicher Schriftstücke. Dies ist unmittelbar Abs. 1 zu entnehmen und wird in Art. 21 EU-ZustVO 2020 bestätigt. Auf138 ABl. EG 1997 C 261/28; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 1 EuZVO Rz. 9; Brenn, Art. 1 EZV Anm. c); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 8; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 24; Zöller/Geimer, Art. 1 EuZustVO Rz. 1; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/5; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Richter, IPRax 2022, 433, 434; Anders/Gehle/Schmidt, Vor § 1067 ZPO Rz. 6; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.25; Gebauer/ Wiedmann/Sujecki, Erwgr. EuZVO Rz. 20, Art. 1 EuZVO Rz. 3; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 1 EuZVO Rz. 1. 139 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 8. 140 KOM(1999) 219 endg.; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 7; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.19. 141 GA Cruz Villalón, Schlussanträge v. 6.12.2010 – C-497/10 PPU, ECLI:EU:C:2010:738 Rz. 55 – Barbara Mercredi/Richard Chaffe. 142 Vgl. OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu Ziff. 4.1 der Gründe; OGH v. 17.6.2014 – 10Ob34/14v zu 2. der Gründe; OLG Brandenburg v. 29.8.2018 – 13 WF 131/18, BeckRS 2018, 31554 Rz. 8; OLG Düsseldorf v. 15.7.2005 – 3 UF 285/04, BeckRS 2005, 8768 zu II. 2. der Gründe. 143 Vgl. Corte di Cassazione v. 16.5.2014 – 10954; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 1 EuZVO Rz. 2; Peer, ÖJZ 2012, 5. 144 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 9; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 8; Anders/Gehle/Schmidt, Vor § 1067 ZPO Rz. 6; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 1 EuZVO Rz. 1. 145 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 1 EuZVO Rz. 8; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 1 EuZVO Rz. 2. 146 Vgl. OLG München v. 29.9.2016 – 34 Sch 11/13, BeckRS 2016, 17436 Rz. 6; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 1 EuZVO Rz. 8; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 11, 42; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 1 EuZVO Rz. 2. 147 OLG Innsbruck v. 10.10.2018 – 25Rs49/18v zu 1. der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 10; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 1 EuZVO Rz. 2. 148 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 9.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
grund der Anordnung in Art. 21 EU-ZustVO 2020 gelten für die grenzüberschreitende Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke im Grundsatz dieselben Vorschriften wie für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke (s. auch Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 16 f.), auf welche der Verordnungsgeber das Instrument ausgerichtet hat (s. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 f.). Mit ihrem Vorhaben, den Anwendungsbereich der Verordnung für gerichtliche und außergerichtliche Schriftstück unterschiedlich zu fassen, hat sich die Kommission nicht durchgesetzt (s. Rz. 15, 17). Entgegen h.A. kommt der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung für gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke auch jeweils dieselbe doppelte Bedeutung zu. Nicht anders als für gerichtliche Schriftstücke entscheidet die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung nicht nur darüber, ob die von der Verordnung vorgesehenen (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswege genutzt werden können, sondern auch darüber, ob diese Wege für eine Zustellung genutzt werden müssen (s. Rz. 3, Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 16).149 Ebenso wie für gerichtliche Schriftstücke ist der Anwendungsbereich für diese beiden Dimensionen unterschiedlich gefasst (s. Rz. 4). 2. Schriftstück Den Begriff des Schriftstücks definiert die Verordnung nicht, sondern setzt ihn mit einer bestimm- 30 ten verordnungsautonomen Bedeutung voraus. Diese ist zu erschließen unter Berücksichtigung der Zielsetzungen und der Systematik der Verordnung sowie der allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der nationalen Rechtsordnungen ergeben. Danach ist unter einem Schriftstück zu verstehen die Speicherung einer rechtserheblichen Gedankenerklärung. Insbesondere in Erwägungsgrund 8 S. 1 EU-ZustVO 2020 wird dies erkennbar. Die Art der Speicherung (z.B. Verkörperung in einer Urkunde oder elektronische Informationen auf einem Speichermedium) ist ohne Belang.150 Zwar ging die h.A.151 zu Art. 1 EG-ZustVO 2007 davon aus, dass die Verordnung elektronische Speicherungen nicht erfasst. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass die Verordnung keinen Weg zur Übermittlung oder Zustellung elektronischer Speicherungen enthielt.152 In dieser Begründung wird aber nicht nur erkennbar eine Verkennung der doppelten Bedeutung der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung, sondern auch eine mangelnde Unterscheidung zwischen der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung und den bei Eröffnung des Anwendungsbereichs zur Verfügung stehenden Übermittlungs- und Zustellungswegen. Folgte man der h.A. hätte dies zur Konsequenz gehabt, dass Mitgliedstaaten, welche ihre Gerichtsverfahren digitalisiert hatten, Zustellungsvorgänge dadurch dem den obligatorischen Charakter eröffnenden Anwendungsbereich der Verordnung hätten entziehen können, dass sie ausschließlich eine Zustellung elektronischer Fassungen von Dokumenten vorgesehen hätten, mit der Folge, dass bei fehlender Möglichkeit zur grenzüberschreitenden elektronischen Zustellung eine (fiktive) Inlandszustellung hätte erfolgen können. Jedenfalls aber kann an der zentralen Begründung der h.A. für die Verordnung aus dem Grund nicht mehr festgehalten werden, dass Art. 19 EU-ZustVO 2020 die Möglichkeit zur elektronischen Direktzustellung vorsieht, d.h. davon ausgeht, dass der Anwendungsbereich der Verordnung auch für elektronische Speicherungen eröffnet ist.
149 Vgl. EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 50 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 74 f. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 6. – A.A. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 1 EuZVO Rz. 8; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 32, Art. 16 EuZVO Rz. 2, Art. 20 EuZVO Rz. 1; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2016, 158, 159; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 32, Art. 21 EuZVO 2022 Rz. 1; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13, Art. 21 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 4, Art. 16 EuZVO Rz. 1, Art. 20 EuZVO Rz. 1; vgl. auch EuGH v. 27.2.2020 – C-25/19, ECLI:EU:C:2020:126 Rz. 29 – Corporis sp. z o.o./Gefion Insurance A/S. 150 BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 24 f. 151 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 33; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 38; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 26; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EG) 1393/2007 Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 10. 152 Zu Recht relativierend Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 10.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich 3. Gerichtlich 31
Gerichtlich sind Schriftstücke im Sinne der Verordnung, wenn sie von einem Gericht ausgestellt wurden oder unabhängig vom Aussteller sich ihrem Inhalt nach in dem Sinne auf einen Rechtsstreit beziehen, dass ihrer Zustellung rechtserhebliche Bedeutung für einen Rechtsstreit zukommt (s. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 9).153 Der Begriff des Rechtsstreits ist dabei verordnungsautonom auszulegen. Er erfasst unabhängig von der führenden Stelle alle staatlichen Rechtsschutzverfahren, d.h. neben vollwertigen Erkenntnisverfahren auch summarische Verfahren und Zwangsvollstreckungsverfahren.154 Welche Schriftstücke sich ihrem Inhalt nach auf einen Rechtsstreit im vorausgesetzten Sinne beziehen, bestimmt sich nach dem auf den jeweiligen Rechtsstreit, zu dem ein Bezug festgestellt werden soll, anwendbaren Recht. Gerichtliche Schriftstücke sind z.B. Speicherungen von Prozesshandlungen (Klageschrift, Streitverkündungsschrift), von einem Gericht ausgebrachte Terminsladungen, in einem Verfahren ergehenden gerichtlichen Entscheidungen und sonstige Vollstreckungstitel (als solche). 4. Außergerichtlich
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Nach Erwägungsgrund 8 S. 1 EU-ZustVO 2020 sind im Sinne der Verordnung außergerichtliche Schriftstücke solche, die keine gerichtlichen Schriftstücke sind, denen aber in bzw. für eine Zivil- und Handelssache (vgl. auch Erwägungsgrund 8 S. 2 EU-ZustVO 2020) eine besondere Rechtserheblichkeit zukommt.155 Eine solche besondere, aus kompetenzrechtlichen Gründen (Art. 81 AEUV: „justizielle“ Zusammenarbeit) erforderliche Rechtserheblichkeit156 kann sich daraus ergeben, dass ein Schriftstück von einer Behörde oder einer Amtsperson erstellt oder beglaubigt wurde oder seine förmliche Übermittlung unter Berücksichtigung seines Inhalts zur Geltendmachung, zum Beweis oder zur Wahrung eines Rechts oder Anspruchs erforderlich ist. Damit knüpft Erwägungsgrund 8 S. 1 EU-ZustVO 2020 an die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Roda Golf & Beach Resort SL und Tecom Mican SL, José Arias Domínguez an und stellt klar, dass der Begriff des außergerichtlichen Schriftstücks weiter als im Zusammenhang mit Art. 17 HZÜ zu verstehen ist (s. Rz. 11). Soweit dem weiten Begriffsverständnis des EuGH entgegengehalten wurde und wird, dass private Schriftstücke keiner Rechtshilfe bedürfen und daher auch keine bekommen, überzeugte dies schon bislang nicht (s. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 5). Ohnehin aber ist der Verordnungsgeber dieser Kritik ausweislich Erwägungsgrund 8 S. 1 EU-ZustVO 2020 nicht gefolgt. Ihr kommt somit nur noch rechtspolitische, nicht aber Bedeutung für Auslegung und Anwendung der Verordnung zu. Als außergerichtliche Schriftstücke werden von der Verordnung angesprochen z.B. Notarurkunden, aber auch Anfechtungserklärungen, Kündigungen und Mahnungen.
153 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/28; KOM(1999) 219 endg.; Brenn, Art. 1 EZV EinfErl; Peer in Burgstaller/Neumayr/ Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 1 EuZVO Rz. 3; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 1 EuZVO Rz. 2. – A.A. (gerichtlicher Urheber notwendig) GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI: EU:C:2020:971 Rz. 90 – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o.; Knöfel, RIW 2021, 473, 476; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 1 EuZuStVO Rz. 3. 154 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 12; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 26; Karaaslan, S. 69; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 1 EuZVO Rz. 2. 155 Vgl. bereits ABl. EG 1997 C 261/28; KOM(1999) 219 endg.: „deren Art es rechtfertigt, daß sie dem jeweiligen Empfänger nach einem offiziellen Verfahren zugeleitet und zur Kenntnis gebracht werden“. Vgl. auch Meyer, IPRax 1997, 401, 403: z.B. Kündigungsschreiben; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 1 EuZVO Rz. 3. Enger dagegen Lechner, A5-0060/1999, S. 13: „notariell beglaubigte Urkunden und Vollstreckungsurkunden“. 156 Vgl. EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 53 ff. – Roda Golf & Beach Resort SL; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 49 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 78 – Roda Golf & Beach Resort SL.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
IV. Grenzüberschreitende Zustellung zwischen Mitgliedstaaten 1. Ausgangspunkt Die Verordnung gilt aus kompetenzrechtlichen Gründen nur für grenzüberschreitende Zustellungen zwischen den Mitgliedstaaten.157 Sie findet keine Anwendung auf reine Inlandszustellungen, sondern erfasst nur internationale Zustellungen.158 Dabei muss es sich um internationale Zustellungen gerade im Rechtsverkehr zwischen zwei Mitgliedstaaten159 und nicht im Rechtsverkehr mit Drittstaaten (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 ff., zur obligatorischen Anwendung im Verhältnis zur Zustellung in einem Drittstaat s. auch Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 6) handeln.160 Ist das von der Vorschrift gefasste grenzüberschreitende Element gegeben, ist der Anwendungsbereich der Verordnung nach zutreffender Ansicht des EuGH161 unabhängig davon eröffnet, dass gesondert im Einzelfall die Binnenmarktrelevanz eines Sachverhalts festgestellt wird.162
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Das den Anwendungsbereich eröffnende grenzüberschreitende Element fasst Abs. 1 sprachlich ab- 34 weichend von Art. 1 Abs. 1 EG-ZustVO 2007. Nach Art. 1 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 war dem Wortlaut nach ähnlich wie nach Art. 1 Abs. 1 HZÜ erforderlich, dass ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück von einem in einen anderen Mitgliedstaat zum Zwecke der Zustellung zu übermitteln ist und der den Eintritt der Zustellungswirkungen auslösende Akt in einem vom Ursprungmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat verwirklicht werden muss (s. auch Rz. 9). Diese Ausrichtung am Erfordernis einer grenzüberschreitenden Übermittlung leitete das vormals ganz herrschende Verständnis, dass die EG-ZustVO 2007 nur das „Wie“, nicht aber das „Ob“ einer grenzüberschreitenden Zustellung regele. Hiernach eröffnete die EG-ZustVO 2007 lediglich bestimmte (exklusive) Übermittlungs- und Zustellungswege, welche erforderlichenfalls im Interesse des Antragstellers genutzt werden können, ohne aber selbst zu regeln, wann die Nutzung der eröffneten Wege erforderlich ist. Nunmehr fordert Abs. 1 stattdessen eine grenzüberschreitende Zustellung und lenkt damit den Blick im Einklang mit der die zuvor h.A. zurückweisenden Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski sprachlich weg von der tatsächlichen Übermittlung eines Schriftstücks über eine Grenze hinweg darauf, dass der Zweck einer Zustellung, welcher in der tatsächlichen Information des Adressaten (Verschaffung der effektiven Möglichkeit zur Kenntnisnahme) und nur hilfsweise in der Begründung einer Vermutung oder Fiktion einer solchen Information (bzw. einer solchen Möglichkeit zur Kenntnisnahme) besteht,163 über Grenzen hinweg zu erfüllen ist. 157 Vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 19 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. 158 GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 19 – Krystyna Alder, Ewald Alder/ Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; OGH v. 1.3.2012 – 1Ob218/11g zu I. 5. der Gründe; LG Hamburg v. 12.3.2013 – 325 O 224/12, RdTW 2013, 288 Rz. 26; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 32; Zöller/Geimer, Art. 1 EuZustVO Rz. 12; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/6; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 23; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.28; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 14. 159 Dabei ist für den Ausschluss der (den obligatorischen Charakter der Verordnung hindernden) Möglichkeit zur Inlandszustellung das gesamte Staatsgebiet, im Übrigen nur das in den territorialen Anwendungsbereich der Verordnung fallende Staatsgebiet der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. 160 OGH v. 1.3.2012 – 1Ob218/11g zu I. 5. der Gründe; OGH v. 28.2.2012 – 8Ob17/12a zu 3.2 der Gründe; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 32; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 17; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/6; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21; Peer, ÖJZ 2012, 5; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.28. 161 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 62 ff. und Tenor Nr. 3 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 65 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; missverständlich hierzu EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009: 395 Rz. 56 – Roda Golf & Beach Resort SL. 162 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 13; Mankowski, EuZW 2015, 950, 951; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EG) 1393/2007 Rz. 16; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 13, 15. 163 Vgl. Gottwald in FS Schütze, S. 225, 229: fiktive Zustellungsformen sind „Notbehelf“; Hess, NJW 2001, 15 und Hess, EuZPR, Rz. 8.3: „primäre Zweck jeder Zustellung“. Vgl. auch Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final re-
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich 35
Der verfügende Verordnungstext enthält keine Definition des Begriffs grenzüberschreitende Zustellung, sondern setzt eine bestimmte verordnungsautonome164 Bedeutung voraus. Von welchem Begriffsverständnis dabei auszugehen ist, erläutern die Erwägungsgründe 5–7 EU-ZustVO 2020 näher. Soweit es in Erwägungsgrund 5 EU-ZustVO 2020 dabei heißt, bei der grenzüberschreitenden Zustellung sollte es sich um die Zustellung von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat handeln, ist dem allerdings nicht viel mehr als ein Bezug der internationalen Dimension gerade auf die Mitgliedstaaten (s. Rz. 33) zu entnehmen. Aus Erwägungsgrund 6 EU-ZustVO 2020 lässt sich kaum mehr als aus Abs. 3 entnehmen. Den gewichtigsten Beitrag zum maßgeblichen Verständnis des Begriffs grenzüberschreitende Zustellung leistet Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020. Dieser lässt erkennen, dass mit der Neuformulierung von Abs. 1 im Kern keine sachliche Änderung gegenüber Art. 1 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 erfolgen, sondern das Erfordernis einer grenzüberschreitenden Zustellung gerade im Sinne der zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 ergangenen Rechtsprechung des EuGH festgeschrieben werden sollte. Die bereits zuvor bestehende Rechtslage soll durch die Neuformulierung lediglich klarer zum Ausdruck gebracht werden, indem die im Vergleich zu Art. 1 HZPÜ stärker Anlass zu Missverständnissen gebende Formulierung des Art. 1 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 getilgt wird. Ausweislich der Erläuterung in Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 ist die Neufassung am Rande allerdings dadurch auch mit einer Änderung der Rechtslage verbunden, dass als Bezugspunkt vom EuGH ähnlich wie in Abs. 3 der Wohnsitz165 (und gewöhnliche Aufenthalt), dagegen ausweislich Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 nunmehr ähnlich wie in Abs. 2 die bekannte Zustelladresse gewählt wurde.166 2. Wesensmerkmal: Erfordernis grenzüberschreitender Information
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Eine Zustellung ist im Sinne der Vorschrift grenzüberschreitend, wenn der mit ihr verfolgte Zweck grenzüberschreitend, d.h. in einem vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen167 Mitgliedstaat zu erreichen ist (vgl. Art. 1 HZPÜ: „für eine im Ausland befindliche Person bestimmt“). Zweck einer Zustellung ist, den Zustellungsempfänger förmlich vom Inhalt eines bestimmten Schriftstücks zu informieren bzw. unabhängig vom oder auch gegen den Willen des Empfängers dasjenige herbeizuführen, was unter gewöhnlichen Umständen erforderlich ist, damit der Empfänger tatsächlich vom Inhalt eines Schriftstücks Kenntnis nehmen kann. Dagegen besteht der Zweck einer Zustellung nicht darin, eine Kenntnisnahme oder Kenntnisnahmemöglichkeit zu vermuten oder zu fingieren. Entsprechende Vermutungen und Fiktionen sind vielmehr lediglich im Interesse des Antragstellers vorgesehene Hilfskonstruktionen (s. Rz. 34), welche den Zweck einer Zustellung nicht prägen.168 Im Sinne der Vorschrift ist eine grenzüberschreitende Zustellung danach gegeben, wenn der zur Erreichung des Zwecks der Zustellung erforderliche Kommunikationsvorgang in einem Mitgliedstaat enden muss, der von dem Mitgliedstaat, in welchem er begonnen wurde (Ursprungsmitgliedstaat, s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 f.), verschieden ist. Dies ist dann der Fall, wenn der mit einer Zustellung angestrebte Erfolg nicht im Ursprungsmitgliedstaat, wohl aber in einem anderen Mitgliedstaat (vgl. Erwägungsgrund 5 EU-ZustVO 2020) erreicht werden kann.169 Wann der mit einer Zustellung angestrebte Erfolg nicht im Ursprungsmitgliedstaat, voraussichtlich aber in einem anderen Mitgliedstaat erreicht werden kann, ist den Erwägungsgründen 6 und 7 zu entnehmen. Danach kann der Zustellungserfolg im vorausgesetzten Sinne nicht im Ursprungsmitgliedstaat erreicht werden, wenn der
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port (5.10.2016), S. 1, 14, 144; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 58 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 156. Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 15, 26. Übersehen von Hüßtege in Thomas/Putzo (43. Aufl. 2022), Anh. II § 1071 ZPO Rz. 2. Nicht nachzuvollziehen BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 4: Begriff finde ausschließlich in Verbindung mit elektronischen Zustellungen in Art. 19 EU-ZustVO 2020 Verwendung. Vgl. OGH v. 28.2.2012 – 8Ob17/12a zu 3.2 der Gründe. Vgl. auch GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 58 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. Vgl. bereits Schmitz, S. 177: „Eine derartige ‚Zustellung‘ verdient diesen Namen nicht mehr, weil sie ihr Primärziel, die Unterrichtung des Adressaten, verfehlt.“ Vgl. bereits Schack in FS Geimer, S. 931, 943.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
Zustellungsempfänger im Ursprungsmitgliedstaat nicht über eine bekannte Zustelladresse verfügt und er oder der Zustellungsadressat auch keinen Zustellungsbevollmächtigten beauftragt hat, der im Ursprungsmitgliedstaat über eine bekannte Zustelladresse verfügt (s. auch Rz. 65 ff.).170 Zugleich kann der Zustellungserfolg voraussichtlich aber in einem anderen Mitgliedstaat erreicht werden, wenn der Empfänger bekanntermaßen dort über eine Zustelladresse verfügt. Aufgrund des Umstands, dass namentlich Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 zurückgeht auf die 37 Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski, in deren Fokus der Schutz des Empfängers vor im Recht der Mitgliedstaaten angelegten Aushöhlungen stand, greift seine Umschreibung allerdings zu kurz und lässt unbeachtet, dass der mit einer Zustellung verfolgte Zweck auch dann nicht im Ursprungs-, wohl aber in einem anderen Mitgliedstaat erreicht werden kann, wenn das eine Zustellungslast begründende Recht (insbesondere des Ursprungsmitgliedstaats) gerade die Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat voraussetzt bzw. erfordert. Auch in diesem Fall muss, damit die Verordnung ihre Ziele erreicht, ihr Anwendungsbereich eröffnet sein, damit der Ursprungsmitgliedstaat im Interesse des Antragstellers die von der Verordnung eröffneten (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswege nutzen kann. Nach Sinn und Zweck schließt die Verordnung nicht aus, dass die Mitgliedstaaten das Erfordernis für eine grenzüberschreitende Zustellung in einem weiteren Umfang vorsehen und dadurch im Interesse des Antragstellers den Anwendungsbereich der Verordnung in einem weiteren Umfang eröffnen, als dies zum Schutz des Zustellungsadressaten durch die Verordnung autonom vorgegeben ist (s. auch Rz. 4).171 In einem einheitlichen Raum des Rechts ist nicht ausgeschlossen, die von der Verordnung eröffneten (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswege auch in dem Fall zu nutzen, dass der Empfänger eine bekannte Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat hat (s. Rz. 50). Dies klingt nicht nur in Erwägungsgrund 6 EU-ZustVO 2020 an, dessen Einschub klarstellt, dass der Anwendungsbereich insoweit eröffnet ist, wie das anwendbare Recht eine Zustellung an den Vertretenen neben der Zustellung an den Bevollmächtigten172 vorsieht. Vielmehr entspricht dies auch erstens der Annahme, dass außergerichtliche Schriftstücke unabhängig davon in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, ob eine förmliche Information (Zustellung) zwingend erforderlich oder nur sachdienlich (s. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 14) ist, und zweitens der – hier allerdings abgelehnten – Annahme der h.A., dass die Verordnung auf außergerichtliche Schriftstücke nicht obligatorisch Anwendung findet (s. Rz. 29). Das Erfordernis einer grenzüberschreitenden Information beurteilt sich nach Sinn und Zweck jeweils 38 bezogen auf eine einzelne Zustellung bzw. einen einzelnen Zustellungsversuch und nicht einheitlich für alle Zustellungen betreffend ein bestimmtes Schriftstück. Unerheblich für die Eröffnung des Anwendungsbereichs für eine Zustellung ist daher, ob ein Schriftstück bereits (gleichviel auf welchem Weg) zuvor zugestellt wurde.173 Ein Schriftstück kann daher auch mehrfach zugestellt werden, insbesondere auch unter Kumulation verschiedener Übermittlungs- und Zustellungswege (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 68). Zum dann maßgeblichen Zustellungszeitpunkt s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 15. 3. Bekannte Zustelladresse in anderem Mitgliedstaat a) Empfänger aa) Begriffe und Bedeutung Die Vorschrift knüpft im Rahmen des grenzüberschreitenden Elements an die Belegenheit der bekannten Zustelladresse des Empfängers an. Welche Person die Vorschrift dabei als Empfänger ansieht,
170 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 15: keine geeignete Abgabestelle. 171 A.A. inzident Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 3 in Fn. 15. 172 Zu solchen Erfordernissen vgl. Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 46. 173 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 47 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 22; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 1 EuZVO Rz. 5.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich regelt sie ebenso wenig wie dies die Verordnung für andere Vorschriften klärt, obwohl zwei unterschiedliche Anknüpfungspunkte denkbar sind. Zur Bestimmung des Empfängers könnte zum einen daran angeknüpft werden, welche Person von den Wirkungen einer Zustellung unmittelbar betroffen wird (Zustellungsadressat, s. Rz. 41). Zum anderen könnte daran angeknüpft werden, welche Person unmittelbar informiert werden soll/muss, um Zustellungswirkungen auszulösen (Zustellungsempfänger, s. Rz. 42 ff.). Zustellungsadressat und Zustellungsempfänger sind häufig, aber nicht notwendig identisch. Vielmehr können beide Personen zunächst dadurch auseinanderfallen, dass der Zustellungsadressat nicht handlungs-, geschäfts- oder prozessfähig ist (vgl. § 170 ZPO). So ist Zustellungsadressat einer Klage auch die geschäftsunfähige oder nicht handlungsfähige Partei. Zustellungsempfänger ist in diesem Fall dagegen der den Mangel an Handlungs-, Geschäfts- oder Prozessfähigkeit ausgleichende gesetzliche Vertreter bzw. der diesen Mangel ausgleichende Organwalter. Davon abgesehen kann die Person des Zustellungsempfängers dadurch von der Person des Zustellungsadressaten verschieden sein, dass durch Gesetz die Empfangsmacht des Zustellungsadressaten eingeschränkt ist (z.B. § 172 ZPO). 40
Der Unterscheidung von Zustellungsadressat und Zustellungsempfänger kommt im Zusammenhang mit der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung dadurch Bedeutung zu, dass die Vorschrift im Rahmen des grenzüberschreitenden Elements wie z.B. auch Art. 7 EU-ZustVO 2020, aber anders als z.B. Art. 12 EU-ZustVO 2020 als Empfänger nur den Zustellungsempfänger und nicht den Zustellungsadressaten anspricht (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 ff.). Dafür lässt sich auch der Einschub in Erwägungsgrund 6 EU-ZustVO 2020 anführen. In diesem wird ersichtlich, dass zur Auslösung der Zustellungswirkungen gegenüber einem Zustellungsadressaten die Information von zwei Zustellungsempfängern erforderlich sein kann und die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung in Ansehung jedes Zustellungsempfängers gesondert zu beurteilen ist. Aufgrund der Bezugnahme auf den Zustellungsempfänger ist für Zustellungen an juristische Personen bei Geltung von § 170 ZPO oder vergleichbaren nationalen Vorschriften auf die bekannte Zustelladresse der nach dem eine Zustellungslast begründenden Recht (einschließlich Kollisionsrecht) berufenen Vertreter174 und ist nicht auf die bekannte Zustelladresse der juristischen Person abzustellen. Der Anwendungsbereich der Verordnung kann danach für Zustellungen aus Deutschland heraus auch für juristische Personen mit Sitz im Vereinigten Königreich eröffnet sein, wenn ein zu ihrer Vertretung berufener Organwalter eine bekannte Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat der EU hat.175 bb) Zustellungsadressat
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Die Verordnung regelt die Person des Zustellungsadressaten nicht autonom. Eine entsprechende Regelung ist sachgerecht nicht pauschal, sondern nur im jeweiligen Sachzusammenhang möglich. Dementsprechend setzt die Verordnung voraus, dass die Person des Zustellungsadressaten durch das eine Zustellungslast begründende Recht bestimmt wird. Lediglich in Art. 22 EU-ZustVO 2020 bestimmt die Verordnung autonom, dass beschränkt auf die dort begründete und mit bestimmten Rechtswirkungen verbundene Zustellungslast Zustellungsadressat für ein verfahrenseinleitendes Schriftstück der Beklagte ist. Hierdurch wird die Freiheit der Mitgliedstaaten beschränkt, in Verfahren gegen eine Vielzahl von Beklagten die Zustellung an nur einzelne Beklagte ausreichen zu lassen,176 sofern nicht die Zurechnung der Zustellung an einen Beklagten an andere Beklagte auf einem mit dem Effektivitätsgrundsatz und dem Gebot der Nichtdiskriminierung vereinbaren Zurechnungskriterium beruht.
174 Vgl. BGH v. 13.9.2016 – VI ZB 21/15, NJW 2017, 564, 565 (im Sachbericht); BGH v. 7.12.2010 – VI ZR 48/10, NZV 2011, 178 Rz. 13; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 15; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 27. 175 Vgl. OGH v. 1.3.2012 – 1Ob218/11g zu I. der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 20; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 24; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 13. 176 Zu entsprechenden Regelungen im Recht der Mitgliedstaaten vgl. Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 48.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
cc) Zustellungsempfänger Ebenso wenig bestimmt die Verordnung autonom die Person des Zustellungsempfängers.177 Viel- 42 mehr setzt sie auch insoweit erstens voraus, dass das eine Zustellungslast begründende Recht bestimmt, welcher Person unmittelbar eine Kenntnisnahmemöglichkeit verschafft werden muss, dass für und gegen den Zustellungsadressaten die an eine Zustellung anknüpfenden Rechtswirkungen eintreten können.178 Dies bedeutet vorbehaltlich eines von § 170 ZPO abweichenden Regelungsansatzes,179 dass sich nach dem für die Zustellungslast maßgeblichen Vertretungsstatut richtet, an welche Person als gesetzlicher Vertreter oder Organwalter eine Zustellung zu erfolgen hat, um gegenüber dem Vertretenen Rechtswirkungen auszulösen.180 Dass eine Person in einem Register eingetragen ist, ist nur mit dieser Maßgabe, d.h. nur bei konstitutiver Bedeutung der Eintragung, nicht aber generell erforderlich.181 Weiter bedeutet dies, dass sich nach dem eine Zustellungslast begründenden Recht bestimmt, inwieweit als Zustellungsempfänger weitere Personen (neben dem Zustellungsadressaten bzw. den einen Mangel der Handlungs-, Geschäfts- oder Prozessfähigkeit ausgleichenden gesetzlichen Vertretern oder Organwaltern) in Betracht kommen. Z.B. begründet das in Umsetzung von Art. 152 Abs. 1 Richtlinie 2009/138/EG ergangene nationale Recht für den durch ein Nichtlebensversicherungsunternehmen im Aufnahmemitgliedstaat benannten Vertreter auch die Empfangsbevollmächtigung.182 Zweitens setzt die Vorschrift voraus, dass die eine Zustellung auslösende Stelle die Person des Zustellungsempfängers auf der Grundlage dieses Rechts bestimmt, d.h. die Person des Zustellungsempfängers subjektiv determiniert ist. Nur dieses an die Bestimmung durch die eine Zustellung anordnende Stelle anknüpfende Verständnis stellt sicher, dass die Verordnung ihre volle Wirksamkeit entfalten kann und die von ihr vorgesehenen (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswege jeweils dort eröffnet sind, wo ein Bedürfnis zu ihrer Nutzung besteht. Durch die Vorschrift unberührt bleibt im Ausgangspunkt die Freiheit der Mitgliedstaaten, die Per- 43 son des Zustellungsempfängers zu bestimmen oder weitere Personen als Zustellungsempfänger zuzulassen.183 Eine Einschränkung erfährt die Freiheit der Mitgliedstaaten aber durch die das primäre Unionsrecht konkretisierende Vorschrift insoweit, als Regelungen, welche die Bestimmung einer Person zum vom Zustellungsadressaten verschiedenen Zustellungsempfänger an die (tatsächliche, drohende, vermutete oder typische) Unbekanntheit einer inländischen Zustelladresse des Zustellungsadressaten bzw. seiner (regelmäßigen) Zustellungsempfänger knüpfen (z.B. § 6 ZVG), unangewendet bleiben müssen, weil ihre Anwendung im Widerspruch zum Effektivitätsgebot geeignet ist, die am Schutz des Zustellungsadressaten orientierte Reichweite des Anwendungsbereichs der Verordnung einzuschränken.184
177 BGH v. 13.9.2016 – VI ZB 21/15, NJW 2017, 564 Rz. 43 (dabei den hier anders besetzten Begriff des Zustellungsadressaten verwendend); Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3 (dabei den hier anders besetzten Begriff des Zustellungsadressaten verwendend); Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EGZustellVO Rz. 16 (dabei den hier anders besetzten Begriff des Zustellungsadressaten verwendend). 178 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 20. Vgl. Cour de cassation v. 15.11.2016 – 14-16674: Geschäftsführer neben Gesellschaft. 179 Zu Zustellungen an juristische Personen selbst vgl. Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 34 ff., 77 f.; de lege ferenda eine solche Möglichkeit für die ZPO fordernd Gottwald in FS Schütze, S. 225, 232. 180 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 69; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 28. 181 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 27. 182 EuGH v. 27.2.2020 – C-25/19, ECLI:EU:C:2020:126 Rz. 29 ff., 45 – Corporis sp. z o.o./Gefion Insurance A/S. 183 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3. 184 Vgl. auch Stürner, ZZP 126 (2013), 137, 142 anknüpfend an GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 64 ff. – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. Vgl. auch Kondring, EWS 2013, 128, 131 f.; Sujecki, EWS 2010, 523, 526 f.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich b) Zustelladresse 44
Die Verordnung regelt nicht die Bedeutung des Begriffs Zustelladresse,185 sondern setzt eine bestimmte verordnungsautonome Bedeutung voraus. Aus der Systematik der Verordnung und aus Sinn und Zweck ihrer Regelung ergibt sich, dass der Begriff Zustelladresse einen durch nähere Angaben individualisierten Ort bezeichnet, an dem der Zustellungsempfänger (zumindest unter gewöhnlichen Umständen) tatsächlich physisch angetroffen werden kann und, wird er dort nicht angetroffen, ein Schriftstück gegebenenfalls gleichwohl physisch in seinen Machtbereich gelangen kann.186 Letzteres bestimmt sich im Zusammenhang mit der Feststellung des grenzüberschreitenden Elements nach einem verordnungsautonomen, dem für Art. 18 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 25 ff.) geltenden, Maßstab und nicht unter Berücksichtigung des auf eine Zustellung anwendbaren Rechts (des Empfangsmitgliedstaats). Dieses Verständnis stellt sicher, dass der Anwendungsbereich der Verordnung, dessen Eröffnung den Antragsteller auf die von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege beschränkt, nur eröffnet ist, wenn ohne Rücksicht auf insbesondere das Recht der berührten Mitgliedstaaten gewiss ist, dass zumindest ein von der Verordnung vorgesehener Übermittlungs- oder Zustellungsweg voraussichtlich gegeben ist. Ausgehend davon bezeichnet der Begriff Zustelladresse zunächst nicht die Angaben zur Individualisierung eines elektronischen Postfachs (vgl. auch Erwägungsgrund 35 S. 2 EU-ZustVO 2020: „Konto“ oder „Anschrift“).187 Denn erstens eignen sich elektronische Postfächer ihrem Wesen nach nicht zur sinnvollen Verortung eines Zustellungsempfängers in einem Mitgliedstaat,188 weil sie anders als insbesondere eine Postanschrift im Falle eines grenzüberschreitenden Umzugs unverändert weitergenutzt werden können (und wohl üblicherweise auch werden). Und zweitens ergibt sich dies daraus, dass die elektronische Zustellung nur nach Maßgabe des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats eröffnet ist. Würde der Begriff der Zustelladresse auch elektronische Postfächer umfassen, drohte, dass der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist, die Verordnung aber gleichwohl keinen tauglichen Übermittlungs- oder Zustellungsweg vorsieht.189 Ebenso wenig bezeichnet der Begriff aber auch ein Postfach (s. auch Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 13, 30),190 weil an einer Postfachanschrift eine Zustellung nur nach Maßgabe des Rechts des Empfangsmitgliedstaats erfolgen kann, dagegen eine Zustellung auf dem autonomen Zustellungsweg der Postdirektzustellung mit Rücksicht auf das Erfordernis einer vom Empfänger oder einer anderen hierzu berufenen Person unterzeichneten Empfangsbestätigung ausscheidet (s. auch Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 30).
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Der durch die Zustelladresse individualisierte Ort muss lediglich im vorgenannten Sinne tatsächlich geeignet sein,191 d.h. im maßgeblichen Zeitpunkt (s. Rz. 55) der Zustellungsempfänger dort (zumindest unter gewöhnlichen Umständen) angetroffenen werden und anderenfalls eine Ersatzzustellung erfolgen können. Dass ein Ort infolge einer Fiktion (z.B. anknüpfend an eine rechtswidrig unterlassene Ummeldung oder eine Eintragung in einem Register [vgl. § 185 Nr. 2 ZPO])192 oder nur zum 185 Vgl. BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 4; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 20. 186 Vgl. SWD(2018) 287 final, S. 15: „physical residence“. Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 15: geeignete Abgabestelle. Vgl. bereits Lechner, A5-0060/1999, S. 5: „Heimat- oder Wohnsitzanschrift“; KOM(2000) 75 endg.: „Anschrift am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthalt“. – Abw. (dabei ohne eigentliche Definition, sondern nur Beispiele benennend) Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 20. 187 Unentschieden Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 24. 188 Vgl. auch SWD(2018) 287 final, S. 43 („account of the recipient in the other Member State“ und nicht „account in the other Member State“). Vgl. auch Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 119; BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 4. – A.A. Schlosser/Hess/Schlosser (4. Aufl. 2015), Art. 1 HZÜ Rz. 7a: „ausländische E-Mail-Adresse“. 189 So ist namentlich auch eine Zustellung unter Übermittlung auf dem Rechtshilfeweg ausgeschlossen, wenn das Recht des Empfangsmitgliedstaats für Inlandssachverhalte keine elektronische Zustellung vorsieht. 190 A.A. vgl. BGH v. 6.12.2012 – VII ZR 74/12, NJW-RR 2013, 307 Rz. 19; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 20. 191 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 15. 192 Vgl. OLG Düsseldorf v. 3.2.2012 – 3 W 191/11, BeckRS 2012, 5210 zu II. 1. B) cc) (b) der Gründe; Heiderhoff, IPRax 2013, 309, 312.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
Schein (z.B. fingierter Unternehmenssitz)193 entsprechend geeignet ist, genügt nicht. Ob im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellungsempfänger tatsächlich an einem Ort (zumindest unter gewöhnlichen Umständen) physisch angetroffen werden kann, beurteilt sich (prognostisch) aus der Sicht eines objektiven Betrachters auf Grundlage der den maßgeblichen Personen bei Anordnung der Zustellung194 bzw. der sonstigen Entscheidung über die Anwendbarkeit der Verordnung (s. auch Rz. 55, Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 f.) hinreichend bekannten Umstände (s. Rz. 46 ff.). Danach kommt als Zustelladresse insbesondere in Betracht die Anschrift des (Wohn-)Sitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts.195 Hierauf ist der Kreis der Zustelladressen aber nicht beschränkt.196 Vielmehr kommt auch die Zweigniederlassung einer juristischen Person oder Personengesamtheit, nicht dagegen die Niederlassung einer von Zustellungsempfänger und -adressat personenverschiedenen und lediglich wirtschaftlich oder im Sinne eines Konzerns verbundenen Person, in Betracht.197 Ebenso kann der Ort eines schlichten Aufenthalts in Betracht kommen.198 Vorausgesetzt wird aber, dass der Zustellungsempfänger am betreffenden Ort (nach der anzustellenden Prognose) im maßgeblichen Zeitpunkt (zumindest unter gewöhnlichen Umständen voraussichtlich) tatsächlich angetroffen werden kann und, wird er nicht tatsächlich angetroffen, nach dem für Art. 18 EU-ZustVO 2020 geltenden Maßstab am betreffenden Ort eine Ersatzzustellung (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 25 ff.) erfolgen kann. Dies setzt voraus, dass der Zustellungsempfänger am betreffenden Ort eine Wohnung oder ein Geschäftslokal unterhält. Der (voraussichtlichen) Dauer seines Aufenthalts am betreffenden Ort kommt dagegen keine eigenständige Bedeutung zu.199 Daraus ergibt sich in Bezug auf Ferienwohnungen, dass sie eine Zustelladresse vorübergehend begründen für den Zeitraum, zu dem der Empfänger nach dem maßgeblichen Horizont voraussichtlich angetroffen werden kann.200 Unberührt bleibt, dass einzelne Übermittlungs- oder Zustellungswege nur eröffnet sind, wenn eine engere Verbindung des Zustellungsempfängers zum Gebiet der Mitgliedstaaten besteht (z.B. Art. 17 EU-ZustVO 2020: Wohnsitz).201 c) Bekanntheit Entgegen den durch den Wortlaut geweckten Assoziationen beschreibt die Bekanntheit der Zustell- 46 adresse im Rahmen von Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 (für Abs. 1) nicht (vollständig) das Spiegelbild zur Unbekanntheit i.S.v. Abs. 2.202 Dies ergibt sich daraus, dass Abs. 2 darauf abzielt, eine echte Ermittlungspflicht der Empfangsstellen auszuschließen, die Vorschrift dagegen nicht zum Ziel hat, die Anwendung der den Zustellungsadressaten schützenden Regelungen der Verordnung zu verhindern (s. Rz. 2 a.E.). Das Erfordernis der Bekanntheit ist daher eigenständig gegenüber Abs. 2, allerdings wie dort verordnungsautonom auszulegen. Eine Zustelladresse ist i.S.v. Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 bekannt, wenn entweder der An- 47 tragsteller oder die eine Zustellung im Ursprungsmitgliedstaat anordnende Stelle über die erforderliche Kenntnis verfügt. Dagegen ist Bekanntheit nicht schon dann gegeben, wenn irgendjemand über die erforderliche Kenntnis verfügt, weil dem Erfordernis der Bekanntheit anderenfalls keinerlei begrenzende Wirkung zukäme. Nicht entscheidend ist aber auch die Kenntnis von Stellen in vom Ur193 194 195 196 197 198 199 200 201 202
Vgl. Corte di Cassazione v. 16.5.2014 – 10954; Corte d’Appello Roma v. 14.11.2011 – 4795. Vgl. OGH v. 27.11.2013 – 2Ob156/13z zu 2.1 und 2.2 der Gründe. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 20. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 33; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 20. – A.A. die Vorschläge bei Lechner, A5-0060/1999, S. 5: „Heimat- oder Wohnsitzanschrift“; KOM(2000) 75 endg.: „Anschrift am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthalt“. Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 20. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 33. A.A. tendenziell Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 4. Vgl. auch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 4. Vgl. zudem Audiencia Provincial Leon v. 28.2.2018 – 59/2018. – A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 20. Vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 34 f. A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 19. Aber auch die an Rauscher geäußerte Kritik von Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 53 überzeugt nicht, weil sie verkennt, dass sich Rauscher nur auf den Anwendungsbereich der Verordnung und nicht auf die Reichweite des Kompetenztitels bezieht – zwischen beiden muss kein allseitiger Gleichlauf bestehen.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich sprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaaten. Denn die Stellen im Ursprungsmitgliedstaat müssen (nicht zuletzt im Hinblick auf Art. 22 Abs. 1 EU-ZustVO 2020) zuverlässig beurteilen können, ob der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist. 48
Erforderlich ist die Kenntnis von Umständen, welche aus der Sicht eines objektiven Betrachters (prognostisch) die Annahme rechtfertigen, dass der Empfänger im (voraussichtlichen) Zeitpunkt einer Zustellung an einem bestimmten Ort (zumindest unter gewöhnlichen Umständen) tatsächlich angetroffen oder anderenfalls eine Ersatzzustellung bewirkt werden kann bzw. konnte. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller oder die eine Zustellung anordnende Stelle bestimmte Umstände mit der Person des Zustellungsempfängers gedanklich verbindet bzw. verbinden kann, ohne Rücksicht darauf, ob die betreffende Verbindung (noch) zutrifft (aktuell ist),203 solange sich nicht der Antragsteller bzw. die eine Zustellung anordnende Stelle davon überzeugen konnte (Vermutungen genügen nicht),204 dass die angenommene Verbindung tatsächlich nicht (mehr) besteht. Weiter ist erforderlich die Kenntnis von den den betreffenden Ort hinreichend individualisierenden und vollständigen Angaben (z.B. Ort, Straße, Hausnummer). Die eine Bekanntheit begründende Kenntnis fehlt danach, wenn keine gedankliche Verbindung mit einer konkreten Anschrift möglich ist. Sie fehlt zudem, wenn die benannten Angaben infolge ihrer Unvollständigkeit (voraussichtlich) keine hinreichende Individualisierung für eine erfolgreiche Bewirkung der Zustellung ermöglichen. Dies beurteilt sich aus der Sicht eines objektiven Betrachters unter Berücksichtigung der im Einzelfall bekannten Umstände und der Kenntnisse über die in Bezug auf den maßgeblichen Ort tatsächlich bestehende Toleranz gegenüber unvollständigen Anschriften. Nur soweit danach die berechtigte Erwartung besteht, dass Empfangsstellen oder Zustellungspersonen unvollständige Angaben von Amts wegen ergänzen (vgl. Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. c EU-ZustVO 2020),205 sind Unvollständigkeiten unerheblich. Die Kenntnis allein von auf einen bestimmten Mitgliedstaat verweisenden Umständen, begründet daher regelmäßig noch keine Bekanntheit der Zustelladresse.206
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Kenntnis erfordert dabei jeweils individuelle positive Kenntnis des Antragstellers oder der die eine Zustellung anordnende Stelle repräsentierenden Personen (subjektive Bekanntheit)207 von den benannten Umständen. Allein für die aus diesen zu ziehenden Schlussfolgerungen gilt der Maßstab eines objektiven Betrachters. Das Kennenmüssen und selbst eine grob fahrlässige Unkenntnis stehen der positiven Kenntnis nicht gleich. Weder den Antragsteller noch die eine Zustellung veranlassende Stelle trifft aufgrund von Abs. 1 eine Ermittlungsobliegenheit.208 Dafür spricht neben dem eine solche Obliegenheit nicht benennenden Wortlaut,209 dass die Annahme einer Ermittlungsobliegenheit Zustellungen verzögern könnte und sich aus dem Fehlen einer klaren Anordnung hinsichtlich ihrer Grenze ergebende Unsicherheiten die Rechtssicherheit gefährdeten. Hiervon ist zu unterscheiden erstens, dass im Falle der Nichteröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO zu beachten ist210 mit der Folge, dass nach Maßgabe der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH eine Anschriftenermittlung erforderlich sein kann,211 und zweitens, dass nach dem 203 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6. Vgl. auch Heiderhoff, IPRax 2010, 343, 344. 204 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 46; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 20. Tendenziell noch strenger Heiderhoff, IPRax 2010, 343, 344. 205 Vgl. dazu SWD(2018) 287 final, S. 11. 206 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 47; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EG) 1393/2007 Rz. 32. 207 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Wißling, GPR 2017, 25, 27 f. 208 Für eine Ermittlungsobliegenheit dagegen Deutschland, Ratsdok. 6067/19 (5.3.2019), S. 8; vgl. zudem auch Fabig/Windau, NJW 2022, 1977 Rz. 5; Gottwald, MDR 2022, 1185 Rz. 6; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10. 209 Unergiebig ist dagegen der Wortlaut von § 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, weil sich § 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 nur an den Empfangsmitgliedstaat und die dortigen Stellen richtet. 210 Vgl. EuGH v. 15.3.2012 – C-292/10, ECLI:EU:C:2012:142 Rz. 53 ff. – G/Cornelius de Visser, IPRax 2013, 341. 211 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 21 („andere Frage“). – A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 26, 44 f.; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 30; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Stürner, ZZP 126 (2013), 137, 141 f. Unklar Stadler/ Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 6.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
Recht des Ursprungsmitgliedstaats eine fiktive Zustellung gegebenenfalls erst nach ausschöpfenden Ermittlungen erfolgen kann,212 und jeweils die Beachtung dieser Erfordernisse eine bekannte Zustelladresse mit der Folge zu Tage fördern kann, dass der Anwendungsbereich der Verordnung dadurch eröffnet wird. Die Unterscheidung dessen von der Auslegung des Abs. 1 erlangt Bedeutung dadurch, dass Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO nur die Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke erfasst und die nationalen Rechte der Mitgliedstaaten nicht fiktive Zustellungsformen notwendig an die Erfüllung einer Ermittlungsobliegenheit binden (z.B. nicht § 184 ZPO). 4. Keine bekannte Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat a) Nur halbseitige Voraussetzung Nach Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 ist weiter erforderlich, dass der Empfänger (s. Rz. 39 ff.) 50 im Ursprungsmitgliedstaat keine bekannte Zustelladresse hat. Aus der die Entstehungsgeschichte der Norm maßgeblich prägenden Rechtsprechung des EuGH wird insoweit ersichtlich, dass dieses Erfordernis nach Sinn und Zweck nur halbseitig gilt, d.h. von seinem Vorliegen allein der obligatorische Charakter der Verordnung abhängig ist (s. Rz. 3 f., 37). Eine bekannte Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat hindert die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung nur in dem Sinne, dass der Antragsteller nicht auf eine Auslandszustellung in einem anderen Mitgliedstaat beschränkt ist, sondern auch im Inland oder in einem Drittstaat zustellen kann. Dagegen hindert eine bekannte Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat nicht, dass aus dem Ursprungsmitgliedstaat heraus tatsächlich unter Nutzung der durch die Verordnung vorgesehenen (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswege in einem anderen Mitgliedstaat zugestellt wird.213 Hierfür lässt sich zunächst anführen, dass für ein und denselben Zustellungsadressaten nicht selten mehrere Zustellungsempfänger nach Wahl der eine Zustellung anordnenden Stelle in Betracht kommen und der Anwendungsbereich der Verordnung daher gegebenenfalls ohnehin auch durch eine durch die Verordnung nicht beschränkte Ausübung eines bestehenden Wahlrechts eröffnet werden kann. Vor allem aber spricht für dieses Verständnis, dass auch im Falle einer bekannten Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat eine Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich oder geeignet sein kann. Dies betrifft insbesondere den Fall, dass die Zustellung nach dem anwendbaren Recht in einem besonderen Verfahren (z.B. persönliche Übergabe) zu erfolgen hat, welches trotz bekannter Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat dort nicht, wohl aber in einem anderen Mitgliedstaat erfolgreich durchgeführt werden kann. Schließlich spricht hierfür, dass auch Art. 1 Abs. 1 HZÜ dem Wohnsitz im Ursprungsmitgliedstaat nicht die Bedeutung beimisst, dass die (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswege nicht genutzt werden dürfen (s. auch Rz. 4).214 b) Zustelladresse Eine Zustelladresse hat der Empfänger im Ursprungsmitgliedstaat, wenn er an einem durch nähere 51 Angaben individualisierten Ort (zumindest unter gewöhnlichen Umständen) wahrscheinlich physisch angetroffen werden kann oder ein Schriftstück, auch wenn der Empfänger nicht angetroffen wird, physisch in dessen hierzu nach der Verkehrsanschauung vorbereiteten Machtbereich gelangen kann. Wie in Bezug auf eine Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat werden auch in Bezug auf die Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat nur solche erfasst, die einen physischen Kontakt ermögli-
212 Vgl. Polymeles Protodikeio Rhodes v. 15.3.2013 – 27/2013; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 1 EuZuStVO Rz. 5. Hier erfolgt die von Bach, EuZW 2012, 381, 385 f. (zu Recht) angemahnte Problembewältigung im Erkenntnisverfahren. – A.A. (Ermittlungsobliegenheit aufgrund der Verordnung und nicht aufgrund der nationalen Vorschriften über Zustellungsfiktionen) Fabig/Windau, NJW 2022, 1977 Rz. 5; Gottwald, MDR 2022, 1185 Rz. 6; dafür vorrangig auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10 f. 213 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 23. 214 Vgl. z.B. Schlosser/Hess/Schlosser (4. Aufl. 2015), Art. 1 HZÜ Rz. 5 ff., Geimer/Schütze/Sujecki, Art. 1 HZÜ Rz. 39 ff., wo jeweils ausschließlich diskutiert wird, welche Beziehung zum Ursprungsmitgliedstaat ausreicht, um von einer Auslandszustellung absehen zu können.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich chen. Nicht angesprochen sind dagegen Adressen, die lediglich eine elektronische Zustellung ermöglichen. Denn anhand eines elektronischen Postfachs ist eine dem Normzweck entsprechende Zuordnung zum Ursprungsmitgliedstaat nicht möglich. Abweichendes gilt auch nicht für elektronische Postfächer, für deren Zugang eine Anmeldung bei einem nationalen Zustellungssystem (z.B. besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach, Nutzerkonten nach OZG, webERV)215 erforderlich ist.216 Zwar ließen sich solche elektronischen Postfächer ausgehend von der Rechtsgrundlage ihrer Einrichtung einem Mitgliedstaat zuordnen. Allerdings widerspricht es dem Schutzzweck der Verordnung, dass die Registrierung für ein solches Postfach für in dem betreffenden Mitgliedstaat geführte Verfahren die Möglichkeit zur Inlandszustellung ohne Rücksicht darauf eröffnet, ob die Registrierung im Zeitpunkt der Zustellung noch Ausdruck einer räumlichen Verbundenheit zum betreffenden Mitgliedstaat ist und daher der Verlust des besonderen Adressatenschutzes (insbesondere Annahmeverweigerungsrecht) gerechtfertigt ist. 53
Unbeschadet der zweifachen Verwendung derselben Begrifflichkeit in Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 wird der Begriff der Zustelladresse für Ursprungs- und anderen Mitgliedstaat ausweislich der in Rz. 51 („oder“) gegebenen Definition allerdings nicht vollständig einheitlich verwendet. Dafür ist maßgeblich, dass die auf die Möglichkeit zur Ersatzzustellung bezugnehmenden höheren Anforderungen an die Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat (s. Rz. 44 f.: „und“) den Antragsteller davor schützen sollen, dass er auf die Übermittlungs- und Zustellungswege der Verordnung beschränkt wird, solche aber im Ergebnis nicht effektiv eröffnet sind. Demgegenüber wirkten sich diese höheren Anforderungen an die Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat gerade für den Antragsteller belastend aus. Zwar wirkten sich die höheren Anforderungen im Zusammenhang mit dem Ursprungsmitgliedstaat spiegelbildlich günstig für den Zustellungsadressaten dadurch aus, dass die zu seinem Schutz vorgesehenen Vorschriften (Art. 12, 22 EU-ZustVO 2020) in weiterem Umfang Anwendung finden. Auf die Eröffnung dieses Schutzes zielt die Fassung des Anwendungsbereichs allerdings nicht eigenständig ab.217 Vielmehr wird lediglich angestrebt, dass der Schutz des Zustellungsadressaten nicht durch (fiktive) Inlandszustellungen ausgehöhlt wird (vgl. Erwägungsgrund 7 S. 2 EU-ZustVO 2020). Dagegen wird nicht angestrebt, dass der besondere Schutz des Zustellungsadressaten nicht durch effektive (namentlich einer Postzustellung gleichwertige) Inlandszustellungen vermieden wird. Dies wird nicht zuletzt darin erkennbar, dass der Verordnungsgeber in Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 an die bekannte Zustelladresse und anders als von der Kommission beabsichtigt nicht an den Wohnsitz anknüpft. Hieraus ergibt sich, dass der Antragsteller bzw. die eine Zustellung veranlassende Stelle nicht auf die Übermittlungs- und Zustellungswege der Verordnung beschränkt ist, wenn ein Empfänger im Ursprungsmitgliedstaat physisch angetroffen wird und sei es auch nur aufgrund einer Durchreise oder eines kurzzeitigen Urlaubs.218 Dementsprechend kann auch an den im Ursprungsmitgliedstaat angetroffenen Organwalter (als Zustellungsempfänger) im Ursprungsmitgliedstaat eine Inlandszustellung mit Wirkung gegen die durch ihn vertretene juristische Person (als Zustellungsadressat), auch wenn diese ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, bewirkt werden.219
215 Vgl. dazu Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 95 ff. 216 Abw. tendenziell COM(2013) 858 final, S. 6, wo die Anmeldung ausländischer Staatsangehöriger zu entsprechenden Diensten angesprochen ist. Ausdrücklich für die Berücksichtigung solcher Postfächer als Inlandsanschrift Estland, Ratsdok. 6067/19 (5.3.2019), S. 45 f. 217 Vgl. LG Hamburg v. 12.3.2013 – 325 O 224/12, RdTW 2013, 288 Rz. 26; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 25. – A.A. inzident Cour de cassation v. 22.9.2016 – 15-18715; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/ EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 15; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EG) 1393/2007 Rz. 24. 218 Düsterhaus, NJW 2013, 445, 445 f.; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 156; Zöller/Geimer, Art. 1 EuZustVO Rz. 12; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EG) 1393/2007 Rz. 24; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.39. – A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 28; wohl auch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 4; a.A. (auf Grundlage des Urteils des EuGH in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski) auch Kondring, EWS 2013, 128, 132; Strasser, Rpfleger 2013, 585, 587 f. 219 Cour de cassation v. 20.11.2012 – 11-17653.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
c) Bekanntheit Bekannt ist eine Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat nur, wenn sie (prognostisch) im Zeitpunkt 54 der Zustellung tatsächlich vorhanden ist, d.h. z.B. der Zustellungsempfänger für den betreffenden Zeitpunkt an einem bestimmten Ort nach der Verkehrsanschauung (schon/noch) einen zum Empfang ausreichend geeigneten Machtbereich eingerichtet hat (z.B. ist der durch eine Ferienwohnung umrissene Machtbereich nach der Verkehrsanschauung nicht notwendig ganzjährig zum Empfang geeignet und bestimmt220). Anders als im Zusammenhang mit der Kenntnis von einer Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat (s. Rz. 49) ist also nicht die individuelle (subjektive) Kenntnis des Antragstellers oder der eine Zustellung anordnende Stelle entscheidend, sondern die Kenntnis irgendeines vom Zustellungsempfänger verschiedenen Betrachters. Dies entspricht dem durch Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 lediglich angestrebten Schutz des Zustellungsadressaten vor (fiktiven) Inlandszustellungen. 5. Zeitpunkt und Horizont Die das geforderte grenzüberschreitende Element ausfüllenden Voraussetzungen (Zustelladresse begründende Umstände) müssen im Ausgangspunkt im (prognostizierten bzw. tatsächlichen) Zeitpunkt der Zustellung vorliegen (vgl. auch Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 27).221 Vom maßgeblichen Zeitpunkt zu unterscheiden ist der maßgebliche Horizont (vgl. auch Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 28). Für diesen gilt, dass, soweit auf die Bekanntheit einer Zustelladresse des Zustellungsempfängers im Ursprungsmitgliedstaat bzw. in einem anderen Mitgliedstaat abgestellt wird, die Kenntnis der die Eröffnung des Anwendungsbereichs feststellenden Instanz im Zeitpunkt ihrer Entscheidung maßgeblich ist. Dies bedeutet insbesondere, dass für die eine Zustellung anordnende Stelle der Zeitpunkt der Anordnung, für das Art. 22 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 prüfende Gericht der Zeitpunkt, in dem über den Erlass einer Entscheidung gegen den sich nicht einlassenden Beklagten befunden wird,222 und für das über einen Wiedereinsetzungsantrag nach Art. 22 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 entscheidende Gericht der Zeitpunkt der Entscheidung über die Wiedereinsetzung maßgeblich ist.223
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6. Konsequenzen a) Anwendungsbereich eröffnet Die vorstehend erläuterte Fassung des grenzüberschreitenden Elements bewirkt, dass die von der Ver- 56 ordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege in einem etwas weiteren Umfang genutzt werden können als sie genutzt werden müssen (s. Rz. 4, 50). Soweit infolge der Eröffnung des Anwendungsbereichs die von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege genutzt werden können, sind sie für grenzüberschreitende Zustellungen in einen anderen Mitgliedstaat exklusiv eröffnet, d.h. auf anderen Übermittlungs- und Zustellungswegen kann die Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat (vorbehaltlich anwendbarer weitergehender Übereinkommen, s. Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 8) nicht bewirkt werden. Liegen die Voraussetzungen dafür vor, dass der Anwendungsbereich auch in dem engeren, zweiten Sinne eröffnet ist, sind nicht nur die vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege (exklusiv) eröffnet (und andere Wege der Auslandszustellung versperrt), sondern der Antragsteller bzw. die eine Zustellung auslösende Stelle ist zugleich in dem Sinne auf die Nutzung dieser Übermittlungs- und Zustellungswege beschränkt, dass die Zustellung nicht stattdessen als (fiktive) Inlandszustellung (oder Zustellung in einem Drittstaaten, s. Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 6) bewirkt werden kann und zwar unabhängig von der für eine (fiktive) In220 Vgl. auch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 4. 221 OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu Ziff. 9. der Gründe; OGH v. 27.11.2013 – 2Ob156/13z zu 2.1 und 2.2 der Gründe. 222 A.A. wohl OLG München v. 6.7.2022 – 7 U 3126/20, BeckRS 2022, 22631 Rz. 22: im Rahmen von § 185 ZPO keine nochmalige Prüfung erforderlich, vgl. weiter aber auch OLG München v. 6.7.2022 – 7 U 3126/20, BeckRS 2022, 22631 Rz. 46: Heilung nach § 189 ZPO setzt bei zwar retrospektiv nicht, wohl aber aus ex-post Sicht gegebener Anwendbarkeit der Verordnung die Wahrung der Schutzstandards der Verordnung (Belehrung über Annahmeverweigerungsrecht) voraus. 223 Vgl. Wißling, GPR 2017, 25, 27.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich landszustellung vorgesehenen Ausgestaltung.224 Die Verordnung verbietet insoweit nicht bloß bestimmte (fiktive) Formen der Inlandszustellung, sondern schließt jede andere als eine grenzüberschreitende Zustellung unter Nutzung der von der Verordnung vorgesehenen (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswege aus. Danach schließt sie gegebenenfalls z.B. auch eine elektronische Zustellung außerhalb der Verordnung aus, selbst wenn diese zur „effektiven“ Kenntniserlangung führt, weil das in Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 benannte Merkmal „fiktiv“ in der Verordnung ausschließlich über die Zustelladresse und nicht anderweitig (z.B. anhand des Maßes der Wahrscheinlichkeit der Kenntnisnahme) definiert ist (der Einschub in Erwägungsgrund 7 S. 3 EU-ZustVO 2020 dient nicht der Definition). 57
Aus der vorstehend erläuterten Fassung des grenzüberschreitenden Elements folgt (auch im Umfang des obligatorischen Charakters der Verordnung) nicht, dass im Falle der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung eine Zustellung notwendig an der bekannten Zustelladresse oder gar dem Wohnsitz des Empfängers zu erfolgen hat.225 Ein Gleichlauf zwischen dem den Anwendungsbereich der Verordnung eröffnenden Anknüpfungspunkt im Empfangsmitgliedstaat und dem Zustellungsort sieht die Verordnung nicht vor. Dies ergibt sich bereits daraus, dass Art. 19 EU-ZustVO 2020 eine elektronische Zustellung vorsieht, ohne dass ein elektronisches Postfach eine bekannte Zustelladresse begründen kann oder mit dieser fest verbunden ist. Weiter ergibt sich dies daraus, dass Art. 11 EU-ZustVO 2020 für die Ausführung einer Zustellung auf das Recht des Empfangsmitgliedstaats verweist, ohne in diesem Kontext anzudeuten, dass diese Verweisung nicht für den Zustellungsort gilt. Hinsichtlich des Wohnsitzes kommt hinzu, dass die verordnungsautonom geregelte Postdirektzustellung nicht erkennen lässt, dass die Übergabe am Wohnsitz erfolgen muss. b) Anwendungsbereich nicht eröffnet
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Hat der Zustellungsempfänger in einem anderen Mitgliedstaat keine bekannte Zustelladresse, kann ihm nicht auf den von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswegen zugestellt werden. Es richtet sich dann nach dem eine Zustellungslast begründenden Recht und dem durch dieses in Bezug genommenen Recht, welche Alternativen zur Verfügung stehen. Der Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz kann, ist auch eine Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat nicht bekannt, dafür sprechen bzw. gebieten, in diesem Fall fiktiv zuzustellen,226 z.B. im Wege der öffentlichen Zustellung.227 Durch die Verordnung bleibt insoweit unberührt, dass das eine Zustellungslast begründende Recht (einschließlich des ergänzend für den Antragsteller bzw. die eine Zustellung auslösende Stelle geltenden Rechts) vorgelagert hierzu eine Obliegenheit begründet, weitere Ermittlungen zu einer Zustellungsanschrift des Empfängers anzustellen,228 in deren Erfüllung eine Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat bekannt wird mit der Folge, dass der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet wird (s. Rz. 49). Ist der Anwendungsbereich der Verordnung demgegenüber nur in dem vom obligatorischen Charakter der Verordnung vorausgesetzten Maße nicht eröffnet (der Zustellungsempfänger hat eine bekannte Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat und im Ursprungsmitgliedstaat), können die von der Verordnung vorgesehenen (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswege genutzt werden. Es entfällt allerdings der zwingende Charakter der Verordnung und sie sperrt nicht die Anwendung des sonstigen im Ursprungsmitgliedstaat für Zustellungen geltenden Rechts.229 Dies gilt auch in Ansehung der Regelungen über internationale Zustellungen und über fiktive Inlandszustellungen.230 224 Areios Pagos v. 5.11.2012 – 263/2013; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 14, 16; Schack, IZVR, Rz. 741; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 1 EuZVO Rz. 3a. 225 Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.40. 226 Düsterhaus, NJW 2013, 445; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 45; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 13. 227 Polymeles Protodikeio Rhodes v. 15.3.2013 – 27/2013; Düsterhaus, NJW 2013, 445; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 155; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 21; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 24; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 13. 228 Vgl. Audiencia Provincial Lleida v. 11.2.2010 – 23/2010. 229 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 26; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 45; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 35; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 19; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.44.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
V. Anwendungsbeschränkung bei unbekannter Anschrift (Abs. 2) 1. Überblick Nach Abs. 2 findet die Verordnung im Grundsatz keine Anwendung, wenn die Anschrift des Zustel- 59 lungsempfängers231 (s. Rz. 39 ff.) unbekannt ist.232 Hierbei handelt es sich entgegen den durch den an Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 erinnernden Wortlaut von Abs. 2233 geweckten Erwartungen nicht lediglich um eine ausschnittsweise spiegelbildliche Regelung zum grenzüberschreitenden Element.234 Abs. 2 zielt nicht darauf, den Geltungsbereich des für den Zustellungsadressaten vorgesehenen Schutzes zu begrenzen. Vielmehr ist Anliegen der Regelung, verordnungsautonome Ermittlungspflichten bzw. -obliegenheiten der Stellen im Empfangsmitgliedstaat zu begrenzen bzw. auszuschließen (s. Rz. 2 a.E.).235 Davon abgesehen soll die Neufassung des Abs. 2 für Art. 7 EU-ZustVO 2020 (als Ausnahme vom Grundsatz) den Anwendungsbereich abweichend vom generellen Anwendungsbereich der Verordnung fassen.236 Nicht zutreffend ist demnach die Annahme, dass Abs. 2 neben dem grenzüberschreitenden Element nur klarstellende Bedeutung zukommt.237 Zwar ist der Anwendungsbereich der Verordnung im Falle einer unbekannten Anschrift des Empfängers regelmäßig auch aus dem Grund nicht eröffnet, dass sich nicht das Erfordernis einer grenzüberschreitenden Zustellung feststellen lässt.238 Allerdings ist dies partiell von einem anderen Horizont aus zu beurteilen. Während für die Feststellung der bekannten Zustelladresse im Empfangsmitgliedstaat als Unterelement des grenzüberschreitenden Elements auf die Kenntnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über die Anordnung einer Zustellung durch die im Ursprungsmitgliedstaat zuständige Stelle abzustellen ist (s. auch Rz. 55), ist für Abs. 2 die Kenntnis der Empfangsstelle oder der eine Zustellung bewirkenden oder beauftragenden Stelle im Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausführung oder Nichtausführung einer Zustellung maßgeblich. 2. Voraussetzungen a) Anschrift Der Begriff der Anschrift ist verordnungsautonom auszulegen. Er ist nicht identisch mit dem Begriff der Zustelladresse i.S.v. Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 und insbesondere auch nicht auf den durch nähere Angaben individualisierten Ort begrenzt, an dem der Zustellungsempfänger (s. Rz. 39 ff.) physisch angetroffen werden bzw. ersatzweise bei Nichtantreffen ein papiergebundenes 230 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 26; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 45; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/7; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 35; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 19. 231 Sprachlich verfehlt Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 18: „unbekannter Empfänger“. Die Unbekanntheit eines Empfängers (z.B. Rechtsnachfolger) ist ein anders gelagertes Problem. 232 LG Lübeck v. 22.11.2017 – 3 O 265/17, BeckRS 2017, 134716 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 19. 233 Dieselben Erwartungen wurden geweckt durch die den heutigen Abs. 2 und den heutigen Abs. 3 zusammenfassende Systematik des Art. 1 bei KOM(2006) 751 endg., S. 7 f. Dieser Systematik ist der Rat seinerzeit nur inhaltsleer entgegengetreten (ABl. EU 2007 C 193E/54) und hat es dabei belassen, den heutigen Abs. 3 lediglich in einem Erwägungsgrund zu verorten. Zu Recht hat die Verordnung nunmehr die der Begrenzung der Pflichten des Empfangsmitgliedstaats dienende Regelung in Abs. 2 und die die Gebundenheit des Ursprungsmitgliedstaats lockernde Regelung in Abs. 3 in getrennten Absätzen verortet. 234 A.A. EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 22, 24 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 51 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 33; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 1 EuZVO Rz. 4. 235 ABl. EG 1997 C 261/28; KOM(1999) 219 endg.; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 1 EuZVO Rz. 9. Vgl. dagegen Bataller, ABl. EG 1999 C 368/49 Ziff. 4.2. 236 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 13. 237 A.A. vgl. COM(2018) 379 final, S. 13; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 19. 238 Vgl. BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 33; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 19.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich Schriftstück physisch in seinen Machtbereich gelangen kann.239 Vielmehr umfasst er alle Adressen, unter deren Nutzung dem Zustellungsempfänger (s. Rz. 39 ff.) auf einem von der Verordnung eröffneten Übermittlungs- und Zustellungsweg (unter Einschluss insbesondere des Verweises in Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020) ein Schriftstück zugestellt werden kann, einschließlich der Anschrift eines elektronischen Postfachs. Dieses abweichende Verständnis des Begriffs Zustellungsanschrift folgt aus dem gegenüber Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 abweichende Zweck der Vorschrift. Durch sie sollen insbesondere die Empfangsstellen treffende Ermittlungspflichten bzw. -obliegenheiten begrenzt bzw. ausgeschlossen werden. Dagegen soll nicht begrenzt werden der Kreis, der für einen Zustellungsversuch zu nutzenden Adressen. Vielmehr entspricht es gerade dem Zweck der Verordnung, dass die eine Zustellung ausführende Stelle eine Zustellung unter Berücksichtigung des für sie für die Ausführung der Zustellung maßgeblichen Rechts unter Ausschöpfung aller bekannten Zustellungsanschriften zu versuchen hat. b) Unbekanntheit 61
Eine Anschrift ist unbekannt, wenn die im Empfangsmitgliedstaat zur Rechtshilfegewährung ein Zustellungsverfahren einleitende oder ausführende Stelle240 keine Kenntnis von einer konkreten Anschrift des Empfängers hat (subjektive Unbekanntheit),241 d.h. nicht die notwendigen Detailangaben (z.B. Ort, Straße, Hausnummer) kennt, die nach der Anschauung des Lebens erforderlich sind, um die Zustellung im Rahmen des für die betreffende Stelle geltenden Rechts zu bewirken. Nicht entscheidend ist, dass die Anschrift des Empfängers objektiv unbekannt ist, weil der Ausschlusstatbestand anderenfalls praktisch nie zur Anwendung käme. Kenntnis besteht, wenn die maßgebliche Person den Empfänger gedanklich mit einer Zustellungsanschrift bzw. den diese hinreichend individualisierenden Umständen verbindet bzw. verbinden kann, ohne Rücksicht darauf, ob die betreffende Verbindung objektiv (noch) zutrifft (aktuell ist),242 solange sie sich nicht davon überzeugt hat, dass die angenommene Verbindung tatsächlich nicht (mehr) besteht (Vermutungen genügen nicht).243 Die eine Unbekanntheit ausschließende Kenntnis fehlt danach, wenn keine gedankliche Verbindung mit einer konkreten Anschrift möglich ist.
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Abzugrenzen ist die unbekannte von der unvollständigen oder unklar angegebenen Zustellungsanschrift. Dies ist den Erläuterungen zum EuZÜ und zur EG-ZustVO 2000244 zu entnehmen. Im Fall einer bloß unvollständigen oder unklar angegebenen Zustellungsanschrift ist Abs. 2 nicht erfüllt und die Verpflichtung der Empfangsstelle zur Rechtshilfegewährung nach Maßgabe der Verordnung mithin nicht ausschlossen.245 Vielmehr trifft die Empfangsstelle bzw. die eine Zustellung ausführende oder dies auslösende Stelle die Pflicht, die Anschrift in diesem Fall zu vervollständigen bzw. zu berichtigen unter Nutzbarmachung der ihr zur Verfügung stehenden einfachen Mittel.246 3. Rechtsfolgen
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Ist die Anschrift des Empfängers i.S.v. Abs. 2 unbekannt, ist der Anwendungsbereich der Verordnung (mit Ausnahme von Art. 7 EU-ZustVO 2020, s. Rz. 12, 64) in dem Sinne nicht eröffnet, dass ein 239 Enger der Änderungsvorschlag ABl. EG 2000 C 189/88: „Heimat- oder Wohnsitzanschrift“. 240 A.A. (auf die Unkenntnis des erkennenden Gerichts abstellend) Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Wißling, GPR 2017, 25, 27. 241 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Wißling, GPR 2017, 25, 27. 242 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6. 243 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 46; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 20. 244 ABl. EG 1997 C 261/28; KOM(1999) 219 endg. 245 SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 52; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 19; Meyer, IPRax 1997, 401, 403; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 22; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.46. – Zu Art. 1 Abs. 2 HZÜ vgl. auch Kondring, S. 125. 246 OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 26; Hof van beroep Gent v. 21.3.2006 – 2005/AR/2731; Brenn, Art. 1 EZV Anm. l); Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.46 f.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-ZustVO 2020
Schriftstück nicht auf Grundlage der Verordnung, insbesondere nicht auf dem Rechtshilfeweg in einen anderen Mitgliedstaat übermittelt und dort zugestellt werden kann (und, wie sich aus Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 ergibt, dementsprechend auch nicht muss). Eine gleichwohl ersuchte Empfangsstelle kann die Zustellung nach Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 zurückweisen (s. Rz. 33 ff.). Empfangsstellen trifft insbesondere keine amtswegige Pflicht zur Anschriftenermittlung, sofern das für die Empfangsstelle geltende Recht eine solche nicht begründet (vgl. Erwägungsgrund 19 S. 3, Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. c EU-ZustVO 2020, s. aber auch Rz. 62).247 Zugleich wird aber auch nicht ausgeschlossen, dass Empfangsstellen von Amts wegen aktiv werden.248 Für die sonstigen eine Zustellung ausführenden oder dies auslösenden Stellen, insbesondere einen mit einer Zustellung nach Art. 18 EU-ZustVO 2020 beauftragten Postdienstleister, gilt Entsprechendes. Von dem die Empfangsstellen bzw. die eine Zustellung ausführenden Stellen ansprechenden Abs. 2 unberührt bleiben sich auf anderer Grundlage für den Antragsteller bzw. die eine Zustellung anordnende Stelle ergebende Ermittlungsobliegenheiten, insbesondere eine nach nationalem Recht sich ergebende und der Nutzung von Zustellungsfiktionen vorgelagerte Obliegenheit zur Anschriftenermittlung (s. Rz. 49) ebenso wie eine sich im Zusammenhang mit Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO bzw. Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO (s. Rz. 49) ergebende Obliegenheit. Durch Abs. 2 nicht ausgeschlossen wird die Anwendung von Art. 7 EU-ZustVO 2020. Da die Mit- 64 gliedstaaten als (potentieller) Empfangsmitgliedstaat durch Art. 7 EU-ZustVO 2020 gerade dazu verpflichtet werden sollen, Hilfestellung dazu zu leisten, das einer erfolgreichen Nutzung der von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege entgegenstehende Hindernis einer unbekannten Zustellungsanschrift auszuräumen und den Anwendungsbereich der Verordnung zu eröffnen, sah sich der Verordnungsgeber (überflüssigerweise, s. Rz. 12) zu einer entsprechenden Einschränkung von Abs. 2 veranlasst. Die in Erfüllung von Art. 7 EU-ZustVO 2020 von den Mitgliedstaaten jeweils übernommenen Unterstützungspflichten (s. Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 ff.) werden durch Abs. 2 nicht beschränkt. Diese bestehen ohne Rücksicht darauf, ob in Bezug auf einen (um Unterstützung ersuchten) Mitgliedstaat eine hinreichende Vermutung, dort befinde sich eine Anschrift des Zustellungsempfängers, oder gar eine Kenntnis von Teilen der Anschrift des Zustellungsempfängers besteht. Vielmehr kann von der auf Grundlage von Art. 7 EU-ZustVO 2020 eingerichteten Unterstützung bei der Ermittlung der Anschrift des Adressaten auch auf einen bloßen Verdacht hin oder auch „ins Blaue hinein“ Gebrauch gemacht werden (s. Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 14).
VI. Anwendungsausschluss bei Zustellung an Vertreter (Abs. 3) 1. Überblick Die Verordnung findet ausweislich Abs. 3 unabhängig vom Wohnsitz des Empfängers (s. Rz. 39 ff.) keine obligatorische (s. Rz. 71) Anwendung, soweit die Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks an den Bevollmächtigten des Zustellungsadressaten erfolgt249 und der Bevollmächtigte eine bekannte Zustelladresse (s. Rz. 51 ff.) im Forummitgliedstaat (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 ff.; s. aber auch Rz. 68) hat. Denn in diesem Fall kann der Empfänger unter Berücksichtigung der Natur der Stellvertretung im Ursprungsmitgliedstaat vom Inhalt eines Schriftstücks ausreichend informiert werden. Der mit einer Zustellung verfolgte Zweck lässt sich nicht nur in einem anderen Mitgliedstaat erreichen. Vor diesem Hintergrund wird der von der Verordnung vorgesehene Adressatenschutz in den Fällen des Abs. 3 als nicht erforderlich angesehen. Dementsprechend muss nicht zu dessen Erhaltung 247 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 47, 49; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 42; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 20; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 12. 248 OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 25; Hof van beroep Gent v. 21.3.2006 – 2005/AR/2731; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 47, 49; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 46; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 12. 249 Da dies vor Bestellung eines Prozessbevollmächtigten nicht feststellbar ist, schließt der Anwendungsvorrang der Verordnung vorgreifend aus, dass Parteien unter Androhung von Zustellungsnachteilen aufgefordert werden, einen Prozessbevollmächtigten zu benennen, vgl. OGH v. 27.11.2013 – 2Ob156/13z zu 2.2 der Gründe.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020 Anwendungsbereich der den obligatorischen Charakter der Verordnung auslösende Anwendungsbereich der gegenüber nationalen Vorschriften vorrangigen Verordnung eröffnet sein. 66
Die Einschlägigkeit des Anwendungsausschlusses nach Abs. 3 ist für jede erforderliche Zustellung gesondert festzustellen. Wie Erwägungsgrund 6 EU-ZustVO 2020 klarstellt, greift der Anwendungsausschluss daher nicht, soweit nach dem eine Zustellungslast begründenden Recht eine Zustellung an den Bevollmächtigten nicht die Zustellung an den Vertretenen vertritt, sondern neben der Zustellung an den Bevollmächtigten weiter eine Zustellung auch an den Vertretenen erforderlich250 ist (vgl. z.B. § 33 Abs. 2 FamFG). In diesem Fall beurteilt sich die Anwendung der Verordnung auf die Zustellung an die Partei ohne Rücksicht auf Abs. 3 (s. auch Rz. 40).251 2. Voraussetzungen a) Zuzustellendes Schriftstück
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Der Ausnahmetatbestand in Abs. 3 gilt unterschiedslos für alle zuzustellenden Schriftstücke (s. Rz. 29). Er ist unbeschadet der Bezugnahme auf den Forummitgliedstaat nicht auf die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke begrenzt.252 Dass er seinem Wortlaut nach auf den Bevollmächtigten im Forummitgliedstaat und ausweislich dessen scheinbar253 auf einen Prozessbevollmächtigen ausgerichtet ist, ist nicht inhaltlichen Erwägungen geschuldet und mithin nicht Ausdruck eines entsprechend beschränkten Regelungsbereichs. Vielmehr ist der Wortlaut der Entstehungsgeschichte geschuldet. Diese erhellt, dass Abs. 3 zurückgeht auf Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2007, welcher wiederum an die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Scania Finance France SA/Rockinger Spezialfabrik für Anhängerkupplungen GmbH & Co. anknüpfte (s. Rz. 8). Der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt hatte zum Gegenstand die Zustellung eines gerichtlichen (verfahrenseinleitenden) Schriftstücks (sowie die Anerkennungsversagung zu einer nachfolgend ergangenen gerichtlichen Entscheidung), weshalb der EuGH entsprechend seinen Gepflogenheiten seine Entscheidung unter enger Bezugnahme auf den Sachverhalt gefasst hat, ohne in jeder Hinsicht zu berücksichtigen, inwieweit den benannten Sachverhaltsumständen tragende Bedeutung zukommt (s. auch Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 9). Hinzu kommt, dass der für Abs. 3 vorbildgebende Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2007 für den EuGH der zentrale Anknüpfungspunkt dafür war, der Verordnung sperrende Wirkung gegenüber fiktiven Inlandszustellungen zu entnehmen (s. Rz. 9) und diese Sperrwirkung nach der Rechtsprechung des EuGH nicht auf gerichtliche Schriftstücke begrenzt ist (s. Rz. 15, 29),254 weshalb auch ihre Einschränkung nicht entsprechend beschränkt ist. b) Bevollmächtigter im Ursprungsmitgliedstaat
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Die Zustellung muss erfolgen an einen Bevollmächtigten im Forummitgliedstaat, d.h. unter Berücksichtigung des wahren Anwendungsbereichs des Ausnahmetatbestands (s. Rz. 67) an einen Bevollmächtigten mit bekannter Zustelladresse (s. Rz. 51 ff.) im Ursprungsmitgliedstaat. Der Begriff des Bevollmächtigten ist verordnungsautonom auszulegen. Er bezeichnet eine Person die über ausrei-
250 Vgl. auch Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 46; Cour de cassation v. 15.11.2016 – 14-16674. 251 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 29. 252 A.A. vgl. EuGH v. 27.2.2020 – C-25/19, ECLI:EU:C:2020:126 Rz. 29 – Corporis sp. z o.o./Gefion Insurance A/S; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 25; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EGZustellVO Rz. 23. 253 Gegen eine Beschränkung auf Prozessbevollmächtigte Cour de cassation v. 20.11.2012 – 11-17653. Für eine Beschränkung auf Prozessbevollmächtigte dagegen Strasser, Rpfleger 2013, 585, 587. 254 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 51 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 75 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.53. – A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 16 EuZVO Rz. 3; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2016, 158, 159; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13, Art. 21 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 11, Art. 16 EG-ZustellVO Rz. 1.
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Art. 1 EU-ZustVO 2020
chende gewillkürte oder gesetzliche255 Vertretungsmacht zum Empfang des zuzustellenden Schriftstücks verfügt (s. aber Rz. 69). Dies umfasst auch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht, dessen Handeln durch eine Genehmigung saniert wurde. Die Verordnung regelt nicht, welche Personen über eine entsprechende ausreichende Vertretungsmacht verfügen.256 Dies richtet sich vielmehr nach dem Statut der Vertretungsmacht (vgl. z.B. Art. 8 EGBGB).257 Z.B richtet sich nach der lex fori, wie weit eine Prozessvollmacht reicht (z.B. Beschränkung auf eine bestimmte Instanz oder auf ein bestimmtes Verfahren).258 Diesem Recht sind auch die Anforderungen an eine wirksame Bevollmächtigung (z.B. Form) einschließlich ihres (z.B. dem Verkehrsschutz dienenden) Fortwirkens (z.B. § 87 Abs. 1 ZPO,259 § 39 Abs. 1 S. 2 AktG, Art. 63 Abs. 1 Wetboek von Burgerlijke Rechtsvordering260) sowie an eine wirksame Ausübung der Vertretungsmacht zu entnehmen. Die Verordnung regelt auch nicht, inwieweit die Vertretung durch einen Bevollmächtigten zulässig oder erforderlich ist. Dies richtet sich vielmehr nach dem eine Zustellungslast begründenden Recht. Durch die Verordnung beschränkt wird allerdings die Möglichkeit der Mitgliedstaaten,261 Personen eine nicht gewillkürte Vertretungsmacht gerade in Abhängigkeit von der internationalen Dimension einer Zustellung einzuräumen (s. Rz. 43).
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c) Unerheblich: Wohnsitz des Vertretenen Der Anwendungsausschluss nach Abs. 3 kommt ohne Rücksicht darauf zum Tragen, wo der Vertrete- 70 ne seinen Wohnsitz hat. Selbst wenn der Vertretene einen bekannten Wohnsitz in einem vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat hat, ist der Anwendungsbereich der Verordnung unter den Voraussetzungen des Abs. 3 nicht eröffnet. Da der Wohnsitz ohne Belang ist, erübrigt sich zu klären, was in diesem Zusammenhang unter einem Wohnsitz zu verstehen ist bzw. wie der Wohnsitz zu ermitteln ist. Ebenso unerheblich ist, wo der Vertretene (Zustellungsadressat) eine bekannte Zustelladresse hat, auch wenn dies in Abs. 3 nicht ausgesprochen wird. Denn, dass Abs. 3 nicht auf die bekannte Zustelladresse, sondern auf den Wohnsitz verweist, ist dem Umstand geschuldet, dass im Kommissionsentwurf für das grenzüberschreitende Element an den Wohnsitz angeknüpft (s. Rz. 15) und die im weiteren Verordnungsverfahren erfolgte Abkehr hiervon und Hinwendung zur bekannten Zustelladresse in Abs. 3 nicht nachvollzogen wurde. Erst Recht ohne Belang für die Anwendung von Abs. 3 ist die Staatsangehörigkeit des Zustellungsadressaten (s. auch Rz. 1). 3. Rechtsfolgen Liegen die Voraussetzungen des Abs. 3 vor, ist der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet. Dies bedeutet aber nur, dass ein Schriftstück nicht auf den durch die Verordnung vorgesehenen (exklusiven) Übermittlungs- und Zustellungswegen zugestellt werden muss, sondern nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats (im Inland) an den Bevollmächtigten als Empfänger (effektiv oder 255 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 13. Vgl. auch GA Cruz Villalón, Schlussanträge v. 30.5.2013 – C-306/12, ECLI:EU:C:2013:359 Rz. 17, 28 – Spedition Welter GmbH/Avanssur SA. – A.A. wohl Kondring, EWS 2013, 128, 131 f. unter Verweis auf das vom EuGH erwähnte, aber weder in Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2007 noch in Abs. 3 enthaltene Erfordernis, dass der Bevollmächtigte „benannt“ (bzw. „ernannt“) worden sein muss, welches freilich nicht alle gesetzlichen Vertreter, sondern nur solche ausschließen soll, denen Vollmacht kraft Gesetzes anknüpfend gerade an das Fehlen einer bekannten Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat eingeräumt wird (s. Rz. 43). 256 BGH v. 13.9.2016 – VI ZB 21/15, NJW 2017, 564 Rz. 43; Kondring, EWS 2013, 128, 132. 257 BGH v. 13.9.2016 – VI ZB 21/15, NJW 2017, 564 Rz. 51 f.; Kondring, EWS 2013, 128, 132; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 25. 258 Vgl. OLG Hamm v. 13.6.2017 – 25 W 88/15, BeckRS 2017, 149187 Rz. 28; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 26; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 25. 259 Zweifelnd Kondring, EWS 2013, 128, 131 f. 260 Vgl. Sujecki, EWS 2010, 523, 526 f. 261 Durch Unionsrecht kann dagegen auch gerade für diesen Fall eine gesetzliche Vertretungsmacht eingeräumt werden, weil der Verordnung insoweit kein Anwendungsvorrang zukommt; vgl. zu einem zwangsweise für den Ursprungsmitgliedstaat bestellten Bevollmächtigten mit durch eine Richtlinie vorgegebenem Umfang der Vertretungsmacht auch EuGH v. 27.2.2020 – C-25/19, ECLI:EU:C:2020:126 Rz. 26 ff. – Corporis sp. z o.o./Gefion Insurance A/S.
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Art. 2 EU-ZustVO 2020 Begriffsbestimmungen auch fiktiv) zugestellt werden kann und dabei insbesondere Art. 12 EU-ZustVO 2020 nicht beachtet werden muss.262 Dagegen folgt aus Abs. 3 nach Sinn und Zweck nicht auch, dass das Schriftstück nicht auf Grundlage der Verordnung, insbesondere nicht auf dem Rechtshilfeweg in einen anderen Mitgliedstaat übermittelt und dort zugestellt werden kann. Letzteres ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Anwendung des Abs. 3 ohnehin auf die Zustellung an den Bevollmächtigten beschränkt ist und nicht auch eine parallel erforderliche Zustellung an den Vertretenen erfasst.
Artikel 2 Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen: 1. „Forummitgliedstaat“ bezeichnet den Mitgliedstaat, in dem das Gerichtsverfahren anhängig ist; 2. „Dezentrales IT-System“ bezeichnet ein Netzwerk nationaler IT-Systeme und interoperabler Zugangspunkte, die unter der jeweiligen Verantwortung und Verwaltung eines jeden Mitgliedstaats betrieben werden, das den sicheren und zuverlässigen grenzüberschreitenden Informationsaustausch zwischen den nationalen IT-Systemen ermöglicht. I. 1. 2. II. 1.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . Legaldefinitionen . . . . . . . . . . . . . . . Forummitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustellung im Rahmen des anhängigen Gerichtsverfahrens . . . . . . . . . . . . . c) Feststellung der Zustellungswirkungen in einem anhängigen Gerichtsverfahren . .
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2. Dezentrales IT-System . . . . . . . . . . . . . . 12 III. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Weitere zentrale Begrifflichkeiten Ursprungsmitgliedstaat . . . . . . . Übermittlungsmitgliedstaat . . . . . Empfangsmitgliedstaat . . . . . . . . Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . Empfänger . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige . . . . . . . . . . . . . . . .
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Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift enthält ergänzend zu den Vergleichbares leistenden Art. 3, 4 EU-ZustVO 2020 (s. auch Rz. 3) zwei bei Auslegung und Anwendung der Verordnung zu beachtende und mit der Verordnung neu eingeführte Legaldefinitionen. Mit ihnen sollen Zweifel über das Verständnis der Verordnung ausgeräumt, die Rechtssicherheit gestärkt und eine einheitliche Anwendung der Verordnung gesichert werden.1 Dabei verwendet die Verordnung den durch Nr. 1 legaldefinierten Begriff des Forummitgliedstaats im verfügenden Teil lediglich in Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 und in Art. 19 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 sowie im Übrigen nur in den Erwägungsgründen 6 f., 25 f. und 30–32 EU-ZustVO 2020 sowie im Formblatt L (Belehrung über Annahmeverweigerungsrecht).2 Den durch Nr. 2 legaldefinierten Begriff des dezentralen IT-Systems verwendet die Verordnung im verfügenden Teil in den 262 Vgl. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 8 EuZVO Rz. 45. 1 Konterkariert wird dies freilich dadurch, dass im Verordnungstext punktuell (vgl. Art. 10 Abs. 1 EU-ZustVO 2020) anstatt einer legaldefinierten Begrifflichkeit mit gleicher Bedeutung nach Belieben eine abweichende, ähnliche und nicht legaldefinierte Formulierung Verwendung findet. 2 Entgegen Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 2 EuZVO 2022 Rz. 2 dient die Definition nicht der Abgrenzung von inländischen und grenzüberschreitenden Zustellungen. Mit Bezug hierzu findet der Begriff Verwendung allein in Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 in dem Sinne, dass die Verordnung im angesprochenen Fall gerade
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Art. 2 EU-ZustVO 2020
Art. 5 f., 10,3 25, 28, 33 f. EU-ZustVO 2020 und daneben in den Erwägungsgründen 10 f., 13, 15 f., 18 und 43 EU-ZustVO 2020 sowie in den Formblättern A, D und H. Durch die Vorschrift werden aus der Vielzahl der in der Verordnung verwendeten Begriffe lediglich 2 zwei legaldefiniert. Damit ist die Vorschrift vergleichbar mit dem parallel entstandenen Art. 2 EUBewVO 2020, bleibt aber unbeschadet der Ergänzung durch Art. 3, 4 EU-ZustVO 2020 (s. auch Rz. 3) deutlich hinter funktional vergleichbaren Vorschriften anderer Verordnungen des europäischen Zivilverfahrensrechts (z.B. Art. 2, 3 Brüssel Ia-VO, Art. 4 EG-VollstrTitelVO, Art. 3, 5 EG-MahnVO, Art. 4 EU-KPfVO) zurück.4 Die mit ihr verfolgten Ziele (s. Rz. 1) werden im Rahmen der Verordnung daher nur ganz punktuell, in weiten Teilen dagegen nicht erreicht.5 Denn die Vorschrift definiert anders als Art. 1 Abs. 3 EG-ZustVO 2007 nicht nur nicht mehr den Begriff „Mitgliedstaat“, sondern vor allem nicht die Begriffe Ursprungsmitgliedstaat (Erwägungsgrund 25, Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 14 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, Formblatt A), Übermittlungsmitgliedstaat (Art. 17 Abs. 2 EU-ZustVO 2020) und Empfangsmitgliedstaat (Erwägungsgründe 17, 19, 27 f., 35, Art. 7 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 8 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 10 Abs. 4 EU-ZustVO 2020, Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020, Art. 12 Abs. 1, 5 EU-ZustVO 2020, Art. 13 Abs. 1 EU-ZustVO 2020, Art. 15 EU-ZustVO 2020, Art. 22 Abs. 1, 2 EU-ZustVO 2020, Formblätter A, F und K). Die die eng begrenzte Auswahl der legaldefinierten Begriffe sachlich leitenden Gründe sind nicht erkennbar. Insbesondere hat sich der Verordnungsgeber nicht dadurch leiten lassen, welche Begriffe gegenüber der Vorgängerverordnung neu eingeführt wurden. Denn neben den beiden legaldefinierten Begriffen wurde auch der Begriff Ursprungsmitgliedstaat in der Vorgängerverordnung nicht verwendet und er ist auch nicht konsequent an die Stelle des von der Vorgängerverordnung als Gegenstück zum Empfangsmitgliedstaat verwendeten Begriffs Übermittlungsmitgliedstaat getreten, welchen die Verordnung in Art. 17 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 weiterhin verwendet. Ebenso wenig ist die Auswahl der legaldefinierten Begriffe geleitet davon, in Ansehung welcher Begrifflichkeiten ein besonderes Klärungsbedürfnis besteht. Namentlich in Bezug auf den Begriff des Empfangsmitgliedstaats ist ein größer Klärungsbedarf nicht ganz fernliegend vor dem Hintergrund, dass in Art. 19 EU-ZustVO 2020 die elektronische Direktzustellung zugelassen wurde und sich elektronische Postfächer einem Mitgliedstaat deutlich weniger klar als ein Aufenthaltsort oder ein physischer Briefkasten zuordnen lassen (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 44, Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 14). Weiter wird dies erkennbar darin, dass einerseits der Begriff des dezentralen IT-Systems inhaltsgleich zu Nr. 2 bereits durch Erwägungsgrund 10 EU-ZustVO 2020 geklärt wird und andererseits der bereits im Titel der Verordnung verwendete und mithin ersichtlich zentrale Begriff des außergerichtlichen Schriftstücks nicht in der Vorschrift, sondern (nur) in Erwägungsgrund 8 EU-ZustVO 2020 näher bestimmt wird. 2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde neu eingefügt.6 Die beiden Vorgängerverordnungen enthielten in ihrem verfügenden Teil keine vergleichbaren Begriffsdefinitionen, sieht man von dem der Brüssel I-VO entnommenen Klammerzusatz bei Art. 1 Abs. 1 S. 2 EG-ZustVO 2007, der in Art. 1 Abs. 1 S. 2 EU-ZustVO 2020 beibehalten wurde, und der Definition des Begriffs Mitgliedstaat in Art. 1 Abs. 3 EG-ZustVO 2007 ab, sondern lediglich der Kurzbezeichnung/Abkürzung dienende Begriffsklärungen in Art. 2 Abs. 1, 2 EG-ZustVO 2007 für „Übermittlungsstellen“ und „Empfangsstellen“ sowie eine Aufgabenbeschreibung für die „Zentralstelle“. Zurück geht die Vorschrift in Nr. 1 auf den Kommissionsent-
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ohne Rücksicht darauf, ob es im Verhältnis zum Zustellungsadressaten einer inländischen oder grenzüberschreitenden Zustellung bedarf, keine obligatorische Anwendung findet. Dazu s. auch Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 a.E. Entgegen der (vernünftigen) Erwartung von Mankowski, EuZW 2015, 950 wurde entgegen der Empfehlung von Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 4. in Art. 2 EU-ZustVO 2020 insbesondere keine Legaldefinition des außergerichtlichen Schriftstücks aufgenommen. Immerhin aber bemüht sich insoweit Erwägungsgrund 8 EU-ZustVO 2020 um eine Präzisierung in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH. Krit. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 2 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 2 EuZVO 2022 Rz. 1. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 2 EuZVO 2022 Rz. 1.
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Art. 2 EU-ZustVO 2020 Begriffsbestimmungen wurf (inhaltlich knüpft sie zudem an Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2007 an). Dieser sah vor, Art. 1 EG-ZustVO 2007 um einen Abs. 4 zu ergänzen, welcher zusätzlich zum Begriff Mitgliedstaat auch den Begriff Forummitgliedstaat, welchen der Kommissionsentwurf in dem gemeinsam mit der Einführung der Möglichkeit zur elektronischen Direktzustellung gedachten7 Vorschlag für einen Art. 7a (Entsprechung zu § 184 ZPO) verwendet hat, legaldefinieren sollte.8 Die Stellungnahme des EWSA und die Stellungname erster Lesung des Parlaments gingen auf die Einführung von Legaldefinitionen nicht ein. Den Vorschlag der Kommission zur Ergänzung von Art. 1 EG-ZustVO 2007 um einen Abs. 4 griff der Kompromisstext des Rates auf und verwendete den Begriff des Forummitgliedstaats mit dem vom Kommissionsentwurf vorausgesetzten Inhalt für andere Regelungen (in Anknüpfung an Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2007 im Zusammenhang mit der Klärung des Anwendungsbereichs der Verordnung sowie im Zusammenhang mit der Zulassung der elektronischen Direktzustellung).9 Zugleich schlug der Rat eine Legaldefinition für das dezentrale IT-System vor,10 mutmaßlich um die in Bezug hierauf erreichte Einigung11 zu dokumentieren. Der Standpunkt des Rates in erster Lesung knüpfte dann hieran an und verwendete den Begriff Forummitgliedstaat außerdem im Kontext des Annahmeverweigerungsrechts,12 freilich ohne sich dabei in ausreichendem Umfang Gedanken über die vorausgesetzte Beziehung der Zustellung zum gerichtlichen Verfahren zu machen (s. Rz. 4 ff.). Erst kurz vor Abschluss des Verfahrens erster Lesung im Rat wurde der Vorschlag für einen Abs. 4 zu Art. 1 in einen eigenständigen Art. 2 überführt.13
II. Legaldefinitionen 1. Forummitgliedstaat a) Ausgangspunkt 4
Der in Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020, Art. 19 Abs. 1 EU-ZustVO 2020, den Erwägungsgründen 6 f., 25 f. und 30–32 EU-ZustVO 2020 sowie im Formblatt L verwendete Begriff des Forummitgliedstaats bezeichnet nach Nr. 1 den Mitgliedstaat (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 f.), in dem das Gerichtsverfahren anhängig ist. Keine Aussage trifft Nr. 1 dazu, von welchem Verhältnis einer den Regelungsgegenstand der Verordnung bildenden Zustellung zu dem anhängigen Gerichtsverfahren dabei ausgegangen wird.14 Insoweit kommt zunächst in Betracht, dass eine Zustellung im Rahmen eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens erforderlich ist.15 Ebenso kommt in Betracht, dass im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens über das Bestehen von Rechtswirkungen zu entscheiden ist, welche an eine Zustellung anknüpfen. Beide Ausrichtungen sind nicht deckungsgleich, auch wenn das Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, auch über die Wirksamkeit einer in diesem Rechtsstreit erforderlichen Zustellung zu entscheiden hat. Deutlich wird dies darin, dass über das Bestehen von Rechtswirkungen, welche an eine in einem gerichtlichen Verfahren erforderliche Zustellung anknüpfen, nicht nur das Gericht entscheidet, bei dem dieser Rechtsstreit anhängig ist, sondern gegebenenfalls auch ein Gericht, welches über die Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung der in diesem Rechtsstreit ergangenen Entscheidung in einem dort anhängigen gerichtlichen Versagungsverfahren entscheidet (z.B. inzident über die Wirksamkeit einer Annahmeverweigerung). Aufgrund der fehlenden Aussage zum vorausgesetzten Verhältnis einer Zustellung zu dem bei einem Gericht anhängigen Gerichtsverfahren erlaubt Nr. 1 im Widerspruch zum Zweck einer Legaldefinition nicht aus sich heraus, für eine bestimmte Zustellung eindeutig den Forummitgliedstaat zu bestimmen.
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COM(2018) 379 final, S. 14. COM(2018) 379 final, S. 19, 22. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 7 f., 13, 28. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 19. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 3, 4. Ratsdok. 9890/20 (22.10.2020), S. 10 f., 33. Beide Legaldefinitionen noch in Abs. 4 zu Art. 1 verortend Ratsdok. 11357/20 ADD 2 (8.10.2022), S. 14. Ohne Problembewusstsein BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 2 EuZVO 2022 Rz. 1; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 2 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. 15 Ausschließlich für diese Ausrichtung Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 30.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 2 EU-ZustVO 2020
Das von Nr. 1 vorausgesetzte Verhältnis einer Zustellung zum gerichtlichen Verfahren lässt sich auch 5 anhand von Entstehungsgeschichte, Verordnungssystematik und Regelungszweck nicht in dem Sinne eindeutig bestimmen, dass entweder die Zustellung im anhängigen Rechtsstreit erforderlich ist oder lediglich im gerichtlichen Verfahren über die von einer Zustellung ausgelösten Wirkungen zu erkennen ist. Zurück geht die Definition auf den Kommissionsentwurf (s. Rz. 3), welcher den Begriff ausschließlich im Rahmen des vorgeschlagenen Art. 7a verwendete und dabei erkennbar voraussetzte, dass eine Zustellung in einem anhängigen Rechtsstreit erforderlich ist.16 Allerdings ist der vorgeschlagene Art. 7a im weiteren Verordnungsverfahren ersatzlos entfallen, weshalb der ursprünglichen Ausrichtung allenfalls eingeschränkte Bedeutung zukommt. Nimmt man die Verwendung des Begriffs Forummitgliedstaat in der geltenden Verordnung in den Blick, wird von Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 wie zuvor auch vom Kommissionsentwurf vorausgesetzt, dass eine Zustellung in einem anhängigen Rechtsstreit erforderlich ist. Denn für die Anwendung der Verordnung soll ersichtlich nicht entscheidend sein, ob in einem Rechtsstreit, in dem über die Wirksamkeit einer nicht in diesem Rechtsstreit erforderlichen Zustellung zu entscheiden ist (z.B. Anerkennungsversagung), der Zustellungsempfänger einen Bevollmächtigten hat. Entsprechendes gilt für die Art. 1 EU-ZustVO 2020 betreffenden Erwägungsgründe 6 und 7 EU-ZustVO 2020, welche an eine zu einem gerichtlichen Schriftstück ergangene Entscheidung des EuGH anknüpfen. Ebenso wird in Art. 19 EU-ZustVO 2020 wie zuvor schon vom Kommissionsentwurf vorausgesetzt, dass eine Zustellung in einem anhängigen Rechtsstreit erforderlich ist. Denn das auf diesen Rechtsstreit anwendbare Recht soll über die Zulässigkeit einer elektronischen Zustellung entscheiden, vorausgesetzt der Zustellungsempfänger hat elektronischen Zustellungen in gerichtlichen Verfahren ausdrücklich zugestimmt. Entsprechendes gilt für die Art. 19 EU-ZustVO 2020 betreffenden Erwägungsgründe 30 bis 32 EU-ZustVO 2020. Schließlich wird ein entsprechendes Verhältnis der Zustellung zu einem gerichtlichen Verfahren erkennbar von Erwägungsgrund 26 EU-ZustVO 2020 vorausgesetzt. Demgegenüber setzen Erwägungsgrund 25 S. 3 EU-ZustVO 202017 und Formblatt L voraus, dass im Forummitgliedstaat über die Wirkungen einer Zustellung zu erkennen ist, weil anderenfalls nicht unberührt bliebe bzw. erwähnt würde die Möglichkeit, den Einwand einer fehlerhaften Übersetzung auch im Versagungsverfahren geltend zu machen. Der Regelungszweck von Nr. 1 lässt keinen eigenständigen Rückschluss auf den Begriff des Forummitgliedstaats zu, weil die von einer Legaldefinition angestrebte Rechtsklarheit durch jede Begriffsbedeutung, ist sie nur klar, erreicht wird. Im Widerspruch zum Ziel einer Legaldefinition klärt Nr. 1 den Begriff des Forummitgliedstaats mithin 6 nicht eindeutig. Vielmehr verwendet die Verordnung den Begriff des Forummitgliedstaats mit unterschiedlicher Bedeutung. Bezeichnet wird je nach Zusammenhang der Begriffsverwendung entweder der Mitgliedstaat, in dem ein Gerichtsverfahren anhängig ist, in dessen Rahmen eine Zustellung erforderlich ist, oder der Mitgliedstaat, in dem ein Gerichtsverfahren anhängig ist, in dem über die Zustellungswirkungen zu erkennen ist. Im ersten Fall findet der Begriff Forummitgliedstaat Verwendung ausschließlich mit Bedeutung für gerichtliche Schriftstücke (s. Rz. 7). Im zweiten Fall erfolgt die Begriffsverwendung ohne Rücksicht darauf, ob Gegenstand der Zustellung ein gerichtliches oder ein außergerichtliches Schriftstück ist. Welcher Mitgliedstaat Forummitgliedstaat ist, bestimmt sich dementsprechend nicht allein auf der Grundlage von Nr. 1, sondern jeweils nur unter Mitberücksichtigung des Kontextes der Begriffsverwendung. b) Zustellung im Rahmen des anhängigen Gerichtsverfahrens Ergibt sich die Stellung als Forummitgliedstaat daraus, dass im betreffenden Mitgliedstaat ein Gerichtsverfahren anhängig ist, in dessen Rahmen oder mit Bezug zu welchem ein (gerichtliches) Schriftstück zuzustellen ist, ist der Forummitgliedstaat zugleich der Ursprungsmitgliedstaat (s. Rz. 14). Die Verwendung des Begriffs Forummitgliedstaat anstatt des Begriffs Ursprungsmitgliedstaat stellt dann besonders heraus, dass für den Verordnungsgeber Leitbild beim Abfassen einer Regelung die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke war. Hieraus folgt allerdings nicht notwendig, dass eine entsprechende Vorschrift in ihrer Anwendung auf gerichtliche Schriftstücke begrenzt ist und keine Anwendung auf außergerichtliche Schriftstücke, welche per definitionem keinen Bezug zu einem laufen16 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 30. 17 Vgl. auch den Unterschied zu Erwägungsgrund 25 S. 1 EU-ZustVO 2020 (dort „Ursprungsmitgliedstaat“).
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Art. 2 EU-ZustVO 2020 Begriffsbestimmungen den bzw. einzuleitenden oder beendeten Rechtsstreit aufweisen, findet. Allerdings wird besonders herausgestellt, dass entsprechende Normen auf die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke nur insoweit Anwendung finden, als in Ansehung außergerichtlicher Schriftstücke die den Verordnungsgeber leitenden Wertungen gleichermaßen zutreffen (s. auch Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 1). 8
Vorstehendes betrifft zunächst die die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski aufgreifende Konkretisierung des Anwendungsbereichs der Verordnung durch Erwägungsgrund 6 und 7 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 ff.). Da die Entscheidung des EuGH zu dem Fall ergangen ist, dass ein gerichtliches Schriftstück fiktiv zugestellt wurde,18 wurden die an diese Entscheidung anknüpfenden und sie bestätigenden Erwägungsgründe bezogen auf die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke formuliert. Gleichwohl folgt hieraus nicht, dass die Verordnung obligatorische Anwendung nur auf die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke und auf die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke nur fakultative Anwendung findet (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 29). Dafür spricht erstens, dass der EuGH nachgehend zur Entscheidung in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski auch von der obligatorischen Anwendung auf die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke ausgegangen ist.19 Weiter spricht dafür, dass weder zu den Erwägungsgründen 6 und 7 EU-ZustVO 2020 noch in dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski ein tragender Differenzierungsgrund für eine Unterscheidung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke benannt wurde. Hinzu kommt, dass nur Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 und die Erwägungsgründe 6 und 7 EU-ZustVO 2020, nicht dagegen auch der dem gleichermaßen gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke betreffende Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 zugeordnete Erwägungsgrund 5 EU-ZustVO 2020 den Begriff des Forummitgliedstaats verwendet, d.h. bei Annahme einer Beschränkung der Erwägungsgründe 6 und 7 EU-ZustVO auf gerichtliche Schriftstücke in Bezug auf außergerichtliche Schriftstücke der Begriff der grenzüberschreitenden Zustellung nicht erläutert wäre.20
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In der Folge betrifft Vorstehendes auch den Anwendungsausschluss in Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020. Ebenso wie die Formulierung des vorbildgebenden Erwägungsgrunds 8 EG-ZustVO 2007 nimmt dieser zwar in den Blick, dass die Partei eines Rechtsstreits im Rechtsstreit vertreten wird, und ordnet für diesen Fall an, dass im Rahmen des Rechtsstreits erforderliche Zustellungen, ist der Vertreter im Ursprungsmitgliedstaat ansässig, nicht obligatorisch grenzüberschreitend nach der Verordnung erfolgen müssen, sondern im Gerichtsstaat auch als Inlandszustellung erfolgen können. Gleichwohl ist die Anwendung von Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 nicht auf die Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken begrenzt, sondern findet gleichermaßen Anwendung auf die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke. Auch insoweit gilt die Verordnung nach Maßgabe von Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 nicht obligatorisch (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 65 ff.). Anführen lässt sich dafür, dass Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 im Zusammenhang mit der Reichweite des obligatorischen Charakters der Verordnung (s. Rz. 8) steht und diese für außergerichtliche Schriftstücke nicht weiter als für gerichtliche Schriftstücke reichen soll. Hinzu kommt, dass weder zu Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 noch zum vorbildgebenden Erwägungsgrund 8 EG-ZustVO 2007 ein Grund für eine Unterscheidung zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken offengelegt wurde. c) Feststellung der Zustellungswirkungen in einem anhängigen Gerichtsverfahren
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Die Stellung als Forummitgliedstaat kann sich je nach Kontext der Begriffsverwendung auch daraus ergeben, dass im Rahmen eines in einem Mitgliedstaat anhängigen Rechtsstreits (auch losgelöst von einer Zustellung in diesem Rechtsstreit) über die an eine Zustellung anknüpfenden Wirkungen, d.h. 18 Vgl. EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 19, 20, 28 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 52 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. 19 Vgl. EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 50 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 75 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. 20 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 32, die meint, es bleibe insoweit beim Erfordernis einer Übermittlung (freilich wird ein solches gar nicht mehr erwähnt).
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Art. 2 EU-ZustVO 2020
über die Wirksamkeit einer Zustellung, zu entscheiden ist. In diesem Fall kann und wird häufig der Forummitgliedstaat mit dem Ursprungsmitgliedstaat identisch sein. Dies muss aber nicht so sein. Erkennbar wird das aufgrund des Kontextes der Verwendung des Begriffs Forummitgliedstaat in Erwägungsgrund 25 EU-ZustVO 2020 und Formblatt L. Vom Ursprungsmitgliedstaat verschieden kann der Forummitgliedstaat z.B. sein, wenn im Rahmens eines in einem vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat vor dessen Gerichten geführten Rechtsstreits streiterheblich wird, ob ein vom Ursprungsmitgliedstaat ausgehender früherer Zustellungsversuch trotz unter (rechtmäßiger?) Berufung auf Art. 12 EU-ZustVO 2020 erfolgter Annahmeverweigerung die Verjährung gehemmt hat. Soweit der Begriff Forummitgliedstaat auf den Mitgliedstaat verweist, in dem ein Rechtsstreit anhängig ist, in dessen Rahmen über die Wirksamkeit einer Zustellung zu entscheiden ist, können in Bezug auf ein und dieselbe Zustellung auch verschiedene Mitgliedstaaten Forummitgliedstaat sein. Dies wird erkennbar insbesondere darin, dass auch über die durch die Zustellung eines gerichtlichen Schriftstücks ausgelösten Wirkungen neben dem Gericht, vor dem das gerichtliche Verfahren anhängig ist, auf welches sich eine Zustellung bezieht (vgl. Art. 22 Abs. 1 EU-ZustVO 2020), gegebenenfalls auch die Gerichte in (mehreren) Vollstreckungsmitgliedstaaten im Rahmen eines Versagungsverfahrens erkennen müssen. In Ermangelung einer zentralen Instanz, welche über die Wirkungen einer Zustellung entscheidet,21 sind dabei divergierende Entscheidungen nicht ausgeschlossen (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 120).
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2. Dezentrales IT-System Der in Art. 5 f., 10,22 25, 28, 33 f. EU-ZustVO 2020 und den Erwägungsgründen 10 f., 13, 15 f., 18 12 und 43 EU-ZustVO 2020 sowie in den Formblättern A, D und H verwendete Begriff dezentrales ITSystem bezeichnet nach Nr. 2 ein Netzwerk nationaler IT-Systeme und interoperabler Zugangspunkte, die unter der jeweiligen Verantwortung und Verwaltung eines jeden Mitgliedstaats betrieben werden, das den sicheren und zuverlässigen grenzüberschreitenden Informationsaustausch zwischen den nationalen IT-Systemen ermöglicht. Dass Art. 2 Nr. 2 EU-BewVO 2020 den Begriff für die parallel zur Verordnung erlassene EU-BewVO 2020 inhaltsgleich definiert, bedeutet nicht, dass für beide die Rechtshilfe betreffenden Verordnungen dasselbe Netzwerk genutzt werden muss, mag eine einheitliche Nutzung auch naheliegen. Sofern mehrere der Definition in Nr. 2 genügende Netzwerke betrieben werden, wird mit dem Begriff dezentrales IT-System im Rahmen der Verordnung nur dasjenige angesprochen, welches der direkten Kommunikation im Rahmen der Durchführung der Verordnung dient bzw. hierzu gewidmet ist. Die Bedeutung der Definition in Nr. 2 liegt darin, die Ausgestaltung des nach Ablauf einer Übergangsfrist (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10, Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4) im Regelfall zwingend für die Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen zu nutzenden ITSystems zu klären. Während des Verordnungsverfahrens wurde erwogen sowohl die Errichtung eines zentralen, von der EU bzw. ihren Organen zu errichtenden und zu betreibenden IT-Systems als auch die Errichtung eines dezentralen, d.h. ohne Beteiligung von Stellen der EU (Erwägungsgrund 10 S. 4 EU-ZustVO 2020)23 durch Herstellung der Interoperabilität nationaler IT-System errichteten Netzwerks.24 Wie von der Kommission von Anfang an befürwortet, fiel die Entscheidung auf ein dezentrales IT-System. Dies hat Auswirkungen auf die Verteilung der Verantwortlichkeiten und der Kosten. Da kein zentrales IT-System auf der Ebene der EU errichtet wurde, liegen die Verantwortung (z.B. für den Datenschutz) und die Kosten nicht bei der EU und ihren Organen, sondern im Ausgangspunkt bei den Mitgliedstaaten (vgl. Art. 28 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 ff.).
21 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 59 ff.; vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 3. 22 Dazu s. auch Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 a.E. 23 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 2 EuZustVO Rz. 1. 24 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 2 EuZustVO Rz. 2.
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Art. 2 EU-ZustVO 2020 Begriffsbestimmungen
III. Weitere zentrale Begrifflichkeiten 1. Ursprungsmitgliedstaat 14
Mit dem im Verordnungstext einschließlich Anhängen in Erwägungsgrund 25, Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 14 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 sowie Formblatt A verwendeten Begriff Ursprungsmitgliedstaat wird der Mitgliedstaat bezeichnet, von dem die Zustellung eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Schriftstücks ausgeht, d.h. aus dem heraus ein Schriftstück in einen anderen Mitgliedstaat zum Zweck der Zustellung übermittelt wird (abw. nach Begriff und Bedeutung noch Art. IV Anhang zum BrüsselÜbk: in einem Vertragsstaat ausgefertigt, d.h. „Ausfertigungsstaat“). Dies ist im Regelfall der Mitgliedstaat, dessen Stellen (Gerichte, Behörden oder Beliehene) die Zustellung eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Schriftstück veranlassen bzw. um Zustellungshilfe ersuchen. Die Zuordnung einer Stelle zu einem Mitgliedstaat erfolgt dabei in Anknüpfung daran, von welchem Mitgliedstaat eine Stelle ihre besondere Befugnis zur Zustellung ableitet. Einer Modifizierung bedarf dies im Fall der unmittelbaren (Partei-)Zustellung, weil sich eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Antragstellers verbietet und Unionsbürger Freizügigkeit genießen. Ursprungsmitgliedstaat ist in diesem Fall der Mitgliedstaat, in dem das Gerichtsverfahren anhängig ist (Forummitgliedstaat), in dessen Rahmen oder mit Bezug zu dem ein gerichtliches Schriftstück zugestellt wird. Bestimmt wird der Ursprungsmitgliedstaat in diesem Fall dagegen nicht durch den Ort, von dem aus ein Schriftstück endgültig in Richtung Adressat abgesandt wird, weil diese finale Absendung in den Fällen der unmittelbaren Zustellung im Empfangsmitgliedstaat liegt und ausweislich Art. 20 EU-ZustVO 2020 aus Sicht der Verordnung gleichwohl eine Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat gegeben ist, anderenfalls der Anwendungsbereich der Verordnung gar nicht eröffnet wäre. Er wird in diesem Fall auch nicht bestimmt durch den Ort, von dem aus der Antragsteller das Schriftstück in Richtung Amtsperson, Beamter oder sonstige zuständige Person des Empfangsmitgliedstaats absendet, weil dieser Ort frei wähl- und daher zufällig bzw. manipulierbar ist, was mit der von Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 vorausgesetzten Objektivität der Bestimmung des Ursprungsmitgliedstaats unvereinbar wäre. Entsprechend gilt Vorstehendes für die von einem Antragsteller selbst veranlasste Postdirektzustellung. Hilfsweise, d.h. bei der Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke oder in dem Fall, dass der Forumstaat kein Mitgliedstaat ist, wird in diesem Fall der Ursprungsmitgliedstaat bestimmt durch den (Wohn-)Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Zustellenden. Er wird dagegen nicht bestimmt durch das Recht, welches eine Zustellungslast begründet, weil dieses nicht notwendig das eines Mitgliedstaats ist und es überdies im Stadium der Zustellung gegebenenfalls nicht liquide und sicher zu ermitteln ist, die Anwendung z.B. von Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 eine liquide und sichere Ermittlung aber voraussetzt.
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In der Vorgängerverordnung fand der Begriff des Ursprungsmitgliedstaats keine Verwendung. Statt seiner fand zur Bezeichnung des Mitgliedstaats, von dem eine Zustellung ausgeht, Verwendung der Begriff Übermittlungsmitgliedstaat (s. auch Rz. 2, 16). Die Wahl dieses Begriffs war geprägt durch die schwerpunktmäßige Ausrichtung der Vorgängerverordnungen auf den Rechtshilfeverkehr, in dessen Rahmen ein Schriftstück zum Zweck der Zustellung aus einem in einen anderen Mitgliedstaat übermittelt wird, und die Erleichterung der dem dienenden Kommunikation zwischen den Übermittlungs- und Empfangsstellen. Bei der Begriffswahl ausgeblendet wurde, dass die Verordnung allerdings nicht nur die grenzüberschreitende Übermittlung zum Zweck der Zustellung, sondern weitergehend auch die direkte Zustellung aus einem Mitgliedstaat heraus in einem anderen Mitgliedstaat regelt. Kapitel II der Verordnung regelt nicht nur (in Abschnitt 1 und in Art. 16 EU-ZustVO 2020) Übermittlungs-, sondern in Art. 17–20 EU-ZustVO 2020 auch Zustellungswege (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 58). Gerade der Zustellungsweg der Postdirektzustellung erfreut sich in der Rechtspraxis großer Beliebtheit (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 3) ebenso wie die Möglichkeit zur unmittelbaren Parteizustellung (s. Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Dem wird durch den neuen und aufgrund der Ablösung vom Rechtshilfeverkehr weiteren Begriff des Ursprungsmitgliedstaats Rechnung getragen. Dies erschien dem Verordnungsgeber nicht zuletzt mit Blick auf die Erweiterung der Formen der Direktzustellung um die elektronische Zustellung sachgerecht – leider ist er dabei aber nicht mit letzter Konsequenz vorgegangen (s. Rz. 2, 16).
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Art. 2 EU-ZustVO 2020
2. Übermittlungsmitgliedstaat Der in Art. 17 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 verwendete Begriff Übermittlungsmitgliedstaat bezeichnet den Ursprungsmitgliedstaat. Dass Art. 17 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 stattdessen den Begriff Übermittlungsmitgliedstaat verwendet, beruht auf einem Redaktionsversehen und der unreflektierten Übernahme von Art. 13 Abs. 2 Halbs. 3 EG-ZustVO 2007 in Art. 17 Abs. 2 Halbs. 3 EU-ZustVO 2020.25 Erkennbar wird das Redaktionsversehen nicht zuletzt darin, dass der Begriff Übermittlungsmitgliedstaat begrifflich am Rechtshilfeverkehr orientiert ist (s. Rz. 15), in Art. 17 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 aber nicht ein Rechtshilfeweg, sondern eine Form der Direktzustellung geregelt ist (s. Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 1).
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3. Empfangsmitgliedstaat Der im Verordnungstext einschließlich Anhängen in den Erwägungsgründen 17, 19, 27 f., 35, Art. 7 17 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 8 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 10 Abs. 4 EU-ZustVO 2020, Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020, Art. 12 Abs. 1, 5 EU-ZustVO 2020, Art. 13 Abs. 1 EU-ZustVO 2020, Art. 15 EU-ZustVO 2020, Art. 22 Abs. 1, 2 EU-ZustVO 2020 sowie in den Formblättern A, F und K verwendete Begriff Empfangsmitgliedstaat entspricht dem im HZÜ verwendeten Begriff „Bestimmungsstaat“ (vgl. Art. 10, 12 HZÜ).26 Er bezeichnet den Mitgliedstaat, dessen Souveränität durch eine aus dem Ausland eingehende Zustellung berührt wird, d.h. den Mitgliedstaat in welchem eine Zustellung bewirkt wird oder bewirkt werden soll/te (vgl. Erwägungsgrund 24 EU-ZustVO 2020: „Zustellungsort“ mit Art. 12 Abs. 1 lit. b EU-ZustVO 2020: „Empfangsmitgliedstaat“). Auszugehen ist dabei von dem Ort, an welchem dem Empfänger ein Schriftstück bestimmungsgemäß zur Kenntnis gebracht werden soll. Da von der Bestimmung durch die eine Zustellung anordnenden Stelle auszugehen ist, lässt sich der Empfangsmitgliedstaat auch dann eindeutig bestimmten, wenn der Empfänger am anvisierten Ort nicht angetroffen wird. Überdies erlaubt die Anknüpfung an die Bestimmung durch die eine Zustellung anordnende Stelle, den Empfangsmitgliedstaat auch im Zusammenhang mit der elektronischen Direktzustellung zu bestimmen (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 54), obwohl die tatsächliche Wahrnehmung einer elektronischen Nachricht ohne Bindung an einen bestimmten Ort möglich ist. Nicht bestimmt wird der Empfangsmitgliedstaat dagegen durch die Staatsangehörigkeit des Adressaten. Er wird auch nicht unmittelbar durch Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt des Adressaten bestimmt. Allerdings können diese beiden Kriterien mit darüber bestimmen, an welchem Ort dem Adressaten ein Schriftstück bestimmungsgemäß zur Kenntnis gebracht werden soll. Namentlich bei der Direktzustellung per Post oder der elektronischen Direktzustellung ist dies typischerweise der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt (s. auch Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 ff., Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 ff.). Mit Rücksicht auf das den Anwendungsbereich eröffnende Erfordernis einer grenzüberschreitenden 18 Zustellung (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff.) handelt es sich nach dem Verständnis der Verordnung beim Empfangsmitgliedstaat um einen vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat. Dem liegt zugrunde, dass nur im Falle der Verschiedenheit von Ursprungs- und Empfangsmitgliedstaat die den Ausgangspunkt aller Regelungen zur Rechtshilfe bildenden Souveränitätsinteressen der Mitgliedstaaten (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 5) berührt werden. Indem die Verordnung hinsichtlich der Eröffnung des Anwendungsbereichs in Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 und den Erwägungsgründen 5 bis 7 EU-ZustVO 2020 abweichend von der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski nicht an die durch eine gewisse Beständigkeit gekennzeichnete Ansässigkeit des Zustellungsempfängers, sondern an die Bekanntheit einer auch ohne Rücksicht auf eine besondere Beständigkeit denkbare Zustelladresse anknüpft (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 17), ist ein Zusammenfallen des Empfangs- mit dem Ursprungsmitgliedstaat selbst in dem Fall nicht denkbar, dass einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen (z.B. dortiger Wohnsitz) Zustellungsempfänger während eines kurzzeitigen Aufenthalts (z.B. Urlaub) im
25 Auch andere (z.B. Englisch und Französisch), aber nicht alle (z.B. Spanisch) Sprachfassungen formulieren in Art. 17 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 abweichend von Art. 12 Abs. 2, 14 Abs. 2 EU-ZustVO 2020. 26 Vgl. auch EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 33 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA.
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Art. 2 EU-ZustVO 2020 Begriffsbestimmungen Ursprungsmitgliedstaat zugestellt wird. Denn für diese Zustellung ist der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 17, 53).27 4. Antragsteller 19
In Erwägungsgrund 27, Art. 9 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 9 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 ff.), Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 79), Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 22), Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 15 EU-ZustVO 2020 Rz. 13) und Formblatt A verwendet die Verordnung den Begriff des Antragstellers. Sie enthält allerdings keine Definition des Begriffs, sondern setzt eine bestimmte Bedeutung voraus.28 An dieser ist stellenweise zu erkennen eine Ausrichtung der Konzeption der Verordnung an von Zustellungen im Parteibetrieb geprägten Rechtsordnungen.29 Da die Verordnung aber weder zu einer entsprechenden Ausgestaltung zwingt noch auf Rechtsordnungen mit Zustellungen im Parteibetrieb beschränkt ist, gilt keine formeller, sondern ein materieller Begriff des Antragstellers.
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Antragsteller ist diejenige von Zustellungsadressat und -empfänger verschiedene Person, in deren Interesse eine Zustellung erfolgen soll und die Anlass zur Zustellung gegeben hat (vgl. § 37 Abs. 3 S. 1 ZRHO). Den Interessen welcher Person das zuzustellende Schriftstück nach Inhalt und Funktion dient (z.B. zur Fristwahrung, vgl. Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020) und inwieweit Anlass zur Zustellung gegeben werden muss, bestimmt sich nach dem Recht, welches diejenige Rechtsfolge an eine Zustellung knüpft, auf deren Herbeiführung die Zustellung gerichtet ist. Nicht unmittelbar bestimmt wird die Stellung als Antragsteller dadurch, in wessen Interesse ein gerichtliches Verfahren geführt wird, in dessen Rahmen eine Zustellung erfolgt. Dies ergibt sich daraus, dass Regelungsgegenstand der Verordnung die einzelne Zustellung und nicht das Führen eines gerichtliches Verfahrens ist. Weiter ergibt sich dies daraus, dass auf die verbindliche Klärung der Rechtslage zielende gerichtliche Verfahren gleichermaßen im Interesse aller Verfahrensbeteiligten geführt werden, d.h. eine sinnvolle Rollenunterscheidung ausgehend vom Interesse am Verfahren nicht möglich ist. Abweichendes folgt auch nicht daraus, dass mit ihrer Verfahrensteilnahme nur einzelne Beteiligte einen Vollstreckungstitel anstreben, weil dieses Kriterium sich jedenfalls bei Feststellungsbegehren als untauglich erwiese.
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An einer Zustellung interessiert ist im Falle der unmittelbaren bzw. Parteizustellung die Person, in deren Namen sie oder ihr Vertreter sich an eine Übermittlungsstelle wendet und dieser ein Schriftstück zum Zwecke der Zustellung übergibt.30 Darüber hinaus sind (im Fall der Amtszustellung) Antragsteller aber auch alle diejenigen (weiteren) Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, für welche sich anknüpfend an eine (amtswegige) Zustellung günstige Rechtsfolgen ergeben können.31 Antragsteller im Sinne der Verordnung kann daher z.B. auch der einem Dritten den Streit verkündende Beklagte sein, weil und soweit die Zustellung der Streitverkündungsschrift beim Dritten den Interessen des Beklagten dient.32 Ebenso ist Antragsteller ein mit einer Zustellung seine Beteiligung am Verfahren anstrebender Nebenintervenient. Nicht Antragsteller im vorstehenden Sinne ist im Grundsatz ein die Zustellung von Amts wegen verfügendes Gericht.33 Denn unbeschadet des Umstands, dass die Zustellung durch das Gericht ausgelöst wird, dient die Zustellung nicht eigenen Interessen des Gerichts. Abweichendes kommt in Betracht, wenn und soweit das Gericht (z.B. in Amtsverfahren nach dem FamFG) nach dem anwendbaren Recht gleichsam einem Interessenstandschafter tätig wird (s.
27 LG Hamburg v. 12.3.2013 – 325 O 224/12, RdTW 2013, 288 Rz. 26. – A.A. zur EG-ZustVO 2007 Cour de cassation v. 22.9.2016 – 15-18715. 28 EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 32 – SR/EW u.a. 29 Vgl. Fabig/Windau, NJW 2022, 1977 Rz. 16. 30 Vgl. (e contrario) Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 5 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 2. – Dagegen wohl Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 5 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 3. 31 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 5 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 2. 32 Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 6. 33 EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 34 ff. – SR/EW u.a.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 2 EU-ZustVO 2020
Art. 9 EU-ZustVO 2020 Rz. 11). Liegt eine Zustellung im ausschließlichen Interesse des Zustellungsadressaten, fehlt nach Vorstehendem ein Antragsteller im Sinne der Verordnung.34 5. Empfänger Die Verordnung verwendet in der deutschen Sprachfassung an zahlreichen Stellen den Begriff des 22 Empfängers (Erwägungsgründe 3, 7 f., 19, 24–26, 30–33, Art. 1 Abs. 2, Art. 7 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1–5, 7, Art. 19 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 sowie alle Formblätter). Daneben nimmt Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 (ähnlich wie Art. 17, 18 EU-ZustVO 2020) Bezug auf die „Person, an die zugestellt werden soll“. In der englischen Sprachfassung finden Verwendung die Begriffe „addressee“ sowie „person to be served“ und in der französische Sprachfassung die Begriffe „destinataire“ sowie „personne à qui l’acte doit être signifié ou notifié“. Im Vergleich der Sprachfassungen zeigt sich bei Erwägungsgrund 19, Art. 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 und Art. 7 EU-ZustVO 2020, dass beide Begrifflichkeiten austauschbar, d.h. Synonyme sind. Denn der Rückgriff auf die eine oder die andere Begrifflichkeit ist nicht von Planmäßigkeit, sondern von Zufälligkeit bestimmt. Dies bestätigt die deutsche Sprachfassung in Art. 19 EU-ZustVO 2020 dadurch, dass dieselbe Person eingangs als „Person“ (an die zugestellt wird) und nachfolgend als „Empfänger“ angesprochen wird. Dem Begriff des Empfängers (bzw. Person, an die zugestellt werden soll) kommt im Rahmen der Ver- 23 ordnung zentrale Bedeutung zu. Diese liegt begründet allerdings nicht allein in der Häufigkeit seiner Verwendung durch den Verordnungsgeber, sondern bereits in der Natur der Sache. Regelungsgegenstand der Verordnung sind grenzüberschreitende Zustellungen, d.h. die förmliche Information einer Person in einem anderen Mitgliedstaat, anknüpfend an welche bestimmte Rechtsfolgen eintreten. Trotz der zentralen Bedeutung der Begrifflichkeit enthält die Verordnung keine Definition des Empfängers, sondern setzt den Begriff mit einer bestimmten Bedeutung voraus. Diese ergibt sich ihrerseits nicht aus der Natur der Sache, weil ausgehend vom Regelungsgegenstand der Verordnung zur Bestimmung des Empfängers gleichermaßen angeknüpft werden kann daran, (1) welche Person durch eine Zustellung unmittelbar informiert werden soll (Zustellungsempfänger) oder (2) welche Person unmittelbar von den an eine Zustellung anknüpfenden Rechtsfolgen betroffen werden soll (Zustellungsadressat). Beide Anknüpfungen verweisen vielfach zwar auf dieselbe Person, müssen dies aber nicht. Erkennbar wird dies insbesondere bei den in § 170 ZPO angesprochenen Fällen (z.B. Zustellung an juristische Person durch Zustellung an Organwalter), bei denen die unmittelbar zu informierende Person (z.B. Organwalter) und die rechtlich betroffene Person (z.B. juristische Person) auseinanderfallen. Der Verordnungsgeber hat einem möglichen Auseinanderfallen von Zustellungsadressat und Zu- 24 stellungsempfänger, welches begründet liegt in der Ausgestaltung des eine Zustellungslast vorsehenden sowie des dabei in Bezug genommenen (nationalen) Rechts, keine Beachtung geschenkt und den Begriff des Empfängers (bzw. Person, an die zugestellt werden soll) im Verordnungstext auch nicht einheitlich verwendet. Vielmehr hat er je nach Regelungszusammenhang als Empfänger mal den Zustellungsadressaten (s. Rz. 23) und mal den Zustellungsempfänger (s. Rz. 23) angesprochen. Deutlich wird dies in der Gegenüberstellung von Art. 1 EU-ZustVO 2020 (nebst Erwägungsgründen 5 bis 7 EU-ZustVO 2020), Art. 7 EU-ZustVO 2020, Art. 12 EU-ZustVO 2020 und Art. 19 EU-ZustVO 2020. Bezeichnete der Empfänger den Zustellungsadressaten (z.B. juristische Person), (a) kommt Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 eigene Bedeutung zu, fände aber die Verordnung keine Anwendung auf die Zustellung an einen in der EU ansässigen Organwalter einer im Vereinigten Königreich domizilierten juristischen Person, (b) könnte ermittelt werden nur die Zustellungsanschrift der juristischen Person, nicht aber eines Organwalters, an den zugestellt werden soll, (c) wäre zur Annahmeverweigerung nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 berechtigt und hierüber nach Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 zu belehren eine juristische Person und nicht ihr Organwalter und (d) setzte eine elektronische Zustellung an den Organwalter voraus die Zustimmung (nur) der juristischen Person, nicht aber die Zustimmung des Organwalters als Inhaber eines elektronischen Postfachs. Bezeichnete der Empfänger dagegen den Zustellungsempfänger (z.B. Organwalter), (a) ist Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 nur
34 Für Streithilfe bei EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 34 ff. – SR/EW u.a. nicht erwogen.
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Art. 2 EU-ZustVO 2020 Begriffsbestimmungen eine Klarstellung35 ohne eigene Bedeutung, fände die Verordnung aber gegebenenfalls auch Anwendung auf die grenzüberschreitende Zustellung an einen in der EU ansässigen Organwalter einer im Vereinigten Königreich domizilierten juristischen Person,36 (b) könnte ermittelt werden die Zustellungsanschrift eines Organwalters, an den zugestellt werden soll, im Anwendungsbereich von § 170 ZPO nicht dagegen einer juristischen Person, (c) wäre zur Annahmeverweigerung nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 berechtigt und hierüber nach Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 zu belehren der Organwalter und nicht die juristische Person mit der Folge, dass gegebenenfalls bei Versterben des Organwalters das Annahmeverweigerungsrecht für die juristische Person nicht ausgeübt werden kann und (d) setzte eine elektronische Zustellung an den Organwalter voraus dessen Zustimmung und würde die durch einen anderen Organverwalter für die juristische Person erklärte Zustimmung nicht ausreichen. Namentlich im Zusammenhang mit Art. 7 EU-ZustVO 2020 (Beispiel b) und Art. 12 EU-ZustVO 2020 (Beispiel c) ist deutlich zu erkennen, dass keines der beiden Begriffsverständnisse durchgängig zu sachgerechten Ergebnissen führt, wenn man berücksichtigt, dass für Zustellungen an eine juristische Person gleichermaßen eine Information der juristischen Person als solcher (z.B. Abgabe in Geschäftslokal ohne Rücksicht auf empfangende Person) als auch die von § 170 ZPO geforderte Verfahrensweise als sachgerecht angesehen werden kann und die Entscheidung hierüber nicht durch die Verordnung, sondern durch das eine Zustellungslast begründende und ausgestaltende (nationale) Recht (des Ursprungsmitgliedstaats) getroffen wird. 25
In Ermangelung eines einheitlich vorausgesetzten Begriffsverständnisses ist die Bedeutung des Begriffs Empfänger (bzw. Person, an die zugestellt werden soll) jeweils für jeden Verwendungsfall anhand der Gesetzessystematik, der Entstehungsgeschichte und vor allem des Telos einer Regelung zu ermitteln. Danach bezeichnet der Empfänger (bzw. Person, an die zugestellt werden soll) im Zusammenhang mit Art. 1 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 39 ff.),37 Art. 7 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) und Art. 19 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 25, 28) den Zustellungsempfänger (s. Rz. 23). Hierdurch wird sichergestellt, dass in Anwendung der Verordnung diejenige Person förmlich informiert werden kann (und zwar nur unter Beachtung der durch die Verordnung vorgesehenen Schutzmechanismen), welche der Absender informieren will bzw. nach dem anwendbaren Recht zur Auslösung bestimmter Rechtsfolgen informieren muss. Im Zusammenhang mit Art. 12 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 66, 79) und Art. 22 EU-ZustVO 2020 (Beklagter) ist dagegen Empfänger der Zustellungsadressat (s. Rz. 23), weil die beiden Vorschriften gerade auf seinen Schutz (im Zusammenhang mit den ihn treffenden Zustellungswirkungen) gerichtet sind. Abweichendes gilt für die Ermittlung der vorhandenen Sprachkompetenz im Rahmen der Anwendung von Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020, bei der auf den Zustellungsempfänger und unter Berücksichtigung der Funktion einer Stellvertretung auch auf den Zustellungsadressaten abzustellen ist (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 41 f.). 6. Sonstige
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Für die Anwendung der Verordnung wesentlich ist insbesondere auch das Verständnis der nachfolgenden Begrifflichkeiten, welche nicht legaldefiniert sind, und deren Bedeutung an der jeweils angegebenen Stelle geklärt wird: außergerichtliches Schriftstück: s. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 ff. gerichtliches Schriftstück: s. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 grenzüberschreitende Zustellung: s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff. Mitgliedstaat: s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 f. Schriftstück: s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 30
35 So z.B. Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2022, 97, 106. 36 Vgl. Cour de cassation v. 20.11.2012 – 11-17653 (zur Abgrenzung von einer Inlandszustellung). 37 Vgl. Cour de cassation v. 20.11.2012 – 11-17653; OGH v. 1.3.2012 – 1Ob218/11g zu I. 4. der Gründe.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EU-ZustVO 2020
Artikel 3 Übermittlungs- und Empfangsstellen (1) Jeder Mitgliedstaat benennt die Amtspersonen, Behörden oder sonstigen Personen, die für die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, die in einem anderen Mitgliedstaat zuzustellen sind, zuständig sind (im Folgenden „Übermittlungsstellen“). (2) Jeder Mitgliedstaat benennt die Amtspersonen, Behörden oder sonstigen Personen, die für die Entgegennahme gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke aus einem anderen Mitgliedstaat zuständig sind (im Folgenden „Empfangsstellen“). (3) 1Die Mitgliedstaaten können entweder separate Übermittlungs- und Empfangsstellen oder eine einzige oder mehrere Stellen benennen, die beide Funktionen zugleich wahrnehmen. 2Bundesstaatlich organisierte Mitgliedstaaten, Mitgliedstaaten mit mehreren Rechtssystemen und Mitgliedstaaten mit autonomen Gebietskörperschaften können mehrere derartige Stellen benennen. 3Diese Benennung ist für einen Zeitraum von fünf Jahren gültig und kann um weitere Perioden von fünf Jahren verlängert werden. (4) Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission folgende Angaben mit: a) die Namen und Anschriften der Empfangsstellen nach den Absätzen 2 und 3, b) den Bereich, für den diese Empfangsstellen örtlich zuständig sind, c) die den Empfangsstellen im Anwendungsbereich des Artikels 5 Absatz 4 zur Verfügung stehenden Mittel für den Empfang von Schriftstücken und d) die Sprachen, in denen die Formblätter in Anhang I ausgefüllt werden dürfen. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission jede Änderung der in Unterabsatz 1 genannten Angaben mit. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3.
Übermittlungsstellen (Abs. 1) . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . Benennungspflicht . . . . . . . . . Folgen der Benennung . . . . . . . a) Kompetenzzuweisung . . . . . b) Bindung und Änderung . . . . 4. Benennungen der Mitgliedstaaten a) Deutschland . . . . . . . . . . . b) Sonstige Mitgliedstaaten . . . .
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1 1 4 5 5 8 11 11 13 14 14 17
III. 1. 2. 3. 4.
Empfangsstellen (Abs. 2) . . . . . Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . Benennungspflicht . . . . . . . . . Folgen der Benennung . . . . . . . Benennungen der Mitgliedstaaten a) Deutschland . . . . . . . . . . . b) Sonstige Mitgliedstaaten . . . . IV. Konzentrationsbefugnis (Abs. 3) 1. Inhalt (S. 1, 2) . . . . . . . . . . . . 2. Verlängerung/Änderung . . . . . .
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18 18 21 23 26 26 27 28 28 30
V. Mitteilungspflicht (Abs. 4) . . . . . . . . . . . 32
Schrifttum: Fischer, Die neue Brüssel-Ia-Verordnung in der Notariatspraxis, NotBZ 2015, 130; Nordmeier, Neuerungen im deutschen IZVR durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts, IPRax 2017, 436; Strasser, Neues zum Europäischen Zustellungsrecht, Rpfleger 2013, 585. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck Die Vorschrift bringt als Leitbild der Verordnung zum Ausdruck, dass das der Zustellungshilfe dienende Rechtshilfeverfahren anders als unter dem HZPÜ und im vertraglosen Bereich nicht auf dem schwerfälligen diplomatischen oder konsularischen Weg und anders als unter dem HZÜ auch nicht
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Art. 3 EU-ZustVO 2020 Übermittlungs- und Empfangsstellen im Verkehr mit Zentralen Behörden, sondern dezentralisiert geführt wird.1 Anders als unter dem HZÜ soll, wie bereits seit der EG-ZustVO 2000, Grundlage der Rechtshilfegewährung nicht mehr eine Kommunikation mit Zentralen Behörden sein. Vielmehr sollen rechtliche Beziehungen unmittelbar zwischen den im Ursprungsmitgliedstaat für die Einleitung eines inländischen Zustellungsverfahrens zuständigen Stellen und den im Empfangsmitgliedstaat eine inländische Zustellung ausführenden oder beauftragenden Stellen bestehen (vgl. Erwägungsgrund 9 S. 1 EU-ZustVO 2020).2 Vorzugsweise soll sich das Gericht im Ursprungsmitgliedstaat für die Zustellung einer Ladung direkt mit seinem Ersuchen an einen im Empfangsmitgliedstaat für die Ausführung eines Zustellungsauftrags zuständigen Gerichtsvollzieher wenden können.3 Im Vergleich zum HZÜ sollen Zwischenschritte abgebaut und hierdurch grenzüberschreitende Zustellungen beschleunigt werden.4 Dementsprechend geht die Vorschrift für den Regelfall auch davon aus, dass die Mitgliedstaaten alle innerstaatliche Zustellungsverfahren einleitenden Stellen als Übermittlungs- bzw. Empfangsstellen benennen.5 Diese Benennung von Übermittlungs- und Empfangsstellen schafft die Grundlage für die direkte Kommunikation zwischen diesen.6 Indem vorab der Kreis an für die Übermittlung zuständigen Stellen festgelegt wird, wird das Auffinden der jeweils richtigen (zuständigen) Stelle erleichtert und die Sicherheit der Kommunikation gesteigert, weil nur Berechtigte an der Kommunikation teilnehmen dürfen (und können). 2
Nicht alle Mitgliedstaaten befürworteten und befürworten diesen Ansatz (vollständig).7 Vielmehr wurde und wird entsprechend den nationalen Traditionen als erforderlich angesehen, die Zustellungshilfe bei bestimmten Stellen zu konzentrieren.8 Angeführt wird dafür vielfach die Befürchtung, dass eine Mitwirkung am Rechtshilfeverkehr die die Zustellung unmittelbar bewirkenden Stellen aufgrund ihrer Ausbildung überfordern könnte.9 Weiter spricht für eine Konzentration, dass sich durch eine solche besser Routine und Erfahrungen sammeln lassen. Schließlich wird das Auffinden der zuständigen Stelle erleichtert und werden Kompetenzkonflikte vermindert durch eine Konzentration der Empfangsstellen (vgl. auch § 192 S. 2 ZPO). Vor diesem Hintergrund wurde der Dezentralisierungsansatz in der Verordnung nicht in Reinform verwirklicht,10 sondern eröffnet Abs. 3 als Ausnahme vom Regelfall die Möglichkeit zur Aufgabenkonzentration (s. Rz. 28). Dass Abs. 3 einen Ausnahmefall regelt, wird erkennbar nicht zuletzt darin, dass Konzentrationen nur zeitlich befristet gelten, d.h. die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, regelmäßig die Sachgerechtigkeit einer Konzentration zu überprüfen.
1 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/28 f.; Nassauer, A4-0101/97, B. 9.; KOM(1999) 219 endg.; Brenn, Art. 2 EZV EinfErl, Art. 2 EZV Anm. f); Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 184; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/11; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 2 EuZVO Rz. 1. 2 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/28 f.; KOM(1999) 219 endg.; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 34 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 30 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czesław Orłowski; GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI:EU:C:2020:971 Rz. 97 – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o. 3 Vgl. Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 2 EuZVO Rz. 5; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.64. 4 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/27; KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/49; Lechner, A5-0060/1999, S. 14; Brenn, Art. 2 EZV Anm. f); Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/11; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 2 EuZVO Rz. 1. 5 ABl. EG 1997 C 261/28 f.; Nassauer, A4-0101/97, B. 9.; KOM(1999) 219 endg.; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 9; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 2 EuZVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EG-ZustVO 2007 Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 1; Gebauer/ Wiedmann/Sujecki, Art. 2 EuZVO Rz. 1. 6 Vgl. GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI:EU:C:2020:971 Rz. 97 – Obala i lucˇice d.o.o./ NLB Leasing d.o.o.: damit System funktioniert. 7 Vgl. Meyer, IPRax 1997, 401, 403, 404. 8 Vgl. SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 9; Brenn, Art. 2 EZV Anm. g); Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EG-ZustVO 2007 Rz. 5, Art. 4 EG-ZustVO 2007 Rz. 3. 9 Vgl. auch Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1069 ZPO Rz. 11. 10 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 2 EuZVO Rz. 2; Schack, IZVR, Rz. 742; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 2 EuZVO Rz. 1.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EU-ZustVO 2020
Die Vorschrift gehört zu den organisationsrechtlichen Regelungen der Verordnung11 und enthält eine Doppelregelung. Den Mitgliedstaaten legt sie in Abs. 1, 2 die Verpflichtung auf, Übermittlungsund Empfangsstellen zu benennen. Außerdem bestimmt sie rahmenmäßig die den Übermittlungsund Empfangsstellen obliegenden Aufgaben. Ausgehend von ihr bestimmt sich dementsprechend, die Übertragung welcher Aufgaben mit der Benennung als Übermittlungs- bzw. Empfangsstelle verbunden ist. Hieran knüpft eine Vielzahl weiterer Regelungen der Verordnung an (s. Rz. 5 ff.). Abs. 3 eröffnet und begrenzt den den Mitgliedstaaten bei der Aufgabenübertragung zukommenden organisatorischen Spielraum. Abs. 4 verpflichtet die Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Benennung und ihrer Änderung zu einer informatorischen Mitteilung an die Kommission; Art. 33 EU-ZustVO 2020 wiederholt diese Verpflichtung und verpflichtet anknüpfend daran die Kommission zur Publikation der empfangenen Informationen (s. Art. 33 EU-ZustVO 2020 Rz. 2, 16 ff.).
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2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift geht zurück auf Art. 2 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)12 und Art. 2 EG-ZustVO 2000. Bereits die beiden Vorgängervorschriften zielten auf eine Dezentralisierung des Zivilrechtshilfeverkehrs. Sie grenzten sich insoweit bewusst gegenüber dem HZÜ ab.13 Nach diesem wurde der Rechtshilfeverkehr abgewickelt im Grundsatz mit Zentralen Behörden. Hierin lag bereits ein der Beschleunigung dienender Fortschritt gegenüber dem HZPÜ und der vertragslosen Rechtshilfegewährung, welche eine Kommunikation auf diplomatischem oder konsularischem Weg vorsahen. Zur weiteren Beschleunigung grenzüberschreitender Zustellungen sah das nicht in Kraft getretene EuZÜ als Weiterentwicklung gegenüber dem HZÜ eine Dezentralisierung des Rechtshilfeverkehrs vor.14 Dieses Konzept fand Eingang in Art. 2, 4 EG-ZustVO 2000 und wurde in Art. 2, 4 EG-ZustVO 2007 fortgeführt.15 Hieran knüpft die Vorschrift gemeinsam mit Art. 8 EU-ZustVO 2020 an. Gegenüber den beiden Vorgängerregelungen wurde sie, abgesehen von der den neu eingefügten Art. 5 EU-ZustVO 2020 betreffenden Ergänzung in Abs. 4 lit. c, nur redaktionell geändert.16 Der Kommissionsvorschlag sah, abgesehen von einer Folgeänderung zur Einführung der obligatorischen Nutzung des dezentralen IT-Systems, eine Überarbeitung der Vorgängerregelungen nicht vor.17 Auch der Standpunkt erster Lesung des Parlaments18 und die Allgemeine Ausrichtung erster Lesung des Rates19 schlug eine weitergehende Überarbeitung nicht vor. Vorgesehen war die redaktionelle Überarbeitung erstmals im Zusammenhang damit, dass in den Triloggesprächen Einigkeit darüber erzielt wurde, keinen Änderungsrechtsakt zu erlassen, sondern die EG-ZustVO 2007 durch eine Neufassung (Erwägungsgrund 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020) zu ersetzen.
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II. Übermittlungsstellen (Abs. 1) 1. Aufgaben Der Übermittlungsstelle obliegt und sie kennzeichnet die Aufgabe der Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, die in einem anderen Mitgliedstaat, d.h. an einen Empfänger 11 Vgl. Brenn, Art. 2 EZV Anm. a); Stadler, IPRax 2001, 514, 516. 12 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 3 EuZVO 2022 Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 3 EuZustVO Rz. 1. 13 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 2 EuZVO Rz. 1; Meyer, IPRax 1997, 401, 403; Stadler/Krüger in Musielak/ Voit, Art. 3 EuZustVO Rz. 1. 14 ABl. EG 1997 C 261/27 f.; Meyer, IPRax 1997, 401, 402, 403. 15 Vgl. SWD(2018) 287 final, S. 7 f., 40; MainStrat, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1348/2000 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matter (März 2004), S. 15 f.; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 2 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 2 VO (EG) 1393/2007 Rz. 1, Art. 4 VO (EG) 1393/2007 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 2 EuZVO Rz. 1, Art. 4 EuZVO Rz. 1. 16 Vgl. Knöfel, RIW 2021, 473, 474; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 3 EuZVO 2022 Rz. 1. 17 COM(2018) 379 final, S. 19. 18 Cofferati, A8-0001/2019, S. 15. 19 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 19.
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Art. 3 EU-ZustVO 2020 Übermittlungs- und Empfangsstellen mit bekannter Zustelladresse (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff.) in einem anderen Mitgliedstaat als dem, der die Übermittlungsstelle benannt hat, zuzustellen sind. Sie sind mithin im Anwendungsbereich der Verordnung zuständig dafür, zu im Ursprungsmitgliedstaat erforderlich werdenden grenzüberschreitenden Zustellungen das zuzustellende Schriftstück in den Empfangsmitgliedstaat zu exportieren.20 Anknüpfend an die Übertragung dieser eine Übermittlungsstelle konstituierenden Aufgabe weist die Verordnung der Übermittlungsstelle weitere Aufgaben zu (s. Rz. 6 f.). Diese betreffen ausschließlich das Rechtsverhältnis, dessen Gegenstand die Erlangung von Rechtshilfe oder die sonstige (unter Umgehung einer Empfangsstelle) zum Zweck der Zustellung erfolgende Übermittlung eines Schriftstücks in einen anderen Mitgliedstaat ist. Dagegen betreffen sie nicht das Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen eine Zustellung erfolgt oder welches durch die Zustellung begründet wird; insbesondere obliegt den Übermittlungsstellen insoweit nicht, inhaltliche Entscheidungen (betreffend die Rechtmäßigkeit einer Zustellung oder einer Annahmeverweigerung) zu treffen21 oder die Zweckmäßigkeit oder Erheblichkeit der Gründe für eine Zustellung zu hinterfragen.22 6
Kernaufgabe der Übermittlungsstelle ist ihre Mitwirkung im Rechtshilfeverfahren. Nur nach Maßgabe von Art. 16 EU-ZustVO 2020 werden an ihrer Stelle23 diplomatische oder konsularische Stellen des Ursprungsmitgliedstaats im Rahmen des Rechtshilfeverkehrs tätig (s. Art. 16 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 f., 5 ff.). Den Übermittlungsstellen obliegt zunächst, das Rechtshilfeverfahren nach Maßgabe von Art. 8 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 zu initiieren. Dazu übermittelt sie nach Feststellung der Eröffnung des Anwendungsbereichs24 das in einem anderen Mitgliedstaat zuzustellende Schriftstück unter Beifügung eines Zustellungsersuchens (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 ff.) an eine Empfangsstelle (s. Rz. 18 ff.) in dem Mitgliedstaat, in dem die Zustellung bewirkt werden soll. Sie wendet sich dabei an die örtlich zuständige Empfangsstelle.25 Ein an eine unzuständige Empfangsstelle des Empfangsmitgliedstaats gerichtetes Ersuchen ist aber nicht unwirksam, sondern wird, was freilich zu Verzögerungen führt, im Empfangsmitgliedstaat von Amts wegen weitergeleitet (s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 46 ff.). Im Zusammenhang mit der Initiierung des Rechtshilfeverfahrens kann die Übermittlungsstelle auskunftsberechtigt im Rahmen einer nach Art. 7 Abs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020 eingerichteten Unterstützungsmaßnahme sein. Weiter obliegt ihr in dieser Phase, nach Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 Vorgaben zur Ausführung der Zustellung zu machen (s. Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 ff.).26 Noch zuvor hat sie nach Art. 9 EU-ZustVO 2020 den Antragsteller über das Annahmeverweigerungsrecht des Empfängers in Kenntnis zu setzen (s. Art. 9 EU-ZustVO 2020 Rz. 6 ff.).27 Nach der Initiierung des Rechtshilfeverfahrens ist sie zuständig für den Empfang und gegebenenfalls die weitere Bearbeitung der Eingangsbestätigung (Art. 10 Abs. 1 EU-ZustVO 2020), von Nachbesserungsaufforderungen (Art. 10 Abs. 2 EU-ZustVO 2020), Ausführungsablehnungen (Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO 2020), Mitteilungen über eine Verweisung im Empfangsmitgliedstaat (Art. 10 Abs. 4 EU-ZustVO 2020), Verzögerungsmitteilungen nach Art. 11 Abs. 2 S. 2 lit. a EU-ZustVO 2020 sowie Zustellungsbescheinigungen (Art. 14 EU-ZustVO 2020).28
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Die Aufgaben der Übermittlungsstelle sind nicht auf das Rechtshilfeverfahren beschränkt. Vielmehr ist sie auch zuständig für die Initiierung von diplomatischen oder konsularischen Direktzustellungen
20 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 55 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 3; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 2 EuZVO Rz. 2. 21 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 55 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 37 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Dau Si Senh u.a. 22 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 58 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272. 23 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 2 EuZVO Rz. 2. – A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 3. 24 GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 53 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. 25 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 3. 26 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 3. 27 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 3. 28 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 3.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EU-ZustVO 2020
(Art. 17 EU-ZustVO 2020), Direktzustellungen per Post (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff.)29 und die Initiierung von elektronischen Direktzustellungen (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 12). Allerdings kommt diese Aufgabe nicht exklusiv ihnen zu. Diplomatische und konsularische Direktzustellungen wurden bereits bislang üblicherweise nicht durch die Übermittlungsstellen, sondern durch die eine Zustellung anordnende Stelle initiiert.30 Anders als noch unter der EG-ZustVO 2007 besteht aber auch für Postdirektzustellungen (ebenso wie für die hieran angelehnte elektronische Direktzustellung) keine exklusive Zuständigkeit der Übermittlungsstelle mehr (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff., Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 12). Ohne Beteiligung einer Übermittlungsstelle erfolgt ohnehin die unmittelbare (Partei-)Zustellung, welche gerade davon gekennzeichnet ist, dass sich der Antragsteller ohne den Umweg über eine Übermittlungsstelle im Ursprungsmitgliedstaat unmittelbar an Zustellungsorgane im Empfangsmitgliedstaat wendet (s. Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 1, 9).31 Auch im Zusammenhang mit der Initiierung einer Direktzustellung kann die Übermittlungsstelle auskunftsberechtigt im Rahmen einer nach Art. 7 Abs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020 eingerichteten Unterstützungsmaßnahme sein. 2. Benennungspflicht Jeden Mitgliedstaat trifft die Pflicht, alle für sein Staatsgebiet zuständigen Übermittlungsstellen, d.h. – vorbehaltlich einer Konzentration nach Abs. 3 – alle32 diejenigen eingerichteten33 Stellen zu benennen, die nach Maßgabe des Rechts des Mitgliedstaats ein Zustellungsverfahren einleiten, d.h. Zustellungen ausführen oder dies beauftragen können und denen daher die Aufgaben einer Übermittlungsstelle und die dafür erforderlichen Kompetenzen obliegen sollen.34 Die Benennung erfolgt dadurch, dass der Mitgliedstaat die Aufgaben einer Übermittlungsstelle nach Maßgabe seines Rechts den betreffenden Stellen wirksam überträgt (s. auch Rz. 10).
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Als Übermittlungsstellen benannt werden können Amtspersonen, Behörden oder sonstige Personen. 9 Danach kann die Aufgabe der Übermittlungsstelle nicht nur Hoheitsträgern bzw. formal-organisatorisch der Exekutive oder Judikative angehörigen Stellen, sondern auch privaten Stellen übertragen und können diese entsprechend mit einer öffentlichen Aufgabe beliehen werden.35 Diese weite Fassung des Kreises möglicher Übermittlungsstellen gewährleistet, dass die Mitgliedstaaten alle Stellen benennen können, die auch innerstaatlich zustellungsberechtigt sind.36 Übermittlungsstellen können nicht nur dem Grunde nach, sondern jeweils auch unter Bestimmung eines begrenzten Zuständigkeitsbereichs benannt werden (s. aber Rz. 11). Dies ist dem die Vorschrift prägenden Leitgedanken der Dezentralisierung immanent. Ganz überwiegend sind die Mitgliedstaaten so verfahren (s. Rz. 14 ff.). Die Pflicht zur Benennung umfasst über die Aufgabenübertragung nach Maßgabe des nationalen 10 Rechts hinaus, eine erfolgte Aufgabenübertragung oder ihre Änderung gegenüber der Kommission namhaft zu machen. Die Mitgliedstaaten haben dementsprechend der Kommission mitzuteilen, welche Stelle(n) als Übermittlungsstelle bestimmt wurde(n). Diese Mitteilung hat nur informatorischen Charakter.37 Sie und ihre Veröffentlichung durch die Kommission (vgl. Art. 33 Abs. 4 EU-ZustVO 2020) sollen lediglich die Grundlage dafür schaffen, dass die Stellen des Empfangsmitgliedstaats sich vergewissern können, dass ein Rechtshilfeersuchen von einer berechtigten Stelle stammt. Die Mittei29 30 31 32 33 34 35 36 37
Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 3. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 2 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 3. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 2 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 3. Zurückhaltender Brenn, Art. 2 EZV Anm. b), dabei allerdings nicht ausreichend beachtend, dass sich mangels eines anderen geeigneten Mindestmaßes allein ausgehend vom hier benannten Maß das Vorliegen einer Konzentration feststellen lässt. Zu Einrichtung und Unterhaltungspflicht vgl. ABl. EG 1997 C 261/28. Vgl. ABl. EG 1997 C 261/28; KOM(1999) 219 endg. ABl. EG 1997 C 261/28; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 2 EuZVO Rz. 4. Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 1. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 2 EuZVO Rz. 7; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 5, 8. – A.A. zumindest verbal GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI:EU:C:2020:971 Rz. 102 – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o.
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Art. 3 EU-ZustVO 2020 Übermittlungs- und Empfangsstellen lung an die Kommission ersetzt dagegen nicht die Aufgabenübertragung nach nationalem Recht und die Wirksamkeit einer Aufgabenübertragung ist auch nicht von einer Mitteilung abhängig. 3. Folgen der Benennung a) Kompetenzzuweisung 11
Durch ihre nach dem Recht eines Mitgliedstaats erfolgende Benennung erlangt eine Stelle oder Person die Stellung als Übermittlungsstelle. Damit einher geht die Erlangung der Zuständigkeit und Befugnis, ein Rechtshilfeverfahren zur Zustellung eines Schriftstücks zu initiieren (Kompetenz).38 Der Verordnung selbst lässt sich dementsprechend nicht entnehmen, inwieweit nationale Stellen wie Notare nach der Verordnung zustellen können.39 Handelt anstelle einer kompetenten Übermittlungsstelle eine Stelle ohne entsprechende Kompetenz, können Ersuchen durch die Empfangsstelle zurückgewiesen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn die ersuchende Stelle insgesamt (dem Grunde nach) nicht kompetent ist.40 Verstöße gegen der innerstaatlichen Zuständigkeitsabgrenzung im Ursprungsmitgliedstaat dienende Begrenzungen der Kompetenz berechtigen Empfangsstellen nicht zur Ablehnung der Rechtshilfegewährung.41 Im Übrigen ist zu unterscheiden.42 Wird durch eine kompetente (Empfangs-)Stelle (s. Rz. 18 ff.) die Zustellung ausgeführt oder ihre Ausführung angeordnet, berührt ein ausschließlich die grenzüberschreitende Übermittlung sowie die Initiierung des Rechtshilfeverfahrens betreffender Kompetenzmangel43 nicht die Wirksamkeit der durch eine andere Stelle als Hoheitsakt vorgenommenen bzw. angeordneten Zustellung.44 Nur soweit die Kompetenz der im Empfangsmitgliedstaat zur Rechtshilfegewährung ein Zustellungsverfahren einleitenden Stelle von der Kompetenz der ersuchenden Stelle abhängig ausgestaltet ist, berührt der Mangel der Kompetenz der ersuchenden Stelle die Kompetenz der ein Zustellungsverfahren einleitenden Stelle. Die Verordnung sieht eine entsprechende Abhängigkeit nicht vor; das Recht des Empfangsmitgliedstaats kann sie unter Beachtung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung und des Effektivitätsgebots begründen. Ein Kompetenzmangel führt dagegen bereits nach der Verordnung zur Unwirksamkeit der Zustellung, wenn eine inkompetente Stelle des Ursprungsmitgliedstaats ihrerseits den Hoheitsakt in einem anderen Mitgliedstaat vornimmt (Postdirektzustellung und elektronische Direktzustellung).45 Für diplomatische und konsularische Direktzustellungen richtet sich nach dem anwendbaren Recht des Ursprungsmitgliedstaats, inwieweit ein Kompetenzmangel einer als Übermittlungsstelle mitwirkenden Stelle auf die Wirksamkeit der Zustellung durchschlägt. Ist eine Zustellung infolge eines Kompetenzmangels unwirksam, kann dies z.B. nach Maßgabe von Art. 22 Abs. 1, 2 EU-ZustVO 2020 den Erlass einer Entscheidung gegen den Beklagten im Falle seiner Nichteinlassung hindern.46 Eine Wiedereinsetzung nach Art. 22 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 wird durch die Unwirksamkeit allein nicht begründet. Letztere rechtfertigt auch nicht (mehr) notwendig die Versagung von Anerkennung und Vollstreckung einer trotz Nichteinlassung gegen den Beklagten ergangenen Entscheidung, weil Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO insoweit nicht (mehr) an die Wirksamkeit der Zustellung, sondern an eine Beein-
38 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 2. 39 GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI:EU:C:2020:971 Rz. 88 ff. – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 5. 40 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 27. 41 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 27. 42 A.A. (ohne die nachstehende Unterscheidung von Unwirksamkeit der Zustellung ausgehend) Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 2. 43 Von der Kompetenz als Übermittlungsstelle ist die Kompetenz, eine Zustellung anzuordnen, zu unterscheiden; die Folgen der Anordnung einer Zustellung durch eine nicht ausreichend kompetente Stelle richten sich nach dem eine Zustellungslast begründenden und ausgestaltenden Recht (insbesondere der auf ein Gerichtsverfahren, in dem die Zustellung erfolgt, anwendbaren lex fori). 44 Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 7: Wirksamkeit einer Zustellung, wenn erst nachträglich erkannt wird, dass diese in Anwendung der Verordnung, aber außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung durchgeführt wurde. 45 Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 3. 46 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 2.
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Art. 3 EU-ZustVO 2020
trächtigung der Verteidigungsrechte anknüpft.47 Weitere Folge der Benennung als Übermittlungsstelle ist die damit (nach Ablauf einer Übergangfrist, s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) verbundene Befugnis und Pflicht, im Rahmen des Rechtshilfeverkehrs im Grundsatz über das dezentrale IT-System zu kommunizieren. Weder die Benennungspflicht noch die mit einer Benennung als Übermittlungsstelle verbundene Kom- 12 petenzzuweisung schließt ein verwaltungsmäßiges Prüfungsverfahren für ausgehende Ersuchen, wie es § 9 ZRHO im Ausgangspunkt (vgl. aber § 28 S. 3 ZRHO) auch im Anwendungsbereich der Verordnung vorsieht, aus.48 Dies folgt allerdings entgegen h.A. nicht daraus, dass die Mitgliedstaaten große Freiheit bei der Benennung von Übermittlungsstellen genießen und nach Abs. 3 zur Konzentration berechtigt sind. Vielmehr ist insoweit zunächst entscheidend, dass Benennungspflicht und Kompetenzzuweisung lediglich das Außenverhältnis betreffen, dagegen das Prüfungsverfahren ein Verwaltungsinternum betrifft.49 Hinzu kommt, dass die Verordnung auch die Initiierung des Rechtshilfeverfahrens nur hinsichtlich des Außenverhältnisses, nicht aber auch hinsichtlich des Innenverhältnisses50 autonom regelt. Unter Beachtung des Effektivitätsgrundsatzes und des Gebots der Nichtdiskriminierung können die Mitgliedstaaten das Innenverhältnis frei gestalten. Sie können daher auch ein Prüfstellenverfahren einrichten, wenn dieses nicht im Widerspruch zum effet utile die Initiierung der Rechtshilfe verzögert,51 sondern sicherstellt, dass Zustellungsaufträge im Regelfall durch den Empfangsmitgliedstaat nicht zurückgewiesen werden.52 Da sich das Prüfstellenverfahren nur auf das Innenverhältnis bezieht, berührt seine (Nicht-)Wahrung nicht die Vereinbarkeit eines Zustellungsersuchens mit der Verordnung. b) Bindung und Änderung Eine erfolgte Benennung ist zeitlich unbefristet gültig, soweit sie keine nach Maßgabe von Abs. 3 S. 3 nur befristet wirksame Konzentration enthält (missverständlich Erwägungsgrund 9 S. 2 EU-ZustVO 2020).53 Sie kann allerdings geändert werden. Zwar ist dies anders als für die Konzentration nach Abs. 3 S. 3 nicht ausdrücklich angeordnet. Allerdings zielt die Vorschrift auch nicht darauf, die Mitgliedstaaten (faktisch) in ihrer innerstaatlichen Organisationshoheit zu beschränken. Hierzu käme es aber, wenn eine erfolgte Benennung nicht geändert werden könnte und mit Rücksicht auf sie die Mitgliedstaaten dann auch die Zuständigkeit für das Veranlassen von Zustellungen nicht ändern, z.B. auch keine neuen Gerichte einrichten könnten. Die Änderung ist ohne Rücksicht auf die Frist des Abs. 3 S. 3 möglich (missverständlich Erwägungsgrund 9 S. 2, 3 EU-ZustVO 2020).54 Dies gilt auch für eine darin liegende Änderung, nachträglich eine Konzentration einzuführen (s. Rz. 31). Eine Änderung erfolgt in gleicher Weise wie die Benennung bzw. durch einen actus contrarius zur Benennung. Der Mitgliedstaat muss nach Maßgabe seines Rechts die Aufgabe als Übermittlungsstelle einer Stelle wirksam übertragen bzw. entziehen (zur Änderungsmitteilung s. Rz. 10).
47 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 2. Vgl. EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C: 2016:524 Rz. 38 – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 67 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 2 – Emmanuel Lebek. 48 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 19; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 5. 49 Vgl. auch Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 5: zeitlich der Übermittlung vorgelagert. 50 Zur Unterscheidung von Innen- und Außenverhältnis vgl. in anderem Zusammenhang Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 2 EuZVO Rz. 7. Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 3: „Arbeitsabläufe“. 51 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 3; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 4 EuZVO Rz. 1: zum einstweiligen Rechtsschutz. 52 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 4 EG-ZustVO 2007 Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, § 1069 ZPO Rz. 13; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 5. 53 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 2 EuZVO Rz. 1; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 3 EuZVO 2022 Rz. 17; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 7. – A.A. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EG-ZustVO 2007 Rz. 6. 54 A.A. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EG-ZustVO 2007 Rz. 6.
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Art. 3 EU-ZustVO 2020 Übermittlungs- und Empfangsstellen 4. Benennungen der Mitgliedstaaten a) Deutschland 14
Die Benennung der deutschen Übermittlungsstellen im Sinne der Vorschrift erfolgt in § 1069 Abs. 1 ZPO. Sie unterscheidet zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken. Für gerichtliche Schriftstücke ist Übermittlungsstelle das die Zustellung betreibende Gericht.55 Je nach im Inland eröffnetem Rechtsweg kann dies auch ein Gericht der Arbeits-, Finanz-, Sozial- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit sein, soweit es in Zivil- und Handelssachen tätig wird;56 § 1069 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist gegebenenfalls über § 13a ArbGG oder analog anzuwenden. Dagegen ist Übermittlungsstelle für außergerichtliche Schriftstücke – unabhängig von einer nationalen Rechtswegzuordnung57 – dasjenige AG, in dessen Bezirk die Person, welche die Zustellung betreibt, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat; bei juristischen Personen tritt an die Stelle des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts der Sitz. Bei notariellen Urkunden ist wahlweise als Übermittlungsstelle berufen auch dasjenige AG, in dessen Bezirk der beurkundende Notar seinen Amtssitz hat.58 Entgegen verbreiteter Annahme59 ist für Antragsteller ohne (Wohn-)Sitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet in der Folge aber nicht von der Unzuständigkeit aller Übermittlungsstellen für die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke (sind diese keine notariellen Urkunden) auszugehen. Vielmehr können solche Antragsteller unter allen deutschen Übermittlungsstellen wählen.60 Nur dies vermeidet (z.B. für Zustellungen durch Niederlassungen) eine verordnungswidrige Verweigerung der Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke. Die Landesregierungen können die Aufgaben der Übermittlungsstelle einem AG für die Bezirke mehrerer AG durch Rechtsverordnung zuweisen; nach § 1069 Abs. 5 ZPO können sie diese Konzentrationsbefugnis auf eine oberste Landesbehörde delegieren.61
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Die in § 1069 ZPO erfolgte Benennung von Übermittlungsstellen ist (auch jenseits der Sitzanknüpfung) missglückt, weil sie zusätzlich zur Unterscheidung zwischen gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken ausweislich der Bezugnahme auf das Betreiben der Zustellung zugleich zwischen Amts- und Parteizustellungen unterscheidet, obwohl kein Gleichlauf dergestalt besteht, dass gerichtliche Schriftstücke von Amts wegen und außergerichtliche Schriftstücke im Parteiweg zugestellt werden. Wörtlich verstanden, bestimmt § 1069 Abs. 1 ZPO für die Parteizustellung gerichtlicher Schriftstücke keine Übermittlungsstelle. Zu vermeiden ist diese Lücke dadurch, dass die Bezugnahme auf das die Zustellung betreibende Gericht ausgelegt wird als Bezugnahme auf das ein gerichtliches Verfahren betreibende Gericht.62 Eine entsprechende Differenzierung findet sich auch in anderen Mitgliedstaaten (s. Rz. 17).
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Die Anordnung einer grenzüberschreitenden Zustellung ebenso wie die zu dieser zu treffenden Festlegungen liegt bei gerichtlichen Schriftstücken funktional bei derjenigen Stelle, welche auch eine innerstaatliche Zustellung anordnen würde.63 Die Umsetzung einer solchen Anordnung liegt entsprechend § 168 ZPO bei der Geschäftsstelle.64 b) Sonstige Mitgliedstaaten
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Ausweislich der veröffentlichten Meldungen der Mitgliedstaaten (s. Rz. 10; Stand: 1.5.2023) haben die anderen Mitgliedstaaten Übermittlungsstellen wie nachfolgend angegeben benannt. Eine Durch-
55 OLG Dresden v. 6.11.2018 – 4 W 883/18, BeckRS 2018, 30320 Rz. 5; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13. 56 BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 3 EuZVO 2022 Rz. 9. 57 Vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 2 EuZVO Rz. 3. 58 Fischer, NotBZ 2015, 130, 133; DNotI-Report 2007, 121, 124. 59 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 14; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1069 ZPO Rz. 8. 60 Vgl. BT-Drucks. 14/5910, 8: Nähe rechtfertigt Beschränkung auf bestimmte Stelle. 61 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 14. 62 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13. Vgl. bereits BT-Drucks. 14/5910, 8. 63 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), § 1069 ZPO Rz. 2. 64 Nordmeier, IPRax 2017, 436, 438.
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Art. 3 EU-ZustVO 2020
sicht der Mitteilungen zeigt, dass die im deutschen Recht vorzufindende Unterscheidung nach der Art des zuzustellenden Schriftstücks auch in anderen Rechtsordnungen gewählt wurde. Belgien Gerichtsvollzieher (huissiers de justice); die Geschäftsstelle des befassten Gerichts in Fällen, in denen die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke durch Gerichte vorgesehen ist
Bulgarien mit der Rechtssache befasstes Gericht für (gerichtliche) Schriftstücke und Ladungen; Bezirksgericht am Aufenthalts- oder ständigen Wohnort oder Gesellschaftssitz der natürlichen oder juristischen Person, die um Zustellung ersucht, für außergerichtliche Schriftstücke; Bezirksgericht, in dessen Bezirk der Notar tätig ist, für notarielle bzw. notariell beglaubigte Schriftstücke
Dänemark Gerichte
Estland mit der Rechtssache befasstes LG, Bezirksgericht oder Oberster Gerichtshof für gerichtliche Schriftstücke; Justizministerium für außergerichtliche Schriftstücke
Finnland AG (käräjäoikeudet), Handelsgerichte (markkinaoikeus), Berufungsgerichte (hovioikeudet), Oberster Gerichtshof (korkein oikeus); die nationale Zwangsvollstreckungsbehörde (ulosottolaitos); Justizministerium (oikeusministeriö)
Frankreich Justizkommissare (commissaires de justice, neue Bezeichnung der huissiers de justice); Gerichtskanzleien
Griechenland Staatsanwaltschaften des Obersten Gerichts, der Berufungsgerichte und der ersten Instanz
Irland Court Office, Castlebar, Grafschaft Mayo
Italien Zustellungs-, Vollstreckungs- und Mahnstellen (Uffici Notifiche Esecuzione Protesti, UNEP) der Berufungsgerichte (corti d’appello) und der Gerichte, bei denen der Rechtsstreit, für den eine Zustellung beantragt wird, anhängig ist
Kroatien mit der Rechtssache befasstes Gericht für gerichtliche Schriftstücke; AG am Aufenthalts- oder ständigen Wohnort oder Gesellschaftssitz der natürlichen oder juristischen Person, die um Zustellung ersucht, für außergerichtliche Schriftstücke; das für den Amtssitz eines Notars zuständige Gericht für notariell ausgestellte oder beglaubigte Schriftstücke
Lettland Stadt- und Bezirksgerichte (rajonu (pilse¯tu) tiesas); Regionalgerichte (apgabaltiesas); Oberster Gerichtshof (Augsta¯ka¯ tiesa)
Litauen in Zivil- und Handelssachen zuständiges Gericht
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Art. 3 EU-ZustVO 2020 Übermittlungs- und Empfangsstellen Luxemburg Gerichtsvollzieher („huissier de justice“); Geschäftsstelle der Gerichte („greffier“)
Malta Büro der Generalstaatsanwaltschaft Valetta (Uffic˙c˙ju tal-Avukat tal-Istat)
Niederlande Gerichtsvollzieher
Österreich Bezirksgerichte; befasstes Gericht für gerichtliche Schriftstücke
Polen befasstes Gericht (sa˛d rejonowy, sa˛d okre˛gowy, sa˛d apelacyjny, Sa˛d Najwyz˙szy)
Portugal Bezirksgerichte (tribunais judiciais de comarca), Registerführer (conservadores), Notare (notários), Gerichtsvollzieher (agentes de execução) und Gerichtsagenten (mandatários judiciais)
Rumänien Gerichte für gerichtliche Schriftstücke: Bezirksgerichte (Judeca˘toriile), Kreisgerichte (Tribunalele), Appellationsgerichte (Curt¸ile de Apel) und Oberster Gerichtshof (Înalta Curte de Casat¸ie s¸i Justit¸ie); Bezirksgerichte, in deren Zuständigkeitsbereich Notare und Gerichtsvollzieher ihren Sitz haben, für außergerichtliche Schriftstücke (sollte die in der Meldung enthaltene Bezugnahme auf Notare und Gerichtsvollzieher diese als Aussteller oder Zustellungsveranlasser voraussetzen, berücksichtigte dies nicht die Auslegung des Begriffs des außergerichtlichen Schriftstücks durch Erwägungsgrund 8 EU-ZustVO 2020)
Schweden Gerichte, Gerichtsvollzieher und andere Amtspersonen, die zivil- oder handelsrechtliche Schriftstücke zustellen
Slowakei Gerichte und Notare (in Erbschaftsverfahren und in Verfahren zur Wiederherstellung eines verlorenen oder zerstörten Rechtsdokuments, z.B. einer Eigentumsurkunde [konanie o umorení listiny])
Slowenien Amtsgerichte (okrajna sodisˇcˇa), Landgerichte (okrozˇna sodisˇcˇa), Arbeits- und Sozialgerichte (delovno in socialno sodisˇcˇe), Verwaltungsgerichte (upravno sodisˇcˇe), Obergerichte (visˇja sodisˇcˇa), Oberster Gerichtshof (Vrhovno sodisˇcˇe), Verfassungsgericht (Ustavno sodisˇcˇe), Staatsanwaltschaft (Drzˇavno odvetnisˇtvo)
Spanien Gerichtskanzleien (Letrados de la Administración de Justicia)
Tschechische Republik Gerichte
Ungarn Gericht, in dessen Verfahren das zuzustellende Schriftstück aufgesetzt wurde; Notar, vor dem das Schriftstück aufgesetzt bzw. von dem es beglaubigt wurde; Justizministerium für sonstige außergerichtliche Schriftstücke
Zypern Ministry of Justice and Public Order (Ministerium der Justiz und der öffentlichen Ordnung)
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EU-ZustVO 2020
III. Empfangsstellen (Abs. 2) 1. Aufgaben Den Empfangsstellen obliegt und sie kennzeichnet die Aufgabe, aus einem anderen Mitgliedstaat 18 zum Zweck der Zustellung übermittelte Schriftstücke entgegenzunehmen und zu verarbeiten. Sie sind mithin im Anwendungsbereich der Verordnung zuständig dafür, zu im Ursprungsmitgliedstaat erforderlich werdenden grenzüberschreitenden Zustellungen aus dem Ursprungsmitgliedstaat exportierte Schriftstück in den Empfangsmitgliedstaat zu importieren und Zustellungshilfe zu gewähren.65 Anknüpfend an die Übertragung der eine Empfangsstelle konstituierenden Aufgabe weist die Verordnung der Empfangsstelle weitere Aufgaben zu. Diese betreffen ausschließlich das auf die Rechtshilfegewährung gerichtete Rechtsverhältnis. Dagegen betreffen sie nicht das Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen eine Zustellung erfolgt oder welches durch die Zustellung begründet wird; insbesondere obliegt den Empfangsstellen insoweit nicht, inhaltliche Entscheidungen (z.B. betreffend die Rechtmäßigkeit einer Zustellung oder einer Annahmeverweigerung) zu treffen66 oder die Zweckmäßigkeit oder Erheblichkeit der Gründe für eine Zustellung zu hinterfragen.67 Im Rahmen des Rechtshilfeverkehrs sind die Empfangsstellen Ansprechpartner im Empfangsmit- 19 gliedstaat für die Übermittlungsstellen des Ursprungsmitgliedstaats. Ihnen obliegen in diesem Rahmen mit den Aufgaben der Übermittlungsstelle korrespondierende Aufgaben.68 Im Einzelnen haben sie an sie übermittelte Zustellungsersuchen entgegenzunehmen, was insbesondere eine regelmäßige Einsicht in alle vorgehaltenen Empfangseinrichtungen umfasst, und den Empfang zu bestätigen (s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 ff.). Empfangene Zustellungsersuchen sind auf ihre Ausführbarkeit zu prüfen69 und im Falle der Nichtausführbarkeit zurückzuweisen (s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 31 ff.), gegebenenfalls ist vorrangig zur Nachbesserung aufzufordern (s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 21 ff.) oder ist ein Ersuchen an die zuständige Empfangsstelle zu verweisen (s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 46 ff.), auf ein ausführbares Zustellungsersuchen ist Rechtshilfe zu gewähren und nach Art. 11 EU-ZustVO 2020 die Zustellung (in der erbetenen Form) entweder selbst auszuführen oder ihre Ausführung ist zu beauftragen (s. Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 ff.).70 In diesem Rahmen ist der Zustellungsadressat nach Maßgabe von Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 zu belehren (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 62 ff.).71 Der Übermittlungsstelle ist über eine Verzögerung bzw. das Ergebnis einer Zustellung Mitteilung zu machen (s. Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff., Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 ff.).72 Als solche sind die Empfangsstellen nur am Rechtshilfeverkehr beteiligt. Im Rahmen der Übermittlungs- und Zustellungswege nach Kapitel II, Abschnitt 2 obliegen ihnen als solchen Aufgaben daher ausschließlich bei Nutzung des diplomatischen und konsularischen Übermittlungswegs nach Art. 16 EU-ZustVO 2020. Dagegen obliegen ihnen als solchen keinerlei Aufgaben im Rahmen der Direktzustellung (Art. 17–19 EU-ZustVO 2020) oder der unmittelbaren Zustellung (Art. 20 EU-ZustVO 2020);73 unberührt bleibt, dass eine als Empfangsstelle benannte Stelle ohne Rücksicht hierauf zu65 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 54 f. – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 36 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Dau Si Senh u.a.; OGH v. 29.9.2016 – 2Ob158/16y zu 2.5 der Gründe; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 4; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 2 EuZVO Rz. 5. 66 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 55 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 37, 40 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Dau Si Senh u.a.; OGH v. 29.9.2016 – 2Ob158/16y zu 2.5 der Gründe; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 6 EuZVO Rz. 6, Art. 7 EuZVO Rz. 5 f. 67 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 58 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. 68 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 4. 69 Vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 53 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. 70 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 54 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 36 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Dau Si Senh u.a. 71 EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 36 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Dau Si Senh u.a. 72 Vgl. EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 36 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Dau Si Senh u.a. 73 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 2 EuZVO Rz. 9.
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Art. 3 EU-ZustVO 2020 Übermittlungs- und Empfangsstellen gleich eine Stelle des Empfangsmitgliedstaats ist, welche nach Art. 20 EU-ZustVO 2020 angegangen werden kann. 2. Benennungspflicht 21
Jeden Mitgliedstaat trifft die Pflicht, alle für sein Staatsgebiet zuständigen Empfangsstellen, d.h. – vorbehaltlich einer Konzentration nach Abs. 3 – alle74 diejenigen eingerichteten75 Stellen zu benennen, die nach Maßgabe des Rechts des Mitgliedstaats ein Zustellungsverfahren einleiten, d.h. Zustellungen ausführen oder dies beauftragen können und denen daher die Aufgaben einer Empfangsstelle obliegen sollen. Die Benennung erfolgt dadurch, dass der Mitgliedstaat die Aufgaben nach Maßgabe seines Rechts den betreffenden Stellen wirksam überträgt, wodurch diese zur Empfangsstelle werden; ergänzend besteht analog zur Benennung der Übermittlungsstellen eine Pflicht zur (nicht konstitutiven, sondern lediglich der Information dienenden) Namhaftmachung gegenüber der Kommission (s. Rz. 10, 32 ff.).
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Als Empfangsstelle benannt werden können Amtspersonen, Behörden oder sonstige Personen. Danach kann die Aufgabe der Empfangsstelle nicht nur Hoheitsträgern bzw. formal-organisatorisch der Judikative oder Exekutive angehörigen Stellen, sondern auch privaten Stellen übertragen und diese entsprechend mit einer öffentlichen Aufgabe beliehen werden.76 Diese weite Fassung des Kreises möglicher Empfangsstellen gewährleistet, dass die Mitgliedstaaten alle Stellen benennen können, die auch innerstaatlich Zustellungen anordnen oder ausführen. Empfangsstellen können nicht nur dem Grunde nach, sondern jeweils auch unter Bestimmung eines begrenzten Zuständigkeitsbereichs benannt werden. Dies ist dem die Norm prägenden Leitgedanken der Dezentralisierung immanent und lässt sich aus der in Art. 10 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 bei örtlicher Unzuständigkeit vorgesehenen Verweisungsmöglichkeit rückschließen. 3. Folgen der Benennung
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Durch ihre Benennung erlangt eine Stelle oder Person die Stellung als Empfangsstelle. Damit einher geht die Erlangung der Zuständigkeit und Kompetenz, Rechtshilfe zur Zustellung eines Schriftstücks zu gewähren und im Empfangsmitgliedstaat eine Zustellung zu bewirken oder dies durch Beauftragung anderer Stellen zu veranlassen. Wird im Anwendungsbereich der Verordnung Rechtshilfe zur grenzüberschreitenden Zustellung durch eine mangels Benennung als Empfangsstelle nicht kompetente Stelle gewährt, ist die Zustellung nach Maßgabe des Rechts des Empfangsmitgliedstaats fehlerhaft.77 Vorbehaltlich einer Heilung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats führt ein Kompetenzmangel zur Unwirksamkeit einer ausgeführten Zustellung. Dies gilt aber nicht, wenn der die Zustellung ausführenden bzw. veranlassenden Stelle nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats ohnehin und unabhängig von einem rechtmäßigen Rechtshilfeverfahren eine hinreichende Kompetenz für innerstaatliche Zustellungen zukommt.78 Hiergegen ließe sich zwar anführen, dass die im Rahmen der Neufassung der Verordnung bewusst beibehaltene Beschränkung des Art. 20 EU-ZustVO 2020 leer zu laufen drohte, wenn „Rechtshilfe“ unter Umgehung der Empfangsstellen aufgrund direkter Ansprache gewährt wird. Allerdings dient die Benennung von Empfangsstellen lediglich dem reibungslosen Funktionieren des Rechtshilfeverkehrs und sind Hintergrund für die Beibehaltung des beschränkten Anwendungsbereichs von Art. 20 EU-ZustVO 2020 Souveränitätserwägungen der Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaat. Dagegen dient die Einbindung von Empfangsstellen nicht dem Schutz des Zustellungsadressaten, weshalb die Verordnung keine Vorgaben zur Wirksamkeit au74 Zurückhaltender Brenn, Art. 2 EZV Anm. b) und c), dabei allerdings nicht ausreichend beachtend, dass sich mangels eines anderen geeigneten Mindestmaßes allein ausgehend vom hier benannten Maß das Vorliegen einer Konzentration feststellen lässt. 75 Zu Einrichtung und Unterhaltungspflicht vgl. ABl. EG 1997 C 261/28. 76 ABl. EG 1997 C 261/28; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 2 EuZVO Rz. 6. 77 Vgl. Cour d’appel Paris v. 26.1.2007 – 06/09408. 78 Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 7: Wirksamkeit einer Zustellung, wenn erst nachträglich erkannt wird, dass diese in Anwendung der Verordnung, aber außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung durchgeführt wurde.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EU-ZustVO 2020
ßerhalb eines rechtmäßigen Rechtshilfeverfahrens bewirkter Zustellungen macht. Erweist sich eine Zustellung nach vorstehendem Maßstab infolge eines Kompetenzmangels als unwirksam, kann dies im Erkenntnisverfahren nach Maßgabe von Art. 22 Abs. 1, 2 EU-ZustVO 2020 den Erlass einer Entscheidung gegen den Beklagten im Falle seiner Nichteinlassung hindern. Eine Wiedereinsetzung nach Art. 22 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 wird durch die Unwirksamkeit allein nicht begründet. Letztere rechtfertigt auch nicht (mehr) notwendig die Versagung von Anerkennung und Vollstreckung einer trotz Nichteinlassung gegen den Beklagten ergangenen Entscheidung, weil Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel IaVO insoweit nicht mehr an die Wirksamkeit der Zustellung, sondern an eine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte anknüpft.79 Weitere Folge der Benennung als Empfangsstelle ist (nach Ablauf einer Übergangfrist, s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) die Befugnis und Pflicht, im Rahmen des Rechtshilfeverkehrs im Grundsatz über das dezentrale IT-System zu kommunizieren. Weder die Benennungspflicht noch die mit einer Benennung als Empfangsstelle verbundene Kompe- 24 tenzzuweisung schließt ein verwaltungsmäßiges Prüfungsverfahren eingehender Ersuchen aus.80 Dies folgt daraus, dass die Verordnung über die generelle Verpflichtung zur Gewährung von Rechtshilfe bei der Zustellung hinaus allein das Verfahren zwischen Empfangs- und Übermittlungsstellen regelt, nicht dagegen Vorgaben zum im Empfangsmitgliedstaat zur Erfüllung der Verpflichtung zur Rechtshilfe zu beachtenden Verfahren macht. Unter Beachtung des Effektivitätsgrundsatzes und des Gebots der Nichtdiskriminierung können die Mitgliedstaaten dieses Verfahren frei gestalten. Sie können daher auch ein Prüfstellenverfahren einrichten, wenn dieses nicht im Widerspruch zum effet utile die Gewährung der Zivilrechtshilfe verzögert, sondern sicherstellt, dass Zustellungsaufträge zuverlässig und zeitgerecht ausgeführt werden und nicht unberechtigt zurückgewiesen werden. Aufgrund der im Rahmen der Verordnung nur eng begrenzten Gründe zur Verweigerung der Rechtshilfe und ihrer leichten Feststellbarkeit, ist die mit einem gesonderten Prüfungsverfahren verbundene Beeinträchtigung des effet utile regelmäßig nicht zu rechtfertigen. Folgerichtig schließt § 84 Abs. 4 S. 2 ZRHO ein Prüfungsverfahren durch eine weitere Stelle aus.81 Für die Bindung an und die Änderung einer Benennung als Empfangsstelle gelten die Ausführungen zur Änderung der Benennung als Übermittlungsstelle entsprechend (s. Rz. 13).
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4. Benennungen der Mitgliedstaaten a) Deutschland Die Benennung der deutschen Empfangsstellen im Sinne der Vorschrift erfolgt in § 1069 Abs. 2 ZPO. 26 Ohne Rücksicht auf die handelnde Übermittlungsstelle oder die Art des zuzustellenden Schriftstücks ist als Empfangsstelle die Geschäftsstelle desjenigen AG zuständig, in dessen Bezirk das Schriftstück ausgehend von der benannten Anschrift des Zustellungsadressaten zugestellt werden soll.82 Die Landesregierungen können die Aufgaben der Empfangsstelle unter Beachtung der sich aus Abs. 3 ergebenden Grenzen der Konzentrationsbefugnis (s. Rz. 28 ff.) einem AG für die Bezirke mehrerer AG durch Rechtsverordnung zuweisen (vgl. § 1 Nr. 7 VO über die Zuständigkeit der AG in Zivil- und Handelssachen sowie für die Erledigung inländischer Rechtshilfeersuchen v. 1.9.1987 [Hamburg: AG Hamburg]; § 3 VO über Zuständigkeiten im Rechtshilfeverkehr zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften [NRW: AG Duisburg, AG Essen, AG Herne, AG Mönchengladbach]);83 diese Befugnis kann, dies wird durch Abs. 3 nicht ausgeschlossen, nach Maßgabe von § 1069 Abs. 5 ZPO delegiert werden.84 Funktional ist nach § 29 Nr. 1 RPflG bei der Empfangsstelle der Rechtspfleger zuständig.
79 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 2. Vgl. EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C: 2016:524 Rz. 38 – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 67 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 2 – Emmanuel Lebek. 80 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 2 EuZVO Rz. 10. 81 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 22. 82 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 15. 83 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 15 f. 84 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 17.
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Art. 3 EU-ZustVO 2020 Übermittlungs- und Empfangsstellen b) Sonstige Mitgliedstaaten 27
Ausweislich der veröffentlichten Meldungen der Mitgliedstaaten (s. Rz. 21, 32 ff.) haben die anderen Mitgliedstaaten (Stand: 1.5.2023) Empfangsstellen wie nachfolgend angegeben benannt. Auf die örtliche Zuständigkeit wird im Rahmen der nachstehenden Auflistung nicht näher eingegangen. Das Europäische Justizportal hält ein Tool vor, welches das Auffinden der örtlich zuständigen Empfangsstelle auf der Grundlage der Mitteilungen der Mitgliedstaaten unterstützt. Davon abgesehen ist zu erwarten, dass die Referenzimplementierungssoftware, welche nach Ablauf der Übergangsfrist voraussichtlich von den meisten Mitgliedstaaten genutzt werden wird, das Auffinden der zuständigen Empfangsstelle ebenfalls durch entsprechende Gestaltung unterstützen wird. Belgien Gerichtsvollzieher
Bulgarien Bezirksgericht
Dänemark Justizministerium
Estland Bezirksgericht
Finnland Amtsgericht
Frankreich Justizkommissare (commissaires de justice, neue Bezeichnung der huissiers de justice)
Griechenland Staatsanwaltschaft des Gerichts erster Instanz
Irland Court Office, Castlebar, Grafschaft Mayo
Italien Zustellungs-, Vollstreckungs- und Mahnstelle (Uffici Notifiche Esecuzione Protesti, UNEP) beim Berufungsgericht Rom
Kroatien Amtsgericht
Lettland Rat der vereidigten Gerichtsvollzieher (Zve¯rina¯tu tiesu izpildı¯ta¯ju padome).
Litauen Gerichtsvollzieherkammer
Luxemburg Gerichtsvollzieher (huissier de justice)
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EU-ZustVO 2020
Malta Büro der Generalstaatsanwaltschaft Valetta (Uffic˙c˙ju tal-Avukat tal-Istat)
Niederlande Gerichtsvollzieher
Österreich Bezirksgericht
Polen Kreisgericht
Portugal Gerichte (allgemeine Kammer oder gegebenenfalls lokale Zivilkammer des Amtsgerichts); Gerichtsvollzieher
Rumänien Amtsgericht
Schweden Kreisverwaltung der Provinz Stockholm
Slowakei Bezirksgericht
Slowenien Bezirksgericht
Spanien gemeinsame Zustellungsstelle, hilfsweise Gericht erster Instanz
Tschechische Republik Bezirksgericht (für Prag: obvodní soudy; für Brünn: Meˇstsky´ soud)
Ungarn Amtsgericht (für Budapest: Zentrales Bezirksgericht Pest); Ungarische Gerichtsvollzieherkammer
Zypern Ministry of Justice and Public Order (Ministerium der Justiz und der öffentlichen Ordnung)
IV. Konzentrationsbefugnis (Abs. 3) 1. Inhalt (S. 1, 2) Den Mitgliedstaaten wird in Abs. 3 die Befugnis eingeräumt, von dem die Vorschrift leitenden Prin- 28 zip der Dezentralisierung abzuweichen. Entgegen dem in der deutschen Sprachfassung insoweit missverständlichen Wortlaut begründet Abs. 3 mithin nicht die Befugnis zur Dezentralisierung, sondern umgekehrt gerade eine solche zur Konzentration.85 Seinem Wortlaut nach bindet Abs. 3 die 85 ABl. EG 1997 C 261/28 f.; KOM(1999) 219 endg.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 2 EuZVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EG-ZustVO 2007 Rz. 4; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU)
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Art. 3 EU-ZustVO 2020 Übermittlungs- und Empfangsstellen Befugnisausübung nicht an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen. Gleichwohl geht sie davon aus, dass die Mitgliedstaaten von der Befugnis nur Gebrauch machen, soweit dies im Hinblick auf die Ziele der Verordnung sachgerecht ist. Zugleich lässt sie den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beurteilung der Sachgerechtigkeit einen sehr weiten und nur durch den Grundsatz des effet utile begrenzten Beurteilungsspielraum.86 29
Die Mitgliedstaaten87 (entsprechend ihrer nationalen Ordnung und Tradition auch durch Untergliederungen, vgl. z.B. § 1069 Abs. 2 S. 2 ZPO) können nach Abs. 3 S. 1 unter Abweichung von Abs. 1, 2 die Aufgaben von Übermittlungs- und Empfangsstelle derselben Stelle oder denselben Stellen oder auch auf getrennte Stellen übertragen. Weiter steht es den Mitgliedstaaten frei, die Aufgaben einer Übermittlungs- und/oder Empfangsstelle bei einer oder mehreren Stellen (teilweise) zu konzentrieren, d.h. z.B. eine Empfangsstelle mit einer das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats umfassenden Zuständigkeit zu schaffen und nicht alle nach nationalem Recht Zustellungen ausführende Stellen (z.B. alle Gerichtsvollzieher) als Empfangsstellen zu benennen. Dies gilt ausweislich der Klarstellung in Abs. 3 S. 2 insbesondere für bundesstaatlich organisierte Mitgliedstaaten, Mitgliedstaaten mit mehreren Rechtssystemen und Mitgliedstaaten mit autonomen Gebietskörperschaften; Sinn und Zweck der Vorschrift gebietet anders als im Rahmen von Art. 4 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 6) nicht, die Konzentrationsbefugnis dahin zu beschränken, dass in den von Abs. 3 S. 2 benannten Fällen jeweils die Konzentration nur bei einer Stelle je Bundesland, Rechtssystem oder autonomer Gebietskörperschaft erfolgen darf. 2. Verlängerung/Änderung
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Ist im Rahmen der Benennung eine Konzentration erfolgt, ist diese nur zeitlich befristet wirksam.88 Nach Ablauf von fünf Jahren seit ihrem Wirksamwerden endet die Gültigkeit einer eine Konzentration enthaltenden Benennung (z.B. auch einer Konzentration nach § 1069 Abs. 2 S. 2 ZPO). Dadurch lebt, soweit keine Auffangregelung greift (z.B. § 1069 Abs. 2 S. 1 ZPO), die Verpflichtung des betreffenden Mitgliedstaats aus Abs. 1, 2 wieder auf und es sind dann die Übermittlungs- bzw. Empfangsstellen zu benennen. Dabei kann erneut, wiederum befristet auf die Dauer von fünf Jahren, eine Konzentration erfolgen (Erwägungsgrund 9 S. 3 EU-ZustVO 2020).89 Die Mitgliedstaaten werden durch diese Befristung angehalten, Abweichungen vom Grundsatz der Dezentralisierung regelmäßig zu überprüfen.90
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Auch eine eine Konzentration enthaltende Benennung kann entgegen h.A.91 unbeschadet Abs. 3 S. 3 geändert werden. Zwar ist dies nicht ausdrücklich angeordnet. Allerdings zielt die Vorschrift auch nicht darauf, die Mitgliedstaaten (faktisch) in ihrer innerstaatlichen Organisationshoheit zu beschränken. Vielmehr soll Abs. 3 S. 3 lediglich sicherstellen, dass Ausnahmen vom Grundsatz (s. Rz. 30) nicht unbewusst verkrusten. Die Frist nach Abs. 3 S. 3 ist Höchst- und nicht Mindestfrist. Die Änderung erfolgt in gleicher Weise wie die Benennung bzw. durch einen actus contrarius zur Benennung (ergänzend muss eine informatorische Mitteilung an die Kommission erfolgen, s. Rz. 21, 32 ff.). Wurde eine Konzentration geändert, läuft die Frist des Abs. 3 S. 3 ab Wirksamwerden der Änderung. Erst recht kann, solange in einem Mitgliedstaat eine Konzentration nicht erfolgt ist, eine solche ohne Rücksicht auf den Ablauf der Frist von fünf Jahren seit der letzten Benennung eingeführt werden.92
86 87 88 89 90 91 92
2020/1784 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 6. – Verkannt von Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 13; Hess, JZ 2001, 573, 577; Richter, IPRax 2022, 433, 435; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1069 ZPO Rz. 11: „Nichtausschöpfung“. Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6. Zu den Entscheidungen der Mitgliedstaaten vgl. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 4. ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg.; Meyer, IPRax 1997, 401, 403. Strikter der Vorschlag bei Nassauer, A4-0101/97, A. Änderungsantrag 3. Vgl. ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg.; Meyer, IPRax 1997, 401, 403. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EG-ZustVO 2007 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 7. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 7. – A.A. wohl Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/ EuIPR (2015), Art. 2 EG-ZustVO 2007 Rz. 6.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 4 EU-ZustVO 2020
V. Mitteilungspflicht (Abs. 4) Die Mitgliedstaaten sind bereits aufgrund der Benennungspflicht (s. Rz. 10, 21) i.V.m. dem insoweit 32 redundanten Art. 33 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 dazu verpflichtet, die benannten Übermittlungs- und Empfangsstellen der Kommission mitzuteilen. Aus Abs. 4 folgt nicht, dass die Übermittlungsstellen der Kommission nicht mitzuteilen sind. Vielmehr ist Gegenstand von Abs. 4 lediglich eine Konkretisierung und Erweiterung der bereits nach Abs. 2 bestehenden Pflicht zur Mitteilung der Empfangsstellen.93 Nach Abs. 4 i.V.m. dem insoweit redundanten Art. 33 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission informatorisch (deklaratorisch)94 mitzuteilen (1) die Namen und Anschriften der Empfangsstellen nach Abs. 2, 3, (2) den jeweiligen Zuständigkeitsbereich der Empfangsstellen, (3) die alternativen Kommunikationsmittel, über welche die Empfangsstellen jeweils unter den Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 erreichbar sind, und (4) die Sprachen, in denen die an die Empfangsstelle zu übermittelnden Formblätter in Anhang I jeweils ausgefüllt werden dürfen. Letzteres betrifft nur die Fälle, in denen die Mitgliedstaaten befugt sind, ihrerseits die Ausfüllsprachen der Formblätter festzulegen (z.B. Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2 EU-ZustVO 2020); dagegen begründet die auf eine Information zielende Mitteilungspflicht ihrerseits keine Befugnis, die Ausfüllsprache festzulegen, wie auch im systematischen Zusammenspiel von S. 3 (Befugnis) und S. 4 (Mitteilungspflicht) in Erwägungsgrund 17 EU-ZustVO 2020 erkennbar wird.95 Die Mitteilungspflicht war erstmalig zu erfüllen in dem Zeitpunkt, in dem der zeitliche Geltungsbereich der Vorschrift beginnt (s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4). Ihr musste nach Sinn und Zweck nicht gesondert entsprochen werden, soweit bereits auf der Grundlage der Vorgängerregelung(en) eine inhaltlich weiter zutreffende Mitteilung erfolgt ist. Erneut zu erfüllen ist die Mitteilungspflicht, soweit sich die ihr unterliegenden Angaben nach ihrer Erfüllung ändern.96 In diesem Fall hat die (Änderungs-)Mitteilung so früh wie möglich zu erfolgen, z.B. im Falle einer beschlossenen Änderung bereits vor ihrem Wirksamwerden unter Angabe des Zeitpunkts des Wirksamwerdens.
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Nach Art. 33 Abs. 3, 4 EU-ZustVO 2020 trifft die Kommission die Pflicht, die Mitteilungen der Mitgliedstaaten, auch die zu Abs. 1, zu publizieren (s. Art. 33 EU-ZustVO 2020 Rz. 16).97
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Artikel 4 Zentralstelle Jeder Mitgliedstaat benennt eine Zentralstelle, die dafür verantwortlich ist, a) den Übermittlungsstellen Auskünfte zu erteilen; b) nach Lösungswegen zu suchen, wenn bei der Übermittlung von Schriftstücken zum Zwecke der Zustellung Schwierigkeiten auftreten; c) in Ausnahmefällen auf Ersuchen einer Übermittlungsstelle einen Zustellungsantrag an die zuständige Empfangsstelle weiterzuleiten. Bundesstaatlich organisierte Mitgliedstaaten, Mitgliedstaaten mit mehreren Rechtssystemen und Mitgliedstaaten mit autonomen Gebietskörperschaften können mehrere Zentralstellen benennen.
93 Abw. BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 3 EuZVO 2022 Rz. 18: Abs. 4 S. 1 betreffe auch Übermittlungsstellen. 94 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 2 EuZVO Rz. 7; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 5, 8. – A.A. Strasser, Rpfleger 2013, 585: „verbindlich“. A.A. verbal auch GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI:EU:C:2020:971 Rz. 102 – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o. 95 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 25. 96 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11. 97 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11.
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Art. 4 EU-ZustVO 2020 Zentralstelle I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . II. III. 1. 2.
Benennungspflicht . . . Unterstützungspflicht . Allgemeines . . . . . . . Gegenstand . . . . . . .
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. 5 . 9 . 9 . 10
3. Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auskunftserteilung (lit. a) . . . . . . . b) Lösungssuche (lit. b) . . . . . . . . . . c) Übermittlung durch die Zentralstelle (lit. c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Nationale Zentralbehörden . . . . . . . 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Mitgliedstaaten . . . . . . . . . .
. . . 13 . . . 13 . . . 15 . . . .
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18 21 21 22
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift gehört zu den organisationsrechtlichen Regelungen der Verordnung.1 Sie enthält eine Doppelregelung betreffend die im Rechtshilfeverkehr auch in anderem Zusammenhang verbreitet (vgl. z.B. Art. 4 EU-BewVO 2020, Art. 49 EG-UntVO, Art. 15 EU-UrkVO) vorgesehenen Zentralstellen bzw. Zentralen Behörden. Sie legt den Mitgliedstaaten auf die Verpflichtung, Zentralstellen einzurichten und diese gegenüber der Kommission zu benennen. Außerdem bestimmt sie die den Zentralstellen obliegenden Aufgaben (vgl. z.B. auch Art. 4 EU-BewVO 2020, Art. 50 f. EG-UntVO, Art. 16 EU-UrkVO). Ausgehend von ihr bestimmt sich dementsprechend, die Übertragung welcher Aufgaben mit der Benennung als Zentralstelle verbunden ist.
2
Aufgaben werden den Zentralstellen durch die Verordnung lediglich im Zusammenhang mit der im Rechtshilfeverkehr erfolgenden grenzüberschreitenden Übermittlung zuzustellender Schriftstücke zugewiesen.2 Dagegen gehört die grenzüberschreitende Zustellung von Schriftstücken im Übrigen nicht zu den Aufgaben der Zentralstellen.3 Außerdem sind den Zentralstellen Aufgaben lediglich für den Fall sich ergebender Fragen und Schwierigkeiten zugewiesen.4 Dies entspricht dem die Verordnung prägenden Gedanken der Dezentralisierung (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff.). Der Rechtshilfeverkehr soll im Grundsatz zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen stattfinden. Nur soweit dieses Leitprinzip materiell nicht in Frage gestellt wird, sind die Zentralstellen ergänzend am Rechtshilfeverkehr beteiligt. Sie neben den Übermittlungs- und Empfangsstellen vorzusehen und in den Rechtshilfeverkehr einzubinden, gewährleistet, dass der die EG-ZustVO 2000 und die Nachfolgeverordnungen prägende Dezentralisierungsansatz verfolgt werden konnte, ohne die Vorteile einer Zentralisierung für die Ausbildung und Sicherung des in Problemfällen erforderlichen Know-hows preisgeben zu müssen.
3
Die Zentralstelle im Sinne der Vorschrift ist aufgrund ihres begrenzten und von den Aufgaben der Übermittlungs- und Empfangsstellen geschiedenen Aufgabenbereichs mit den Zentralen Behörden i.S.v. Art. 2 HZÜ nicht vergleichbar.5 Sie unterscheiden sich von diesen dadurch, dass sie nicht in die Anordnung oder Ausführung der Zustellung eingebunden sind.6
1 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 3 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Stadler, IPRax 2001, 514, 516. 2 Vgl. Brenn, Art. 3 EZV Anm. a). 3 Vgl. Nassauer, A4-0101/97, B. 10; ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg.; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1069 ZPO Rz. 10. 4 ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg.; MainStrat, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1348/2000 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matter (März 2004), S. 31; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 1. Vgl. auch Brenn, Art. 3 EZV EinfErl: Hilfs- und Servicefunktion gegenüber Übermittlungs- und Empfangsstellen. 5 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 3. 6 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 3 EuZVO Rz. 1.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 4 EU-ZustVO 2020
2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift geht zurück auf Art. 3 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)7 und Art. 3 EG-ZustVO 4 2000. Die Vorgängervorschriften (ent-)standen in bewusster Abkehr vom Regelungsansatz des HZÜ. Das HZÜ verfolgt einen zentralistischen Ansatz. Nach diesem wird die im Bereich der Rechtshilfe vorgefundene und schwerfällige Kommunikation auf diplomatischem oder konsularischem Weg (z.B. Art. 1 Abs. 1 S. 1 HZPÜ) für den Regelfall ersetzt durch eine schnellere Kommunikation mit hierfür bestimmten Zentralen Behörden. Dazu kommt diesen Zentralen Behörden im Rahmen des HZÜ die Aufgabe zu, Zustellungen betreffende Rechtshilfeersuchen entgegen zu nehmen. Nachgehend dazu obliegt ihnen, aus einem anderen Mitgliedstaat empfangene Ersuchen an die innerstaatlich für die Ausführung zuständen Stellen zu vermitteln oder, soweit sie hierzu kompetent sind, die Zustellung selbst zu bewirken (Art. 5 Abs. 1 HZÜ). Die mit dem Übergang von einer Kommunikation auf konsularischem Weg zu einer Kommunikation durch Zentrale Behörden unbestreitbar verbundenen Erleichterungen für grenzüberschreitende Zustellungen wurden vom Verordnungsgeber als unzureichende Verbesserung erachtet, weshalb bereits das die Grundlage der EG-ZustVO 2000 bildende EuZÜ als Weiterentwicklung und zum Zweck einer weiteren Beschleunigung eine Dezentralisierung der Kommunikation vorsah.8 Die der Rechtshilfe dienende Kommunikation sollte unmittelbar zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen erfolgen und der mit der Zwischenschaltung weiterer Stellen verbundene Zeitverlust erspart werden; lediglich für eine (verlängerbare) Übergangsfrist wurde den Mitgliedstaaten zunächst noch gestattet, im Widerspruch zum Dezentralisierungsansatz lediglich eine Übermittlungs- und eine Empfangsstelle zu benennen. Dieser Ansatz führte in EuZÜ und EG-ZustVO 2000 zu einer aufgabenmäßigen Scheidung der Übermittlungs- und Empfangsstellen von den Zentralstellen. Im Grundsatz obliegt nur ersteren, nicht aber den Zentralstellen die der Rechtshilfe dienende Kommunikation.9 Den Zentralstellen kommt eine lediglich unterstützende und absichernde Funktion zu.10 Im Verordnungsverfahren zur EG-ZustVO 2000 gab es Bestrebungen, den Aufgabenkreis der Zentralstellen im Interesse der Beteiligten weit(er) zu fassen (z.B. Hilfestellung zu Übersetzungen, Hilfestellung bei falscher Anschrift).11 Erfolg war dem nicht beschieden.12 An die so entwickelte und in Art. 3 EG-ZustVO 2007 fortgeführte Rolle der Zentralstellen knüpft die Vorschrift an. Gegenüber den beiden Vorgängerregelungen wurde sie nur redaktionell geändert.13 Der Kommissionsvorschlag sah eine Überarbeitung der Vorgängerregelung gar nicht vor.14 Auch der Standpunkt erster Lesung des Parlaments und die Allgemeine Ausrichtung erster Lesung des Rates schlug eine solche nicht vor. Vorgesehen war die redaktionelle Überarbeitung dann erstmals im Zusammenhang damit, dass in den Triloggesprächen Einigkeit darüber erzielt wurde, keinen Änderungsrechtsakt zu erlassen, sondern die EG-ZustVO 2007 durch eine Neufassung (Erwägungsgrund 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020) zu ersetzen.
II. Benennungspflicht Jeder Mitgliedstaat hat (im Grundsatz nur) eine nationale Zentralbehörde mit umfassendem Zuständigkeitsbereich für den Mitgliedstaat zu benennen.15 Die Verpflichtung zur Benennung umfasst in erster Linie, dass ein Mitgliedstaat einer von ihm eingerichteten bzw. beliehenen und kontrollierten Stelle nach seinem nationalen Recht16 die betreffende Funktion und die damit verbundenen Aufgaben (s. Rz. 9 ff.) zuweist. Darüber hinaus umfasst die Pflicht zur Benennung, die Aufgabenüber7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 4 EuZVO 2022 Rz. 1. ABl. EG 1997 C 261/27 f. Lechner, A5-0060/1999, S. 14. Vgl. Nassauer, A4-0101/97, B. 10.; COM(2013) 858 final, S. 10. Lechner, A5-0060/1999, S. 6; ABl. EG 2000 C 311 E/113 f. Vgl. zu Änderungsanträgen 5 und 6 auch KOM(2000) 75 endg. – Zur Anschriftenermittlung vgl. dagegen erneut COM(2013) 858 final, S. 10 f. Vgl. Knöfel, RIW 2021, 473, 474; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 4 EuZVO 2022 Rz. 1. COM(2018) 379 final, S. 12 f. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 5; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 6.
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Art. 4 EU-ZustVO 2020 Zentralstelle tragung gegenüber der Kommission namhaft zu machen. Die Mitgliedstaaten haben dementsprechend unbeschadet des Umstands, dass Art. 33 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 anders als Art. 23 EG-ZustVO 2007 nicht auf die Benennung der Zentralstelle(n) Bezug nimmt, weiterhin der Kommission mitzuteilen, welche Stelle(n) als Zentralstelle bestimmt wurde(n).17 Dem entsprechen die veröffentlichten Mitteilungen der Mitgliedstaaten (s. Rz. 21 ff.). Diese Mitteilungen dienen nur der Information. Weder ersetzen sie die Aufgabenübertragung nach nationalem Recht, noch ist die Aufgabenübertragung von einer Mitteilung abhängig.18 6
Ausnahmsweise dürfen Mitgliedstaaten mehrere Zentralstellen mit einem jeweils begrenzten Zuständigkeitsbereich benennen; allein die Bundesrepublik Deutschland hat hiervon Gebrauch gemacht (vgl. § 1069 ZPO) und sowohl für jedes Bundesland eine Zentralstelle als inzwischen auch auf der Ebene des Bundes eine Zentralstelle des Bundes19 benannt. Voraussetzung dafür ist, dass ein Mitgliedstaat bundesstaatlich organisiert ist, über mehrere Rechtssysteme oder autonome Gebietskörperschaften verfügt. Liegt eine oder liegen mehrere dieser Voraussetzungen vor, darf der betreffende Mitgliedstaat mehrere Zentralstellen mit einem begrenzten Zuständigkeitsbereich benennen. Nach Sinn und Zweck der Öffnungsregelung in Unterabs. 2 dürfen weitere Zentralstellen aber nur in dem Umfang und mit einem Zuständigkeitsbereich benannt werden, wie dies durch die Natur des jeweiligen Ausnahmetatbestands bedingt ist. Z.B. dürfen in bundesstaatlich organisierten Mitgliedstaaten nur so viele Zentralbehörden benannt werden, wie dies der bundesstaatlichen Ordnung entspricht, d.h. maximal eine Zentralbehörde je Mitglied des Bundesstaats mit einem das jeweilige Bundesland umfassenden Zuständigkeitsbereich (vgl. § 1069 Abs. 3 S. 2 ZPO) sowie gegebenenfalls eine Zentralstelle auf der Ebene des Bundesstaats (vgl. § 1069 Abs. 4 ZPO).
7
Die Verordnung sieht keine Übergangsfrist zur Erfüllung der Benennungspflicht vor. Der Benennungspflicht war dementsprechend sogleich mit zeitlichem Geltungsbeginn der Verordnung zu entsprechen. Dass den Mitgliedstaaten keine Übergangsfrist eingeräumt wurde, rechtfertigt sich daraus, dass die Verordnung an die EG-ZustVO 2007 anknüpft, welche eine inhaltsgleiche Regelung enthielt, und der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass eine nach Art. 3 EG-ZustVO 2007 erfolgte Benennung gegebenenfalls als Benennung i.S.d. Vorschrift fortwirkt (vgl. auch Art. 36 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 und Anhang III).
8
Eine erfolgte Benennung ist zeitlich unbefristet gültig; eine zeitliche Begrenzung der Benennung ist anders als nach Art. 3 Abs. 3 S. 3 EU-ZustVO 2020 nicht vorgesehen. Eine Benennung kann allerdings geändert werden. Zwar trifft die Vorschrift hierzu keine ausdrückliche Aussage. Auch ergibt sich unmittelbar aus Unterabs. 1, dass die Mitgliedstaaten, solange die Verordnung (für sie) gilt, nicht berechtigt sind, die Benennung in der Weise rückgängig zu machen, dass nicht durchgängig Unterabs. 1 genügt wird. Unter Beachtung dessen kann allerdings eine abändernde Benennung erfolgen. Denn die Vorschrift zielt nicht darauf, die Mitgliedstaaten (faktisch) in ihrer innerstaatlichen Organisationshoheit zu beschränken. Hierzu käme es aber, wenn eine erfolgte Benennung nicht geändert werden könnte. Eine Änderung erfolgt in gleicher Weise wie die Benennung bzw. durch einen actus contrarius zur Benennung. Der Mitgliedstaat muss nach Maßgabe seines Rechts die Aufgabe als Zentralstelle einer Stelle oder ausnahmsweise auch mehreren (s. Rz. 6) Stellen wirksam übertragen bzw. entziehen. Da die Benennungspflicht auch die Namhaftmachung gegenüber der Kommission umfasst, löst jede Änderung der innerstaatlichen Aufgabenübertragung eine Pflicht zur korrigierenden Mitteilung an die Kommission aus.
III. Unterstützungspflicht 1. Allgemeines 9
Die Zentralstellen trifft nach der Vorschrift eine Unterstützungspflicht. Mit der Benennung einer Stelle als Zentralstelle verbunden ist die Belastung mit der betreffenden Unterstützungspflicht. Dieser 17 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3. 18 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 5; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 6. 19 BT-Drucks. 20/1110, 20, 30.
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Art. 4 EU-ZustVO 2020
ist durch jede benannte Zentralstelle im Rahmen ihres Zuständigkeitsbereichs zu genügen. Die von den Zentralstellen zu erfüllende Unterstützungsflicht wird in Unterabs. 1 lit. a bis lit. c konkretisiert und gestuft nach ihrer Intensität (Information, Lösungssuche und Selbstvornahme) weiter ausdifferenziert. Für den Verpflichteten, den Gegenstand und den Berechtigten gelten für alle Ausdifferenzierungen einheitliche Grundsätze. 2. Gegenstand Gegenstand der Unterstützungspflicht ist die direkte Kommunikation zwischen den Übermitt- 10 lungs- und Empfangsstellen sowie zwischen solchen und Zentralstellen im Rahmen des Rechtshilfeverkehrs. Hierüber reicht die Unterstützungspflicht nicht hinaus.20 Entgegen h.A. kommt den Zentralstellen keine umfassende Pflicht zur Unterstützung grenzüberschreitender Zustellungen zu.21 Sie sind nicht allgemeine Unterstützungsstelle. Dafür spricht bereits der Wortlaut der konkretisierenden Ausdifferenzierungen in Unterabs. 1 lit. a bis lit. c, welcher sich ausschließlich auf die grenzüberschreitende Übermittlung, nicht dagegen auf die Zustellung bezieht, und folgerichtig in lit. a auch nur Übermittlungsstellen und nicht Empfangsstellen, in lit. b Schwierigkeiten bei der Übermittlung und nicht bei der Zustellung sowie in lit. c die Weiterleitung, d.h. Übermittlung an die Empfangsstelle, nicht aber die Ausführung der Zustellung erwähnt. Weiter spricht dafür die Systematik der Verordnung, welche die Vorschrift zwischen der Regelung zu den Übermittlungs- und Empfangsstellen (Art. 3 EU-ZustVO 2020) und der Vorschrift zum Übermittlungsweg (Art. 5 EU-ZustVO 2020) eingestellt hat. Bestätigt wird dieses Verständnis durch die rechtshistorische Entwicklung der Zentralstellen aus den in internationalen Übereinkommen zur Rechtshilfe etablierten Zentralen Behörden (s. Rz. 3, 4). Dieser Aufgabenkreis ist in dem Sinne abschließend, dass der Zentralstelle als solcher von den Mitgliedstaaten keine weiteren Aufgaben übertragen werden können, nicht aber ausgeschlossen ist, dass der als Zentralstelle benannten Behörde von den Mitgliedstaaten weitere Aufgaben übertragen werden.22 Nach Vorstehendem umfasst die Verpflichtung der Zentralstelle (auch im Rahmen von lit. b) nicht 11 die Unterstützung einer direkten Zustellung.23 Auch ist Gegenstand der Verpflichtung der Zentralstellen im Rahmen der Rechtshilfe nicht, über die Unterstützung der direkten Kommunikation hinaus sonst in jeder Hinsicht und während jedes Abschnitts einer grenzüberschreitenden Zustellung zu unterstützen.24 Sie umfasst nicht über Probleme bei der – weit verstandenen – Übermittlung hinaus auch Zustellungsprobleme. Nicht berufen sind die Zentralstellen z.B. zur Unterstützung in Bezug auf das Objekt einer Übermittlung (z.B. Prüfung oder Herstellung einer Übersetzung zuzustellender Schriftstücke)25 oder die Anschrift des Zustellungsempfängers.26 Letzteres ergibt sich schon daraus, dass die Vorschrift bei unbekannter Zustelladresse des Zustellungsempfängers nach Art. 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020) keine Anwendung findet (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 59 ff., Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 4, s. aber auch Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 ff.). Von der Unterstützungspflicht umfasst ist dagegen Art. 8 EU-ZustVO 2020, d.h. sind die Übermittlung eines zuzustellenden Schriftstücks und die nicht dessen Inhalt betreffenden Fragen, denen bei der Übermittlung Rechnung zu tragen ist (z.B. Ermittlung der Ausfüllsprache für Zustellungsersuchen, Nicht-/Verwendung von Formblättern).27 Wiederum nicht in den Gegenstand der Unterstützungspflicht fallen jegliche Stö20 Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 4 EuZustVO Rz. 1. 21 A.A. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 4 EuZVO Rz. 1; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 3 EuZVO Rz. 1; wohl auch ABl. EG 1997 C 261/29; für ausweitende Formulierung auch Nassauer, A4-0101/97, A. Änderungsantrag 5. 22 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 4. Zurückhaltend Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7. 23 A.A. möglicherweise Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 2. 24 A.A. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 3 EuZVO Rz. 1. 25 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 4. – Unklar Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 3 mit Fn. 4. 26 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11, 15, 18; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 4. 27 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 3 f.
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Art. 4 EU-ZustVO 2020 Zentralstelle rungen bzw. Probleme, die sich nach einer reibungslosen Kommunikation ergeben (z.B. Unwillen der Empfangsstelle, divergierende Rechtsansichten zur Zulässigkeit eines Antrags oder sonstiger Streit über Pflicht zur Rechtshilfegewährung oder Berechtigung zur Verweigerung;28 Vereinbarkeit und Umsetzung eines gewünschten besonderen Zustellungsverfahrens;29 negativer Zuständigkeitskonflikt im Empfangsmitgliedstaat;30 tatsächliche Hindernisse für die Ausführung der Zustellung wie Naturkatastrophe oder Streik;31 Probleme im Zusammenhang mit der Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts32). Fällt danach zwar die Suche nach einer Lösung zur rechtskonformen Umsetzung des Wunsches nach Nutzung eines besonderen Zustellungsverfahrens gegenständlich nicht in die Unterstützungspflicht, ist dagegen die direkte Kommunikation betroffen und damit der Gegenstand der Unterstützungspflicht berührt, wenn den Empfangsstellen zu verdeutlichen ist, was mit dem Begehren nach einem besonderen Zustellungsverfahren genau angestrebt wird. Nicht umfasst ist erst Recht, die Aufgabe der Empfangsstelle zu erfüllen und eine Zustellung zu bewirken oder zu veranlassen.33 12
Die Verpflichtung der Zentralstelle umfasst nicht lediglich die Unterstützung der Übermittlungs- und Empfangsstellen desselben Mitgliedstaats. Vielmehr besteht im Zuständigkeitsbereich einer Zentralstelle (s. Rz. 6) die Verpflichtung auch gegenüber den Übermittlungs- und Empfangsstellen anderer Mitgliedstaaten sowie gegenüber anderen Zentralstellen, wenn diese als Vertreter oder Standschafter einer ausländischen Übermittlungs- oder Empfangsstelle tätig werden.34 Dies ergibt sich aus dem insoweit keine Beschränkung enthaltenden Wortlaut der Vorschrift sowie aus dem Anliegen der Vorschrift, möglichst umfassende Vorsorge für den Fall von Störungen der direkten Kommunikation zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen zu schaffen. Denn gerade die Zentralstelle des Empfangsmitgliedstaats wird am besten in der Lage sein, ein bestehendes Problem zu lösen.35 3. Inhalte a) Auskunftserteilung (lit. a)
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Die Unterstützungspflicht umfasst, in- und ausländischen (s. Rz. 12)36 Übermittlungsstellen auf Nachfrage Auskünfte zu erteilen, d.h. von diesen gestellte Fragen sachkundig, zutreffend und verständlich zu beantworten. Eine Auskunftserteilung auch an Empfangsstellen sieht lit. a zwar nicht vor. Es kommt insoweit aber unter Beachtung der gegenständlichen Grenzen (s. Rz. 10 f.) der Auskunftspflicht eine entsprechende Anwendung in Betracht.37 Dies betrifft den Fall, dass eine Empfangsstelle aktiver Teil der Kommunikation ist, nicht aber Fälle, in denen die Empfangsstellen als passiver Teil an einer Übermittlung beteiligt sind. Zu Gunsten von Verfahrensbeteiligten (mit Interesse an der Zustellung) folgt aus lit. a keine Auskunftspflicht; entsprechende Verfahrensbeteiligte nehmen an der der Rechtshilfe dienenden Kommunikation nicht teil;38 unberührt bleiben sich auf anderer Grundlage ergebende Auskunftspflichten gegenüber Verfahrensbeteiligten. 28 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 32; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EGZustellVO Rz. 3. 29 A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 3; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 4. 30 A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 3. 31 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 5. Vgl. auch Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 3 EuZVO Rz. 9: eng auszulegen. 32 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 4. – A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EGZustellVO Rz. 3. 33 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7. 34 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 2. 35 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 2. 36 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 2; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 3 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 3 EuZVO Rz. 7. 37 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. – A.A. Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1069 ZPO Rz. 11. 38 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 2; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 3 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Peer in Burgstaller/Neu-
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Gegenständlich beschränkt ist die Verpflichtung auf Auskünfte betreffend die direkte Kommuni- 14 kation zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen (s. Rz. 10 f.), d.h. (nach Ablauf der Übergangsfrist) insbesondere auch betreffend die Nutzung des dezentralen IT-Systems. Sie umfasst gleichermaßen Auskünfte zu sich insoweit ergebenden rechtlichen (z.B. regionale Amtssprache des Zustellungsorts39) wie zu sich ergebenden praktischen Fragen (z.B. Ermittlung der Kontaktdaten der zuständigen Empfangsstelle40). Über diesen Kreis reicht die Pflicht zur Auskunftserteilung nicht hinaus. Insbesondere umfasst die Verpflichtung nicht die Auskunftserteilung insgesamt zu sich im Rahmen der Anwendung/Durchführung der Verordnung ergebenden Fragen.41 Daher müssen nach lit. a z.B. keine Auskünfte zur Anschrift des Zustellungsempfängers erteilt werden (s. Rz. 11). Für eine Beschränkung der Auskunftspflicht auf die direkte Kommunikation zwischen den Übermittlungs- und Empfangsstellen spricht die dem Wortlaut zu entnehmende Beschränkung des Kreises der Auskunftsberechtigten auf Übermittlungsstellen. Denn wären Gegenstand der Auskunftspflicht alle Fragen betreffend die Verordnung, fehlte ein sachlicher Grund für eine (konkludente) Herausnahme von Antragstellern und Fragen zur unmittelbaren Zustellung. b) Lösungssuche (lit. b) Für den Fall, dass sich bei der Übermittlung von Schriftstücken zum Zwecke der Zustellung Schwie- 15 rigkeiten ergeben, d.h. die direkte Kommunikation zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen nicht wie von der Verordnung vorausgesetzt reibungslos funktioniert, umfasst der Inhalt der Unterstützungspflicht, im Einzelfall ebenso wie allgemein42 nach Lösungen zu suchen, um die Übermittlung zu ermöglichen. Ohne Belang ist, aus welchem Grund (z.B. Sprachhürden, Verständnishürden im Zusammenhang mit dem Wunsch nach einem besonderen Zustellungsverfahren) die direkte Kommunikation zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen nicht wie von der Verordnung vorausgesetzt reibungslos funktioniert. Die Pflicht zur Lösungssuche besteht auch dann, wenn die Störung sich bei tatsächlich reibungslos funktionierender Übermittlung lediglich daraus ergibt, dass eine beteiligte Stelle dies nicht zutreffend erkennt.43 Hierüber reicht die Pflicht zur Lösungssuche nicht hinaus. Sie umfasst insbesondere nicht neben Übermittlungs- auch Zustellungsprobleme. Die Verpflichtung zur Lösungssuche entsteht nicht bereits mit Störung der direkten Kommunikation 16 zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen, sondern erst dadurch, dass ein Berechtigter die Zentralstelle über den maßgeblichen Sachverhalt informiert und um eine Unterstützung nachsucht. Dafür spricht neben Sinn und Zweck auch die Systematik der Vorschrift, welche die Unterstützung in lit. a an ein Auskunftsersuchen und in lit. c an ein Übermittlungsersuchen knüpft. Berechtigt, um Unterstützung nachzusuchen, sind Übermittlungs- und Empfangsstellen. Neben diesen sind berechtigt (als Vertreter oder Standschafter) auch andere Zentralstellen.44 Nicht berechtigt sind dagegen Verfahrensbeteiligte, auch wenn sie ein Interesse an der Übermittlung haben.45 Dies ergibt sich daraus, dass der Zivilrechtshilfe ein Rechtsverhältnis zwischen dem Ersuchenden und dem Ersuchten zugrunde liegt, an welchem die mittelbar Begünstigten rechtlich nicht beteiligt sind. Inhaltlich umfasst die in der Verordnung gründende Verpflichtung, dass die Zentralstelle auch über einen Anlassfall hinaus Maßnahmen unternimmt, die geeignet sind, eine erfolgreiche Übermittlung von der Übermittlungs- zur Empfangsstelle herbeizuführen. Dagegen umfasst die Pflicht zur Lösungssuche nicht, sich allen bei der Anwendung der Verordnung ergebenden Problemen anzunehmen.46 Die Zentralstelle ist dabei nicht auf einen bestimmten Katalog an Maßnahmen beschränkt,
39 40 41 42 43 44 45 46
mayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 3 EuZVO Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 2. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11. Vgl. ABl. EG 1997 C 261/29. A.A. Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1069 ZPO Rz. 11; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 3 EuZVO Rz. 1. ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13. Vgl. ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg.: Nichtreaktion trotz wiederholter Nachfragen. Vgl. auch Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 3 EuZVO Rz. 8: Zwischenschaltung der Landesjustizverwaltung. A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EGZustellVO Rz. 3. Für entsprechende Ausweitung Nassauer, A4-0101/97, A. Änderungsantrag 6. A.A. Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1069 ZPO Rz. 12; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 3 EuZVO Rz. 8.
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Art. 4 EU-ZustVO 2020 Zentralstelle sondern darf pragmatisch agieren, muss sich allerdings in den Grenzen der Rechtsordnung halten. Sie kann nur Maßnahmen ergreifen, die nicht in fremde Rechtskreise eingreifen, weil ihr dazu keine Kompetenz eingeräumt ist. Sie ist namentlich gegenüber anderen Stellen nicht als Zentralstelle weisungs- oder entscheidungsbefugt, sondern ist vermittelnd tätig.47 Auch kommt ihr im Grundsatz kein Recht zum Selbsteintritt bzw. zur Selbstvornahme zu;48 Abweichendes kann sich aus lit. c ergeben (s. Rz. 18 ff.). Unberührt bleiben nach dem für die Zentralstelle geltenden nationalen Recht gegenüber Stellen desselben Mitgliedstaats bestehende Befugnisse. Im so begrenzten Rahmen umfasst die Verpflichtung, eine Lösung zu suchen, den Versuch zur Kommunikation mit allen an einer Übermittlung beteiligten Stellen sowie derjenigen Zentralstelle, in deren Zuständigkeitsbereich eine Übermittlung fällt. Weiter umfasst die Pflicht zur Suche nach einer Problemlösung, im Falle der Verhinderung einer Empfangsstelle gegebenenfalls den Kontakt zu der zu ihrer Vertretung berufenen Stelle zu ermöglichen bzw. herzustellen.49 c) Übermittlung durch die Zentralstelle (lit. c) 18
In Ausnahmefällen50 umfasst die Unterstützungspflicht, selbst auf Ersuchen einer Übermittlungsstelle einen Zustellungsantrag an die zuständige Empfangsstelle zu übermitteln. Nicht umfasst ist, die Aufgabe der Empfangsstelle zu erfüllen und eine Zustellung zu bewirken oder zu beauftragen.51 Ein Ausnahmefall im Sinne der Vorschrift liegt vor, wenn die direkte Kommunikation zwischen Übermittlungs- und Empfangsstelle nicht reibungslos wie von der Verordnung vorausgesetzt funktioniert52 und zur Problemlösung eine Übermittlung durch die Zentralstelle geeignet und erforderlich ist. Die Übermittlung durch die Zentralstelle ist danach nachrangig zu anderen Problemlösungen (s. auch Rz. 9) einschließlich eigener Lösungsbemühungen der ersuchenden Übermittlungsstelle (z.B. Einsichtnahme in das Europäische Justizportal).53 Kein Anwendungsfall von lit. c sind jegliche Störungen bei der Ausführung eines erfolgreich übermittelten Zustellungsantrags (s. Rz. 10 f.). Unberührt bleibt, dass die beharrliche Nichtreaktion einer Empfangsstelle Beleg dafür sein kann, dass die direkte Kommunikation nicht reibungslos funktioniert.54 Das Vorliegen eines Ausnahmefalls unterliegt der Beurteilung durch die Zentralstelle in eigener Verantwortung.55 Diese ist zur Gewährleistung des effet utile gehalten, die Norm strikt zu handhaben und hierdurch zu verhindern, dass sich ein nur für Ausnahmefälle vorgesehener, das Leitprinzip der Dezentralisierung unterlaufender Übermittlungsweg verfestigt und als Regelfall etabliert.56 Unbeschadet der damit verbundenen Verzögerungen sind ohne hinreichenden Grund an eine Zentralstelle gerichtete Übermittlungsersuchen daher zurückzuweisen.
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Die Übermittlung eines Zustellungsantrags durch die Zentralbehörde ist abhängig von einem entsprechenden, d.h. spezifisch hierauf gerichteten Antrag der Übermittlungsstelle. Insoweit ist lit. c lex specialis zu lit. b. Die Zentralstelle darf einen Zustellungsantrag nicht gestützt auf lit. b auf der Grundlage eines allgemeinen Unterstützungsersuchens selbst übermitteln. Ein entsprechender Antrag kann 47 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 3. Abw. tendenziell Brenn, Art. 3 EZV Anm. b): Beschwerdestelle. 48 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 14; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 3. 49 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 5. 50 ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg. 51 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7. 52 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg.; Lechner, A5-0060/1999, S. 14: Brand, Generalstreik oder Naturkatastrophe; Cour d’appel Paris v. 26.1.2007 – 06/09408: Nichtveröffentlichung von Angaben zur Empfangsstelle – in diesem Fall ist allerdings eine Unterstützung durch Auskunft nach lit. a vorrangig, vgl. Brenn, Art. 3 EZV Anm. b). 53 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg. 54 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 3. 55 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 19. Abw. wohl ABl. EG 1997 C 261/29 f.; KOM(1999) 219 endg.: „hat die Übermittlungsstelle … zu entscheiden“. 56 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 3 EG-ZustVO 2007 Rz. 5, 8; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 3 EuZVO Rz. 9.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 4 EU-ZustVO 2020
gleichermaßen gestellt werden durch eine in- wie durch eine ausländische Übermittlungsstelle, wobei die Norm vorrangig den Antrag einer ausländischen Übermittlungsstelle im Blick hat.57 Auf entsprechenden Antrag hat die Zentralstelle die zuständige (Empfangs-)Stelle zu ermitteln und die Erklärung (Zustellungsantrag nebst zuzustellendem Schriftstück) an diese zu übermitteln. Auf Ersuchen einer inländischen Übermittlungsstelle hat die Übermittlung an eine ausländische Empfangsstelle zu erfolgen.58 Die Übermittlung hat dabei auf einem von der Verordnung vorgesehenen Weg zu erfolgen, d.h. nach Ablauf der Übergangsfrist (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) unter Beachtung von Art. 5 EU-ZustVO 2020. Geht das Ersuchen von einer ausländischen Übermittlungsstelle aus oder langt es infolge Übermittlung auf diplomatischem oder konsularischem Weg ein (vgl. Art. 16 EU-ZustVO 2020), erfolgt die Übermittlung an eine inländische Empfangsstelle; Art. 5 EU-ZustVO 2020 muss bei inländischen Übermittlungen nicht beachtet werden.
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IV. Nationale Zentralbehörden 1. Deutschland Die Bestimmung der Zentralstellen obliegt in Deutschland nach § 1069 Abs. 3 ZPO den Bundesländern (Landesregierung). Jedes Bundesland darf nur eine Zentralstelle benennen. Neben den auf der Ebene der Bundesländer angesiedelten Zentralstellen wurde zum 1.7.202259 mit § 1069 Abs. 4 ZPO das Bundesamt für Justiz (Adenauerallee 99–103, 53113 Bonn, Tel.: +49 228 9941040, Fax.: +49 228 410-5050, E-Mail: [email protected]) als Zentralstelle auf Bundesebene benannt.60 Die von den Ländern benannten Zentralstellen sind nachstehend aufgelistet. Für alle Zentralstellen der Bundesländer wird als Sprachkompetenz allein Deutsch benannt. Baden-Württemberg Präsident/in des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau Holzmarkt 2 79098 Freiburg im Breisgau Tel.: +49 761 205-0 Fax: +49 761 205-1800 E-Mail: [email protected]
Bayern Bayerisches Staatsministerium der Justiz Prielmayerstraße 7 80335 München Tel.: +49 89 5597-01 Fax: +49 89 5597-2322 E-Mail: [email protected]
57 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EU) 2020/1784 Rz. 16, 21. Für Beschränkung hierauf Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 3; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 3 EG-ZustVO 2007 Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 5. 58 Dagegen Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 3 EuZVO Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 5; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1069 ZPO Rz. 13. Dagegen wohl auch ABl. EG 1997 C 261/29. 59 Zuvor war das BfJ nicht als Zentralstelle benannt worden, vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 9.12.2014 – C-226/13 u.a., ECLI:EU:C:2014:2424 Rz. 28 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik. 60 Vgl. BT-Drucks. 20/1110, 20, 30. Die Kommission ging freilich unabhängig von einer gesetzlichen Grundlage schon 2014 davon aus, dass das Bundesamt für Justiz eine Zentralstelle im Sinne der EG-ZustVO 2007 sei, vgl. EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 Rz. 24 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; GA Bot, Schlussanträge v. 9.12.2014 – C-226/13 u.a., ECLI:EU:C:2014:2424 Rz. 28 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik.
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Art. 4 EU-ZustVO 2020 Zentralstelle Berlin Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung Salzburger Straße 21–25 10825 Berlin Tel.: +49 30 9013-0 Fax: +49 30 9013-2000 E-Mail: [email protected]
Brandenburg Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg Heinrich-Mann-Allee 107 14473 Potsdam Tel.: +49 331 866-0 Fax: +49 331 866-3080, +49 331 866-3081 E-Mail: [email protected]
Bremen Präsident/in des Landgerichts Bremen Domsheide 16 28195 Bremen Tel.: +49 421 361-10240 Fax: +49 421 4964851 E-Mail: [email protected]
Hamburg Präsident/in des Amtsgerichts Hamburg Sievekingplatz 1 20355 Hamburg Tel.: +49 40 115 Fax: +49 40 42843-4318 E-Mail: [email protected]
Hessen Präsident/in des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. Zeil 42 60313 Frankfurt/M. Tel.: +49 69 1367-01 Fax: +49 69 1367-2976 E-Mail: [email protected]
Mecklenburg-Vorpommern Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern Puschkinstraße 19–21 19055 Schwerin Tel.: +49 385 588-0 Fax: +49 385 588-3450 E-Mail: [email protected]
Niedersachsen Niedersächsisches Justizministerium Am Waterlooplatz 1 30169 Hannover Tel.: +49 511 1200 Fax: +49 511 1205170 E-Mail: [email protected]
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 4 EU-ZustVO 2020
Nordrhein-Westfalen Präsident/in des Oberlandesgerichts Düsseldorf Cecilienallee 3 40474 Düsseldorf Tel.: +49 211 4971-0 Fax: +49 211 4971-548 E-Mail: [email protected]
Rheinland-Pfalz Ministerium der Justiz Rheinland-Pfalz Ernst-Ludwig-Straße 3 55116 Mainz Tel.: +49 6131 16-4800 Fax: +49 6131 16-4887 E-Mail: [email protected]
Saarland Ministerium der Justiz Franz-Josef-Röder-Straße 17 66119 Saarbrücken Tel.: +49 681 501-00 Fax: +49 681 501-5855 E-Mail: [email protected]
Sachsen Präsident/in des Oberlandesgerichts Dresden Schloßplatz 1 01067 Dresden Tel.: +49 351 446-0 Fax: +49 351 446-1299 E-Mail: [email protected]
Sachsen-Anhalt Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Sachsen-Anhalt Domplatz 2–4 39104 Magdeburg Tel.: +49 391 56701 Fax: +49 391 5676180 E-Mail: [email protected]
Schleswig-Holstein Ministerium für Justiz, Europa und Verbraucherschutz des Landes Schleswig-Holstein Lorentzendamm 35 24103 Kiel Tel.: +49 431 988-0 Fax: +49 431 988-3870 E-Mail: [email protected]
Thüringen Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz Werner-Seelenbinder-Straße 5 99096 Erfurt Tel.: +49 361 573511-000 Fax: +49 361 573511-888 E-Mail: [email protected]
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Art. 4 EU-ZustVO 2020 Zentralstelle 2. Sonstige Mitgliedstaaten 22
Ausweislich der Veröffentlichung im Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen (Stand: 1.5.2023) haben die Mitgliedstaaten folgende Zentralstellen mit folgenden Kontaktmöglichkeiten benannt: Belgien Nationale Kamer van Gerechtsdeurwaarders Avenue Henri Jaspar 93 1060 Brüssel Tel.: (32-2) 538 00 92 Fax: (32-2) 539 41 11 E-Mail: [email protected] Sprachkompetenz: Französisch, Niederländisch, Deutsch und Englisch
Bulgarien Justizministerium Direktion „Internationale rechtliche Zusammenarbeit und europäische Angelegenheiten“ Abteilung „Zusammenarbeit in Zivilrechtssachen“ Ulitsa Slavyanska 1 1040 Sofia Tel.: +359 2 9237 413, +359 2 9237 544, +359 2 9237 576 Fax: +3592 9809223 E-Mail: [email protected]
Dänemark Justizministerium (Justitsministeriet) Slotsholmsgade 10 1216 København K Tel.: +45 7226 8400 Fax: +45 3393 3510 E-Mail: [email protected]
Estland Ministry of Justice (Justizministerium) Suur-Ameerika 1 10122 Tallinn Tel.: +372 620 8183 Fax: +372 620 8109 E-Mail: [email protected]
Finnland Oikeusministeriö (Justizministerium) PL 25 00023 Valtioneuvosto [Regierung] Tel.: +358 9 16 06 76 28 Fax: +358 9 16 06 75 24 E-Mail: [email protected] Sprachkompetenz: Finnisch, Schwedisch und Englisch
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 4 EU-ZustVO 2020
Frankreich Ministère de la Justice Direction des Affaires Civiles et du Sceau Département de l’entraide, du droit international privé et européen (DEDIPE) 13, place Vendôme 75042 Paris Cedex 01 Tel.: +33 1 44 77 61 05 E-Mail: [email protected] Sprachkompetenz: Französisch und Englisch
Griechenland Yr Jemtrik Arw orfetai to Upourceo Dikaios@mgr (Justizministerium) Tlla Idiytiko@ Diehmo@r Dikaou (Abteilung für Internationales Privatrecht) 96 Mesogion Av./Lesoceym 96 11527 Athen/Ahma Tel.: +30 213 130 7529, +30 213 130 7480 E-Mail: [email protected], [email protected], [email protected]
Irland The Master „High Court“ Four Courts Dublin 7 Tel.: +353 1 888 60 00 Fax: +353 1 872 56 69 Sprachkompetenz: Englisch und Irisch-Gälisch
Italien Zustellungs-, Vollstreckungs- und Mahnstelle (Uffici Notifiche Esecuzione Protesti, UNEP) beim Berufungsgericht Rom Viale Giulio Cesare N. 52 00192 Roma Tel.: +39 06328367058, +39 06328367059 E-Mail: [email protected], [email protected] (zertifiziert) Sprachkompetenz: Italienisch, Französisch und Englisch
Kroatien Ministarstvo pravosuE¯a i uprave Republike Hrvatske (Ministerium für Justiz und Verwaltung der Republik Kroatien) Ulica grada Vukovara 49 10 000 Zagreb Tel.: +385 1 371 40 00
Lettland Justizministerium (Tieslietu ministrija) Brı¯vı¯bas bulva¯ris 36 1536 Riga Tel.: +371 67036802 E-Mail: [email protected]
Litauen Justizministerium der Republik Litauen Gedimino pr. 30 01104 Vilnius Tel.: +370 600 38 904 E-Mail: [email protected]
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Art. 4 EU-ZustVO 2020 Zentralstelle Luxemburg Parquet Général auprès de la Cour supérieure de Justice (Generalstaatsanwaltschaft beim Obersten Gerichtshof) Cité judiciaire Bâtiment CR 2080 Luxemburg Tel.: +352 47 59 81-2336 Fax: +352 47 05 50 E-Mail: [email protected] Sprachkompetenz: Französisch, Deutsch
Malta Office of the State Advocate (Generalstaatsanwaltschaft) Casa Scaglia, 16, Triq M.A. Vassalli Valletta VLT1311 Tel.: +356 22265000 E- Mail: [email protected] Sprachkompetenz: Englisch
Niederlande Koninklijke Beroepsorganisatie van Gerechtsdeurwaarders (Verband der Gerichtsvollzieher) Prinses Margrietplantsoen 49 2595 BR Den Haag Tel.: +31 70 890 35 30 E-Mail: [email protected] Sprachkompetenz: Niederländisch und Englisch
Österreich Bundesministerium für Justiz Museumstraße 7 1070 Wien Tel.: +43 1 52 1 52 0 Fax: +43 1 52 1 52 2727 E-Mail: [email protected] Sprachkompetenz: Deutsch und Englisch
Polen Ministerstwo Sprawiedliwos´ci (Ministerium für Justiz) Departament Współpracy Mie˛dzynarodowej i Praw Człowieka (Abteilung Internationale Zusammenarbeit und Menschenrechte) Al. Ujazdowskie 11 00 – 950 Warszawa Tel.: +48 22 23 90 870 E-Mail: [email protected] Sprachkompetenz: Polnisch, Englisch und Deutsch
Portugal Direcção Geral da Administração da Justiça (Generaldirektion Justizverwaltung) Av. D. João II, 1.08.01 D/E – Pisos 0, 9 a 14 1990-097 Lisboa Tel.: +351 217 906 500, +351 217 906 200/1 Fax: +351 211 545 116, +351 211 545 100 E-Mail: [email protected] Sprachkompetenz: Portugiesisch, Spanisch, Französisch und Englisch
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 4 EU-ZustVO 2020
Rumänien Justizministerium Direct¸ia Drept internat¸ional s¸i Cooperare Judiciara˘ (Abteilung internationales Recht und justizielle Zusammenarbeit) Serviciul cooperare judiciara˘ internat¸ionala˘ în materie civila˘ s¸i comerciala˘ (Dienst für internationale justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen) Strada Apolodor 17, Sector 5 Bucures¸ti, cod 050741 Tel.: +40 372041077 (Sekretariat) Fax: +40 37204 1079 E-Mail: [email protected]; [email protected]
Schweden Länsstyrelsen i Stockholms län Regeringsgatan 66 11139 Stockholm Tel.: +46 10 223 10 00 Fax: +46 10 223 11 10 E-Mail: [email protected] Sprachkompetenz: Schwedisch, Englisch
Slowakei Ministerstvo spravodlivosti Slovenskej republiky (Justizministerium der Slowakischen Republik) Odbor medzinárodného práva súkromného (Referat Internationales Privatrecht) Racˇianska ul. 71 813 11 Bratislava Tel.: +421 2 888 91 111 Fax: +421 2 888 91 604 E-Mail: [email protected] Sprachkompetenz: Slowakisch, Tschechisch, Englisch, Französisch
Slowenien Ministrstvo za pravosodje (Justizministerium) Zˇupancˇicˇeva 3 1000 Ljubljana Tel.: +386 1 369 53 94 Fax: +386 1 369 52 33 E-Mail: [email protected]
Spanien Subdirección General de Cooperación Jurídica Internacional (Untergeneraldirektion für internationale Justizzusammenarbeit) Ministerio de Justicia (Justizministerium) C/San Bernardo, 62 28015 Madrid E-Mail: [email protected]; [email protected] Sprachkompetenz: Spanisch, Französisch und Englisch
Tschechische Republik Ministerstvo spravedlnosti, mezinárodní odbor (Justizministerium, Internationale Zivilabteilung) Vysˇehradská 16 128 10 Praha 2 Tel.: +420-221-997-111 Fax: +420-224-919-927 E-Mail: [email protected]
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Art. 5 EU-ZustVO 2020 Von Rechtshilfestellen zu verwendende Kommunikationsmittel Ungarn Igazságügyi Minisztérium (Justizministerium) Nemzetközi Magánjogi Fo˝osztály (Abteilung für Internationales Privatrecht) Nádor utca 22 1051 Budapest Tel.: +36 1 795 5397, +36 1 795 3188 Fax: +36 1 550 3946 E-Mail: [email protected] Sprachkomperenz: Ungarisch, Deutsch, Englisch und Französisch
Zypern Ministry of Justice and Public Order (Ministerium der Justiz und der öffentlichen Ordnung) Leoforos Athalassas 125 1461 Nicosia Tel.: +357 22 805928 Fax: +357 22 518328 E-Mail: [email protected]
Artikel 5 Von den Übermittlungs- und Empfangsstellen sowie den Zentralstellen zu verwendende Kommunikationsmittel (1) 1Zuzustellende Schriftstücke, Ersuchen, Bestätigungen, Empfangsbestätigungen, Bescheinigungen und Mitteilungen, die unter Verwendung der Formblätter in Anhang I erstellt wurden, werden zwischen den Übermittlungs- und Empfangsstellen, zwischen diesen Stellen und den Zentralstellen oder zwischen den Zentralstellen der verschiedenen Mitgliedstaaten über ein sicheres und zuverlässiges dezentrales IT-System übermittelt. 2Dieses dezentrale IT-System beruht auf einer interoperablen Lösung wie beispielsweise e-CODEX. (2) Für die zuzustellenden Schriftstücke, Ersuchen, Bestätigungen, Empfangsbestätigungen, Bescheinigungen und Mitteilungen, die über das dezentrale IT-System übermittelt werden, gilt der mit der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 geschaffene allgemeine Rechtsrahmen für die Verwendung von qualifizierten Vertrauensdiensten. (3) Erfordern oder enthalten die in Absatz 1 dieses Artikels genannten zuzustellenden Schriftstücke, Ersuchen, Bestätigungen, Empfangsbestätigungen, Bescheinigungen und sonstigen Mitteilungen ein Siegel oder eine eigenhändige Unterschrift, so können stattdessen qualifizierte elektronische Siegel oder qualifizierte elektronische Signaturen im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 verwendet werden. (4) Ist die Übermittlung nach Absatz 1 aufgrund einer Störung des dezentralen IT-Systems oder außergewöhnlicher Umstände nicht möglich, so wird die Übermittlung mit dem schnellsten und am besten geeigneten alternativen Mittel durchgeführt, wobei den Erfordernissen der Zuverlässigkeit und Sicherheit Rechnung zu tragen ist. I. 1. 2. 3.
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Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . a) Rechtshilfeverkehr zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen . b) Schriftstücke und Erklärungen . . . . . c) Zeitlich (Übergangsfrist) . . . . . . . . .
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. . 6 . . 8 . . 10
II. Obligatorische Nutzung des dezentralen IT-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz: Nutzung dezentrales IT-System (Abs. 1 S. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme: Nutzung anderer Kommunikationsmittel (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . .
. . 11 . . 11 . . 13 . . 13 . . 16
Kap. I: Allgemeine Bestimmungen III. Rechtlicher Rahmen für Einrichtung und Nutzung des dezentralen IT-Systems . . . . . 17 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Art. 5 EU-ZustVO 2020
2. Sicherheit, Zuverlässigkeit, Interoperabilität . 18 3. Rechtsrahmen für Nutzung (Abs. 2) . . . . . . 20 4. Substitution von Echtheitszeichen (Abs. 3) . . 21
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck Die Vorschrift ergänzt Art. 3, 4 EU-ZustVO 2020 sowie Art. 8 ff. EU-ZustVO 2020. Diesen Regelun- 1 gen ist zu entnehmen, dass der grenzüberschreitende Zustellungen betreffende Rechtshilfeverkehr (Kapitel II, Abschnitt 1) im Rahmen der Verordnung im Grundsatz auf einer direkten Kommunikation zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen beruht (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 1, Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 23 ff.). Der Rechtshilfeverkehr soll durch eine Abkürzung der Kommunikationswege beschleunigt werden. Darüber hinaus soll er beschleunigt werden durch die Verpflichtung auf die Nutzung möglichst schneller Kommunikationswege (vgl. z.B. Art. 8 Abs. 1 EU-ZustVO 2020: „so schnell wie möglich“). Diese Vorgabe konkretisiert die Vorschrift. Als eine zentrale Weiterentwicklung1 gegenüber den Vorgängerverordnungen gibt sie vor, dass die Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen einschließlich der Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 18) im Grundsatz zwingend elektronisch zu erfolgen hat. Sie dient der Digitalisierung der grenzüberschreitenden Übermittlung von Schriftstücken zum Zweck der Zustellung.2 Zwar konnte bereits nach Art. 4 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 die Übermittlung eines Zustellungsersuchens auch unter Nutzung von Mitteln der elektronischen Kommunikation erfolgen, allerdings wurde hiervon bis zuletzt nur sehr eingeschränkt Gebrauch gemacht (s. Rz. 3). Um dies zu ändern und die beträchtlichen Geschwindigkeitsvorteile der elektronischen Kommunikation gegenüber der papiergebundenen Kommunikation (s. Rz. 4) zu nutzen,3 ordnet die Vorschrift an, dass nach Ablauf einer Übergangsfrist (s. Rz. 10) die grenzüberschreitende Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen unabhängig von der Zulassung dieses Kommunikationswegs durch einen Mitgliedstaat im Grundsatz obligatorisch über ein dafür eingerichtetes dezentrales IT-System zu erfolgen hat.4 Ihrem Anliegen entsprechend legt die Vorschrift in Abs. 1 S. 1 zunächst als Grundsatz fest, dass die 2 den Rechtshilfeverkehr betreffende und durch die in Anhang I der Verordnung enthaltenen Formblätter standardisierte direkte Kommunikation (insbesondere die in Art. 8 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 angesprochene Einleitung eines Rechtshilfeersuchens) obligatorisch unter Nutzung eines dezentralen IT-Systems zu erfolgen hat (vgl. Erwägungsgrund 10 S. 2 EU-ZustVO 2020). Ergänzend dazu enthält Abs. 1 in beiden Sätzen Vorgaben zur technischen Umsetzung des dezentralen IT-Systems (sicher und zuverlässig, interoperabel). Abs. 2 verweist, dabei insbesondere auch die Bedenken gegen die Integrität elektronischer Kommunikation berücksichtigend, für den Kommunikationsvorgang auf die die Sicherheit der Kommunikation gewährleistenden Vorschriften der eIDAS-VO. Hinsichtlich einer im Rahmen der Digitalisierung der Kommunikation erforderlich werdenden Substitution von Unterschriften und Siegeln als wesentliche Echtheitszeichen einer papiergebundenen Urkunde verweist Abs. 3 auf die in der eIDAS-VO geregelten digitalen Pendants. Für den Regelfall soll dadurch ausgeschlossen werden, dass das Erfordernis, ein Echtheitszeichen anzubringen, einer elektronischen Übermittlung entgegensteht. Abweichend vom Grundsatz kann die Kommunikation nach Abs. 4 ausnahmsweise unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Zuverlässigkeit und Sicherheit unter Nutzung des schnellsten und am besten geeigneten alternativen Mittels erfolgen, wenn eine Kom1 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 6; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 5 EuZVO 2022 Rz. 1. – Übertrieben allerdings Geimer/Schütze/Okonska, Art. 5 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1: „Herzstück der EuZustVO 2020“. 2 Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 5 EuZustVO Rz. 1. 3 Vgl. Peer/Scheuer, zak 2021, 27, 28; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 5 EuZustVO Rz. 2. 4 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 3, 9; SWD(2018) 286 final, S. 4; SWD(2018) 287 final, S. 42.
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Art. 5 EU-ZustVO 2020 Von Rechtshilfestellen zu verwendende Kommunikationsmittel munikation über das dezentrale IT-System aufgrund einer Störung desselben oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht (bzw. nicht ohne mehr als unerhebliche Verzögerung) möglich ist. 2. Entstehungsgeschichte 3
Die Vorschrift wurde neu eingefügt.5 Die beiden Vorgängerverordnungen enthielten ebenso wenig wie HZPÜ und HZÜ eine vergleichbare Regelung. HZPÜ und HZÜ schweigen zur Form der Übermittlung. In Art. 4 Abs. 2 EG-ZustVO 2000 und Art. 4 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 wurde dann zwar klargestellt, dass die Übermittlung auf jedem geeigneten Übermittlungsweg erfolgen kann,6 was bei entsprechender Eröffnung dieses Kommunikationswegs durch die empfangende Stelle die Nutzung von Mitteln der elektronischen Kommunikation einschloss.7 Die Vorgängerregelungen legten die Kommunikation allerdings nicht auf die elektronische Form fest. Auch stand dieser Übermittlungsweg, wie nicht zuletzt ein Vergleich von Art. 4 Abs. 4 EG-ZustVO 2007 („Die Schriftstücke sowie alle Dokumente“) mit Art. 8 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 („in Papierform übermittelten“) verdeutlicht, nicht im Vordergrund8 und von ihm wurde auch nur selten Gebrauch gemacht.9 Gründe dafür waren neben einer generellen Rückständigkeit der Ausstattung der Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen auch die zwischen den Mitgliedstaaten fehlende Interoperabilität der nationalen IT-Systeme sowie Vorbehalte gegenüber der Zuverlässigkeit elektronischer Kommunikation in Bezug auf die Integrität der übermittelten Daten.10
4
Dass die Kommunikation zwischen den Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen tatsächlich überwiegend papiergebunden erfolgte, identifizierte die Kommission als einen grenzüberschreitende Zustellungen wesentlich verzögernden Umstand.11 Da die elektronische Kommunikation im Vergleich zur papiergebundenen Kommunikation deutliche Geschwindigkeitsvorteile aufweist (vgl. Erwägungsgrund 10 EU-ZustVO 2020)12 und die Digitalisierung von Behördendiensten ein generelles Anliegen der Politik der EU ist (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 18), sah der Kommissionsentwurf in einem neuen Art. 3a vor, dass die Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen obligatorisch unter Nutzung eines dezentralen, d.h. (mit Bedeutung u.a. für Kosten und Datenschutz13) nicht auf der Ebene der EU angesiedelten, z.B. auf e-CODEX basierenden,14 IT-Systems erfolgt.15 Für den Fall, dass die Nutzung des dezentralen IT-Systems aufgrund einer unvorhergesehenen außergewöhnlichen Störung nicht möglich ist, sollte ein Rückgriff auf andere Kommunikationswege möglich bleiben.16 Auf den Vorschlag der Kommission für einen Art. 3a geht die Vorschrift zurück. Der EWSA begrüßte das Vorhaben der Kommission.17 Das Parlament sprach sich in seinem Standpunkt erster Lesung ebenfalls im Grundsatz für das Vorhaben der Kommission aus. In Konkre5 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 5 EuZustVO Rz. 1. 6 ABl. EG 1997 C 261/30; KOM(1999) 219 endg. 7 COM(2018) 379 final, S. 3; Brenn, Art. 4 EZV EinfErl, Anm. b); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 4; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 155; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 4 EuZVO Rz. 1; Gottwald FS Schütze, S. 225, 231; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 9, Art. 4 EG-ZustVO 2007 Rz. 6 f.; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/13; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EG) 1393/2007 Rz. 17; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 4 EuZVO Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 3; Richter, IPRax 2022, 433, 437; Stadler, IPRax 2001, 514, 517, 521; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 5 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 8 f. 8 Vgl. auch die auf eine Klärung/Änderung zielenden Anregungen bei Bataller, ABl. EG 1999 C 368/49 Ziff. 4.5.1.; Lechner, A5-0060/1999, S. 10. 9 Vgl. MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 27; COM(2018) 379 final, S. 3; SWD(2018) 286 final, S. 2; SWD(2018) 287 final, S. 14 f.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 3. 10 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 3; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 30. 11 SWD(2018) 287 final, S. 14 f., 42 f. 12 COM(2018) 379 final, S. 3; SWD(2018) 287 final, S. 144 f.; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 5 EuZVO 2022 Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 5 EuZustVO Rz. 1. 13 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 10. 14 SWD(2018) 286 final, S. 4. 15 Abw. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 15: (nur) autonome Zulassung.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 5 EU-ZustVO 2020
tisierung dessen plädierte das Parlament dafür, im Verordnungstext festzulegen, dass das für die Kommunikation einzurichtende dezentrale IT-System auf dem Projekt e-CODEX basiert und von eu-LISA verwaltet (vgl. inzwischen Art. 7 VO (EU) 2022/850) wird.18 Dies war bereits von der Kommission als bevorzugte Lösung angedacht worden; im Unterschied zum Parlaments- enthielt der Kommissionsvorschlag insoweit aber noch keine Festlegung. Während der Beratungen erster Lesung im Rat bildete die Frage der Digitalisierung des Rechtshilfeverkehrs einen Schwerpunkt. Auseinander gingen die Ansichten bereits in der Frage, ob die Nutzung eines IT-Systems obligatorisch oder nicht obligatorisch sein sollte. Zwar stand die Mehrheit der Mitgliedstaaten einer Nutzungspflicht nahe. Ein Teil der Mitgliedstaaten sprach sich indes für mehr Flexibilität beim Tempo der Digitalisierung der Rechtspflege aus. Hinter diesem Hinweis standen auch fiskalische Erwägungen. Bei einzelnen Mitgliedstaaten bestanden Bedenken bezüglich der Kosten der Einrichtung eines IT-Systems. Dieser Aspekt wiederum war verknüpft mit der Frage, ob ein zentrales IT-System auf Kosten der EU oder ein dezentrales IT-System auf Kosten der Mitgliedstaaten eingerichtet werden sollte (s. Art. 27 EU-ZustVO 2020 Rz. 4). Das Gewicht dieser Frage wiederum hing ab davon, ob eine bestehende IT-Lösung genutzt oder eine neue IT-Lösung entwickelt werden sollte. Über diese Fragen fand im Rat eine Orientierungsaussprache statt.19 Sie führte im Ergebnis dazu, dass einer obligatorischen elektronischen Kommunikation über ein dezentrales IT-System bei Festlegung einer ausreichenden Übergangsfrist zugestimmt werden könne, wenn auf eine bestehende ITLösung zurückgegriffen würde und die Kommission die Mitgliedstaaten finanziell dadurch entlastet, dass sie eine Referenzimplementierungssoftware als Back-End-Lösung auf ihre Kosten entwickelt und den Mitgliedstaaten kostenfrei zur Verfügung stellt.20 Die hieraus abgeleitete Allgemeine Ausrichtung im Rat entsprach im Kern dem Vorschlag der Kommission, ergänzt um die auch vom Parlament geforderte Priorisierung des Einsatzes des e-CODEX-Systems sowie die redaktionelle Konkretisierung der „Schriftstücke“ als „zuzustellende Schriftstücke“.21 Außerdem sah die Allgemeine Ausrichtung erster Lesung des Rates noch eine Verantwortungsverteilung betreffend den Datenschutz vor, welche im weiteren Verordnungsverfahren in Erwägungsgrund 14 EU-ZustVO 2020 sowie in Art. 31 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 verschoben wurde.
5
3. Anwendungsbereich a) Rechtshilfeverkehr zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen Die Vorschrift gilt unbeschadet ihrer Verortung in Kapitel I (Allgemeine Bestimmungen) in sachli- 6 cher Hinsicht ausschließlich im Rahmen des in Kapitel II, Abschnitt 1 geregelten Rechtshilfeverkehrs. In diese Richtung weist zunächst die Bezugnahme auf die Formblätter in Anhang I. Diese betreffen mit Ausnahme der Formblätter B und C ausschließlich den Rechtshilfeverkehr nach Kapitel II, Abschnitt 1. Die Formblätter B und C unterscheiden sich (bei Berücksichtigung des verfügenden Verordnungstextes)22 von allen sonstigen Formblättern in Anhang I dadurch, dass für sie keine Nutzungspflicht gilt und eine Pflicht, einen bestimmten Kommunikationsweg zu nutzen, welche durch Nichtnutzung eines Formblattes bzw. Nutzung eines abgewandelten Formblattes unterlaufen werden kann, eine allenfalls eingeschränkt sinnvolle Regelung wäre.23 Vor allem ergibt sich die Beschränkung des Anwendungsbereichs auf den in Kapitel II, Abschnitt 1 geregelt Rechtshilfeverkehr aber aus der Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen, die (als solche) in Anwendung der Verordnung ausschließlich im Rahmen von Kapitel II, Ab16 Entgegen dem Kommissionsentwurf zu Art. 2 Abs. 4 lit. c sowie der Erläuterung bei COM(2018) 379 final, S. 13, war diese Ausnahme allerdings nicht in einem Abs. 6, sondern in Abs. 4 zum von der Kommission vorgeschlagenen Art. 3a geregelt. 17 ABl. EU 2019 C 62/59. 18 Cofferati, A8-0001/2019, S. 7, 15 f., 39. 19 Ratsdok. 9566/19 (24.5.2019). 20 Vgl. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 3. 21 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 19 f. 22 Zu den Formblättern I und J vgl. aber jeweils dort die vom verfügenden Verordnungstext abweichende Fn. 1. 23 Wenig konsequent daher jeweils Fn. 1 der Formblätter I und J.
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Art. 5 EU-ZustVO 2020 Von Rechtshilfestellen zu verwendende Kommunikationsmittel schnitt 1 untereinander kommunizieren (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff., 18 ff., Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 ff.). Keine Anwendung findet die Vorschrift danach insbesondere im Rahmen des diplomatischen oder konsularischen Rechtshilfeverkehrs (Art. 16 EU-ZustVO 2020), der Direktzustellung (Art. 17–19 EU-ZustVO 2020) und der unmittelbaren Zustellung (Art. 20 EU-ZustVO 2020). Ob für eine grenzüberschreitende Zustellung der Rechtshilfeweg oder ein anderer Weg gewählt wird, entscheidet die Übermittlungsstelle ohne Rücksicht auf Art. 5 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 2).24 7
In persönlicher Hinsicht erfasst die Vorschrift die Kommunikation zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen, zwischen solchen und Zentralstellen sowie zwischen Zentralstellen. Nur diese Stellen haben Zugang zur Nutzung des dezentralen IT-Systems. Nicht erfasst wird dementsprechend die Kommunikation mit dem Adressaten einer Zustellung (z.B. im Rahmen von Art. 19 EU-ZustVO 2020) oder mit demjenigen, in dessen Interesse eine Zustellung erfolgt. Insbesondere muss weder an den Zustellungsadressaten die Belehrung nach Formblatt L noch an die Zustellungsbehörde des Empfangsmitgliedstaats ein Ersuchen um eine unmittelbare Zustellung (Art. 20 EU-ZustVO 2020) über das dezentrale IT-System übermittelt werden. Ebenfalls nicht erfasst wird die Übermittlung der Formblätter B und C, deren Empfang bzw. Versand durch die ersuchte Behörde und nicht durch eine Empfangs- oder Zentralstelle als solche erfolgt. b) Schriftstücke und Erklärungen
8
Die Vorschrift erfasst gegenständlich nicht die gesamte Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen, sondern erfasst nur die enumerativ benannten Dokumente. Dies wurde im Verordnungsverfahren klargestellt durch Voranstellung des Attributs „zuzustellende“. Hintergrund für diese Beschränkung ist die Verpflichtung der Kommission zur Schaffung und Zurverfügungstellung einer Referenzimplementierungssoftware als Back-End-System (vgl. Art. 27 Abs. 1 EU-ZustVO 2020). Diese soll nicht (nur) vergleichbar einem E-Mail-Programm den angeschlossenen Stellen eine Kommunikation mittels Freitext und Übersendung von Anhängen ermöglichen. Vielmehr soll die Kommunikation (auch) dadurch erleichtert werden, dass die sich aus der Verwendung unterschiedlicher Sprachen ergebenden Hindernisse überwunden werden. Die trotz jüngerer Entwicklungen noch begrenzten Fähigkeiten automatisierter Übersetzungen von Freitext können ausgeglichen werden, indem im Rahmen der Kommunikation auf standardisierte Erklärungen zurückgegriffen wird. Die mit der Einführung von Formularen angestrebte Vereinheitlichung der Kommunikation kann nutzbar gemacht werden dadurch, dass z.B. die von der Übermittlungsstelle in ein Formular der Sprache A eingegebenen Feldtexte bei der Empfangsstelle automatisch in einem Formular der Sprache B ausgegeben werden. Dementsprechend ist der Anwendungsbereich der Vorschrift auf standardisierte Erklärungen beschränkt. Abweichendes gilt nur für die Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks, was sich daraus rechtfertigt, dass dieses nicht an die Empfänger der Übermittlung gerichtet ist, die Übermittlungsstelle hinsichtlich dieses keine Übersetzungspflicht (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 19, s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 31) und die Empfangsstelle keine eine Übersetzung erforderlich machende Prüfpflicht trifft.
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Der Vorschrift unterfällt zunächst die grenzüberschreitende Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks, d.h. desjenigen Schriftstücks, hinsichtlich des nach Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist und welches nach dem Willen der Übermittlungsstelle zugestellt werden soll (vgl. auch Art. 8 Abs. 1 EU-ZustVO 2020). Nach Sinn und Zweck der Regelung erfasst die Vorschrift als zuzustellendes Schriftstück aber nicht nur dieses selbst, sondern auch eine Übersetzung desselben, welche gemeinsam mit dem Schriftstück zugestellt werden soll. Denn auch insoweit geht es um die Übermittlung einer nicht an den Empfänger der Übermittlung (Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen) gerichteten Erklärung. Die von der Vorschrift neben den zuzustellenden Schriftstücken benannten Ersuchen, Bestätigungen, Empfangsbestätigungen, Bescheinigungen und Mitteilungen erfasst die Vorschrift nur, wenn sie standardisiert sind, was der Fall ist, wenn sie unter Verwendung eines der Formblätter in Anhang I auszustellen sind. Erfasste Ersuchen sind solche nach Art. 8 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 i.V.m. Formblatt A, Art. 10 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 24 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 1.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 5 EU-ZustVO 2020
i.V.m. Formblatt E, Art. 11 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 i.V.m. Formblatt I. Als Bescheinigung erfasst werden diejenigen nach Art. 11 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 12 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 und Art. 14 EU-ZustVO 2020 je i.V.m. Formblatt K. Empfangsbestätigungen im Sinne der Norm sind solche nach Art. 10 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 i.V.m. Formblatt D und Art. 10 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 i.V.m. Formblatt H. Durch die Vorschrift als Mitteilungen erfasst werden die Erklärungen nach Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 i.V.m. Formblatt F, Art. 10 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 i.V.m. Formblatt G, Art. 11 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 i.V.m. Formblatt J. Zu Formblatt B und C s. Rz. 6 f. c) Zeitlich (Übergangsfrist) Der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschrift unterscheidet sich vom generellen zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung. Generell erlangen die Regelungen der Verordnung Geltung ab dem 1.7.2022 (s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4). Die Vorschrift findet demgegenüber zeitliche Anwendung erst nach Ablauf einer den Mitgliedstaaten und der Kommission für die Einrichtung und Vorbereitung der elektronischen Kommunikation über das dezentrale IT-System dienenden Übergangsfrist.25 Nach Art. 37 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 gilt die Vorschrift erst ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Zeitraum von drei Jahren nach dem Tag des Inkrafttretens der in Art. 25 EU-ZustVO 2020 genannten Durchführungsrechtsakte folgt. Da der betreffende Durchführungsrechtsakt am zwanzigsten Tag nach der am 15.3.2022 erfolgten Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft tritt (Art. 2 Durchführungs-VO (EU) 2022/423), gilt die Vorschrift erst ab dem 1.5.2025 (s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4). Bis zu diesem Zeitpunkt findet Anwendung weiter Art. 4 EG-ZustVO 2007,26 insbesondere dessen Abs. 2, nach dem die Übermittlung von Schriftstücken und Erklärungen (s. Rz. 8 f.) auf jedem geeigneten Übermittlungsweg erfolgen kann, sofern das empfangene Dokument mit dem versandten Dokument inhaltlich genau übereinstimmt (Originaltreue, vgl. Erwägungsgrund 10 S. 1 EU-ZustVO 2020)27 und alle darin enthaltenen Angaben mühelos lesbar sind (Lesbarkeit).28
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II. Obligatorische Nutzung des dezentralen IT-Systems 1. Grundsatz: Nutzung dezentrales IT-System (Abs. 1 S. 1) Nach Ablauf der Übergangsfrist (s. Rz. 10) müssen die Verpflichteten (s. Rz. 7) untereinander im Grundsatz über das dezentrale IT-System kommunizieren. Diese Verpflichtung bezieht sich gegenständlich nur auf die in Abs. 1 S. 1 enumerativ benannten Erklärungen und Dokumente (s. Rz. 8 f.).29 Inhaltlich richtet sich die Verpflichtung ausweislich des Wortlauts der Vorschrift an diejenige Stelle, welche eine Erklärung bzw. ein Dokument grenzüberschreitend übermitteln will bzw. zu übermitteln hat. Zugleich folgt aus der Vorschrift aber auch, dass der Adressat einer entsprechenden Übermittlung eine auf diesem Weg übermittelte Erklärung bzw. ein auf diesem Weg übermitteltes Dokument entgegennehmen muss und die Entgegennahme nicht ablehnen darf.
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Die Verordnung regelt die Folgen einer Verletzung der Nutzungspflicht weder für das Rechtshilfeverhältnis noch allgemein bezogen auf das Verhältnis der Mitgliedstaaten bzw. das Verhältnis der Mitgliedstaaten zur EU oder das Zustellungsverhältnis (Antragsteller zu Zustellungsadressat). Bezogen auf das Rechtshilfeverhältnis enthält die Verordnung insbesondere nicht die Anordnung, dass unter Verletzung der Verpflichtung zur Nutzung des dezentralen IT-Systems übermittelte Erklärungen und Dokumente zurückgewiesen werden dürfen bzw. unwirksam sind.30 Ein Verstoß gegen Abs. 1 bleibt
12
25 Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 5 EuZustVO Rz. 2. 26 BT-Drucks. 20/1110, 23, 24; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 5 EuZustVO Rz. 2. 27 Vgl. dazu ABl. EG 1997 C 261/30; KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/49; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 4 VO (EG) 1393/2007 Rz. 9. 28 Vgl. dazu ABl. EG 1997 C 261/30; KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/49; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 4 VO (EG) 1393/2007 Rz. 10. 29 Zumindest missverständlich Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 5 EuZustVO Rz. 2: Beschränkung „alternativer Zustellungsformen“ – die Vorschrift betrifft ausschließlich die Übermittlung, nicht dagegen auch die von dieser zu unterscheidende Zustellung. 30 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 5 VO (EU) 2020/1784 Rz. 16.
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Art. 5 EU-ZustVO 2020 Von Rechtshilfestellen zu verwendende Kommunikationsmittel im Rechtshilfeverhältnis folgenlos. Dafür spricht erstens, dass Sinn und Zweck der Nutzungspflicht die Beschleunigung der Kommunikation zur Beschleunigung der Rechtshilfe zur Zustellung ist31 und eine Zurückweisung ebenso wie die Unwirksamkeit einer übermittelten Erklärung eine Verzögerung der Rechtshilfe bewirkte. Es ist insbesondere nicht gerechtfertigt, denjenigen, in dessen Interesse eine Zustellung erfolgen soll, mit den Folgen einer Pflichtwidrigkeit der beteiligten Stellen der Mitgliedstaaten zu belasten. Zweitens spricht hierfür, dass nach Abs. 4 ausnahmsweise andere Kommunikationsmittel genutzt werden können und der jeweilige Adressat einer Übermittlung nicht mit Sicherheit ausschließen kann, dass ein Ausnahmefall vorliegt. Im allgemeinen Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten und im Verhältnis zur EU richten sich die Folgen von (systematischen) Verstößen gegen die Verordnung nach den allgemeinen Grundsätzen. Insbesondere kann die Kommission auf (systematische) Verstöße der Mitgliedstaaten mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens reagieren. Im Zustellungsverhältnis bleibt eine Verletzung der Nutzungspflicht als solche folgenlos. Insbesondere berührt sie nicht die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung. Unberührt bleibt, dass die Verletzung der Nutzungspflicht tatsächlich zu Verzögerungen führt, welche ihrerseits rechtlich relevant (schädlich) sind.32 Entsprechende Verzögerungen können zu Amtshaftungsansprüchen führen.33 2. Ausnahme: Nutzung anderer Kommunikationsmittel (Abs. 4) a) Voraussetzungen 13
Andere Kommunikationsmittel dürfen auch im Anwendungsbereich der Vorschrift (s. Rz. 6 ff.) genutzt werden, dies aber nur, wenn entweder aufgrund einer Störung des dezentralen IT-Systems oder wegen außergewöhnlicher Umstände eine Übermittlung über das dezentrale IT-System nicht möglich ist.34
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Eine Übermittlung unter Nutzung des dezentralen IT-Systems ist wegen einer Störung des dezentralen IT-Systems nicht möglich, wenn dieses nicht bestimmungsgemäß funktioniert und in der Folge eine beabsichtigte Übermittlung nicht (ohne erhebliche zeitliche Verzögerung) erfolgreich bewirkt werden kann. Entscheidend ist damit eine Funktionsstörung, welche den konkret bevorstehenden Übermittlungsvorgang betrifft. Unerheblich ist für die Anwendung des Abs. 4 danach z.B. eine lediglich die Erreichbarkeit des Mitgliedstaats A betreffende Störung, soweit eine Übermittlung zwischen den Mitgliedstaaten B und C erfolgen soll. Die Ursache einer Störung (technischer Fehler, Fehlbedienung, Stromausfall, höhere Gewalt) ist ohne Belang. Beachtlich sind nur Störungen, welche sich für eine gewisse Dauer auf die Möglichkeit zur erfolgreichen Übermittlung auswirken. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Ausnahme im Lichte des Telos der im Regelfall bestehenden Nutzungspflicht. Aus ex ante-Sicht muss zu erwarten sein, dass die Nutzung eines zulässigen anderen Kommunikationsmittels eine erfolgreiche Übermittlung schneller bewirkt, als bei Abwarten einer Störungsbeseitigung zu erwarten ist.35
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Wegen außergewöhnlicher Umstände ist eine Übermittlung über das dezentrale IT-System erstens nicht möglich, wenn sie aus sonstigen Gründen nicht (ohne erhebliche zeitliche Verzögerung) erfolgreich bewirkt werden kann. Entscheidend ist, dass ein entsprechender Hinderungsgrund objektiv vorliegt. Seine Art bzw. Quelle ist ohne Belang. In Betracht kommen gleichermaßen Störungen des Back-End-Systems der sendenden Stelle wie Störungen des Back-End-Systems des Adressaten. Ebenso kommt als Hinderungsgrund in Betracht, dass die eine Übermittlung beabsichtigenden Personen das Back-End-System nicht bedienen können. Weiter kommt in Betracht, dass eine Digitalisierung des zuzustellenden Schriftstücks so zeitintensiv ist, dass eine papiergebundene Übermittlung schneller erfolgreich ist (Erwägungsgrund 15 S. 2 EU-ZustVO 2020).36 Zweitens ist eine Übermittlung nach 31 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 6. 32 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 2. 33 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EG) 1393/2007 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EGZustellVO Rz. 2. 34 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 6; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 5 EuZustVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 16. 35 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 5 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12. 36 Vgl. Peer/Scheuer, zak 2021, 27, 28 mit dem Beispiel, dass die im Einzelfall für eine Digitalisierung (z.B. von großformatigen Plänen) erforderlichen technischen Geräte nicht liquide verfügbar sind; vgl. auch Geimer/
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 5 EU-ZustVO 2020
Sinn und Zweck wegen außergewöhnlicher Umstände über das dezentrale IT-System nicht möglich, wenn trotz erfolgreichem Übermittlungsvorgang aufgrund der Übermittlung über das dezentrale IT-System der beabsichtigte Zustellungserfolg nicht erreicht werden kann. Dies betrifft den Fall, dass nach dem anwendbaren Recht die Zustellung unter Übergabe des Originals des Schriftstücks erfolgen muss37 und – unbeschadet der Regelungen in Abs. 3 und Art. 6 EU-ZustVO 2020 – die Übergabe einer anhand der elektronischen Übermittlung gefertigten Abschrift nicht ausreicht (Erwägungsgrund 15 S. 2 EU-ZustVO 2020; vgl. auch § 45 S. 5 ZRHO).38 b) Rechtsfolgen Soweit der Tatbestand von Abs. 4 erfüllt ist, wird der Verpflichtete (die sendende Stelle, s. Rz. 7, 11) 16 von der Pflicht zur Nutzung des dezentralen IT-Systems befreit. Auch die in den gegenständlichen Anwendungsbereich der Vorschrift fallenden Schriftstücke und Erklärungen können dann, ohne dass hierin ein Verstoß gegen Abs. 1 liegt, unter Verwendung anderer Kommunikationsmittel übermittelt werden. Die Übermittlung kann in diesem Fall wie bereits nach Art. 4 EG-ZustVO 2007 auf jedem geeigneten Übermittlungsweg erfolgen, sofern das empfangene Dokument mit dem versandten Dokument inhaltlich genau übereinstimmt und alle darin enthaltenen Angaben mühelos lesbar sind (s. auch Rz. 10, 18). Unter mehreren zur Verfügung stehenden Kommunikationsmitteln ist unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Zuverlässigkeit und Sicherheit das schnellste und zur Erreichung des angestrebten Zustellungserfolgs am besten geeignete zu wählen (Erwägungsgrund 15 S. 3 EU-ZustVO 2020). Für die Übermittlung von Ersuchen und sonstigen Erklärungen bietet sich in der Regel eine Übersendung per E-Mail oder Telefax an. Hinsichtlich der Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks kann aber auch eine Übermittlung per Post erforderlich sein, damit die Übergabe des Schriftstücks an den Adressaten den Formanforderungen der Zustellungslast genügt.
III. Rechtlicher Rahmen für Einrichtung und Nutzung des dezentralen IT-Systems 1. Allgemeines Damit Schriftstücke und Erklärungen über das dezentrale IT-System übermittelt werden können, muss dieses eingerichtet werden. Die Verantwortung hierfür liegt nach Art. 27 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 teilweise bei der Kommission, im Wesentlichen nach Art. 28 Abs. 1, 2 EU-ZustVO 2020 aber bei den Mitgliedstaaten. Nähere Vorgaben für die Einrichtung des dezentralen IT-Systems enthält Abs. 1. Weitere Anforderungen an die Einrichtung des dezentralen IT-Systems ergeben sich daraus, dass Abs. 2, 3 für die Durchführung der Kommunikation über das dezentrale IT-System auf die Regelungen der eIDAS-VO verweisen. Das dezentrale IT-System muss so eingerichtet sein und genutzt werden, dass unter Berücksichtigung der Regelungen der eIDAS-VO gesichert ist, dass das empfangene Dokument mit dem versandten Dokument inhaltlich genau übereinstimmt und lesbar ist. Nicht notwendig ist allerdings, dass das dezentrale IT-System die Anforderungen an einen qualifizierten Dienst für die Zustellung elektronischer Einschreiben nach Art. 44 eIDAS-VO erfüllt (Erwägungsgrund 11 EU-ZustVO 2020). Darüber hinaus folgt aus Art. 31 EU-ZustVO 2020, dass Einrichtung und Nutzung des dezentralen IT-Systems so erfolgen müssen, dass den Anforderungen des Datenschutzes Rechnung getragen wird.
Schütze/Okonska, Art. 5 VO (EU) 2020/1784 Rz. 14. Vgl. auch (jeweils allerdings, nicht überzeugend, auf die Verhältnismäßigkeit des Aufwands abstellend) SWD(2018) 287 final, S. 42; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 6; Knöfel, RIW 2021, 473, 479; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 5 EuZustVO Rz. 2. 37 Nach h.A. (vgl. Müller-Engels in BeckOGK/BGB (1.4.2023), § 2296 BGB Rz. 18 f.) muss z.B. der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen (§ 2271 Abs. 1 BGB) bzw. der Rücktritt vom Erbvertrag (§ 2296 BGB) unter Übergabe einer Ausfertigung erfolgen. 38 SWD(2018) 287 final, S. 42; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 5 EuZustVO Rz. 2. Vgl. auch Brenn, Art. 4 EZV EinlErl, Anm. b); Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 4 EuZVO Rz. 2; Knöfel, RIW 2021, 473, 479. – A.A. wohl Geimer/Schütze/Okonska, Art. 5 VO (EU) 2020/1784 Rz. 14.
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Art. 5 EU-ZustVO 2020 Von Rechtshilfestellen zu verwendende Kommunikationsmittel 2. Sicherheit, Zuverlässigkeit, Interoperabilität 18
Das dezentrale IT-System ist so einzurichten, dass die über dieses erfolgende Kommunikation sicher und zuverlässig ist. Dabei zielt das Erfordernis der Sicherheit darauf, dass die Übermittlung vertraulich erfolgt, d.h. von unbefugten Außenstehenden, d.h. nicht zum begrenzten Kreis ermächtigter Teilnehmer mit überprüfter Identität gehörender Personen39 nicht eingesehen werden kann. Weiter zielt das Erfordernis der Sicherheit darauf, dass das übermittelte Schriftstück bzw. eine übermittelte Erklärung ohne Inhaltsänderung und gut lesbar, so wie abgesandt, beim Empfänger eingeht (Originaltreue und Lesbarkeit, vgl. Erwägungsgrund 10 S. 1). Das Erfordernis der Zuverlässigkeit zielt darauf, dass die Ausfallquote des dezentralen IT-Systems möglichst gering ist, d.h. das dezentrale IT-System nahezu ununterbrochen voll funktionsfähig ist.
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Das dezentrale IT-System ist zudem so einzurichten, dass es die problemlose und nahtlose Kommunikation zwischen den angeschlossenen (und nicht notwendig angeglichenen)40 nationalen IT-Systemen ermöglicht (Interoperabilität). Abs. 1 S. 2 verweist dazu als Referenz auf die durch das e-CODEX-System ermöglichte Interoperabilität.41 Zugleich hebt Abs. 1 S. 2 das e-CODEX-System als vorzugswürdige Lösung hervor, ohne dass eine abschließende Festlegung auf dieses System erfolgt ist (vgl. auch Erwägungsgrund 10 S. 2 EU-ZustVO 2020). Eine entsprechende Festlegung auf das aus Connector und Gateway (vgl. Erwägungsgrund 11 VO (EU) 2022/850) bestehende e-CODEX-System ist allerdings bis auf Weiteres im Anhang zu Art. 1 Durchführungs-VO (EU) 2022/423 erfolgt. 3. Rechtsrahmen für Nutzung (Abs. 2)
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Nach Abs. 2 gilt für die im Anwendungsbereich der Vorschrift erfolgende Übermittlung von Schriftstücken und Erklärungen der für qualifizierte Vertrauensdienste geltende Rechtsrahmen (Art. 20–24 eIDAS-VO). Dies bedeutet, dass die Mitgliedstaaten ihre an der Kommunikation über das dezentrale IT-System beteiligten Stellen einer entsprechenden Aufsicht unterstellen müssen und die beteiligten Stellen die Anforderungen des Art. 24 eIDAS-VO erfüllen müssen. 4. Substitution von Echtheitszeichen (Abs. 3)
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Abs. 3 ordnet an, dass Unterschriften und Siegel als auf einer papiergebundenen Erklärung angebrachte oder anzubringende Echtheitszeichen nach Maßgabe der Art. 25 ff. eIDAS-VO und Art. 35 ff. eIDAS-VO durch qualifizierte elektronische Signaturen oder qualifizierte elektronische Siegel substituiert werden können. Hierin kommt ein funktionales Verständnis des bei der Übermittlung geltenden Originaltreueerfordernisses zum Ausdruck.
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Aus Abs. 3 ergibt sich nicht, wann eine Unterschrift oder ein Siegel erforderlich ist. Entsprechende Erfordernisse begründet die Verordnung allerdings dort, wo sie anordnet oder voraussetzt, dass eine Erklärung (z.B. ein Formblatt) unterschrieben oder gesiegelt wird. Im Übrigen können sich entsprechende Erfordernisse aus dem eine Zustellungslast begründenden und ausgestaltenden Recht ebenso wie aus dem (auf das Zustellungsverfahren anwendbaren) Recht des Empfangsmitgliedstaats ergeben. Für diesen Fall folgt aus Abs. 3 nicht, dass und inwieweit ein erforderliches Echtheitszeichen substituiert werden muss. Eine entsprechende Verpflichtung kann sich allerdings aus Abs. 1 ergeben, nach dem im Grundsatz obligatorisch elektronisch über das dezentrale IT-System zu kommunizieren ist. Hiervon darf nur ausnahmsweise abgesehen werden (s. Rz. 13 ff.). Als Ausnahme kommt dabei zwar auch in Betracht, dass ein zuzustellendes Schriftstück im Falle seiner elektronischen Übermittlung seine Eignung zur wirksamen Zustellung verliert (s. Rz. 15). Ebenso kommt eine Ausnahme in Betracht, wenn sonst eine zu übermittelnde Erklärung unwirksam ist (vgl. § 623 BGB, s. dazu auch Art. 6 EU-ZustVO 2020 Rz. 8) oder zurückgewiesen werden kann (vgl. § 174 S. 1 BGB). Allerdings greift dieser Ausnahmefall nur, wenn die durch Abs. 3 eröffnete Möglichkeit (i.V.m. der Anordnung in Art. 6 EU-ZustVO 2020) diese Folge nicht ausschließt. Daraus ergibt sich für die in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallenden Formulare, dass sie im Falle der Übermittlung über das dezen39 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 9. 40 Vgl. Eichel, ZVglRWiss 119 (2020), 220, 221. 41 Vgl. Peer/Scheuer, zak 2021, 27, 28.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 6 EU-ZustVO 2020
trale IT-System anstatt zu unterschreiben und/oder zu siegeln mit dem elektronischen Äquivalent zu versehen sind. Weiter ergibt sich daraus, dass bei der Überführung eines papiergebunden zuzustellenden Schriftstücks in ein elektronisches Dokument eine auf dem Papierdokument angebrachtes Echtheitszeichen erforderlichenfalls durch die Anbringung seines elektronisches Äquivalent zu bestätigten/zu wiederholen ist. Aus Abs. 3 ergibt sich nicht, dass und inwieweit qualifizierte elektronische Signatur und qualifiziertes 23 elektronisches Siegel dieselben Wirkungen wie ihr papiergebundenes Pendant haben. Dementsprechend ergibt sich aus Abs. 3 auch nicht, ob und inwieweit die Zustellung eines mit einem entsprechenden Echtheitszeichen verbundenen elektronischen Dokuments oder einer papiergebunden Abschrift desselben den angestrebten Zustellungserfolg herbeiführt. Vielmehr beantworten sich diese Fragen ausgehend von Art. 25 Abs. 2 eIDAS-VO und Art. 35 Abs. 2 eIDAS-VO. Danach kommt einer qualifizierten elektronischen Signatur dieselbe Wirkung wie einer (Original-)Unterschrift zu, und für ein qualifiziertes elektronisches Siegel gilt die Vermutung der Unversehrtheit der Daten und der Richtigkeit der Herkunftsangabe der Daten, mit denen das qualifizierte elektronische Siegel verbunden ist. Dem eine Unterschrift oder ein Siegel voraussetzenden Recht (s. Rz. 22) ist dann (unter Berücksichtigung der Anordnung in Art. 6 EU-ZustVO 2020, s. dazu Art. 6 EU-ZustVO 2020 Rz. 8) zu entnehmen, ob und inwieweit mit einem entsprechenden elektronischen Echtheitszeichen verbundenen Dokumenten dieselbe Wirkung wie dem papiergebundenen Pendant zukommt.42 Für die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Formblätter ist das zu bejahen. Im Übrigen entscheidet das eine Zustellungslast begründende Recht, ob der angestrebte Zustellungserfolg herbeigeführt werden kann durch Übergabe eines mit einem elektronischen Echtheitszeichen versehenen Dokuments.
Artikel 6 Rechtswirkung elektronischer Schriftstücke Den über das dezentrale IT-System übermittelten Schriftstücken darf die Rechtswirkung oder die Zulässigkeit als Beweismittel im Gerichtsverfahren nicht allein deshalb abgesprochen werden, weil sie in elektronischer Form vorliegen. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
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II. Übermittlung eines Schriftstücks über das dezentrale IT-System . . . . . . . . . . . . . .
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1. Schriftstück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übermittlung über das dezentrale IT-System .
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III. Rechts- und Beweiswirkungen . . . . . . . . . 7 1. Geregeltes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Ungeregeltes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Schrifttum: Jandt, Beweissicherheit im elektronischen Rechtsverkehr, NJW 2015, 1205; Roßnagel, Beweiswirkungen elektronischer Vertrauensdienste, MMR 2016, 647. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck Die Vorschrift nimmt in den Blick, dass im Rahmen der nach Ablauf einer Übergangsfrist (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) obligatorischen Kommunikation über das dezentrale IT-System zuzustellende Schriftstücke und Formblätter (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 f.) zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen elektronisch übermittelt werden (vgl. Art. 5 EU-ZustVO 2020), d.h. in 42 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 4.
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Art. 6 EU-ZustVO 2020 Rechtswirkung elektronischer Schriftstücke einem Mitgliedstaat (aufgrund des Anwendungsbereichs der Vorschrift, s. Rz. 5, und der Zweiseitigkeit der Kommunikation nicht notwendig der „Empfangsmitgliedstaat“, s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 f.) nur in elektronischer Form empfangen werden und vorliegen. Als Ergänzung zur Vorgabe einer elektronischen Übermittlung1 stellt die Vorschrift in Anlehnung an Art. 46 eIDAS-VO klar, dass der Umstand, dass Schriftstücke im Mitgliedstaat des Empfangs nur in elektronischer Form vorliegen, nicht rechtfertigt, die Authentizität der Schriftstücke in Frage zu stellen und ihnen daher Rechtswirkungen oder ihre Verwendung als Beweismittel zu versagen. Vielmehr genießen elektronisch empfangene Schriftstücke in gleicher Weise wie papiergebunden empfangene Schriftstücke die Vermutung ihrer Authentizität (s. auch Rz. 8). Dies schafft die Grundlage dafür, dass von der Nutzung des dezentralen IT-Systems nicht mit Rücksicht auf die Erreichung des Übermittlungserfolgs (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 15) abgesehen werden muss (Erwägungsgrund 16 S. 1 EU-ZustVO 2020; vgl. auch Erwägungsgrund 63 eIDAS-VO).2 Es wird, was vielfach Voraussetzung für eine Zustellung unter elektronischer Übermittlung ist, insbesondere gewährleistet, dass ein Empfänger ihm auf elektronischem Weg übermittelte Dokumente nicht anders als ihm papiergebunden übermittelte Dokumenten nicht nur zur eigenen Information, sondern auch als Beweismittel verwenden kann. Grundbedingung und -lage dafür ist nach der Vorschrift, dass die Kommunikation über das dezentrale IT-System nach Art. 5 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 auf der Grundlage der die Sicherheit der Datenübermittlung gewährleistenden eIDAS-VO erfolgt ist. 2. Entstehungsgeschichte 2
Die Vorschrift wurde neu eingefügt, eine Parallelregelung findet sich in der Schwesterverordnung (Art. 8 EU-BewVO 2020).3 Nach den beiden Vorgängerverordnungen konnte die unmittelbare Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen zwar auch elektronisch erfolgen, allerdings war für die direkte Kommunikation zwischen den genannten Stellen nicht die Nutzung eines dezentralen IT-Systems vorgeschrieben. Die elektronische Kommunikation war daher nicht vereinheitlicht und im Regelfall wurden Schriftstücke papiergebunden übermittelt; HZPÜ und HZÜ gehen ohnehin von Letzterem aus (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Bei Erlass der beiden Vorgängerverordnungen bestand daher kein Anlass, eine vergleichbare Vorschrift vorzusehen. Zudem fehlte bei Erlass der Vorgängerverordnungen die Grundlage für eine entsprechende Anordnung, weil die beiden Vorgängerverordnungen keine konkreten Vorgaben für die elektronische Kommunikation und ihre Sicherheit machten.
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Zurück geht die Vorschrift auf Art. 4 Abs. 3 des Kommissionsentwurfs.4 Dieser enthielt in seinem Satz 1 bereits die heutige Regelung und befasste sich ergänzend dazu in (einem mit § 371b ZPO verwandten) Satz 2 mit der Übertragung von papiergebundenen Schriftstücken in eine elektronische Form.5 Der Standpunkt erster Lesung des Parlaments sah eine Reihe von erläuternden und klarstellenden Umformulierungen vor.6 In der vom Rat im Rahmen der ersten Lesung beschlossenen Allgemeinen Ausrichtung wurde an den Kommissionsentwurf angeknüpft. In einen eigenständigen Art. 3aa übernommen wurde dabei unter redaktioneller Überarbeitung dessen Satz 1.7 Nicht übernommen wurde Satz 2 des Kommissionsvorschlags mit der Folge, dass sich – wie auch im Rahmen der eIDAS-VO – das Verfahren der Umwandlung papiergebundener Schriftstück in elektronische Dokumente nach dem Recht des ein Schriftstück übermittelnden Staats, das Verfahren der Umwandlung eines elektronischen Dokuments in ein papiergebundenes Schriftstück nach dem Recht des ein Schriftstück empfangenden Staats und die einem elektronischen Dokument bzw. dem Ausdruck eines
1 COM(2018) 379 final, S. 13. Vgl. auch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 6 EuZustVO Rz. 1. 2 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 6 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 6 EuZustVO Rz. 1. 3 v. Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2022), Art. 8 EG-BewVO 2020 Rz. 1. 4 COM(2018) 379 final, S. 21. Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 6 mit Fn. 10; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 13; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 15 f. 5 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 13. 6 P8_TA-PROV(2019)0104, S. 16 f. (Abänderung 25). 7 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 20.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 6 EU-ZustVO 2020
solchen zukommenden Rechts-, insbesondere Beweiswirkungen nach der lex causae bzw. der lex fori richten (s. Rz. 10 f.).
II. Übermittlung eines Schriftstücks über das dezentrale IT-System Tatbestandlich setzt die Vorschrift lediglich voraus, dass ein Schriftstück (s. Rz. 5) im Anwendungsbereich der Verordnung über das dezentrale IT-System übermittelt wurde (s. Rz. 6). Sie findet danach keine Anwendung, wenn über das dezentrale IT-System Schriftstücke außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung übermittelt werden. Dies betrifft z.B. die Übermittlung von Schriftstücken in Zoll- und Steuersachen. Insbesondere betrifft dies aber auch die Übermittlung von Schriftstücken im Rahmen der EU-BeweisVO 2020, für welche allerdings Art. 8 EU-BeweisVO 2020 eine inhaltsgleiche Anordnung enthält. Hintergrund der funktionalen Ausrichtung auf eine Übermittlung im Anwendungsbereich der Verordnung ist, dass die Vorschrift im Zusammenhang steht mit den Vorgaben der Verordnung für die Durchführung der Kommunikation über das dezentrale IT-System, die ihrerseits nur im Anwendungsbereich der Verordnung Anwendung finden. Auch erfasst die Vorschrift nicht in Anwendung von Art. 19 EU-ZustVO 2020 elektronisch übermittelte Schriftstücke (s. Rz. 6 a.E.).
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1. Schriftstück Schriftstück ist eine gespeicherte Gedankenerklärung, ohne Rücksicht auf ihren Aussteller, die Form 5 der Speicherung, den Inhalt der Gedankenerklärung und die ihr zukommenden Beweiswirkungen. Die Vorschrift gilt nicht nur für öffentliche Urkunden, sondern ohne Rücksicht auf den Urheber eines Schriftstücks. Danach findet sie Anwendung insbesondere auch auf die Übermittlung außergerichtlicher Schriftstücke (Art. 21 EU-ZustVO 2020). Die Vorschrift erfasst anders als Art. 46 eIDASVO nicht lediglich Schriftstücke, welche in elektronischer Speicherung vorliegen. Abweichendes folgt nicht daraus, dass sich über das dezentrale IT-System nur elektronische Informationen übermitteln lassen. Denn Schriftstück im Sinne der Vorschrift ist diejenige Speicherung einer Gedankenerklärung, welche nach dem Willen der übermittelnden Stelle übermittelt werden soll bei Ausblendung einer zum Zweck der Übermittlung gegebenenfalls erforderlichen Übertragung in eine elektronische Speicherung. Gerade in der Ausblendung der im Rahmen der Nutzung des dezentralen IT-Systems erforderlichen Übertragung von papiergebundenen Schriftstücken in die elektronische Form liegt die Bedeutung der Vorschrift und reicht diese über Art. 46 eIDAS-VO hinaus. Die Vorschrift findet Anwendung nicht allein auf Schriftstücke mit bestimmtem Inhalt oder bestimmter Funktion. Sie erfasst danach gleichermaßen das den Anwendungsbereich der Verordnung eröffnende, grenzüberschreitend zuzustellende Schriftstück sowie die nach der Verordnung zwischen Ursprungs- und Empfangsmitgliedstaat (in die eine oder andere Richtung) zu übermittelnden Formblätter (insbesondere auch Bescheinigung über die Zustellung) und sonstigen Erklärungen.8 2. Übermittlung über das dezentrale IT-System Die Vorschrift setzt voraus, dass ein Schriftstück (s. Rz. 5) über das dezentrale IT-System übermittelt wurde. Dagegen findet sie keine Anwendung, wenn ein Schriftstück nach Art. 5 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 auf sonstigem Weg übermittelt wurde und der Empfangsstelle in der Folge in elektronischer Form vorliegt.9 Entscheidend für die Anwendung der Vorschrift ist, dass ein Schriftstück im Rahmen der direkten Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen unter bestimmungsgemäßer Verwendung der Infrastruktur des dezentralen IT-Systems erfolgt ist. Nicht erforderlich ist, dass die bestimmungsgemäße Verwendung der Infrastruktur des dezentralen IT-Systems im Einzelfall im Einklang mit Art. 5 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 erfolgt ist. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift sowie aus ihrer Funktion, pauschalen Zweifeln an der Sicherheit elektronischer
8 Zu Art. 8 EG-BewVO 2020 vgl. auch v. Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2022), Art. 8 EG-BewVO 2020 Rz. 3: Anlagen. 9 Zu Art. 8 EG-BewVO 2020 so auch v. Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2022), Art. 8 EG-BewVO 2020 Rz. 2.
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Art. 6 EU-ZustVO 2020 Rechtswirkung elektronischer Schriftstücke Kommunikation entgegen zu treten. Die Geltendmachung konkreter Zweifel wird durch die Vorschrift nicht ausgeschlossen, weshalb kein Grund dafür besteht, das Fehlen konkreter Fehler zum Tatbestandsmerkmal zu erheben. Aufgrund des Erfordernisses einer Übermittlung unter Nutzung des dezentralen IT-Systems zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen findet die Vorschrift keine Anwendung auf die Übermittlung eines Schriftstücks im Wege der elektronischen Direktzustellung einschließlich der hierbei vorgesehenen Übermittlung einer Empfangsbestätigung.10
III. Rechts- und Beweiswirkungen 1. Geregeltes 7
Soweit der Tatbestand der Norm (s. Rz. 4 ff.) erfüllt ist, darf einem in elektronischer Form vorliegenden Schriftstück die Rechtswirkung oder die Zulässigkeit als Beweismittel nicht allein deshalb abgesprochen werden, weil es (lediglich) in elektronischer Form vorliegt.11 Beschränkt ist diese Anordnung danach insbesondere nur auf diejenige elektronische Fassung, welche über das dezentrale IT-System empfangen wurde und sie gilt nicht mehr für die nach einer erneuten (innerstaatlichen) Übermittlung vorliegende Fassung; unberührt bleiben die insoweit maßgeblichen nationalen Regeln. Alle Mitgliedstaaten und nicht nur der Empfangsmitgliedstaat sind allerdings an die Anordnung gebunden, damit insbesondere der Empfänger das Schriftstück in der gesamten EU als Beweismittel verwenden kann.
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Den über das dezentrale IT-System übermittelten Schriftstücken darf nicht aufgrund der Form, in welcher sie vorliegen, oder aufgrund der Art ihrer Übermittlung pauschal ihre Rechtserheblichkeit abgesprochen werden. Z.B. darf ein Ersuchen der Übermittlungsstelle nicht aufgrund der Art der Übermittlung als unbeachtlich oder als formfehlerhaft beanstandet werden.12 Ebenso wenig dürfen derart übermittelte Schriftstücke aufgrund eines übermittlungsbedingten Formwandels durch Gebundene (s. Rz. 7, 9) als nicht formgerecht angesehen werden, solange der übermittlungsbedingte Formwandel unter Berücksichtigung der Sicherheitsgewähr der erfolgten Umwandlungsvorgänge und des Übermittlungsverfahrens die das betroffene Formgebot tragenden Formzwecke nicht tangiert. Z.B. besteht kein Anlass ein im Empfangsmitgliedstaat als beglaubigte (Papier-)Abschrift einer im Ursprungsmitgliedstaat formgerecht abgegebenen Kündigungserklärung nach § 132 BGB zugestelltes Schriftstück wegen § 623 Halbs. 2 BGB als formunwirksam anzusehen. Einem (lediglich) in elektronischer Form vorliegenden Schriftstück, wurde es über das dezentrale IT-System übermittelt, darf auch nicht pauschal aufgrund der Art seiner Speicherung (elektronisches Dokument) oder der Art seiner Übermittlung (Nutzung des dezentralen IT-Systems) die Authentizität abgesprochen werden.13 Vielmehr besteht die Vermutung der Authentizität mit dem Ausgangsschriftstück und dem in elektronischer Form vorliegenden Schriftstück müssen dem Grund nach in jedem Mitgliedstaat Beweiswirkungen zukommen.14 Die Vorschrift wendet sich aber jeweils nur gegen pauschale Angriffe auf die Authentizität eines elektronischen Dokuments. Sie schließt weder aus, dass das im empfangenden Mitgliedstaat anzuwendende Recht die elektronischen Dokumenten zukommende Beweiskraft generell (unter Beachtung von Effektivitätsgrundsatz und dem Gebot der Nichtdiskriminierung) an das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen bindet und das erkennende Gericht deren Vorliegen prüft.15 Noch wird ausgeschlossen, dass gegenüber der Authentizität eines elektronischen Dokuments konkrete Einwendungen erhoben und diese vom erkennenden Gericht im Rahmen der nichtdiskri-
10 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 6 EuZustVO Rz. 2. 11 A.A. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 6 EuZVO 2022 Rz. 1: regelt Fragen der Beweiswürdigung nicht (ohne freilich anzugeben, was die Vorschrift sonst regelt). 12 Zu Art. 8 EG-BewVO 2020 vgl. auch v. Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2022), Art. 8 EG-BewVO 2020 Rz. 3. 13 Knöfel, RIW 2021, 473, 479. 14 Vgl. Jandt, NJW 2015, 1205; Roßnagel, MMR 2016, 647, 648. Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-BewVO Rz. 10. 15 A.A. Knöfel, RIW 2021, 473, 479: Echtheitsvermutung.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 6 EU-ZustVO 2020
minierenden und verhältnismäßigen Anwendung des anwendbaren Rechts berücksichtigt, gewürdigt und beschieden werden. Unbeschadet des auf ein Gerichtsverfahren verweisenden Wortlauts ist die Vorschrift nicht nur im Rahmen von Gerichtsverfahren zu beachten. Vielmehr entfaltet sie gleichermaßen Wirkungen im Rahmen von vor Behörden geführten Verwaltungsverfahren. Der engere Wortlaut der Vorschrift beruht allein darauf, dass unter Berücksichtigung der Rechtsweggarantie letztverbindlich über Rechtsund Beweiswirkungen Gerichte entscheiden. Aus ihm ist nicht abzuleiten, dass im vorgerichtlichen Rechtsverkehr die Vorschrift nicht wirken würde. Vielmehr sind die Vorgaben der Vorschrift auch im Rechtsverkehr zwischen Privaten sowie zwischen Privaten und Behörden in dem Maße zu beachten, in dem sie von einem zwischen den Privaten oder zwischen einem Privaten und einer Behörde entscheidenden Gericht zu beachten sind.
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2. Ungeregeltes Die Vorschrift regelt (abweichend vom Kommissionsentwurf, s. Rz. 3)16 nicht, ob und welche Rechts-, insbesondere Beweiswirkungen einem Schriftstück im Ursprungs-, Empfangs- oder einem sonstigen Mitgliedstaat zukommen (Erwägungsgrund 16 S. 2 EU-ZustVO 2020). Sie sieht insbesondere nicht vor, dass einem übermittelten Schriftstück (vor oder nach Formwechsel) dieselben Beweiswirkungen wie dem Ausgangsschriftstück zukommen.17 Sie gibt auch nicht vor, dass ein übermitteltes Schriftstück ohne Rücksicht auf die einem Formgebot zugrunde liegende Zwecke (vor und nach Formwandel gleichermaßen) als formgerecht angesehen wird (s. auch Rz. 8). Ebenso wenig sieht sie vor, dass einem übermittelten Schriftstück (vor oder nach Formwechsel) die einem elektronischen Schriftstück nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zukommenden Rechts-, insbesondere Beweiswirkungen zukommen. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten auch nicht, einem elektronisch übermittelten Schriftstück (vor oder nach Formwechsel) eine besondere (gesetzliche) Beweiskraft beizumessen, sondern lässt genügen, dass das Schriftstück unbeschadet seiner Form überhaupt als Beweismittel in Betracht kommt und gewürdigt wird. Welche Rechtswirkungen einem elektronisch übermittelten Schriftstück (vor bzw. nach Formwechsel) zukommen, richtet sich nach der lex causae sowie danach, ob ein elektronisch übermitteltes Schriftstück das von einer Vorschrift vorausgesetzte Schriftstück ist oder ein solches substituieren kann.18 Welche Beweiswirkungen einem elektronisch übermittelten Schriftstück (vor bzw. nach Formwechsel, dazu vgl. z.B. § 371b ZPO, § 416a ZPO) zukommen, richtet sich nach dem jeweils auf das Verfahren, in dem die Beweiswirkungen greifen sollen, anwendbaren Recht (vgl. Erwägungsgrund 16 S. 3 EU-ZustVO 2020).19
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Ebenso wenig regelt die Vorschrift (abweichend von den Vorstellungen des Parlaments)20 ein beson- 11 deres Verfahren, in welchem elektronisch übermittelte Schriftstücke in papiergebundene Schriftstücke unter Erhaltung der dem elektronischen Dokument zukommenden Beweiswirkungen übertragen (Formwandel) werden können (vgl. Erwägungsgrund 16 S. 3 EU-ZustVO 2020; s. aber auch Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 21 ff.).21 Dies richtet sich vielmehr nach dem von der übertragenden Stelle anzuwendenden Recht.22 Durch die Vorschrift nicht geregelt wird auch, welche Beweiswirkungen einem Ausdruck des elektronisch übermittelten Schriftstücks (im Mitgliedstaat des Empfangs) zukommen (s. Rz. 10). Aus ihr ergibt sich lediglich, dass auch einem solchen Ausdruck Beweiswirkungen zukommen müssen, wenn seine Erstellung im Rahmen der rechtshilfeverfahrensbezogenen Kommunikation erforderlich war (s. auch Rz. 5, 10).
16 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 13. 17 A.A. Richter, IPRax 2022, 433, 437: „(Beweis-)Wert des Schriftstücks von der Übermittlungsform nicht beeinträchtigt“. 18 Vgl. Peer/Scheuer, zak 2021, 27, 28. 19 Knöfel, RIW 2021, 473, 479; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 6 EuZustVO Rz. 1. Zu Art. 8 EG-BewVO 2020 v. Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2022), Art. 8 EG-BewVO 2020 Rz. 4. 20 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 13. 21 Knöfel, RIW 2021, 473, 479; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 6 EuZustVO Rz. 1. 22 Zu Art. 8 EU-BewVO 2020 v. Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2022), Art. 8 EG-BewVO 2020 Rz. 5.
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Art. 7 EU-ZustVO 2020 Unterstützung bei der Ermittlung von Anschriften
Artikel 7 Unterstützung bei der Ermittlung von Anschriften (1) Ist die Anschrift der Person, der das gerichtliche oder außergerichtliche Schriftstück in einem anderen Mitgliedstaat zuzustellen ist, nicht bekannt, so leistet der andere Mitgliedstaat bei der Ermittlung der Anschrift in mindestens einer der folgenden Weisen Unterstützung: a) Angabe benannter Behörden, an welche die Übermittlungsstellen Anfragen um die Ermittlung der Anschrift des Empfängers des Schriftstücks richten; b) Erlaubnis für Personen aus anderen Mitgliedstaaten, Auskunftsanfragen zu Anschriften von Empfängern, auch auf elektronischem Wege, mittels eines auf dem Europäischen Justizportal verfügbaren Standardformulars, direkt an Wohnsitzregister oder andere öffentlich zugängliche Datenbanken zu richten; oder c) Bereitstellung ausführlicher Informationen im Europäischen Justizportal darüber, wie Anschriften von Empfängern ermittelt werden können. (2) Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission folgende Angaben mit, damit diese im Europäischen Justizportal zugänglich gemacht werden: a) die Mittel, mit denen der Mitgliedstaat in seinem Hoheitsgebiet nach Absatz 1 Unterstützung leistet; b) gegebenenfalls Name und Kontaktdaten der in Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Behörden; c) die Angabe, ob die Behörden des Empfangsmitgliedstaats auf eigene Initiative Auskunftsersuchen an Wohnsitzregister oder andere Datenbanken für Informationen über Anschriften richten, wenn die im Zustellungsantrag angegebene Anschrift nicht richtig ist. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission jede Änderung der in Unterabsatz 1 genannten Angaben mit. I. 1. 2. 3.
Allgemeines . . . . . . Normzweck . . . . . . Entstehungsgeschichte Anwendungsbereich .
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II. Pflicht zur Einrichtung und Unterhaltung einer Unterstützungsform . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Amtshilfe für die Übermittlungsstellen (lit. a) 3. Unmittelbares Auskunftsersuchen mittels Standardformular (lit. b) . . . . . . . . . . . . 4. Detaillierte Informationen über Möglichkeiten zur Anschriftenermittlung . . . . . . . .
1 1 4 6 10 10 12 16
III. Mitteilungspflicht gegenüber der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mittel der Adressermittlung (lit. a) . . . . . 3. Name und Kontaktdaten der zuständigen Stelle (lit. b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aufklärung über amtswegige Ermittlungen (lit. c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Mitteilungen der Mitgliedstaaten . . . . . 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonstige Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . .
. . 22 . . 22 . . 25 . . 27 . . . .
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28 29 29 31
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Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Bereits für Zustellungen im Inland erweist sich als Hürde, dass der eine Zustellung anordnenden Stelle und demjenigen, in dessen Interesse eine Zustellung erfolgt, möglicherweise die aktuelle (sich infolge eines Umzugs geänderte)1 Anschrift des Zustellungsempfängers nicht bekannt ist.2 Zum Abbau dieser Hürde wird in vielen Mitgliedstaaten das Meldewesen fruchtbar gemacht. Z.B. kann in 1 Daneben verweist SWD(2018) 287 final, S. 44 als besonders relevanten Anwendungsfall auf die Verfolgung nichtvertraglicher Ansprüche gegen natürliche Personen.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 7 EU-ZustVO 2020
Deutschland von demjenigen, in dessen Interesse eine Zustellung erfolgt, bei der Meldebehörde (des letzten bekannten Wohnsitzes) eine Auskunft eingeholt werden, aus der ein von der betroffenen natürlichen Person gemeldeter Umzug und gegebenenfalls die neue Anschrift ersichtlich werden (vgl. § 44 BMG). Auf diesem Weg kann vielfach die aktuelle Anschrift einer natürlichen Person ermittelt und dem Gericht zum Zweck eines (erneuten) Zustellungsversuchs mitgeteilt werden. Zur Ermittlung der Anschrift von juristischen Personen und Personengesellschaften können Genossenschafts-, Handels-, Partnerschafts-, Unternehmens- bzw. Vereinsregister fruchtbar gemacht werden. Für grenzüberschreitende Zustellungen besteht im Ausgangspunkt dieselbe Hürde. Sie erweist sich al- 2 lerdings als ungleich höher, weshalb die Ermittlung der aktuellen Anschrift des Adressaten zu den klassischen Problemen für grenzüberschreitende Zustellungen gehört.3 Es besteht kein unionsweites Melderegister. Auch sind die nationalen Melderegister miteinander nicht verknüpft, weshalb im Falle eines grenzüberschreitenden Umzugs die neue Anschrift beim Melderegister des letzten bekannten Wohnsitzes gegebenenfalls nicht in Erfahrung gebracht werden kann. In manchen Mitgliedstaaten (z.B. Frankreich) wird ein Melderegister nicht geführt.4 Soweit solche Register geführt werden, bestehen zwischen den Mitgliedstaaten rechtliche Unterschiede in Bezug auf die Möglichkeit zur Einsichtnahme. Aus dem Ursprungsmitgliedstaat heraus ist vielfach nicht liquide ersichtlich, auf welchem Weg (z.B. bei welcher ausländischen Behörde) auf ein ausländisches Register zugegriffen werden kann. Zudem setzt die Kommunikation mit einer ausländischen Auskunftsstelle häufig Fremdsprachenkenntnisse voraus. Etwas einfacher gestaltet sich immerhin die Recherche von Unternehmensdaten (über das Europäische Justizportal5 ist eine europaweite Suche in den vernetzten Unternehmensregistern möglich). Gegenstand der Vorschrift ist die Schließung der beschriebenen Lücke.6 Die bei grenzüberschreiten- 3 den Zustellungen sich aus der Unkenntnis der aktuellen Anschrift des Zustellungsempfängers ergebenden Hürden für die Erreichung des Zustellungserfolgs sollen abgebaut werden.7 Dies dient zunächst dem Recht des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz, weil es Zustellungsadressaten erschwert wird, sich z.B. durch einen (grenzüberschreitenden) Umzug der Möglichkeit einer belastende Rechtswirkungen auslösenden Zustellung zu entziehen. Zugleich werden im Interesse des Zustellungsadressaten die Fällen vermindert, in denen er insbesondere über einen Rechtsstreit nicht effektiv informiert ist.8 Die Vorschrift verpflichtet dazu die Mitgliedstaaten, mindestens eine von drei enumerativ benannten Maßnahmen zu ergreifen und mindestens eine der drei Unterstützungsformen zu etablieren.9 Dagegen verpflichtet die Vorschrift die Mitgliedstaaten nicht im Einzelfall, eine in Abs. 1 vorgesehene Unterstützung zu leisten und begründet kein subjektives öffentliches Recht hierauf.10 Ein subjektives öffentliches Recht im Einzelfall besteht vielmehr nur nach Maßgabe der Etablierung eines Unterstützungswegs durch einen Mitgliedstaat (s. Rz. 10). Dass die Vorschrift eher einer Richtlinie als einer Verordnung entsprechende Wirkungen zeitigt, ergibt sich unbeschadet des auf einen Anlass im Einzelfall bezogenen Wortlauts des Einleitungssatzes von Abs. 1 daraus, dass alle drei Unterstützungswege gleichwertig sind und lit. c eine vom Einzelfall abgelöste Unterstützung vorsieht. 2 Vgl. European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, S. 56. 3 Vgl. Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2022, 97, 107. 4 Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 31; Frankreich, Ratsdok. 6067/19 (5.3.2019), S. 76. 5 https://e-justice.europa.eu : Register – Unternehmensregister, Insolvenzregister und Grundbücher : Unternehmensregister – Suche nach einem Unternehmen in der EU. 6 Abw. COM(2013) 858 final, S. 8: Klärung, was unter „erforderlichen Maßnahmen“ i.S.v. Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO zu verstehen ist – freilich steht die Vorschrift nicht allein im Zusammenhang mit der Zustellung verfahrenseinleitender Schriftstücke. – Die Neufassung begrüßend Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 51 f. 7 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 8, 9. 8 SWD(2018) 287 final, S. 44. 9 COM(2018) 379 final, S. 13. 10 A.A. wohl Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 7 EuZVO 2022 Rz. 3.
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Art. 7 EU-ZustVO 2020 Unterstützung bei der Ermittlung von Anschriften 2. Entstehungsgeschichte 4
Die Vorschrift wurde neu eingefügt.11 Weder enthält das HZÜ12 noch enthielten die EG-ZustVO 2000 oder die EG-ZustVO 2007 Regelungen zur Ermittlung der aktuellen Anschrift des Adressaten in einem anderen Mitgliedstaat (anders z.B. Art. 51 Abs. 2 lit. b, 53, 61 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a, 62, 63 EG-UntVO13). Vielmehr fanden die beiden Vorgängerverordnungen wie das HZÜ keine Anwendung, wenn die Anschrift des Empfängers unbekannt war.14 Erwies sich die von der Übermittlungsstelle angegebene Anschrift als unrichtig, musste die Empfangsstelle daher ebenso wenig wie die Zentralstelle im Empfangsmitgliedstaat die richtige (aktuelle) Anschrift des Empfängers ermitteln, sie war zu Nachforschungen allerdings berechtigt.15 Sie konnte auch Hinweise dazu geben, wie eine aktuelle Anschrift ermittelt werden kann.16 Erwogen wurde zudem, dass das Gericht des Forummitgliedstaats, welches eine Zustellung bewirken will, ein Gericht des Empfangsmitgliedstaats auf der Grundlage der EG-BewVO 2001 um die Ermittlung der aktuellen Anschrift des Adressaten ersucht.17 Hiergegen sprachen aber Art. 4 Abs. 1 lit. b EG-BewVO 2001 und der Umstand, dass eine Anschriftenermittlung ihrem Wesen nach keine Beweisaufnahme ist.18 In der Praxis wurden Auskunftsersuchen vielfach auch einfach an die Zentralstellen gerichtet in der Erwartung, diese werde behilflich sein.19 Freilich gehörte (und gehört) dies nicht zu ihren Aufgaben.20
5
Die Rechtslage zu klären und die beschriebene Lücke zu schließen, war ein wichtiges Anliegen der Überarbeitung der EG-ZustVO 2007.21 Bereits der Evaluationsbericht zur EG-ZustVO 2007 regte dies an.22 Dementsprechend sah der Kommissionsentwurf als neuen Art. 3c hierfür eine wesentliche Teile der geltenden Vorschrift enthaltende Regelung vor.23 Die Hilfestellung nach Abs. 1 lit. a war dabei noch als Rechtshilfe unmittelbar für ein mit einem Verfahren befasstes Gericht konzipiert.24 Das Parlament schlug in seinem Standpunkt erster Lesung neben einer redaktionellen Änderung in Abs. 2 vor, in Abs. 1 eine kurze Frist zur Erfüllung der Unterstützung vorzugeben und in lit. c aufzunehmen, dass die zur Verfügung zu stellenden Informationen im Internet verfügbar sein sollten.25 Beides sollte 11 12 13 14 15 16 17
18 19 20
21 22 23 24 25
Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 7 EuZVO 2022 Rz. 1. Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EG) 1393/2007 Rz. 33. Dazu Knöfel, RIW 2021, 473, 477 und s. auch Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 81. ABl. EG 1997 C 261/29; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 41; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 18. OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 24 f.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 21; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 18 f.; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 12. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 12. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 50; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.48. Vgl. auch COM(2013) 858 final, S. 8; Knöfel, RIW 2021, 473, 477. – Dagegen zuletzt aber EuGH v. 9.9.2021 – C-208/20, C-256/20, ECLI:EU:C:2021:719 Rz. 24 ff. – Toplofikatsia Sofia EAD u.a. COM(2013) 858 final, S. 8; EuGH v. 9.9.2021 – C-208/20, C-256/20, ECLI:EU:C:2021:719 Rz. 26 f. – Toplofikatsia Sofia EAD u.a.; Knöfel, RIW 2021, 473, 477. – A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 50; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.48. COM(2013) 858 final, S. 8, 10 f.; Knöfel, RIW 2021, 474, 477. Ein solches Vorgehen nahelegend Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 1 EuZVO Rz. 42. ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg.; Brenn, Art. 3 EZV Anm. b); Knöfel, RIW 2021, 474, 477; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 3 EuZVO Rz. 1; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.45. Dies zu ändern, schlug vor MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 22 f. COM(2018) 379 final, S. 8. Empfohlen von Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 6. COM(2013) 858 final, S. 8 f. In diese Richtung bereits zum Vorschlag für eine EG-ZustRL auch die Stellungnahme des EWSA, ABl. 1999 C 368/47, Ziff. 4.2. COM(2018) 379 final, S. 20. COM(2018) 379 final, S. 20. – SWD(2018) 287 final, S. 44 benannte alternativ auch die Übermittlungsstellen als zu einem Ersuchen befugt. Cofferati, A8-0001/2019, S. 18 f.; T8-0104/2019, Abänderungen 22 und 23.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 7 EU-ZustVO 2020
die Gewährung der Unterstützung beschleunigen, passte allerdings nicht zu den vom Kommissionsvorschlag vorgegebenen Unterstützungsformen (eine einzelfallbezogene Erledigungsfrist passt nicht zu abstrakten Hinweisen, wie sie lit. c fordert; eine Veröffentlichung der Informationen nach lit. c im Internet war bereits der Bereitstellung über das Europäische Justizportal immanent). Die Beratungen im Rat führten zu einer Reihe redaktioneller Änderungen; insbesondere wurde Abs. 1 lit. a in Anlehnung an Abs. 1 lit. b und lit. c dahin gefasst, dass die Norm nicht eine Verpflichtung zur Unterstützung im Einzelfall, sondern zur Einrichtung und Unterhaltung einer Unterstützungsform begründet. Zudem wurde Abs. 1 lit. a in Anlehnung an Art. 8 EU-ZustVO 2020 dahin gestaltet, dass Ersuchen durch die Übermittlungsstellen anzubringen sind. Außerdem wurde Abs. 2 um Unterabs. 1 lit. c ergänzt, um überflüssige Auskunftsersuchen zu vermeiden. Die zur Anschriftenermittlung nach Abs. 1 Berechtigten sollen wissen, ob ein Empfangsmitgliedsstaat bereits von Amts wegen eine Adressermittlung (fruchtlos) durchgeführt hat, damit sie sich in diesem Fall eine (regelmäßig ebenfalls) fruchtlose eigene Adressermittlung auf demselben Weg ersparen können. 3. Anwendungsbereich Unbeschadet des insoweit missverständlichen Art. 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 hat die Vorschrift kei- 6 nen Anwendungsbereich im eigentlichen Sinne, weil sie den Mitgliedstaaten losgelöst von einem konkreten Anlass bzw. Einzelfall und damit auch unabhängig von der genutzten oder vorgesehenen Übermittlungsart (Rechtshilfe oder andere) auferlegt,26 mindestens einen der vorgesehenen Unterstützungswege einzurichten (s. Rz. 10 ff.) und ergänzend dazu der Kommission bestimmte Informationen zu übermitteln (s. Rz. 22 ff.). Dies zeigt sich insbesondere in der Unterstützungsform des Abs. 1 lit. c („Bereitstellung“), letztlich aber auch bei Abs. 1 lit. a („Angabe“) und Abs. 1 lit. b („Erlaubnis“). Durch Art. 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 angesprochen wird daher nicht der Anwendungsbereich der Vorschrift, sondern es wird letztlich klargestellt, dass eine Unterstützung bei der Anschriftenermittlung auch für den dort beschriebenen Bereich einzurichten ist bzw. (zu Abs. 1 lit. a, b) auch in dem in Art. 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 angesprochenen Fall der Anwendungsbereich der in Erfüllung von Abs. 1 durch die Mitgliedstaaten zu etablierenden Unterstützungsmittel eröffnet sein muss. Der für die zu etablierenden Unterstützungsmittel (Abs. 1 lit. a, b) mindestens vorzusehende An- 7 wendungsbereich und der Bereich, in welchem sich die Angaben nach Abs. 1 lit. c als geeignet (hilfreich) erweisen müssen, entspricht im Ausgangspunkt dem für das Nutzenkönnen (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 f.) der Verordnung. Es muss in einer Zivil- und Handelssache ein (gerichtliches oder außergerichtliches) Schriftstück (grenzüberschreitend) zuzustellen sein (nicht notwendig zwingend) aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff., 29 ff., 33 ff.). Weiter muss eine Anschriftenermittlung zu dem Zweck, eine solche Zustellung zu bewirken, objektiv erforderlich und subjektiv bestimmt sein. Keine Unterstützung muss dagegen gewährt werden bzw. nicht geeignet (hilfreich) müssen die Angaben nach Abs. 1 lit. c sein, wenn eine Anschriftenermittlung anderen Zwecken, z.B. der Ermöglichung des Vollstreckungszugriffs dienen soll (nach Abs. 1 lit. c muss daher nicht auf § 802l ZPO hingewiesen werden). Partiell reicht der für die einzurichtenden Unterstützungsmittel (Abs. 1 lit. a, b) mindestens vorzu- 8 sehende Anwendungsbereich bzw. der Bereich, für den sich Angaben nach Abs. 1 lit. c als geeignet erweisen müssen, über den generellen Anwendungsbereich der Verordnung hinaus. Während die Verordnung im Allgemeinen nach Art. 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 keine Anwendung findet, wenn die aktuelle Anschrift des Adressaten eines Schriftstücks nicht bekannt ist, gilt dies ausdrücklich nicht für Art. 7 EU-ZustVO 2020 bzw. genauer nicht für die nach dieser Vorschrift zu etablierende Unterstützung (s. Rz. 6). Hintergrund dafür ist, dass die Unterstützung gerade auch dazu dienen soll, die Unkenntnis von der aktuellen Anschrift des Adressaten eines Schriftstücks auszuräumen. Ohne Kenntnis der aktuellen Anschrift des Adressaten lässt sich allerdings nicht das den Anwendungsbereich der Verordnung eröffnende Merkmal feststellen, dass eine grenzüberschreitende Zustellung erfolgen soll/erforderlich ist. Denn dieses Erfordernis des Art. 1 Abs. 1 S. 1 EU-ZustVO 2020 wird gerade durch den auch in Art. 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 angesprochenen Umstand mitbestimmt (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 39 ff., 59 ff.). Ausgehend von dieser Überschneidung von Art. 1 Abs. 1 S. 1 EU-ZustVO 2020 26 Übersehen von Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 7 EuZVO 2022 Rz. 2; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 34; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 7 EuZustVO Rz. 1.
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Art. 7 EU-ZustVO 2020 Unterstützung bei der Ermittlung von Anschriften und Art. 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 ist Art. 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 dahin auszulegen, dass für die einzurichtenden Unterstützungsmittel der Anwendungsbereich bereits dann eröffnet sein muss, wenn eine grenzüberschreitende Zustellung in Betracht kommt, sollte eine aktuelle Anschrift in dem Mitgliedstaat, welcher um Unterstützung bei der Anschriftenermittlung ersucht wird, ermittelt und in der Folge die Verordnung auch über Art. 7 EU-ZustVO 2020 bzw. die auf dessen Grundlage eingerichtete Unterstützung hinaus anwendbar werden.27 9
Zugleich ist der Bereich, für den die einzurichtenden Unterstützungsmittel eröffnet sind (Abs. 1 lit. a, b) bzw. sich als geeignet erweisen müssen (Abs. 1 lit. c), entgegen teilweiser Ansicht28 nicht auf die von Art. 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 angesprochenen Fälle beschränkt. Unterstützung soll nicht nur erreichbar sein, wenn die Anschrift des Zustellungsempfängers i.S.v. Art. 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 unbekannt ist, sondern erst recht in den Fällen, in denen eine Anschrift lediglich unvollständig (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 62) ist.
II. Pflicht zur Einrichtung und Unterhaltung einer Unterstützungsform 1. Allgemeines 10
Nach Abs. 1 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, hinsichtlich der potentiell auf ihrem Staatsgebiet eine Anschrift habenden Zustellungsempfänger mindestens eine der drei in Abs. 1 lit. a bis lit. c enumerativ benannten Unterstützungsformen zur Ermittlung der physischen Adresse29 einzurichten und zu unterhalten.30 Die Unterstützung muss dabei gleichermaßen abdecken Zustellungsempfänger, die natürliche Personen sind, und sonstige Zustellungsempfänger (vgl. Formblatt B Ziff. 3.4). Nicht umfassen muss sie die Ermittlung der für eine Person empfangsberechtigten Personen (z.B. Organwalter; s. aber auch Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 22). Aus Abs. 1 folgt nicht die Pflicht, im konkreten Einzelfall Unterstützung bei der Ermittlung der aktuellen Anschrift eines Empfängers zu leisten.31 Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass alle drei benannten Unterstützungsformen gleichrangig sind und die in Abs. 1 lit. c vorgesehene Art der Unterstützung anlassunabhängig ist, was der eine Erledigungsfrist vorsehende Parlamentsvorschlag übersah (s. Rz. 5).32 Eine Pflicht zur Unterstützung im Einzelfall und gegebenenfalls ein hierauf gerichteter Anspruch ergibt sich vielmehr nur nach Maßgabe der Einrichtung einer Unterstützungsmaßnahme durch einen Mitgliedstaat. Dementsprechend liegt in der Ablehnung einer Unterstützung im Einzelfall nicht eine Verletzung der Vorschrift, sondern allenfalls der in Erfüllung der Verpflichtung aus Abs. 1 erlassenen nationalen Vorschriften. Erst im Falle einer systematischen Unterstützungsversagung wird die Verpflichtung aus Abs. 1 verletzt.
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Den Mitgliedstaaten steht frei, welche in Abs. 1 benannte Form der Unterstützung sie einrichten und unterhalten, solange nur jedenfalls eine der Formen jeweils eingerichtet ist und effektiv zur Verfügung steht.33 Unter Beachtung dessen können die Mitgliedstaaten auch Änderungen vornehmen und anstelle einer bislang eingerichteten in der Zukunft eine andere Form der Unterstützung etablieren (vgl. auch Abs. 2 Unterabs. 2). Jeder Mitgliedstaat kann auch mehrere der benannten Unterstützungsformen einrichten. Es steht den Mitgliedstaaten auch frei, andere Formen der Unterstützung zu etablieren oder im Einzelfall zu gewähren. Hierdurch wird die Verpflichtung aus Abs. 1 allerdings nicht erfüllt, weshalb andere Arten der Unterstützung nur zusätzlich eingerichtet oder gewährt werden können. Mehrere oder weitere Formen der Unterstützung einzurichten oder zu erbringen, dazu verpflichtet Abs. 1 nicht. Dementsprechend ist auch kein Mitgliedstaat verpflichtet, sicherzustellen, 27 Erheblich enger Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6, 9. 28 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 7 EuZustVO Rz. 1 (ohne nähere Begründung). 29 SWD(2018) 287 final, S. 44, 62, 146. 30 Vgl. auch Knöfel, RIW 2021, 473, 478. 31 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 52; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 3 EG-ZustellVO Rz. 7; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 7 EuZVO 2022 Rz. 3 f.; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 7 EuZustVO Rz. 1. 32 Ohne Problembewusstsein Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 7 EuZVO 2022 Rz. 3; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 52. 33 Knöfel, RIW 2021, 473, 478.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 7 EU-ZustVO 2020
dass seine Empfangsstellen oder Zustellungsorgane von Amts wegen die aktuelle Anschrift des Zustellungsempfängers im Empfangsmitgliedstaat ermitteln. Dass Abs. 2 Unterabs. 1 lit. c diesbezüglich lediglich eine Mitteilungspflicht vorsieht, bestätigt dies. 2. Amtshilfe für die Übermittlungsstellen (lit. a) Der Pflicht aus Abs. 1 kann ein Mitgliedstaat dadurch genügen, dass er eine oder mehrere Behörden benennt, welche den Übermittlungsstellen anderer Mitgliedstaaten auf Anfrage Amtshilfe leisten bei der Ermittlung einer aktuellen Anschrift des Zustellungsempfängers im nach Abs. 1 verpflichteten Mitgliedstaat. Der von Abs. 1 lit. a beschriebene Weg der Unterstützung ist vergleichbar mit der in Art. 8 ff. EU-ZustVO 2020 geregelten Rechtshilfe bei der Zustellung, während der in Abs. 1 lit. b beschriebene Weg der Unterstützung vergleichbar ist mit dem in Art. 20 EU-ZustVO 2020 beschriebenen Zustellungsweg. Ausreichend und erforderlich ist, dass zugunsten von Übermittlungsstellen eine Amtshilfemöglichkeit etabliert wird. Weder erforderlich noch allein ausreichend für Abs. 1 lit. a ist, für Antragsteller (insbesondere nach Art. 20 EU-ZustVO 2020 berechtigte Verfahrensbeteiligte) einen „Amtshilfekanal“ zu etablieren.34 Die für Abs. 1 lit. a erforderliche Benennung erfolgt dadurch, dass einer oder mehreren Behörden im erforderlichen Umfang nach dem Recht des verpflichteten Mitgliedstaats die Aufgabe der Amtshilfeleistung übertragen wird.
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Notwendig zur Erfüllung der Verpflichtung aus Abs. 1 ist, dass die benannten Behörden räumlich die 13 Anschriftenermittlung für alle Teile des Staatsgebiets des nach Abs. 1 verpflichteten Mitgliedstaats, die in den räumlichen Geltungsbereich der Verordnung fallen (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 f.), abdecken. Weiter ist erforderlich, dass die benannten Behörden auch fähig sind, tatsächlich in substantiellem Umfang Amtshilfe zur Anschriftenermittlung zu leisten. Dies bedeutet zwar nicht, dass nur Behörden benannt werden dürfen, welche regelmäßig eine aktuelle Anschrift einer Person ermitteln können. Es genügt vielmehr, dass Behörden benannt werden, welche nach der Tradition des betreffenden Mitgliedstaats inländische Anschriftenermittlung betreiben. Nicht ausreichend wäre dagegen, dass als bloßes Alibi Behörden benannt werden, denen keine tauglichen, über die Jedermann eröffneten Möglichkeiten hinausgehenden Instrumente zur erfolgreichen Anschriftenermittlung zur Verfügung stehen. Danach könnte z.B. Frankreich seiner Verpflichtung aus Abs. 1 nicht dadurch genügen, dass eine Behörde benannt wird, welche Amtshilfe dadurch leistet, französische Telefonbücher zu durchsuchen. Notwendig ist zur Erfüllung der Verpflichtung aus Abs. 1 darüber hinaus, dass vor der benannten Be- 14 hörde ein effektives Amtshilfeverfahren etabliert wird. Dieses muss so ausgestaltet sein, dass Amtshilfe auf zulässigen Antrag jeder Übermittlungsstelle eines anderen Mitgliedstaats geleistet wird. Für die Zulässigkeit des Antrags darf gefordert werden, dass die Amtshilfe der Vorbereitung einer in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden grenzüberschreitenden Zustellung dient, welche zulässig wird, wenn der Zustellungsempfänger eine aktuelle Anschrift in dem um Amtshilfe ersuchten Mitgliedstaat hat (s. Rz. 8). Weiter darf die Zulässigkeit des Antrags daran gebunden werden, dass die Übermittlungsstelle geltend macht, keine Kenntnis von einer aktuellen Anschrift des Zustellungsempfängers im ersuchten Mitgliedstaat zu besitzen. Nicht abhängig gemacht werden darf die Amtshilfe nach Sinn und Zweck davon, dass in dem nach Abs. 1 verpflichteten Mitgliedstaat bereits erfolglos eine Zustellung versucht wurde.35 Auch darf die Amtshilfe nach Sinn und Zweck nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Übermittlungsstelle Anhaltspunkte dafür benennt, dass der Zustellungsempfänger gerade im Zuständigkeitsbereich der um Amtshilfe ersuchten Behörde aktuell eine Anschrift hat.36 Die Zulässigkeit des Antrags darf allerdings an die Beachtung von nichtdiskriminierenden, einem Sachgrund dienenden und mit dem Effektivitätsgebot vereinbaren Formalien gebunden werden. Dies kann umfassen insbesondere auch die verpflichtende Verwendung eines Antragsformulars. Die Verwendung des in Anhang I enthaltenen Formblatts B ist durch die Verordnung nicht vorgeschrieben,37 könnte aber durch einen Mitgliedstaat vorgegeben werden. Auch kann dies
34 35 36 37
Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 7 EuZustVO Rz. 2. A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6. A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9. Bedauernd Knöfel, RIW 2021, 473, 478.
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Art. 7 EU-ZustVO 2020 Unterstützung bei der Ermittlung von Anschriften umfassen die Vorgabe, dass bestimmte, für eine Anschriftenermittlung unabdingbare Informationen (vgl. § 44 Abs. 3 BMG) durch die Übermittlungsstelle mitgeteilt werden. 15
Weiter ist zur Erfüllung der Verpflichtung aus Abs. 1 notwendig, dass die benannte Behörde zur Amtshilfe (nicht notwendig auch zur Verwendung des in Anhang I enthaltenen Formblatts C) verpflichtet und mit den hierfür erforderlichen sachlichen und personellen Mitteln sowie rechtlichen Instrumenten ausgestattet wird. Nicht ausgeschlossen ist, dass die Übermittlungsstellen verpflichtet werden, den der Auskunftsstelle mit der Amtshilfe verbundenen Aufwand zu erstatten. Art. 15 EU-ZustVO 2020 schließt dies nicht aus, weil er sich hierauf nicht bezieht. 3. Unmittelbares Auskunftsersuchen mittels Standardformular (lit. b)
16
Der Pflicht aus Abs. 1 kann ein Mitgliedstaat auch dadurch genügen, dass er für (alle) Personen aus anderen Mitgliedstaaten, die ein berechtigtes Interesse besitzen, die Möglichkeit eröffnet, sich direkt an Wohnsitzregister oder andere öffentlich zugängliche Datenbanken (z.B. auch Unternehmensregister) im nach Abs. 1 verpflichteten Mitgliedstaat zu wenden, um eine aktuelle Anschrift des Zustellungsempfängers zu ermitteln. Der von Abs. 1 lit. b beschriebene Weg der Unterstützung ist vergleichbar dem in Art. 20 EU-ZustVO 2020 beschriebenen Zustellungsweg, während der in Abs. 1 lit. a beschriebene Weg der Unterstützung der in Art. 8 ff. EU-ZustVO 2020 geregelten Rechtshilfe bei der Zustellung vergleichbar ist. Ausreichend und erforderlich ist, dass zugunsten aller Stellen und Personen, die an einer grenzüberschreitenden Zustellung beteiligt sind, bei einem hinreichenden sachlichen Interesse ein Auskunftsrecht vorgesehen wird; dass ein solches allein zugunsten von Übermittlungsstellen, insbesondere aber nicht für die in Art. 20 EU-ZustVO 2020 angesprochenen Verfahrensbeteiligten vorgesehen wird, genügt für Abs. 1 lit. b nicht.38 Die von Abs. 1 lit. b geforderte „Erlaubnis“ wird dadurch erteilt, dass ein Mitgliedstaat seine Wohnsitzregister bzw. anderen öffentlich zugänglichen Datenbanken nach seinem Recht im erforderlichen Umfang zur Auskunftserteilung auch an Personen mit einem Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat verpflichtet.
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Zur Erfüllung der Verpflichtung aus Abs. 1 muss in einem Mitgliedstaat zunächst für jeden Teil des Staatsgebiets, welcher in den räumlichen Anwendungsbereich der Verordnung fällt (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 f.), ein behördliches Wohnsitzregister bzw. behördlich eine andere öffentlich zugängliche Datenbank geführt werden; die Vorschrift verpflichtet Mitgliedstaaten nicht zur Einrichtung eines solchen Registers.39 Eine von (privaten, nicht beliehenen) Wirtschaftsunternehmen geführte Datenbank, auch wenn sie wie z.B. Telefonbücher öffentlich zugänglich ist, steht dem nicht gleich.
18
Weiter ist zur Erfüllung der Verpflichtung aus Abs. 1 erforderlich, dass der Mitgliedstaat die das Wohnsitzregister bzw. eine sonstige öffentlich zugängliche Datenbank führende Stelle verpflichtet, auf zulässigen Antrag auch Personen (s. Rz. 16) mit einem (Wohn-)Sitz in einem anderen Mitgliedstaat, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit, Auskunft zu erteilen. Dabei muss als formell zulässiger Antrag zumindest auch behandelt werden ein solcher, der mittels eines über das Europäische Justizportal zugänglichen Standardformblatts gestellt wird und zwar auch, wenn er elektronisch übermittelt wird. Deshalb gehört zur Erfüllung der Verpflichtung aus Abs. 1 auch, dass die zur Auskunft verpflichteten Stellen tatsächlich elektronisch übermittelte Anträge entgegennehmen, d.h. entsprechend erreichbar sind. Weitere Anforderungen an die Zulässigkeit eines Antrags dürfen gestellt werden, wenn sie nichtdiskriminierend und mit dem Effektivitätsgebot vereinbar sind und anhand der Angaben im Standardformblatt festgestellt werden können. Anforderungen, deren Feststellung über das Standardformblatt hinausgehende Angaben erfordert, können nicht gestellt werden.
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Der Erfüllung der Verpflichtung aus Abs. 1 steht nicht entgegen, dass Auskünfte aus Wohnsitzregistern und sonstigen öffentlich zugänglichen Datenbanken nur entgeltlich erteilt werden, solange das erhobene Entgelt nichtdiskriminierend ausgestaltet ist und nicht dem Effektivitätsgebot widerspricht.
38 Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 7 EuZustVO Rz. 2. 39 SWD(2018) 287 final, S. 45.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 7 EU-ZustVO 2020
4. Detaillierte Informationen über Möglichkeiten zur Anschriftenermittlung (lit. c) Schließlich kann ein Mitgliedstaat seiner Verpflichtung aus Abs. 1 auch dadurch genügen, dass er detaillierte Informationen bereitstellt, wie Anschriften von Empfängern auf seinem Staatsgebiet, soweit es dem räumlichen Anwendungsbereich der Verordnung unterfällt (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 f.), ermittelt werden können;40 eine Pflicht, effektive Ermittlungsmittel zu schaffen, folgt hieraus nicht. Die zu gebenden Informationen über bestehende Mittel müssen praxistauglich sein41 in dem Sinne, dass ihre Berücksichtigung tatsächlich geeignet ist, die Nutzbarmachung bestehender Möglichkeiten zur Ermittlung unbekannter Anschriften zu fördern. Sie müssen zudem detailliert in dem Sinne sein, dass auch rechtlich nicht vorgebildete Personen sie verstehen und nachvollziehen können. Dies umfasst in angemessenem Umfang auch, dass auf weiterführende Angebote oder die Homepages von zuständigen Stellen verlinkt wird.42 Ihre Bereitstellung erfolgt dadurch, dass die betreffenden Informationen der Kommission übermittelt werden, damit diese die Informationen über das Europäische Justizportal im Internet bekannt machen kann.
20
Zur Erfüllung der Verbindlichkeit aus Abs. 1 ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift weiter erforder- 21 lich, dass die bereitgestellten Informationen fortlaufend auf ihre Richtigkeit überprüft, Verbesserungs- und Aktualisierungsbedarf ermittelt und diesem gegebenenfalls Rechnung getragen wird. Hierfür spricht nicht zuletzt auch Abs. 2 Unterabs. 2 (s. Rz. 22).
III. Mitteilungspflicht gegenüber der Kommission 1. Allgemeines Damit von den durch die Mitgliedstaaten einzurichtenden und zu unterhaltenden Unterstützungswegen durch die in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Berechtigten effektiv Gebrauch gemacht werden kann, begründet Abs. 2 für die Mitgliedstaaten eine gegenüber der Kommission zu erfüllende Mitteilungspflicht. So wie die Mitgliedstaaten neben der Einrichtung mindestens eines Unterstützungswegs auch dessen fortwährende Unterhaltung leisten müssen, sind sie auch verpflichtet, die der Kommission mitzuteilenden Informationen auf dem aktuellen Stand zu halten und im Falle von sich ergebenden Änderungen so früh wie möglich eine Änderungsmitteilung zu erstatten.
22
Der Inhalt der der Kommission mitzuteilenden Informationen richtet sich nach Abs. 2 Unterabs. 1 23 lit. a bis lit. c. Dabei dienen die Informationen nach Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a, b unmittelbar dazu, von den eingerichteten Unterstützungswegen effektiv Gebrauch zu machen. Die Mitteilungspflicht ist insoweit gleichsam Ergänzung zur Einrichtung eines Unterstützungswegs. Die Informationen nach Abs. 2 Unterabs. 1 lit. c unterstützt dagegen die eingerichteten Unterstützungswege dadurch, dass sie helfen soll, von voraussichtlich fruchtlosen Anschriftenermittlungen abzusehen und den hiermit verbundenen unnötigen Aufwand zu ersparen.43 Ihr übermittelte Informationen hat die Kommission nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 3, 4 EU-ZustVO 2020 zu publizieren (s. Art. 33 EU-ZustVO 2020 Rz. 16 ff.). Dem kommt sie bislang nur zögerlich nach – selbst fast ein Jahr nach Beginn der Anwendbarkeit der Vorschrift sind noch nicht die Informationen zu allen Mitgliedstaaten in allen Amtssprachen der EU abrufbar.
24
2. Mittel der Adressermittlung (lit. a) Der Kommission ist durch jeden Mitgliedstaat das von diesem jeweils eingerichtete Unterstützungsmittel mitzuteilen. Hat ein Mitgliedstaat mehrere in Abs. 1 vorgesehene Unterstützungsmittel eingerichtet, sind alle mitzuteilen. Hat ein Mitgliedstaat in Abs. 1 nicht benannte Mittel der Adressermittlung eingerichtet, müssen diese nicht mitgeteilt werden.
40 Abw., Abs. 1 lit. a nicht beachtendes Verständnis bei Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 7 EuZVO 2022 Rz. 3. 41 Noch gesondert erwähnt in Art. 3c Abs. 1 lit. c Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 21. 42 SWD(2018) 287 final, S. 44. 43 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 7 VO (EU) 2020/1784 Rz. 23.
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Art. 7 EU-ZustVO 2020 Unterstützung bei der Ermittlung von Anschriften 26
Inhaltlich muss der Kommission zumindest mitgeteilt werden, welche der drei in Abs. 1 vorgesehenen Unterstützungsformen gewählt und eingerichtet wurden und unterhalten werden. Dies kann erfolgen unter Benennung der jeweiligen Regelung des Abs. 1 ebenso wie durch inhaltlich hinreichende und eine Zuordnung zu einer in Abs. 1 benannten Unterstützungsform erlaubende Beschreibung. Eine solche Mitteilung genügt im Zusammenhang mit der Einrichtung der Unterstützungsformen nach Abs. 1 lit. a, b. Hat ein Mitgliedstaat (auch) die Unterstützungsform des Abs. 1 lit. c eingerichtet, dann umfasst die Mitteilungspflicht nach Abs. 2 weitergehend auch, dass die als Unterstützung vorgesehenen und bereitzustellenden Informationen der Kommission übermittelt werden. 3. Name und Kontaktdaten der zuständigen Stelle (lit. b)
27
Hat ein Mitgliedstaat als Mittel der Adressermittlung ein Verfahren der Amtshilfe (Abs. 1 lit. a) oder die Möglichkeit zur unmittelbaren Abfrage (Abs. 1 Alt. b) vorgesehen, muss er der Kommission den Namen und die Kontaktdaten aller zuständigen Stellen, bei denen ein Amtshilfeersuchen oder unmittelbar eine Abfrage angebracht werden kann, mitteilen. Als Name ist jeweils die amtliche bzw. rechtlich korrekte Bezeichnung der Stellen mitzuteilen. Als Kontaktdaten sind mitzuteilen alle für die Kommunikation im Zusammenhang mit einem Ersuchen bzw. einer Abfrage eröffneten Kommunikationsmittel (z.B. Postanschrift, E-Mailadresse, Telefon- und Telefaxnummer). 4. Aufklärung über amtswegige Ermittlungen
28
Alle Mitgliedstaaten haben der Kommission mitzuteilen, ob ihre Empfangsstellen von Amts wegen eine Adressermittlung anhand nationaler Register oder Datenbanken durchführen, wenn eine Zustellung an der von der Übermittlungsstelle benannten Anschrift nicht erfolgen konnte (Erwägungsgrund 19 EU-ZustVO 2020). Nach Sinn und Zweck sind die Mitgliedstaaten nicht nur verpflichtet, eine Positiv- oder Negativmitteilung zu erstatten. Vielmehr haben sie auch mitzuteilen, unter welchen Umständen eine entsprechende Nachforschung erfolgt und auf welche Register und Datenbanken dabei zugegriffen wird.
IV. Mitteilungen der Mitgliedstaaten 1. Deutschland 29
Zur Erfüllung der sich aus Abs. 1 der Vorschrift ergebenden Verpflichtung hat sich Deutschland entschieden, gem. Abs. 1 lit. c detaillierte Informationen zur Verfügung zu stellen.44 Diese verweisen inhaltlich auf die Möglichkeit, nach § 44 BMG eine einfache Melderegisterauskunft einzuholen, und erläutern diese nach Anlaufstelle, Antragsvoraussetzungen, Ausschlussgründen (§§ 51, 52 BMG) und Kosten näher. Daneben wird die Befugnis der Meldestelle zu Datenübermittlungen ins Ausland (§ 35 BMG) erwähnt.
30
Zu Abs. 2 lit. c hat Deutschland erklärt, dass in dem Fall, dass ein Zustellungsempfänger nicht unter der im Zustellungsantrag angegebenen Anschrift wohnt, die deutsche Empfangsstelle sich in der Regel freiwillig von Amts wegen darum bemüht, die aktuelle Anschrift des Zustellungsempfängers zu ermitteln.45 Es wird darauf hingewiesen, dass dies nicht nur in dem Fall gilt, dass der Empfänger verzogen ist, sondern auch, wenn seine Anschrift im Zustellungsantrag unvollständig oder falsch angegeben ist. Welche Maßnahmen von Amts wegen ergriffen werden, hat Deutschland nicht mitgeteilt. 2. Sonstige Mitgliedstaaten
31
Ausweislich der Veröffentlichung im Europäischen Justizportal (Stand: 1.5.2023) haben die Mitgliedstaaten im Kern folgendes gemeldet:
44 BT-Drucks. 20/1110, 28. 45 Vgl. auch OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 4.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 7 EU-ZustVO 2020
Belgien Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a amtswegige Recherchen erfolgen
Bulgarien keine Meldung veröffentlicht
Dänemark keine Meldung veröffentlicht
Estland detaillierte Informationen nach Abs. 1 lit. c keine Meldung zu Abs. 2 lit. c veröffentlicht
Finnland detaillierte Informationen nach Abs. 1 lit. c Gerichtsvollzieher haben Zugriff auf das Bevölkerungsinformationssystem, um inkorrekte Anschriften zu prüfen
Frankreich detaillierte Informationen nach Abs. 1 lit. c keine amtswegigen Recherchen
Griechenland keine Meldung veröffentlicht
Irland detaillierte Informationen nach Abs. 1 lit. c keine amtswegigen Recherchen
Italien Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a keine amtswegigen Recherchen
Kroatien Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a amtswegige Recherchen erfolgen
Lettland detaillierte Informationen nach Abs. 1 lit. c keine amtswegigen Recherchen
Litauen Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a keine Meldung zu Abs. 2 lit. c veröffentlicht
Luxemburg Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a amtswegige Recherchen erfolgen
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Art. 7 EU-ZustVO 2020 Unterstützung bei der Ermittlung von Anschriften Malta detaillierte Informationen nach Abs. 1 lit. c keine amtswegigen Recherchen
Niederlande Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a amtswegige Recherchen erfolgen
Österreich detaillierte Informationen nach Abs. 1 lit. c keine Meldung zu Abs. 2 lit. c veröffentlicht
Polen detaillierte Informationen nach Abs. 1 lit. c amtswegige Recherchen möglich, aber untypisch
Portugal Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a amtswegige Recherchen erfolgen
Rumänien Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a und Auskunftserteilung nach Abs. 1 lit. b keine amtswegigen Recherchen
Schweden detaillierte Informationen nach Abs. 1 lit. c amtswegige Recherchen erfolgen
Slowakei Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a amtswegige Recherchen erfolgen
Slowenien Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a amtswegige Recherchen erfolgen
Spanien Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a amtswegige Recherchen erfolgen
Tschechische Republik Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a amtswegige Recherchen erfolgen
Ungarn Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a (und detaillierte Informationen nach Abs. 1 lit. c) keine Meldung zu Abs. 2 lit. c veröffentlicht
Zypern Amtshilfe nach Abs. 1 lit. a keine amtswegigen Recherchen
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 8 EU-ZustVO 2020
Kapitel II Gerichtliche Schriftstücke (Art. 8–Art. 20) Abschnitt 1 Übermittlung und Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken (Art. 8–Art. 15)
Artikel 8 Übermittlung von Schriftstücken (1) Gerichtliche Schriftstücke werden zwischen den Übermittlungs- und Empfangsstellen unmittelbar und so schnell wie möglich übermittelt. (2) Dem zu übermittelnden Schriftstück ist ein Antrag beizufügen, der unter Verwendung des Formblattes A in Anhang I erstellt wird. 2Das Formblatt ist in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder, wenn es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, in der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, oder in einer sonstigen Sprache, die der Empfangsmitgliedstaat zugelassen hat, auszufüllen. Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission jede andere Amtssprache der Union als seine eigene mit, in der das Formblatt ausgefüllt werden kann. (3) Schriftstücke, die gemäß dieser Verordnung übermittelt werden, bedürfen weder der Beglaubigung noch einer anderen gleichwertigen Formalität. (4) Beantragt die Übermittlungsstelle die Rücksendung einer Kopie eines nach Artikel 5 Absatz 4 in Papierform übermittelten Schriftstücks zusammen mit der in Artikel 14 genannten Bescheinigung, so übermittelt sie das betreffende Schriftstück in zweifacher Ausfertigung. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eröffnung des Rechtshilfewegs . . . . . . . b) Rechtshilfeweg als ein Übermittlungsweg . c) Grundkonzeption des Rechtshilfeverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Beschleunigung des Rechtshilfeverfahrens . e) Vereinfachung des Rechtshilfeverfahrens . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zeitlich (Übergangsfrist) . . . . . . . . . . . II. Rechtshilfeersuchen (Abs. 2) . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1 1 2 3 4 6 7 9 9 11 12 12 13
3. 4. 5. III. 1. 2.
a) Aktivseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Passivseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formblattzwang (Abs. 2 Unterabs. 1 S. 1) . . . Beifügung zu zuzustellendem Schriftstück . . Sprache (Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2, Unterabs. 2) Pflicht zur unmittelbaren und schnellstmöglichen Übermittlung (Abs. 1) . . . . . . . Unmittelbarkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . Beschleunigungsgebot . . . . . . . . . . . . . .
13 14 16 18 19 23 24 25
IV. Befreiung von Beglaubigung und ähnlicher Förmlichkeit (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . 27 V. Obliegenheit zur Übermittlung eines zweiten Stücks (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Schrifttum: Fabig/Windau, Übersetzungen bei Auslandszustellung innerhalb der EU?, NJW 2017, 2502. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck a) Eröffnung des Rechtshilfewegs Die Vorschrift leitet Abschnitt 1 (Art. 8–15 EU-ZustVO 2020) des Kapitels II über gerichtliche 1 Schriftstücke ein. Gegenstand dieses Abschnitts ist die Bewirkung einer grenzüberschreitenden ZuUlrici
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Art. 8 EU-ZustVO 2020 Übermittlung von Schriftstücken stellung auf dem Weg der einfachen Rechtshilfe (s. auch Rz. 2, 3). Die Verordnung eröffnet, vereinfacht und beschleunigt den Rechtshilfeweg sowohl im Interesse der Antragsteller als auch der Zustellungsadressaten. Antragstellern soll erleichtert werden, einer Zustellungslast zu genügen. Zugleich mindert ein funktionierender Rechtshilfeweg das Bedürfnis, zu Lasten des Zustellungsadressaten fiktive Zustellungsformen zu akzeptieren. Am Rechtshilfeverhältnis selbst sind Antragsteller und Zustellungsadressat freilich nicht unmittelbar beteiligt. Vielmehr besteht dieses Rechtsverhältnis zwischen der ersuchenden (Übermittlungs-)Stelle des Ursprungsmitgliedstaats und der ersuchten (Empfangs-) Stelle des Empfangsmitgliedstaats und ordnet in dieser Beziehung Rechte und Pflichten. Als verfehlt erweist sich daher die Annahme des EuGH in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czesław Orłowski,1 dass Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2 Ausdruck eines Interessenausgleichs von Antragsteller und Zustellungsadressat ist – Formblatt A ist an die Empfangsstelle und nicht an den Zustellungsadressaten gerichtet.2 Rechtsverstöße lediglich im Rechtshilfeverhältnis bleiben auf diese Rechtsbeziehung beschränkt und berühren im Grundsatz nicht die Wirksamkeit einer Zustellung (s. auch Rz. 13, 15, 16, 22).3 b) Rechtshilfeweg als ein Übermittlungsweg 2
Dem in Abschnitt 1 von Kapitel II behandelten Rechtshilfeweg steht gegenüber die Bewirkung der Zustellung auf sonstigen Wegen (Abschnitt 2, Art. 16–20 EU-ZustVO 2020). Diese sonstigen Wege umfassen neben einer besondere Form der Inanspruchnahme von Rechtshilfe (Art. 16 EU-ZustVO 2020) vor allem Formen der direkten Zustellung (Art. 17–19 EU-ZustVO 2020) sowie die Möglichkeit der unmittelbaren Zustellung (Art. 20 EU-ZustVO 2020). Sowohl ausweislich der Systematik als auch ausweislich der signifikant höheren Regelungsdichte bildet die in Abschnitt 1 von Kapitel II geregelte Zustellung auf dem Weg der einfachen Rechtshilfe den regelungstechnischen Regelfall.4 Gleichwohl besteht zwischen diesem Weg und den in Abschnitt 2 von Kapitel II geregelten Wegen kein generelles Rangverhältnis (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 68); die Wege des Abschnitts 2 von Kapitel II sind nicht generell nachrangig (s. aber Art. 16 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff.). Soweit im konkreten Fall unter Berücksichtigung des eine Zustellungslast begründenden (insbesondere des auf einen Rechtsstreit anwendbaren) Rechts mehrere Wege, ein Schriftstück zum Zweck der Zustellung grenzüberschreitend zu übermitteln, in Betracht kommen, entscheidet die die Zustellung anordnende Stelle nach pflichtgemäßem Ermessen darüber, welcher Weg beschritten wird und ob gegebenenfalls verschiedene Übermittlungswege kombiniert werden (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 68). c) Grundkonzeption des Rechtshilfeverfahrens
3
Das Verfahren, Zustellungen auf dem Rechtshilfeweg zu bewirken, gliedert sich in drei Abschnitte.5 Am Beginn steht, nicht anders als für eine innerstaatliche Zustellung, dass eine hierzu berufene Person eine Zustellung anordnet. Während diese Stelle im Falle einer Inlandszustellung ihre Anord1 EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 37 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czesław Orłowski. 2 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 59 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen: Formblätter betreffen das System. 3 OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 21; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 8. 4 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/30; Nassauer, A4-0101/97, B. 9; KOM(1999) 219 endg.: „Hauptübermittlungsweg“; COM(2013) 858 final, S. 10: „wichtigsten Übermittlungsweg“; Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 16: „ordinary method“; COM(2018) 379 final, S. 3: „herkömmlicher Weg“; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 9, 42: „main channel“, „main method“; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/ EuIPR (2015), Art. 4 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Kuntze-Kaufhold/Beichel-Benedetti, NJW 2003, 1998, 1999; Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 183; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/11. – Vgl. auch EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 55 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 34 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Dau Si Senh u.a.; EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 30 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czesław Orłowski. 5 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 4 EG-ZustVO 2007 Rz. 2.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 8 EU-ZustVO 2020
nung im Anschluss vollzieht oder sich dafür an eine andere inländische Stelle, der die Einleitung eines Zustellungsverfahrens obliegt, wendet, übermittelt sie zum Zweck der grenzüberschreitenden Zustellung in einem ersten Abschnitt ihre Zustellungsanordnung und das zuzustellende Schriftstück an diejenige Stelle, welche das Rechtshilfeverfahren initiiert und das zuzustellende Schriftstück ins Ausland übermittelt. Liegt die Zuständigkeit für die Initiierung des Rechtshilfeverfahrens bei derjenigen Stelle, der auch die Einleitung eines inländischen Zustellungsverfahrens obliegt, werden für diesen Abschnitt Verzögerungen vermieden, die darin gründen, dass gerade eine grenzüberschreitende Zustellung erfolgen soll. Zur Initiierung des Rechtshilfeverfahrens sind im Rahmen der Verordnung im Regelfall berechtigt (nur) die Übermittlungsstellen (Art. 3 Abs. 1 EU-ZustVO 2020, s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff., Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 18 ff.). Im zweiten Abschnitt übermittelt die Übermittlungsstelle zur Initiierung des Rechtshilfeverfahrens das zuzustellende Schriftstück und das begleitende Rechtshilfeersuchen an eine hierzu vom Empfangsmitgliedstaat benannte Stelle. Im Rahmen der Verordnung sind im Regelfall zur Entgegennahme von Rechtshilfeersuchen bestimmt (nur) die Empfangsstellen (Art. 3 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 18 ff.). Die empfangende Stelle leitet dann, um der hierum ersuchenden Stelle Rechtshilfe zu gewähren, schließlich im dritten Abschnitt im Empfangsmitgliedstaat das zuzustellende Schriftstück an die dort zur Einleitung des eigentlichen Zustellungsverfahrens6 zuständige Stelle weiter. Dieser Abschnitt wird signifikant vereinfacht und beschleunigt, wenn die empfangende Stelle selbst zur Einleitung des Zustellungsverfahrens berechtigt ist, d.h. selbst die Zustellung ausführen oder ihre Ausführung beauftragen kann (vgl. Erwägungsgrund 21 S. 1 EU-ZustVO 2020: auf schnelle Übermittlung sollte schnelle Zustellung folgen). d) Beschleunigung des Rechtshilfeverfahrens Für die Übermittlung zum Zweck der Zustellung auf dem einfachen Rechtshilfeweg (zur Wahl s. 4 Rz. 2)7 bringt die Vorschrift mit Bedeutung für alle drei Abschnitte des Rechtshilfeverfahrens (s. Rz. 3) zum Ausdruck den Leitgedanken der Verordnung: Beschleunigung. Im Schwerpunkt betrifft sie den ersten und den zweiten Abschnitt. Hinsichtlich des zweiten Abschnitts wird sie ergänzt durch Art. 5 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 1). Der dritte Abschnitt ist Regelungsgegenstand insbesondere von Art. 10 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 2). In Abweichung von traditionellen Ausgestaltungen der Rechtshilfe ordnet Abs. 1 im Interesse der Vereinfachung und Beschleunigung der Rechtshilfe als Regelfall eine direkte Kommunikation zwischen den im Ursprungsmitgliedstaat ein Zustellungsverfahren einleitenden Stellen und der im Empfangsmitgliedstaat eine Zustellung ausführenden oder die Ausführung beauftragenden Stelle (Dezentralisierung) anstatt einer Kommunikation auf diplomatischem oder konsularischem Weg (HZPÜ) oder über besondere Rechtshilfebehörden (HZÜ) an (Beschleunigung des ersten und dritten Abschnitts).8 Daneben enthält Abs. 1 betreffend die Initiierung des Rechtshilfeverfahrens einschließlich der Übermittlung in den Empfangsmitgliedstaat ein Beschleunigungsgebot („so schnell wie möglich“; Beschleunigung des ersten und zweiten Abschnitts; zur Beschleunigung des dritten Abschnitts s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 2).9 Ergänzt wird die Vorschrift hinsichtlich der Beschleunigung des zweiten Abschnitts durch Art. 5 EU-ZustVO 2020, der (nach Ablauf einer Übergangsfrist) vorsieht, dass die Kommunikation im Regelfall unter obligatorischer Nutzung eines dezentralen IT-Systems erfolgt (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 1, 11 ff.).
6 Missverständlich (jedenfalls in der deutschen Sprachfassung) GA Bobek, Schlussanträge v. 8.9.2016 – C-354/15, ECLI:EU:C:2016:650 Rz. 55 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco, SA: „Zustellungen im Verhältnis von Übermittlungs- und Empfangsstellen“. 7 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 1. 8 ABl. EG 1997 C 261/28 f.; KOM(1999) 219 endg.; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 48, 52 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 28, 34 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Dau Si Senh u.a.; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 4 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 1. 9 ABl. EG 1997 C 261/30; KOM(1999) 219 endg.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 2.
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Ebenfalls im Interesse der Beschleunigung der Rechtshilfe (im ersten und insbesondere dritten Abschnitt) sieht Abs. 2 eine Formalisierung der Initiierung der Rechtshilfe vor.10 Durch diese soll die Bearbeitung von Rechtshilfeersuchen vereinfacht und beschleunigt werden. Rechtshilfeersuchen sind unter Verwendung eines der Verordnung beigefügten Formblatts zu stellen. Dessen vollständiges Ausfüllen gewährleistet, dass die Empfangsstelle über die notwendigen Informationen für die Rechtshilfegewährung, d.h. insbesondere für die Ausführung der Zustellung verfügt.11 Zugleich erleichtert die Kommunikation mittels unionsweit einheitlichen Formblättern die Verständlichkeit, weil das Formblatt in allen Amtssprachen verfügbar ist.12 Zwar muss dieses im Grundsatz in einer zugelassenen Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats ausgefüllt werden. Allerdings betont Abs. 2 Unterabs. 2 vor dem beschriebenen Hintergrund, dass die Mitgliedstaaten beschränkt auf die Kommunikation mittels Formblatts weitere Amtssprachen zulassen können (vgl. z.B. auch Art. 57 Abs. 2 Brüssel Ia-VO). e) Vereinfachung des Rechtshilfeverfahrens
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Durch Abs. 3 werden im Rahmen der Rechtshilfe zwischen Empfangs- und Übermittlungsstellen übermittelte Urkunden vom Legalisationserfordernis und ähnlichen Förmlichkeiten (Apostillierung) befreit.13 Die direkte Kommunikation gewährleistet in hinreichendem Umfang die Echtheit der Urkunden. Abs. 4 regelt einen Anachronismus (vgl. Art. 3 Abs. 1 HZPÜ), stellt immerhin aber dessen teleologische Reduktion auf eine papiergebundene Kommunikation klar. Nur soweit das zuzustellende Schriftstück ausnahmsweise nicht elektronisch, sondern in Papierform übermittelt wird, ist es in zwei Exemplaren zu übersenden, wenn die Übermittlungsstelle die Bescheinigung über die erfolgreiche Zustellung unter Verbindung mit einer Zweit-/Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks (vgl. Art. 5 Abs. 2 HZPÜ) erbittet (s. Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 14, 18). 2. Entstehungsgeschichte
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Die Vorschrift geht zurück auf Art. 4 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)14 und den letztlich inhaltsgleichen15 Art. 4 EG-ZustVO 2000. Die Vorgängerregelungen knüpften an Art. 3 HZÜ und Art. 1, 3 HZPÜ an. Gegenüber Art. 1 HZPÜ grenzten sie sich insbesondere durch die Etablierung einer unmittelbaren Kommunikation und das Beschleunigungsgebot ab. Der Unterschied gegenüber Art. 3 HZÜ liegt im Beschleunigungsgebot und insbesondere in der als Regelfall angestrebten Dezentralisierung der unmittelbaren Kommunikation (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 1). Hieran knüpft die Vorschrift an. Sie übernimmt aus Art. 4 EG-ZustVO 2007 die dortigen Abs. 1 und 3 bis 5, nicht dagegen Art. 4 Abs. 2 EG-ZustVO 2007. An die Stelle von Art. 4 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 ist die Neuregelung in Art. 5 EU-ZustVO 2020 getreten (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Die Übernahme von Art. 4 Abs. 1, 3–5 EG-ZustVO 2007 erfolgte dabei letztlich ohne Inhaltsänderung. Zwar wurde Abs. 4 gegenüber Art. 4 Abs. 5 EG-ZustVO 2007 enger gefasst. Dies diente aber nur zur Klarstellung dessen, was bereits zuvor teleologisch geboten war.16 Davon abgesehen erfolgten gegenüber Art. 4 Abs. 1, 3–5 EG-ZustVO 2007 nur redaktionelle Änderungen.
10 MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 32; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 59 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 10. 11 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 4 EG-ZustVO 2007 Rz. 8. 12 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 21; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 6. 13 ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg. 14 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 8 EuZustVO Rz. 1. – Abw. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 8 EuZVO 2022 Rz. 1: fasst Art. 4 und Art. 5 EG-ZustVO 2007 zusammen – Art. 5 EG-ZustVO 2007 findet sich freilich in Art. 9 EU-ZustVO 2020 wieder. 15 Audiencia Provincial Guadalajara v. 6.3.2009 – 31/2009. 16 Vgl. bereits ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 10; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 4 EG-ZustVO 2007 Rz. 12; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 11.
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Art. 8 EU-ZustVO 2020
Der Kommissionsentwurf sah noch umfangreichere Änderung des Art. 4 EG-ZustVO 2007 vor. 8 Nach ihm sollten nur die heutigen Abs. 1 und 3 aus der Vorgängervorschrift übernommen werden.17 Art. 4 Abs. 2, 4, 5 EG-ZustVO 2007 sollten entfallen. An die Stelle von Art. 4 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 sollte im Kommissionsentwurf ein neuer Art. 3a treten (heute Art. 5 EU-ZustVO 2020). Ergänzt werden sollte Art. 4 EG-ZustVO 2007 um einen Abs. 3, auf den die heutige Regelung in Art. 6 EU-ZustVO 2020 zurückgeht (s. Art. 6 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Allein bezogen hierauf sah der Standpunkt erster Lesung des Parlaments Änderungen vor.18 Während der Beratungen erster Lesung im Rat wurde der von der Kommission vorgeschlagene Abs. 3 in eine eigenständige Vorschrift ausgelagert und wurden Art. 4 Abs. 4, 5 EG-ZustVO 2007 wieder aufgegriffen (unter Berücksichtigung der Digitalisierung der Kommunikation).19 3. Anwendungsbereich a) Sachlich Die Vorschrift gilt nur für die Initiierung der einfachen Rechtshilfe zum Zweck der grenzüberschrei- 9 tenden Zustellung.20 Sie gilt dagegen nicht für die in Abschnitt 2 des Kapitels II der Verordnung geregelten Wege, eine grenzüberschreitende Zustellung zu bewirken. Entsprechend anwendbar sind allerdings Abs. 3, 4 auf die nach Art. 16 EU-ZustVO 2020 erfolgende Vermittlung einer Zustellung, weil in diesem Fall die Zustellung ebenfalls unter Nutzung des Rechtshilfewegs unter Einschaltung einer Empfangsstelle erfolgt. Eine entsprechende Anwendung auch von Abs. 2 auf den Übermittlungsweg des Art. 16 EU-ZustVO 2020 kommt dagegen mit Rücksicht auf das Selbstverständnis der ersuchenden Stellen nicht in Betracht. Originär regelt die Vorschrift nur die zum Zweck der Zustellung erfolgende Übermittlung gerichtlicher Schriftstücke. Aufgrund der Verweisung des Art. 21 EU-ZustVO 2020 findet sie darüber hinaus aber auch auf außergerichtliche Schriftstücke Anwendung, wenn diese auf dem Weg der (einfachen) Rechtshilfe übermittelt werden.21
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b) Zeitlich (Übergangsfrist) Der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschrift unterscheidet sich vom generellen zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung. Generell gelten die Regelungen der Verordnung ab dem 1.7.2022 (s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4). Demgegenüber findet die Vorschrift zeitlich Anwendung erst nach Ablauf einer Übergangsfrist, welche den Mitgliedstaaten und der Kommission die Einrichtung und Vorbereitung der elektronischen Kommunikation über das dezentrale IT-System ermöglicht.22 Nach Art. 37 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 gilt die Vorschrift erst ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Zeitraum von drei Jahren nach dem Tag des Inkrafttretens der in Art. 25 EU-ZustVO 2020 genannten Durchführungsrechtsakte folgt. Da der betreffende Durchführungsrechtsakt am zwanzigsten Tag nach der am 15.3.2022 erfolgten Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft tritt (Art. 2 DurchführungsVO (EU) 2022/423), gilt die Vorschrift erst ab dem 1.5.2025 (s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4). Bis zu diesem Zeitpunkt findet weiter Anwendung Art. 4 EG-ZustVO 2007, insbesondere dessen Abs. 1, 3–5 (s. auch Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10).23
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COM(2018) 379 final, S. 21. Cofferati, A8-0001/2019, S. 19 f. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 22 f. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 1. Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4. Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 8 EuZustVO Rz. 1. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 8 EuZustVO Rz. 1.
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II. Rechtshilfeersuchen (Abs. 2) 1. Überblick 12
Zur Initiierung des Rechtshilfeverfahrens ist im Wege unmittelbarer Kommunikation zwischen den zuständigen Stellen (s. Rz. 13 ff.) das zuzustellende Schriftstück unter Beifügung (s. Rz. 18) eines unter Verwendung eines in einer zugelassenen Sprache (s. Rz. 19 ff.) ausgefüllten Formblatts (s. Rz. 16 f.) zu übermitteln. Welches Schriftstück in welcher Ausstattung zuzustellen ist, bestimmt nicht die Verordnung. Vielmehr bestimmt dies die eine Zustellung veranlassende Stelle unter Beachtung des eine Zustellungslast begründenden Rechts (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 60 und Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 37 f.). Soll das zuzustellende Schriftstück durch eine Übersetzung oder Anlagen begleitet werden, sind auch die Übersetzung und die Anlagen zuzustellendes Schriftstück. Im Regelfall muss das zuzustellende Schriftstück (bzw. die zuzustellenden Schriftstücke) nur einfach übermittelt werden.24 Abweichendes kann sich aus Abs. 4 ergeben (s. Rz. 30 ff.). 2. Zuständigkeit a) Aktivseite
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Die Zuständigkeit für das Rechtshilfeersuchen liegt auf der Aktivseite (ersuchende Stelle) bei den Übermittlungsstellen (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff.). Diese werden von den Mitgliedstaaten im Voraus benannt. Ihr Kreis ist daher begrenzt und wird von der Kommission nach Art. 33 EU-ZustVO 2020 publiziert (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 32). Dies erleichtert der ersuchten Stelle, bezüglich des Ersuchenden die Berechtigung zur Rechtshilfe zu prüfen. Ein durch eine Stelle, welcher die Kompetenz als Übermittlungsstelle fehlt, angebrachter Rechtshilfeantrag ist zurückzuweisen. Wird er ausgeführt, steht der Zustellungsvorgang zwar nicht im Einklang mit den Vorgaben der Verordnung. Mangelbehaftet ist aus Sicht der Verordnung aber zunächst nur die grenzüberschreitende Übermittlung und nicht das eigentliche Zustellungsverfahren, weshalb die Verordnung selbst nicht bestimmt, dass die ausgeführte Zustellung mangelhaft ist (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 11). b) Passivseite
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Auf der Passivseite (ersuchte Stelle) liegt die Zuständigkeit für das Rechtshilfeersuchen bei den Empfangsstellen (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 18 ff.). Diese werden ebenfalls von den Mitgliedstaaten im Voraus benannt. Zu ihnen haben die Mitgliedstaaten der Kommission weitere Angaben mitzuteilen (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 32 ff.). Diese Angaben werden von der Kommission nach Art. 33 EU-ZustVO 2020 publiziert, damit die Empfangsstellen (insbesondere im Europäischen Justizatlas)25 leicht aufgefunden und kontaktiert werden können.26 Zudem ermöglichen die Mitteilungen der Mitgliedstaaten der Kommission, die ihr übermittelten Angaben bei der Erstellung der Referenzimplementierungssoftware zu berücksichtigen bzw. von dieser verarbeiten zu lassen, z.B. um automatisch zum vorgesehenen Zustellungsort die zuständige Stelle herauszufinden. Nach Ablauf der Übergangsfrist und mit Anwendung von Art. 5 EU-ZustVO 2020 (s. Rz. 11) wird das Auffinden der zuständigen Empfangsstelle gegenüber der Lage unter der EG-ZustVO 2007 voraussichtlich erheblich erleichtert.
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Ein an eine unzuständige Stelle gerichtetes Rechtshilfeersuchen ist zurückzuweisen. Dies gilt allerdings nur, soweit nicht nach dem insoweit vorrangigen Art. 10 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 eine Weiterleitung an die zuständige Empfangsstelle geboten ist (s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 46 ff.). Eine Weiterleitung schreibt Art. 10 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 nur vor, wenn die zuständige Empfangsstelle sich im selben Mitgliedstaat befindet. Wird ein Rechtshilfeersuchen durch eine Stelle, welcher die Kompetenz als Empfangsstelle fehlt, ausgeführt, steht der Zustellungsvorgang zwar nicht im Einklang mit den Vorgaben der Verordnung. Mangelbehaftet ist aus Sicht der Verordnung aber zunächst nur die grenzüberschreitende Übermittlung und nicht das eigentliche Zustellungsverfahren, weshalb die Ver24 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 4 EuZVO Rz. 7; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 10; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 5 VO (EU) 2020/1784 Rz. 40; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 14. 25 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 2. 26 ABl. EG 1997 C 261/30; KOM(1999) 219 endg.
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ordnung selbst nicht bestimmt, dass die ausgeführte Zustellung mangelhaft ist (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 23). 3. Formblattzwang (Abs. 2 Unterabs. 1 S. 1) Das Rechtshilfeersuchen um die Bewirkung einer grenzüberschreitenden Zustellung ist (vorbehaltlich erleichternder Übereinkommen)27 unabhängig vom gewählten Kommunikationsmittel (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 11 ff.) zwingend unter Verwendung des Formblatts A zu stellen (Erwägungsgrund 17 S. 2 EU-ZustVO 2020).28 Ein nicht unter Verwendung des Formblatts A gestelltes Ersuchen ist unzulässig und muss vom Empfangsmitgliedstaat nicht bearbeitet werden. Abweichendes gilt, wenn im Verkehr zwischen Ursprungs- und Empfangsmitgliedstaat vom Formblattzwang befreiende Übereinkommen gelten (s. Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 9). Ein Verstoß gegen den Formblattzwang macht eine gleichwohl ausgeführte Zustellung aus Sicht der Verordnung nicht mangelhaft, weil der Formblattzwang nicht dem Schutz des Zustellungsadressaten, sondern allein der Erleichterung der unmittelbaren Kommunikation dient und sich dieser Zweck mit der Ausführung der Zustellung erledigt hat (s. Rz. 1 a.E.).
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Der durch Abs. 2 Unterabs. 1 S. 1 begründete Formularzwang umfasst nicht nur die bloße Verwendung des Formblatts A. Um ihm zu genügen muss das Formblatt vielmehr auch erstens ohne Änderungen verwendet29 sowie zweitens bestimmungsgemäß und vollständig ausgefüllt worden sein. Denn nur hierdurch wird sichergestellt, dass die Verwendung des Formulars erleichtert, das Rechtshilfeersuchen zutreffend zu verstehen.
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4. Beifügung zu zuzustellendem Schriftstück Das Rechtshilfeersuchen muss dem zuzustellenden Schriftstück (s. Rz. 12) beigefügt sein. Beide müs- 18 sen gemeinsam übermittelt werden, weshalb die Anforderungen an die Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks (s. Rz. 23 ff.) auch für die Übermittlung des Ersuchens gelten (vgl. auch Art. 5 Abs. 1 S. 1 EU-ZustVO 2020). Das Ersuchen darf nicht isoliert gestellt werden. Ein isoliertes Ersuchen entspricht nicht den Anforderungen der Verordnung an eine ordnungsgemäße Initiierung des Rechtshilfeverfahrens. Das Beifügenserfordernis soll sicherstellen, dass sich das Ersuchen zweifelsfrei dem zuzustellenden Schriftstück zuordnen lässt. Außerdem beschleunigt es die Kommunikation. Ein isoliertes Ersuchen darf gleichwohl nicht zurückgewiesen werden, wenn es anhand der enthaltenen Angaben eindeutig einem zuzustellenden Schriftstück, welches gesondert übermittelt wurde, zugeordnet werden kann. Denn in diesem Fall kann eines der beiden Ziele erreicht werden und würde das andere Ziel durch eine Nichtbearbeitung umso mehr verfehlt. Aber selbst in dem Fall, dass sich ein isoliertes Ersuchen nicht einem zuzustellenden Schriftstück zuordnen lässt, ist gegenüber der Zurückweisung vorrangig eine Nachbesserungsverfahren nach Art. 10 Abs. 2 EU-ZustVO 2020. 5. Sprache (Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2, Unterabs. 2) Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2 regelt, in welcher Sprache das für das Rechtshilfeersuchen zu verwendende Formblatt A auszufüllen ist. Diese Vorgabe betrifft nur die Eintragungen in dem betreffenden Formblatt.30 Sie betrifft nicht die Sprache des Formblatts selbst.31 Für das Ersuchen kann daher das Formblatt in einer beliebigen verfügbaren Sprache verwendet werden. Dem liegt zugrunde, dass das Formblatt in allen Amtssprachen der EU vorliegt und jede Empfangsstelle daher durch Über- bzw. 27 Vgl. Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 4 EuZVO Rz. 6: kein Formularzwang im Rechtsverkehr zwischen Deutschland und Österreich. 28 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 59 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4. 29 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 4 EG-ZustVO 2007 Rz. 8; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4. 30 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 7; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. 31 ABl. EG 1997 C 261/30; KOM(1999) 219 endg.; Brenn, Art. 4 EZV Anm. f); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 7; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. – A.A. Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 7.
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Art. 8 EU-ZustVO 2020 Übermittlung von Schriftstücken Nebeneinanderlegen der Formblätter verschiedener Sprachen sich jede Sprachfassung mit überschaubarem Aufwand erschließen kann.32 Erfolgt die Übermittlung des Formblatts über das dezentrale ITSystem (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 ff.), kann sich die Empfangsstelle das eingegangene Formblatt automatisch in der von ihr genutzten (Amts-)Sprache anzeigen lassen. Weiterhin betrifft die Regelung nicht das zuzustellende Schriftstück.33 An dessen Sprache stellt die Vorschrift keine Anforderungen. Sie begründet insbesondere keine Übersetzungsobliegenheit für das zuzustellende Schriftstück (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 31). Stattdessen sieht Art. 12 EU-ZustVO 2020 vor lediglich ein Annahmeverweigerungsrecht für den Zustellungsadressaten in dem Fall, dass das zuzustellende Schriftstück nicht in einer der Kognitionsobliegenheit des Empfängers entsprechenden Sprache (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 35 ff.) zugestellt wird (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 31 ff.), worauf die Übermittlungsstelle nach Art. 9 EU-ZustVO 2020 den Antragsteller hinzuweisen (s. Art. 9 EU-ZustVO 2020 Rz. 6 ff.) und worüber die Empfangsstelle den Zustellungsadressaten zu belehren hat (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 62 ff.). 20
Für seinen Geltungsbereich bestimmt Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2 die Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats, bei der es sich nicht notwendig um eine Amtssprache der EU handeln muss, als zulässige Sprache (Erwägungsgrund 17 S. 3 EU-ZustVO 2020). Für den Fall, dass es im Empfangsmitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, wird verwiesen auf diejenigen Amtssprachen des Empfangsmitgliedstaats, welche an dem Ort, an dem die Zustellung ausweislich des übermittelten Rechtshilfeersuchens erfolgen soll (im Antrag bezeichnete Adresse des Zustellungsempfängers und nicht Sitz der Empfangsstelle),34 gelten (Erwägungsgrund 17 S. 3 EU-ZustVO 2020). Aufgrund des Verweises auf die Amtssprache des Ortes, an dem die Zustellung ausweislich des übermittelten Ersuchens erfolgen soll, wird sichergestellt, dass die Übermittlungsstelle diese Sprache im Voraus sicher bestimmen kann und im Falle eines der Empfangsstelle bekannt gewordenen Umzugs des Zustellungsempfängers an einen Ort, an dem eine andere Amtssprache gilt, das Ersuchen nicht in einer anderen Sprache neu gestellt werden muss, sondern von der Empfangsstelle an eine andere Empfangsstelle desselben Mitgliedstaats weitergeleitet werden kann (vgl. auch Art. 10 Abs. 4 EU-ZustVO 2020).
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Jeder Mitgliedstaat kann über seine Amtssprachen hinaus weitere Sprachen als zulässige Ausfüllsprachen zulassen. Eine solche Zulassung betrifft nur das Ausfüllen des Formblatts A. Sie zieht nicht nach sich, dass im Falle eines in der zugelassenen Ausfüllsprache verfassten zuzustellenden Schriftstücks kein Annahmeverweigerungsrecht besteht (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 53).35 Die Zulassung erfolgt nach dem nationalen Recht des jeweiligen Mitgliedstaats. Die weiteren zugelassenen Ausfüllsprachen müssen keine Amtssprachen der EU sein.36 Z.B. könnte Bulgarien (für grenznahe Regionen) auch Türkisch als Ausfüllsprache zulassen. Abweichendes folgt nicht aus Abs. 2 Unterabs. 2. Dort wird lediglich begründet eine der Information der Kommission dienende Mitteilungspflicht. Die Zulassung weiterer Ausfüllsprachen ist in ihrer Wirksamkeit unabhängig davon, dass eine Mitteilungspflicht besteht oder die Mitteilung erfolgt ist. Vielmehr entsteht nach Maßgabe von Abs. 2 Unterabs. 2 eine Mitteilungspflicht gerade erst als Folge der Zulassung einer weiteren Ausfüllsprache (Erwägungsgrund 17 S. 4 EU-ZustVO 2020). Dass Abs. 2 Unterabs. 2 die Mitteilungspflicht auf Amtssprachen der EU beschränkt, beruht darauf, dass die Kommission die Mitteilungen insbesondere auch im Rahmen der Entwicklung der Referenzimplementierungssoftware berücksichtigen will und sich dabei auf Amtssprachen der EU beschränkt.
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Ist des Formblatt A in einer nicht zugelassenen Sprache ausgefüllt, kann des Rechtshilfeersuchen nach Maßgabe von Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 zurückgewiesen werden.37 Da im Falle der Verwendung einer unzulässigen Ausfüllsprache der Zurückweisungsgrund der Nichtbeachtung der erforderlichen Formvorschriften einschlägig ist, kommt eine Zurückweisung nur in dem Fall in Betracht, dass infolge der Verwendung einer nicht zugelassenen Ausfüllsprache das Rechtshilfeersuchen nicht ausgeführt werden kann. Eine solche Unmöglichkeit ist nur dann gegeben, wenn die für die Zustel32 Vgl. Brenn, Art. 4 EZV Anm. h); Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8 f. 33 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 9; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.73. Vgl. Audiencia Provincial Guadalajara v. 6.3.2009 – 31/2009. 34 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7. 35 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 16; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 9. 36 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10. 37 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 8.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 8 EU-ZustVO 2020
lung erforderlichen Angaben aufgrund ihrer Fremdsprachigkeit nicht verstanden werden können.38 Dies beurteilt sich nach der Verständnismöglichkeit der mit der Bearbeitung eines Zustellungsersuchens befassten natürlichen Person. Diese ist nicht gehalten, sich innerhalb der Empfangsstelle oder gar innerhalb des Empfangsmitgliedstaats um Unterstützung dabei, ein Zustellungsersuchen im erforderlichen Umfang zu verstehen, zu bemühen. Anderenfalls liefe die einem liquiden und schnellen Verständnis dienende Beschränkung auf bestimmte Ausfüllsprachen in der Praxis weitgehend leer. Eine auf Grundlage eines unter Nutzung einer nicht zugelassenen Ausfüllsprache gestellten Zustellungsersuchens bewirkte Zustellung ist nicht mangelhaft (s. Rz. 1 a.E.).
III. Pflicht zur unmittelbaren und schnellstmöglichen Übermittlung (Abs. 1) Nach Abs. 1 sind zuzustellende Schriftstücke (gerichtliche wie außergerichtliche, s. Rz. 10) zwischen den Übermittlungs- und Empfangsstellen (s. Rz. 13 ff.) unmittelbar (s. Rz. 24) und so schnell wie möglich (s. Rz. 25 f.) zu übermitteln (vgl. Erwägungsgrund 10 S. 1 EU-ZustVO 2020). Diese Vorgabe gilt über das zuzustellende Schriftstück hinaus auch für das diesem nach Abs. 2 beizufügende Rechtshilfeersuchen (s. Rz. 16 f.).
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1. Unmittelbarkeitsprinzip Aus Abs. 1 folgt, dass Rechtshilfeersuchen zum Zweck der grenzüberschreitenden Zustellung im Regelfall nicht auf diplomatischem oder konsularischem Weg zu übermitteln sind (s. auch Art. 16 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 f., 5 ff.). Weiter folgt aus Abs. 1, dass Rechtshilfeersuchen im Regelfall auch nicht über spezielle Rechtshilfestellen (Zentralbehörden) zu übermitteln sind, wie dies z.B. Art. 2 Abs. 1 HZÜ vorsieht (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 1). Vielmehr sind sie im Grundsatz direkt zu übermitteln zwischen den Übermittlungs- und den Empfangsstellen. Dabei geht die Idealvorstellung des Verordnungsgebers dahin, dass Übermittlungsstellen alle im Ursprungsmitgliedstaat ein inländisches Zustellungsverfahren einleitenden Stellen (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 1, 8 f.) und Empfangsstellen alle diejenigen Stellen des Empfangsmitgliedstaats sind, welche in diesem zur Einleitung eines Zustellungsverfahrens berufen sind, d.h. eine Zustellung selbst ausführen oder die Ausführung beauftragen können (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 1, 21 f.). Von diesem Ideal abweichen können die Mitgliedstaat durch eine Konzentration der Aufgaben von Übermittlungs- und Empfangsstellen (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 28 ff.), was für die Anwendung von Abs. 1 ohne Bedeutung ist, weil Abs. 1 die Benennung durch die Mitgliedstaaten voraussetzt. Abweichungen von Abs. 1 ermöglicht zunächst Art. 16 EU-ZustVO 2020, der für Ausnahmefälle noch die Übermittlung auf diplomatischem oder konsularischem Weg zulässt (s. Art. 16 EU-ZustVO 2020 Rz. 9). Daneben erlaubt Art. 4 Unterabs. 1 lit. c EU-ZustVO 2020 eine Abweichung von Abs. 1 dahingehend, dass ausnahmsweise die Kommunikation zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen über eine Zentralstelle erfolgt (s. Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 18 ff.).
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2. Beschleunigungsgebot Weiter folgt aus Abs. 1, dass die Übermittlung so schnell wie möglich zu erfolgen hat. Hieraus ergibt 25 sich zwar keine Anforderung an die Beschleunigung der Entscheidung, dass eine grenzüberschreitende Zustellung erforderlich ist, und die Übermittlung durch die anordnende Stelle an die Übermittlungsstelle. Allerdings bezieht sich das Beschleunigungsgebot bereits darauf, wie schnell die Übermittlungsstelle ein Rechtshilfeverfahren zu initiieren hat und erlangt Bedeutung z.B. für ein nationales Prüfstellenverfahren (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 12). Bei der Initiierung des Rechtshilfeverfahrens liegt sogar der Hauptwirkungsbereich des von der Vorschrift aufgestellten Beschleunigungsgebots. Dieses ist nicht auf die Beschleunigung des eigentlichen Übermittlungsvorgangs und damit letztlich die Wahl des im Rahmen des Rechtshilfeverkehrs genutzten Übermittlungsweges beschränkt. Erkennbar wird dies darin, dass die Vorschrift Geltung erst erlangt zugleich mit Art. 5 EU-ZustVO 2020, der erstens den im Regelfall zu nutzenden Übermittlungsweg vorgibt und zweitens für den Fall, 38 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 8. – A.A. möglicherweise Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 8.
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Art. 8 EU-ZustVO 2020 Übermittlung von Schriftstücken dass ausnahmsweise ein anderer Übermittlungsweg genutzt wird, in seinem Abs. 4 ein eigenes Beschleunigungsgebot enthält. 26
Anders als für die Erledigung von Zustellungsersuchen durch die Empfangsstelle (Art. 10 Abs. 1, 4 EU-ZustVO 2020, Art. 11 Abs. 2 EU-ZustVO 2020) konkretisiert die Vorschrift das Beschleunigungsgebot nicht durch eine zu wahrende Höchstfrist. Gleichwohl ist das Beschleunigungsgebot nicht nur eine (unverbindliche) Absichtserklärung,39 sondern ein rechtsverbindliches Optimierungsgebot. Dieses gibt zwar nur ein Ziel vor. Die zu dessen Erreichung zu ergreifenden Maßnahmen bleiben dagegen ungeregelt und bleiben der Beurteilung des Verpflichteten überlassen, weshalb aus dem Beschleunigungsgebot (vorbehaltlich einer Ermessensreduktion auf Null) auch keine durchsetzbaren Pflichten folgen, bestimmte Einzelschritte zu ergreifen.40 Gleichwohl ist seine Verletzung entgegen teilweiser Annahme41 sanktioniert und zwar dadurch, dass zugunsten des Antragstellers Amtshaftungsansprüche entstehen können.42
IV. Befreiung von Beglaubigung und ähnlicher Förmlichkeit (Abs. 3) 27
Nach Abs. 3 bedürfen die im Rahmen des Rechtshilfeverkehrs nach der Verordnung übermittelten Schriftstücke weder der Beglaubigung noch einer ähnlichen Förmlichkeit. Unter Beglaubigung bzw. ähnlicher Förmlichkeit versteht Abs. 3 ausschließlich die Legalisation bzw. die Apostille, welche im grenzüberschreitenden Urkundenverkehr vielfach als Nachweis der Echtheit einer öffentlichen Urkunde gefordert werden.43 Dagegen ist mit Beglaubigung nicht angesprochen die Bestätigung der Übereinstimmung einer Vervielfältigung mit dem Original.44 Dies verschleiert die (nur) im Ergebnis zutreffende Aussage der h.A.,45 dass Abs. 3 nur Beglaubigungen zum Zweck der Rechtshilfe und nicht dagegen nationale Vorgaben zum Zweck der Zustellung betrifft. Auch ist mit Beglaubigung nicht angesprochen die Bestätigung der inhaltlichen Richtigkeit einer Übersetzung oder Transkription (s. auch Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 58).46 Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Vorschrift nicht regelt, in welcher Ausstattung ein Schriftstück zuzustellen ist (s. Rz. 12), d.h. aus Sicht der Vorschrift ein zuzustellendes Schriftstück als solches stets ein Original ist, weshalb gar kein Anlass für eine Beglaubigung der inhaltlichen Richtigkeit besteht. Weiter spricht hierfür, dass sich Abs. 3 einfügt in eine generelle Entwicklung im europäischen Urkundenverkehr. Danach sind mit Rücksicht auf das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten (nur) in Ansehung des Echtheitsnachweises entsprechende Erfordernisse im Urkundenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Rückzug (vgl. den allgemeinen Ansatz der EU-UrkVO, vgl. zudem z.B. den punktuellen Ansatz in Art. 61 Brüssel Ia-VO). Dem folgend befreit Abs. 3 öffentliche Urkunden auch im Rahmen des Rechtshilfeverkehrs nach der Verordnung von diesen Förmlichkeiten, um die Urkundenübermittlung zu erleichtern. Schließlich spricht hierfür, dass der Verzicht auf Beglaubigung und ähnliche Förmlichkeit im Zusammenhang mit der in Abs. 1 angeordneten unmittelbaren Übermittlung zwischen Behörden steht (s. Rz. 28).
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Die Befreiung nach Abs. 3 gilt nur, soweit Schriftstücke im Rahmen des Rechtshilfeverkehrs nach Abschnitt 1 des Kapitels II der Verordnung übermittelt werden. Sie gilt dagegen nicht für nach Abschnitt 2, Kapitel II der Verordnung übermittelte Schriftstücke. Hintergrund hierfür ist, dass gerade 39 40 41 42 43 44 45
46
A.A. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 6. Vgl. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 6. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 6. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EG) 1393/2007 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 2. Vgl. ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg. A.A. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 4 EuZVO Rz. 6; Knöfel, RIW 2021, 473, 479. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 9; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 4 EG-ZustVO 2007 Rz. 11; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 4 EuZVO Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 10. Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 4 VO (EG) 1393/2007 Rz. 31, Art. 5 VO (EG) 1393/2007 Rz. 16; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12. – A.A. BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 28; Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2504; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.126.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 8 EU-ZustVO 2020
der Rechtshilfeverkehr nach Abschnitt 1, Kapitel II der Verordnung besonders erleichtert und beschleunigt werden soll. Weiterer Hintergrund ist, dass nur die direkte Kommunikation nach Abs. 1 einen gewissen und aus Sicht der Verordnung hinreichenden Ausgleich für Legalisation und Apostillierung schafft. Sachlich erfasst Abs. 3 nur öffentliche Urkunden und damit zahlreiche zuzustellende gerichtliche Schriftstücke, nicht dagegen Privaturkunden und daher vielfach nicht zuzustellende außergerichtliche Schriftstücke. Zuzustellende Übersetzungen erfasst sie danach nur, soweit diese als öffentliche Urkunde ausgestellt sind; hinsichtlich des Erfordernisses einer die inhaltliche Richtigkeit einer Übersetzung bestätigenden Beglaubigung macht Abs. 3 keine Vorgabe (s. Rz. 27).47 Von Abs. 3 erfasst wird auch das Rechtshilfeersuchen als öffentliche Urkunde.48 Nach der Systematik der Verordnung erfasst Abs. 3 nicht die Beantwortung von Rechtshilfeersuchen durch die Empfangsstellen und auch nicht die im Empfangsmitgliedstaat ausgestellten Zustellungsbescheinigungen. Insoweit kommt allerdings eine entsprechende Anwendung in Betracht, weil und soweit die direkte Kommunikation auch insoweit einen gewissen und aus Sicht der Verordnung hinreichenden Ausgleich für Legalisation und Apostillierung bietet. Davon unabhängig kann sich eine Befreiung von Legalisation und Apostillierung aus anderen Vorschriften ergeben (z.B. aus Art. 61 Brüssel Ia-VO). Aus Abs. 3 folgt in seinem Geltungsbereich zunächst, dass die Empfangsstelle keine Legalisation oder 29 Apostillierung fordern darf, sondern unabhängig hiervon wie für inländische Urkunden von der Echtheit einer öffentlichen Urkunde auszugehen hat; diese Echtheitsannahme kann in gleicher Weise wie bei inländischen öffentlichen Urkunden ausgeräumt werden. Darüber hinaus folgt aus Abs. 3, dass die im Empfangsmitgliedstaat eine Zustellung ausführenden, von den Empfangsstellen verschiedenen Stellen (Zustellungsorgane) in gleicher Weise von der Echtheit auszugehen haben und weder Legalisation noch Apostille einfordern dürfen. Aus Abs. 3 folgt dagegen nicht, dass die eine Zustellung auslösende Stelle des Ursprungsmitgliedstaats von der Echtheit der übermittelten (und zugestellten) Schriftstücke unabhängig von Legalisation und Apostillierung auszugehen hat. Freilich sind aus Sicht der eine Zustellung auslösenden Stelle des Ursprungsmitgliedstaats übermittelte zuzustellende Schriftstücke regelmäßig keine ausländischen und unterliegen schon deshalb keinem Legalisations- oder Apostillierungserfordernis. Weiter folgt aus Abs. 3 nicht, dass das Recht des Ursprungsmitgliedstaats keine dem Nachweis der inhaltlichen Originaltreue des zugestellten Schriftstücks dienende Beglaubigung fordern darf, weil dem Nachweis der Originaltreue dienende Beglaubigungen von Abs. 3 nicht angesprochen werden (s. Rz. 27).
V. Obliegenheit zur Übermittlung eines zweiten Stücks (Abs. 4) Begehrt die Übermittlungsstelle, dass ihr die erfolgreiche Zustellung durch den Empfangsmitgliedstaat unter Beifügung einer Zweit-/Abschrift des zuzustellenden Schriftstück bestätigt wird, trifft sie die Obliegenheit, das zuzustellende Schriftstück in zwei Exemplaren zu übermitteln.49 Die Bestätigung der Zustellung unter Beifügung des zuzustellenden Schriftstücks (oder einer Mehrheit solcher) schafft in besonderer Weise Klarheit über den Zustellungsgegenstand und vermeidet Zweifel über die Vollständigkeit der zugestellten Schriftstücke.50
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Wird eine besondere Bestätigung unter Beifügung des zuzustellenden Schriftstücks nicht gewünscht, müssen keine zwei Stücke übermittelt werden und es genügt die Übermittlung eines Stücks des zuzustellenden Schriftstücks (s. Rz. 12). Darüber hinaus besteht eine Obliegenheit zur Beifügung eines zweiten Stücks des zuzustellenden Schriftstücks nur, wenn das zuzustellende Schriftstück ausnahmsweise nicht über das dezentrale IT-System, sondern papiergebunden übermittelt wird (s. auch Rz. 7). Wird das zuzustellende Schriftstück über das dezentrale IT-System übermittelt, besteht eine entsprechende Obliegenheit auch nicht in dem Fall, dass eine Bescheinigung nach Art. 14 Abs. 1 Halbs. 2
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47 Vgl. i.Erg. auch Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 5 EuZVO Rz. 3. 48 Vgl. Brenn, Art. 4 EZV Anm. i). 49 Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 14. 50 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 10; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 11; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 4 EuZVO Rz. 14. Vgl. auch Audiencia Provincial Madrid v. 10.9.2015 – 371/2015.
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Art. 9 EU-ZustVO 2020 Übersetzung von Schriftstücken EU-ZustVO 2020 beantragt ist. Vielmehr fertigt die Empfangsstelle in diesem Fall gegebenenfalls selbst eine ausreichende Anzahl von Abschriften des zuzustellenden Schriftstücks auf der Grundlage des elektronisch übermittelten Schriftstücks (vgl. zu diesem Prinzip im deutschen Recht z.B. auch § 133 Abs. 1 S. 2 ZPO).51 32
Genügt die Übermittlungsstelle ihrer Obliegenheit aus Abs. 4 nicht, rechtfertigt dies nicht die Nichtausführung der Zustellung.52 Vielmehr darf die Empfangsstelle, nach fruchtloser Einräumung der Gelegenheit zur Nachbesserung, nur davon absehen, die gewünschte Verbindung mit einer Zweit-/Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks (s. Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 14, 18) herzustellen. Die Empfangsstelle ist aber auch nicht gehindert, von einer Nachbesserungsaufforderung abzusehen und stattdessen selbst eine Abschrift zu fertigen und die Empfangsbestätigung gemäß dem Wunsch der Übermittlungsstelle mit dieser zu verbinden.
Artikel 9 Übersetzung von Schriftstücken (1) Die Übermittlungsstelle, welcher der Antragsteller das Schriftstück zum Zweck der Übermittlung übergibt, setzt den Antragsteller davon in Kenntnis, dass der Empfänger die Annahme des Schriftstücks verweigern darf, wenn es nicht in einer der in Artikel 12 Absatz 1 bestimmten Sprachen abgefasst ist. (2) Der Antragsteller trägt etwaige vor der Übermittlung des Schriftstücks anfallende Übersetzungskosten unbeschadet etwaiger späterer Kostenentscheidungen des zuständigen Gerichts oder der zuständigen Behörde. I. 1. 2. 3.
Allgemeines . . . . . . Normzweck . . . . . . Entstehungsgeschichte Anwendungsbereich .
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II. 1. 2. 3. 4.
Belehrungspflicht (Abs. 1) . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . Verpflichteter . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechtigter (Belehrungsadressat) . . . . . . Inhalt der Belehrungspflicht . . . . . . . . . . a) Gegenstand und Umfang der Belehrung .
. . . .
1 1 3 4
. 6 . 6 . 9 . 10 . 13 . 13
b) Art und Form der Belehrung . . 5. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . b) Reaktion des Antragstellers . . . c) Verletzung der Belehrungspflicht
. . . . .
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III. Kostenlast (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zu den rechtsschutzgewährenden Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zum Zustellungsadressaten . . . .
. . . . .
15 16 16 18 21
. 22 . 22 . 24 . 27
Schrifttum: Fabig/Windau, Übersetzungen bei Auslandszustellung innerhalb der EU?, NJW 2017, 2502; Mankowski, Zur Regelung von Sprachfragen im europäischen Internationalen Zivilverfahrensrecht, in FS Athanassios G. Kaissis, 2012, S. 607. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Verordnung sieht für das grenzüberschreitend zuzustellende Schriftstück keine (aus Sicht des Zustellungsadressaten) unbedingte Übersetzungsobliegenheit (des Antragstellers) vor (vgl. § 37 Abs. 1 S. 1 ZRHO; abw. Art. 3 Abs. 2 HZPÜ, Art. 5 Abs. 3 HZÜ1).2 Eine solche ergibt sich nicht aus dem al51 52 1 2
A.A. wohl Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 4 EuZVO Rz. 10. BGH v. 2.12.1992 – XII ZB 64/91, NJW 1993, 598, 599 zu III. 1. c) der Gründe. Knöfel, RIW 2021, 473, 481.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 9 EU-ZustVO 2020
lein das Rechtshilfeersuchen betreffenden Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 19). Vielmehr ist aus dem in Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 für den Zustellungsadressaten begründeten Annahmeverweigerungsrecht rückzuschließen, dass eine unbedingte Übersetzungsobliegenheit nicht besteht (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 31).3 Der Zustellungsadressat kann zur Wahrung seiner Interessen nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 ein nicht in der für den Zustellungsort maßgeblichen Amtssprache verfasstes oder in diese übersetztes Schriftstück, wenn er dieses nicht versteht, zurückweisen mit der Folge, dass die Zustellung (noch) nicht erfolgreich bewirkt wurde und ihn (vorerst) nicht die an eine bewirkte Zustellung anknüpfenden Rechtswirkungen treffen (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 78 ff.). Dies schließt eine amtswegige Verweigerung der Zustellung durch Übermittlungs- oder Empfangsstelle, welche auf die Sprachfassung des zuzustellenden Schriftstücks bzw. das Fehlen einer begleitenden Übersetzung gegründet ist, aus. Die Vorschrift baut auf dem Annahmeverweigerungsrecht auf und ergänzt insoweit Art. 12 EU- 2 ZustVO 2020.4 So wie die Empfangsstelle nicht dazu berechtigt ist, die Ausführung einer Zustellung unter Verweis auf die Sprachfassung des zuzustellenden Schriftstücks zu verweigern, sondern stattdessen nur den Zustellungsadressaten über sein Annahmeverweigerungsrecht zu belehren hat (Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 62 ff.), ist die Übermittlungsstelle nicht dazu berechtigt, die Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks unter Verweis auf dessen Sprachfassung zu verweigern, sondern hat stattdessen nach Abs. 1 den Antragsteller (s. Rz. 10 ff.) lediglich über das für den Zustellungsadressaten bestehende Annahmeverweigerungsrecht zu belehren.5 Diese Belehrungspflicht dient demjenigen, in dessen Interesse eine Zustellung bewirkt werden soll. Ihm soll eine informierte Entscheidung darüber ermöglicht werden, ob er mit Blick auf die Aussicht, (unnötige) Übersetzungskosten zu ersparen und (zunächst) einen Zeitvorteil zu erlangen, das Risiko tragen will, die im Falle einer Annahmeverweigerung eintretenden Nachteile zu erleiden, oder er zur Vermeidung dieses Risikos die mit der vorsorglichen Beibringung und Zustellung einer Übersetzung verbundene Zeitverzögerung sowie die damit verbundene Last, die gegebenenfalls unnötig anfallenden Kosten vorzuschießen, tragen will.6 Zugleich wird er durch die Belehrung damit konfrontiert, sich der Sprachkompetenz des Empfängers und damit der die Risikobeurteilung beeinflussenden Wahrscheinlichkeit einer (berechtigten) Annahmeverweigerung zu vergewissern. Keinesfalls zielt die Vorschrift darauf, dass Antragstellern generell bzw. pauschal empfohlen wird, vorsorglich eine Übersetzung beizubringen (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 14). In ihrem Abs. 2 klärt die Vorschrift für das Verhältnis des Antragstellers zu den Stellen des Ursprungsmitgliedstaats (Übermittlungs- und Zentralstelle) die Kostenverantwortlichkeit für vor der Übermittlung in den Empfangsmitgliedstaat anfallende Übersetzungskosten und weist sie dem Antragsteller zu. Für das Verhältnis des Antragstellers zum Übersetzer sowie zum Zustellungsadressaten verteilt die Vorschrift die Kostenverantwortlichkeit nicht. Zu Letzterem enthält sie nur die Klarstellung, dass maßgeblich das auf das Verhältnis des Antragstellers zum Zustellungsadressaten anwendbare Recht ist. 2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift geht zurück auf Art. 5 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)7 und Art. 5 EG-ZustVO 2000.8 Die Vorgängervorschriften knüpften nicht an ein Vorbild in HZÜ oder HZPÜ an. Vielmehr 3 Abw. z.B. Anders/Gehle/Schmidt, Vor § 1067 ZPO Rz. 20; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 9 EuZVO Rz. 1 f., die dies aus Art. 9 EU-ZustVO 2020 ableiten. 4 Vgl. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 5 EuZVO Rz. 4; Brenn, Art. 5 EZV Anm. a); Mankowski FS Kaissis, S. 607, 610; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 5 EuZVO Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 1; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 9 EuZVO 2022 Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 2. 5 Vgl. EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 53 ff. – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 2, 12, Art. 8 EuZVO Rz. 3. 6 Vgl. EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 37 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; KG v. 7.6.2013 – 5 W 117/13, BeckRS 2013, 11351 zu II. 2. b) der Gründe. 7 BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 9 EuZVO 2022 Rz. 1; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 9 EuZVO 2022 Rz. 1. 8 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 9 EuZustVO Rz. 1.
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Art. 9 EU-ZustVO 2020 Übersetzung von Schriftstücken entstanden sie im Zusammenhang mit dem in Art. 8 EG-ZustVO 2000/EG-ZustVO 2007 normierten Bruch mit HZÜ und HZPÜ (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 20). Nach HZÜ und HZPÜ bestand (nach Maßgabe des Rechts des Empfangsmitgliedstaats) eine (aus Sicht des Zustellungsadressaten) unbedingte Übersetzungsobliegenheit (des Antragstellers). Die Zustellung von nicht in einer am Zustellungsort zugelassenen Sprache verfassten oder von einer entsprechenden Übersetzung begleiteten Schriftstücken konnte (zum Schutz des Zustellungsadressaten ebenso wie im Interesse der Anwendung des ordre public-Vorbehalts) abgelehnt werden. Dies nahmen regelmäßig bereits die im Ursprungsstaat geltenden Vorschriften bzw. tätigen Stellen in den Blick und wurde erforderlichenfalls eine Übersetzung beschafft bzw. dem Antragsteller aufgegeben, eine solche beizubringen. Eine Belehrung war daneben nicht erforderlich. Mit Art. 8 EG-ZustVO 2000 trat an die Stelle einer unbedingten Übersetzungsobliegenheit ein Annahmeverweigerungsrecht mit Heilungsmöglichkeit, d.h. eine bedingte Übersetzungsobliegenheit mit Pflicht zur Belehrung des Zustellungsadressaten. Ergänzt wurde diese in Art. 5 EG-ZustVO 2000 durch eine Belehrungspflicht zugunsten des Antragstellers9 sowie eine Regelung zur Kostenlast. Der praktisch identische10 Art. 5 EG-ZustVO 2007 führte die Regelung fort. Hieran knüpft die Vorschrift an. Gegenüber den beiden Vorgängervorschriften wurde sie nur redaktionell geändert.11 Der Kommissionsentwurf sah dementsprechend noch gar keine Änderung von Art. 5 EG-ZustVO 2007 vor.12 Ebenso wenig war die Vorschrift Gegenstand der Stellungnahme des EWSA und der Stellungnahme erster Lesung des Parlaments.13 Ihre redaktionelle Anpassung erfolgte im Rahmen der ersten Lesung im Rat erst im Zusammenhang mit der im Rahmen der Triloggespräche getroffenen Entscheidung, anstatt eines Änderungsrechtsakts eine Neufassung zu erlassen (vgl. Erwägungsgrund 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020).14 3. Anwendungsbereich 4
Die Vorschrift gilt nur für die grenzüberschreitende Übermittlung auf dem Weg der einfachen Rechtshilfe nach Abschnitt 1, Kapitel II der Verordnung. Sie gilt dagegen nicht für die in Abschnitt 2 des Kapitels II der Verordnung geregelten Wege, eine grenzüberschreitende Zustellung zu bewirken, obwohl nach Art. 12 Abs. 6 EU-ZustVO 2020 auch insoweit keine unbedingte Übersetzungsobliegenheit, sondern stattdessen ein Annahmeverweigerungsrecht besteht.15 Dies ergibt sich aus dem systematischen Standort der Vorschrift. Allerdings findet die Vorschrift entsprechende Anwendung, wenn an Übermittlungen bzw. Zustellungen nach Kapitel II, Abschnitt 2 eine Übermittlungsstelle, welche zur Belehrung verpflichtet ist, beteiligt ist.16 Die Vorschrift ist insoweit planwidrig lückenhaft. Entstanden ist die Lücke (spätestens) durch die Ergänzung von Art. 8 Abs. 4 EG-ZustVO 2007, welche die Anwendung des Annahmeverweigerungsrechts im Empfangsmitgliedstaat auf alle Übermittlungswege klarstellte, ohne dies in der den Ursprungsmitgliedstaat betreffenden Parallelregelung nachzuvollziehen. Der Umstand, dass der Verordnungsgeber trotz umfangreicher Evaluierung und intensiver Auseinandersetzung mit der Ausgestaltung des Annahmeverweigerungsrechts im Rahmen der letzten Reform die offensichtliche Lücke nicht geschlossen, sondern beibehalten hat, schließt ihre Planwidrigkeit nicht aus, weil dies dem Umstand geschuldet ist, dass sich der Verordnungsgeber auf das Annahmeverweigerungsrecht und seine Ausübung, nicht aber auf die zeitlich davor liegende Phase, in welcher der Belehrungspflicht zu genügen ist, fokussiert hat. Keine analoge Anwendung findet die Vorschrift aber gegebenenfalls zunächst auf Übermittlungen nach Art. 16 EU-ZustVO 2020; die für die Übermittlung zuständigen konsularischen oder diplomatischen Stellen sind allenfalls nach nationalem Recht, nicht aber verordnungsautonom zu einer Belehrung verpflichtet. Eine analoge Anwendung findet außerdem nicht statt, soweit eine Postdirektzustellung (Art. 18 EU-ZustVO 2020) oder eine elektronische Zustellung (Art. 19 EU-ZustVO 2020) unmittelbar von einer zustellungsberechtig9 10 11 12 13 14 15 16
Zum Hintergrund vgl. auch ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg. Audiencia Provincial Guadalajara v. 6.3.2009 – 31/2009. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 9 EuZVO 2022 Rz. 1. COM(2018) 379 final, S. 21. Cofferati, A8-0001/2019, S. 20. Ratsdok. 9890/20 (22.10.2020), S. 26 f. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 4. – A.A. Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 9 EuZVO Rz. 3. Vgl. Mankowski FS Kaissis, S. 607, 610; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Gebauer/ Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 4, Art. 14 EuZVO Rz. 8.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 9 EU-ZustVO 2020
ten Stelle, d.h. ohne Einschaltung einer Übermittlungsstelle veranlasst wird. Ausscheiden muss eine analoge Anwendung schließlich im Fall der unmittelbaren Zustellung nach Art. 20 EU-ZustVO 2020, weil der Antragsteller in diesem Fall eigenverantwortlich die im Empfangsmitgliedstaat für eine Zustellung zuständigen Stellen angeht und in der Folge ihm auch die Verantwortung obliegt, sich über den rechtlichen Rahmen zu informieren. Darüber hinaus ist in den Fällen des Art. 20 EU-ZustVO 2020 im Ursprungsmitgliedstaat keine Stelle beteiligt, welche zur Belehrung verpflichtet sein könnte, und Stellen im Empfangsmitgliedstaat spricht Abs. 1 nicht an, vielmehr werden diese durch Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 verpflichtet. Mangels Beteiligung einer (Übermittlungs-)Stelle im Ursprungsmitgliedstaat bedarf es auch nicht der Anordnung in Abs. 2, weil vor der Übermittlung Kosten für eine Zustellung ohnehin nur beim Antragsteller anfallen können. Originär regelt die Vorschrift nur die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. Sie erfasst diese ausnahmslos (s. auch Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 28) einschließlich der in einem Verfahren ergehenden Entscheidungen.17 Aufgrund der Verweisung des Art. 21 EU-ZustVO 2020 findet sie darüber hinaus aber auch auf außergerichtliche Schriftstücke Anwendung, wenn diese auf einem der Wege zugestellt werden, auf die die Vorschrift Anwendung findet.
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II. Belehrungspflicht (Abs. 1) 1. Voraussetzungen Die Belehrungspflicht besteht im Anwendungsbereich der Verordnung (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 6 Rz. 19 ff.). Ausgelöst wird sie dadurch, dass ein Schriftstück im Auftrag oder im Interesse einer von der Übermittlungsstelle verschiedenen Person (s. Rz. 10 ff.) grenzüberschreitend zuzustellen ist und zu diesem Zweck bei der Übermittlungsstelle einlangt. Keine eigenständige Voraussetzung ist entgegen dem durch die Ausrichtung auf ein System der Parteizustellung beeinflussten Wortlaut der Vorschrift, dass das zuzustellende Schriftstück der Übermittlungsstelle gerade von einem Antragsteller und nicht z.B. von dem im Amtsbetrieb tätigen Gericht übergeben wird.18 Vielmehr ist die Übergabe durch eine Person lediglich ein Indiz für deren Interesse an der Zustellung. Für das Entstehen der Belehrungspflicht ist ohne Belang, ob der Zustellungsadressat das zuzustellen- 7 de Schriftstück i.S.v. Art. 12 Abs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020 verstehen kann. Zwar besteht nach Art. 12 Abs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020 ein Annahmeverweigerungsrecht nicht, wenn der Zustellungsadressat die Sprache des zuzustellenden Schriftstücks versteht. Dies allerdings kann die Übermittlungsstelle im maßgeblichen Zeitpunkt nicht hinreichend sicher beurteilen. Mangels entsprechender Kompetenz (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 5) und in Ermangelung einer Beteiligung des Zustellungsadressaten kann sie hierüber auch nicht abschließend entscheiden und muss dies folglich auch nicht.19 Folgerichtig besteht die Belehrungspflicht ohne Rücksicht auf die Verständnismöglichkeiten des Zustellungsadressaten. Aus ähnlichen Erwägungen besteht die Belehrungspflicht auch ohne Rücksicht darauf, ob der Zustellungsadressat auf eine Übersetzung oder ein Annahmeverweigerungsrecht verzichtet hat (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 29 f.). Weiterhin besteht die Belehrungspflicht auch ohne Rücksicht darauf, ob das zuzustellende Schriftstück in der Amtssprache des Zustellungsorts (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 53 f., 63) verfasst oder in diese übersetzt ist. Zwar besteht ein Annahmeverweigerungsrecht nach Art. 12 Abs. 1 lit. b EU-ZustVO 2020 nicht, wenn ein zuzustellendes Schriftstück in der Amtssprache des Zustellungsorts verfasst oder in diese übersetzt ist. Auch kann die Übermittlungsstelle die Amtssprache des Zustellungsorts zuverlässig bestimmen, was nahe legt, dass keine Belehrungspflicht besteht, weil die Vorschrift den Verpflichteten nicht mit einer bloßen Förmlichkeit belasten, sondern die Interessen des Berechtigten absichern will. Allerdings ist eine Belehrung auch in 17 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4. – A.A. Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 9 EuZVO Rz. 2 mit nichttragendem (dazu s. Rz. 6) Hinweis auf das Erfordernis einer Übergabe. 18 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 5 EuZVO Rz. 2 f.; Brenn, Art. 5 EZV Anm. b); Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 5 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 3. Vgl. auch Fabig/Windau, NJW 2022, 1977 Rz. 16. 19 KG v. 7.6.2013 – 5 W 117/13, BeckRS 2013, 11351 zu II. 2. der Gründe; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 4; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 13.
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Art. 9 EU-ZustVO 2020 Übersetzung von Schriftstücken dem Fall, dass ein Schriftstück in der Amtssprache des Zustellungsorts verfasst oder in diese übersetzt ist, keine bloße Förmlichkeit. Denn die Übermittlungsstelle kann mangels entsprechender Kompetenz (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 5) und aufgrund der im maßgeblichen Zeitpunkt noch ausstehenden Anhörung des Zustellungsadressaten nicht abschließend darüber entscheiden, ob das betreffende Schriftstück in der maßgeblichen Amtssprache verfasst oder hinreichend in diese übersetzt ist. Es besteht daher selbst in dem Fall, dass die Amtssprache des Zustellungsorts dieselbe wie die für die Übermittlungsstelle geltende ist, noch ein gewisses Restrisiko, dass dem Zustellungsadressaten ein Annahmeverweigerungsrecht zustehen kann, und ist mithin auch eine Belehrung gerechtfertigt. 8
Die Belehrungspflicht ist nicht davon abhängig, dass ein Berechtigter (s. Rz. 10 ff.) um eine entsprechende Belehrung nachsucht. Sie setzt nicht voraus, dass der Verpflichtete ein Informationsdefizit des Berechtigten feststellt und besteht daher im Ausgangspunkt auch für anwaltlich vertretene Berechtigte.20 Allerdings ist die Belehrungspflicht teleologisch dahin zu reduzieren, dass sie nicht besteht, soweit ein Berechtigter (s. Rz. 10 ff.) gegenüber dem Verpflichteten hinreichend unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, über ausreichende Kenntnisse und Erfahrung zu verfügen und daher keiner Belehrung zu bedürfen (Mangel des Informationsinteresses).21 In diesem Fall wäre eine Belehrung eine bloße Förmelei, zu welcher Art. 9 EU-ZustVO 2020 nicht verpflichtet. 2. Verpflichteter
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Zur Belehrung verpflichtet ist jeweils als solche die Übermittlungsstelle, bei welcher ein Schriftstück zur Übermittlung im Rechtshilfeweg einlangt und welche das Rechtshilfeverfahren für eine konkrete Zustellung zu initiieren hat.22 Dagegen trifft die Belehrungspflicht nicht die eine Zustellung anordnende Stelle, was Bedeutung erlangt, wenn diese nicht selbst Übermittlungsstelle ist. Empfangsstellen und unmittelbar mit einer Zustellung beauftragte Organe sind nicht zur Belehrung verpflichtet (s. Rz. 4). Die Verordnung geht insoweit von einer klaren Aufgabenverteilung aus: Antragsteller sind im Ursprungsmitgliedstaat von den dortigen Stellen zu belehren, im Empfangsmitgliedstaat ist von den dortigen Stellen der Zustellungsadressat zu belehren (s. Rz. 2). 3. Berechtigter (Belehrungsadressat)
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Die Belehrung hat zu erfolgen gegenüber dem Antragsteller.23 Die Verordnung definiert diesen Begriff nicht, sondern setzt eine bestimmte Bedeutung voraus.24 Die Vorschrift geht davon aus, dass es sich beim Antragsteller um eine von Zustellungsadressat und -empfänger sowie mit Blick auf die Sachwidrigkeit einer Selbstbelehrung auch von der Übermittlungsstelle verschiedene Person25 handelt. Dagegen handelt es sich beim Antragsteller entgegen h.A. nicht notwendig um eine vom eine Zustellung verfügenden Gericht verschiedene Person.26 Abweichendes ergibt sich zunächst auch nicht daraus, dass dem eine Zustellung anordnenden Gericht nach Erwägungsgrund 26 EU-ZustVO 2020 die Entscheidung darüber obliegt, ob eine Annahmeverweigerung berechtigt war.27 Abgesehen davon, dass das entscheidende Gericht mit der Übermittlungsstelle zwar idealer Weise identisch sein soll, nicht aber muss (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff.), sind erstens auch in dem Fall, dass das erkennende Gericht zugleich Übermittlungsstelle ist, die unterschiedlichen Funktionen (Entscheidungs20 Vgl. Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 5 EuZVO Rz. 2. 21 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 5 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 2; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 9 EuZVO 2022 Rz. 9. Zu weit geht die Annahme von BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 9 EuZVO 2022 Rz. 10, dass allein, d.h. unabhängig vom erkennbaren Fehlen eines Informationsdefizits, das Verlangen nach unverzüglicher Zustellung die Belehrungspflicht entfallen lässt. 22 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 10. 23 Falsch Hess, EuZPR, Rz. 8.16: nach Art. 5 EG-ZustVO 2007 sei Empfänger zu belehren. 24 EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 32 f. – SR/EW u.a. 25 Vgl. EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 37 – SR/EW u.a. 26 A.A. ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg. Folgend EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022: 427 Rz. 40 – SR/EW u.a. 27 A.A. EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 46 – SR/EW u.a.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 9 EU-ZustVO 2020
instanz und Übermittlungsstelle) zu unterscheiden,28 und ist zweitens zu berücksichtigen, dass Gerichte zugleich Interessenstandschafter und Entscheidungsinstanz sein können mit der Folge, dass sie als Antragsteller in Betracht kommen, ohne dass zwingend der Einwand gerechtfertigt ist, sie würden in eigenen Angelegenheiten entscheiden. Außerdem ergibt sich Abweichendes nicht zwingend daraus, dass dem Gericht obliegt, über die Tragung der Übersetzungskosten (vgl. Abs. 2) zu entscheiden,29 weil diese Entscheidung (nicht anders als z.B. eine solche über die Anwendung von § 21 GKG, s. Rz. 20) nicht im Verhältnis des Gerichts zu den Parteien, sondern allenfalls im Verhältnis der Justizverwaltung zu den Parteien ergeht. Die Vorschrift geht entgegen ihrem auf eine Übergabe des Schriftstücks durch den Antragsteller ver- 11 weisenden Wortlaut nicht von einem formellen, sondern von einem materiellen Antragstellerbegriff aus (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff.). Antragsteller ist derjenige, in dessen Interesse eine Zustellung erfolgen soll (vgl. § 37 Abs. 3 S. 1 ZRHO).30 An einer Zustellung interessiert ist im Falle der unmittelbaren bzw. Parteizustellung die Person, welche sich an eine Übermittlungsstelle wendet und dieser ein Schriftstück zum Zwecke der Zustellung übergibt.31 Darüber hinaus sind (im Fall der Amtszustellung) Antragsteller aber auch alle diejenigen (weiteren) Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, für welche sich anknüpfend an eine (amtswegige) Zustellung günstige Rechtsfolgen ergeben können.32 Antragsteller im Sinne der Vorschrift und damit Berechtigter der Belehrung kann daher z.B. auch der einem Dritten den Streit verkündende Beklagte sein, weil und soweit die Zustellung der Streitverkündungsschrift an den Dritten den Interessen des Beklagten dient.33 Ebenso ist Antragsteller ein mit einer Zustellung seine Beteiligung am Verfahren anstrebender Nebenintervenient. Nicht Antragsteller im vorstehenden Sinne und damit nicht Berechtigter ist im Grundsatz ein die Zustellung von Amts wegen anordnendes Gericht.34 Denn unbeschadet des Umstands, dass die Zustellung durch das Gericht ausgelöst wird, dient die Zustellung nicht eigenen Interessen des Gerichts. Abweichendes kommt nur in Betracht, wenn und soweit das Gericht (z.B. in Amtsverfahren nach dem FamFG) nach dem anwendbaren Recht gleichsam als Interessenstandschafter tätig wird. Liegt eine Zustellung im ausschließlichen Interesse des Zustellungsadressaten, fehlt nach Vorstehendem ein Antragsteller, welcher zu belehren (und zum Kostenvorschuss verpflichtet) ist.35 Zu belehren sein kann auf der Grundlage des materiellen Verständnisses des Antragstellerbegriffs auch 12 eine Mehrzahl an Personen, wenn und soweit für sie jeweils die Voraussetzungen der Belehrung gegeben und sie Antragsteller im vorstehenden Sinne sind. Ob eine Belehrungspflicht besteht, ist im Ausgangspunkt für jeden potentiell Berechtigten gesondert festzustellen. Greift z.B. gegenüber einem Berechtigten der Ausschlussgrund des mangelnden Informationsinteresses (s. Rz. 8), muss ihm gegenüber eine Belehrung nicht erfolgen. Auch hat die Belehrung im Grundsatz individuell gegenüber jedem Berechtigten zu erfolgen. Nur soweit ein Berechtigter zur Vertretung weiterer Berechtigter berechtigt ist, genügt eine Belehrung ihm gegenüber oder vermag ein Mangel des Informationsinteresses bei einem Berechtigten die Belehrungspflicht auch gegenüber weiteren Berechtigten in Wegfall zu bringen.
28 A.A. EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 37 – SR/EW u.a. 29 A.A. EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 34 – SR/EW u.a. 30 ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg.; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 68 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Brenn, Art. 5 EZV Anm. b), f). Vgl. auch BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 23. 31 Vgl. (e contrario) Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 2. – Unklar Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 5 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 3. 32 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 5 EuZVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 5 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3. 33 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 2. Zum Streithelfer allgemein vgl. auch EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 – SR/EW u.a.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 6. 34 Vgl. EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 30 ff. – SR/EW u.a.; KG v. 7.6.2013 – 5 W 117/13, BeckRS 2013, 11351 zu II. 2. a) der Gründe. 35 Nicht berücksichtigt durch EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 – SR/EW u.a.
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Art. 9 EU-ZustVO 2020 Übersetzung von Schriftstücken 4. Inhalt der Belehrungspflicht a) Gegenstand und Umfang der Belehrung 13
Der Berechtigte ist darüber zu belehren, d.h. ihm ist mitzuteilen, dass der Zustellungsadressat die Zustellung zurückweisen bzw. die Annahme des Schriftstücks verweigern darf, wenn das zuzustellende Schriftstück nicht verfasst ist in einer Sprache, welche der Empfänger versteht, oder in der Amtssprache des Zustellungsorts und – insoweit entgegen dem zu kurz greifenden Wortlaut der Vorschrift – dem Schriftstück auch keine ordnungsgemäße Übersetzung in eine dieser Sprachen beigefügt ist.36 Darüber hinaus ist dem Berechtigten mitzuteilen, dass im Falle der Zurückweisung bzw. Annahmeverweigerung die Zustellung vorerst nicht erfolgreich bewirkt ist und nicht die an die Zustellung anknüpfenden Rechtswirkungen eintreten können (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 92).37 Zugleich ist der Berechtigte aufzuklären über die Möglichkeit zur Heilung nach Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO 2020, ihre Voraussetzungen und ihre Wirkungen einschließlich den Auswirkungen auf die Wahrung von Fristen und die im konkreten Fall einschlägige Ausgestaltung einer Rückwirkungsfiktion der Heilung (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 94 ff.).38 Eine weitere Erläuterung der sich daraus ergebenden Risiken und ihre Bewertung durch die Übermittlungsstelle ist nicht geschuldet. Hinzuweisen ist der Berechtigte allerdings weiter darauf, dass er eine Übersetzung vorab beibringen kann, um die mit einer Annahmeverweigerung verbundenen Nachteile zu vermeiden. In diesem Zusammenhang ist er zunächst auch über die Anforderungen an Umfang und Qualität einer Übersetzung (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 55 ff.)39 und die Kostenlastregelung in Abs. 2, d.h. die ihn treffende Vorschusspflicht (nur dem Grunde nach) hinzuweisen.40 Dieser weite,41 über den die Vorschrift unzureichend abbildenden § 37 Abs. 3 S. 2 ZRHO hinausgehende Umfang des geschuldeten Belehrungsinhalts ist erforderlich, um dem Antragsteller eine informierte Entscheidung unter Berücksichtigung seines Interesses an der Ersparung von Übersetzungskosten aber auch seines Interesses an effektivem und wirksamem Rechtsschutz zu ermöglichen.
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Da die Belehrung dem Antragsteller eine informierte Entscheidung über sein Vorgehen ermöglichen soll (s. Rz. 18 ff.), muss ihm nach erfolgter Belehrung hierfür ein angemessener Zeitraum zur Verfügung stehen, bevor die Übermittlungsstelle das zuzustellende Schriftstück ohne Beifügung einer Übersetzung übermittelt. Dem Antragsteller muss ausreichende Gelegenheit zur Prüfung sowie dazu gegeben werden, auf die Belehrung sachgerecht zu reagieren. Dies greift § 37 Abs. 3 S. 2 ZRHO auf und gibt vor, dem Antragsteller eine Frist zur Reaktion zu setzen, welche vor weiteren Veranlassungen von der Übermittlungsstelle abgewartet wird. Verordnungsautonom ist eine entsprechende Fristsetzung (Kundgabe einer Wartefrist) nicht vorgegeben. Ausreichend ist aus Sicht der Verordnung, dass eine angemessene Frist zugewartet wird. Unberührt von dieser im Verhältnis des Antragstellers zur Übermittlungsstelle einzuhaltenden Wartefrist bleibt der Lauf von in dem die Zustellungslast begründenden Rechtsverhältnis wurzelnden Fristen.
36 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 23; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 5 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 9 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/ Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 3. 37 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 5 EG-ZustVO 2007 Rz. 4; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 3. 38 Vgl. Mankowski in FS Kaissis, S. 607, 610; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 9 EuZVO 2022 Rz. 8. 39 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 3; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 9 EuZVO 2022 Rz. 7; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 9 EuZVO Rz. 5. 40 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 5 EuZVO Rz. 5; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7 (Vorschusspflicht); Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 3; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 9 EuZVO 2022 Rz. 8 (Vorschusspflicht); Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 9 EuZVO Rz. 6. 41 Vgl. OLG Frankfurt v. 8.5.2019 – 13 U 210/17, NZI 2019, 727 Rz. 33: isoliert genügt die Nachfrage, ob eine Übersetzung beschafft werden soll, nicht der Belehrungspflicht.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
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b) Art und Form der Belehrung Die Unterrichtung muss verständlich und sachlich zutreffend erfolgen. Bei Wahrung dieser Anforderungen steht es der Übermittlungsstelle frei, über den notwendigen Inhalt (s. Rz. 13) hinausgehend zu informieren. Anders als für die Belehrung des Zustellungsadressaten nach Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 enthält die Verordnung kein Formblatt für die Belehrung des Berechtigten. Auch unterliegt die Erfüllung der Belehrungspflicht sonst keinem Formgebot. Die Belehrung kann daher schriftlich und, solange hierdurch der Informationszweck nicht beeinträchtigt wird, auch mündlich erfolgen (vgl. § 37 Abs. 3 S. 2 ZRHO).42
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5. Rechtsfolgen a) Ausgangspunkt Wegen Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 trifft den Antragsteller keine unbedingte Übersetzungsoblie- 16 genheit (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 31).43 Die Übermittlungsstelle trifft nach Abs. 1 dementsprechend ausschließlich die Pflicht zur Belehrung des Antragstellers, nicht dagegen eine Verpflichtung dazu, eine Übersetzung zu beschaffen.44 Dabei legt Abs. 1 mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 zugrunde, dass es der freien Entscheidung des Antragstellers obliegt, ob ein nicht in der Amtssprache des Zustellungsorts zuzustellendes Schriftstück ohne Begleitung durch eine Übersetzung grenzüberschreitend zugestellt werden soll oder ihm vorsorglich eine vorab beschaffte Übersetzung beigefügt wird.45 Die vom Antragsteller getroffene Entscheidung ist für die Übermittlungsstelle verbindlich.46 Empfangsstellen sind nicht berufen, das Vorliegen einer Übersetzung zu prüfen und ihr Fehlen zu beanstanden, vielmehr liegt die Kompetenz hierzu nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 ausschließlich beim Zustellungsadressaten, dessen Entscheidung für die Empfangsstelle nicht minder verbindlich ist wie die Entscheidung des Antragstellers für die Übermittlungsstelle (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 91). Das Recht der Mitgliedstaaten darf den von der Vorschrift und Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 vorgesehenen Mechanismus, um im konkreten Einzelfall das Bestehen oder Fehlen eines Übersetzungsbedarfs festzustellen (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 ff.), nicht dadurch beeinträchtigen, dass die Entscheidung des Antragstellers (inzident) auf Sachgerechtigkeit kontrolliert und an eine (vermeintlich) sachwidrige Entscheidung für die Wirksamkeit oder den Zustellungszeitpunkt den Antragsteller belastende Konsequenzen geknüpft werden. Zu Recht geht die h.A. daher davon aus, dass die Entscheidung des Antragstellers, mit oder ohne Beibringung einer Übersetzung grenzüberschreitend zu-
42 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 5 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 10. 43 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 25; OLG Frankfurt v. 8.5.2019 – 13 U 210/17, NZI 2019, 727 Rz. 31; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2, 5; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 4; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 9 EuZustVO Rz. 1. 44 Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2505. Vgl. auch BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 23. 45 EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 38 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 35 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Dau Si Senh u.a.; BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 23; OLG Frankfurt v. 8.5.2019 – 13 U 210/17, NZI 2019, 727 Rz. 31; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 5 EuZVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 4. 46 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 22 f.; KG v. 7.6.2013 – 5 W 117/13, BeckRS 2013, 11351 zu II. 2. b) der Gründe; OLG Brandenburg v. 29.8.2018 – 13 WF 131/18, BeckRS 2018, 31554 Rz. 8; OLG Karlsruhe v. 20.11.2009 – 14 W 763/09, BeckRS 2009, 87257; Fabig/Windau, NJW 2017, 2502; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 9 EuZVO Rz. 7. Vgl. auch EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 38 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/ CB u.a.; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 35 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Dau Si Senh u.a. – A.A. inzident LG Kempten (Allgäu) zit. bei OLG München v. 14.10.2019 – 14 W 1170/19, BeckRS 2019, 29850 Rz. 16 (Anordnung einer Übersetzung); Eixelsberger, ecolex 2016, 1065: Gericht veranlasst Übersetzung und fordert Vorschuss an.
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Art. 9 EU-ZustVO 2020 Übersetzung von Schriftstücken zustellen, als solche im Rahmen der Anwendung des § 167 ZPO nicht zum Nachteil des Antragsteller berücksichtigt werden kann (s. auch Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 104).47 b) Reaktion des Antragstellers 18
Die Erfüllung der Belehrungspflicht versetzt den Antragsteller in den Stand, unter Berücksichtigung seiner Kenntnisse von den Sprachfähigkeiten des Zustellungsadressaten informiert darüber zu entscheiden, ob das zuzustellende Schriftstück zur (sicheren) Ausräumung eines Annahmeverweigerungsrechts durch eine Übersetzung begleitet werden soll oder nicht. Das Risiko einer Fehlbeurteilung der Sprachfähigkeit des Zustellungsadressaten liegt ebenso wie das Risiko einer Fehleinschätzung der Reaktion des Zustellungsadressaten beim Antragsteller.
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Entscheidet sich der Antragsteller aktiv (s. Rz. 20) für das Beifügen einer Übersetzung, trifft ihn die Verpflichtung, eine geeignete Übersetzung (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 55 ff.) zu beschaffen.48 Die Übermittlungsstelle wird dagegen durch die Verordnung nicht entsprechend verpflichtet. Das für die Übermittlungsstelle geltende Recht kann der Übermittlungsstelle auch weder die Pflicht noch das Recht einräumen, ohne gesonderten Antrag (Auftrag) des Antragstellers eine Übersetzung zu beschaffen, weil der Freiheit des Antragstellers nicht nur die Entscheidung obliegt, ob eine Übersetzung beigefügt wird, sondern er auch darüber befinden soll, wie er das Entstehen eines Annahmeverweigerungsrechts verhindern will. Unberührt bleibt, dass das für die Übermittlungsstelle geltende Recht vorsieht, dass die Übermittlungsstelle den Antragsteller bei der Beschaffung einer Übersetzung unterstützt und auf dessen Wunsch auch eine Übersetzung erstellt oder beschafft.49
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Entscheidet sich der Antragsteller nicht für das Beifügen einer Übersetzung, d.h. lehnt er dieses ab oder erklärt er sich innerhalb der Überlegungsfrist nicht, ist das zuzustellende Schriftstück ohne Begleitung durch eine Übersetzung zuzustellen.50 Dass das Schweigen des Antragstellers nicht als Wunsch nach Beifügen einer Übersetzung gewertet werden kann, ergibt sich nicht nur daraus, dass Schweigen regelmäßig keine Erklärungsbedeutung zukommt, sondern vor allem daraus, dass § 37 Abs. 4 ZRHO dem Schweigen gerade die gegenteilige Bedeutung beilegt. Hinzu kommt, dass der Rückbau einer unbedingten zu einer bedingten Übersetzungsobliegenheit der Vermeidung von unnötigen Übersetzungskosten dient51 und die Zustellung ohne begleitende Übersetzung danach der normtheoretische Regelfall ist. Dafür spricht nicht zuletzt die Ausrichtung der Vorschrift auf Zustellungen im Parteibetrieb, weil im Parteibetrieb eine Übersetzung nicht von Amts wegen eingeholt werden kann. Für Systeme mit Amtsbetrieb folgt hieraus, dass entstandene Kosten dem Antragsteller nur zuzurechnen sind, wenn sie vergleichbar wie einer Beauftragung im Parteibetrieb von ihm durch ein aktives Handeln verantwortet werden. Fügt die Übermittlungsstelle dem zuzustellenden Schriftstück gleichwohl eine Übersetzung bei, ist dies rechtsfehlerhaft.52 Dies beeinträchtigt aber nicht die Wirksamkeit der Zustellung und hindert auch nicht den Ausschluss des Annahmeverweigerungsrechts nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020. Durch die amtswegige Beschaffung einer Übersetzung verursachte Verzögerungen der Zustellung sind allerdings nicht vom Antragsteller zu vertreten.53 Zudem schließt die Eigenmächtigkeit der Übermittlungsstelle aus, dass der Antragsteller in Anwendung von Abs. 2 die Kos47 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 29 ff.; Hess, IPRax 2020, 127, 127 f. Vgl. zur (mit Blick auf die Ausrichtung auf die zeitnahe Erlangung einer gerichtlichen Entscheidung [vgl. auch Art. 22 Abs. 3 EU-ZustVO 2020] anstatt auf die zeitnahe Zustellung freilich nicht vollständig gleichgelagerte Frage der) Selbstwiderlegung der Dringlichkeit im einstweiligen Rechtsschutz auch OLG Düsseldorf v. 16.7.2019 – 20 W 59/19, GRUR-RR 2020, 45 Rz. 35; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5. – A.A. OLG Frankfurt v. 8.5.2019 – 13 U 210/17, NZI 2019, 727 Rz. 32. 48 Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2505; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 9 EuZustVO Rz. 1, Art. 12 EuZustVO Rz. 2. 49 Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.123. 50 Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 4. – A.A. OLG München v. 29.9.2016 – 34 Sch 11/13, BeckRS 2016, 17436 Rz. 6. 51 GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 33, 78 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 52 Missverständlich EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 75 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen: Übermittlungsstelle nimmt vorläufige Beurteilung der Sprachfähigkeiten vor. 53 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 4.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 9 EU-ZustVO 2020
ten der Übersetzung zu tragen bzw. zu erstatten hat.54 Bei einer deutschen Übermittlungsstelle angefallene Übersetzungskosten sind dann nach § 21 GKG niederzuschlagen, weil unter Berücksichtigung des in Art. 12 EU-ZustVO 2020 vorgesehenen Modus sowie des § 37 Abs. 4 ZRHO eine eigenmächtig eingeholte Übersetzung auf einen schweren und offenkundigen Normverstoß zurückgeht55 und die Effektivität des von Art. 12 EU-ZustVO 2020 vorgesehenen Modus beeinträchtigt. c) Verletzung der Belehrungspflicht Verletzungen der Belehrungspflicht, gleichviel ob durch Nichtbelehrung, durch unvollständige oder 21 durch inhaltlich unrichtige Belehrung, berühren die Wirksamkeit der erfolgten Zustellung nicht, weil die Belehrungspflicht nicht dem Zustellungsadressaten, sondern ausschließlich dem Antragsteller dient.56 Wurde eine informierte Entscheidung des Antragstellers durch eine Verletzung der Belehrungspflicht verhindert, fehlt aus Sicht der Vorschrift eine Entscheidung des Antragstellers für eine Übersetzung mit der Folge, dass die für deren Beschaffung angefallenen Kosten vom Antragsteller nicht nach Abs. 2 zu tragen sind.57
III. Kostenlast (Abs. 2) 1. Überblick Dem Antragsteller (s. Rz. 10 ff.) obliegt nach Abs. 2 im Verhältnis zu den Stellen des Ursprungsmitgliedstaats (Zustellung anordnendes Gericht bzw. anordnende Behörde, Übermittlungs- und Zentralstelle) die Kostenlast für die Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks.58 Zum Verhältnis des Antragstellers zu den Empfangsstellen und den Zustellungsorganen trifft die Vorschrift keine Aussage, weil der Antragsteller mit diesen Stellen nicht in einer unmittelbaren rechtlichen Beziehung steht. Im Falle der Übermittlung nach Art. 20 EU-ZustVO 2020 gilt Abs. 2 nicht; in diesem Fall folgt die originäre Kostenverantwortlichkeit des Antragstellers bereits daraus, dass allein er im Ursprungsmitgliedstaat (vor der Übermittlung) eine Übersetzung beschaffen und daher notwendig die dabei vor der Übermittlung anfallenden Kosten tragen muss. Nicht durch Abs. 2 geregelt wird zudem die Kostenverteilung im Verhältnis zum Übersetzer. Hierfür gilt das auf die Beauftragung des Übersetzers anwendbare Recht.
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Ebenfalls nicht durch Abs. 2 geregelt wird die Kostenlast im Verhältnis von Antragsteller zu Zustel- 23 lungsadressat.59 Vielmehr gilt insoweit der Grundsatz, dass im Ausgangspunkt derjenige die Kosten zu tragen hat, bei dem sie (insbesondere auch infolge der Anwendung von Abs. 2) anfallen. Allerdings kann sich aus dem zwischen Antragsteller und Zustellungsadressat bestehenden und eine Zustellungslast umfassenden Rechtsverhältnis eine abweichende Kostenverteilung ergeben. Über den Wortlaut von Abs. 2 („Kostenentscheidung des zuständigen Gerichts“) hinaus kann sich eine abweichende Kostenverteilung in diesem Verhältnis nicht nur aus dem auf das Verfahren anwendbaren Recht, sondern auch aus dem materiellen Recht ergeben.60 Denn der Verweis auf die Kostenentscheidung des Gerichts normiert keine Ausnahme zur in Abs. 2 erfolgten Kostenverteilung, sondern stellt 54 OLG Koblenz v. 20.11.2009 – 14 W 763/09, BeckRS 2009, 87257. 55 OLG Koblenz v. 20.11.2009 – 14 W 763/09, BeckRS 2009, 87257. Vgl. auch BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 24. – A.A. OLG München v. 29.9.2016 – 34 Sch 11/13, BeckRS 2016, 17436 Rz. 6; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9. 56 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. 57 OLG Brandenburg v. 29.8.2018 – 13 WF 131/18, BeckRS 2018, 31554 Rz. 8; OLG Koblenz v. 20.11.2009 – 14 W 763/09, BeckRS 2009, 87257; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 5 EuZVO Rz. 5. 58 ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg.; OLG Düsseldorf v. 22.1.2009 – 2 W 11/08, BeckRS 2009, 18543 zu II. 1. der Gründe. 59 EuGH v. 2.6.2022 – C-196/21, ECLI:EU:C:2022:427 Rz. 31 – SR/EW u.a.; OLG Düsseldorf v. 22.1.2009 – 2 W 11/08, BeckRS 2009, 18543 zu II. 1. der Gründe; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 6. 60 A.A. wohl Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 5 EuZVO Rz. 6; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 5 EG-ZustVO 2007 Rz. 6; Mankowski FS Kaissis, S. 607, 610 f.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 6.
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Art. 9 EU-ZustVO 2020 Übersetzung von Schriftstücken lediglich klar, dass diese auf das Verhältnis des Antragstellers zu Übermittlungs- und Zentralstelle usw. (s. Rz. 22) beschränkt ist. Zudem ist dieser Verweis dem Umstand geschuldet, dass die Vorschrift im Abschnitt über die Zustellung gerichtlicher, d.h. aufgrund einer prozessual begründeten Zustellungslast zuzustellender Schriftstücke verortet ist. 2. Verhältnis zu den rechtsschutzgewährenden Stellen 24
Voraussetzung der Kostenlast des Antragsteller nach Abs. 2 (s. Rz. 22) ist, dass ihm die entstandenen Kosten zurechenbar sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Regelungskonzept der Verordnung (Annahmeverweigerungsrecht anstatt unbedingte Übersetzungsobliegenheit) immanent ist, dass die Letztentscheidung darüber, ob die Zustellung mit oder ohne Beifügung einer Übersetzung erfolgt, beim Antragsteller liegt (s. auch Rz. 20). Der Antragsteller soll auf eigenes Risiko, über welches er nach Abs. 1 zu belehren ist, gerade davon absehen können, eine Übersetzung beizubringen, um hierdurch Kosten zu ersparen. Zurechenbarkeit ist danach nur gegeben, wenn ein Antragsteller (s. Rz. 10 ff.) auf der Grundlage einer informierten Entscheidung die Übersetzung selbst beauftragt oder eine Beauftragung durch Gericht, Behörde, Übermittlungs- oder Zentralstelle gebilligt hat. An Letzteres sind keine zu geringen Anforderungen zu stellen. Dass der Antragsteller der Einholung einer Übersetzung durch die Übermittlungsstelle nicht ausdrücklich widerspricht, sondern auf eine entsprechende Ankündigung schweigt, genügt nicht (s. Rz. 20).
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Geltung beansprucht die Kostenzuweisung durch Abs. 2 für alle durch die vor der Übermittlung in den Empfangsmitgliedstaat erfolgende Anfertigung bzw. Beschaffung einer Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks bedingten und dem Antragsteller zurechenbaren Kosten. Sie betrifft danach nicht die für nach dem benannten Zeitpunkt angefertigte bzw. beschaffte Übersetzungen anfallenden Kosten. Diesbezüglich enthält die Vorschrift gar keine, d.h. auch keine abweichende Aussage zur Kostenlast. Hintergrund ist, dass die Stellen (Empfangsstelle, Zustellungsorgan) im Empfangsmitgliedstaat nicht berechtigt sind, eine Übersetzung anzufordern oder herstellen zu lassen, sondern insoweit an die Entscheidung des Zustellungsadressaten gebunden sind (s. Rz. 16), der seinerseits nicht befugt ist, auf Kosten des Antragstellers eine Übersetzung zu beschaffen, sondern lediglich die Annahme verweigern kann mit der Folge, dass der Antragsteller entscheiden kann, ob und wie er eine Übersetzung beschafft oder von der in seinem Interesse liegenden Übersetzung Abstand nimmt. Keine Aussage ist Abs. 2 daher insbesondere für den Fall zu entnehmen, dass der Zustellungsadressat nach Entgegenahme des Schriftstücks seinerseits eine Übersetzung beschafft. Da die Vorschrift für die Abgrenzung an die Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks in den Empfangsmitgliedstaat anknüpft und zum Zweck einer Heilung nach Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO 2020 nicht nur eine Übersetzung, sondern nochmals auch das zuzustellende Schriftstück zu übermitteln ist, weist sie die Kostenlast auch in diesem Fall dem Antragsteller zu.
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Soweit Abs. 2 dem Antragsteller die Kostenlast zuweist, begründet die Vorschrift verordnungsautonom einen Erstattungsanspruch für Übermittlungs- und Zentralstellen, sofern bei diesen Übersetzungskosten angefallen sind. Nicht verordnungsautonom begründet wird ein Vorschussanspruch dieser Stellen gegen den Antragsteller. Allerdings ist Abs. 2 zu entnehmen, dass das für Übermittlungsoder Zentralstelle geltende Recht einen solchen Vorschussanspruch begründen kann.61 Nach diesem Recht bestimmt sich auch, inwieweit infolge der Gewährung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe eine Vorschusspflicht des Antragsteller nicht besteht.62 Für den Zustellungsadressaten, einen Übersetzer sowie Stellen im Empfangsmitgliedstaat wird kein Anspruch begründet (s. Rz. 22). 3. Verhältnis zum Zustellungsadressaten
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Im Verhältnis des Antragstellers zum Zustellungsadressaten richtet sich die Last zur Tragung der für die Übersetzung von (im Fokus der Verordnung stehenden) gerichtlichen Schriftstücken entstande-
61 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg.; OLG Düsseldorf v. 22.1.2009 – 2 W 11/08, BeckRS 2009, 18543; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 5 EG-ZustVO 2007 Rz. 6; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 15. 62 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 5 EuZVO Rz. 5; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 15.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 10 EU-ZustVO 2020
nen Kosten in erster Linie nach den die prozessuale Kostenerstattung ausgestaltenden Vorschriften (im Anwendungsbereich der ZPO gelten §§ 91 ff. ZPO). Soweit sich die prozessuale Kostenlast nach dem Prinzip der Veranlassung unnötiger Kosten richtet, hat sie derjenige zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat, weil die Kosten für die Übersetzung gerichtlicher Schriftstücke Kosten der Verfahrensführung sind. Allerdings gilt dies nur, soweit Übersetzungskosten entstanden sind, die von den Verfahrensbeteiligten im Verhältnis zum Übersetzer sowie nach dem Verhältnis zu den rechtsschutzgewährenden Stellen zu tragende sind und zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig63 waren. Letzteres ist aus der ex ante-Sicht zu beurteilen. Zudem ist das dem Antragsteller durch Art. 9 EU-ZustVO 2020 eingeräumte Wahlrecht zu respektieren. Solange er sich aus der Sicht eines vernünftigen Betrachters ex ante nicht hinreichend sicher sein kann, dass ein Zustellungsversuch ohne Übersetzung für ihn nicht mit Nachteilen verbunden ist, sind Übersetzungskosten (dem Grunde nach) erforderlich.64 Dabei darf er unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls sowohl den Fall einer berechtigten als auch einer unberechtigten Annahmeverweigerung bedenken.65 Die Erforderlichkeit von Übersetzungskosten ist danach schon wegen des maßgeblichen Horizonts nicht aus dem Grund ausgeschlossen, dass sich ex post ergibt, dass der Zustellungsadressat der Sprache, in welcher das zuzustellende Schriftstück abgefasst ist, i.S.v. Art. 12 Abs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020 hinreichend mächtig ist oder die Annahme nicht verweigert hat. Das Risiko einer entsprechenden Fehlbeurteilung liegt nach Sinn und Zweck nicht beim Antragsteller, weil er bereits das Risiko einer gegenteiligen Fehlbeurteilung trägt.
Artikel 10 Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle (1) Nach Erhalt eines Schriftstücks übermittelt die Empfangsstelle der Übermittlungsstelle automatisch und so bald wie möglich eine Empfangsbestätigung über das dezentralisierte* IT-System oder, wenn die Empfangsbestätigung mit anderen Mitteln übersendet wird, so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt des Schriftstücks, unter Verwendung des Formblatts D in Anhang I. (2) Kann der Zustellungsantrag aufgrund der übermittelten Angaben oder Schriftstücke nicht erledigt werden, so nimmt die Empfangsstelle unter Verwendung des Formblatts E in Anhang I ohne unangemessene Verzögerung Verbindung zur Übermittlungsstelle auf, um die fehlenden Angaben oder Schriftstücke zu erlangen. (3) Fällt der Zustellungsantrag offenkundig nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung oder ist die Zustellung wegen Nichtbeachtung der erforderlichen Formvorschriften nicht möglich, so sind der Zustellungsantrag und die übermittelten Schriftstücke nach Erhalt unter Verwendung des Formblatts F in Anhang I mit einer Benachrichtigung über die Rücksendung ohne unangemessene Verzögerung an die Übermittlungsstelle zurückzusenden. (4) 1Erhält eine Empfangsstelle ein Schriftstück zur Zustellung, für dessen Zustellung sie örtlich nicht zuständig ist, so leitet sie dieses Schriftstück zusammen mit dem Zustellungsantrag ohne unangemessene Verzögerung an die örtlich zuständige Empfangsstelle im Empfangsmitgliedstaat weiter, sofern der Antrag den Anforderungen des Artikels 8 Absatz 2 entspricht. 2Die Empfangsstelle setzt gleichzeitig die Übermittlungsstelle unter Verwendung des Formblatts G in Anhang I davon in Kenntnis. 3Nachdem die örtlich zuständige Empfangsstelle im Empfangsmitgliedstaat das Schriftstück und den Zustellungsantrag erhalten hat, übermittelt diese Empfangsstelle der 63 Vgl. zur Übersetzung von Anlagen BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 9 EuZVO 2022 Rz. 13. 64 Vgl. KG v. 7.6.2013 – 5 W 117/13, BeckRS 2013, 11351 zu II. 4. der Gründe: Übersetzung „ausnahmsweise“ nicht geboten; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 9 EuZustVO Rz. 1 mit Fn. 2. Tendenziell strenger Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2505; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 9 EuZVO 2022 Rz. 13. 65 A.A. tendenziell Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 33. * Wortlaut amtlich. Richtig wäre „dezentrale“ IT-System (vgl. Art. 2 Nr. 2 EU-ZustVO 2020).
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Art. 10 EU-ZustVO 2020 Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle Übermittlungsstelle so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von sieben Tagen nach Erhalt, eine Empfangsbestätigung unter Verwendung des Formblatts H in Anhang I. I. 1. 2. 3.
II. 1. 2.
3.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . a) Determinierung . . . . . . . . . . . . b) Sachlich . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitlich (Übergangsfrist) . . . . . . . Empfangsbestätigung (Abs. 1) . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . Bestätigungspflicht . . . . . . . . . . . a) Verpflichteter und Berechtigter . . . b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Form und Kommunikationsweg . . d) Beschleunigungsgebot . . . . . . . . Bedeutung der Empfangsbestätigung
. . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . .
III. Nachbesserungsverlangen (Abs. 2) . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formeller Mangel . . . . . . . . . . . . . . b) Unmöglichkeit der Rechtshilfegewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nachbesserungsfähigkeit . . . . . . . . . . 2. Aufforderungspflicht . . . . . . . . . . . . . a) Verpflichteter und Adressat . . . . . . . . b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Form und Kommunikationsweg . . . . . d) Beschleunigungsgebot . . . . . . . . . . . 3. Wirkungen des Nachbesserungsverlangens
. . . . . . . . . . . . . . .
1 1 4 6 6 7 9 10 10 13 13 14 15 17 20
. 21 . 21 . 22 . . . . . . . .
23 24 25 25 26 27 29 30
IV. Rücksendung bei Undurchführbarkeit (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Offenkundig nicht eröffneter Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nichteröffnung Anwendungsbereich bb) Offenkundigkeit . . . . . . . . . . . . c) Formeller Fehler . . . . . . . . . . . . . . d) Verbot der begehrten Zustellung . . . . . 2. Rücksendungspflicht . . . . . . . . . . . . . a) Verpflichteter und Adressat . . . . . . . . b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Form und Kommunikationsweg . . . . . d) Beschleunigungsgebot . . . . . . . . . . .
. 31 . 31 . . . . . . . . . .
V. Verweisung bei Unzuständigkeit (Abs. 4) 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirksames und nicht zurückweisungsreifes Zustellungsersuchen . . . . . . . . b) Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . c) Zuständigkeit anderer Empfangsstelle desselben Mitgliedstaats . . . . . . . . . 2. Verweisungspflicht . . . . . . . . . . . . . a) Verpflichteter und Adressaten . . . . . . b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Form und Kommunikationsweg . . . . d) Beschleunigungsgebot . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen der Verweisung . . . . . . . a) Bestätigungspflicht . . . . . . . . . . . . b) Wechsel der Empfangsstelle . . . . . . . 4. Rechtsfolgen unterlassener Verweisung .
. . . . . . . . . .
34 34 35 37 40 41 41 42 43 45
. . 46 . . 46 . . 46 . . 48 . . . . . . . . . .
50 51 51 53 55 57 58 58 60 62
VI. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
Schrifttum: Mankowski, Griechische Staatsanleihen und der griechische Schuldenschnitt vor dem EuGH (Folge Zwei), ZIP 2019, 193; Wagner, Anwendbarkeit der EuZVO auf Klagen gegen den griechischen Staat wegen des Zwangsumtauschs von Staatsanleihen, EuZW 2015, 636. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift behandelt spiegelbildlich zur Einleitung des Rechtshilfeverfahrens durch das Ersuchen der Übermittlungsstelle (vgl. Art. 8 EU-ZustVO 2020) die durch die Empfangsstelle nach Erhalt eines Ersuchens gebotene Reaktion mit Ausnahme der Rechtshilfegewährung selbst, d.h. insbesondere nicht die in Art. 11 EU-ZustVO 2020 geregelte Ausführung bzw. Veranlassung der Zustellung.1 In ihr kommt zum Ausdruck, dass die Rechtshilfegewährung im Binnenmarkt nur ausnahmsweise versagt werden kann.2 Sie baut, wie der eingeschränkte Prüfungsmaßstab nach Abs. 3 zeigt, auf dem gegen1 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 6 EuZVO Rz. 1; Brenn, Art. 6 EZV Anm. a); Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 1. 2 Vgl. Brenn, Art. 6 EZV Anm. d); Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 6 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 6.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 10 EU-ZustVO 2020
seitigen Vertrauen zwischen den Stellen der Mitgliedstaaten auf und lässt zudem erkennen, dass Übermittlungs- und Empfangsstellen in einem Kooperationsverhältnis stehen. Dieses umfasst auch, dass die ersuchte Empfangsstelle die ersuchende Übermittlungsstelle mit dem Ziel, Zustellungshilfe gewähren zu können, unterstützt, insbesondere durch Gelegenheit zur eine Rechtshilfeversagung vermeidenden Nachbesserung (Abs. 2) und durch amtswegige Weiterleitung an die zuständige Empfangsstelle bei örtlicher Unzuständigkeit (Abs. 4).3 Hierauf ist die zu leistende Unterstützung aber nicht beschränkt. Vielmehr umfasst sie z.B. auch, dass die Empfangsstelle selbst im Vorfeld eines Nachbesserungsverlangens, soweit dies ohne größeren Aufwand (liquide) möglich ist, unvollständige oder nicht mehr aktuelle Zustellungsanschriften ergänzt oder aktualisiert (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 62). Zunächst strukturiert die Vorschrift verfahrensmäßig die Bearbeitung eines empfangenen Ersu- 2 chens. Nach dem Empfang eines Zustellungsersuchens hat die Empfangsstelle zeitnah der Übermittlungsstelle und ohne Rücksicht auf Gewährung oder Nichtgewährung von Rechtshilfe den Erhalt des Rechtshilfeersuchens zu bestätigen (Abs. 1). Hierdurch sollen diesbezügliche Unsicherheiten bei der Übermittlungsstelle ausgeräumt werden.4 Zudem sollen Zeitverzögerungen infolge einer zunächst unerkannt fehlerhaften Übermittlung vermieden werden.5 Im Anschluss ist das Rechtshilfeersuchen zu prüfen und entsprechend dem Ergebnis der Prüfung zu bearbeiten. Nach Abs. 2 hat die Empfangsstelle die Übermittlungsstelle im Falle eines unvollständigen Zustellungsersuchens zeitnah um eine Ergänzung anzugehen. Fällt ein Zustellungsersuchen offenkundig nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung oder ist es infolge von Formfehlern und ohne Möglichkeit zur Nachbesserung6 nicht ausführbar, dann ist es nebst dem zum Zweck der Zustellung übermittelten Schreiben zeitnah zurückzusenden (Abs. 3). Ist die mit ordnungsgemäßem Antrag um Rechtshilfe ersuchte Empfangsstelle örtlich unzuständig, dann hat sie nach Abs. 4 das Ersuchen innerhalb desselben Mitgliedstaats an die zuständige Empfangsstelle weiterzuleiten, worüber die Übermittlungsstelle durch beide Empfangsstellen zu informieren ist. Das dient der Milderung der mit einer Dezentralisierung verbundenen Risiken. Freilich wird sich das Anliegen des Abs. 4, Zustellungen durch Vermeidung wiederholter grenzüberschreitender Übermittlungen gegenüber Rücksendung und Neuübermittlung zu beschleunigen,7 infolge der Festlegung auf eine grundsätzlich obligatorische Nutzung des dezentralen IT-Systems nach Ablauf der Übergangsfrist (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) weitgehend erledigen. Jeweils hält die Vorschrift die Empfangsstelle(n) für jegliche Bearbeitung und Reaktion zur Beschleunigung an; für die Erteilung der Empfangsbestätigung benennt sie, um die Rechtshilfe insgesamt zu beschleunigen, in Abs. 1 und Abs. 4 S. 3 dazu eine einzuhaltende Erledigungshöchstfrist (s. auch Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 5).8 Darüber hinaus fasst die Vorschrift in Abs. 2–4 die Gründe für die Verweigerung der Rechtshilfegewährung durch die ersuchte Empfangsstelle und bestimmt dadurch den bei der Bearbeitung eines Ersuchens zu beachtenden Prüfungsmaßstab. Zugleich schreibt sie der Empfangsstelle die jeweils anstatt der Rechtshilfegewährung (Ausführung oder Beauftragung der Zustellung) gebotene sachgerechte Reaktion hierauf vor.9 Die benannten (dilatorischen oder peremptorischen) Versagungsgründe setzt die Vorschrift zudem in ein Rangverhältnis mit dem Ziel, eine Rechtshilfeversagung möglichst zu vermeiden.10 Gegenüber der Rechtshilfeverweigerung (Abs. 3) ist eine mögliche Nachbesserung (Abs. 2, 4) vorrangig.11 Sie soll gerade eine Rechtshilfeversagung entbehrlich machen.12 Auch im Übrigen lässt 3 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 6 EG-ZustVO 2007 Rz. 2. 4 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8 f. 5 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg. 6 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 3; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 6 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 6. 7 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 11. 8 Skeptisch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 1 ff.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 1. 9 Vgl. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 1. 10 ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg. 11 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 6 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3, 10, 22; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 4, 6. 12 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10.
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Art. 10 EU-ZustVO 2020 Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle die Vorschrift erkennen, dass die Gewährung von Rechtshilfe der Regelfall ist. Aus weder der Vorschrift noch der übrigen Verordnung zu entnehmenden Gründen darf die Rechtshilfe nicht verweigert werden (vgl. Erwägungsgrund 10 EG-ZustVO 2007 und Erwägungsgrund 23 EU-ZustVO 2020 sowie dazu s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 35 mit Fn. 206). Die vorgesehenen Verweigerungsgründe sind zur Beschleunigung grenzüberschreitender Zustellungen und im Interesse der Effektivität des Rechtshilfeverkehrs in der Tendenz eng gefasst und auszulegen.13 Hierhinter steht teilweise die Erwägung, dass eine nachgelagerte Kontrolle14 im Zusammenhang mit der Feststellung der Zustellungswirkungen ökonomischer als eine Vorabprüfung ist. Zudem kommt in der Engfassung der Ablehnungsgründe zum Ausdruck, dass die Feststellung von Zustellungsmängeln und ihrer Auswirkungen auf den Eintritt der Zustellungswirkungen in der Verantwortung eines erkennenden Gerichts und nicht der Empfangsstelle liegt (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 18).15 Schließlich ist die Engfassung Ausdruck des wechselseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten. 2. Entstehungsgeschichte 4
Die Vorschrift geht zurück auf Art. 6 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)16 und Art. 6 EG-ZustVO 2000. Die Vorgängerregelungen knüpften an Art. 4, 13 HZÜ sowie Art. 4 HZPÜ an, welche weiter gefasste Versagungsgründe vorsehen. Danach können Zustellungsersuchen abgelehnt werden, wenn sie nicht den Anforderungen des jeweiligen Übereinkommens entsprechen oder die Rechtshilfegewährung geeignet ist, Hoheitsrechte oder die Sicherheit des ersuchten Staates zu gefährden. Demgegenüber wurden die Versagungsgründe mit Art. 6 EG-ZustVO 2000 enger gefasst. Der Empfangsmitgliedstaat ist anders als unter dem HZÜ17 nicht mehr zu einer ordre public-Prüfung berechtigt, was sich aus dem wechselseitigen Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten rechtfertigt (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 50). Zugleich senkte Art. 6 Abs. 3 EG-ZustVO 2000/EG-ZustVO 2007 den Prüfungsmaßstab für die Empfangsstellen ab. Davon abgesehen betonten die Vorgängerverordnungen im Vergleich zu den beiden Übereinkommen deutlich stärker und mit Nachdruck das Gebot der Beschleunigung.
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An diese Rechtslage knüpft die Vorschrift an. Gegenüber den beiden Vorgängervorschriften wurde sie inhaltlich lediglich angepasst an die nach Ablauf einer Übergangsfrist im Regelfall obligatorische Nutzung des dezentralen IT-Systems.18 Für den Regelfall einer elektronischen Kommunikation zwischen Übermittlungs- und Empfangsstelle ist eine automatisch übermittelte Empfangsbestätigung vorgesehen, was das Rechtshilfeverfahren weiter beschleunigen soll.19 Im Übrigen wurde die Vorschrift gegenüber den beiden Vorgängerregelungen letztlich nur redaktionell unter Berücksichtigung der überarbeiteten Formblätter geändert. Die erfolgten Änderungen waren bereits im Kommissionsentwurf angelegt. Allerdings verzichtete der Kommissionsentwurf noch darauf, in Abs. 1 den Ausnahmefall einer Übermittlung der Empfangsbestätigung auf einem anderen Weg als über das dezentrale IT-System gesondert zu regeln und durch Beibehaltung der Fristvorgabe aus Art. 6 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 zu beschleunigen.20 Zudem schrieb der Kommissionsentwurf vor, dass die Weiterleitung innerhalb eines Mitgliedstaats über das dezentrale IT-System zu erfolgen hat; mit Blick hierauf enthielt Abs. 4 des Kommissionsentwurf auch keine gesonderte Fristvorgabe.21 Die Stellungnahme des EWSA befasste sich hiermit nicht. Das Parlament schlug in erster Lesung vor, das Gebot der Beschleunigung in allen Absätzen besonders zu bekräftigen (z.B. „umgehend“, „immediately“, „immédiatement“, „onmiddel13 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3, 20 f.; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 10 EuZustVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 5, 7. 14 Vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 6 EuZVO Rz. 7. 15 Vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 6 EuZVO Rz. 6. 16 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 10 EuZVO 2022 Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 10 EuZustVO Rz. 1. 17 KG v. 13.8.2015 – 1 VA 8/15, BeckRS 2015, 16899 Rz. 13 ff. 18 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 10 EuZVO 2022 Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 10 EuZustVO Rz. 1. 19 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 10 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 11. 20 COM(2018) 379 final, S. 21. 21 COM(2018) 379 final, S. 22.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 10 EU-ZustVO 2020
lijk“).22 Zugleich schlug das Parlament vor, in einem neu anzufügenden Absatz klarzustellen, dass das Beschleunigungsgebot sinngemäß auch gilt, wenn die Kommunikation ausnahmsweise nicht über das dezentrale IT-System erfolgt.23 In seiner Allgemeinen Ausrichtung griff der Rat die Änderungsvorschläge des Parlaments der Sache nach auf, setzte sie aber abweichend um. Insbesondere wurde dem Ausnahmefall einer Kommunikation auf anderem Weg als unter Nutzung des dezentralen IT-Systems durch Implementierung der der Beschleunigung dienenden Regelungen aus Art. 6 EG-ZustVO 2007 unmittelbar in den Absätzen anstatt durch Anfügung eines übergreifenden Absatzes Rechnung getragen. Fallen gelassen wurde die Vorgabe des Kommissionsentwurfs, dass eine Abgabe bei Unzuständigkeit unter Nutzung des dezentralen IT-Systems zu erfolgen habe.24 Im Zuge der im Nachgang zu den geführten Triloggesprächen erfolgten redaktionellen Überarbeitung wurde aufgrund mangelnder Sorgfalt in Abs. 1 der deutschen Sprachfassung die fehlerhafte Begrifflichkeit „dezentralisierte“ anstatt der bereits im Kommissionsentwurf zutreffend verwendeten Begrifflichkeit „dezentrale“ eingefügt. 3. Anwendungsbereich a) Determinierung Die Vorschrift findet Anwendung, wenn eine Empfangsstelle auf der Grundlage der Verordnung durch 6 eine Stelle eines anderen Mitgliedstaats um Zustellungshilfe ersucht wird. Sie gilt ohne Rücksicht darauf, ob der Anwendungsbereich der Verordnung nach Art. 1 EU-ZustVO 2020 tatsächlich eröffnet ist. Zwar wird in Art. 1 EU-ZustVO 2020 ein entsprechender Vorbehalt für die Vorschrift anders als für Art. 7 EU-ZustVO 2020 nicht gemacht. Allerdings folgt aus Abs. 3, dass die Vorschrift gerade ohne Rücksicht darauf Anwendung findet, dass der Anwendungsbereich der Verordnung tatsächlich eröffnet ist. b) Sachlich Die Vorschrift gilt nur für Zustellungen auf dem Weg der einfachen Rechtshilfe nach Abschnitt 1, Kapitel II der Verordnung.25 Sie gilt dagegen nicht für die in Abschnitt 2 des Kapitels II der Verordnung geregelten Wege, eine grenzüberschreitende Zustellung zu bewirken. Bei den Formen der Direktzustellung erübrigt sich eine Empfangsbestätigung durch eine Empfangsstelle, weil eine solche nicht zwischengeschaltet ist. Bei der unmittelbaren Zustellung trifft die vom Antragsteller angegangene Stelle ebenfalls keine Pflicht zur formalisierten Empfangsbestätigung. Entsprechend anwendbar ist die Vorschrift allerdings auf nach Art. 16 EU-ZustVO 2020 vermittelte Zustellungen, welche auch unter Nutzung des Rechtshilfewegs unter Einschaltung einer Empfangsstelle erfolgen.
7
Originär regelt die Vorschrift nur die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. Aufgrund der Verweisung des Art. 21 EU-ZustVO 2020 findet sie darüber hinaus aber auch auf außergerichtliche Schriftstücke Anwendung, wenn diese auf dem Weg der (einfachen) Rechtshilfe zugestellt werden.
8
c) Zeitlich (Übergangsfrist) Der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschrift unterscheidet sich vom generellen zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung. Generell erlangen die Regelungen der Verordnung Geltung ab dem 1.7.2022 (s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4). Die Vorschrift findet demgegenüber zeitliche Anwendung erst nach Ablauf einer den Mitgliedstaaten und der Kommission die Einrichtung und Vorbereitung der elektronischen Kommunikation über das dezentrale IT-System ermöglichenden Übergangsfrist (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10).26 Nach Art. 37 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 gilt die Vorschrift erst ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Zeitraum von drei Jahren nach dem Tag des Inkraft22 23 24 25 26
Ratsdok. 6219/19 (13.2.2019), S. 20 ff. Ratsdok. 6219/19 (13.2.2019), S. 22. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 11. Vgl. Wagner, EuZW 2015, 636, 637. Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 10 EuZustVO Rz. 1; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 10 EuZVO Rz. 1.
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Art. 10 EU-ZustVO 2020 Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle tretens der in Art. 25 EU-ZustVO 2020 genannten Durchführungsrechtsakte folgt. Da der betreffende Durchführungsrechtsakt am zwanzigsten Tag nach der am 15.3.2022 erfolgten Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft getreten ist (Art. 2 Durchführungs-VO (EU) 2022/423), gilt die Vorschrift erst ab dem 1.5.2025 (s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4). Bis zu diesem Zeitpunkt findet weiter Art. 6 EG-ZustVO 2007 Anwendung.27
II. Empfangsbestätigung (Abs. 1) 1. Voraussetzungen 10
Die Bestätigungspflicht wird begründet durch den Empfang eines aus einem anderen Mitgliedstaat stammenden Rechtshilfeersuchens, welches auf die Zustellung eines übermittelten Schriftstücks gerichtet ist. Zwar knüpft der Wortlaut von Abs. 1 an den Empfang des zuzustellenden Schriftstücks an. Hieraus folgt aber nicht, dass der Empfang eines isolierten Zustellungsersuchens die Verpflichtung aus Abs. 1 nicht auslöst. Vielmehr knüpft die Formulierung in Abs. 1 lediglich daran an, dass auch Art. 8 EU-ZustVO 2020 in seinem Abs. 1 die Übermittlung des Schriftstücks in den Vordergrund rückt und das Zustellungsersuchen nur als Beilage zu diesem anspricht. Dies entspricht freilich nicht dem wahren Verhältnis von Ersuchen und zuzustellendem Schriftstück. Letzteres ist Gegenstand eines Rechtshilfeverfahrens, welches durch ein Ersuchen initiiert wird. Empfangen ist ein Ersuchen, sobald es in den Machtbereich der Empfangsstelle gelangt ist und nach dem gewöhnlichen Ablauf mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist. Zum Machtbereich der Empfangsstelle gehört auch ein dieser im Empfangsmitgliedstaat zugewiesenes, mit dem dezentralen IT-System verbundenes elektronisches Postfach, nicht dagegen die gesamte nationale Struktur des dezentralen IT-Systems. Mit erstmaliger Speicherung in dem zugewiesenen elektronischen Postfach ist der Empfang erfolgt. Mit einer Kenntnisnahme zu rechnen ist bei gewöhnlichem Ablauf bei bis zum frühen Nachmittag eines Arbeitstags bei der Empfangsstelle gespeicherten Ersuchen noch am selben Tag, sonst am folgenden Arbeitstag. Trotz weiter Verbreitung prägt der Umstand, dass für den grenzüberschreitenden Rechtsverkehr eingerichtete elektronische Postfächer infolge unzureichender Personalausstattung nicht täglich, sondern mitunter nur im Abstand mehrerer Wochen eingesehen werden, nicht den gewöhnlichen Ablauf.
11
Ausweislich Abs. 2–4 ist nicht erforderlich, dass das Rechtshilfeersuchen ordnungsgemäß und zulässig ist. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass einem empfangenen Erklärungstatbestand zu entnehmen ist, dass um Rechtshilfe bei der Zustellung nachgesucht wird. Dies ist insbesondere bei Nutzung des entsprechenden Moduls des dezentralen IT-Systems nicht zweifelhaft, selbst wenn als zuzustellendes Schriftstück versehentlich eine leere Seite übermittelt würde.
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Eine Bestätigungspflicht besteht nach Sinn und Zweck des Abs. 1 nicht (mehr), sobald (anstelle der lediglich quittierenden Empfangsbestätigung, s. Rz. 14) von der Empfangsstelle förmlich eine Mitteilung über die Bearbeitung bzw. Erledigung des Rechtshilfeersuchens (insbesondere Zustellungsbescheinigung, Zurückweisung) übermittelt wird (s. aber Rz. 18).28 Denn eine von der Verordnung nachfolgend zur Empfangsbestätigung vorgesehene und unter Nutzung des vorgegebenen Formblatts erfolgende Mitteilung über das (vorläufige) Ergebnis des Rechtshilfeverfahrens erfüllt alle Funktionen der bloßen Quittierung des Empfangs eines Rechtshilfeersuchens. 2. Bestätigungspflicht a) Verpflichteter und Berechtigter
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Nach Abs. 1 verpflichtet ist die Empfangsstelle, welche das Rechtshilfeersuchen empfangen (s. Rz. 10) hat. Berechtigter der Bestätigungspflicht ist die Stelle, welche sich dem empfangenen Rechtshilfeersuchen als Ersuchender bzw. Absender entnehmen lässt. Ist ein Ersuchen in dem Ausmaß fehlerhaft, dass sich ein Ersuchender bzw. Absender nicht entnehmen lässt, besteht danach keine Bestätigungspflicht. 27 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 10 EuZustVO Rz. 1; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 10 EuZVO Rz. 1. 28 Vgl. Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 6 EuZVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 3.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 10 EU-ZustVO 2020
b) Inhalt Inhaltlich verpflichtet Abs. 1 die Empfangsstelle dazu, den Empfang (s. Rz. 10) eines Zustellungsersuchens unter Angabe des Empfangsdatums zu bestätigen (zu quittieren)29 durch Übersendung einer entsprechenden Erklärung.30 Welche Unterlagen konkret (z.B. Anzahl der Seiten des zuzustellenden Schriftstücks, Datum des zuzustellenden Schriftstücks) empfangen wurden, muss dabei nicht bestätigt werden. Vorstehender Umfang der Bestätigungspflicht ergibt sich aus Formblatt D, welches als Teil der Verordnung beschlossen wurde und einen Rückschluss darauf zulässt, welchen Inhalt die Empfangsbestätigung umfassen muss. Die Empfangsbestätigung umfasst danach insbesondere nicht die Bestätigung der Zustellung eines Schriftstücks. Sie ist streng von der in Art. 14 EU-ZustVO 2020 geregelten Zustellungsbescheinigung zu unterscheiden (s. Rz. 20) und einer solchen regelmäßig zeitlich vorgelagert.31
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c) Form und Kommunikationsweg Zur Empfangsbestätigung ist zwingend zu verwenden das Formblatt D (Erwägungsgründe 17 S. 1 15 und 18 EU-ZustVO 2020).32 Durch eine nicht mittels dieses Formblatts erfolgende Erklärung kann die Bestätigungspflicht nicht erfüllt werden. Zu übermitteln ist die Empfangsbestätigung im Regelfall unter obligatorischer Nutzung des dezentralen IT-Systems. Wurde – wie im Regelfall – das Rechtshilfeersuchen über das dezentrale IT-System übermittelt, wird eine ordnungsgemäße Empfangsbestätigung automatisch übermittelt, d.h. die als Back-End-System eingesetzte Software (insbesondere Referenzimplementierungssoftware, s. Art. 27 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff.) muss so gestaltet sein, dass sogleich mit Empfang (s. Rz. 10) eines eingegangenen Ersuchens ohne Weiteres eine formgerechte Empfangsbestätigung generiert und übermittelt wird; das Formblatt D ist zu diesem Zweck in die Back-End-Software zu implementieren. Nach Art. 5 EU-ZustVO 2020 besteht die Verpflichtung zur Übermittlung des Formblatts D über das dezentrale IT-System aber auch, wenn das Ersuchen auf einem anderen Kommunikationsweg empfangen wurde. In diesem Fall entfällt lediglich die Vorgabe einer automatischen Empfangsbestätigung. Lediglich in dem Fall, dass die unter Verwendung des Formblatts D erfolgende Empfangsbestätigung nicht über das dezentrale IT-System übermittelt werden kann, ist sie nach Maßgabe von Art. 5 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 auf anderem Weg zu übermitteln. Die Übermittlung hat dann mit dem schnellsten und am besten geeigneten alternativen Mittel zu erfolgen, wobei den Erfordernissen der Zuverlässigkeit und Sicherheit Rechnung zu tragen ist. Dem entspricht im Regelfall eine Übersendung per E-Mail oder Telefax am besten. Die Vorschrift macht keine Vorgaben dazu, in welcher Sprache die Empfangsbestätigung auszustellen ist (§ 96 S. 2 ZRHO: deutsch). Dies beruht nicht auf einem Versehen des Verordnungsgebers, sondern entspricht dem Umstand, dass die Verordnung generell keine Vorgaben zur Sprachfassung des zu verwenden Formblatts macht (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 19) und die im Formblatt notwendig vorzunehmenden Eintragungen keiner Übersetzung bedürfen. Eine analoge Anwendung von Art. 14 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 ist weder erforderlich noch gerechtfertigt.33
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d) Beschleunigungsgebot Bereits die Vorgabe, dass die Empfangsbestätigung im Regelfall über das dezentrale IT-System zurückzusenden ist bzw. bei dessen Ausfall nach Art. 5 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 der schnellste und beste Übermittlungsweg zu nutzen ist (s. Rz. 15), dient der Beschleunigung. Sie zielt auf eine Verringerung des auf den Transport von Formblatt D entfallenden Zeitraums.
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Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 6 EG-ZustVO 2007 Rz. 2. Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 3. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 6 EuZVO Rz. 1; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 2. Vgl. auch EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU: C:2016:316 Rz. 54 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen. 33 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 25 ff.
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Art. 10 EU-ZustVO 2020 Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle 18
Darüber hinaus betont Abs. 1 die Geltung des Beschleunigungsgebots dadurch, dass der verpflichteten Empfangsstelle eine beschleunigte Reaktion, d.h. eine zeitnahe Auslösung des Transportvorgangs abverlangt wird. Keinesfalls darf mit der Rücksendung der Empfangsbestätigung etwa bis zur erfolgreichen Ausführung der Zustellung zugewartet werden.34 Konkret macht Abs. 1 die Vorgabe, dass die Empfangsbestätigung über das dezentrale IT-System automatisch und so bald wie möglich (unverzüglich) zurückzusenden ist. Dieser Vorgabe liegt unausgesprochen zugrunde, dass bereits das Ersuchen über das dezentrale IT-System empfangen wurde. Anderenfalls kann eine Bestätigung nicht automatisch, d.h. losgelöst von einer menschlichen Aktion erteilt werden. Sie findet danach keine Anwendung, wenn nicht bereits das Ersuchen über das dezentrale IT-System empfangen wurde. Dann gilt vielmehr ebenso wie in dem Fall, dass die Bestätigung nicht über das dezentrale IT-System erfolgt (vgl. Art. 5 Abs. 4 EU-ZustVO 2020), dass diese so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von sieben Tagen versandt werden muss (Erwägungsgrund 18 EU-ZustVO 2020). Beginn der Erledigungsfrist ist dabei der Empfang eines Ersuchens (s. Rz. 10), nicht erst dessen Kenntnisnahme. Zur Fristwahrung genügt die Absendung durch die Empfangsstelle.35 Die Frist berechnet sich nach der Fristen-VO (Erwägungsgrund 37 EU-ZustVO 2020).
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Das Beschleunigungsgebot enthält keinen unverbindlichen Programmsatz, sondern eine rechtsverbindliche Handlungsanweisung an die Empfangsstelle (ähnlich z.B. § 9 Abs. 1 ArbGG, s. auch Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 5).36 Diese gibt freilich nur ein Ziel vor. Die zu dessen Erreichung zu ergreifenden Maßnahmen lässt die Vorschrift dagegen ungeregelt und überlässt sie der Beurteilung des Verpflichteten. Dementsprechend folgen aus dem Beschleunigungsgebot (vorbehaltlich einer Ermessensreduktion auf Null) auch keine durchsetzbaren Pflichten, bestimmte Einzelschritte zu ergreifen, deren Verletzung sanktioniert ist. 3. Bedeutung der Empfangsbestätigung
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Die Empfangsbestätigung ist kein Nachweis für die erfolgreiche Zustellung des übermittelten Schriftstücks. Sie ist von der Zustellungsbescheinigung (Art. 14 EU-ZustVO 2020) zu unterscheiden.37 Dass eine Empfangsbetätigung erteilt wurde, ist auch keine Voraussetzung einer fehlerfreien und wirksamen Zustellung, weil sie sich allein auf das Rechtshilfeverhältnis und nicht auf das Verhältnis zum Zustellungsadressaten bezieht.38 Die Bedeutung der Empfangsbestätigung liegt vielmehr darin, dass sie im Rahmen von Art. 22 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020 die Feststellung einer zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgten Übermittlung erlaubt. Darüber hinaus kommt ihr Bedeutung dadurch zu, dass sogleich mit dem Empfang die Pflicht zur Bearbeitung fehlerhafter (vgl. Abs. 2–4) bzw. die Ausführung ordnungsgemäßer Zustellungsersuchen (Art. 11 Abs. 2 EU-ZustVO 2020) und die dafür vorgesehene Monatsfrist ausgelöst werden.39 Ausgehend von einer Empfangsbestätigung kann die Übermittlungsstelle mithin annehmen, dass ihr Ersuchen empfangen wurde und ordnungsgemäß bearbeitet wird.40 Zugleich wird ihr ein Anknüpfungspunkt zur Kenntnis gebracht, um die Monatsfrist des Art. 11 Abs. 2 S. 1 EU-ZustVO 2020 überwachen und nach deren Ablauf gegebenenfalls nachfragen zu können.41
34 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 2. 35 Brenn, Art. 6 EZV Anm. b); Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6. 36 Abw. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EGZustellVO Rz. 1, 2; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 10 EuZustVO Rz. 1. 37 Brenn, Art. 6 EZV Anm. b). 38 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 4. 39 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 6 EG-ZustVO 2007 Rz. 2. 40 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. 41 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 10 EU-ZustVO 2020
III. Nachbesserungsverlangen (Abs. 2) 1. Voraussetzungen Die Pflicht, die Übermittlungsstelle zu einer Nachbesserung aufzufordern, besteht, wenn Rechtshilfeersuchen und/oder zuzustellendes Schriftstück, so wie erfolgreich übermittelt, d.h. empfangen, in formeller Hinsicht nicht ordnungsgemäß sind und deshalb das Rechtshilfeersuchen nicht ausgeführt, d.h. die erbetene Zustellung nicht bewirkt werden kann.
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a) Formeller Mangel In formeller Hinsicht nicht ordnungsgemäß sind Zustellungsersuchen und/oder zuzustellendes 22 Schriftstück, wenn sie nicht den von der Verordnung an ihre äußere Gestaltung gestellten Anforderungen genügen. Dies ist z.B. der Fall, wenn das Formblatt A nicht vollständig (z.B. unvollständige Adressangabe), in einer nicht zugelassenen Sprache (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 19) oder sonst nicht bestimmungsgemäß ausgefüllt wurde.42 Hierher gehört nicht notwendig der Fall, dass in einem eine juristische Person betreffenden Zustellungsersuchen kein Organwalter als Empfänger bezeichnet ist.43 An wen zuzustellen ist, richtet sich nicht nach der Verordnung, sondern nach dem eine Zustellungslast begründenden und ausgestaltenden Recht. Ist danach vorgesehen die Zustellungen an juristische Personen, ist das Ersuchen dementsprechend abzufassen. Bedarf es in diesem Fall aber nach dem auf die Ausführung der Zustellung anwendbaren Recht der Bezeichnung eines Organwalter, hat die Empfangsstelle erforderlichenfalls (entsprechend dem Rechtsgedanken hinter Art. 54 Brüssel IaVO) eine Anpassung vorzunehmen; kann durch die Empfangsstelle dabei ein Organwalter nicht bezeichnet werden, ist ein Fall von (zeitweiser) Undurchführbarkeit i.S.v. Abs. 3 (s. Rz. 33) gegeben. Von einem formellen Mangel i.S.v. Abs. 2 ist dagegen auszugehen, wenn das zuzustellende Schriftstück nicht originalgetreu oder nicht lesbar empfangen wurde.44 Ein formeller Fehler ist wiederum nicht gegeben, wenn das zuzustellende Schriftstück nicht in einer für den Zustellungsadressaten zumindest potentiell verständlichen Sprache abgefasst und auch nicht von einer Übersetzung in diese begleitet ist, weil die Verordnung gerade keine unbedingte Übersetzungsobliegenheit vorsieht (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 31)45 und die Empfangsstelle generell nicht zur Prüfung des Inhalts des zuzustellenden Schriftstücks berufen ist.46 b) Unmöglichkeit der Rechtshilfegewährung Die Ausführung des Zustellungsersuchens muss der Empfangsstelle subjektiv unmöglich sein und 23 diese Unmöglichkeit muss auf der formellen Fehlerhaftigkeit (s. Rz. 22) des Ersuchens oder des zuzustellenden Schriftstücks (z.B. Unleserlichkeit der elektronischen Kopie) beruhen. Scheitert dagegen nicht die Gewährung von Rechtshilfe, sondern wird lediglich der mit der gewährten Rechtshilfe angestrebte Erfolg aus anderen Gründen nicht erreicht, z.B. infolge eines Umzugs des Zustellungsempfängers, fällt dies nicht unter Abs. 2; es gilt dann Art. 11 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 30 ff.). Von Unmöglichkeit ist erst auszugehen, wenn es der Empfangsstelle nicht möglich ist, den Hinderungsgrund durch liquide erreichbare und mit keinem mehr als nur unerheblichen Aufwand verbundene Maßnahmen selbst ohne nennenswerten Zeitverlust auszuräumen. Z.B. ist im Falle einer unvollständigen Adressangabe erst dann von Unmöglichkeit auszugehen, wenn die Empfangsstelle die Anschrift nicht ohne Schwierigkeiten selbst vervollständigen kann.47 Unerheblich ist, ob die Empfangsstelle die auf einem formellen Defizit beruhende Unmöglichkeit anfänglich oder z.B.
42 43 44 45
Brenn, Art. 2 EZV EinfErl; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 3. A.A. tendenziell Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 3. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 6 EuZVO Rz. 6; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 4; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 5. 46 Vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 53 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. 47 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 2.
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Art. 10 EU-ZustVO 2020 Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle erst anlässlich eines erfolglosen Zustellungsversuchs erkennt.48 Nicht von Abs. 2 erfasst wird aber der Fall, dass ein ordnungsgemäßes Rechtshilfeersuchen nebst zuzustellendem Schriftstück empfangen wurde und im Nachgang zum Empfang im Machtbereich der Empfangsstelle z.B. das zuzustellende Schriftstück verloren geht. In diesem Fall trifft die Empfangsstelle allerdings aufgrund ihrer Pflicht zur Bearbeitung des empfangenen Ersuchens die Pflicht, die bei ihr entstandenen Hinderungsgründe auszuräumen und dazu auch Kontakt mit der Übermittlungsstelle aufzunehmen. c) Nachbesserungsfähigkeit 24
Eine Pflicht, die Übermittlungsstelle zur Nachbesserung aufzufordern, besteht nicht, wenn bereits unabhängig von einer Nachbesserung des übermittelten Ersuchens (in dem von Abs. 3 vorausgesetzten Maße) feststeht, dass auch bei Ausräumung der Mängel der empfangenen Dokumente das zuzustellende Schriftstück nicht auf der Grundlage der Verordnung erfolgreich zugestellt werden kann. Denn der Sinn des Nachbesserungsverlangens besteht gerade darin, eine Rechtshilfeverweigerung zu vermeiden. Eine Nachbesserung muss danach insbesondere in dem Fall ausscheiden, dass das Zustellungsersuchen offensichtlich nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt. Insoweit ist ein Vorgehen nach Abs. 3 vorrangig gegenüber einem Vorgehen nach Abs. 2. Steht dagegen noch nicht fest, dass auch im Falle einer Nachbesserung nach Abs. 3 vorzugehen sein wird, ist umgekehrt Abs. 2 gegenüber Abs. 3 vorrangig. Deshalb kommt ein Vorgehen nach Abs. 3 im Falle eines nicht in einer zulässigen Sprache ausgefüllten Zustellungsersuchens erst in Betracht, nachdem ein einmaliges Vorgehen nach Abs. 2 fruchtlos geblieben ist (s. auch Rz. 33). 2. Aufforderungspflicht a) Verpflichteter und Adressat
25
Nach Abs. 2 verpflichtet ist die Empfangsstelle, welche das Rechtshilfeersuchen empfangen (s. Rz. 10) hat. Adressat der Aufforderung zur Nachbesserung ist die Übermittlungsstelle, welche sich dem empfangenen Rechtshilfeersuchen als Ersuchender bzw. Absender entnehmen lässt. Ist ein Ersuchen in dem Ausmaß fehlerhaft, dass sich ein Ersuchender bzw. Absender nicht entnehmen lässt, besteht danach keine Aufforderungspflicht. b) Inhalt
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Inhaltlich verpflichtet Abs. 2 die Empfangsstelle dazu, die Übermittlungsstelle zur Vornahme einer konkret bezeichneten Nachbesserungshandlung aufzufordern. Dies erfordert einen Hinweis auf das ausgemachte formelle Defizit und in der gebotenen Klarheit die Angabe, inwieweit eine Nachbesserung erwartet wird. Dies folgt aus dem Zweck des Nachbesserungsverfahrens, die Rechtshilfegewährung hindernde formelle Defizite auszuräumen. Der gebotene Inhalt eines Nachbesserungsverlangens ist danach von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Ein (begründeter) Hinweis auf den die Aufforderungspflicht auslösenden Hinderungsgrund muss nicht zusätzlich erfolgen. Dieser Umfang der Aufforderungspflicht ergibt sich aus Formblatt E, welches als Teil der Verordnung beschlossen wurde und einen Rückschluss darüber zulässt, welchen Inhalt das Nachbesserungsverlangen haben muss. c) Form und Kommunikationsweg
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Für das Nachbesserungsverlangen ist zwingend zu verwenden das Formblatt E.49 Durch eine nicht mittels dieses Formblatts erfolgende Aufforderung kann die Aufforderungspflicht nicht erfüllt werden.50 Zu übermitteln ist die Aufforderung unter im Regelfall obligatorischer Nutzung des dezentra48 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12. 49 Vgl. EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 54 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 2. 50 Hieraus kann freilich nicht geschlossen werden, dass eine andere (informelle) Form der Kommunikation verboten ist und nicht zum Wegfall des Hinderungsgrunds und damit des Nachbesserungsbedürfnisses führen kann, vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 15.
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len IT-Systems. Anders als in Abs. 1 wird dies in Abs. 2 zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich aber aus Art. 5 EU-ZustVO 2020. Hilfsweise hat die Übermittlung nach Maßgabe von Art. 5 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 auf anderem Weg und äußerstenfalls auch über die Zentralstelle51 zu erfolgen. Die Vorschrift macht keine Vorgaben dazu, in welcher Sprache das Nachbesserungsverlangen auszustellen ist (§ 96 S. 2 ZRHO: deutsch).52 Hinsichtlich des Formblatts selbst entspricht dies dem generellen Ansatz der Verordnung (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 19). Da in dieses aber anders als im Rahmen von Abs. 1 nicht selten übersetzungsbedürftige Eintragungen zu machen sind, liegt in der Nichtregelung der Ausfüllsprache eine Regelungslücke. Diese ist nach Sinn und Zweck dahingehend zu schließen, dass das Formblatt in einer für die Übermittlungsstelle verständlichen Sprache auszufüllen ist. Dem kann die Empfangsstelle dadurch genügen, dass sie sich an Art. 14 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 orientiert.53
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d) Beschleunigungsgebot Bereits die Vorgabe, dass das Nachbesserungsverlangen im Regelfall über das dezentrale IT-System zurückzusenden bzw. bei dessen Ausfall nach Art. 5 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 der schnellste und beste Übermittlungsweg zu nutzen ist (s. Rz. 15), dient der Beschleunigung durch Verkürzung der Transportzeit. Daneben zielt Abs. 2 auf eine Verkürzung der durch die Empfangsstelle in Anspruch genommenen Prüfungs- und Reaktionszeit und fordert, dass der Versand (Aufnahme Verbindung zur Übermittlungsstelle) ohne unangemessene Verzögerung initiiert wird. Dies bedeutet, dass die Empfangsstelle ein empfangenes Ersuchen ohne schuldhafte Verzögerung auf einen bestehenden Nachbesserungsbedarf zu prüfen und entsprechend dem Ergebnis dieser Prüfung zu reagieren hat (Beschleunigungsgebot, s. auch Rz. 2).
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3. Wirkungen des Nachbesserungsverlangens Das von der Übermittlungsstelle empfangene Nachbesserungsverlangen begründet, soweit es den Vor- 30 gaben der Verordnung entspricht, für diese die Obliegenheit, die bestehenden und benannten formellen Mängel auszuräumen. Solange diese Obliegenheit besteht und ihr nicht genügt wurde, muss die Empfangsstelle der Übermittlungsstelle keine Rechtshilfe in Form der Ausführung der ersuchten Zustellung gewähren. Hierdurch nicht ausgeschlossen wird, dass die Empfangsstelle selbst sich (freiwillig weiter) um die Ausräumung eines formellen Mangels bemüht und im Erfolgsfall der Hinderungsgrund ohne Zutun der Übermittlungsstelle mit der Folge entfällt, dass Zustellungshilfe zu gewähren ist.54
IV. Rücksendung bei Undurchführbarkeit (Abs. 3) 1. Voraussetzungen a) Allgemeines Undurchführbare Rechtshilfeersuchen sind nach Abs. 3 durch Rücksendung zurückzuweisen. Eine entsprechende Verpflichtung entsteht, sobald objektiv feststeht, dass das Zustellungsersuchen (bis zum Zeitpunkt seiner endgültigen Erledigung infolge Zeitablaufs) aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht ausgeführt, d.h. die Zustellung im Empfangsmitgliedstaat durch die Empfangsstelle schon nicht initiiert werden kann. Nach Sinn und Zweck entfällt die entsprechende Verpflichtung allerdings, wenn die Gründe für die Undurchführbarkeit vor der Erfüllung der Rücksendungspflicht entfallen. Hierzu kann es z.B. dadurch kommen, dass das Recht des Empfangsmitgliedstaats so geändert wird, dass es der Durchführung nicht mehr entgegensteht. 51 52 53 54
Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 18. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 6. Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 2. Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 25 ff. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 17; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 5.
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Art. 10 EU-ZustVO 2020 Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle 32
Abs. 3 benennt zwei Ursachen für die Undurchführbarkeit eines Zustellungsersuchens. Das gemeinsam mit der Vorschrift beschlossene Formblatt F benennt demgegenüber drei Rücksendungsgründe. Hierin wird deutlich, dass Abs. 3 die Ursachen für eine Undurchführbarkeit nicht abschließend, sondern exemplarisch benennt.55 Die Undurchführbarkeit kann sich daher auch aus einer in Abs. 3 nicht benannten Ursache ergeben. Soweit die Ursache der Undurchführbarkeit rechtlicher Natur ist, ist sie allerdings nur beachtlich, wenn sie nicht infolge des Anwendungsvorrangs der Verordnung (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 27) ihrerseits zurücktritt (s. Rz. 40). Mit der Verordnung vereinbar, weil in dieser angelegt bzw. vorausgesetzt ist der rechtliche Undurchführbarkeitsgrund des von einer inkompetenten Stelle angebrachten Rechtshilfeersuchens.56 Durch hierzu nicht berufene Stellen gestellte Rechtshilfeersuchen sind nach Abs. 3, gegebenenfalls in analoger Anwendung, zurückzuweisen. Ebenfalls mit der Verordnung vereinbar, weil in ihr angelegt bzw. vorausgesetzt ist der bereits in den Erläuterungen zum EuZÜ und zur EG-ZustVO 2000 benannte Undurchführbarkeitsgrund, dass ein Ersuchen an eine unzuständige Stelle, z.B. die Empfangsstelle eines unzuständigen Mitgliedstaats,57 gerichtet wird (s. aber Rz. 33, 46 ff.).58 Nicht mit der Verordnung vereinbar ist dagegen der Hinderungsgrund, dass die Rechtshilfegewährung mit dem ordre public des Empfangsmitgliedstaats nicht vereinbar ist – einen solchen Vorbehalt enthält die Verordnung im Unterschied zu HZÜ und HZPÜ bewusst nicht.59
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Undurchführbarkeit fehlt, wenn die mögliche Ursache hierfür ausgeräumt werden kann. Dies ergibt sich daraus, dass Abs. 3 nicht auf eine Überbeschleunigung zielt, sondern lediglich die notwendige Alternative zur Ausführung des Zustellungsersuchens ausgestalten will. Solange die Möglichkeit besteht, dass die Undurchführbarkeit entfällt, ist eine objektiv feststehende Undurchführbarkeit nicht gegeben, sondern es ist von einer lediglich zeitweisen Undurchführbarkeit auszugehen. Diese rechtfertigt eine (endgültige) Zurückweisung erst, wenn die Empfangsstelle zu einer Ausräumung des Hinderungsgrunds nicht verpflichtet oder nicht in der Lage ist. Danach scheidet eine Zurückweisung z.B. aus, wenn die angegangene Empfangsstelle örtlich unzuständig ist, aber eine Abgabe an die zuständige Empfangsstelle desselben Mitgliedstaats in Betracht kommt. Denn zu einer solchen Abgabe ist die angegangene Empfangsstelle nach Abs. 4 verpflichtet. Ist die örtlich zuständige Empfangsstelle dagegen in einem anderen Mitgliedstaat belegen, kann der Mangel nicht behoben werden, weil eine Abgabe in einen anderen Mitgliedstaat nicht bindend möglich und die Empfangsstelle zu einer solchen auch nicht verpflichtet ist (s. Rz. 50). Eine Zurückweisung scheidet weiter (zunächst) aus, wenn der Undurchführbarkeitsgrund von der Übermittlungsstelle beherrscht wird und von dieser ausgeräumt werden kann. In diesem Fall trifft die Empfangsstelle anstelle der Verpflichtung zur Zurückweisung zunächst die Pflicht zur Ablehnungsandrohung, wodurch die Übermittlungsstelle die Gelegenheit zur Nachbesserung (z.B. Abstandnahme von der Wahl einer mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaat unvereinbaren Zustellungsform) erhält (s. Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 22).60 Zur (endgültigen) Zurückweisung berechtigt ist die Empfangsstelle, wenn die Ablehnungsandrohung fruchtlos geblieben ist. Hiervon ist auszugehen, wenn die Übermittlungsstelle eine Nachbesserung abgelehnt oder auf die Ablehnungsandrohung nicht innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls angemessenen Frist sachgerecht reagiert hat.61 War die Ablehnungsandrohung in dem auch von Abs. 2 geforderten Ausmaß hinreichend konkret, muss nach einer fruchtlosen Ablehnungsandrohung
55 Vgl. Brenn, Art. 6 EZV Anm. i); Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 8. – A.A. (verbal) EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 Rz. 41, 48 – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 3; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 6 EuZVO Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.77. 56 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 6 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 27. 57 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg. 58 Vgl. Brenn, Art. 6 EZV Anm. i); Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 8. 59 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 6 EuZVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21. 60 Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 4. 61 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; Brenn, Art. 6 EZV Anm. g); Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 19.
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der Übermittlungsstelle keine zweite Gelegenheit zur Nachbesserung gewährt werden, um die Undurchführbarkeit festzustellen. b) Offenkundig nicht eröffneter Anwendungsbereich aa) Nichteröffnung Anwendungsbereich Undurchführbar ist ein Zustellungsersuchen, wenn der Anwendungsbereich der Verordnung nicht er- 34 öffnet ist. Dies bestimmt sich ausgehend von Art. 1 EU-ZustVO 2020.62 Nicht eröffnet ist der Anwendungsbereich, wenn nicht die Zustellung eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Schriftstücks aus einem in einem anderen Mitgliedstaat begehrt wird.63 Danach ist der Anwendungsbereich nicht eröffnet, wenn der Zustellungsadressat im Empfangsmitgliedstaat nicht über eine bekannte Zustelladresse verfügt.64 Die Beschränkungen des Anwendungsbereichs durch das Erfordernis, dass im Ursprungmitgliedstaat keine bekannte Zustelladresse besteht, sowie durch Art. 1 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 erlangen dagegen keine eigenständige Bedeutung, weil sie nur für die Begründung des obligatorischen Charakters der Verordnung bestehen müssen und nicht ausschließen, Rechtshilfe in Anspruch zu nehmen (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 50, 65, 71).65 Weiter ist der Anwendungsbereich nicht eröffnet, wenn das Schriftstück nicht eine Zivil- und Handelssache betrifft. Insbesondere ist der Anwendungsbereich nicht eröffnet, wenn das Schriftstück eine Steuer- und Zollsache, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder die Haftung eines Mitgliedstaats für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta iure imperii“) betrifft.66 bb) Offenkundigkeit Das objektive Vorliegen des Zurückweisungsgrunds des nicht eröffneten Anwendungsbereichs muss 35 von der Empfangsstelle festgestellt werden (zum Zeitpunkt s. Rz. 31). Abs. 3 sagt hierzu, dass der Zurückweisungsgrund für die Empfangsstelle offenkundig, d.h. für einen objektiven Betrachter in der Situation der Empfangsstelle die Nichteröffnung des Anwendungsbereich ohne weitere eingehende rechtlich Prüfung und tatsächliche Nachforschungen feststellbar sein muss.67 Angeordnet ist eine Reduktion der die Empfangsstelle treffenden Pflicht zur Prüfung und Nachforschung.68 Nur wenn die Nichteröffnung des Anwendungsbereichs in Anwendung des geminderten Maßstabs feststeht, ist die Empfangsstelle zur Zurückweisung verpflichtet und berechtigt. Im Zweifel ist Rechtshilfe zu gewähren.69 Die Empfangsstelle ist danach nicht verpflichtet, zu einem empfangenen Zustellungsersuchen umfassend die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung zu prüfen, was namentlich in Bezug auf die Qualifizierung als Zivil- und Handelssache vielfach auch eine Auseinandersetzung mit dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats bedeutete. Zwar ist der Begriff der Zivil- und Handelssache verordnungsautonom auszulegen. Allerdings werden die am verordnungsautonomen Maßstab zu messende Natur und die Eigenschaften des Rechtsverhältnisses, auf welches sich eine Zustellungslast bezieht (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 24), durch das anwendbare Sachrecht bestimmt. Kann die Empfangsstelle die Qualifikation des zuzustellenden Schriftstücks aufgrund einer fehlenden Übersetzung nicht feststellen, dann steht der Zurückweisungsgrund nicht fest und ist Rechtshilfe zu gewäh-
62 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 23; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 7; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 8. 63 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 7; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 8. 64 Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.79. 65 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 23. 66 ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 8. 67 Vgl. EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 Rz. 49 ff. – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 23; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 7. 68 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 4; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 24; Wagner, EuZW 2015, 636, 637. 69 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 24; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 7; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 8.
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Art. 10 EU-ZustVO 2020 Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle ren; eine Pflicht, eine Übersetzung beizubringen, besteht nicht.70 Die Empfangsstelle ist auch nicht berechtigt, vor Rechtshilfegewährung (Vornahme eines Zustellungsversuchs) durch umfangreiche Nachforschungen eine bekannte Zustelladresse des Zustellungsempfängers auszuschließen. Ihr obliegt vielmehr umgekehrt sogar, durch Ergreifung von liquide erreichbaren und nicht mit größerem Aufwand verbundenen Maßnahmen eine unvollständige Anschrift zu ergänzen.71 36
Entgegen der Rechtsprechung des EuGH und der h.A.72 wird durch Abs. 3 allerdings nicht die Prüfungs- bzw. Kognitionsbefugnis der Empfangsstelle beschränkt. Diese ist nicht (weitgehend) an die Beurteilung der Übermittlungsstelle gebunden.73 Eine solche Bindung wäre unbeschadet des zwischen den Mitgliedstaaten bestehenden gegenseitigen Vertrauens geradezu sachwidrig – die Empfangsstelle wäre gegebenenfalls zur fehlerhaften Vornahme eines Hoheitsakts verpflichtet. Erst Recht vermag daher nicht zu überzeugen, dass der EuGH74 den für die Empfangsstelle vorgesehenen Maßstab der Offenkundigkeit in freier Rechtsschöpfung auf die Prüfung durch die Übermittlungsstelle übertragen hat (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 23).75 Hierdurch wird letztlich jeweils der Anwendungsbereich der Verordnung unter Bruch der vom Verordnungsgeber getroffenen Anordnung geändert. Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass umfangreiche Prüfungen zu Verzögerungen führen und damit dem Verordnungsziel der Beschleunigung grenzüberschreitender Zustellungen widersprechen. Denn durch überobligatorische Prüfungen entstandene Verzögerungen können durch eine Beschränkung der Kognitionsbefugnis nicht ausgeglichen werden. Davon abgesehen übersieht diese Annahme, dass in dem Fall, dass die Empfangsstelle durch überobligatorische (umfassende) Prüfung festgestellt hat, dass der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist, dies im maßgeblichen Zeitpunkt (s. Rz. 31) offenkundig (s. Rz. 35) ist und daher entsprechend zu verfahren ist.76 c) Formeller Fehler
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Undurchführbar ist ein Zustellungsersuchen auch, wenn das Rechtshilfeersuchen an einem oder mehreren formellen Fehlern leidet und diese Fehler die Gewährung von Rechtshilfe dauerhaft (bis zum Zeitpunkt der endgültigen Erledigung des Ersuchens infolge Zeitablaufs) hindern.
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An einem formellen Fehler leidet das Rechtshilfeersuchen, wenn es nicht unter vollständiger Beachtung von Art. 5, 8 EU-ZustVO 2020 angebracht wurde. Fehlerhaft in diesem Sinne sind danach z.B. Ersuchen, die ohne Vorliegen eines Ausnahmefalls i.S.v. Art. 5 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 nicht über das dezentrale IT-System übermittelt wurden. Ebenfalls fehlerhaft ist ein in einer nicht zugelassenen Ausfüllsprache verfasstes oder nicht unter bestimmungsgemäßer Verwendung des Formblatts A erfolgtes Zustellungsersuchen. Weiter ist Fehlerhaftigkeit gegeben, wenn die Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks nicht originalgetreu oder nicht lesbar erfolgt ist.77 Außerdem ist fehlerhaft das an eine unzuständige Empfangsstelle gerichtete Ersuchen.78
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Neben der formellen Fehlerhaftigkeit ist erforderlich, dass ein anhaftender Formfehler objektiv die rechtmäßige Durchführung des Ersuchens verhindert. Hieran fehlt es ersichtlich, wenn der Formfehler allein darin liegt, dass die Übermittlung unter Verletzung von Art. 5 EU-ZustVO 2020 erfolgt 70 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 24; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 33. 71 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 7. 72 LG Bonn v. 20.4.2016 – 1 O 72/13, BeckRS 2016, 10913; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 4; Wagner, EuZW 2015, 636, 637. 73 So aber Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 4. Ein entsprechender Vorschlag von Lechner, A5-0060/1999, S. 7 hat keinen Eingang in den Verordnungstext gefunden. 74 EuGH v. 11.6.2015 – C-226/13, C-245/13, C-247/13, C-578/13, ECLI:EU:C:2015:383 Rz. 44 ff. – Stefan Fahnenbrock u.a./Hellenische Republik. 75 Skeptisch auch Wagner, EuZW 2015, 636, 637: „sehr mutige Auslegung, wenn nicht gar eine kühne Weiterentwicklung“. Tendenziell zustimmend dagegen Mankowski, ZIP 2019, 193, 196. 76 Vgl. zu diesem Gedanken für unterschiedliche Zustellungen bei Klärung infolge einer neuen Entscheidung des EuGH auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 6 a.E. 77 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 8. 78 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 8.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 10 EU-ZustVO 2020
ist. Weiter fehlt es hieran, solange der Empfangsstelle eine Ausräumung des Hindernisses möglich ist und sie noch nicht alle ihr eröffneten Möglichkeiten, zu deren Vornahme sie verpflichtet ist, ausgeschöpft hat.79 Daraus ergibt sich eine Nachrangigkeit von Abs. 3 gegenüber Abs. 2, weil und soweit die Empfangsstelle ihrer Pflicht zur Aufforderung der Übermittlungsstelle zu einer möglichen Nachbesserung noch nicht genügt hat. Weiterhin ergibt sich hieraus eine Nachrangigkeit der endgültigen Zurückweisung gegenüber der Ablehnungsandrohung im Falle einer zeitweisen Hinderung (s. Rz. 33). Dagegen folgt hieraus nicht, dass eine Zurückweisung nicht in Betracht kommt, wenn ein Zustellungsersuchen in einer nicht zugelassenen Sprache verfasst ist, aus der das Ersuchen durch die Ermittlungsstelle übersetzt werden kann, weil hierzu ist die Empfangsstelle nicht verpflichtet. Der Schwere eines Formmangels kommt im Rahmen von Abs. 3 keine eigenständige Bedeutung in der Abgrenzung zu Abs. 2 oder zur Ablehnungsandrohung zu. Abs. 2 und Ablehnungsandrohung einerseits und endgültige Zurückweisung nach Abs. 3 andererseits sind nicht anhand der Schwere eines Formmangels, sondern allein anhand der Möglichkeit zur Nachbesserung voneinander abzugrenzen. d) Verbot der begehrten Zustellung Undurchführbar ist ein Zustellungsersuchen, auch wenn dies in Abs. 3 nicht gesondert angesprochen 40 wird, gleichfalls, wenn die begehrte Zustellung nach dem von den die Zustellung ausführenden Stellen des Empfangsmitgliedstaats anzuwendenden Recht verboten ist80 und eine das Eingreifen des Verbots vermeidende Änderung des Ersuchens nicht (mehr) in Betracht kommt.81 Dies betrifft insbesondere den Fall, dass die Zustellung nach Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 (ausschließlich) in einem besonderen Verfahren begehrt wird, welches mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats unvereinbar ist.82 Dagegen folgt eine Undurchführbarkeit des Zustellungsersuchens nicht daraus, dass die Zustellung dem ordre public widerspricht.83 Dies ergibt sich daraus, dass die Verordnung ausweislich ihrer Genese (Entwicklung aus HZÜ und Abänderung gegenüber dem HZÜ) in Form beredten Schweigens einen Vorbehalt für die Vereinbarkeit mit dem ordre public mit Rücksicht auf das gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten nicht vorsieht und daher eine ordre public-Kontrolle durch den Anwendungsvorrang der Verordnung ausgeschlossen ist. 2. Rücksendungspflicht a) Verpflichteter und Adressat Nach Abs. 3 verpflichtet ist die Empfangsstelle, welche das Rechtshilfeersuchen empfangen (s. Rz. 10) hat oder an welche es nach Abs. 4 abgegeben wurde. Adressat der Rücksendung ist die Übermittlungsstelle, welche sich dem empfangenen Rechtshilfeersuchen als Ersuchender bzw. Absender entnehmen lässt. Ist ein Ersuchen in dem Ausmaß fehlerhaft, dass sich ein Ersuchender bzw. Absender nicht entnehmen lässt, besteht danach keine Rücksendungspflicht.
41
b) Inhalt Nach Abs. 3 ist die Empfangsstelle verpflichtet, das Zustellungsersuchen und die übermittelten Schriftstücke zurückzusenden und begleitend hierzu die Übermittlungsstelle über die Rücksendung, d.h. die Nichtausführung und die dafür maßgeblichen Gründe zu informieren.84 Die Verpflichtung
79 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 26. 80 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg. – Abw. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 9: Analogie. 81 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 9. – Abw. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 4. 82 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11, 28; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 9. 83 Brenn, Art. 6 EZV Anm. g); Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 6 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 9. Ohnehin ohne Belang ist, ob die Anerkennung einer Entscheidung am ordre public scheitern könnte, vgl. BVerfG v. 7.12.1994 – 1 BvR 1279/94, NJW 1995, 649. 84 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 29 f.
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Art. 10 EU-ZustVO 2020 Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle zur Rücksendung bezieht sich nur auf den empfangenen Zustellungsauftrag und die empfangenen Schriftstücke. Soweit kein Empfang erfolgt ist, muss auch keine Rücksendung erfolgen. Gegenstand der Rücksendung ist dabei jeweils das empfangene Exemplar und nicht eine Abschrift desselben. Dies ist einer Rücksendungspflicht immanent. Eine teleologische Reduktion der Rücksendungspflicht ist – unbeschadet der im gleichen zeitlichen Anwendungsbereich erkennbar werdenden Verbindung zu Art. 5 EU-ZustVO 2020 und dem Leitbild einer elektronischen Kommunikation – freilich geboten, soweit es sich bei dem empfangenen Exemplar nur um eine beliebig vervielfältigbare elektronische Kopie und nicht eine einer unveränderten Vervielfältigung nicht zugängliche Speicherung handelt. Denn in diesem Fall ist eine Rücksendung typischerweise nicht erforderlich, um der Übermittlungsstelle zu ermöglichen, das Schriftstück anderweitig zuzustellen. c) Form und Kommunikationsweg 43
Für die Rücksendung ist zwingend zu verwenden das Formblatt F.85 Durch eine nicht mittels dieses Formblatts erfolgende Rücksendung kann die Rücksendungspflicht nicht erfüllt werden. Zu übermitteln ist die Rücksendung im Regelfall unter obligatorischer Nutzung des dezentralen IT-Systems. Anders als in Abs. 1 wird dies in Abs. 3 zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich aber aus Art. 5 EU-ZustVO 2020. Ein Bedürfnis dafür, dass die Rücksendung nicht über das dezentrale IT-System erfolgt, kann sich dabei daraus ergeben, dass ein in Papierform übermitteltes Schriftstück im Original zurückzusenden ist.
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Die Vorschrift macht keine Vorgaben dazu, in welcher Sprache das Rücksendeformblatt auszustellen ist (§ 96 S. 2 ZRHO: deutsch).86 Hinsichtlich des Formblatts selbst entspricht dies dem generellen Ansatz der Verordnung (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 19). Da in diesem aber anders als im Rahmen von Abs. 1 gegebenenfalls auch übersetzungsbedürftige Eintragungen zu machen sind, liegt in der Nichtregelung der Ausfüllsprache eine Regelungslücke. Diese ist nach Sinn und Zweck dahingehend zu schließen, dass das Formblatt in einer für die Übermittlungsstelle verständlichen Sprache auszufüllen ist. Dem kann die Empfangsstelle genügen, indem sie sich an Art. 14 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 orientiert.87 d) Beschleunigungsgebot
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Bereits die Vorgabe, dass die Rücksendung im Regelfall über das dezentrale IT-System zu erfolgen hat bzw. bei dessen Ausfall nach Art. 5 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 der schnellste und beste Übermittlungsweg zu nutzen ist (s. Rz. 15), dient der Beschleunigung durch Verkürzung der Transportzeit. Daneben zielt Abs. 3 auf eine Verkürzung der durch die Empfangsstelle in Anspruch genommenen Prüfungsund Reaktionszeit und fordert, dass die Rücksendung ohne unangemessene Verzögerung initiiert wird (Erwägungsgrund 20 EU-ZustVO 2020; Beschleunigungsgebot, s. Rz. 2).88 Dies bedeutet, dass die Empfangsstelle ein empfangenes Ersuchen ohne schuldhafte Verzögerung (unter Beachtung der geminderten Prüfungsintensität, s. Rz. 35 f.) auf seine Durchführbarkeit zu prüfen und entsprechend dem Ergebnis dieser Prüfung zu reagieren hat. Dagegen folgt hieraus nicht, dass eine Prüfung nicht oder nur eingeschränkt erfolgen muss.89 Das Beschleunigungsgebot rechtfertigt als solches nicht, rechtlich Vorgaben unberücksichtigt zu lassen oder zu modifizieren.
85 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 29; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 6. Vgl. EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 54 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen. 86 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 6. 87 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 3 VO (EU) 2020/1784 Rz. 25 ff. 88 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 6. 89 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 6 VO (EG) 1393/2007 Rz. 32, Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 6.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 10 EU-ZustVO 2020
V. Verweisung bei Unzuständigkeit (Abs. 4) 1. Voraussetzungen a) Wirksames und nicht zurückweisungsreifes Zustellungsersuchen Eine Verweisung bei Unzuständigkeit setzt voraus zunächst ein, gemessen an der Verordnung, wirk- 46 sames Zustellungsersuchen. Hierfür ist unter Berücksichtigung von Abs. 2 in teleologischer Reduktion von Abs. 4 S. 1 a.E. nicht erforderlich, dass das Zustellungsersuchen unter Verwendung eines vollständig und bestimmungsgemäß ausgefüllten Formblatts gestellt wurde. Es muss auch nicht das Formblatt dem zuzustellenden Schriftstück beigefügt, d.h. von der Empfangsstelle Ersuchen und zuzustellendes Schriftstück empfangen worden sein. Vielmehr ist nur erforderlich, dass das Zustellungsersuchen als solches erkennbar ist und sich anhand seines Inhalts die Zuständigkeit der Empfangsstelle beurteilen lässt. Fehlt es hieran, ist vorrangig zur Verweisung ein Nachbesserungsverlangen nach Abs. 2 zu stellen. Anderenfalls ist eine Weiterleitung nach Abs. 4 bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen vorrangig gegenüber einem Nachbesserungsverlangen nach Abs. 2.90 Dieses durchzuführen obliegt dann der zuständigen Empfangsstelle. Ausgeschlossen ist eine Weiterleitung, wenn das Rechtshilfeersuchen zurückweisungsreif ist, d.h. sich 47 anhand der vorliegenden Informationen bereits feststellen lässt, dass eine Zurückweisung nach Abs. 3 zu erfolgen hat. Unter dieser Voraussetzung ist die Zurückweisung vorrangig zur Weiterleitung.91 Kann anhand eines Zustellungsersuchens ein Zurückweisungsgrund (noch) nicht festgestellt werden, ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zu verweisen, ohne Rücksicht darauf, ob ein Zurückweisungsgrund endgültig ausgeschlossen werden kann. Dies zu beurteilen, obliegt der zuständigen Empfangsstelle. b) Unzuständigkeit Die um Rechtshilfe ersuchte Empfangsstelle muss für die Rechtshilfegewährung, d.h. für die Ausführung der Zustellung örtlich unzuständig sein.92 Die örtliche Zuständigkeit der Empfangsstellen richtet sich nach dem nationalen Recht des Empfangsmitgliedstaats. Nicht maßgeblich ist die nur informatorische Mitteilung nach Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. b EU-ZustVO 2020. Die örtliche Zuständigkeit der Empfangsstelle fehlt, wenn ihr nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats im konkreten Einzelfall nicht die Kompetenz zukommt, die Zustellung auszuführen oder die Ausführung zu beauftragen.
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Der örtlichen Unzuständigkeit steht gleich die sachliche oder funktionale Unzuständigkeit einer 49 Empfangsstelle.93 Der Wortlaut der Vorschrift erwähnt die örtliche Zuständigkeit nur als Chiffre für die mit der Dezentralisierung der Empfangsstellen verbundene Unzuständigkeit, welche in ebenso vielen Dimensionen denkbar ist wie eine Zuständigkeitsaufteilung im Rahmen der Dezentralisierung denkbar ist. Nicht durch die Vorschrift erfasst wird allerdings das an eine Stelle, die nicht als Empfangsstelle bestimmt wurde, gerichtete Ersuchen. Auf dieses findet Abs. 4 keine Anwendung, weil die angegangene Stelle keine nach Abs. 4 verpflichtete Empfangsstelle ist.94 Einer solchen Stelle steht es frei, das Ersuchen an die zuständige Empfangsstelle weiterzuleiten. Alternativ dazu ist sie nach allgemeinen Grundsätzen verpflichtet, die ersuchende Stelle unverzüglich formfrei knapp über die Nichtbearbeitung zu informieren.
90 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 12. 91 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 36; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EGZustellVO Rz. 12. 92 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 6 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 35; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 10. 93 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 7. Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 35: Analogie. 94 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 7.
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Art. 10 EU-ZustVO 2020 Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle c) Zuständigkeit anderer Empfangsstelle desselben Mitgliedstaats 50
Schließlich muss eine andere Empfangsstelle desselben Empfangsmitgliedstaats zur Ausführung des Zustellungsauftrags örtlich zuständig sein.95 Unschädlich ist, wenn die angegangene und die zuständige Empfangsstelle im selben Mitgliedstaat unterschiedlichen territorialen Einheiten oder Rechtsgebieten angehören.96 Ist dagegen (nur) eine Empfangsstelle in einem anderen Mitgliedstaat örtlich zuständig, scheidet eine Verweisung aus.97 Die Verordnung sieht eine grenzüberschreitende Verweisung nicht vor; es kommt auch keine Analogie in Betracht. Vielmehr hat in diesem Fall eine Zurückweisung nach Abs. 3 zu erfolgen.98 Hintergrund dafür ist, dass für grenzüberschreitende Verweisungen nicht gesichert ist, dass der Antrag in einer vom zuständigen Mitgliedstaat zugelassenen Sprache vorliegt.99 2. Verweisungspflicht a) Verpflichteter und Adressaten
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Nach Abs. 4 verpflichtet ist die Empfangsstelle, welche das Rechtshilfeersuchen empfangen (s. Rz. 10) hat. Ausnahmsweise kann auch diejenige Empfangsstelle verpflichtet sein, an welche ein Zustellungsersuchen nach Maßgabe von Abs. 4 abgegeben wurde. Dies betrifft den Fall, dass die Abgabe wegen örtlicher Unzuständigkeit fehlerhaft an eine ebenfalls örtlich unzuständige Empfangsstelle erfolgt ist.
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Die Abgabe durch die verpflichtete Empfangsstelle hat zu erfolgen an die örtlich zuständige Empfangsstelle desselben Mitgliedstaats. Die begleitend hierzu von der verpflichteten Empfangsstelle vorzunehmende Information über die Abgabe ist zu richten an die als Absender des Ersuchens diesem zu entnehmende Übermittlungsstelle. Sie ist nicht zu richten an eine das Ersuchen nach Art. 4 Unterabs. 1 lit. c EU-ZustVO 2020 vermittelnde Zentralstelle und in dem Fall einer Weiterverweisung nicht an die vorherige Empfangsstelle. b) Inhalt
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Die Verweisung umfasst, dass die verpflichtete Empfangsstelle das Ersuchen und das zuzustellende Schriftstück an die örtlich zuständige Empfangsstelle weiterleitet, d.h. an diese übermittelt. Welche Einzelschritte hierfür zu unternehmen sind, wird bestimmt durch das Recht des Empfangsmitgliedstaats. Verordnungsautonom ist nur vorgegeben, dass die verpflichtete Empfangsstelle den Erfolg herbeizuführen hat, dass das empfangene Ersuchen und das empfangene zuzustellenden Schriftstück, jeweils so wie von der verpflichteten Empfangsstelle (unter Berücksichtigung erfolgter Nachbesserungen) empfangen, von der örtlich zuständigen Empfangsstelle originalgetreu und lesbar empfangen werden.
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Daneben umfasst die Verweisung nach Abs. 4 S. 2, dass die verpflichtete Empfangsstelle die Übermittlungsstelle über die erfolgte Abgabe, d.h. bewirkte Absendung, informiert unter Bezeichnung der örtlich zuständigen Empfangsstelle.
95 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 6; Gebauer/ Wiedmann/Sujecki, Art. 6 EuZVO Rz. 10. 96 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 6; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 34. 97 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 6 EuZVO Rz. 6; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 6 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 6 EuZVO Rz. 4; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.76. – A.A. Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 6 EuZVO Rz. 4. 98 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 6 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 11; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.76; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 10 EuZustVO Rz. 2. 99 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 6 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 34; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 11; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 10 EuZustVO Rz. 2.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 10 EU-ZustVO 2020
c) Form und Kommunikationsweg Für die Information der Übergabestelle ist zwingend zu verwenden das Formblatt G. Durch eine nicht mittels dieses Formblatts erfolgende Information kann die einen Teil der Verweisungspflicht darstellende Informationspflicht nicht erfüllt werden. Zu übermitteln ist die Information im Regelfall unter obligatorischer Nutzung des dezentralen IT-Systems. Anders als in Abs. 1 wird dies in Abs. 4 zwar nicht ausdrücklich erwähnt, ergibt sich aber aus Art. 5 EU-ZustVO 2020. Die Vorschrift macht keine Vorgaben dazu, in welcher Sprache die Information für die Übermittlungsstelle auszustellen ist (§ 96 S. 2 ZRHO: deutsch). Dies beruht nicht auf einem Versehen des Verordnungsgebers, sondern entspricht dem Umstand, dass die Verordnung generell keine Vorgaben zur Sprachfassung des zu verwenden Formblatts macht (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 19) und die im Formblatt notwendig vorzunehmenden Eintragungen keiner Übersetzung bedürfen. Eine analoge Anwendung von Art. 14 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 ist daher insoweit weder erforderlich noch gerechtfertigt.
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Hinsichtlich der Übermittlung des Zustellungsersuchens und des zuzustellenden Schriftstücks von 56 der verpflichteten Empfangsstelle an die örtlich zuständige Empfangsstelle macht Abs. 4 (anders als der Kommissionsentwurf, s. Rz. 5) weder Vorgaben zur Form noch zum zu nutzenden Kommunikationsweg. Die Übermittlung muss daher aus Sicht der Verordnung nicht unter Beifügung eines bestimmten Formblatts oder unter Nutzung des dezentralen IT-Systems erfolgen;100 Art. 5 EU-ZustVO 2020 gilt für die inländische Kommunikation nicht. Form und Kommunikationsweg richten sich nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats. Dieses kann auch die Verwendung eines Formblatts und, soweit technisch möglich, die Nutzung des dezentralen IT-Systems vorgeben. d) Beschleunigungsgebot Bereits die Vorgabe, dass die Information der Übermittlungsstelle im Regelfall über das dezentrale IT- 57 System zu erfolgen hat bzw. bei dessen Ausfall nach Art. 5 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 der schnellste und beste Übermittlungsweg zu nutzen ist (s. Rz. 15), dienen der Beschleunigung durch Verkürzung der Transportzeit. Für die eigentliche Übermittlung an die örtlich zuständige Empfangsstelle macht die Vorschrift aber keine entsprechenden Vorgaben. Allerdings zielt Abs. 4 sowohl für die Abgabe als auch für die Information der Übermittlungsstelle („gleichzeitig“) auf eine Verkürzung der durch die Empfangsstelle in Anspruch genommenen Prüfungs- und Reaktionszeit und fordert, dass Abgabe und Information ohne unangemessene Verzögerung initiiert werden. Dies bedeutet, dass die Empfangsstelle seine Zuständigkeit für ein empfangenes Ersuchen ohne schuldhafte Verzögerung zu prüfen und entsprechend dem Ergebnis dieser Prüfung zu reagieren hat.101 Zugleich folgt aus dem Effektivitätsgrundsatz, dass die Mitgliedstaaten den unter Berücksichtigung von Geschwindigkeit und Sicherheit besten Übermittlungsweg zu nutzen haben.102 3. Rechtsfolgen der Verweisung a) Bestätigungspflicht Die Bestätigungspflicht nach Abs. 4 S. 3 entsteht, wenn die Empfangsstelle, an welche ein Rechtshilfeersuchen nach Abs. 4 S. 1 abgegeben wurde, dieses empfangen hat. Der Begriff des Empfangs entspricht dabei demjenigen im Rahmen von Abs. 1 (s. Rz. 10). Nicht entscheidend ist, dass die Abgabe rechtmäßig erfolgt ist. Dies ergibt sich daraus, dass die Bestätigungspflicht der Übermittlungsstelle nur Klarheit darüber verschaffen soll, wo das Ersuchen gerade anhängig ist.
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Verpflichteter ist die Empfangsstelle, welche ein abgegebenes Zustellungsersuchen empfangen hat. Be- 59 rechtigter ist die Übermittlungsstelle. Die nach Abs. 4 S. 3 geschuldete Bestätigung entspricht inhaltlich der nach Abs. 1 geschuldeten Bestätigung (s. Rz. 14).103 Sie hat vergleichbar zu der nach Abs. 1
100 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 37. 101 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 37. 102 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 6 VO (EG) 1393/2007 Rz. 38. 103 Vgl. auch ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.
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Art. 10 EU-ZustVO 2020 Entgegennahme der Schriftstücke durch die Empfangsstelle zu erfolgen unter obligatorischer Nutzung des Formblatts H;104 eine bestimmte Sprache ist von der Vorschrift nicht vorgegeben (s. Rz. 16). Sie ist nach Maßgabe von Art. 5 EU-ZustVO 2020 über das dezentrale IT-System zu übermitteln. Die Empfangsbestätigung muss nicht automatisch erfolgen. Es gilt für ihre Erteilung das Beschleunigungsgebot allerdings in vergleichbarem Umfang wie nach Abs. 1 für nicht automatisierte Bestätigungen (s. Rz. 18). b) Wechsel der Empfangsstelle 60
Mit Empfang des nach Abs. 4 S. 1 abgegebenen Rechtshilfeersuchens rückt die Empfangsstelle, an welche abgegeben wurde, in die Position der originär ersuchten Empfangsstelle ein.105 Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob die Abgabe rechtmäßig erfolgt und die Empfangsstelle örtlich zuständig ist. Die Empfangsstelle, an welche abgegeben wurde, treffen alle die Empfangsstelle generell treffenden Pflichten einschließlich der sich aus dieser Vorschrift ergebenden Verpflichtungen. Lediglich die Verpflichtung aus Abs. 1 trifft die Empfangsstelle, an welche abgegeben wurde, nicht, weil insoweit der speziellere Abs. 4 S. 3 gilt.
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Die Abgabe erfolgt ohne Bindungswirkung. Die Empfangsstelle, an welche abgegeben wurde, hat daher ihre örtliche Zuständigkeit selbstständig zu prüfen. Sie darf entsprechend dem Ergebnis ihrer Prüfung das Rechtshilfeersuchen auch nach Abs. 4 weiterverweisen oder auch zurückverweisen. Die Verordnung setzt dem nur insoweit eine Grenze, als das Recht des Empfangsmitgliedstaats Vorsorge gegen grenzenlose Weiter- und Zurückverweisungen schaffen muss, z.B. durch eine Bindungswirkung nach nationalem Recht oder durch die Möglichkeit einer bindenden Zuständigkeitsbestimmung durch eine übergeordnete Stelle. 4. Rechtsfolgen unterlassener Verweisung
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Die Verordnung regelt nicht, welche Folgen sich daraus ergeben, dass die ersuchte, aber unzuständige Empfangsstelle das Rechtshilfeersuchen nicht weitergeleitet, sondern selbst Zustellungshilfe gewährt. Zwar erfolgt ein entsprechendes Vorgehen unter Verletzung von Abs. 4. Allerdings steht die Verweisung nach Abs. 4 im Zusammenhang mit der Befugnis der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung der Dezentralisierung der Empfangsstellen und dient nicht dem Schutz des Zustellungsadressaten. Aus Abs. 4 folgt daher nicht, dass ein entsprechendes Vorgehen zur Unwirksamkeit der Zustellung führt. Vielmehr richtet sich nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats, welche Folgen sich aus der Unzuständigkeit der rechtshilfegewährenden Stelle ergeben.106
VI. Rechtsschutz 63
Die Verordnung enthält keine Regelungen zum Rechtsschutz gegen die (vorübergehende oder endgültige) Verweigerung der Rechtshilfegewährung.107 Deshalb richtet sich der Rechtsschutz nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats.108 In Deutschland gelten §§ 23 ff. EGGVG (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 120 f.).109 Rechtsschutzberechtigt ist danach der Antragsteller, nicht dagegen die Übermittlungsstelle. Spiegelbildlich dazu, dass der Antragsteller sein Interesse an der Rechtshilfegewährung zur Geltung bringen kann, kann der Zustellungsadressat sein Interesse an der Verweigerung der Rechtshilfe zum Ausdruck bringen und z.B. die offensichtliche Nichteröffnung des Anwendungsbereichs der
104 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 39. 105 Vgl. Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.76. 106 Vgl. auch OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 23. – A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 33: lex fori. 107 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 6. 108 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 6 EuZVO Rz. 4 f.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 32; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 6. 109 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 6 EuZVO Rz. 4; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 10 VO (EU) 2020/1784 Rz. 32.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 11 EU-ZustVO 2020
Verordnung einwenden.110 Ganz ausnahmsweise kommt dabei auch in Betracht, dass der Empfangsstelle die Rechtshilfegewährung einstweilig untersagt wird mit der Folge, dass die Rechtshilfegewährung (zeitweise) unmöglich ist (s. Rz. 32 f.).111
Artikel 11 Zustellung von Schriftstücken (1) Die Zustellung des Schriftstücks wird von der Empfangsstelle bewirkt oder veranlasst, entweder nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats oder in einem von der Übermittlungsstelle gewünschten besonderen Verfahren, sofern dieses Verfahren mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats vereinbar ist. (2) 1Die Empfangsstelle unternimmt alle erforderlichen Schritte, um die Zustellung des Schriftstücks so rasch wie möglich, in jedem Fall jedoch binnen eines Monats nach seinem Eingang auszuführen. 2Konnte die Zustellung nicht binnen eines Monats nach Eingang des Schriftstücks vorgenommen werden, verfährt die Empfangsstelle wie folgt: a) Sie unterrichtet die Übermittlungsstelle unverzüglich unter Verwendung des Formblatts K in Anhang I davon oder, sofern die Übermittlungsstelle unter Verwendung des Formblatts I in Anhang I um Informationen ersucht hat, unter Verwendung des Formblatts J in Anhang I, und b) sie unternimmt weiterhin alle für die Zustellung des Schriftstücks erforderlichen Schritte, falls die Zustellung innerhalb einer angemessenen Frist möglich erscheint, es sei denn, die Übermittlungsstelle gibt an, dass die Zustellung nicht mehr erforderlich ist. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . a) Verpflichtung zur Rechtshilfe b) Beschleunigungsgebot . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . .
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II. Pflicht zur Rechtshilfegewährung (Abs. 1 Halbs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt der Gewährungspflicht . . . . . . . . III. Zustellungsweise (Abs. 1 Halbs. 2) . . . . . 1. Wahlrecht der Übermittlungsstelle . . . . . 2. Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderes Zustellungsverfahren . . . . . .
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1 1 2 4 6 8
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10 10 11 13 13
. 15 . 20
a) Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausführungspflicht und Grenze . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . bb) Unmöglichkeit der Ausführung cc) Unvereinbarkeit mit Recht des Empfangsmitgliedstaats . . . . c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . .
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20 22 22 23
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IV. Zustellungsbeschleunigung (Abs. 2) . . . 1. Beschleunigungsgebot . . . . . . . . . . . 2. Höchstfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Information der Übermittlungsstelle (Abs. 2 S. 2 lit. a) . . . . . . . . . . . . . d) Begrenzung der Pflicht zur Rechtshilfegewährung (Abs. 2 S. 2 lit. b) . . . . . .
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26 26 30 30 31
. . 33 . . 37
Schrifttum: Hauser, Die neue Europäische Zustellungsverordnung – Tatsächliche Verbesserungen im Europäischen Zustellungssystem?, zak 2009, 105; Sujecki, Die reformierte Zustellungsverordnung, NJW 2008, 1628. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
110 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 7. 111 Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 7, gegen dessen Vorschlag (einstweilige Feststellung eines Zurückweisungsgrunds) freilich spricht, dass auf eine feststellende einstweilige Verfügung gerichtete Anträge aus prinzipiellen Gründen unzulässig sind.
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Art. 11 EU-ZustVO 2020 Zustellung von Schriftstücken
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift regelt (rahmenmäßig) die Ausführung eines zulässigen und begründeten Zustellungsersuchens als Spiegelbild zur (gegenüber Nachbesserung, s. Art. 10 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, und Verweisung, s. Art. 10 Abs. 4 EU-ZustVO 2020, nachrangigen) Zurückweisung nach Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO 2020.1 a) Verpflichtung zur Rechtshilfe
2
Aus Abs. 1 ergibt sich die verordnungsautonome und nur durch in der Verordnung vorgesehene oder zugelassene Anforderungen beschränkte Verpflichtung der Empfangsstelle, Rechtshilfe zur Zustellung zu gewähren. Aus durch die Verordnung nicht vorgesehenen oder zugelassenen Gründen darf die Rechtshilfegewährung im Anwendungsbereich der Verordnung nicht versagt werden. In diesem Umfang begründet Abs. 1 für Empfangsstellen verordnungsautonom die Pflicht, selbst die ersuchte Rechtshilfe zu gewähren, indem ein Zustellungsverfahren eingeleitet wird und entweder die Zustellung bewirkt oder ihr Bewirken entsprechend dem nationalen System beauftragt wird (z.B. Übergabe an Gerichtsvollzieher).
3
Hinsichtlich der Zustellungsweise räumt die Vorschrift der Übermittlungsstelle die Wahl zwischen zwei möglichen Zustellungsverfahren ein: (1) Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats oder (2) Zustellung in einer (nach dem eine Zustellungslast begründenden Recht erforderlichen) besonderen Form. Hierdurch werden die Interessen des Zustellungsadressaten an einer hinreichenden Konfrontation mit der Zustellung als Hoheitsakt und die Interessen des Antragstellers an einer von dem Recht, welches eine Zustellungslast begründet, akzeptierten Zustellung in Ausgleich gebracht. Die den Regelfall bildende Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats (s. Rz. 15) gewährleistet, dass der Adressat die Zustellung als Hoheitsakt einfach und zuverlässig erkennen kann. Besteht im Empfangsmitgliedstaat z.B. die Übung/Vorgabe, dass Zustellungen unter Verwendung farblich besonders gekennzeichneter Umschläge2 oder durch besondere Personen unter ausführlicher Belehrung erfolgen, gewährleistet die Beachtung derselben Förmlichkeit bei Ausführung eines Rechtshilfeersuchens, dass der Zustellungsadressat sogleich die Bedeutung des Akts erfassen kann. Demgegenüber trägt die Möglichkeit zur Zustellung in einem besonderen Verfahren – unter Wahrung der wesentlichen Interessen des Zustellungsadressaten – dem Umstand Rechnung, dass bei Anknüpfung von Rechtswirkungen an eine erfolgte Zustellung jeweils auch ein bestimmter Tatbestand der Zustellung als unabdingbar notwendig vorausgesetzt wird und das Rechtwirkungen an eine Zustellung anknüpfende Recht dabei gegebenenfalls einen Tatbestand vor Augen hat, dem ein Zustellungsverfahren nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats (auch unter dem Gesichtspunkt einer Substitution) nicht genügt. b) Beschleunigungsgebot
4
Abs. 2 unterwirft die Pflicht zur Rechtshilfegewährung einem besonderen Beschleunigungsgebot.3 Er setzt ein zentrales Anliegen der Verordnung um. Im Anschluss an die beschleunigte Übermittlung an die Empfangsstelle wird diese in S. 1 verpflichtet, alle geeigneten Schritte zu unternehmen, um die Zustellung so schnell wie möglich, in jedem Fall jedoch innerhalb eines Monats vorzunehmen (Erwägungsgrund 21, 22 S. 1 EU-ZustVO 2020). Durch diese (materiell) bereits in den beiden Vorgängervorschriften enthaltene Vorgabe konnte in Verbindung mit den weiteren der Beschleunigung dienenden Regelungen der Verordnungen die Dauer grenzüberschreitender Zustellungen gegenüber
1 Vgl. Brenn, Art. 7 EZV Anm. a); Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 1. 2 Vgl. dazu Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 87. 3 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 1.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 11 EU-ZustVO 2020
der Anwendung des HZÜ spürbar verringert werden. Unverändert wird aber in einer nicht geringen Anzahl von Fällen die Höchstfrist nicht gewahrt. Vor diesem Hintergrund sieht S. 2 ein besonderes Verfahren vor, welches zu durchlaufen ist, wenn die Zustellung nicht innerhalb eines Monats bewirkt werden konnte. Danach hat die Empfangsstelle die Übermittlungsstelle zu unterrichten. Hierdurch wird vermieden, dass Zustellungsersuchen liegen bleiben, weil sie vergessen wurden. Zudem wird der Übermittlungsstelle ermöglicht, die Auswirkungen der Verzögerung auf ein geführtes Verfahren zu beurteilen und mit Blick hierauf über in diesem zu ergreifende Schritte zu entscheiden. Daneben wird die Pflicht zur Rechtshilfegewährung beschränkt (Erwägungsgrund 22 S. 2 EU-ZustVO 2020). Sie findet ihre Grenze darin, dass die Zustellung voraussichtlich nicht innerhalb einer angemessenen Frist möglich ist. Außerdem findet sie ihre Grenze darin, dass sich das Zustellungsersuchen nach Angabe der Übermittlungsstelle erledigt hat. Innerhalb dieser Grenzen bleibt die Empfangsstelle auch nach Ablauf der Höchstfrist verpflichtet, ohne Verzögerung die zur Rechtshilfegewährung erforderlichen Schritte zu unternehmen. In Bezug auf das Beschleunigungsgebot findet sich verbreitet der negativ konnotierte Hinweis, dass es sich mangels Sanktionierung um eine bloße Absichtserklärung handelt, welche zur Beschleunigung tatsächlich wenig beizutragen vermag.4 Es wird suggeriert, dass die in der Verordnung vielfach vorgesehenen Verweise auf die Geltung des Beschleunigungsgebots weitgehend entbehrlich und letztlich nur eine Marotte der Unionrechtssetzung seien. Diese Sichtweise verkennt, dass entsprechende Regelungen keine Eigenart des Unionsrechts sind, sondern gleichermaßen im nationalen Recht anzutreffen sind, ohne vergleichbar negativ beschrieben zu werden. Zu verweisen ist insoweit z.B. auf § 9 Abs. 1 ArbGG (allgemeines Beschleunigungsgebot), § 155 Abs. 1 FamFG (Beschleunigungsgebot mit nicht unmittelbar sanktioniertem Vorranggebot), § 272 Abs. 1, 3, 4 ZPO (Konzentrations- und Frühzeitigkeitsgebot mit partiellem Beschleunigungs- und Vorranggebot), § 60 Abs. 4 S. 3 ArbGG (Höchstfrist ohne unmittelbare Sanktionierung), § 257 Abs. 2 öZPO (Frühzeitigkeitsgebot ohne Sanktion), § 415 öZPO (Höchstfrist ohne unmittelbare Sanktionierung). Weiter unterschätzt diese Sichtweise auch die praktischen Auswirkungen entsprechender Zielvorgaben.5 Beispielhaft ist hierfür die Regelung des § 60 Abs. 4 S. 3 ArbGG, welche, wie dem Verfasser von Arbeitsrichtern versichert wurde, in der Praxis tatsächlich als verpflichtend angesehen und im Regelfall6 beachtet wird.
5
2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift geht zurück auf Art. 7 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)7 und Art. 7 EG-ZustVO 2000. Diese sahen in ihrem Abs. 1 in Anknüpfung an Art. 5 Abs. 1 HZÜ8 bereits die Möglichkeit vor, dass die Zustellung nach dem Recht des Zustellungsstaates oder in einem besonderen Verfahren ausgeführt wird. Dagegen sahen sie anders als Art. 5 HZÜ (und Art. 2 HZPÜ) nicht mehr eigenständig die persönliche Übergabe bei Annahmebereitschaft als von jeglichen Förmlichkeiten befreite Zustellungsweise vor. Ohne Vorbild in HZÜ (und auch HZPÜ) war die mit Art. 7 Abs. 2 EG-ZustVO 2000 erfolgte und in Art. 7 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 beibehaltene Anordnung eines Beschleunigungsgebots. Die hierzu in Art. 7 Abs. 2 EG-ZustVO 2000 enthaltene Regelung erwies sich als missverständlich, weil sie in Verbindung mit dem zu verwendenden Formblatt den Eindruck erweckte, dass die Überschreitung der Monatsfrist zur Beendigung des Rechtshilfeverfahrens unter Rücksendung des Er-
4 Hauser, zak 2009, 105, 107; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 7; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 15; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 6; Rösler/Siepmann, RIW 2006, 512, 514; Stadler, IPRax 2001, 514, 517; Sujecki, NJW 2008, 1628, 1630; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 5. Allg. auch Mankowski, EuZW 2015, 836, 837. Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 1. Ohne negative Konnotation zu Recht Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 184. 5 Vgl. auch Stadler, IPRax 2001, 514, 517. 6 Zu einer (infolge Ruhestands inzwischen erledigten) Ausnahme am ArbG Leipzig vgl. den Sachverhalt bei BGH v. 4.6.2009 – RiZ (R) 5/08, NJW 2010, 302. 7 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 11 EuZVO 2022 Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 11 EuZustVO Rz. 1. 8 Sharma, S. 89; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 11 EuZustVO Rz. 1.
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Art. 11 EU-ZustVO 2020 Zustellung von Schriftstücken suchens und des zuzustellenden Schriftstücks führt.9 Zur Klarstellung dieser erkennbar sachwidrigen Konsequenz wurde in Art. 7 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 eine detailliertere Regelung aufgenommen. 7
An diese Rechtslage knüpft die Vorschrift an. Gegenüber der unmittelbaren Vorgängervorschrift erfolgte neben redaktionellen Änderungen nur eine stärkere Ausdifferenzierung der Pflicht zur Information der Übermittlungsstelle über Verzögerungen (Abs. 2 S. 2). Der Kommissionsentwurf sah noch keine Änderung von Art. 7 EG-ZustVO 2007 vor.10 Ebenso wenig war die Überarbeitung der Vorschrift Gegenstand der Stellungnahme des EWSA und in erster Lesung des Parlaments.11 Die Änderungen gegenüber Art. 7 EG-ZustVO 2007 erfolgten im Rahmen der ersten Lesung im Rat erst im Zusammenhang mit der in den geführten Triloggesprächen getroffenen Entscheidung, anstatt eines Änderungsrechtsakts eine Neufassung zu erlassen (vgl. Erwägungsgrund 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020) und in diesem Zuge den Kreis der Formblätter auszuweiten.12 3. Anwendungsbereich
8
Die Vorschrift gilt nur für die Zustellung auf dem Weg der einfachen Rechtshilfe nach Kapitel II, Abschnitt 1 der Verordnung. Sie gilt dagegen nicht für die in Abschnitt 2 des Kapitels II der Verordnung geregelten Wege, eine grenzüberschreitende Zustellung zu bewirken. Keine Anwendung findet die Vorschrift danach auf die direkte Zustellung, in welche eine Empfangsstelle gerade nicht eingeschaltet ist. Aus demselben Grund findet sie keine Anwendung auf die unmittelbare Zustellung. Für die um eine solche angegangenen Stellen gilt weder Abs. 1 noch Abs. 2. Im Rahmen einer unmittelbaren Zustellung besteht daher nicht die Möglichkeit, ein im Empfangsmitgliedstaat nicht vorgesehenes besonderes Zustellungsverfahren zu nutzen (s. Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 23). Entsprechend anwendbar ist die Vorschrift allerdings, wenn eine Zustellung in Anwendung von Art. 16 EU-ZustVO 2020 vermittelt wird, weil dabei der Rechtshilfeweg genutzt wird und eine Empfangsstelle eingeschaltet ist.
9
Originär regelt die Vorschrift nur die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. Aufgrund der Verweisung des Art. 21 EU-ZustVO 2020 findet sie darüber hinaus aber auch auf außergerichtliche Schriftstücke Anwendung, wenn deren Zustellung auf dem Weg der (einfachen) Rechtshilfe vermittelt wird.
II. Pflicht zur Rechtshilfegewährung (Abs. 1 Halbs. 1) 1. Voraussetzungen 10
Zur Rechtshilfegewährung verpflichtet ist die durch eine kompetente Übermittlungsstelle (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff.) ersuchte Empfangsstelle, wenn das empfangene Ersuchen nicht an Mängeln leidet, welche ein Nachbesserungsverlangen nach Art. 10 Abs. 2 EU-ZustVO bedingen, kein Zurückweisungsgrund nach Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 besteht und die ersuchte Empfangsstelle zuständig ist (vgl. Art. 10 Abs. 4 EU-ZustVO 2020).13 2. Inhalt der Gewährungspflicht
11
Die ersuchte Empfangsstelle hat selbst die nachgefragte Rechtshilfe zu leisten entweder dadurch, dass sie selbst die Zustellung bewirkt, oder, soweit ihr hierfür nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaat die Kompetenz nicht zukommt, dadurch, dass sie die Zustellung veranlasst, d.h. die Ausführung beauftragt und die weiteren Schritte unternimmt (z.B. Übergabe an den Zustellungsbeamten).14 Die Verpflichtung der Empfangsstelle beschränkt sich danach nicht darauf, ein Ersuchen entgegenzuneh9 So tatsächlich Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 6. Vgl. dagegen freilich bereits die Klarstellung bei ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; Brenn, Art. 7 EZV Anm. d). 10 COM(2018) 379 final, S. 22. 11 Cofferati, A8-0001/2019, S. 22 f. 12 Ratsdok. 9890/20 (22.10.2020), S. 29. 13 Vgl. Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 10 EuZuStVO Rz. 1. 14 Vgl. EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 54 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 36 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 11 EU-ZustVO 2020
men und zur weiteren Bearbeitung an eine andere Stelle des Empfangsmitgliedstaats zur Bearbeitung weiterzuleiten. Vielmehr hat die Empfangsstelle nach dem Empfang eines Ersuchens zur Rechtshilfegewährung ein innerstaatliches Zustellungsverfahren im Empfangsmitgliedstaat einzuleiten. Durch die Empfangsstelle sind alle Maßnahmen zu ergreifen bzw. Einzelschritte zu unternehmen 12 (vgl. Abs. 2 S. 1), welche geeignet und erforderlich sind, um das Zustellungsersuchen erfolgreich auszuführen, d.h. im Ergebnis die Zustellung des Schriftstücks zu bewirken. Begrenzt wird die Verpflichtung durch das bei der Zustellung zu beachtende Recht sowie durch Abs. 2 S. 2 lit. b (s. Rz. 37 ff.). Welche Einzelschritte die Empfangsstelle in diesem Rahmen zu unternehmen hat, ist abhängig von der Weise, in welcher die Zustellung erfolgen soll (s. Rz. 13 ff.).15 Einzelne von der Empfangsstelle zu unternehmende Einzelschritte gestaltet die Verordnung im Interesse des Zustellungsadressaten (Belehrungspflicht nach Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020,16 Information der Übermittlungsstelle nach Art. 12 Abs. 4 EU-ZustVO 202017) oder des Antragstellers (Bescheinigungspflicht nach Art. 14 EU-ZustVO 2020, Information der Übermittlungsstelle nach Art. 12 Abs. 4 EU-ZustVO 2020) gesondert aus.
III. Zustellungsweise (Abs. 1 Halbs. 2) 1. Wahlrecht der Übermittlungsstelle Im Grundsatz regelt die Verordnung das eigentliche Zustellungsverfahren nicht autonom (s. Einl. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 61).18 Nur punktuell bestehen verordnungsautonome Vorgaben, die von der Empfangsstelle im Zustellungsverfahren zu beachten sind (s. Rz. 12 a.E.) und nationalem Recht vorgehen (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 27).19 Davon abgesehen richtet sich das eigentliche Zustellungsverfahren nach dem Recht der Mitgliedstaaten.20 Hinsichtlich der Bestimmung desjenigen Rechts der Mitgliedstaaten, nach dem sich die Zustellungsweise richtet, räumt Abs. 1 der ersuchenden Übermittlungsstelle ein die Empfangsstelle bindendes21 Wahlrecht ein. Dieses umfasst nur die Wahl des auf die Ausführung der Zustellung anwendbaren Verfahrens (und Rechts) und nicht auch die Wahl bestimmter (anderer) Rechtsfolgen.22 Entsprechend der getroffenen Wahl kann die Zustellung im Empfangsmitgliedstaat zunächst nach dem in diesem geltenden Zustellungsrecht erfolgen, wodurch dem Interesse des Zustellungsadressaten daran, bei grenzüberschreitenden Zustellungen keinen geringeren Schutz als bei inländischen Zustellungen zu erfahren, Rechnung getragen wird (s. Rz. 3). Alternativ dazu wird die Zustellung auf Wunsch der Übermittlungsstelle aber auch in einem besonderen, von der Übermittlungsstelle vorgegebenen Verfahren ausgeführt, soweit dies nicht mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats unvereinbar ist. Diese Möglichkeit soll gewährleisten, dass eine im Empfangsmitgliedstaat bewirkte Zustellung auch geeignet ist, eine von dem Recht, welches eine Zustellungslast begründet, mit einer besonderen Ausführung vorausgesetzte Zustellung zu substituieren,23 solange dies nicht aus Sicht des Rechts des Empfangsmitgliedstaats wesentliche Interessen des Zustellungsadressaten verkürzt oder Interessen der Allgemeinheit entgegenstehen (s. Rz. 3).
15 16 17 18 19 20 21 22 23
u.a.; Brenn, Art. 7 EZV Anm. a); Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 2. Vgl. auch GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 70 – Götz Leffler/ Berlin Chemie AG. Vgl. EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 54 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 36 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh u.a. EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 54 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen. GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 96, 101 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 11 EuZustVO Rz. 1. GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 96 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 3. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 3 a.E. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11.
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Art. 11 EU-ZustVO 2020 Zustellung von Schriftstücken 14
Ausgeübt wird das Wahlrecht durch die Übermittlungsstelle im Rahmen ihres Rechtshilfeersuchens. Dazu ist in Formblatt A zu Ziff. 5 eine entsprechende Erklärung abzugeben. Dieser muss sich im Detail entnehmen lassen, welche besonderen Schritte bei der Zustellung im Einzelnen ohne Rücksicht auf das Recht des Empfangsmitgliedstaats zu durchlaufen sind.24 Zulässig ist, wie Formblatt A in Ziff. 5.2.1 erkennen lässt, auch eine gestufte Wahl dergestalt, dass die Zustellung nach einem besonderen Verfahren und hilfsweise bei dessen Unzulässigkeit nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats auszuführen ist.25 Nach der Gestaltung des wegen Erwägungsgrund 17 S. 1, 2 EU-ZustVO 2020 und Art. 8 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 obligatorisch zu verwendenden Formblatts A hat zu Ziff. 5 zwingend eine ausdrückliche Wahl zu erfolgen. Ein zu Ziff. 5 keine Angaben enthaltendes Formblatt A ist nicht verordnungsgemäß ausgefüllt und daher formell fehlerhaft. Da nach dem Wortlaut von Abs. 1 die Wahl zugunsten des Rechts des Empfangsmitgliedstaats (Regelfall, s. Rz. 15) auch dadurch erfolgen kann, dass kein besonderes Verfahren gewählt wird,26 hindert eine fehlende Angabe zu Ziff. 5 im Formblatt A allerdings nicht i.S.v. Art. 10 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 die Ausführung des Zustellungsersuchens. Ein Nachbesserungsverlangen ist daher nicht zu stellen, sondern es ist von der Wahl einer Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats auszugehen.27 Eine getroffene Wahl kann von der ersuchenden Übermittlungsstelle geändert werden, solange die ersuchte Empfangsstelle noch keine mit der neu gewählten Zustellungsweise unvereinbaren Schritte ausgelöst bzw. das Zustellungsersuchen zurückgesendet hat. 2. Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats
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Im Regelfall wird die Zustellung ausgeführt nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats.28 Der Zustellungsvorgang entspricht damit aus Sicht des Empfängers einer Inlandszustellung im Empfangsmitgliedstaat (s. auch Rz. 13). Der Empfangsstelle wird erleichtert, die erfolgreiche Zustellung zu bescheinigen.29 Unterscheidet das Recht des Empfangsmitgliedstaats zwischen Amts- und Parteizustellungen, ist aufgrund der Verpflichtung der Empfangsstelle von Amtszustellung auszugehen, selbst wenn im Ursprungsmitgliedstaat eine Parteizustellung vorgesehen ist.30
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Das Recht des Empfangsmitgliedstaats bestimmt zunächst darüber, welche Zustellungsweisen eröffnet sind.31 Unter den allgemeinen Voraussetzungen stehen alle nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats eröffneten Zustellungsweisen zur Verfügung. Unter mehreren eröffneten Zustellungsweisen wählt die nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats hierzu berufene Stelle.32 Fällt deren Funktion der Empfangsstelle zu, kann diese wählen. Aufgrund der Berechtigung, ein besonderes Verfahren vorzugeben, kann die Übermittlungsstelle ihrerseits Vorgaben zur Auswahl machen, weil die Wahl einer bestimmten vom Recht des Empfangsmitgliedstaats für den konkreten Fall eröffneten Zustellungs-
24 Brenn, Art. 7 EZV Anm. c); Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 4. 25 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg. 26 Vgl. auch OGH v. 29.9.2016 – 2Ob158/16y zu II. 2.1 der Gründe; OGH v. 26.4.2005 – 4 Ob 60/05k zu 2. der Gründe; Stadler, IPRax 2001, 514, 517. 27 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg. 28 SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 62; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 101 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/ EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 7 EuZVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 2; Stadler/Krüger in Musielak/ Voit, Art. 11 EuZustVO Rz. 1. Vgl. auch OGH v. 29.9.2016 – 2Ob158/16y zu II. 2.1 der Gründe; OGH v. 28.2.2012 – 8Ob17/12a zu 3.2 der Gründe; OGH v. 26.4.2005 – 4Ob 60/05k zu 2. der Gründe. 29 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 2. 30 Zöller/Geimer, Art. 7 EuZustVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 2. 31 Vgl. OGH v. 29.9.2016 – 2Ob158/16y zu II. 2.1 der Gründe; OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu 4.1 der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 7 EuZVO Rz. 12; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4, 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 2; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 11 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 3. 32 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4.
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Art. 11 EU-ZustVO 2020
weise nicht mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats unvereinbar sein kann.33 Im Falle der Entscheidung der Übermittlungsstelle für eine Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats sind Zustellungsweisen, welche der Übermittlungsstelle selbst als Form der Direktzustellung eröffnet sind (Postzustellung nach Art. 18 EU-ZustVO 2020 oder elektronische Zustellung nach Art. 19 EU-ZustVO 2020), nicht (von vornherein) ausgeschlossen.34 Eine solche Beschränkung ergibt sich nicht aus dem Verordnungswortlaut. Ebenso wenig enthält die Entscheidung für eine Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats einen konkludenten Ausschluss solcher Zustellungsweisen.35 Die Gegenansicht verkennt die Reichweite des Verweises auf das Recht des Empfangsmitgliedstaats. Sie beachtet überdies nicht, dass auch praktisch eine inländische Postzustellung bzw. elektronische Zustellung und eine grenzüberschreitende Direktzustellung mit unterschiedlichen Vorteilen und Risiken verbunden sind.36 Letzteres zeigt sich insbesondere bei der Postzustellung. Zu verweisen ist insoweit u.a. auf die unterschiedlichen Möglichkeiten zur Ersatzzustellung (s. Rz. 17), aber auch darauf, dass zukünftig (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) die dem Rechtshilfeverkehr dienende grenzüberschreitende Kommunikation unter obligatorischer Nutzung des dezentralen IT-Systems, d.h. schneller und sicherer als bei grenzüberschreitender Nutzung des Postwegs erfolgt. Darüber hinaus bestimmt sich nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats, an welchem Ort bzw. an 17 welcher Abgabestelle37 die Zustellung erfolgen darf.38 Für bestimmte Abgabeorte bzw. Situationen vorgesehene Beschränkungen zur Zustellung (z.B. Beschränkung auf Tageszeit)39 sind ebenfalls dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zu entnehmen.40 Ebenfalls dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zu entnehmen ist, unter welchen Voraussetzungen eine Ersatzzustellung in Betracht kommt.41 Abweichendes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des EuGH42 in der Rechtssache Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA. Vielmehr bestätigt diese sogar die Maßgeblichkeit des Rechts des Empfangsmitgliedstaats. Denn sie betrifft die Direktzustellung, nicht aber die Zustellung im Wege der einfachen Rechtshilfe,43 und ist gerade davon geleitet, dass die direkte Postzustellung eine verordnungs33 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4. Vgl. zum Zustellungsort auch OGH v. 29.9.2016 – 2Ob158/16y zu 2.4 (b) der Gründe. 34 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 2; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 7 EuZVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 3. Skeptisch Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 7 EuZVO Rz. 13 unter Verweis auf den (allerdings unterstellten) Willen der Übermittlungsstelle. 35 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 2; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 2; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.81; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 11 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 3. – A.A. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 7 EuZVO Rz. 14; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 11 EuZVO Rz. 1. 36 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 2; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.81. 37 Vgl. dazu Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 140. 38 OGH v. 29.9.2016 – 2Ob158/16y zu II. 2.4 der Gründe; OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu 4.1 der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 2. 39 Vgl. dazu Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 140, 228 ff. 40 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5. 41 OGH v. 29.9.2016 – 2Ob158/16y zu II. 2.4 (d) der Gründe; OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu 4.1 der Gründe; OLG Frankfurt v. 29.4.2014 – 16 U 209/12, BeckRS 2014, 119512 Rz. 24; LG Hamburg v. 25.2.2021 – 327 O 433/19, BeckRS 2021, 6471 Rz. 29; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5. – A.A. OGH v. 20.12.2012 – 2Ob217/12v zu I. 2.2 der Gründe; vgl. auch OGH v. 28.2.2012 – 8Ob17/12a zu 3.2 der Gründe. 42 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 86 ff. – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA. 43 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5.
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Art. 11 EU-ZustVO 2020 Zustellung von Schriftstücken autonom eröffnete Zustellweise ist und sich daher auch die Frage der Ersatzzustellung anhand der Verordnung beantwortet (Ersatzzustellung richtet sich nach dem die Zustellungsweise gestaltenden Recht; s. auch Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 25 ff.). Das Recht des Empfangsmitgliedstaats bestimmt außerdem darüber, inwieweit eine Zustellung auf Grundlage einer Fiktion als bewirkt angesehen werden kann;44 freilich fällt wegen Art. 1 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 die Rechtfertigung der Zulassung einer fiktiven Zustellung durch eine unbekannte Anschrift im Empfangsmitgliedstaat aus dem Anwendungsbereich der Verordnung.45 Weiter bestimmt das Recht des Empfangsmitgliedstaats darüber, welche Förmlichkeiten bei der Zustellung jeweils zu beachten sind. Diesem ist, vorbehaltlich einer verordnungsautonomen Regelung wie insbesondere in Art. 12 EU-ZustVO 2020, insgesamt zu entnehmen, welcher Schutz dem Zustellungsadressaten bei der Ausführung einer Zustellung gewährt wird (z.B. mündliche Belehrung). Erfordert das eine Zustellungslast begründende Recht (s. Rz. 19) einen weitergehenden Schutz, ist die Übermittlungsstelle auf die Wahl eines besonderen Zustellungsverfahrens (z.B. persönliche Übergabe durch besondere Person nebst Belehrung)46 verwiesen (s. Rz. 13). 18
Von der Erfüllung welcher Voraussetzungen das Vorliegen einer wirksamen Zustellung und damit auch die Bescheinigung einer solchen (Art. 14 EU-ZustVO 2020)47 abhängig ist, richtet sich ebenfalls nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats.48 Dem für den Regelfall vorgesehenen Verweis auf das Recht des Empfangsmitgliedstaats liegt gerade zugrunde, dass eine nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats wirksame Zustellung im Regelfall eine im Ursprungsmitgliedstaat als Tatbestand von Rechtswirkungen erforderliche Zustellung substituiert (vgl. ausdrücklich § 106 Abs. 2 S. 1 öZPO). Da sich nur unter Berücksichtigung von Heilungsvorschriften feststellen lässt, welcher Tatbestand für eine Zustellung als unabdingbar angesehen wird,49 richtet sich auch die Heilung von Zustellungsmängeln insoweit nur nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 62 ff., Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 115 ff.).50
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Nicht nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats, sondern hierzu vorgelagert nach dem Recht, welches eine Zustellungslast begründet, (oder punktuell nach der Verordnung, vgl. Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020) richtet sich, was (welches Schriftstück mit welchem Inhalt und welchen begleitenden Erklärungen, z.B. Belehrungen) in welcher Ausstattung (Original oder Abschrift) im Rahmen der Zustellung zu übergeben ist (s. auch Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 37).51 Ebenfalls nicht nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaat bestimmt sich im Grundsatz der Empfänger (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 60).52 Wem zuzustellen ist, d.h. ausgehend von welcher Person sich auch beurteilt, ob eine Ersatzzustellung erfolgt ist, bestimmt vielmehr die Übermittlungsstelle unter Berücksichtigung des Rechts, aus dem sich eine Zustellungslast ergibt und welches diese ausgestaltet. Die durch eine Zustellung ausgelösten Rechtswirkungen sind ebenfalls nicht dem Recht des Empfangsmitgliedstaats (als solchem), sondern dem eine Zustellungslast begründenden Recht (das auf ein Verfahren oder ein Rechtsverhältnis anwendbare Recht) zu entnehmen.53 44 Vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 7 EuZVO Rz. 16; Zöller/Geimer, Art. 7 EuZustVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 3; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 11 EuZustVO Rz. 1. Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10 mit dem Hinweis, dass zuvor mit der Übermittlungsstelle Rücksprache genommen werden sollte. 45 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EGZustellVO Rz. 3; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 11 EuZustVO Rz. 1. 46 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 4; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 4; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12. 47 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 2. 48 OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu 4.1 der Gründe; OGH v. 26.4.2005 – 4Ob 60/05k zu 2. der Gründe; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 2. – A.A. OGH v. 28.2.2012 – 8Ob17/12a zu 3.2 der Gründe. 49 Vgl. Kondring, S. 211. 50 A.A. OGH v. 28.2.2012 – 8Ob17/12a zu 3.2 der Gründe; LG Hamburg v. 25.2.2021 – 327 O 433/19, BeckRS 2021, 6471 Rz. 30; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 2. 51 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6. 52 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 5. 53 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 2.
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Art. 11 EU-ZustVO 2020
3. Besonderes Zustellungsverfahren a) Vorgaben Alternativ zur Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats kommt eine Zustellung in ei- 20 nem besonderen Verfahren in Betracht. Dies setzt voraus, dass die Übermittlungsstelle die Ausführung in einem besonderen Verfahren gewählt und der Empfangsstelle das zu beachtende Verfahren im erforderlichen Umfang beschrieben und entsprechende Vorgaben für dieses (z.B. Eigenhändigkeit der Übergabe, vgl. § 21 öZustG54)55 gemacht hat (s. Rz. 14). Die Wahl eines besonderen Verfahrens i.S.v. Abs. 1 Halbs. 2 Var. 2 kann auch dadurch erfolgen, dass die Übermittlungsstelle eine nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats eröffnete Zustellungsweise vorgibt oder einzelne nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats eröffnete Zustellungsweisen ausschließt (z.B. keine Ersatzzustellung an die Gegenpartei, s. Rz. 16).56 In diesen Fällen muss die Übermittlungsstelle keine weiteren Vorgaben machen und das besondere Verfahren auch nicht beschreiben. Es ist der Empfangsstelle jeweils bekannt. Unbeschadet des Umstands, dass der Übermittlungsstelle das Recht, ein besonderes Zustellungsverfahren zu wählen, eingeräumt ist mit Rücksicht auf sich aus dem eine Zustellungslast begründenden Recht ergebende Anforderungen, ist die Wirksamkeit der Wahl eines besonderen Zustellungsverfahrens nicht davon abhängig, dass sie durch Anforderungen des an eine Zustellung anknüpfenden Rechts bedingt und mit diesem Recht vereinbar ist. Dies ist durch die Empfangsstelle nicht zu prüfen (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 18). Vielmehr ist diese mit Rücksicht auf das gegenseitige Vertrauen an die Wahl der Übermittlungsstelle gebunden, solange diese nicht – was wohl nur ein theoretischer Fall ist – missbräuchlich erfolgt ist.
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b) Ausführungspflicht und Grenze aa) Grundsatz Die Ausführung der Zustellung unter Beachtung der Vorgaben der Übermittlungsstelle liegt nicht im 22 Ermessen der Empfangsstelle. Vielmehr muss die Empfangsstelle die Rechtshilfe zur Zustellung in dem gewählten besonderen Verfahren bis zu den insoweit vorgesehenen Grenzen gewähren.57 Dies ist Inhalt der Pflicht zur Rechtshilfegewährung (s. Rz. 11 f.). Stehen der Zustellung in einem besonderen Verfahren unüberwindliche Hindernisse entgegen, d.h. ist die Ausführung der Zustellung in dem gewählten besonderen Verfahren unmöglich oder mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats unvereinbar, ist nach Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 zu verfahren (s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 33, 40).58 bb) Unmöglichkeit der Ausführung Begrenzt wird die Pflicht zur Zustellung in einem besonderen Verfahren durch die Kompetenz der 23 Empfangsstelle und ihre Einwirkungsmöglichkeiten.59 Maßnahmen, welche die Empfangsstelle weder selbst ergreifen noch gegenüber Dritten auf einer ausreichenden Rechtsgrundlage anordnen kann, müssen nicht ergriffen werden. Hieraus ergibt sich z.B., dass die Berücksichtigung der Vorgabe eines bestimmten Bescheinigungsverfahrens für die Postzustellung durch die Übermittlungsstelle daran scheitern kann, dass die Empfangsstelle von den Postdienstleistern des Empfangsmitgliedstaats dessen Beachtung nicht einfordern kann. Abweichendes gilt, wenn ein Postdienstleister auf Grundlage 54 Vgl. auch § 116a Abs. 2 öAußStrG und für die Klageschrift aber auch § 106 Abs. 1 S. 2 öZPO. 55 Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/15. 56 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 4. 57 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 3; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11. 58 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 14; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 7 EuZVO Rz. 2. – Abw. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 6 EG-ZustellVO Rz. 9 (Vorgehen nach Art. 10 Abs. 2 EU-ZustVO 2020). Abw. Brenn, Art. 7 EZV Anm. c): Zustellung nach der Ortsform, wenn nicht ausgeschlossen. 59 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13.
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Art. 11 EU-ZustVO 2020 Zustellung von Schriftstücken eines Einzelauftrags zur Beachtung sich bereit erklärt. Dazu, dies abzuklären, ist die Empfangsstelle verpflichtet. cc) Unvereinbarkeit mit Recht des Empfangsmitgliedstaats 24
Die Ausführungspflicht der Empfangsstelle besteht nach Abs. 1 nicht, soweit das besondere Verfahren, d.h. die Vorgaben der Übermittlungsstelle bzw. ihre Beachtung bei der Zustellung mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats unvereinbar sind. Die Grenze der Unvereinbarkeit ist verordnungsautonom zu bestimmen. Unvereinbar ist ein besonderes Verfahren danach nicht schon dann, wenn es im Recht des Empfangsmitgliedstaats nicht vorgesehen ist. Anderenfalls wäre die Möglichkeit zur Zustellung in einem besonderen Verfahren neben der Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats praktisch entbehrlich. Es ist auch nicht ausreichend, dass das Recht des Empfangsmitgliedstaats inländischen Zustellungen, welche den sich aus dem gewählten besonderen Verfahren ergebenden Anforderungen entsprechen, mit oder ohne Heilungsmöglichkeit die Wirksamkeit versagt. Vielmehr ist erforderlich, dass das Recht des Empfangsmitgliedstaats die Einhaltung der sich aus der Wahl eines besonderen Verfahrens ergebenden Anforderungen gerade auch für grenzüberschreitende Zustellungen im Wege der Rechtshilfe verbietet. Dies ist durch Auslegung des im Empfangsmitgliedstaat geltenden Rechts zu ermitteln. Dabei spricht für die Annahme von Unvereinbarkeit, dass das besondere Verfahren von einer nationalen Vorschrift des Empfangsmitgliedstaats abweicht, welche dem Schutz gewichtiger öffentlicher Interessen oder schlechthin unverzichtbaren Schutzinteressen des Zustellungsadressaten zu dienen bestimmt ist. c) Rechtsfolgen
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Auch bei Wahl der Ausführung einer Zustellung in einem besonderen Verfahren richtet sich das eigentliche Zustellungsverfahren im Ausgangspunkt nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats.60 Die Rechtslage entspricht danach im Ausgangspunkt derjenigen bei Wahl der Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats (s. Rz. 16 ff.). Lediglich soweit die Übermittlungsstelle Vorgaben für ein besonderes Verfahren gemacht hat, sind diese vorrangig zum Zustellungsrecht des Empfangsmitgliedstaats anzuwenden bzw. zu beachten.61 Da diese Anforderungen ihrer Natur nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats unbekannt sind, trifft dieses insoweit auch keine Aussage dazu, inwieweit das Recht des Empfangsmitgliedstaats die Wirksamkeit der Zustellung von ihrem Vorliegen abhängig macht und in welchem Zeitpunkt die Zustellungswirkungen eintreten (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 16). Ebenso wenig enthält das Recht des Empfangsmitgliedstaats für den Fall der Nichtbeachtung von Vorgaben der Übermittlungsstelle Heilungsvorschriften und eine Heilung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats scheidet insoweit aus; eine Heilung richtet sich insoweit vielmehr nach dem Recht, welches eine Zustellungslast begründet und dem Recht, welches durch dieses für Anordnung und Ausführung der Zustellung berufen ist.
IV. Zustellungsbeschleunigung (Abs. 2) 1. Beschleunigungsgebot 26
Die im Rahmen der Gewährung von Rechtshilfe zur Zustellung erforderlichen Schritte sind unter Beachtung des Beschleunigungsgebots vorzunehmen (vgl. Erwägungsgrund 21 EU-ZustVO 2020). Dies bedeutet ein Doppeltes. Erstens hat die Empfangsstelle alle vorzunehmenden Schritte so früh wie möglich, d.h. unverzüglich vorzunehmen.62 Zweitens ist unter mehreren zur Verfügung stehenden 60 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 4. 61 OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu 4.1 der Gründe; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Einl. EuZVO Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 4. 62 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; Lechner, A5-0060/1999, S. 16; Brenn, Art. 7 EZV Anm. d); Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 15.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 11 EU-ZustVO 2020
und gleichwertigen Maßnahmen bzw. Schritten diejenige bzw. derjenige zu wählen, welche/r am frühestens dazu führt, dass die Zustellung erfolgreich bewirkt wird. Das Gebot der Beschleunigung wirkt nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Unter Verweis auf das 27 Gebot der Beschleunigung kann nicht von rechtlichen Vorgaben abgewichen werden. Rechtmäßigkeit und Beschleunigung können nicht gegeneinander ausgespielt werden. Nur soweit das von der Empfangsstelle zu beachtende Recht zur Beschleunigung Vereinfachungen vorsieht, kann von diesen Gebrauch gemacht werden bzw. ist nach Maßgabe des Beschleunigungsgebots von ihnen Gebrauch zu machen. Eine solche Vereinfachungsmöglichkeit enthält Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO 2020, soweit er die Prüfungspflicht der Empfangsstelle auf die offenkundig fehlende Anwendungseröffnung beschränkt. Die Empfangsstelle muss danach nicht umfassend prüfen, ob ein Zustellungsersuchen in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt (s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 35 f.). Soweit eine tiefergehende Prüfung (wie wohl ausnahmslos) mit einem zusätzlichen Zeitverlust verbunden ist, wird sie durch Abs. 2 S. 1 ausgeschlossen. Unberührt hiervon bleibt, dass die Empfangsstelle das Ergebnis einer unzulässigen vertieften Prüfung berücksichtigt, weil sich durch dessen Nichtberücksichtigung die eingetretene Verzögerung nicht beseitigen lässt (s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 36). Zudem wirkt das Beschleunigungsgebot nur im Rahmen der verfügbaren Ressourcen. Es richtet sich an die Empfangsstellen und nicht an die Mitgliedstaaten. Letztere werden mittelbar nur durch die Höchstfrist angesprochen (s. Rz. 32). Dementsprechend sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, die Ressourcen der Empfangsstellen immer weiter auszubauen, bis sich eine weitere Beschleunigung nicht mehr erreichen lässt. Bei der Inanspruchnahme der der Empfangsstelle zur Verfügung stehenden Ressourcen konkurriert ein einzelnes Zustellungsersuchen nicht nur mit weiteren Zustellungsersuchen, sondern auch mit sonstigen Verrichtungen. Abs. 2 S. 1 räumt Zustellungsersuchen gegenüber sonstigen Verrichtungen keinen Vorrang ein. Vielmehr sind alle Verrichtungen bei der Verteilung der verfügbaren Ressourcen abstrakt gleichrangig. Im Regelfall sind sie daher entsprechend dem Prioritätsprinzip zu erledigen. Ein Vorrang einzelner Verrichtungen kann sich aber z.B. daraus ergeben, dass sie dringlicher Natur sind (z.B. Zustellung einer einstweiligen Verfügung; s. auch Rz. 31, 37).
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Die Empfangsstelle trifft eine Rechtspflicht zur Beschleunigung.63 Abweichendes ergibt sich nicht 29 daraus, dass die Verordnung keine unmittelbare Sanktion vorsieht (s. auch Rz. 5). Es entspricht vielmehr sogar dem Regelfall, dass an Hoheitsträger gerichtete Pflichten nicht gesondert sanktionsbewährt sind. Dass das Beschleunigungsgebot gleichwohl eine Rechtspflicht hervorbringt, ist Voraussetzung dafür und zeigt sich darin, dass eine zögerliche Rechtshilfegewährung Amtshaftungsansprüche begründen kann.64 Entsprechende Ansprüche kommen in Betracht zugunsten des Antragstellers, wenn dieser durch eine Verzögerung einen Schaden erlitten hat. Ebenso kommen sie in Betracht zugunsten des Zustellungsadressaten, wenn dieser durch einen verspätete Zustellung geschädigt wurde (z.B. während des Rechtshilfeverfahrens bereits laufende Zinspflicht, vgl. § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO). Der Ursprungsmitgliedstaat bzw. die Übermittlungsstelle sind nicht anspruchsberechtigt. Die Beachtung des Beschleunigungsgebots einschließlich der Höchstfrist des Abs. 2 S. 1 ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Zustellung,65 zumal anderenfalls eine erneute Zustellung notwendig wäre, was zu einer noch größeren Verzögerung (insbesondere eines Rechtsstreits) führen würde. 2. Höchstfrist a) Wahrung Nach Abs. 2 S. 1 muss die Zustellung bis spätestens zum Ablauf eines Monats bewirkt sein. Entscheidend ist, dass der Erfolg der Zustellung innerhalb der Frist herbeigeführt wurde. Nicht entscheidend ist, dass die Zustellung objektiv rechtmäßig und wirksam erfolgt ist. Ausreichend ist, dass aus 63 A.A. Rösler/Siepmann, RIW 2006, 512, 514; a.A. inzident auch Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 6. 64 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 7; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 15; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 6; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 6. 65 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 7.
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Art. 11 EU-ZustVO 2020 Zustellung von Schriftstücken Sicht der Empfangsstelle der Zustellungsvorgang abgeschlossen wurde. Nicht notwendig ist weiter, dass das Zustellungsersuchen innerhalb der Höchstfrist auch abschließend bearbeitet wurde. Deshalb muss nicht innerhalb der Frist auch die Zustellungsbescheinigung an die Übermittlungsstelle gesandt worden sein. Berechnet wird die Frist unter Anwendung der EG-FristenVO (Erwägungsgrund 37 EU-ZustVO 2020).66 Der Beginn der Frist wird bestimmt durch den Zeitpunkt des Empfangs (s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) des ausführungsreifen, d.h. nicht mehr einer Nachbesserung bedürfenden Zustellungsersuchens. b) Adressaten 31
Die auf das einzelne Zustellungsersuchen ausgerichtete Höchstfrist richtet sich zuvorderst an die Empfangsstelle. Sie verleiht Zustellungsersuchen mit zunehmender Nähe zum Fristablauf eine größere Dringlichkeit. Dadurch kann die Empfangsstelle angehalten sein, die Bearbeitung eines Zustellungsersuchens besonders zu beschleunigen dadurch, dass dieses vorrangig erledigt wird (s. Rz. 37). Davon abgesehen ist die Höchstfrist bzw. ihr Ablauf für die Empfangsstelle dadurch bedeutsam, dass hieran besondere Informationspflichten gegenüber der Übermittlungsstelle anknüpfen (s. Rz. 33 ff.) und die Pflicht zur Gewährung von Rechtshilfe begrenzt wird (s. Rz. 37 ff.).
32
Losgelöst vom Einzelfall richtet sich die Höchstfrist mittelbar aber auch an die Mitgliedstaaten. Diese trifft die objektive Verpflichtung, die Empfangsstellen so einzurichten, auszustatten und zu unterhalten, dass die Höchstfrist nicht systematisch überschritten wird. c) Information der Übermittlungsstelle (Abs. 2 S. 2 lit. a)
33
Hat die Empfangsstelle die Zustellung erfolgreich bewirkt, erteilt sie der Übermittlungsstelle nach Art. 14 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 eine Zustellungsbescheinigung (s. Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 ff.).67 Ist die Zustellung innerhalb der Höchstfrist (noch) nicht bewirkt worden (s. Rz. 30), ist die Übermittlungsstelle ohne Rücksicht auf die Ursachen68 der Verzögerung hierüber durch die Empfangsstelle zu informieren. Abweichendes gilt nach Sinn und Zweck, wenn nach Ablauf der Höchstfrist, aber vor Erfüllung der Informationspflicht die Zustellung noch bewirkt werden konnte. Dann verdrängt die Pflicht zur Erteilung einer Zustellungsbescheinigung noch unerfüllte Pflichten zur Information über eine Fristüberschreitung. Im Zusammenhang mit der Information der Übermittlungsstelle über das Nichteinhalten der Höchstfrist unterscheidet Abs. 2 S. 2 lit. a zwischen der Offenbarungspflicht der Empfangsstelle und der Pflicht zur Beantwortung einer Sachstandsanfrage der Übermittlungsstelle.
34
Mit fruchtlosem Ablauf der Höchstfrist ist die Empfangsstelle unabhängig von einem Informationsbegehren der Übermittlungsstelle (von Amts wegen) verpflichtet, die Übermittlungsstelle unverzüglich darüber zu informieren, dass die Zustellung noch nicht bewirkt werden konnte.69 Eine entsprechende Verpflichtung zur Offenbarung besteht nicht, wenn die Empfangsstelle zur Beantwortung eines Informationsbegehrens der Übermittlungsstelle verpflichtet ist bzw. nach Ablauf der Höchstfrist dieser Pflicht bereits entsprochen hat. Zur Erfüllung einer bestehenden Offenbarungspflicht hat die Empfangsstelle das Formblatt K zu verwenden.70 Anders als im Falle einer Rücksendung nach Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 ist das zuzustellende Schriftstück im Falle der Verzögerungsanzeige nicht an die Übermittlungsstelle zurückzusenden – die Pflicht zur Rechtshilfegewährung besteht schließlich fort.71 Nach Maßgabe von Art. 5 EU-ZustVO 2020 ist die Unterrichtung (nach Ablauf der Übergangsfrist, s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) unter obligatorischer Nutzung des dezentralen IT-Systems zu übermitteln. 66 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 17; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 6; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 11 EuZustVO Rz. 3. 67 Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 7 EuZVO Rz. 2. 68 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 7. 69 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 18. 70 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 18; vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 7. 71 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 11 EU-ZustVO 2020
Mit fruchtlosem Ablauf der Höchstfrist ist die Empfangsstelle, liegt ihr eine formgerechtes Informationsverlangen der Übermittlungsstelle vor, verpflichtet, dieses zu beantworten. Unbeschadet der im Wortlaut von Abs. 2 S. 2 lit. a angelegten Alternativität zur Offenbarung (s. Rz. 33 f.), entfällt die Pflicht zur Beantwortung eines Informationsverlangens nach Sinn und Zweck nicht durch eine erfolgte Offenbarung; ein Informationsverlangen kann daher auch noch nach erfolgter Offenbarung gestellt werden. Die Empfangsstelle muss ein Informationsverlangen der Übermittlungsstelle empfangen haben. Dieses soll72 gestellt werden unter Verwendung des verordnungsgemäß ausgefüllten Formblatts I. Es ist von der Übermittlungsstelle (nach Ablauf der Übergangsfrist, s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) nach Maßgabe von Art. 5 EU-ZustVO 2020 unter obligatorischer Nutzung des dezentralen IT-Systems zu übermitteln, allerdings auch bei einem Verstoß gegen Art. 5 EU-ZustVO 2020 wirksam. Zur Beantwortung eines Informationsverlangens soll73 die Empfangsstelle Formblatt J verwenden. Nach Maßgabe von Art. 5 EU-ZustVO 2020 ist die Beantwortung (nach Ablauf der Übergangsfrist, s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) unter obligatorischer Nutzung des dezentralen IT-Systems zu übermitteln.
35
Die Vorschrift macht keine Vorgaben dazu, in welcher Sprache die Verzögerungsmitteilung, ein In- 36 formationsverlangen bzw. die Antwort auf ein solches auszustellen ist. Dies beruht im Ausgangspunkt nicht auf einem Versehen des Verordnungsgebers, sondern entspricht dem Umstand, dass die Verordnung generell keine Vorgaben zur Sprachfassung des zu verwenden Formblatts macht (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 19) und die in Formblatt K, Formblatt I bzw. Formblatt J in den vorgenannten Fällen notwendig vorzunehmenden Eintragungen im Regelfall keiner Übersetzung bedürfen.74 Soweit in einem der genannten Formblätter ausnahmsweise einer Übersetzung oder Transliteration bedürfende Eintragungen zu machen sind (oder die Formblätter I und J zur Erklärung nicht genutzt werden), ist Art. 14 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 entsprechend anzuwenden. d) Begrenzung der Pflicht zur Rechtshilfegewährung (Abs. 2 S. 2 lit. b) Eine Überschreitung der Höchstfrist (s. Rz. 30) lässt die die Empfangsstelle treffende Pflicht zur 37 Rechtshilfegewährung im Ausgangspunkt unberührt (Erwägungsgrund 22 S. 1 EU-ZustVO 2020). Auch nach Ablauf der Höchstfrist bleibt die Empfangsstelle verpflichtet, alle Schritte zu einer schnellstmöglichen Herbeiführung des Zustellungserfolgs zu unternehmen.75 Die Überschreitung der Höchstfrist wirkt auf diese Verpflichtung dahin ein, dass der Erledigung des nicht innerhalb der Höchstfrist erledigten Zustellungsauftrags eine besondere Dringlichkeit zukommt (s. Rz. 31). Die Pflicht zur Rechtshilfegewährung soll allerdings nicht endlos bestehen.76 Nach Abs. 2 S. 2 lit. b wird sie daher nach Ablauf der Höchstfrist begrenzt kumulativ durch gegebenenfalls gemachte Vorgaben der Übermittlungsstelle und durch den auf Grundlage prognostischer Beurteilung der Empfangsstelle anzuwendenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Höchstfrist ist unter dem zuletzt genannten Gesichtspunkt zugleich insoweit eine Mindestfrist, als vor ihrem Ablauf nicht davon abgesehen werden kann, weitere mögliche Schritte zur Bewirkung der Zustellung zu unternehmen. Die Pflicht zur Rechtshilfegewährung entfällt nach fruchtlosem Ablauf der Höchstfrist, soweit die 38 Übermittlungsstelle entsprechende Vorgaben anfänglich (im Zustellungsersuchen) oder nachträglich (vor oder nach Ablauf der Höchstfrist) gemacht hat.77 Die Befreiung tritt nach dem Ablauf der Höchstfrist nur nach Maßgabe der Angabe der Übermittlungsstelle ein, d.h. zum Ablauf der Höchstfrist hinzukommen muss, dass nach der Erklärung der Übermittlungsstelle gegebenenfalls erforderliche weitere Umstände eingetreten sind. Die Vorgabe der Übermittlungsstelle kann danach auch dahin 72 73 74 75
Vgl. Fn. 1 zu Formblatt I, welche Art. 11 Abs. 2 S. 2 lit. a EU-ZustVO 2020 konkretisiert. Vgl. Fn. 1 zu Formblatt J, welche Art. 11 Abs. 2 S. 2 lit. a EU-ZustVO 2020 konkretisiert. A.A. wohl Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 7 EG-ZustVO 2007 Rz. 6. Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 6; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 8; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 11 EuZustVO Rz. 2. 76 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21 f.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EGZustellVO Rz. 8. 77 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 22; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 9; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 11 EuZustVO Rz. 2.
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Art. 11 EU-ZustVO 2020 Zustellung von Schriftstücken gehen, dass über die Höchstfrist hinaus für eine weitere fest bestimmte Frist eine Zustellung zu versuchen ist. 39
Außerdem entfällt die Pflicht zur weiteren Rechtshilfegewährung, wenn die Zustellung nicht innerhalb der Höchstfrist bewirkt werden konnte und eine erfolgreiche Zustellung auch zukünftig innerhalb einer angemessenen Frist nicht möglich erscheint (Erwägungsgrund 22 S. 2 EU-ZustVO 2020).78 Die angemessene Frist bestimmt sich nach einem verordnungsautonomen Maßstab.79 Dies bedeutet entgegen teilweiser Annahme80 allerdings nicht, dass sie mit Blick auf Art. 22 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 regelmäßig höchsten sechs Monate beträgt. Denn erstens reicht der Anwendungsbereich der Vorschrift über den von Art. 22 EU-ZustVO 2020 (verfahrenseinleitende Schriftstücke) hinaus. Und zweitens regelt Art. 22 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 nur einen Notbehelf, wie in Art. 22 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 deutlich wird, welcher nicht als allgemeiner Maßstab taugt. Vielmehr ist angemessen diejenige Frist, welche unter Berücksichtigung der Bedeutung der Zustellung, welche durch die an sie anknüpfenden Rechtsfolgen bestimmt wird, und der Gründe für die Zustellungsverzögerung sowie der Verantwortlichkeit der Empfangsstelle und des Empfangsmitgliedstaats für diese (z.B. mangelhafte Organisation oder Auswirkungen einer Pandemie) noch verhältnismäßig ist. Trifft die Empfangsstelle ein (andauerndes) Verschulden an der Verzögerung, kann auch eine Frist von deutlich mehr als sechs Monaten angemessen sein. Regelmäßig dürfte die angemessene Frist nicht kürzer als die in Art. 22 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 sein. Ob eine erfolgreiche Zustellung innerhalb der angemessenen Frist bewirkt werden kann, ist auf der Grundlage der der Empfangsstelle bekannten Umstände (z.B. Urlaub oder Erkrankung des Zustellungsempfängers) prognostisch festzustellen. Der Empfangsstelle kommt dabei ein Beurteilungsspielraum zu.81
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Greift eine der beiden Begrenzungen der Rechtshilfepflicht, muss die Empfangsstelle keine weiteren Schritte unternehmen, um den Zustellungserfolg herbeizuführen. Ist die Empfangsstelle davon frei geworden, weitere Maßnahmen zu ergreifen, ist die Zustellung gescheitert. Hierüber ist die Übermittlungsstelle unter Verwendung des Formblatts K zu informieren. Eine entsprechende Bescheinigungspflicht ist dem verfügenden Teil der Verordnung zwar nicht zu entnehmen, weil Art. 14 EU-ZustVO 2020 auf den Fall der erfolgreichen Zustellungshilfe zugeschnitten ist (s. Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 8). Sie ist aber aus Ziff. 4 des Formblatts K rückschließbar und lässt sich auf eine entsprechende Anwendung von Art. 14 EU-ZustVO 2020 stützen.82 Aus dem Scheitern der Zustellung folgt allerdings nicht automatisch, dass die Zustellung im Empfangsmitgliedstaat an der benannten Anschrift nicht möglich ist mit der Folge, dass die Kenntnis dieser Anschrift den Anwendungsbereich der Verordnung nicht weiter zu eröffnen vermag (vgl. Erwägungsgrund 7 S. 1 EU-ZustVO 2020). Dafür spricht, dass die Übermittlungsstelle auch eine weit unterhalb des in Art. 22 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 benannten Zeitraums liegende Frist vorgeben kann. Hinzu kommt, dass das Versagen des von der Verordnung vorgesehenen Zustellungsmechanismus die Rechte des Zustellungsadressaten nicht verkürzen darf. Dies ist auch nicht notwendig für einen gerechten Ausgleich der Interessen des Antragstellers mit denen des Zustellungsadressaten. Abgesehen davon, dass im Anwendungsbereich der Verordnung (insbesondere bekannte Zustelladresse) kaum jemals auch eine Ersatzzustellung oder fiktive Zustellung (z.B. öffentliche Zustellung) nicht innerhalb angemessener Frist möglich sein wird, enthält Art. 22 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 in Bezug auf verfahrenseinleitende oder gleichwertige Schriftstücke eine Notlösung.
78 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 7 EuZVO Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 1, 8. Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 6: besonderes Verfahren. 79 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 8. 80 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 8. 81 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-ZustellVO Rz. 8. 82 Für direkte Anwendung Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 10 EuZVO Rz. 1; Brenn, Art. 10 EZV Anm. c). Für Anwendung von Abs. 2 dagegen BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 3 EuZVO 2022 Rz. 10.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
Artikel 12 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks (1) Der Empfänger darf die Annahme des zuzustellenden Schriftstücks verweigern, wenn das Schriftstück nicht in einer der folgenden Sprachen abgefasst oder keine Übersetzung in eine der folgenden Sprachen beigefügt ist: a) einer Sprache, die der Empfänger versteht, oder b) der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder, wenn es im Empfangsmitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll. (2) Die Empfangsstelle informiert den Empfänger über sein Recht nach Absatz 1, wenn das Schriftstück nicht in einer der in Absatz 1 Buchstabe b genannten Sprachen abgefasst oder keine Übersetzung in eine dieser Sprachen beigefügt ist, indem sie dem zuzustellenden Schriftstück das Formblatt L in Anhang I in den folgenden Sprachen beifügt: a) in der Amtssprache oder in einer der Amtssprachen des Ursprungsmitgliedstaats und b) in einer Sprache nach Absatz 1 Buchstabe b. Gibt es Anzeichen dafür, dass der Empfänger eine Amtssprache eines anderen Mitgliedstaats versteht, so ist auch das in dieser Sprache abgefasste Formblatt L in Anhang I beizufügen. Übersetzt ein Mitgliedstaat Formblatt L in Anhang I in eine Sprache eines Drittstaats, so stellt er die Übersetzung der Kommission zur Verfügung, damit sie über das Europäische Justizportal zugänglich gemacht wird. (3) 1Der Empfänger kann die Annahme eines Schriftstücks entweder bei der Zustellung oder durch eine schriftliche Erklärung der Annahmeverweigerung innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt der Zustellung verweigern. 2Zu diesem Zweck kann der Empfänger entweder das Formblatt L in Anhang I oder eine schriftliche Erklärung an die Empfangsstelle mit der Angabe zurücksenden, dass er die Annahme des Schriftstücks aufgrund der Sprache, in der es zugestellt wurde, verweigert. (4) Wird der Empfangsstelle mitgeteilt, dass der Empfänger die Annahme des Schriftstücks nach den Absätzen 1, 2 und 3 verweigert, so setzt sie die Übermittlungsstelle unter Verwendung der Bescheinigung über die Zustellung bzw. Nichtzustellung, unter Verwendung von Formblatt K in Anhang I, unverzüglich davon in Kenntnis und sendet den Antrag und – falls verfügbar – jedes Schriftstück, um dessen Übersetzung ersucht wird, zurück. (5) 1Die Zustellung eines Schriftstücks, dessen Annahme verweigert wurde, kann dadurch geheilt werden, dass dem Empfänger nach Maßgabe dieser Verordnung das Schriftstück zusammen mit einer Übersetzung in einer der in Absatz 1 vorgesehenen Sprachen zugestellt wird. 2In diesem Fall ist der Tag der Zustellung des Schriftstücks der Tag, an dem die Zustellung des Schriftstücks zusammen mit der Übersetzung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats bewirkt wird. 3Muss jedoch nach dem Recht eines Mitgliedstaats ein Schriftstück innerhalb einer bestimmten Frist zugestellt werden, so ist im Verhältnis zum Antragsteller als Tag der Zustellung der nach Artikel 13 Absatz 2 ermittelte Tag maßgebend, an dem das ursprüngliche Schriftstück zugestellt worden ist. (6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch für die anderen Arten der Übermittlung und Zustellung gerichtlicher Schriftstücke nach Abschnitt 2. (7) Für die Zwecke der Absätze 1 und 2 gilt Folgendes: Erfolgt die Zustellung nach Artikel 17 durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete und nach Artikel 18, 19 oder 20 durch eine Behörde oder Person, so setzen diese Vertreter oder Bediensteten beziehungsweise die Behörde oder Person den Empfänger davon in Kenntnis, dass er die Annahme des Schriftstücks verweigern darf und dass diesen Vertretern oder Bediensteten beziehungsweise dieser Behörde oder Person eine entweder unter Verwendung des Formblatts L in Anhang I oder freihändig erstellte schriftliche Verweigerungserklärung zu übermitteln ist.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begrenzung der Kognitionsobliegenheit c) Modus für Sprachregelung . . . . . . . aa) Ausgangspunkt und Überblick . . bb) Provokation statt Vorverfahren . . cc) Selbstbestimmung und Selbstverantwortung statt Paternalismus . . dd) Annahmeverweigerungsrecht anstatt unbedingte Übersetzungsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . ee) Vorzüge des Modus . . . . . . . . . ff) Risikoverteilung . . . . . . . . . . . d) Aufbau der Vorschrift und Regelungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . b) EG-ZustVO 2000 . . . . . . . . . . . . . c) EG-ZustVO 2007 . . . . . . . . . . . . . d) EU-ZustVO 2020 . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . 4. Dispositivität . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
1 1 1 2 4 4 7
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10
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12 13 14
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16 20 20 21 22 23 27 29
II. Annahmeverweigerungsrecht und -grund (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Annahmeverweigerungsrecht . . . . . . . . a) Keine unbedingte Übersetzungsobliegenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hinderung Zustellungswirkungen . . . . c) Schwebephase . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unberechtigte Annahmeverweigerung . . 2. Annahmeverweigerungsgrund . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuzustellendes Schriftstück . . . . . . . . c) Individuelle Sprachkompetenz . . . . . . aa) Mögliche Sprachen . . . . . . . . . . bb) Person des Kompetenzträgers . . . . cc) Nutzbarmachung im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Sprachniveau . . . . . . . . . . . . . ee) Beurteilungszeitpunkt . . . . . . . . ff) Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . d) Amtssprache des Zustellungsorts . . . . . e) Keine Übersetzung . . . . . . . . . . . . .
31 31 31 32 33 34 35 35 37 39 39 40 44 45 48 49 53 55
aa) Begleitende Übersetzung . . . . . . . bb) Mangelhafte und sinnentstellende Übersetzungen . . . . . . . . . . . . . III. Belehrungspflicht (Abs. 2) . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verpflichteter und Berechtigter . . . . . . b) Formblattpflicht und Zugangsbewirkung c) Sprachfassungen . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mitteilungspflicht gegenüber Kommission (Unterabs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Annahmeverweigerung (Abs. 3, 4) . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausübung (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . a) Adressat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt und Form . . . . . . . . . . . . . . c) Ausschlussfrist . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtshilfeverhältnis (Abs. 4) . . . . . . . b) Antragsteller und Zustellungsadressat . . c) Feststellung . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Heilung – Fristwahrung (Abs. 5) . . . . . . 1. Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nicht: Annahmeverweigerung . . . . . . b) Nicht: Unwissenheit . . . . . . . . . . . . c) Erneute Zustellung . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahme: doppeltes Datum . . . . . . . aa) Anwendungsbereich . . . . . . . . . bb) Rechtsfolgenanordnung . . . . . . . cc) Ausschlussfrist . . . . . . . . . . . . . c) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Besonderheiten bei Zustellungen nach Kapitel II, Abschnitt 2 (Abs. 7) . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . 2. Belehrungsverpflichteter . . . . . . . . . 3. Adressat der Annahmeverweigerung unter Abwesenden . . . . . . . . . . . . .
55 60 62 62 65 65 67 69 74 77 78 78 79 81 81 83 86 90 90 92 93 94 94 94 95 96 100 100 101 101 102 105 106
. . . . . .
107 107 108
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Schrifttum: Ahrens, Neues zur Annahmeverweigerung im europäischen Zustellungsrecht, NJW 2008, 2817; Exner, Wann es für grenzüberschreitend tätige Unternehmen keine Übersetzung braucht – ein Beitrag zu Art 8 Nr 1 lit a EuZVO, öRZ 2020, 62; Fabig/Windau, Übersetzungen bei Auslandszustellung innerhalb der EU?, NJW 2017, 2502; Fabig/Windau, Anm. zu EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, NJW 2022, 2464; Gsell, Direkte Postzustellung an Adressaten im EU-Ausland nach dem Zustellungsrecht, EWS 2002, 115; Heiderhoff, Anm. zu BGH v. 3.8.2011 – XII ZB 187/10, FamRZ 2011, 1571; Jastrow, Europäische Zustellung und Beweisaufnahme 2004 – Neuregelungen im deutschen Recht und konsularische Beweisaufnahme, IPRax 2004, 11; Mankowski, Übersetzungserfordernisse und Zurückweisungsrecht des Empfängers im europäischen Zustellungsrecht, IPRax 2009, 180; Mankowski, Zur Regelung von Sprachfragen im europäischen Internationalen Zivilverfahrensrecht, in FS Athanassios G. Kaissis, 2012, S. 607; Pickenpack/Zimmermann, Übersetzungserfordernis bei Zustellungen gerichtlicher Schriftstücke an juristische Personen, IPRax 2018, 364; Rösler/Siepmann, Zum Sprachenproblem im Europäischen Zustellungsrecht, NJW 2006, 475; Ruster, Die rückwirkende Heilung schwebend unwirksamer EU-Auslandszustellungen, NJW 2019, 3186; Schütze, Übersetzungen im europäischen und internationalen Zivilprozessrecht – Probleme der Zustellung, RIW 2006, 352; Strasser, Neues zum Europäischen Zustellungsrecht, Rpfleger 2013, 585; Sujecki, Das Annahmeverwei-
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
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gerungsrecht im Europäischen Zustellungsrecht, EuZW 2007, 363; Sujecki, EWS-Kommentar zu EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, EWS 2008, 377; Sujecki, Die reformierte Zustellungsverordnung, NJW 2008, 1628; Vogl, EuZVO – Nachreichen einer Übersetzung heilt Zustellungsmangel, JurBüro 2006, 60. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck a) Überblick Der Vorschrift kommt innerhalb der Verordnung herausgehobene praktische Bedeutung zu, wie das an ihr bzw. den Vorgängervorschriften gezeigte wissenschaftliche Interesse1 ebenso wie die Vielzahl der zu den Vorgängervorschriften ergangenen Entscheidungen des EuGH und der nationalen Gerichte belegen.2 Sie schafft (gemeinsam mit Art. 9 EU-ZustVO 2020)3 für den Bereich der grenzüberschreitenden Zustellungen eine Regelung für das im Binnenmarkt aufgrund der gegebenen Sprachenvielfalt bestehende Sprachproblem.4 Sie legt dazu zunächst fest, in welchem Umfang der Empfänger eines Schriftstücks dieses verstehen können muss (s. Rz. 2 ff.).5 Weiter bestimmt sie den Modus, in dem dies festgestellt wird (s. Rz. 4 ff.).6 Dadurch verteilt die Vorschrift für das Stadium der Zustellung jeweils zugleich die Verantwortlichkeiten für die Überwindung bestehender Sprachhürden.7
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b) Begrenzung der Kognitionsobliegenheit Der Zweck einer Zustellung, den Adressaten nachweisbar (förmlich) zu informieren, wird vollstän- 2 dig zwar nur erreicht, wenn der Adressat den Inhalt eines zugestellten Schriftstücks tatsächlich zur Kenntnis nimmt und versteht.8 Im Interesse eines funktionierenden Rechtsverkehrs und um Zustellungsvereitelungen entgegen zu treten, wird allerdings auf eine tatsächliche Kenntnisnahme verzichtet und genügt für eine wirksame Zustellung die Verschaffung einer hinreichenden Möglichkeit zur Kenntnisnahme.9 Den Empfänger eines Schriftstücks trifft die Obliegenheit, eine für ihn hinreichend begründete Möglichkeit zur Kenntnisnahme zu nutzen. Abs. 1 stellt diesbezüglich zunächst die Selbstverständlichkeit klar, dass den Empfänger eines zugestellten Schriftstücks die Obliegenheit trifft, dessen Inhalt zur Kenntnis zu nehmen und zu erfassen, wenn es in einer dem Empfänger verständlichen Sprache verfasst oder von einer Übersetzung in eine solche Sprache begleitet ist. Tatsächlich sind die Kenntnisnahmemöglichkeiten des Empfängers aber nicht auf seine individuelle Verständ1 Vgl. Stadler, ZZPInt. 11 (2006), 227, 231. 2 Mankowski in FS Kaissis, S. 607, 608: „Königsnorm“; Mankowski, EuZW 2015, 836, 836 f. Vgl. auch GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2021 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 43 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 3, 34 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 8 EuZVO Rz. 1; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.115. 3 Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 2. 4 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1. – Sprachbarrieren als größtes Hemmnis für europäische Rechtshilfe bezeichnend Mankowski in FS Kaissis, S. 607, 608. 5 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 2. 6 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 2. 7 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 58 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. Für Begründung einer Verantwortung auch der Zentralstelle des Empfangsmitgliedstaats Nassauer, A4-0101/97, A. Änderungsantrag 6. 8 Vgl. EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 34 – Catlin Europe SE/O.K. Trans Praha spol. s r.o.; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 52 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 50, 78 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 32 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh u.a.; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 34 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; OLG München v. 14.10.2019 – 14 W 1170/19, BeckRS 2019, 29850 Rz. 29; Exner, öRZ 2020, 62, 63; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Mankowski, IPRax 2009, 180; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1069 ZPO Rz. 19. 9 Vgl. Heckel, IPRax 2008, 218, 219.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks niskompetenz begrenzt. Sie reichen vielmehr weiter, weil sich der Empfänger Kenntnis vom Inhalt eines Schriftstücks letztlich ohne Rücksicht auf die Sprache, in der dieses verfasst oder in die dieses übersetzt ist, dadurch verschaffen könnte, dass er sich eine seiner Verständniskompetenz entsprechende Übersetzung beschafft. Die den Empfänger insoweit treffenden Obliegenheiten werden durch Abs. 1 begrenzt. Aus ähnlichen Gründen, aus denen nicht an die tatsächliche Kenntnisnahme angeknüpft wird, sondern die Möglichkeit zur Kenntnisnahme als ausreichend angesehen wird, erfolgt die Begrenzung der Kognitionsobliegenheit des Empfängers durch Abs. 1 nicht in Orientierung allein an seiner individuellen (und nur schwer feststellbaren) Verständnismöglichkeit, sondern darüber hinaus in Orientierung auch an einer typisierten Verständnismöglichkeit.10 Diese ist ausgerichtet am Leitbild der Zustellung eines inländischen und damit in der inländischen bzw. am Zustellungsort geltenden Gerichts- bzw. Amtssprache verfassten gerichtlichen Schriftstücks.11 Hintergrund dafür ist, dass der Zustellungsadressat, unabhängig von seiner Nationalität und seinem individuellen Sprachvermögen, mit einem in dieser Sprache verfassten Schreiben rechnen muss.12 Das Risiko individueller Sprachdefizite gegenüber der typisierten Verständnismöglichkeit liegt beim Empfänger.13 3
Die Begrenzung der Kognitionsobliegenheit erfolgt zum Schutz des Zustellungsadressaten.14 Sie sichert für die im Fokus der Verordnung stehenden gerichtlichen Schriftstücke dessen Anspruch auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör.15 Zwar gebietet der Anspruch auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör die Beschränkung der Kognitionsobliegenheit nicht unmittelbar, weil ihm auch durch die Möglichkeit, sich unter Nutzbarmachung fremder Verständnismöglichkeiten Kenntnis vom Inhalt eines Schreibens zu verschaffen, genügt werden kann.16 Dies setzte aber voraus, dass durch Verfahrensgestaltung abgesichert ist, dass die entsprechende Möglichkeit effektiv besteht. Hierzu müsste nicht nur der mit der Beschaffung einer Übersetzung verbundene Zeitaufwand bei der Be10 Vgl. EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 34 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 54 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 76 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 11 Vgl. Gsell, EWS 2002, 115, 120. 12 Vgl. EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 34 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; OGH v. 28.2.2012 – 8Ob17/12a zu 3.2 der Gründe; Karaaslan, S. 20; Rohe in FS Vollkommer, S. 291, 298 f.; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1069 ZPO Rz. 19; Springer, S. 134 f.; Stadler, IPRax 2001, 514, 520; Vogl, JurBüro 2006, 60, 61. Vgl. allg. auch öBMJ, Regierungsvorlage Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, das Außerstreitgesetz, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz, die Rechtsanwaltsordnung, das Bundesgesetz zur Durchführung des Europäischen Übereinkommens vom 27. Jänner 1977 über die Übermittlung von Anträgen auf Verfahrenshilfe, das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Firmenbuchgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Rechtsanwaltstarifgesetz, das Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, das Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter geändert werden (21.9.2004): „Bei Aufenthalt im Ausland gibt es kein schutzwürdiges Vertrauen auf die Einhaltung österreichischer Zustellvorschriften. Der Empfänger ist durch die Einhaltung der Vorschriften des Aufenthaltsstaates nicht beschwert, müsste er sie doch auch für Zustellungen von Schriftstücken dieses Staates hinnehmen.“ 13 Vgl. auch KOM(1999) 219 endg. 14 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; COM(2013) 858 final, S. 4; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 46 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 61 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; Exner, öRZ 2020, 62, 65; Fabig/Windau, NJW 2017, 2502; Karaaslan, S. 20; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3 f. 15 EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 36 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 33 – Catlin Europe SE/O.K. Trans Praha spol. s r.o.; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 51 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 73 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 34 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 1. Vgl. allg. auch Kern in FS Geimer, S. 311. 16 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 52, 56 ff. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 25; Exner, öRZ 2020, 62, 63. – A.A. wohl OGH v. 10.4.2014 – 6Ob59/14s; Brenn, Art. 8 EZV Anm. c); Fasching/Konecny/ Bajons (2010), Art. 8 EuZVO Rz. 1; Karaaslan, S. 20; Richter, IPRax 2022, 433, 438.
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stimmung der für den Zustellungsadressaten laufenden Fristen berücksichtigt werden.17 Vielmehr müsste auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der gleiche Zugang zum Recht dadurch berüht wird, dass die Beschaffung einer Übersetzung mit Kosten verbunden ist, welche von demjenigen, der die Übersetzung beschaffen muss, vorgestreckt werden müssen, was für wirtschaftlich starke professionelle Prozessteilnehmer regelmäßig leichter als für wirtschaftlich schwache Gelegenheitsparteien und für auf Kostenhilfe angewiesene Parteien praktisch gar nicht möglich ist. Durch die Begrenzung der Kognitionsobliegenheit werden komplexe Regelung namentlich betreffend den gleichen Zugang zum Recht erspart – es genügen grundsätzlich die allgemeinen Regeln zur Kostenhilfe. In dem Umfang, in welchem Abs. 1 dem Zustellungsadressaten die Kognitionsobliegenheit zuweist, ist dies Ausdruck seiner Selbstverantwortung und zugleich durch das gegenläufige Interesse des Antragstellers an effektivem Rechtsschutz gerechtfertigt. Im Übrigen ist die Last, eine Übersetzung zu beschaffen, den damit verbundenen Zeitverlust zu tragen und die entstehenden Kosten vorzustrecken, dem Antragsteller auferlegt. Dem liegt dieselbe Gerechtigkeitswertung wie dem Prinzip actor sequitur forum rei zugrunde. Es ist der Angreifer, der über Ob, Zeitpunkt und mit Blick auf Wahlgerichtsstände auch den Ort des Angriffs und damit gegebenenfalls auch über das Bestehen von Sprachhürden entscheidet.18 Zugleich steht ihm regelmäßig geraume Zeit zur Vorbereitung seines Angriffs einschließlich der Erlangung der Kostenhilfe zur Verfügung. c) Modus für Sprachregelung aa) Ausgangspunkt und Überblick Da die individuellen Verständnismöglichkeiten des Empfängers für Gerichte und sonstige in eine Zu- 4 stellung eingeschaltete Stellen im Voraus kaum sicher zu beurteilen sind und ein dies klärendes Vorverfahren prozessunökonomisch erscheint,19 wird im internationalen Rechtsverkehr traditionell allein auf die typisierte Verständnismöglichkeit abgestellt. Zum Schutz des Zustellungsadressaten und im Interesse der in die Rechtshilfe eingeschalteten Stellen des Zustellungsstaats daran, den Schutz des Zustellungsadressaten (z.B. auch im Rahmen eines ordre public-Vorbehalts, vgl. Art. 13 HZÜ) effizient sicherstellen zu können, ist traditionell eine (aus Sicht des Adressaten) unbedingte Übersetzungsobliegenheit vorgesehen mit dem Inhalt, dass durch den Antragsteller bzw. die um Rechtshilfe ersuchende Stelle zu gewährleisten ist, dass ein zuzustellendes Schriftstück den Anforderungen der typisierten Kognitionsobliegenheit entspricht. Es entspricht verbreiteter Übung und dem Standard zahlreicher Rechtshilfeübereinkommen (z.B. Art. 3 Abs. 2 HZPÜ, Art. 5 Abs. 3 HZÜ, s. auch Rz. 20), dass der um Rechtshilfe ersuchte Staat die Gewährung von Zustellungsunterstützung abhängig machen kann davon, dass das zuzustellende Schriftstück in einer am Zustellungsort geltenden Amtssprache verfasst oder durch eine entsprechende Übersetzung begleitet wird. Ein an den typisierten Verständnismöglichkeiten ausgerichtetes unbedingtes Übersetzungserfordernis trägt allerdings weder dem Umstand Rechnung, dass ein ordre public-Vorbehalt im Rahmen der Verordnung nicht besteht, noch dem Umstand, dass ein Zustellungsadressat keines besonderen Schutzes bedarf, wenn er das zuzustellende Schriftstück aufgrund seiner individuellen Verständnismöglichkeiten zur Kenntnis nehmen kann. In dem Umfang, in welchem ein unbedingtes Übersetzungserfordernis beachtet werden muss, ohne dass dies durch einen ordre public-Vorbehalt oder den Schutz des Zustellungsadressaten geboten ist, entsteht unnötiger Zeitverlust und entstehen unnötige Kosten.20 Auf die Vermeidung dessen zielt der durch die Vorschrift für die Sprachregelung vorgesehene Modus.21 Nach diesem ist eine unbedingte Übersetzungsobliegenheit nicht vorgesehen (s. Rz. 31). Vielmehr besteht lediglich eine bedingte Übersetzungsobliegenheit, welche nur in Abhängigkeit von ei17 Vgl. dazu Rauscher, IPRax 1991, 155. 18 Vgl. auch Stadler, IPRax 2001, 514, 517 f. 19 Vgl. Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 9. Vgl. auch EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 38 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh u.a. 20 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 33 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Würdinger, IPRax 2013, 61. 21 Vgl. GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 33 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. – Nicht erkannt von Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 1: unbedingte Übersetzungsobliegenheit sei konsequent.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks ne Vorabklärung des Schutzbedürfnisses des Zustellungsadressaten ermöglichenden Dispositionen von Antragsteller und Zustellungsadressat sowie den individuellen Verständnismöglichkeiten des Zustellungsadressaten zu beachten ist. Dieser Modus trägt nicht nur ausreichend den Interessen von Antragsteller und Zustellungsadressat Rechnung, sondern lässt (in Verbindung mit dem Wegfall eines ordre public-Vorbehalts) zugleich die Notwendigkeit entfallen, eine unbedingte Übersetzungsobliegenheit im Interesse der im Zustellungsstaat eingeschalteten Stellen vorzusehen: eine ordre publicPrüfung muss nicht mehr erfolgen und für den Schutz des Zustellungsadressaten ist dieser und sind nicht mehr die im Zustellungsstaat eingeschalteten Stellen verantwortlich (vgl. auch den Wandel von Art. 5 Abs. 3 HZÜ [Zentrale Behörde] zu Art. 8 Abs. 1 EG-ZustVO 2000 [Empfänger]). 6
Der verordnungsautonome Verzicht auf eine an den typisierten Verständnismöglichkeiten ausgerichtete unbedingte Übersetzungsobliegenheit ist eine wesentliche Weiterentwicklung gegenüber HZPÜ und HZÜ.22 Er liegt gleichermaßen im Interesse des Antragstellers wie des Zustellungsadressaten und anders als die Begrenzung der Kognitionsobliegenheit (s. Rz. 3) nicht allein im Interesse des Zustellungsadressaten.23 Eine die Interessen von Antragsteller und Zustellungsadressat austarierende Ausgestaltung des Modus (vgl. z.B. Abs. 2 und Abs. 5) stellt sicher, dass die Vorschrift sich auch in der praktischen Anwendung nicht einseitig zum Nachteil einer Seite auswirkt. bb) Provokation statt Vorverfahren
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Die individuellen Verständnismöglichkeiten des Zustellungsadressaten vor jeder Zustellung im Rahmen eines Vorverfahrens zu klären, ist unter Berücksichtigung des damit verbundenen Zeitverlusts und der entstehenden Kosten im Vergleich selbst mit einer unbedingten und auf die typisierten Verständnismöglichkeiten ausgerichteten Übersetzungsobliegenheit unökonomisch (s. auch Rz. 4). Davon abgesehen scheitert die Durchführung eines entsprechenden Vorverfahrens daran, dass es entweder ex parte geführt und sein Ergebnis nur entsprechend eingeschränkt aussagekräftig ist oder der Zustellungsadressat in dieses einbezogen werden müsste, was praktisch bedeutete, ihm hierzu ein (für ihn verständliches) Schriftstück zustellen zu müssen.
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Den mit einer Vorabprüfung verbundenen Zeitverlust und Kostenaufwand vermeidet das von Abs. 1 vorgesehene Annahmeverweigerungsrecht dadurch, dass es eine Vorabprüfung durch ein Provokationsverfahren ersetzt. Eine Übersetzungsobliegenheit besteht nur, wenn der Zustellungsadressat eine Übersetzung einfordert. Da niemand zuverlässiger als der Zustellungsadressat seine Verständnismöglichkeiten beurteilen kann, wird in Verbindung mit der Belehrungspflicht nach Abs. 2 (s. Rz. 17) sichergestellt, dass eine Übersetzungsobliegenheit allenfalls dort entsteht, wo sie erforderlich ist. Indem die von der Vorschrift vorgesehenen Wirkungen einer Annahmeverweigerung aber nur in Abhängigkeit davon eintreten, dass der Zustellungsadressat seine Verständnismöglichkeiten zutreffend beurteilt, wird die Möglichkeit zu dem Missbrauch, eine Übersetzung unter Verschleierung der eigenen Verständnismöglichkeiten einzufordern, um dem Antragsteller den Zugang zum Recht zu erschweren, begrenzt.
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Zugleich vermeidet das vorgesehene Annahmeverweigerungsrecht die Ineffizienz, die verbunden ist mit einem Vorverfahren und dem Erfordernis, dem Zustellungsadressaten zu seiner Beteiligung in diesem ein Schriftstück zustellen zu müssen. Denn der von der Vorschrift vorgesehene Modus zieht die für eine Provokation erforderliche und mit dieser verbundene Einbeziehung des Zustellungsadressaten mit dem Versuch der Zustellung des zuzustellenden Schriftstücks zusammen. Der Zustellungsadressat soll in das an die Stelle einer Vorabprüfung tretende Provokationsverfahren dadurch einbezogen werden, dass ihm – unter Beifügung einer Belehrung – das zuzustellende Schriftstück zugestellt wird. Bleibt eine Annahmeverweigerung aus, bedarf es keiner zweiten Zustellung. Dies gilt zwar nicht, wenn die Annahme (berechtigt) verweigert wird. Für diese Fälle verbleibt aber der Vorteil, dass ein dokumentierter, nachweisbarer Anknüpfungspunkt dafür gesetzt wird, (zumindest partiell) die an eine Zustellung anknüpfenden Wirkungen in dem Fall, dass der mit der Annahmeverweige22 Vgl. SWD(2018) 287 final, S. 40 f.; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 5 EuZVO Rz. 1 f.; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 1. 23 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 2, 36 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG.
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rung ausgelösten Übersetzungsobliegenheit genügt wird, auf diesen Anknüpfungspunkt rückzubeziehen (s. Rz. 100 ff.). cc) Selbstbestimmung und Selbstverantwortung statt Paternalismus Der durch die Vorschrift vorgesehene Modus zur Vorabklärung der individuellen Verständnismög- 10 lichkeiten des Zustellungsadressaten entlässt die im Zustellungsstaat an der Rechtshilfegewährung beteiligten Stellen aus ihrer Verantwortung für den Schutz des Zustellungsadressaten.24 Dieser kann auf einen ihm aufgedrängten Schutz verzichten, um den gegebenenfalls im Verhältnis zum Antragsteller endgültig von ihm zu tragenden Kostenaufwand gering zu halten.25 Die Empfangsstellen sollen (und dürfen) ihm einen aus seiner Sicht nicht erforderlichen oder erwünschten Schutz nicht aufdrängen.26 Sie sind vielmehr ausweislich Abs. 2 nur berechtigt und verpflichtet, den Zustellungsadressaten über sein Annahmeverweigerungsrecht zu belehren und ihm dadurch eine informierte Entscheidung zu ermöglichen. Im Weiteren trägt dann der Zustellungsadressat die Verantwortung dafür, seine Schutzinteressen zur Geltung zu bringen. Tut er dies nicht, obwohl für ihn die effektive Möglichkeit dazu bestand, hat er im Interesse eines zuverlässigen Rechtsverkehrs die Konsequenzen zu tragen und die in seinen eingeschränkten individuellen Verständnismöglichkeiten wurzelnde Erschwerung der Rechtsverteidigung rechtfertigt im Grundsatz z.B. nicht, Anerkennung und Vollstreckung einer gegen den Zustellungsadressaten ergangenen Entscheidung zu versagen.27 Eine spiegelbildliche Dispositionsmöglichkeit besteht für den Antragsteller. Dieser kann auf die mit 11 der Reduzierung einer unbedingten auf eine bedingte Übersetzungsobliegenheit verbundenen Erleichterungen verzichten und vorsorglich dafür sorgen, dass das zuzustellende Schriftstück ohne Rücksicht auf die individuellen Verständnismöglichkeiten des Zustellungsadressaten von einer der typisierten Verständnismöglichkeit genügenden Übersetzung begleitet wird. Ihm wird dadurch ermöglicht, die mit einer Annahmeverweigerung möglicherweise verbundenen Verzögerungen sowie weitere im Falle einer Annahmeverweigerung sich ergebende Nachteile auszuschließen unter Inkaufnahme einer von ihm zumindest vorläufig zu tragenden Verteuerung der Zustellung.28 Diese Dispositionsbefugnis des Antragstellers wird durch die Belehrungspflicht nach Art. 9 EU-ZustVO 2020 abgesichert, aus welcher sich rückschließen lässt, dass die Übermittlungsstelle nicht befugt ist, im Interesse des Antragstellers vorsorglich eine Übersetzung zu beschaffen (s. Art. 9 EU-ZustVO 2020 Rz. 20). dd) Annahmeverweigerungsrecht anstatt unbedingte Übersetzungsobliegenheit Ihrem Wortlaut nach begründet die Vorschrift ein Annahmeverweigerungsrecht, dessen effektive Aus- 12 übung durch eine Belehrungspflicht unterstützt (s. Rz. 17) wird. Gemeinhin wird sie daher verstanden als Ausgleich dafür, dass die Verordnung zur im Interesse des Antragstellers liegenden Vereinfachung von grenzüberschreitenden Zustellungen hinsichtlich des zuzustellenden Schriftstücks keine unbedingte Übersetzungsobliegenheit vorsieht (eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus dem allein das Rechtshilfeersuchen betreffenden Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2 EU-ZustVO 2020, s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff.).29 Ein solches Verständnis greift allerdings zu kurz. Denn die Vorschrift schafft nicht lediglich einen Ausgleich für das Fehlen einer unbedingten Übersetzungsobliegenheit,
24 Vgl. BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 2. 25 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 1, 42; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 8 EuZVO Rz. 6. 26 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 8 EuZVO Rz. 6; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 3. 27 Vgl. Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2503. 28 Vgl. KG v. 7.6.2013 – 5 W 117/13, BeckRS 2013, 11351. Standardmäßig sollte so aber nicht verfahren werden, vgl. SWD(2018) 287 final, S. 13 f. Zu verordnungswidrigen Praktiken der Mitgliedstaaten vgl. SWD(2018) 287 final, S. 68. 29 GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 36 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; LG Düsseldorf v. 12.1.2010 – 4b O 286/08, BeckRS 2011, 3329 zu I. der Gründe; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 1.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks sondern gerade sie reduziert ihrerseits (und nicht etwa der hierauf aufbauende Art. 9 EU-ZustVO 2020)30 erst eine unbedingte auf eine aufschiebend durch eine Annahmeverweigerung bedingte Übersetzungsobliegenheit und sperrt aufgrund des Anwendungsvorrangs der Verordnung, dass durch nationales Recht eine unbedingte Übersetzungsobliegenheit begründet werden kann (s. Rz. 31). ee) Vorzüge des Modus 13
Der Verzicht auf eine unbedingte Übersetzungsobliegenheit und ihre Ersetzung durch eine unter der aufschiebenden Bedingung der Ausübung eines Annahmeverweigerungsrechts stehende Übersetzungsobliegenheit vereinfacht und beschleunigt grenzüberschreitende Zustellungen. Diese können zunächst ohne Rücksicht darauf durchgeführt werden, in welcher Sprache ein zuzustellendes Schriftstück verfasst ist und ob es durch eine Übersetzung begleitet wird (s. Rz. 31). Der Antragsteller wird hierdurch vorläufig von der Last befreit, die Kosten für die Beschaffung einer Übersetzung vorzufinanzieren.31 Außerdem wird ihm abgenommen die Last, eine Übersetzung innerhalb einer für ihn laufenden Frist mit der Folge beschaffen zu müssen, dass ihm effektiv eine kürzere Frist zur Verfügung steht. Der erste Vorteil verbleibt dem Antragsteller zumindest für einen bestimmten Zeitraum endgültig. Das zweite Vorteil kann dem Antragsteller dauerhaft und endgültig nach Maßgabe der in Abs. 5 vorgesehenen Heilungsmöglichkeit verbleiben.32 Daneben begründet der vorgesehene Modus die Möglichkeit, eine grenzüberschreitende Zustellung unter Vermeidung unnötigen Aufwands (Zeit und Kosten)33 zu bewirken, was letztlich im Interesse sowohl des Antragstellers als auch des Zustellungsadressaten liegt (s. auch Rz. 6). Ob sich diese Möglichkeit im Ergebnis realisiert, ist von den Dispositionen des Antragstellers und des Antragsgegners abhängig. Sie realisiert sich nicht, wenn sich der Antragsteller dazu entscheidet, vorsorglich eine Übersetzung beizubringen. Sie realisiert sich nicht, wenn der Zustellungsadressat das Annahmeverweigerungsrecht berechtigt ausübt. Wird das Annahmeverweigerungsrecht unberechtigt ausgeübt, realisiert sich die durch den vorgesehenen Modus begründete Möglichkeit zumindest praktisch nicht (vollständig), weil der Antragsteller mit Rücksicht auf Abs. 5 eine Übersetzung regelmäßig vorsorglich ohne Rücksicht auf die Rechtmäßigkeit der Annahmeverweigerung beschaffen wird. ff) Risikoverteilung
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Die mit der Rücknahme einer unbedingten auf eine bedingte Übersetzungsobliegenheit verbundenen Erleichterungen nutzt der Antragsteller auf eigenes Risiko.34 Zwar kann eine Zustellung zunächst ohne Rücksicht auf die Sprachfassung des zuzustellenden Schriftstücks bzw. die Begleitung durch eine Übersetzung bewirkt werden (s. Rz. 31). Allerdings ist dem Zustellungsadressaten zur Wahrung seiner Interessen, insbesondere seines Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör, ein Annahmeverweigerungsrecht eingeräumt,35 dessen wirksame Ausübung die Erfüllung des Tatbestands einer wirksamen Zustellung (zunächst) ausschließt (s. Rz. 32). Der Antragsteller kann somit im Vertrauen auf eine ausreichende Verständnismöglichkeit des Zustellungsadressaten oder in Erwartung eines Verzicht des Zustellungsadressaten auf eine Übersetzung auf die Beifügung einer solchen verzichten,36 um die mit dem Beifügen einer Übersetzung verbundene Verzögerung ebenso wie die damit verbundenen Kosten einzusparen. Dass Übermittlungsstellen in der Praxis standardmäßig zu einer
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A.A. OLG Saarbrücken v. 9.2.2010 – 4 U 449/09, NJOZ 2010, 1152 zu VII. der Gründe. Vgl. Vogl, JurBüro 2006, 60, 60 f. Vgl. Vogl, JurBüro 2006, 60. Zu Zeit und Kosten vgl. Mankowski in FS Kaissis, S. 607. Vgl. KG v. 7.6.2013 – 5 W 117/13, BeckRS 2013, 11351. EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 36 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 33 – Catlin Europe SE/O.K. Trans Praha spol. s r.o.; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 51 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 73 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; OLG Bamberg v. 28.12.2006 – 3 W 110/06, BeckRS 2006, 141720 Rz. 12. 36 Vgl. KG v. 7.6.2013 – 5 W 117/13, BeckRS 2013, 11351.
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vorsorglichen Übersetzung raten, widerspricht dem Zweck der Vorschrift.37 Wird das Annahmeverweigerungsrecht entgegen den Erwartungen des Antragstellers allerdings wirksam ausgeübt, wird der Zustellungserfolg nicht erreicht. Eine nachgehende Zustellung unter Beifügung einer Übersetzung löst die zunächst eingesparten Kosten gleichwohl aus und führt möglicherweise zu einem noch größeren Zeitverlust. Abgemildert wird die letzte Konsequenz in Abs. 5 dadurch, dass für den Antragsteller die Möglichkeit vorgesehen ist, zumindest die Vorteile, die Übersetzung nicht innerhalb einer für ihn laufenden und durch die Zustellung zu wahrenden Frist beschaffen zu müssen, dauerhaft zu behalten. Die beschriebenen Risiken ausschließen kann der Antragsteller, indem er auf die mit der Reduktion auf ein Recht zur Annahmeverweigerung verbundenen Vorteile verzichtet und vorsorglich eine Übersetzung vor der Zustellung beschafft. Eine vergleichbare Verbindung von Chancen und Risiken, wie sie auf der Seite des Antragstellers be- 15 steht, besteht auch auf der Seite des Zustellungsadressaten. Grundlage der auch in seinem Interesse bestehenden Möglichkeit, den mit einer Übersetzung verbundenen Kostenaufwand zu vermeiden oder zu verringern, ist die ihn treffende Last, ein Übersetzungsinteresse form- und fristgerecht zu artikulieren. Er trägt das Risiko, das Annahmeverweigerungsrecht nicht wirksam auszuüben. Daneben trägt er – vergleichbar dem Antragsteller – auch das Risiko, seine individuellen Verständnismöglichkeiten, gemessen an der Beurteilung der entscheidenden Instanz, unzutreffend zu beurteilen und in der Folge im Vertrauen auf eine berechtigte Annahmeverweigerung von seinem Recht auf rechtliches Gehör nicht Gebrauch gemacht zu haben (s. auch Rz. 34), weil das Vorliegen eines Annahmeverweigerungsgrunds nicht im Voraus und auch nicht bei Erklärung der Annahmeverweigerung im Empfangsmitgliedstaat, sondern erst in dem Verfahren (im Ursprungsmitgliedstaat), in welchem die Wirksamkeit der Zustellung entscheidungserheblich wird, festgestellt wird (s. Rz. 49 ff.). Dadurch, dass er die Annahmeverweigerung bis zum Ablauf von zwei Wochen nach der Zustellung erklären kann, kann er sein Vorgehen sorgfältig prüfen, sich eine Abschrift des zugestellten Schriftstücks fertigen, um dieses gegebenenfalls auch noch nach Annahmeverweigerung selbst übersetzen zu lassen. Dies mindert die Risiken für den Zustellungsadressaten. Ihm dieses Risiko im verbleibenden Umfang aufzuerlegen, ist sachgerecht, weil er seine Sprachfähigkeit am besten, insbesondere besser als der Antragsteller, beurteilen kann. d) Aufbau der Vorschrift und Regelungskonzept Die Vorschrift räumt dem Zustellungsadressaten in Abs. 1 ein Annahmeverweigerungsrecht ein und 16 fasst zugleich den Annahmeverweigerungsgrund, d.h. den das Annahmeverweigerungsrecht tragenden materiellen Grund. Dieser liegt darin, dass das zustellende Schriftstück für den Zustellungsadressaten weder nach seinen individuellen Verständnismöglichkeiten verständlich ist (vgl. lit. a) noch nach den typischerweise erwartbaren Verständnismöglichkeiten verständlich sein muss (vgl. lit. b). In Abs. 1 lit. b bringt der Verordnungsgeber mithin zum Ausdruck, welche Verständnismöglichkeiten im Interesse eines funktionierenden Rechtsverkehrs von jedem Teilnehmer des Rechtsverkehrs erwartet werden. Die im Zusammenhang hiermit bedeutsamen Anforderungen, denen eine beigebrachte Übersetzung genügen muss, regelt Abs. 1 nicht. Ihnen widmet sich, allerdings nur in formaler Hinsicht, Erwägungsgrund 25 S. 1 EU-ZustVO 2020, dem – weil eine abweichende Anordnung im verfügenden Teil der Verordnung nicht erfolgt – entgegen teilweiser Annahme38 im Vergleich zu einer Anordnung im verfügenden Teil der Verordnung unbeschadet der Formulierung „sollte“ volle Verbindlichkeit zukommt (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 65). Zur Stärkung und Absicherung des für den von der Verordnung vorgesehenen Modus zentralen39 Annahmeverweigerungsrechts sieht Abs. 2 vor, dass der Zustellungsadressat über das ihm zustehende 37 SWD(2018) 287 final, S. 13 f.; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 23 f., 45, 51. Inzident tendenziell großzügiger OLG München v. 29.9.2016 – 34 Sch 11/13, BeckRS 2016, 17436 Rz. 6. Das Beifügen einer Übersetzung aus Vorsicht empfehlend auch Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 5 EuZVO Rz. 2. 38 Gottwald, MDR 2022, 1185 Rz. 16; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 23; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 4. In anderem Kontext auch Knöfel, RIW 2021, 473, 483. 39 Vgl. Supremo Tribunal de Justiça v. 20.9.2016 – 439/14.4TBVFX.L1.S1.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks Recht zu belehren ist.40 Der Zustellungsadressat soll in die Lage versetzt werden, informiert über die Ausübung seines Rechts zu entscheiden. Es soll vermieden werden, dass er infolge Unkenntnis das Annahmeverweigerungsrecht nicht ausübt und dieses mit Zeitablauf verliert.41 Die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts behandelt Abs. 3 hinsichtlich Adressat, Form und zeitlicher Begrenzung. Diese Vorgaben dienen der Verfahrensökonomie, der Rechtssicherheit und -klarheit; sie sollen die leichte und rechtssichere Feststellung der Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts gewährleisten. Außerdem begrenzen sie im Interesse des Antragstellers den Zeitraum der in Ansehung der Wirksamkeit der Zustellung bestehenden Schwebelage (s. Rz. 33). Abs. 4 schreibt anknüpfend an eine erfolgte Annahmeverweigerung vor, dass die Empfangsstelle die Übermittlungsstelle entsprechend zu informieren hat. Dies ist nicht zuletzt aus dem Grund erforderlich, dass nicht die Empfangsstelle, sondern die die Übermittlungsstelle beauftragende Stelle im Ursprungsmitgliedstaat über die Wirksamkeit der Annahmeverweigerung zu entscheiden und eine Heilung anzustoßen hat. 18
Zur Begrenzung der für den Antragsteller mit der Möglichkeit zur Annahmeverweigerung verbundenen Risiken enthält Abs. 5 einen Heilungstatbestand. Nach diesem kann nachträglich mit Wirkung ex nunc durch eine erneute Zustellung unter Beifügung einer Übersetzung der Tatbestand einer wirksamen Zustellung herbeigeführt werden. Dies versteht sich im Grunde zwar ganz ohne Heilungsgedanke von selbst.42 Gleichwohl erscheint Abs. 5 dadurch als Heilungstatbestand, dass aus der Regelung mit Anwendungsvorrang gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten zugleich folgt, dass anknüpfend an eine Annahmeverweigerung nicht von der rechtlichen Bedeutungslosigkeit der ersten Zustellung und auch nicht ohne Weiteres, sondern gegebenenfalls erst nach Scheitern einer Heilung von einem Scheitern der Zustellung insgesamt ausgegangen werden darf. Insbesondere spricht aber für die Deutung als Heilungstatbestands, dass anknüpfend an eine nach Abs. 5 erfolgte erneute Zustellung für die Wahrung von den Antragsteller treffenden und durch die Zustellung zu wahrenden Fristen fingiert werden kann, dass die Zustellung bereits im Zeitpunkt der abgelehnten (ersten) Zustellung bewirkt wurde (Herbeiführung der Zustellungswirkungen ex tunc).43 Die Regelung gibt gleichsam als Kehrseite zur Zusammenfassung der ein Vorverfahren ersetzenden Provokation mit der Zustellung (s. Rz. 9) verordnungsautonom vor, dass erste und entsprechend der Provokation erfolgte erneute Zustellung für die Bestimmung des Zustellungszeitpunkts als ein einheitlicher Zustellungsvorgang zu betrachten sind und auf diesen zur Bestimmung des Zustellungszeitpunkts das nach Art. 13 EU-ZustVO 2020 berufene Recht anzuwenden ist. Ohne die sich dadurch über Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 eröffnenden Heilungsmöglichkeiten würden Antragsteller kaum das Risiko einer Zustellung ohne Beifügung einer Übersetzung eingehen und das Ziel des vorgesehenen Modus, unnötigen Aufwand zu vermeiden, ließe sich praktisch nicht erreichen.
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Durch Abs. 6 wird der Anwendungsbereich des Annahmeverweigerungsrechts auf die Zustellungswege nach Kapitel II, Abschnitt 2 ausgeweitet. Ergänzend dazu klärt Abs. 7, wer im Falle einer grenzüberschreitenden Übermittlung, an welcher eine Empfangsstelle nicht beteiligt ist, der Belehrungspflicht aus Abs. 2 zu genügen hat und Adressat der Annahmeverweigerung unter Abwesenden ist. 2. Entstehungsgeschichte a) Ausgangspunkt
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Die Vorschrift geht zurück auf Art. 8 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)44 und Art. 8 EG-ZustVO 2000. Die beiden Vorgängervorschriften finden kein Vorbild in HZÜ oder HZPÜ. Nach Art. 3 Abs. 2 40 Vgl. EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 39 ff. – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 35 – Catlin Europe SE/ O.K. Trans Praha spol. s r.o., IPRax 2019, 414; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 53 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA, RIW 2017, 216; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C: 2016:316 Rz. 62 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI: EU:C:2015:603 Rz. 50 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh u.a., RIW 2015, 748; GA Wathelet, Schlussanträge v. 29.5.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:341 Rz. 75 – Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s r.o. 41 Mankowski, EuZW 2015, 836, 837. 42 Rauscher, JZ 2006, 251. 43 Mit Blick auf Art. 13 EU-ZustVO 2020 zu Unrecht krit. Sánchez Miguel, ABl. EU 2006 C 88/8. 44 Vgl. Sujecki, EuZW 2021, 286, 290.
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HZPÜ, Art. 5 Abs. 3 HZÜ (i.V.m. nationalen Ausführungsvorschriften) mussten Schriftstücke zum Zwecke ihrer Zustellung im Grundsatz entweder in der für den Zustellungsort maßgeblichen Amtssprache verfasst oder von einer Übersetzung in diese Sprache begleitet sein, um im Wege der Rechtshilfe (gegebenenfalls zwangsweise) zugestellt zu werden.45 Darin, hiermit zu brechen, auf eine (aus Sicht des Zustellungsadressaten) unbedingte Übersetzungsobliegenheit zu verzichten und stattdessen (für den Zustellungsadressaten) ein Annahmeverweigerungsrecht (bedingte Übersetzungsobliegenheit) vorzusehen, lag eine wesentliche Weiterentwicklung des für die EG-ZustVO 2000 vorbildgebenden46 EuZÜ.47 b) EG-ZustVO 2000 In Art. 8 EG-ZustVO 2000 war das Annahmeverweigerungsrecht wenig detailliert geregelt.48 Der 21 Annahmeverweigerungsgrund war inhaltlich noch abweichend gefasst. Als Alternative zur Amtssprache des Zustellungsorts war zugelassen nicht jede Sprache, die der Adressat versteht, sondern auf Vorschlag der österreichischen Delegation49 nur eine Amtssprache des Übermittlungsstaates. Wie das Annahmeverweigerungsrecht ausgeübt wird, war ungeregelt. Insbesondere traf die Regelung keine klare Aussage dazu, inwieweit eine Rücksendung noch nach zunächst erfolgter Annahme erfolgen konnte.50 Die ganz h.A. bejahte diese Möglichkeit, weil der Antragsteller erst nach Erhalt eines Schriftstücks erkennen kann, ob er dieses versteht.51 Die Verordnung machte allerdings keine Vorgaben dazu, innerhalb welcher Frist eine Rücksendung erfolgen kann,52 weshalb insoweit, mit der Folge einer Rechtszersplitterung, nationales Recht galt. Dem Grunde nach bereits vorgesehen waren die Belehrungspflicht53 sowie die Rücksendung zur Information der Übermittlungsstelle im Falle der Annahmeverweigerung. Noch nicht ausdrücklich vorgesehen war eine verordnungsautonome Heilungsmöglichkeit;54 der EuGH entwickelte eine solche aber aus Sinn und Zweck sowie Systematik der Verordnung.55 Umstritten war die Anwendbarkeit des Annahmeverweigerungsrechts auf andere
45 Vgl. dazu BGH v. 2.12.1992 – XII ZB 64/91, NJW 1993, 598, 599; Geimer, S. 67, 89 f., 92; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 5 EuZVO Rz. 1, Art. 8 EuZVO Rz. 1; Kondring, S. 135; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-ZustellVO Rz. 4; Schack, IZVR, Rz. 734; Schütze, RIW 2006, 352; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 1. Zum HZÜ relativierend EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 52 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. 46 Stadler, IPRax 2001, 514, 517. 47 Vgl. SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 36; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 5 EuZVO Rz. 2; Knöfel, RIW 2021, 473, 481. 48 Bajons in FS Schütze, S. 49, 54, 71 f.; Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 187: „wenig festen Grund“; Stadler, IPRax 2001, 514, 518: unpräzise. Vgl. auch ABl. EG 1997 C 261/31; KOM(1999) 219 endg.; KOM(2005) 305 endg./2, S. 4; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 37, 39, 62 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 2 f. – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Brenn, Art. 8 EZV Anm. f); Sujecki, ZEuP 2007, 358, 359, 361: Rechtsfolgen der Annahmeverweigerung ungeregelt. 49 Brenn, Art. 8 EZV Anm. g), dort auch zu den maßgeblichen Erwägungen. 50 Vgl. KOM(2004) 603 endg., S. 5. 51 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 5; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EG) 1393/2007 Rz. 64; Stadler, IPRax 2001, 514, 518. 52 Vgl. auch ABl. EG 1997 C 261/33: „wäre zu wünschen, daß er dies innerhalb einer angemessenen Frist mitteilt“; KOM(1999) 219 endg.: „sollte er dies innerhalb einer angemessenen Frist mitteilen“. 53 Vgl. auch ABl. EG 1997 C 261/33; KOM(1999) 219 endg. 54 Vgl. EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 37, 39, 62 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 2 f., 60 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 55 EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 38 ff., 62 ff. – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 49 f. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 60 ff. – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. Folgend BGH v. 21.12.2006 – VII ZR 164/05, NJW 2007, 775 Rz. 16; Corte di Cassazione v. 16.7.2014 – n. 16272; Rösler/Siepmann, NJW 2006, 475, 476 f.; Springer, S. 122 ff.; Sujecki, ZEuP 2007, 358, 362.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks Übermittlungs- und Zustellungswege als die einfache Rechtshilfe;56 wohl überwiegend wurde sie bejaht.57 c) EG-ZustVO 2007 22
Im Rahmen der Reform wurde Art. 8 EG-ZustVO 2000 umfangreich überarbeitet. Unverändert blieb dabei der zentrale Regelungsgedanke.58 Der Annahmeverweigerungsgrund erhielt seine heute geltende Gestalt. Dazu wurde die Reichweite der Kognitionsobliegenheit des Zustellungsadressaten neu gefasst. Neben der Amtssprache am Zustellungsort umfasste sie die individuellen Verständnismöglichkeiten des Zustellungsadressaten ohne Rücksicht darauf, ob diese sich auf eine Amtssprache des Ursprungsmitgliedstaats beziehen.59 Dies ermöglichte einen breiteren Einsatz von im Wirtschaftsleben ohne Rücksicht auf die beteiligten Staaten dominierenden Sprachen wie insbesondere Englisch, aber auch Französisch, Spanisch und Deutsch.60 Keine Klärung erfolgte hinsichtlich der konkreten Anforderungen an die individuellen Verständnismöglichkeiten,61 insbesondere bei Organisationen (z.B. Gesellschaften),62 und ihre Feststellung im Streitfall.63 Der EuGH verwies hierzu darauf, dass die die Wirksamkeit einer Zustellung prüfende Stelle (Gericht) dies unter Berücksichtigung aller Umstände zu klären habe.64 Ebenso wenig wurden die Anforderungen an eine ausreichende Übersetzung geklärt.65 Der EuGH entwickelte betreffend die Reichweite der Übersetzungspflicht für verfahrenseinleitende Schriftstücke einen am Zweck der Verfahrenseinleitung orientierten Maßstab.66 Das Recht zur nachträglichen Rücksendung wurde klargestellt67 und die Frist zu seiner Ausübung verordnungsautonom vereinheitlicht,68 ohne allerdings das für die Fristwahrung maßgebliche Ereignis klar 56 Vgl. KOM(2004) 603 endg., S. 7; EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 53 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; OLG Düsseldorf v. 15.7.2005 – 3 UF 285/04, BeckRS 2005, 8768 zu II. 2. b. aa) der Gründe. 57 OLG Düsseldorf v. 15.7.2005 – 3 UF 285/04, BeckRS 2005, 8768 zu II. 2. b) aa) der Gründe; OLG Hamburg v. 7.11.2008 – 6 W 22/08, BeckRS 2009, 4375; Audiencia Provincial Barcelona v. 14.12.2009 – 688/2008; Jastrow, IPRax 2004, 11, 12; Rösler/Siepmann, RIW 2006, 512, 516. – A.A. GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 76 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; OLG Celle v. 5.1.2004 – 11 W 91/03, NJW 2004, 2315; Tribunale Rovereto v. 18.6.2006 – 1025/07; Audiencia Provincial Las Palmas de Gran Canaria v. 30.3.2009 – 42/2009; Springer, S. 78; Stadler, IPRax 2001, 514, 519. 58 Vgl. Audiencia Provincial Guadalajara v. 6.3.2009 – 31/2009. 59 Vgl. KOM(2005) 305 endg./2, S. 4; OLG München v. 9.5.2012 – 7 U 2640/10, BeckRS 2012, 10102 Rz. 18; Ahrens, NJW 2008, 2817, 2819; Rösler/Siepmann, RIW 2006, 512, 513; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 10; Sujecki, NJW 2008, 1628, 1629; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 7. 60 Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/23; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 8 EuZVO Rz. 1; Rösler/ Siepmann, RIW 2006, 512, 513; Stadler, ZZPInt. 11 (2006), 227, 232; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 10. Vgl. bereits Gottwald in FS Schütze, S. 225, 233. 61 MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 42 f.; OLG Düsseldorf v. 15.7.2005 – 3 UF 285/04, BeckRS 2005, 8768 zu II. 2. b. bb) der Gründe; Mankowski in FS Kaissis, S. 607, 609; Mankowski, EuZW 2015, 836, 838; Ahrens, NJW 2008, 2817; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 8; Vogl, JurBüro 2006, 60, 61. Dazu auch LG Frankfurt/M. v. 3.4.2014 – 2-3 O 95/13, BeckRS 2014, 16716 (amtl. Dokumente verstehen kann). 62 Mankowski, EuZW 2015, 836, 838; Sujecki, EuZW 2007, 363, 364. 63 SWD(2018) 287 final, S. 13, 23; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 37; Ahrens, NJW 2008, 2817. 64 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 57, 77 ff. – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 42 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh u.a. 65 Mankowski, EuZW 2015, 836, 837. 66 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 40 ff. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. 67 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 5; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EG) 1393/2007 Rz. 64. 68 KOM(2005) 305 endg./2, S. 4; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 37; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 2, 11; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 4, 12.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
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zu bestimmen.69 Andere Fragen der Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts blieben weiter ungeregelt.70 Die Belehrungspflicht wurde zwar konkretisiert und durch Vorgaben eines Formblatts harmonisiert.71 Sie blieb in Teilen aber ohne detaillierte Ausgestaltung. Umstritten war, ob eine Belehrung über das Annahmeverweigerungsrecht z.B. auch dann erforderlich ist, wenn das zuzustellende Schriftstück in einer vom Empfänger verstandenen Sprache oder der Amtssprache des Zustellungsorts verfasst bzw. von einer entsprechenden Übersetzung begleitet war. Der EuGH bejahte dies und betonte, dass eine Ausnahme von der Belehrungspflicht nicht vorgesehen sei.72 Ungeregelt waren weiter die bei der Belehrung zu beachtenden Sprachanforderungen.73 Ebenso ohne Regelung blieben die Folgen einer Verletzung der Belehrungspflicht. Der EuGH sprach sich insoweit für eine Anlehnung an die Folgen der Annahmeverweigerung aus. Die Rechtsfolgen der berechtigten Annahmeverweigerung wurden konkretisiert durch Aufnahme einer Heilungsmöglichkeit in Art. 8 Abs. 3 EG-ZustVO 2007.74 Ungeregelt blieben die Folgen einer unberechtigten Verweigerung.75 Ausdrücklich geregelt wurde dagegen die Anwendbarkeit des Annahmeverweigerungsrechts auf die Übermittlungs- und Zustellungswege nach Kapitel II, Abschnitt 2.76 d) EU-ZustVO 2020 Die Vorschrift hält am Regelungsansatz der Vorgängervorschriften fest.77 Gegenüber Art. 8 EG-ZustVO 2007 wurde sie überarbeitet in Bezug auf die Art und Weise der Annahmeverweigerung sowie hinsichtlich der Belehrungspflicht. Im Interesse sprachlicher Klarheit erfolgte die Regelung des Annahmeverweigerungsgrunds (Abs. 1) getrennt von der Regelung der Belehrungspflicht (Abs. 2)78 und den Regelungen zur Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts (Abs. 3).79 Die Belehrungspflicht wurde detaillierter geregelt. Klargestellt wurde unter Korrektur der anders lautenden Rechtsprechung des EuGH (s. Rz. 22), dass eine Belehrungspflicht nicht besteht, wenn das Schriftstück in einer für
69 SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 55. 70 SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 55. 71 KOM(2005) 305 endg./2, S. 4, 8; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 63 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; GA Wathelet, Schlussanträge v. 22.1.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C: 2015:33 Rz. 28 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Senh Dau Si u.a.; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 47 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EG) 1393/2007 Rz. 53; Rösler/Siepmann, RIW 2006, 512, 513; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 4. 72 EuGH v. 5.5.2022 – C-346/21, ECLI:EU:C:2022:368 Rz. 32 ff. – ING Luxemburg SA/VX; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 55 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; GA Wathelet, Schlussanträge v. 22.1.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:33 Rz. 23 ff. – Alpha Bank Cyprus Ltd/Senh Dau Si u.a. – Enger aber GA Bobek, Schlussanträge v. 8.9.2016 – C-354/15, ECLI:EU:C:2016:650 Rz. 59 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA (Belehrungspflicht lediglich ohne Rücksicht auf individuelle Sprachkenntnisse). 73 Vgl. dazu COM(2013) 858 final, S. 12 („sämtliche Amtssprachen der Union“?); BT-Drucks. 20/1110, 28; Stein/ Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 44; Mankowski, EuZW 2015, 836, 837. 74 KOM(2005) 305 endg./2, S. 5; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 62 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh u.a.; Sujecki, NJW 2008, 1628, 1629; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 51; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 13; Würdinger, IPRax 2013, 61, 62. Übersehen von Geimer/ Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 5 EuZVO Rz. 7. 75 Mankowski, EuZW 2015, 836, 838. 76 KOM(2005) 305 endg./2, S. 7; Cour d’appel Angers v. 25.3.2014 – 11/02230; Audiencia Provincial Murcia v. 23.12.2015 – 798/15; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 5 EuZVO Rz. 19; Hess, IPRax 2008, 400, 401; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 16; Würdinger, IPRax 2013, 61, 62. 77 Knöfel, RIW 2021, 473, 481; Richter, IPRax 2022, 433, 439; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 1; Sujecki, EuZW 2021, 286, 290. 78 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1. Zur Selbstständigkeit beider Regelungen vgl. EuGH v. 5.5.2022 – C-346/21, ECLI:EU:C:2022:368 Rz. 29 – ING Luxemburg SA/VX; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 64 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 51 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a. 79 Vgl. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 35.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks den Zustellungsort maßgeblichen Amtssprache verfasst oder in diese übersetzt ist.80 Zugleich wurde klargestellt, dass die Belehrung nicht in allen Amtssprachen,81 sondern regelmäßig nur in den Amtssprachen des Ursprungs- und des Empfangsmitgliedstaats und nur in Abhängigkeit von bekannten individuellen Verständnismöglichkeit des Zustellungsadressaten gegebenenfalls auch in weiteren Sprachen zu erfolgen hat;82 im Zusammenhang damit wurde eine Mitteilungspflicht an die Kommission aufgenommen. Die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts wurde ebenfalls detaillierter geregelt und punktuell inhaltlich geändert.83 Für die Ausübung unter Abwesenden sieht die Verordnung ein fakultativ verwendbares Formular vor. Die Frist zur Verweigerung unter Abwesenden wurde auf zwei Wochen verlängert.84 Soweit in der ursprünglichen deutschen Sprachfassung die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts dahin geändert wurde, dass eine zur Zustellung nachgehende Annahmeverweigerung nicht mehr gegenüber der Empfangs-, sondern gegenüber der Übermittlungsstelle zu erklären ist, lag dem einer der zahlreichen die neue Verordnung kennzeichnenden Übersetzungsfehler zugrunde. Die anderen Sprachfassungen (z.B. engl.: „return to the receiving agency“) ebenso wie Abs. 4 belegen, dass eine solche Änderung nicht beabsichtigt war (s. Rz. 81). Kurz vor Geltungsbeginn der Vorschrift wurde dieser Übersetzungsfehler berichtigt.85 Schließlich wurde die die Erweiterung des Anwendungsbereichs auf sonstige Übermittlungs- bzw. Zustellungswege ausgestaltende Regelung in Abs. 7 auf die unmittelbare Zustellung sowie die neu eingefügte elektronische Direktzustellung erstreckt.86 24
Der Kommissionsentwurf sah bereits die Verlängerung der Rücksendungsfrist,87 nicht dagegen die detailliertere Regelung der Belehrungspflicht vor. Er betonte die Bedeutung der Belehrung88 und sah daher im Gegensatz zur letztlich in Kraft getretenen Regelung in Bestätigung der Rechtsprechung des EuGH (s. Rz. 22) vor, dass eine Belehrung auch zu erfolgen hat, wenn ein Annahmeverweigerungsrecht (gewiss) ausgeschlossen ist.89 Daneben war vorgesehen, in einem Art. 8 Abs. 4 die Zuständigkeit für die Prüfung der Berechtigung der Annahmeverweigerung klarzustellen.90 Keinen Vorschlag unterbreitete die Kommission dazu, welchen Anforderungen eine Übersetzung zu genügen hat. Dazu, wie die Verständnismöglichkeiten des Adressaten festzustellen sind, beschränkte sich der Kommissionsentwurf darauf, Aussagen aus der Rechtsprechung des EuGH in den Erwägungsgründen wiederzugeben.91 Der EWSA begrüßte die von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen.
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Das Parlament forderte in seinem Standpunkt erster Lesung eine Reihe von Änderungen. Der Annahmeverweigerungsgrund sollte neu gefasst und ein Annahmeverweigerungsrecht immer gewährt 80 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 43. Übersehen von Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 1. 81 So bereits Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 44; Mankowski, EuZW 2015, 836, 837; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EG) 1393/2007 Rz. 56; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 6. – A.A. zur EG-ZustVO 2007 inzident Polen, Ratsdok. 6067/19 (5.3.2019), S. 101 mit Fn. 15; Slowakei, Ratsdok. 6067/19 (5.3.2019), S. 115; Peer/Scheuer, zak 2021, 27, 29; möglicherweise auch EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 66 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 56 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a. 82 BT-Drucks. 20/1110, 28. 83 Knöfel, RIW 2021, 473, 481. 84 BT-Drucks. 20/1110, 28; Sujecki, EuZW 2021, 286, 290. 85 ABl. EU 2022 L 173/133. Übersehen von BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 41.1, 42; Anders/Gehle/Schmidt, Vor § 1067 ZPO Rz. 24. – Nicht berichtigt wurde freilich die missverständliche Formulierung in Erwägungsgrund 43 S. 2 EU-ZustVO 2020 „Zahl der Fälle, in denen Übermittlungsstellen die Annahme von Schriftstücken aus sprachlichen Gründen verweigert wurde“, zu der aber ein Blick in die anderen Sprachfassungen (sowie in Art. 34 Abs. 3 lit. e EU-ZustVO 2020) offenbart, dass nicht Verweigerungen gegenüber den Übermittlungsstellen, sondern die Mitteilungen an die Übermittlungsstellen über eine Annahmeverweigerung gegenüber der Empfangsstelle gemeint sind. 86 Übersehen von Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 3. 87 Sujecki, EuZW 2021, 286, 290; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 17. 88 Vgl. Erwägungsgrund 5 S. 1 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 17. 89 COM(2018) 379 final, S. 14. Vgl. SWD(2018) 287 final, S. 29. – Krit. aber SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 55. 90 Vgl. Erwägungsgrund 6 S. 1 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 17; COM(2018) 379 final, S. 8, 23; Sujecki, EuZW 2021, 286, 290. 91 COM(2018) 379 final, S. 14.
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werden, wenn das zuzustellende Schriftstück nicht in einer Sprache verfasst ist, die der Adressat versteht.92 Im Gegenzug sollte die Annahmeverweigerung unter Angabe hinreichender Gründe erfolgen (Begründungsobliegenheit).93 Die Information der Übermittlungsstelle sollte mit einer Rücksendung des zuzustellenden Schriftstücks und einem Ersuchen um eine Übersetzung verbunden werden.94 Die Klärung der Berechtigung der Annahmeverweigerung sollte „schnellstmöglich“ erfolgen.95 Zur Heilung sollte es einer „amtlichen“ Übersetzung bedürfen.96 Im Falle der Anwendung des Annahmeverweigerungsrechts auf andere Übermittlungswege sollte über die Möglichkeit einer „schnellstmöglichen“ Rücksendung belehrt werden, ohne dass klar wurde, wie dieses Erfordernis sich zur Verweigerungsfrist von zwei Wochen verhält.97 Überwiegend legen die Änderungsvorschläge des Parlaments eine erhebliche Verständnislosigkeit nahe. Der Vorschlag, ein Annahmeverweigerungsrecht in Abhängigkeit von den individuellen Verständnismöglichkeiten zu gewähren, verlagerte das Risiko individueller Verständnisdefizite auf den Antragsteller und erschwerte grenzüberschreitende Zustellungen beträchtlich.98 Zugleich ergäbe sich eine sachwidrige Ungleichbehandlung gegenüber Inlandszustellungen, für welche die individuellen Verständnismöglichkeiten in der Regel unbeachtlich sind. Die vom Parlament vorgesehene Begründungsobliegenheit gleicht dies nicht aus und begründet zugleich für den Adressaten das Risiko, dass die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts an Förmlichkeiten scheitert. Die Vorgabe, dass schnellstmöglich eine Klärung der Rechtmäßigkeit der Verweigerung zu erfolgen hat, verkennt die Ausrichtung des Änderungsvorschlags der Kommission und provoziert vermeidbaren Verfahrensaufwand. Denn eine Klärung müsste dann auch dort erfolgen, wo ein Gerichtsverfahren noch gar nicht anhängig ist (Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke) und auch in dem Fall, dass die Wirksamkeit der Zustellung letztlich gar nicht entscheidungserheblich ist. Im Ansatz zu begrüßen war dagegen das Bemühen des Parlaments, die Anforderungen an eine Übersetzung zu regeln; inhaltlich führt der Verweis auf eine „amtliche“ Übersetzung allerdings zu einem nicht zu vernachlässigenden Aufwand.99 Im Rahmen seiner Beratungen erster Lesung knüpfte der Rat an die Vorschläge der Kommission an 26 und verwarf die weitgehend untauglichen Vorschläge des Parlaments. Abweichend vom Vorschlag der Kommission trennte der Rat Annahmeverweigerungsgrund und Belehrungspflicht. Die Belehrungspflicht wurde in der Folge detaillierter und die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts präziser geregelt. In Korrektur der Rechtsprechung des EuGH wurde die Belehrungspflicht ausdrücklich zurückgenommen, wenn das zuzustellende Schriftstück durch eine den typisierten Verständnismöglichkeiten entsprechende Übersetzung begleitet wird (oder gar bereits in einer entsprechenden Sprache verfasst wurde). Dem Problem, wie sinnentstellenden Übersetzungen zu begegnen ist, wurde auch dabei keine Aufmerksamkeit geschenkt mit der Folge, dass der Zustellungsadressat selbst im Falle einer Belehrung möglicherweise nicht erkennt und auch nicht erkennen kann, dass ihm ein Recht zur Annahmeverweigerung zusteht (vgl. Rz. 17, 60). Aufgegriffen wurde der Vorschlag des Parlaments, die Information der Übermittlungsstelle mit einer Rücksendung der zu übersetzenden Schriftstücke zu verbinden, wobei der Rat allerdings herausstellte, dass dies nur gilt, wenn der Empfangsstelle diese Schriftstücke (noch) vorliegen. Aufgegriffen wurde in Erwägungsgrund 25 S. 1 EU-ZustVO 2020 der Wunsch des Parlaments nach einer förmlichen Übersetzung. Verworfen wurde der Vorschlag der Kommission zur Klarstellung der Verantwortlichkeit für die Feststellung der Berechtigung der Annahmeverweigerung. Ursächlich hierfür war mutmaßlich, dass die Änderungsvorschläge des Parlaments offenbarten, dass diese Klarstellung zu Fehlerverständnissen einlud. Ihre endgültige Fassung erhielt die Vorschrift nach den Triloggesprächen und ihrer redaktionellen Über92 93 94 95 96 97 98
P8_TA-PROV(2019)0104, S. 21. P8_TA-PROV(2019)0104, S. 21. P8_TA-PROV(2019)0104, S. 22. P8_TA-PROV(2019)0104, S. 22. P8_TA-PROV(2019)0104, S. 22 f. P8_TA-PROV(2019)0104, S. 23. Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EGZustellVO Rz. 13, 36. Allgemein dazu auch Rohe in FS Vollkommer, S. 291, 298 f. Unkritisch dagegen Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 16, 18. 99 Vgl. BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 23. Ablehnend auch Simoni/ Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 5.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks arbeitung. Im Zuge dessen100 wurde in Abs. 4 eine unnötige Doppelbezeichnung des zu verwendenden Formblatts aufgenommen. 3. Anwendungsbereich 27
Die Vorschrift gilt unbeschadet ihrer Verortung in Kapitel II, Abschnitt 1 nicht nur für Zustellungen auf dem Weg der einfachen Rechtshilfe. Vielmehr findet sie ausweislich Abs. 6 entsprechende Anwendung auch auf die in Abschnitt 2 des Kapitels II der Verordnung geregelten Wege, grenzüberschreitend101 eine Zustellung zu bewirken (insbesondere auch direkte Postzustellung; vgl. Erwägungsgrund 24 S. 3 EU-ZustVO 2020).102 Daraus ergibt sich, dass auch insoweit keine unbedingte Übersetzungsobliegenheit besteht. Abs. 7 regelt Besonderheiten für die entsprechende Anwendung der Vorschrift auf nach Kapitel II, Abschnitt 2 erfolgende Zustellungen, soweit diese nicht durch eine Empfangsstelle ausgeführt oder beauftragt sind (s. Rz. 107 ff.).
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Originär regelt die Vorschrift nur die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. Diese werden ausnahmslos erfasst; die Vorschrift gilt nicht nur für verfahrenseinleitende Schriftstücke (s. Rz. 38).103 Aufgrund der Inbezugnahme durch Art. 21 EU-ZustVO 2020 findet sie darüber hinaus aber auch auf alle außergerichtlichen Schriftstücke Anwendung, wenn diese auf einem der von der Verordnung geregelten Wege zum Zweck der Zustellung übermittelt bzw. zugestellt werde.104 Die Gegenansicht verkennt, dass Art. 21 EU-ZustVO 2020 im Grundsatz eine generelle Gleichstellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke anordnet, weshalb auch aus der in einer Vorschrift erfolgten Bezugnahme auf „gerichtliche Schriftstücke“ gerade nicht notwendig eine Beschränkung des Anwendungsbereichs folgt. Darüber hinaus beachtet die Gegenansicht nicht, dass die Nichtanwendung des Annahmeverweigerungsrechts auf außergerichtliche Schriftstücke nicht nur das Annahmeverweigerungsrecht entfallen ließe, sondern die Möglichkeit zur Begründung einer unbedingten Übersetzungsobliegenheit eröffnete, wodurch das Ziel der Verordnung, ein harmonisiertes System für einfache und schnelle grenzüberschreitende Zustellungen im Binnenmarkt zu schaffen, verfehlt würde.105 In den weiten Anwendungsbereich der Vorschrift fällt danach ein breites Spektrum von Schriftstücken und auch Konvoluten von Schriftstücken106 mit unterschiedlichem Umfang, unterschiedlicher Bedeutung und unterschiedlicher Komplexität.107 4. Dispositivität
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Die dem Schutz des Zustellungsadressaten im Verhältnis zum Antragsteller dienende Begrenzung der Kognitionsobliegenheit gilt ebenso wie der vorgesehene Modus für die Sprachregelung im Ausgangs100 Doppelung war noch nicht enthalten in Ratsdok. 9235/20 (30.6.2020), S. 103 f. 101 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 25, Art. 8 EuZVO Rz. 4. 102 EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 40 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 59, 61 – Andrew Marcus Henderson/ Novo Banco SA; OGH v. 20.12.2012 – 2Ob217/12v zu I. 2.3 der Gründe; Supremo Tribunal de Justiça v. 20.9.2016 – 439/14.4TBVFX.L1.S1; OLG Düsseldorf v. 16.7.2019 – 20 W 59/19, GRUR-RR 2020, 45 Rz. 17; Cour d’appel Angers v. 25.3.2014 – 11/02230; Audiencia Provincial Barcelona v. 14.12.2009 – 688/2008; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 4; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 1. 103 Vgl. Fabig/Windau, NJW 2022, 1977 Rz. 15; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 11. 104 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 41 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU: C:2015:364 Rz. 62 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Mankowski in FS Kaissis, S. 607, 627; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 21 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 16 EG-ZustellVO Rz. 2. – A.A. Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 2; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 4, Art. 16 EuZVO Rz. 5. 105 Zu kurz greift daher der Verweis auf den fair trail-Grundsatz bei Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 2. 106 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 44 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. 107 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 41 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.
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punkt dispositiv. Dafür spricht, dass nach dem vorgesehenen Modus eine Übersetzungsobliegenheit ohnehin nur nach Maßgabe der Disposition der Beteiligten besteht. Im Verhältnis zwischen Zustellungsadressat und Antragsteller kann daher insbesondere vereinbart werden, dass der Zustellungsadressat auf den für ihn in der Vorschrift vorgesehenen Schutz verzichtet.108 Eine entsprechende Vereinbarung kann z.B. beinhalten, dass umfassend auf eine Übersetzung verzichtet wird oder jedenfalls eine Übersetzung bei Nutzung einer oder mehrerer vereinbarter Sprachen nicht erforderlich ist (s. auch Rz. 52). In der Vereinbarung einer Vertragssprache liegt in der Regel aber noch keine Modifikation der in einem Prozess geltenden Sprachregelung.109 Im Umfang einer vereinbarten Schutzreduktion tritt die Vorschrift zurück mit der Folge, dass gegebenenfalls auch eine Belehrungspflicht nicht besteht. Entsprechende Vereinbarungen können nur unter Wahrung der sich aus dem auf die Vereinbarung anwendbaren Recht ergebenden Grenzen geschlossen werden. Nicht gerechtfertigt ist ein schlichter Rückgriff auf die für Gerichtsstandsvereinbarungen geltenden Grenzen. Eine Abbedingung oder Einschränkung des Annahmeverweigerungsrechts ist gegenüber einer Gerichtsstandsvereinbarung ein aliud und weder ein Weniger noch ein Mehr. Im unternehmerischen Rechtsverkehr begegnet die Wirksamkeit entsprechender Dispositionen dem Grunde nach regelmäßig keinen Bedenken.110 Dasselbe gilt im Ausgangspunkt auch im Übrigen.111 Allerdings sind in Verbraucherverträgen enthaltene Vereinbarungen regelmäßig an den Grenzen des der Umsetzung der Klausel-RL dienenden Rechts zu messen und erweisen sich, gemessen an der tragenden Gerechtigkeitswertung (s. Rz. 3), als unangemessen belastend und unwirksam.112 Im unternehmerischen Geschäftsverkehr erweisen sich Formularabreden dagegen nicht mit gleicher Regelhaftigkeit als unangemessen.
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II. Annahmeverweigerungsrecht und -grund (Abs. 1) 1. Annahmeverweigerungsrecht a) Keine unbedingte Übersetzungsobliegenheit Dass das zuzustellende Schriftstück in einer zugelassenen Sprache verfasst oder von einer Übersetzung in eine solche Sprache begleitet ist, ist keine generelle Voraussetzung der Inanspruchnahme von Rechtshilfe bei der Zustellung und auch keine generelle Wirksamkeitsvoraussetzung der grenzüberschreitenden Zustellung (§ 37 Abs. 1 S. 1 ZRHO).113 Eine Zustellung kann vielmehr
108 Vgl. BGH v. 21.12.2006 – VII ZR 164/05, NJW 2007, 775 Rz. 27; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 29; Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 10; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 4; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 43; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 18; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 8 EuZVO Rz. 2; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 8. Unentschieden, tendenziell abl. EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 90 ff. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. Skeptisch auch Hess, IPRax 2008, 400, 403. 109 Dafür de lege ferenda aber Vogl, JurBüro 2006, 60, 61. 110 Vgl. GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 86 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. 111 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 29. 112 Vgl. GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 90 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; BGH v. 21.12.2006 – VII ZR 164/05, NJW 2007, 775 Rz. 28. Vgl. auch Hess, NJW 2001, 15, 22. 113 ABl. EG 1997 C 261/33; KOM(1999) 219 endg.; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 45; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 2, 36, 67 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; OLG Bamberg v. 28.12.2006 – 3 W 110/06, BeckRS 2006, 141720 Rz. 12; OLG Düsseldorf v. 5.9.2018 – 18 U 46/17, BeckRS 2018, 40125 Rz. 23; OLG Frankfurt v. 8.5.2019 – 13 U 210/17, NZI 2019, 727 Rz. 31; OLG Köln v. 15.10.2013 – 3 U 209/12, BeckRS 2014, 23246 Rz. 21; OLG München v. 16.6.2016 – 23 U 1877/15, BeckRS 2016, 11118 Rz. 60; OLG Saarbrücken v. 9.2.2010 – 4 U 449/09, NJOZ 2010, 1152 zu VII. der Gründe; LG Düsseldorf v. 12.1.2010 – 4b O 286/08, BeckRS 2011, 3329 zu I. der Gründe; LG Mönchengladbach v. 24.2.2017 – 7 O 29/15, BeckRS 2017, 155517 Rz. 26; Audiencia Provincial Guadalajara v. 6.3.2009 – 31/2009; Ahrens, NJW 2008, 2817; Fabig/Windau, NJW 2017, 2502; Hess, IPRax 2008, 400, 401; Knöfel,
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks stets114 (zunächst) auch ohne begleitende Übersetzung erfolgen.115 Dies ergibt sich daraus, dass Abs. 1 die Verteilung des Sprachrisikos für grenzüberschreitende Zustellungen abschließend regelt und inhaltlich ein Annahmeverweigerungsrecht und nur in Abhängigkeit von dessen (fristgebundener) Ausübung den (vorläufigen) Nichteintritt der Zustellungswirkungen vorsieht. Die Mitgliedstaaten könne mit Rücksicht auf den Anwendungsvorrang der Verordnung (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 27) eine unbedingte Übersetzungsobliegenheit als Voraussetzung einer wirksamen Zustellung auch nicht im nationalen Recht begründen.116 Unberührt bleibt die Möglichkeit, zu anderen Zwecken unter Wahrung des Gebots der Nichtdiskriminierung und des Effektivitätsgrundsatzes Übersetzungserfordernisse vorzusehen.117 b) Hinderung Zustellungswirkungen 32
Nach Abs. 1 kann der Zustellungsadressat die Annahme der Zustellung bis zum Ablauf von zwei Wochen ab der Zustellung ablehnen.118 Die Ausübung dieser zugunsten des Zustellungsadressaten bestehenden Befugnis119 richtet sich nach Abs. 3 (s. Rz. 78 ff.). Steht dem Zustellungsadressaten ein Annahmeverweigerungsgrund zur Seite, ist die Ablehnung begründet. Die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen sind verordnungsautonom zu bestimmen.120 Sie bestehen darin, dass die wirksam ausgeübte Zustellung den Eintritt der Zustellungswirkungen hindert. Eine erneute Zustellung wird hierdurch nicht ausgeschlossen. Nach Maßgabe von Abs. 5 kommt ihr eine heilende Wirkung zu (s. Rz. 18, 94 ff.). Unabhängig von der wirksamen Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts hindern individuelle Verständnisschwierigkeiten oder eine Überschreitung der Grenzen der Kognitionsobliegenheit des Empfängers weder die Wirksamkeit der Zustellung121 noch begründen sie im Regelfall einen Anerkennungs- und Vollstreckungsversagungsgrund (s. Rz. 10), selbst wenn dem Antragsteller die Umstände bekannt sind.122
114 115
116 117 118 119
120 121 122
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RIW 2021, 473, 481; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 3; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 2; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1069 ZPO Rz. 18; Sujecki, ZEuP 2007, 358, 359; Sujecki, EuZW 2007, 363. A.A. Zöller/Geimer, Art. 8 EuZustVO Rz. 3: „wenn – nach Angaben des die Zustellung betreibenden Verfahrensbeteiligten – erwartet werden kann, dass der Adressat … versteht“. COM(2013) 858 final, S. 10; OLG München v. 16.6.2016 – 23 U 1877/15, BeckRS 2016, 11118 Rz. 60; Fabig/ Windau, NJW 2017, 2502; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Ruster, NJW 2019, 3186, 3187. – A.A. OLG Saarbrücken v. 9.2.2010 – 4 U 449/09, BeckRS 2010, 8270 zu B. VII der Gründe bei angekündigter Annahmeverweigerung. A.A. auch Heiderhoff, ZZPInt. 10 (2005), 296, 304, 305: Zustellung ohne Übersetzung trotz Kenntnis der fehlenden Sprachkundigkeit sei „vorsätzlich falsch“, Übersetzung sei nicht grundsätzlich überflüssig, „Das Schriftstück muss übersetzt werden, wenn der Adressat die Sprache des Zustellenden nicht versteht“. Ähnlich auch Hess, EuZPR, Rz. 8.16, 8.19: Übersetzung sei im Grundsatz erforderlich und unverzichtbar, Art. 22 EU-ZustVO 2020 regele nur Ausnahmen zu diesem Grundsatz, Annahme, es könne stets zunächst ohne Übersetzung zugestellt werden, gehe zu weit. Vgl. GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 70 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. Vgl. in diese Richtung auch bereits Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 188. – Deutlich zu zurückhaltend COM(2013) 858 final, S. 10: „womöglich gegen Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung verstößt“. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 5 EuZVO Rz. 4. Vgl. OLG Bamberg v. 28.12.2006 – 3 W 110/06, BeckRS 2006, 141720 Rz. 12. EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 35 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 32 – Catlin Europe SE/O.K. Trans Praha spol. s r.o.; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 50 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 49 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2021 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 50 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a. Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2503. – A.A. BGH v. 21.12.2006 – VII ZR 164/05, NJW 2007, 775 Rz. 11. OLG Bamberg v. 28.12.2006 – 3 W 110/06, BeckRS 2006, 141720 Rz. 12; OLG Dresden v. 8.3.2021 – 8 U 2149/20, BeckRS 2021, 18109 Rz. 14; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.121. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 11.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
c) Schwebephase Das bestehende Annahmeverweigerungsrecht hindert, solange es nicht wirksam ausgeübt wurde, nicht 33 den Eintritt der Zustellungswirkungen und schiebt diesen auch nicht auf (schwebende Wirksamkeit, s. auch Rz. 86).123 Vielmehr liegt der Verordnung die Vorstellung zugrunde, dass mit wirksamer Zustellung des zuzustellenden Schriftstücks die Zustellungswirkungen unabhängig davon eintreten, ob infolge des Bestehens eines Annahmeverweigerungsgrunds (zuzustellendes Schriftstück in nicht zugelassener Sprache und ohne Begleitung durch eine Übersetzung, s. Rz. 35 ff.) dem Zustellungsadressaten ein Annahmeverweigerungsrecht zusteht. Dies gilt unabhängig davon, ob der Empfänger das zuzustellende Schriftstück versteht.124 Erst das wirksam ausgeübte Annahmeverweigerungsrecht wirkt auf die Zustellungswirkungen ein125 – es beseitigt diese mit Wirkung ex tunc. Dass unbeschadet dessen die Zustellungswirkungen (vorbehaltlich ihrer rückwirkenden Beseitigung) zunächst eintreten und ihr Eintritt nicht bis zum Erlöschen des Annahmeverweigerungsrechts aufgeschoben ist, ergibt sich daraus, dass Abs. 3 S. 1 den Anlauf der Ausschlussfrist an die erfolgte Zustellung bindet und die Verordnung für den Fall des Erlöschens des Annahmeverweigerungsrechts (anders als in Abs. 5) nicht anordnet, dass die Wirkungen der Zustellung rückwirkend eintreten. d) Unberechtigte Annahmeverweigerung Für den Fall, dass der Zustellungsadressat die Zustellung ablehnt, ohne dass ihm ein Annahmever- 34 weigerungsgrund zur Seite steht, sieht die Vorschrift nicht vor, dass der Eintritt der Zustellungswirkungen gehindert wird. Nach ganz h.A. soll das eine Zustellungslast begründende Recht darüber entscheiden, ob und inwieweit im Falle einer unberechtigten Annahmeverweigerung der Tatbestand einer Zustellung verwirklicht wurde und von einer wirksamen Zustellung auszugehen ist.126 Vorzugswürdig erscheint indes, dem auf die Ausführung der Zustellung anwendbaren Recht die Folgen einer unberechtigten Annahmeverweigerung zu entnehmen,127 weil die Annahmeverweigerung den Tatbestand der Zustellung und, wie leicht bei der Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke ersichtlich wird, nicht den Verfahrensfortgang berührt. Unterschiede ergeben sich aus diesem abweichenden Ansatz in der Regel nicht. Hat der Zustellungsadressat die Annahmeverweigerung unter Abwesenden (z.B. auch unter Rücksendung des von ihm bereits empfangenen Schriftstücks) ausgeübt, war der Tatbestand einer Zustellung regelmäßig bereits verwirklicht und die Zustellung wirksam bewirkt. Die unberechtigte Annahmeverweigerung ändert hieran nichts. Sofern die unberechtigte Annahmeverweigerung dagegen verhindert hat, dass der Tatbestand der Zustellung (Empfang des Schriftstücks) verwirklicht wird, treten die Zustellungswirkungen nur nach Maßgabe der dieses Defizit überwindenden Vorschriften des anwendbaren (nationalen) Rechts (z.B. § 179 ZPO)128 ein. Das anwendbare Recht muss dabei, gemessen auch an Abs. 5 (eine unberechtigte Annahmeverweigerung darf für den 123 Vgl. GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2021 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 51 f. – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; Drehsen, IPRax 2019, 378, 384; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 10. – A.A. Fabig/Windau, NJW 2022, 2464. 124 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 42. 125 GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 69 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 126 Vgl. EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 81 ff. – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, BeckRS 2021, 6258 Rz. 27; OLG Düsseldorf v. 18.12.2019 – 7 W 66/19, ZUM-RD 2020, 241; OLG München v. 14.10.2019 – 14 W 1170/19, BeckRS 2019, 29850 Rz. 40; OLG Köln v. 9.5.2019 – 15 W 70/18, BeckRS 2019, 10630 Rz. 5; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 60 f.; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 28; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 96; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 23; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Art. 12 Ed. 47 (1.12.2022), EuZVO 2022 Rz. 57; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 15; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 13. 127 Dafür, dieses Recht neben dem eine Zustellungslast begründenden Recht anzuwenden, wohl Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2504: Verweis auch auf den keine Zustellungslast begründenden, sondern die Ausführung der Zustellung regelnden Art. 14 EG-ZustVO 2007. 128 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, BeckRS 2021, 6258 Rz. 27; OLG Köln v. 9.5.2019 – 15 W 70/18, BeckRS 2019, 10630 Rz. 5; OLG München v. 14.10.2019 – 14 W 1170/19, BeckRS 2019, 29850 Rz. 40. Zu den nationalen Rechtsordnungen vgl. Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 140 ff.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks Zustellungsadressaten nicht günstiger als eine berechtigte Annahmeverweigerung sein), dem Effektivitätsgrundsatz und dem Prinzip der Nichtdiskriminierung genügen. Ergänzend dazu besteht nach Erwägungsgrund 26 S. 1 EU-ZustVO 2020 die verordnungsautonome Verpflichtung, dass diejenige Instanz, welche für das Verfahren zuständig ist, in dem ein gerichtliches Schriftstück, dessen Annahme verweigert wurde, zuzustellen ist, feststellt, dass die Annahmeverweigerung unberechtigt erfolgt ist (s. Rz. 49 ff.), den Zustellungsadressaten nach Maßgabe der lex fori in geeigneter Form von seiner Entscheidung informiert. Hierdurch soll verhindert werden, dass der die Annahme verweigernde Zustellungsadressat im Vertrauen auf die Wirksamkeit der Annahmeverweigerung davon absieht, seine Interessen in dem betreffenden Verfahren zu vertreten. Die Erfüllung dieser Verpflichtung ist keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der zurückgewiesenen Zustellung. Sie ist allerdings nach Maßgabe des auf das Verfahren anwendbaren Rechts, welches dem Effektivitätsgrundsatz genügen muss, Voraussetzung dafür, dass eine (verfahrensabschließende) Entscheidung ergeht. Davon abgesehen kann die Verletzung dieser Verpflichtung Amtshaftungsansprüche begründen. 2. Annahmeverweigerungsgrund a) Überblick 35
Annahmeverweigerungsgrund ist, dass das zuzustellende Schriftstück in sprachlicher Hinsicht außerhalb der Kognitionsobliegenheit des Empfängers (s. Rz. 40 ff.) liegt. Dies ist der Fall, wenn es nicht in einer (von Abs. 1, s. aber auch Rz. 29) zugelassenen Sprache verfasst ist und auch nicht von einer Übersetzung in eine solche begleitet wird. Ein Annahmeverweigerungsgrund ist danach nicht gegeben, wenn das zuzustellende Schriftstück entweder bereits in einer zugelassenen Sprache verfasst ist oder von einer Übersetzung in eine zugelassene Sprache begleitet wird. Dies ergibt sich ohne weiteres aus der spezifischen Funktion einer Übersetzung. Der in der deutschen Sprachfassung ein abweichendes Verständnis nahelegende Wortlaut von Abs. 1 („wenn Schriftstück … oder keine Übersetzung“) beruht wie bereits in den Vorgängervorschriften auf einer unsorgfältigen Übersetzung.129 Nähme man die deutsche Sprachfassung von Abs. 1 wörtlich, wäre ein Annahmeverweigerungsgrund regelmäßig gegeben und ließe sich der Aufwand für die Beschaffung von Übersetzungen nicht sachgerecht begrenzen.
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Die Zulassung einer Sprache kann sich nach Abs. 1 sowohl aus lit. a (individuelle Sprachkompetenz) als auch aus lit. b (Amtssprache des Zustellungsorts) ergeben. Für die Anwendung von Abs. 1 ist unerheblich, aus welcher der beiden Regelungen sich die Zulassung ergibt. Es besteht zwischen diesen kein Stufenverhältnis. Die beiden Zulassungen nach Abs. 1 ergänzen einander vielmehr in dem Sinne, dass vom Empfänger über seine individuelle Sprachkompetenz hinaus auch erwartet wird, dass er die sich nach lit. b ergebende Sprache verstehen können muss. Selbst wenn der Antragsteller positiv weiß, dass der Empfänger die nach Abs. 1 lit. b zugelassene Sprache nicht versteht und welche Sprache er stattdessen i.S.v. Abs. 1 lit. a versteht, kann daher auf die in Abs. 1 lit. b benannte(n) Sprache(n) zurückgegriffen werden. b) Zuzustellendes Schriftstück
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Die Vorschrift bestimmt die Kognitionsobliegenheit des Empfängers (s. Rz. 40 ff.) in Ansehung des zuzustellenden Schriftstücks (nicht der lediglich den Rechtshilfeverkehr betreffenden begleitenden Formulare).130 Ein Annahmeverweigerungsgrund kann sich nur, aber auch schon daraus ergeben, dass das zuzustellende Schriftstück nicht vollständig die Grenzen der Kognitionsobliegenheit des Empfängers wahrt. Diese Ausrichtung des Annahmeverweigerungsgrunds ist allerdings teleologisch dahin zu reduzieren, dass alle Erklärungen, welche der Empfänger selbst abgegeben hat, keiner
129 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 15; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6 f.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 2; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 9. Vgl. EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 34 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU: C:2016:316 Rz. 69 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen. 130 ABl. EG 1997 C 261/32; KOM(1999) 219 endg.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
Übersetzung bedürfen.131 Dies gilt unabhängig davon, ob die Erklärung bei ihrer Abgabe tatsächlich verstanden wurde bzw. aufgrund individueller Sprachkompetenz verstanden werden konnte. Denn jeder Erklärende muss sich im Grundsatz am Inhalt auch einer unverstandenen Erklärung festhalten lassen. Dem Umstand, dass er sich gegebenenfalls (z.B. durch Anfechtung) von ihr lösen kann, entspricht die Obliegenheit, sich gegebenenfalls Kenntnis vom Inhalt seiner Erklärung zu verschaffen. Die Vorschrift regelt im Grundsatz ebenso wenig wie sonstige Vorschriften der Verordnung autonom, welches Schriftstück bzw. Konvolut von Schriftstücken (s. Rz. 28, 57) zuzustellen ist und welche Erklärungsteile oder Anlagen Bestandteil des zuzustellenden Schriftstücks sind. Vielmehr knüpft die Vorschrift insoweit an den durch das eine Zustellungslast begründende nationale132 oder unionale (z.B. Art. 12 Abs. 5 EG-MahnVO: Europäischer Zahlungsbefehl133 und Antragsformular134) Recht (s. Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 19) geprägten Zustellungswillen der eine Zustellung anordnende Stelle an. Hintergrund dafür ist, dass die eine Zustellung anordnende Stelle einer bestimmten Zustellungslast Rechnung tragen will, um die an die Erfüllung der betreffenden Zustellungslast anknüpfenden Rechtsfolgen herbeizuführen. Unbeschadet des Umstands, dass die praktische Bedeutung der Vorschrift insbesondere bei verfah- 38 renseinleitenden Schriftstücken liegt, ist ihr Anwendungsbereich nicht hierauf beschränkt.135 Dies ergibt sich schon daraus, dass die Verordnung anderenfalls gar keine Regelung der Sprachfrage für alle sonstigen Schriftstücke enthielte und lückenhaft erschiene. Außerdem hat der EuGH in der Rechtssache Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. betont, dass die von ihm dort entwickelten besonderen Grundsätze ausschließlich verfahrenseinleitende Schriftstücke, nicht aber auch sonstige in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallende Schriftstücke betreffen.136 Ohnehin aber verdeutlicht die Entscheidung des EuGH bei genauerer Analyse, dass für eine Beschränkung auf verfahrenseinleitende Schriftstück keine Grundlage besteht. Vom EuGH wurde nur für verfahrenseinleitende Schriftstücke erkannt, dass die Begrenzung der Kognitionsobliegenheit des Empfängers für Anlagen zu solchen Schriftstücken nicht umfassend, sondern nur in dem Umfang gilt, wie hiervon abhängig ist, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück seine Funktion erfüllt (s. Rz. 57). Abweichend vom Grundsatz (s. Rz. 37) hat der EuGH mithin in Bezug auf verfahrenseinleitende Schriftstücke verordnungsautonom bestimmt, was das im Sinne der Norm zuzustellende Schriftstück ist.137 Leitend war für den EuGH dabei, dass dem verfahrenseinleitenden Schriftstück in Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO (und Art. 22 EU-ZustVO 2020) eine unionsrechtliche Bedeutung zukommt und die Zustellung eines solchen Schriftstücks gerade dazu dient, den sich aus Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO (und Art. 22 EU-ZustVO 2020) ergebenden Anforderungen zu genügen. Verkannt hat der EuGH bei seiner Ausrichtung auf Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel IaVO (und Art. 22 EU-ZustVO 2020) allerdings, dass die Norm (wie auch Art. 22 EU-ZustVO 2020) lediglich einen Mindestschutz für den Beklagten etabliert, den Schutz des Beklagten dagegen nicht abschließend harmonisiert. In der Folge hat der EuGH nicht erkannt, dass der Begriff des zuzustel131 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 91 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 20. Abw., auf § 242 BGB abstellend, insoweit BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 21. 132 Vgl. BGH v. 21.12.2006 – VII ZR 164/05, NJW 2007, 775 Rz. 24 f. – A.A. Ahrens, NJW 2008, 2817, 2819. 133 EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 41 – Catlin Europe SE/O.K. Trans Praha spol. s r.o. 134 EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 42 f. – Catlin Europe SE/O.K. Trans Praha spol. s r.o. 135 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 41 f. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; GA Léger, Schlussanträge v. 28.9.2006 – C-283/05, ECLI: EU:C:2006:617 Rz. 66 – ASML Netherlands BV/Semiconductor Industry Services GmbH; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 7 EuZVO Rz. 2. – A.A. tendenziell Ahrens, NJW 2008, 2817, 2819; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 8; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.133 ff. 136 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 41 f. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. 137 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 41 ff. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; zustimmend Hess, IPRax 2008, 400, 402; BeckOK/ ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 26.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks lenden Schriftstücks im Sinne der Vorschrift auch für verfahrenseinleitende Schriftstücke nicht abschließend in Anlehnung an Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO (und Art. 22 EU-ZustVO 2020) definiert werden kann, weil die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht allein dazu dient, Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO (und Art. 22 EU-ZustVO 2020) zu genügen, sondern zugleich einer weiteren (nationalen oder unionalen) Zustellungslast genügen und die hieran anknüpfenden Rechtsfolgen auslösen soll. Dies wird im Schrifttum, allerdings ohne Grundsatzkritik am EuGH, erkannt, wenn darauf verwiesen wird, dass gegebenenfalls nationale Präklusionsvorschriften erst angewendet werden können, wenn auch in Bezug auf Anlagen der Begrenzung der Kognitionsobliegenheit des Empfängers Rechnung getragen wurde.138 Ist mithin Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel IaVO (wie auch Art. 22 EU-ZustVO 2020) nicht geeignet, die Begrenzung der den Empfänger treffenden Kognitionsobliegenheit für verfahrenseinleitende Schriftstücke zu beschränken, ist er umso weniger geeignet, den Kreis der von der Vorschrift erfassten Schriftstücke auf verfahrenseinleitende Schriftstücke zu beschränken. c) Individuelle Sprachkompetenz aa) Mögliche Sprachen 39
Für das zuzustellende Schriftstück ebenso wie für eine begleitende Übersetzung ist als Sprache zugelassen jede Sprache, die der Empfänger versteht. Unerheblich ist, ob es sich um eine im Ursprungsoder im Empfangsmitgliedstaat oder in einem Drittstaat gesprochene Sprache handelt.139 Ebenso ist ohne Belang, ob es sich um eine lebende oder tote Sprache handelt. Weiter ist unerheblich, ob es sich bei der betreffenden Sprache um eine Amtssprache eines Mitgliedstaats oder irgendeines Staates handelt.140 Entscheidend ist letztlich nur, dass das zuzustellende Schriftstück eine sprachliche, d.h. unter Verwendung mit einer bestimmten Bedeutung verbundener Begriffe bzw. Zeichen und unter Befolgung bestimmter Sprachregeln abgefasste Gedankenerklärung enthält und der Empfänger den Sinn der verwendeten Begriffe bzw. Zeichen und die maßgeblichen Sprachregeln kennt und sich daher die Gedankenerklärung inhaltlich erschließen kann. bb) Person des Kompetenzträgers
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Keine ausdrückliche abschließende Aussage trifft die Vorschrift dazu, auf die individuelle Sprachkompetenz welcher Person(en) abzustellen ist.141 Der Wortlaut von Abs. 1 verweist schlicht auf den Empfänger. Dieser Begriff ist verordnungsautonom auszulegen unter Berücksichtigung des Wesens des dem europäischen Zivilverfahrensrecht insbesondere auch im Zusammenhang mit Zustellungen bekannten Instituts der Stellvertretung (vgl. Formblatt B Ziff. 3.4.2; Art. 15 EG-VollstrTitelVO; Art. 15 EG-MahnVO).
41
Im Ausgangspunkt ist Empfänger diejenige Person, an welche eine Zustellung erfolgen, d.h. der nach dem Willen des Zustellenden unmittelbar eine Kenntnisnahmemöglichkeit verschafft werden soll (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 ff.).142 Nicht entscheidend ist im Ausgangspunkt dagegen, gegenüber welcher Person die Zustellungswirkungen herbeigeführt werden sollen, d.h. welche Person von den mit einer Zustellung intendierten Wirkungen (z.B. Rechtshängigkeit, Verzug) unmittelbar betroffen wird. Bei der Zustellung an einen Abwesenheitspfleger (§ 1884 BGB) ist daher dessen Sprachkompetenz, nicht dagegen die Sprachkompetenz des Pfleglings maßgeblich. Ohne Belang ist weiter, vor welchem Hintergrund eine Zustellung erfolgen soll. Die Sprachkompetenz eines Rechtsvorgängers ist daher auch dann ohne Belang, wenn diejenige Person, an welche eine Zustellung erfolgen soll, als 138 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 7. 139 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13. – A.A. Zöller/Geimer, Art. 8 EuZustVO Rz. 2. 140 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 17; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 5 EuZVO Rz. 3, Art. 8 EuZVO Rz. 4; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 2. 141 Pickenpack/Zimmermann, IPRax 2018, 364, 364 f. 142 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 18; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 14.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
Rechtsnachfolger informiert wird.143 Nicht Empfänger sind auch Personen, welche für diejenige Person, an welche nach dem Willen des Zustellenden bestimmungsgemäß zugestellt werden soll, (im Rahmen einer Ersatzzustellung) als Empfangsvertreter oder Empfangsboten handeln, weshalb ihre Sprachkompetenz ohne Belang ist. Vom Handeln von Empfangsvertretern oder -boten für den bestimmten Empfänger ist zu unterschei- 42 den, dass (z.B. zur Überwindung eines Mangels der Handlungs-, Geschäfts- oder Prozessfähigkeit) bereits ein (gesetzlicher) Vertreter als diejenige Person, an welche die Zustellung erfolgen soll, bestimmt wurde. In diesem Fall ist nach dem Gesagten (s. Rz. 41) der Vertreter, an welchen die Zustellung bestimmungsgemäß erfolgen soll, Empfänger im Sinne der Vorschrift. Zugleich aber ist entsprechend dem Wesen des Instituts der Stellvertretung, die Handlungsmöglichkeiten des Vertretenen (herzustellen bzw.) auszuweiten und nicht zu begrenzen, daneben auch der Vertretene Empfänger, soweit dies nicht weiteren Zwecken der jeweiligen Stellvertretung widerspricht. Erfolgt die Zustellung bestimmungsgemäß an den Organwalter einer juristischen Person, ist neben diesem Organwalter auch die juristische Person selbst Empfänger. Dasselbe gilt im Falle der Zustellung an einen bestellten Prozessbevollmächtigten, neben dem144 der Vertretene selbst Empfänger ist145 mit der Folge, dass die Sprachkompetenz des einen wie des anderen maßgeblich ist. Erfolgt eine Zustellung an den gesetzlichen Vertreter eines Minderjährigen oder an einen Abwesenheitspfleger, bleibt dagegen entsprechend dem besonderen Zweck der Stellvertretung die Sprachkompetenz des Vertretenen unberücksichtigt. Ist Empfänger eine juristische Person, ist auf ihre vertretungsberechtigten Organe abzustellen,146 wobei ohne Rücksicht auf die Art der Vertretungsmacht und den verantworteten Geschäftsbereich147 jeder Organwalter allein tauglicher Kompetenzträger ist.148 Dies gilt zunächst, wenn die juristische Person nach dem Willen des Zustellenden (und dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats) selbst unmittelbarer Empfänger ist. Ebenso gilt dies im Falle der an einen Organwalter gerichteten Zustellung, wenn die juristische Person als der Vertretene weiterer Empfänger ist, mit der Folge, dass neben der Sprachkompetenz des für die Zustellung an die juristische Person bestimmten Organwalters auch die individuelle Sprachkompetenz aller übrigen (vom Antragsteller unabhängigen, s. Rz. 43 a.E.) Organwalter zu berücksichtigen ist. Von der Erweiterung des Empfängerkreises mit Rücksicht auf das Institut der Stellvertretung (s. Rz. 42) zu unterscheiden ist,149 dass die Anknüpfung an die individuelle Verständnismöglichkeit des Empfängers bzw. der Empfänger (s. Rz. 41 f.; gegebenenfalls Vertretener und Vertreter bzw. Organwalter) sich unter teleologischer Sicht als defizitär erweist, wenn ein Empfänger als Repräsentant für eine arbeitsteilig agierende Organisation, z.B. das von einer juristischen Person oder auch einem Einzelkaufmann150 betriebene Unternehmen adressiert wird. Mit einer arbeitsteiligen Organisation ist nicht nur der Vorteil verbunden, den eigenen Aktionskreis vergrößern zu können, sondern es ergeben sich hieraus auch Gestaltungsmöglichkeiten, die Kognitionsobliegenheit disproportional zum tatsächlichen Aktionskreis der Organisation zu begrenzen. Arbeitsteilig agierenden Organisationen würde ermöglicht, Mitarbeiter zu beschäftigen, um grenzüberschreitend Kunden in deren Landessprache anzusprechen, ohne diesen Kunden in der betreffenden Sprache als Empfänger zur Verfü143 144 145 146
147 148 149 150
Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 8 EuZVO Rz. 29; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 18. OLG Brandenburg v. 11.2.2021 – 12 U 202/20, BeckRS 2021, 10216 Rz. 27. OLG Brandenburg v. 11.2.2021 – 12 U 202/20, BeckRS 2021, 10216 Rz. 27. Vgl. OLG Brandenburg v. 11.2.2021 – 12 U 202/20, BeckRS 2021, 10216 Rz. 27; OLG Celle v. 30.11.2020 – 9 U 67/20, BeckRS 2020, 51079 Rz. 11; OLG Dresden v. 8.3.2021 – 8 U 2149/20, BeckRS 2021, 18109 Rz. 14; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 21; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 8 EuZVO Rz. 7; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1069 ZPO Rz. 21. A.A. BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 16; Schütze, RIW 2006, 352, 353, die der internen Geschäftsverteilung eine ihr im Außenverhältnis nicht zukommende Bedeutung für die Empfangsvertretung beimessen. Vgl. Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 8 EuZVO Rz. 7; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.128. A.A. OLG Dresden v. 8.3.2021 – 8 U 2149/20, BeckRS 2021, 18109 Rz. 14. Vgl. auch Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 7, der die Frage der Person des Kompetenzträgers mit den Indizien für die notwendige Sprachkompetenz vermischt. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 17, 22, 23, 27; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 8 EuZVO Rz. 2a.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks gung zu stehen. Dies gebietet der mit der Begrenzung der Kognitionsobliegenheit angestrebte Schutz des Zustellungsadressaten im Ausgleich mit den gegenläufigen Interessen des Antragstellers nicht. Vielmehr ist gerechtfertigt, dass Kehrseite der Erweiterung der aktiven Kommunikationsmöglichkeiten einer arbeitsteiligen Organisation ist, nicht allein auf die individuelle Sprachkompetenz des Empfängers oder der Empfänger (s. Rz. 41 f.), sondern auf die Sprachkompetenz der gesamten Organisation abzustellen;151 eines Rückgriffs auf den Gedanken des Rechtsmissbrauchs152 bedarf es daneben nicht. Zu berücksichtigen ist daher die insgesamt abgebildete Verständnismöglichkeit (nicht notwendig auch Möglichkeit zur aktiven Kommunikation, s. auch Rz. 45) aller derjenigen Personen, welche die Teilnahme einer Organisation als solcher am Rechtsverkehr prägen. Dies umfasst zunächst die individuellen Verständnismöglichkeiten jedes einzelnen Organwalters (s. auch Rz. 42). Darüber hinaus ist zwar nicht die individuelle Verständnismöglichkeit jeder weiteren für eine Organisation tätigen Einzelperson ausreichend.153 Zu berücksichtigen sind allerdings, ohne Rücksicht auf die interne Hierarchie in der Organisation,154 die individuellen Verständnismöglichkeiten aller derjenigen Personen, deren Unterstützung sich die Organisation unabhängig vom konkreten Einzelfall gesichert hat,155 um zumindest auch für die Organisation nach außen zu kommunizieren und auf welche die Organisation auch im konkreten Einzelfall zurückgreifen kann.156 Berücksichtigt werden können weitere Personen aber nur, wenn sie vom Antragsteller unabhängig sind. Die Sprachkompetenz des Leiters der Rechtsabteilung einer juristischen Person ist für die Zustellung seiner Klage gegen die juristische Person keine solche der juristischen Person. cc) Nutzbarmachung im Außenverhältnis 44
Nach teilweise vertretener Ansicht sollen individuelle Verständnismöglichkeiten nur Berücksichtigung finden, wenn sie nach außen sichtbar geworden sind, insbesondere dadurch, dass der Empfän151 Supremo Tribunal de Justiça v. 20.9.2016 – 439/14.4TBVFX.L1.S1; KG v. 15.9.2020 – 19 W 40/20, BeckRS 2020, 34942 Rz. 7; OLG Düsseldorf v. 18.12.2019 – 7 W 66/19, ZUM-RD 2020, 241; OLG Frankfurt v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRUR-RR 2015, 183, 184; OLG Köln v. 2.3.2023 – 18 U 189/21, BeckRS 2023, 4331 Rz. 63; OLG Köln v. 9.5.2019 – 15 W 70/18, ZUM-RD 2019, 640, 641; OLG München v. 14.10.2019 – 14 W 1170/19, BeckRS 2019, 29850 Rz. 32; LG Heidelberg v. 4.10.2018 – 1 O 71/18, BeckRS 2018, 41758 Rz. 6; LG Magdeburg v. 15.9.2020 – 10 T 295/20, BeckRS 2020, 23240 Rz. 15 f.; LG München I v. 30.11.2009 – 7 O 861/09, BeckRS 2009, 88061; LG Offenburg v. 26.9.2018 – 2 O 310/18, BeckRS 2018, 23801 Rz. 25; AG BerlinMitte v. 8.3.2017 – 15 C 364/16, BeckRS 2017, 107552 Rz. 6; AG Erding v. 5.12.2013 – 4 C 1702/13, BeckRS 2014, 16268; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 20; Exner, öRZ 2020, 62, 64 f.; Geimer/Schütze/ Geimer, EuZVR, Art. 8 EuZVO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 16; Schlosser/ Hess/Schlosser, Art. 8 EuZVO Rz. 2a; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 12. – A.A. tendenziell GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 72 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.: Amtssprache am Sitz der Gesellschaft; BGH v. 21.12.2006 – VII ZR 164/05, NJW 2007, 775 Rz. 23, 32: Organe. 152 So z.B. OLG Celle v. 30.11.2020 – 9 U 67/20, BeckRS 2020, 51079 Rz. 11; LG Offenburg v. 26.9.2018 – 2 O 310/18, BeckRS 2018, 23801 Rz. 22, 26, 27. Vgl. auch GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 88 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. 153 LG Düsseldorf v. 10.3.2016 – 14c O 58/15, GRUR-RR 2016, 228 Rz. 39; LG Magdeburg v. 15.9.2020 – 10 T 295/20, BeckRS 2020, 23240 Rz. 17; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 21; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 24. 154 A.A. Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 8 EuZVO Rz. 2a: leitender Angestellter; tendenziell auch Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 25. 155 Gegebenenfalls nicht private Sprachkenntnisse von Arbeitnehmern, vgl. auch BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 17. 156 Vgl. OLG München v. 14.10.2019 – 14 W 1170/19, BeckRS 2019, 29850 Rz. 32, 37 f. – Enger (auf die bezogen auf eine Angelegenheit befasste/involvierte/zuständige Stelle anstatt auf die für die Organisation zumutbare Erreichbarkeit der Sprachkompetenz abstellend) OLG Frankfurt v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRUR-RR 2015, 183, 184; OLG Köln v. 2.3.2023 – 18 U 189/21, BeckRS 2023, 4331 Rz. 63; OLG Köln v. 9.5.2019 – 15 W 70/18, MMR 2019, 530 Rz. 6; LG Düsseldorf v. 10.3.2016 – 14c O 58/15, GRUR-RR 2016, 228 Rz. 39; LG Offenburg v. 26.9.2018 – 2 O 310/18, BeckRS 2018, 23801 Rz. 25 (Kümmern um rechtliche Auseinandersetzungen); Pickenpack/Zimmermann, IPRax 2018, 364, 365. – Distanziert gegenüber der Berücksichtigung des abrufbaren sprachlichen know-how Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 187.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
ger in einer bestimmten Sprache mit dem Antragsteller kommuniziert hat.157 Es wird darauf verwiesen, dass nicht anginge, dass der wegen Schulungskosten verklagte Schüler eine in der Sprache, welche ihm bis zum Fortgeschrittenenniveau vom Kläger vermittelt wurde, verfasste Klageschrift nicht zurückweisen dürfe. Dies überzeugt nicht. Dass eine Verständnismöglichkeit vom Empfänger (gerade auch im Verhältnis zum Antragsteller) nach außen getragen wurde, ist kein eigenständiges Erfordernis dafür, dass individuelle Verständnismöglichkeiten Berücksichtigung finden. Abweichendes ergibt sich zunächst nicht daraus, dass von der Generalanwältin Trstenjak im Zusammenhang mit den Sprachklauseln zukommenden Indizwirkungen u.a. darauf abgestellt wurde, dass durch Verwendung von Sprachklauseln im Außenverhältnis Vertrauen erweckt wird, dem bei der Bestimmung des individuellen Sprachniveaus entsprochen werden müsse.158 Denn der Nutzbarmachung im Außenverhältnis wird hierdurch keine beschränkende, sondern eine erweiternde Funktion beigemessen. Ebenso wenig folgt Abweichendes aber auch daraus, dass im Zusammenhang mit der Bestimmung der individuellen Verständnismöglichkeiten einer arbeitsteiligen Organisation in den Blick genommen wird, inwieweit diese in bestimmten Sprachen nach außen getreten ist. Denn dieser Umstand dient auch insoweit allein der Rechtfertigung der Ausweitung des Kreises der zu betrachtenden Personen über die Person des Empfängers hinaus und beschränkt nicht in Ansehung der Person des maßgeblichen Kompetenzträgers die zu berücksichtigenden individuellen Verständnismöglichkeiten. dd) Sprachniveau Keine Aussage trifft die Vorschrift darüber, in welchem Umfang der maßgeblichen Person die ver- 45 wendeten Begriffe und Sprachregeln bekannt sein müssen. Vielmehr setzt die Vorschrift insoweit ein bestimmtes Mindestmaß voraus. Dieses ist ausgehend von Sinn und Zweck der Vorschrift zu bestimmen. Zu betrachten ist danach nur die Verständnisfähigkeit, nicht dagegen die Fähigkeit zur aktiven Kommunikation.159 Im Übrigen wird vielfach angenommen, dass nach dem Schwierigkeitsgrad des Schriftstücks zu unterscheiden sei.160 Hiervon geht ausweislich seiner Fokussierung auf verfahrenseinleitende Schriftstücke161 und dem Verweis auf das erforderliche Niveau vor Gericht162 wohl auch der EuGH aus. Eine Unterscheidung des geforderten Sprachniveaus in Abhängigkeit von Art und Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks überzeugt allerdings nicht. Konsequent zu Ende gedacht führte ein solcher Ansatz dazu, dass gegebenenfalls innerhalb eines einzelnen Schriftstücks für einzelne Abschnitte unterschiedliche Anforderungen an das Sprachniveau zu stellen sind. Er beachtet zudem nicht, dass die Vorschrift nicht hiernach unterscheidet, sondern wie die übrigen Regelungen der Verordnung im Grundsatz (Ausnahme z.B. Art. 22 EU-ZustVO 2020) unterschiedslos für alle gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücke gilt (s. Rz. 28), was dem Umstand Rechnung trägt, dass Zustellungsrecht im Unterschied zu den eine Zustellungslast begründenden und ausgestaltenden Vorschriften nur allgemeine,163 nicht dagegen spezifische einzelfallbezogene Gerechtigkeitswertungen umsetzt. 157 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 14 f.; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 8 EuZVO Rz. 14; Springer, S. 142 f. – A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 40. 158 GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 77 ff. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. 159 LG München I v. 30.11.2009 – 7 O 861/09, BeckRS 2009, 88061; Mankowski in FS Kaissis, S. 607, 609; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 19; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 18. 160 LG Bonn v. 30.11.2010 – 10 O 502/09, BeckRS 2011, 21269; Karaaslan, S. 80; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 20; Anders/Gehle/Schmidt, Vor § 1067 ZPO Rz. 26. Wohl auch LG Düsseldorf v. 12.1.2010 – 4b O 286/08, BeckRS 2011, 3329 zu I. der Gründe. 161 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 41 f., 48 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. Zustimmend Ahrens, NJW 2008, 2817, 2819; Hess, IPRax 2008, 400, 402. 162 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 87 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 74 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 18. 163 Vgl. im Ausgangspunkt auch Kern in FS Geimer, S. 311.
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Als Sprachniveau zu fordern ist ausgehend von Sinn und Zweck der Vorschrift einheitlich, dass dem Empfänger die Bedeutung der verwendeten Begrifflichkeiten und Sprachregeln in dem Umfang bekannt ist, wie einem durchschnittlichen EU-Bürger die Begriffe und Sprachregeln seiner Muttersprache bekannt sind.164 Es ist danach nicht erforderlich, dass der Empfänger die Bedeutung aller in einem Schriftstück verwendeten Begriffe und angewandten Sprachregeln kennt, weil eine entsprechende optimale Kenntnis auch im Rahmen von Inlandszustellungen regelmäßig nicht gegeben ist und auch nicht gefordert wird. Erst recht ist nicht erforderlich, dass der Empfänger über die Fähigkeiten verfügt, Rechtssprache zutreffend zu verstehen.165 Anderenfalls würde für grenzüberschreitende Zustellungen ein tatsächliches Sprachniveau gefordert, welchem selbst bei Inlandszustellungen vielfach nicht genügt werden könnte. Auch müsste anderenfalls gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken aus Österreich für ihre Zustellung in Deutschland gegebenenfalls eine Übersetzung beigefügt werden, weil nicht zu erwarten ist, dass ein durchschnittlicher Einwohner der Bundesrepublik Deutschland z.B. eine „Urgenz“ als Mahnung und die „Tagsatzung“ als Gerichtstermin erkennt. Auch ist nicht zu erwarten, dass ein durchschnittlicher Einwohner der Bundesrepublik Deutschland z.B. unter der „Bewilligung der Exekution“ und ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in Deutschland unter einer „Abfertigung“ dasselbe wie ein durchschnittlicher Einwohner bzw. Arbeitnehmer Österreichs versteht.166 Für eine entsprechende Absenkung der Anforderungen sprechen neben den Erfordernissen der Praxis auch die in Erwägungsgrund 26 S. 3 EU-ZustVO 2020 am Ende benannten Indizien für die Sprachkenntnisse des Empfängers (s. Rz. 51): weder die Staatsangehörigkeit noch der Aufenthalt von erheblicher Dauer in einem Staat verbürgen mehr als durchschnittliche Kenntnisse der Alltagssprache.
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Unbeschadet des Umstands, dass niemand das individuelle Sprachverständnis einer Person besser beurteilen kann als die betreffende Person selbst, ist nicht die subjektive Sicht des Empfängers167 dafür maßgeblich, ob die vorhandenen Verständnismöglichkeiten dem geforderten Sprachniveau genügen, sondern hat eine objektive Betrachtung zu erfolgen.168 Dies stellt sicher, dass das Annahmeverweigerungsrecht vom Zustellungsadressaten nicht nach Belieben ausgeübt (missbraucht) werden kann, sondern seine Ausübung an das Vorliegen eines objektiven Grundes gebunden und auf Ausnahmefälle beschränkt ist (vgl. Erwägungsgrund 23 EU-ZustVO 2020). ee) Beurteilungszeitpunkt
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Beurteilungszeitpunkt für die individuelle Sprachkompetenz ist der Zeitpunkt der ein Annahmeverweigerungsrecht gegebenenfalls begründenden Bewirkung der Zustellung.169 Dafür sprechen Sinn und Zweck einer Zustellung ebenso wie Sinn und Zweck des Annahmeverweigerungsrechts. Bedeutung erlangt dies insbesondere im Zusammenhang mit der Würdigung von für eine bestimmte Sprachkompetenz sprechenden Indizien (s. Rz. 51). Ihnen kommt Bedeutung nur zu, soweit sie für den maßgeblichen Zeitpunkt nach der Lebenserfahrung typischerweise schon/noch aussagekräftig sind. Dies bedeutet z.B., dass der für eine bestimmte Sprachkompetenz sprechende längere Auslandaufent164 Vgl. auch EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 87 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 19; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 8 EuZVO Rz. 6. 165 Exner, öRZ 2020, 62, 65 f. – A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 23; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 37; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 8 EuZVO Rz. 2; Springer, S. 138 f.; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 6. 166 Zur Verbindung von Rechtssprache und Rechtsordnung vgl. auch Schütze, RIW 2006, 352, 353. 167 Erst Recht ist nicht maßgeblich die Sichtweise des Antragstellers, vgl. Audiencia Provincial Barcelona v. 22.1.2013 – 15/2013. 168 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 84 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; LG Düsseldorf v. 12.1.2010 – 4b O 286/08, BeckRS 2011, 3329 zu I. der Gründe; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 15; Pickenpack/Zimmermann, IPRax 2018, 364, 366; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 11. – A.A. Schütze, RIW 2006, 352, 353; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1069 ZPO Rz. 20; Sujecki, ZEuP 2007, 358, 360; Gebauer/ Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 9. 169 OLG Nürnberg v. 16.7.2020 – 8 W 2303/20, NJOZ 2020, 1470 Rz. 16.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
halt an Gewicht verliert, wenn er bereits viele Jahre (Jahrzehnte) zurückliegt. Weiter bedeutet dies, dass einem früheren Sitz einer juristischen Person mit zunehmenden Zeitablauf immer geringere Indizwirkung zukommt. ff) Feststellung Hinsichtlich welcher Sprachen die maßgeblichen Personen über eine ausreichende individuelle Ver- 49 ständniskompetenz verfügen, wird nicht im Rahmen eines Vorverfahrens festgestellt.170 Dies beruht in erster Linie auf der prozessökonomischen Erwägung, dass vor wirksamer Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts nicht gewiss ist, dass es erforderlich ist, entsprechende Feststellungen zu treffen. Darüber hinaus berücksichtigt dies den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (s. Rz. 48): in Bezug auf die Zukunft sind Feststellungen von geringerer Richtigkeitsgewähr. Eine verbindliche Klärung der individuellen Verständniskompetenz der maßgeblichen Personen erfolgt dementsprechend erst nach der Zustellung und nachdem der Zustellungsadressat das Annahmeverweigerungsrecht (wirksam) ausgeübt hat.171 Eine antizipierte Feststellung (vor Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts und erst Recht vor der Zustellung) muss selbst dann ausscheiden, wenn der Empfänger eine Annahmeverweigerung (als gewiss) ankündigt,172 weil auch in diesem Fall nicht ausgeschlossen ist, dass er seine Meinung noch ändert (oder auch nur die Frist zur wirksamen Annahmeverweigerung versäumt) und die von der Verordnung angestrebte Minderung des Übersetzungsaufwands erreicht wird. Die Kompetenz zur Feststellung der individuellen Verständnismöglichkeiten liegt nicht bei Empfangs-, Übermittlungs- oder Zentralstelle (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 5, Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 18, Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 17). Abweichendes ergibt sich nicht aus Abs. 2 Unterabs. 2, welcher der zur Belehrung verpflichteten Stelle lediglich die Kompetenz zu einer vorläufigen und allein im Zusammenhang mit der Belehrung bzw. Nichtbelehrung relevanten, nicht aber zu einer darüber hinaus verbindlichen Feststellung zuweist. Die Kompetenz zu einer in anderem Zusammenhang verbindlichen Feststellung liegt vielmehr bei derjenigen Instanz, welcher die Feststellung des Vorliegens einer wirksamen Zustellung als Grundlage bestimmter Rechtsfolgen obliegt. Dies bedeutet auch, dass für dieselbe Zustellung in verschiedenen Zusammenhängen (Verfahren) verschiedene Stellen zur Feststellung berufen sein können und, soweit keine Rechtskraftwirkungen zu beachten sind, die Gefahr widerstreitender Entscheidungen besteht. Beispielhaft hierfür ist, dass das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats gegebenenfalls die individuellen Verständnismöglichkeiten einer Person im Rahmen der Anwendung von Art. 22 EU-ZustVO 2020 als Voraussetzung für eine wirksame Zustellung festzustellen hat und nachfolgend im Versagungsverfahren ein Gericht im Vollstreckungsmitgliedstaat dieselbe Voraussetzung im Rahmen der Anwendung von Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO festzustellen hat (s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 35), unbeschadet des Umstands, dass Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO keine in jeder Hinsicht ordnungsgemäße Zustellung erfordert. Die objektive Feststellungslast für das Vorliegen ausreichender individueller Verständnisfähigkeiten der maßgeblichen Personen trifft denjenigen, der für das Bewirkungen einer Zustellung feststellungsbelastet ist, d.h. regelmäßig den Antragsteller.173 Dies entspricht der durch die Begrenzung der Ko170 Vgl. EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 38 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh u.a.; KG v. 7.6.2013 – 5 W 117/13, BeckRS 2013, 11351 zu II. 2. b) der Gründe. 171 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 57, 76, 89 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 42 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh u.a.; GA Wathelet, Schlussanträge v. 29.5.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:341 Rz. 95 – Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s r.o. 172 A.A. OLG Saarbrücken v. 9.2.2010 – 4 U 449/09, NJOZ 2010, 1152 zu VII. der Gründe. 173 SWD(2018) 287 final, S. 13; EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 80 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; LG Magdeburg v. 15.9.2020 – 10 T 295/20, BeckRS 2020, 23240 Rz. 13; Audiencia Provincial Barcelona v. 22.1.2013 – 15/2013; Ahrens, NJW 2008, 2817, 2819; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 24; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/ EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 29; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/26; Netzer, S. 98; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 93; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 5 EuZVO Rz. 2, Art. 8 EuZVO Rz. 6, 13; Peer, ÖJZ 2012, 5, 10; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 15; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 8 EuZVO Rz. 2; Anders/ Gehle/Schmidt, Vor § 1067 ZPO Rz. 28; Stadler, IPRax 2001, 514, 518; Stadler, ZZPInt. 11 (2006), 227, 233 f.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks gnitionsbefugnis angestrebten Lastenverteilung und berücksichtigt, dass das Vorliegen ausreichender individueller Sprachkompetenz nach dem Konzept der Vorschrift Substitut für eine vom Antragsteller bei Bestehen einer unbedingten Übersetzungsobliegenheit beizubringenden Übersetzung ist. Inwieweit mit der objektiven Feststellungslast eine Darlegungs- und Beweisbeibringungslast verbunden ist, richtet sich (in den durch Effektivitätsgrundsatz und Gebot der Nichtdiskriminierung gezogenen Grenzen) nach dem auf das Verfahren, in dem die Feststellung zu treffen ist, anwendbaren Recht. Daraus, dass nach Erwägungsgrund 26 EU-ZustVO 2020 zur Ermittlung der Sprachkenntnisse alle in der Akte der entscheidenden Stelle enthaltenen relevanten Informationen berücksichtigt werden sollen,174 ist zu entnehmen, dass das Gericht im Einklang mit dem auf das Verfahren, in dem die Feststellung zu treffen ist, anwendbaren Recht auch Amtsermittlung betreiben darf,175 nicht aber betreiben muss. Weiter ist daraus zu entnehmen, dass dem sich nicht einlassenden Zustellungsadressaten nicht gesondert (im Voraus) rechtliches Gehör gewährt werden muss. 51
Keine Aussage ist Abs. 1 zu entnehmen dazu, wie und mit welchem Überzeugungsmaß die individuelle Sprachkompetenz des Empfängers sowie weiterer in dessen Lager stehender und zu berücksichtigender Personen festzustellen ist. Die entsprechende Feststellung ist mit Schwierigkeiten verbunden, weil sie sich letztlich auf eine innere Eigenschaft des Empfängers bzw. der weiteren Personen bezieht und der insoweit in erster Linie darlegungsfähige Zustellungsadressat sich im Falle einer Annahmeverweigerung gerade nicht auf ein Verfahren einzulassen pflegt. Zugleich würden die Vorteile des Annahmeverweigerungsrechts gegenüber einer generellen Übersetzungspflicht weitgehend preisgegeben, wenn die Anforderungen an eine Darlegung und einen Nachweis durch den Antragsteller (s. Rz. 50) zu hoch angesetzt würden.176 Der Antragsteller würde dann voraussichtlich regelmäßig den weniger riskanten Weg beschreiten und ausnahmslos vorsorglich eine Übersetzung in die Amtssprache des Zustellungsorts beschaffen. Um dies zu vermeiden, gibt Erwägungsgrund 26 EU-ZustVO 2020 Hinweise zur Feststellung der Sprachkompetenz.177 Um die Handhabbarkeit der Vorschrift zu gewährleisten,178 werden zunächst exemplarisch, d.h. nicht abschließend als Indizien für eine hinreichende Sprachkompetenz benannt: (1) der Empfänger hat Schriftstücke in der betreffenden Sprache verfasst,179 (2) für den Beruf des Empfängers sind entsprechende Sprachkenntnisse erforderlich,180 (3) der Empfänger ist Staatsangehöriger eines Staates, in dessen Amtssprache das Schriftstück
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Vgl. auch EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 42 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh u.a.: auf Ersuchen des Antragstellers. – A.A. Springer, S. 153. – Nach Indizienlage differenzierend Karaaslan, S. 83 f., der damit letztlich die Frage der objektiven Feststellungslast mit der Annahme einer tatsächlichen Vermutung vermischt. EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 57 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 42 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; KG v. 15.9.2020 – 19 W 40/20, BeckRS 2020, 34942 Rz. 6; abw. noch EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 80 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd. A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 93. Pickenpack/Zimmermann, IPRax 2018, 364, 366. Vgl. bereits Erwägungsgrund 6 S. 3 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 17. Pickenpack/Zimmermann, IPRax 2018, 364, 366. Vgl. OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu 10.3 der Gründe; OLG Brandenburg v. 11.2.2021 – 12 U 202/20, BeckRS 2021, 10216 Rz. 27; OLG Dresden v. 8.3.2021 – 8 U 2149/20, BeckRS 2021, 18109 Rz. 14; OLG Köln v. 2.3.2023 – 18 U 189/21, BeckRS 2023, 4331 Rz. 64; OLG Zweibrücken v. 22.5.2015 – 2 UF 19/15, NJW-RR 2015, 1157 Rz. 21; LG Bonn v. 30.11.2010 – 10 O 502/09, BeckRS 2011, 21269; LG Düsseldorf v. 12.1.2010 – 4b O 286/08, BeckRS 2011, 3329 zu I. der Gründe; AG Erding v. 5.12.2013 – 4 C 1702/13, BeckRS 2014, 16268; Stadler, IPRax 2001, 514, 518; Würdinger, IPRax 2013, 61, 63. – Skeptisch BGH v. 21.12.2006 – VII ZR 164/05, NJW 2007, 775 Rz. 26. Vgl. Erwägungsgrund 6 S. 3 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 17 (Lehrer und Dolmetscher); EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen (Schauspieler für fremdsprachige Rollen); Supremo Tribunal de Justiça v. 20.9.2016 – 439/14.4TBVFX.L1.S1 (internationales Speditions- und Logistikunternehmen); OLG Celle v. 30.11.2020 – 9 U 67/20, BeckRS 2020, 51079 Rz. 11 (Organwalter war zuvor Organ einer aufgenommenen Gesellschaft mit Sitz im Zustellungsmitgliedstaat); Knöfel, RIW 2021, 473, 481 mit Fn. 176: Fremdsprachenlehrer und Dolmetscher.
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verfasst ist,181 und (4) der Empfänger hatte über einen längeren Zeitraum seinen Wohnsitz in einem solchen Staat.182 Diese Auflistung ist aber nicht nur nicht abschließend, sondern vielmehr auch nur in dem Maße zu beachten, wie den benannten Umständen im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung des Beurteilungszeitpunkts (s. Rz. 48) und des Beurteilungsziels Aussagekraft zukommt (kaum z.B. für den satzungsmäßigen Sitz einer Organisation, dagegen mit einigem Gewicht dem Sitz der Hauptverwaltung).183 Insoweit gilt für die benannten Umstände nicht anderes als für unbenannte Umstände. Weiter ist Erwägungsgrund 26 EU-ZustVO 2020 zu entnehmen, dass verordnungsautonom von einem Überzeugungsmaß (betreffend die Fähigkeiten, nicht das Vorliegen eines Indizes) unterhalb desjenigen für einen Beweis im deutschen Recht auszugehen ist. Erforderlich ist eine hohe Wahrscheinlichkeit vergleichbar den Erfordernissen im Rahmen von § 283a ZPO. Ein vom Gericht im Rahmen der Überzeugungsbildung für das Vorliegen einer entsprechenden 52 Sprachkompetenz zu berücksichtigendes Indiz sind (neben den in Erwägungsgrund 26 EU-ZustVO 2020 benannten Umständen) auch durch den Empfänger vereinbarte Sprachklauseln, welche vorsehen, dass die Kommunikation im Rahmen einer Geschäftsbeziehung bzw. zwischen bestimmten Personen in einer bestimmten Sprache erfolgt.184 Die Indizwirkung solcher Klauseln kann über ihren rechtsverbindlichen Geltungsbereich hinausreichen, weil die Indizwirkung nicht rechtlich, sondern tatsächlich fundiert ist. Für einen Empfänger, der mit dem Lieferanten A eine Kommunikation in einer bestimmten Fremdsprache vereinbart (und diese Vereinbarung auch lebt), kann im Einzelfall angenommen werden, er beherrscht die betreffende Fremdsprache. Diese Schlussfolgerung trägt dann nicht nur für Zustellungen durch A, sondern auch für Zustellungen durch den Lieferanten B und gegebenenfalls auch für Geschäftsbeziehungen anderen Inhalts. Entsprechende Sprachklauseln begründen dagegen nicht die (zu widerlegende) Vermutung einer ausreichenden Sprachkompetenz, weil aus einem bestimmten Sollen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein konformes Seien folgt.185 Auch enthalten auf die Kommunikation in einer Geschäftsbeziehung gerichtete Sprachklauseln im Zweifel keine Art. 12 EU-ZustVO 2020 auch für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke abändernde Regelung (dazu s. Rz. 29 f.). Denn im Zweifel ist ihnen nicht der Wille zu entnehmen, auf den Schutz im Zusammenhang mit Zustellungen in einem Rechtsstreit zu verzichten. Entsprechend gilt Vorstehendes im Ausgangspunkt für gesetzliche Sprachvorgaben (vgl. z.B. Art. 21 Abs. 5 Unterabs. 2 Kraftfahrzeughaftpflicht-RL 2009/103/EG, § 163 Abs. 3 S. 4 VAG); soweit diese unionsrechtlich fundiert sind, kann ihre Auslegung ergeben, dass im Interesse eines effet utile der unionsrechtlichen Sprachvorgaben von einer (unwiderleglichen) Vermutung auszugehen ist.
181 Vgl. OLG Dresden v. 8.3.2021 – 8 U 2149/20, BeckRS 2021, 18109 Rz. 14; OLG Köln v. 2.3.2023 – 18 U 189/21, BeckRS 2023, 4331 Rz. 64; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 8 EuZVO Rz. 29; Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 9; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 8 EuZVO Rz. 2; Springer, S. 140 f.; Stadler, IPRax 2001, 514, 518. – Krit. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 18; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 9. 182 Vgl. OLG Düsseldorf v. 15.7.2005 – 3 UF 285/04, BeckRS 2005, 8768 zu II. 2. b. bb) der Gründe; OLG Zweibrücken v. 22.5.2015 – 2 UF 19/15, NJW-RR 2015, 1157 Rz. 25; Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 9. 183 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 19. Weiter tendenziell GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 72 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 37. 184 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 86 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 73 ff. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; OLG Köln v. 9.5.2019 – 15 W 70/18, ZUM-RD 2019, 640, 641; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 28; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 17 f. 185 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 85 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; BGH v. 21.12.2006 – VII ZR 164/05, NJW 2007, 775 Rz. 26; OLG Köln v. 9.5.2019 – 15 W 70/18, ZUM-RD 2019, 640, 641; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 18, 28; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 17 f. – Für Vermutung Sujecki, EWS 2008, 377. – Widersprüchlich BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 21: vereinbarte Sprachklausel ist nur Indiz – einseitige Verlautbarung auf eigener Internetseite ist dagegen bindend.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks d) Amtssprache des Zustellungsorts 53
Neben den und gleichermaßen wie die von den maßgeblichen Personen individuell verstandenen Sprachen umfasst die Kognitionsobliegenheit des Empfängers und ist ohne weitere Bedingungen für das zuzustellende Schriftstück bzw. die begleitende Übersetzung ausnahmslos zugelassen die Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats.186 Gibt es im Empfangsmitgliedstaat mehrere Amtssprache, sind zugelassenen alle Amtssprachen, welche im Empfangsmitgliedstaat für den Zustellungsort zugelassen sind. Im Falle mehrerer Amtssprachen ist/sind mithin nur diejenige/n zugelassen, die am Ort der Zustellung, nicht notwendig am Sitz der Empfangsstelle, gilt/gelten.187 Unerheblich ist, ob die betreffende Amtssprache zugleich eine Amtssprache der EU ist.188 Daher ist für Zustellungen in Zypern auch Türkisch als Amtssprache zugelassene Sprache i.S.v. Abs. 1 lit. b. Amtssprachen im Sinne der Vorschrift sind nicht nur solche, die allgemein für den Rechtsverkehr zugelassen sind, sondern nach Sinn und Zweck auch alle Sprachen, welche ein Mitgliedstaat für grenzüberschreitende Zustellungen (gegebenenfalls nur bestimmter Schriftstücke) zugelassen hat.189 Den Amtssprachen nicht gleich stehen und im Rahmen der Vorschrift nicht zugelassen sind als solche dagegen durch die Mitgliedstaaten nur für die zwischenbehördliche und formulargebundene Kommunikation nach Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 EU-ZustVO 2020 zugelassene Sprachen (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 21).190
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Die Bestimmung des Empfangsmitgliedstaats ebenso wie die gegebenenfalls erforderliche Bestimmung des Zustellungsorts bereiten keine Schwierigkeiten, wenn die Zustellung durch Übergabe, d.h. Besitzverschaffung an einem papiergebundenen Schriftstück erfolgt. Auszugehen ist insoweit von dem Ort, an welchem die papiergebundene Erklärung in den Machtbereich des Zustellungsempfängers gelangt. Auf Zustellungen ohne Besitzverschaffung, d.h. die elektronische Zustellung ist dieser Ansatz allerdings nicht ohne weiteres übertragbar. Elektronische Postfächer, auf welche der Zustellungsempfänger tatsächlich Zugriff hat und welche von ihm allgemein oder für Erklärungen der betreffenden Art zur Entgegennahme gewidmet wurden, gehören zwar im vorliegenden Kontext ebenso wie für den Zugang von Willenserklärungen zum Machtbereich des Zustellungsempfängers. Allerdings sind sie nicht an einen bestimmten Ort gebunden. Für sie an den Ort der Speicherung anzuknüpfen, führte möglicherweise zu zufälligen Ergebnissen und/oder einem Ort außerhalb der EU. Dies hat der Verordnungsgeber ersichtlich übersehen und hierzu weder im Zusammenhang mit der Eröffnung des Anwendungsbereichs noch im Zusammenhang mit Art. 12 EU-ZustVO 2020 eine Regelung vorgesehen. Zu schließen ist diese Lücke durch eine verordnungsautonome teleologische Interpretation des Empfangsmitgliedstaats und des Zustellungsorts. Danach bestimmt sich der Empfangsmitgliedstaat zu einem elektronischen Postfach nicht ausgehend von dem Ort, von dem aus das elektronische Postfach registriert/eingerichtet wurde oder auf den die Rechtsgrundlage der Einrichtung des Postfachs verweist, weil hierbei nicht berücksichtigt würde, dass elektronische Postfächer nach einem grenzüberschreitenden Umzug nicht selten weiter genutzt werden. Ebenso wenig kann darauf abgestellt werden, an welchem Ort der Zustellungsempfänger sein elektronisches Postfach zuletzt vor einer Zustellung oder erstmalig danach abgerufen hat, weil dies entgegen dem Zweck der Zulassung der Amtssprache nicht zuverlässig im Voraus feststellbar ist und zudem leicht zu zufälligen Ergebnissen führen kann (z.B. Abruf im Urlaub). Diese Gefahr besteht nicht, wenn abgestellt wird auf den für Außenstehende erkennbaren Ort, an dem sich der Zustellungsempfänger – bezogen auf den Zustellungszeitunkt – unter gewöhnlichen Umständen voraussichtlich befindet, wenn er elektronische Post, nicht notwendig aus dem betroffenen Postfach, abruft oder abrufen müsste. Dies verweist auf die bekannte Zustelladresse i.S.v. Art. 19 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 f.); im Falle mehrerer bekannter Zustelladressen kann an jede angeknüpft werden. Ergeben sich danach mehrere Empfangsmitgliedstaaten oder Zustellungsorte, kann die zugelassene Sprache anknüpfend an jeden von ihnen ermittelt werden. Ist eine Zustelladresse nicht bekannt, ist bereits der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet. 186 187 188 189
OGH v. 1.3.2012 – 1Ob218/11g zu II. 2. der Gründe. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 2. A.A. inzident BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 13. Vgl. ABl. EG 1997 C 261/33; KOM(1999) 219 endg.; Brenn, Art. 8 EZV Anm. k); Lechner, A5-0060/1999, S. 15 zu Übereinkommen der nordischen Staaten. 190 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 16; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-ZustellVO Rz. 9.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
e) Keine Übersetzung aa) Begleitende Übersetzung Ein Annahmeverweigerungsgrund ist gegeben nur, wenn das zuzustellende Schriftstück nicht in einer der zugelassenen Sprachen verfasst ist und auch nicht von einer Übersetzung in eine zugelassene Sprache begleitet wird. Die Vorschrift regelt nicht explizit, welchen Anforderungen eine Übersetzung genügen muss, damit es sich im Sinne der Vorschrift um eine begleitende Übersetzung handelt, sondern setzt ein bestimmtes verordnungsautonomes Verständnis der begleitenden, d.h. nicht isoliert, sondern notwendig mit dem zuzustellenden Schriftstück zuzustellenden Übersetzung voraus.
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Hinsichtlich der qualitativen Anforderungen an eine die Abfassung in einer zugelassenen Sprache 56 substituierenden Übersetzung trifft die Vorschrift keine explizite Aussage.191 Allerdings lassen sich die qualitativen Mindestanforderungen (gegebenenfalls weitergehende Anforderungen nach dem die Zustellungslast anordnenden Recht bleiben unberührt) unter Berücksichtigung der Systematik der Vorschrift und des Zusammenhangs zwischen der Übersetzung und dem zuzustellenden Schriftstück bestimmen. Da die begleitende Übersetzung ersetzen soll und kann, dass das zuzustellende Schriftstück in einer zugelassenen Sprache verfasst ist, muss die Übersetzung von einer Qualität sein, die es dem Empfänger erlaubt, sich im Wesentlichen ebenso zuverlässig wie im Falle eines in einer zugelassenen Sprache verbindlich abgefassten Schreibens Kenntnis vom wahren Inhalt des zuzustellenden Schreibens zu verschaffen.192 Die qualitativen Anforderungen sind daher nicht gering zu bemessen.193 Lediglich kleinere Ungenauigkeiten oder Nachlässigkeiten,194 wie sie im Zusammenhang mit dem Abfassen eines Schreibens oder seiner Übersetzung nach der Lebenserfahrung nie restlos zu vermeiden sind und z.B. auch Übersetzungen von amtlichen Texten der Union (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 34) anhaften, sind unschädlich, soweit sie das Verständnis nicht erheblich beeinträchtigen.195 Lückenhafte Übersetzungen sind dagegen in der Regel unzureichend.196 Übersetzt werden muss das gesamte zuzustellende Schriftstück. Zusammenfassungen des Inhalts des zuzustellenden Schriftstücks genügen nicht.197 Abweichendes ergibt sich auch nicht daraus, dass im Anschluss an den Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls möglicherweise nur Formblätter mit eng begrenztem Aussagegehalt zuzustellen sind, weil in diesem Fall bereits das zuzustellende Schriftstück lediglich diesen begrenzten Inhalt aufweist und der Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks die Bezugsgröße für den notwendigen Umfang der Übersetzung bestimmt. Für Anlagen zu verfahrenseinleitenden Schriftstücken ist der EuGH198 mit Billigung durch die h.A. davon ausgegangen, dass
191 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 19; Strasser, Rpfleger 2013, 585, 586; Gebauer/ Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 8. 192 A.A. (großzügiger, insbesondere die vom EuGH entwickelten Grundsätze zum Umfang einer Übersetzung fruchtbar machend) Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2504; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 5 EuZVO Rz. 4; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 6, 17; Netzer, S. 96; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 19; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.125; Strasser, Rpfleger 2013, 585, 586. 193 Karaaslan, S. 85. – A.A. Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 38; BeckOK/ZPO/ Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 24. 194 Vgl. Schütze, RIW 2006, 352, 353 f.: Übersetzung muss nicht orthographisch richtig und sprachlich gelungen sein. 195 Karaaslan, S. 85 f.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 24. 196 LG Düsseldorf v. 10.3.2016 – 14c O 58/15, GRUR-RR 2016, 228 Rz. 38; LG Düsseldorf v. 30.4.2015 – 14c O 183/13, BeckRS 2015, 8356 zu A. III. 1. a) der Gründe. – A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 31. 197 Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 9; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 7; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 38; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 17; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 20; Rohe in FS Vollkommer, S. 291, 302; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 8. – A.A. Hess, IPRax 2008, 400, 403: Übersetzung zentraler Passagen ausreichend. 198 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 73 ff. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks diese nicht notwendig vollständig übersetzt werden müssen,199 sondern nur insoweit der Übersetzung bedürfen, als ihr Verständnis für das Verständnis des verfahrenseinleitenden Schriftstücks erforderlich ist.200 Diese Rechtsprechung überzeugt nicht, weil sie verkennt, dass Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO (ebenso wie Art. 22 EU-ZustVO 2020) nur einen Mindeststandard setzt, nicht dagegen die Anforderungen an verfahrenseinleitende Schriftstücke vollständig harmonisieren (s. Rz. 38). Sie ist auch nicht dadurch zu rechtfertigen, dass das Übersetzungserfordernis nicht als formelles Zustellungserfordernis verstanden, sondern als Mittel zur Bewahrung des rechtlichen Gehörs201 gedeutet wird. Denn eine solche Deutung wäre unvereinbar damit, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift über gerichtliche Schriftstücke hinausreicht (s. Rz. 28). Der von der h.A. geteilten Rechtsprechung des EuGH ist daher nicht zu folgen. Erst Recht ist sie nicht auf sonstige Schriftstücke und Anlagen zu diesen zu erstrecken. 58
Hinsichtlich der Form der begleitenden Übersetzung gibt Erwägungsgrund 25 S. 1 EU-ZustVO 2020 verbindlich (s. Rz. 16 a.E.) vor, dass es eines nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats (nicht dagegen nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats)202 vorgesehenen, für eine bestimmte materielle Qualität sprechenden formellen Nachweis (vgl. z.B. auch Art. 3 Abs. 3 HZPÜ und § 26 Abs. 1 S. 3 ZRHO) bedarf und dieser beizubringen ist.203 Dementsprechend richtet sich auch nach dem (dem Gebot der Nichtdiskriminierung und dem Effektivitätsgrundsatz unterliegenden) Recht des Ursprungsmitgliedstaats, durch welche Personen eine Übersetzung gefertigt werden kann und ob auch eine Übersetzung durch den Antragsteller selbst ausreicht. Soweit für Art. 8 EG-ZustVO 2007 unter Verweis auf Art. 4 Abs. 4 EG-ZustVO 2007 weithin angenommen wurde, dass eine beizubringende Übersetzung keiner Beglaubigung bedarf, lag dem ein grobes Fehlverständnis von Art. 4 Abs. 4 EG-ZustVO 2007 zugrunde (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 27), wie Erwägungsgrund 25 S. 1 EU-ZustVO 2020 inzwischen verdeutlicht. Zudem wurde übersehen, dass Art. 4 Abs. 4 EG-ZustVO 2007 allein für Übermittlungen im Rechtshilfeverkehr, nicht dagegen auch für direkte oder unmittelbare Zustellungen gilt. Soweit überdies angenommen wurde, dass die Übersetzung generell auch vom Antragsteller erstellt werden kann, ist diese Ansicht durch Erwägungsgrund 25 S. 1 EU-ZustVO 2020 überholt.204 Dass maßgeblich für die zu wahrenden Formalien das im Ursprungsmitgliedstaat geltende Recht ist, findet darin seine Bestätigung, dass der Ursprungsmitgliedstaat die Übersetzung beibringen soll (Erwägungsgrund 25 S. 2 EU-ZustVO 2020). Aus dieser Zuweisung der Verantwortlichkeit folgt freilich nicht, dass die Unrichtigkeit der Übersetzung nicht (auch) vor den Gerichten eines vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Forummitgliedstaats (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 f.) eingewandt werden kann (Erwägungsgrund 25 S. 3 EU-ZustVO 2020), z.B. im Anerkennungsversagungsverfahren oder bei Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke.
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Ob eine begleitende Übersetzung den vorstehenden Anforderungen genügt, wird ebenso wenig wie die individuellen Verständnismöglichkeiten der maßgeblichen Personen (s. Rz. 40 ff.) im Rahmen eines Vorverfahrens, sondern erst festgestellt, wenn dies zur Feststellung einer wirksamen Zustellung erforderlich ist. Die Kompetenz, diese Feststellung zu treffen, liegt nicht bei Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen, sondern ausschließlich bei derjenigen Instanz, welche das Vorliegen einer wirksamen Zustellung festzustellen hat (s. auch Rz. 49 ff.). Abweichendes ergibt sich nicht aus Abs. 2 Unterabs. 1. Der zur Belehrung verpflichteten Stelle kommt danach lediglich die Kompetenz zu einer vorläufigen und allein im Zusammenhang mit der Belehrung bzw. Nichtbelehrung relevanten, nicht 199 LG Bonn v. 30.11.2010 – 10 O 502/09, BeckRS 2011, 21269; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 32; Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2504; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 16, 18; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 7; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 9 EuZVO Rz. 5. 200 OLG München v. 9.5.2012 – 7 U 2640/10, BeckRS 2012, 10102 Rz. 17; OLG Saarbrücken v. 9.2.2010 – 4 U 449/09, NJOZ 2010, 1152 zu VII. der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 32; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 18; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 7; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 9 EuZVO Rz. 5. 201 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 21 a.E. 202 Zu Art. 5, 8 EG-ZustVO 2007 a.A. Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 5 EuZVO Rz. 3. 203 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 9 VO (EU) 2020/1784 Rz. 22. – Übersehen von Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 35. 204 Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 9 EuZVO Rz. 4a. – A.A. Gottwald, MDR 2022, 1185 Rz. 16: rein private Übersetzung nicht zu beanstanden.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
aber zu einer darüber hinaus verbindlichen Feststellung zu. Insoweit gilt für Abs. 2 Unterabs. 1 nichts anderes als für Abs. 2 Unterabs. 2. bb) Mangelhafte und sinnentstellende Übersetzungen Keine gesonderte Beachtung (über Erwägungsgrund 25 S. 1 EU-ZustVO 2020 hinaus) widmet die 60 Vorschrift mangelhaften und insbesondere sinnentstellenden Übersetzungen.205 Für diese folgt aus dem Vorstehenden lediglich, dass mangelhafte und insbesondere sinnentstellende Übersetzungen keine begleitenden Übersetzungen im Sinne der Vorschrift sind und mithin für die Anwendung der Vorschrift vom Fehlen einer begleitenden Übersetzung auszugehen ist.206 Hierdurch wird den von mangelhaften, insbesondere sinnentstellenden Übersetzungen ausgehenden Gefahren, vor allem für den Anspruch des Zustellungsadressaten auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör, allerdings nur unzureichend Rechnung getragen, weil für den Zustellungsadressaten nicht effektiv gesichert ist, dass er seine Rechte wahren kann. Zwar ist für den Fall, dass die zur Belehrung verpflichtete Stelle in Verkennung der einer Übersetzung anhaftenden Mängel nach Abs. 2 Unterabs. 1 von einer Belehrung abgesehen hat, davon auszugehen, dass die Belehrungspflicht verletzt wurde mit der Folge, dass die für diesen Fall zum Schutz des Zustellungsadressaten vorgesehenen Rechtsfolgen eingreifen (s. Rz. 74). Nicht unmittelbar zurückgegriffen werden kann auf diese Grundsätze dagegen, wenn der Zustellungsadressat zwar nach Abs. 2 ordnungsgemäß belehrt wurde, allerdings infolge seiner unzureichenden individuellen Verständniskompetenz die (sinnentstellenden) Mängel der ihm zugestellten Übersetzung nicht erkennt und aus diesem Grund seine Interessen nicht wahrt. Da dem Zustellungsadressaten in diesem Fall nicht anders als bei Verletzung der Belehrungspflicht eine informierte Entscheidung über die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts nicht möglich ist, kommt eine entsprechende Anwendung der für die Verletzung der Belehrungspflicht geltenden Grundsätze in Betracht. Dies bedeutet, dass die Zustellung unter Beifügung einer mangelhaften (auch sinnentstellenden) Übersetzung wirksam ist, für den Zustellungsadressaten aber ein Annahmeverweigerungsrecht besteht, welches mit Rücksicht auf die Unmöglichkeit zur informierten Entscheidung (bis zur Grenze der Verwirkung) unbefristet besteht.207 Die sich für ihn im Falle der Beifügung einer mangelhaften, insbesondere sinnentstellenden Über- 61 setzung ergebenden Rechte kann der Zustellungsadressat zunächst im Rahmen der im Ursprungsmitgliedstaat eröffneten Rechtsbehelfe zur Geltung bringen (vgl. auch Erwägungsgrund 25 S. 3 EU-ZustVO 2020). Darüber hinaus können sie in anderen Mitgliedstaaten oder auch in Drittstaaten gegen die Anerkennung und Vollstreckung einer im Ursprungsmitgliedstaat ergangenen Entscheidung eingewendet werden. Schließlich sind für den Zustellungsadressaten aber auch die im Empfangsmitgliedstaat gegen die Durchführung einer Zustellung vorgesehenen Rechtsbehelfe (z.B. §§ 23 ff. EGGVG) eröffnet und zwar nach Bescheinigung der Zustellung (Art. 14 EU-ZustVO 2020) gegebenenfalls auch mit dem Ziel eines Widerrufs oder einer Korrektur einer Zustellungsbescheinigung (s. auch Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 120 f.).208
III. Belehrungspflicht (Abs. 2) 1. Voraussetzungen Nach Abs. 2 ist über das Annahmeverweigerungsrecht zu belehren. Die Verpflichtung hierzu entsteht 62 mit Ausführung jeder (vgl. Erwägungsgrund 24 S. 2 EU-ZustVO 2020209, s. aber Rz. 94, 98) grenz205 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 36; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 5 EuZVO Rz. 8. 206 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 33; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 19; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 5 EuZVO Rz. 2, Art. 8 EuZVO Rz. 5; Schütze, RIW 2006, 352, 354; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 9. 207 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 36; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 5. – Abw. Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 10: Wiedereinsetzung nach nationalem Recht, dabei freilich übersehend, dass die Ausschlussfrist zur Annahmeverweigerung z.B. keine nach § 233 ZPO wiedereinsetzungsfähige (Not-)Frist ist. – A.A. wohl Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2505. 208 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 7. 209 Abw. der Vorschlag bei Gauzès, A6-0024/2006, S. 6 (Änderungsantrag 3).
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks überschreitenden Zustellung auf der Grundlage der Verordnung. Sie besteht insbesondere ohne Rücksicht auf die individuelle Sprachkompetenz des Zustellungsadressaten, deren Feststellung vor der Zustellung gerade nicht vorgesehen ist (s. Rz. 49).210 Dem Belehrungspflichtigen kommt insoweit kein Ermessen oder Beurteilungsspielraum zu.211 63
Allerdings ist die Belehrungspflicht ausgeschlossen, d.h. besteht nicht, wenn das zuzustellende Schriftstück oder eine ihm beigefügte Übersetzung in der nach Abs. 1 lit. b zugelassenen Sprache abgefasst ist.212 Der Verordnungsgeber hat insoweit die gegenteilige Rechtsprechung des EuGH zu Art. 8 EG-ZustVO 2007 korrigiert (s. Rz. 23), nach der ausnahmslos eine Belehrung erforderlich war.213 Diese Korrektur ist sachlich gerechtfertigt, weil die nach Abs. 1 lit. b zugelassene Sprache von der Empfangsstelle rechtssicher festgestellt und von der Empfangsstelle auch hinreichend zuverlässig und ohne erheblichen Zeitverlust erkannt werden kann, ob das zuzustellende Schriftstück in dieser Sprache verfasst ist.214 Dies trifft freilich nicht zu, wenn die Vorschrift über Abs. 6 zur Anwendung kommt. Allerdings ist auch in diesen Fällen nicht gerechtfertigt, die Rechtsfolgen einer unterbliebenen Belehrung zugunsten des Zustellungsadressaten eintreten zu lassen, wenn die Voraussetzungen der Ausnahme von der Belehrungspflicht tatsächlich gegeben sind. Denn unbeschadet dessen sichert die Vorschrift den Schutz des Zustellungsadressaten im Zusammenhang mit mangelhaften und insbesondere sinnentstellenden Übersetzungen, weil sie den Belehrungspflichtigen zur Prüfung einer beigefügten Übersetzung anhält, welche entweder Defizite rechtzeitig aufdeckt oder im Falle nicht erkannter Defizite gegebenenfalls zur Verletzung der Belehrungspflicht und den sich hieraus zugunsten des Zustellungsadressaten ergebenden Rechtsfolgen führt.
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Die Belehrungspflicht ist dagegen nicht dadurch ausgeschlossen, dass dem Zustellungsadressaten sein Annahmeverweigerungsrecht aufgrund früherer Belehrungen oder aus sonstigen Gründen umfassend bekannt ist.215 Eine entsprechende, teleologisch begründbare, Einschränkung der Belehrungspflicht sieht die Verordnung im Interesse der Rechtsklarheit nicht vor.216 Vielmehr wird in Erwägungsgrund 24 S. 2 EU-ZustVO 2020 sogar ausdrücklich klargestellt, dass eine erneute Belehrung selbst dann erforderlich ist, wenn der Zustellungsadressat bereits bei einer früheren Zustellung (sogar im selben Verfahren) von seinem Annahmeverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Durch diese Rigidität werden vermieden nachgelagerte Streitigkeiten über die einzelfallbezogene Kenntnis vom Annahmeverweigerungsrecht. Zudem wird gewährleistet, dass der in Bezug auf das Sprachproblem vorgesehene Modus die verfolgten Ziele möglichst einzelfallbezogen (individuell für jedes zuzustellende Schriftstück) erreichen kann. Dem Zustellungsempfänger wird vor Augen geführt, dass er das Annahmeverweigerungsrecht in Bezug auf jedes zugestellte Schriftstück gesondert ausüben kann (und gegebenenfalls ausüben muss). 210 A.A. OLG Dresden v. 8.3.2021 – 8 U 2149/20, BeckRS 2021, 18109 Rz. 14. 211 EuGH v. 5.5.2022 – C-346/21, ECLI:EU:C:2022:368 Rz. 34 – ING Luxemburg SA/VX; EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 38 – Catlin Europe SE/O.K. Trans Praha spol. s r.o., IPRax 2019, 414; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 56 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA, RIW 2017, 216; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 68, 75 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 58 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a., RIW 2015, 748; GA Wathelet, Schlussanträge v. 22.1.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C: 2015:33 Rz. 30 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; OLG Düsseldorf v. 16.7.2019 – 20 W 59/19, BeckRS 2019, 18600 Rz. 17; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 43; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 8 EuZVO Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 4, 5; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 3. 212 Vgl. (mit gewissen Zweifeln) Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 12 EuZuStVO Rz. 2. – A.A. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 7. 213 A.A. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 7. 214 A.A. GA Wathelet, Schlussanträge v. 22.1.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:33 Rz. 30 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Senh Dau Si u.a. 215 EuGH v. 5.5.2022 – C-346/21, ECLI:EU:C:2022:368 Rz. 39 – ING Luxemburg SA/VX. Unentschieden BGH v. 21.12.2006 – VII ZR 164/05, NJW 2007, 775 Rz. 36. 216 Vgl. auch EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 64 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 67 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 57 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
2. Inhalt a) Verpflichteter und Berechtigter Die Belehrungspflicht ist durch die Empfangsstelle zu erfüllen.217 Diese und nicht die Übermittlungsstelle hat die Belehrungserklärung zu fertigen bzw. zu beschaffen und ihre Zustellung zu bewirken. Abweichendes gilt nach Abs. 7, soweit die Vorschrift über Abs. 6 Anwendung findet und in die Zustellung eine Empfangsstelle nicht eingeschaltet ist (s. Rz. 108 f.).218
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Berechtigter der Belehrungspflicht ist der potentiell zur Annahmeverweigerung Berechtigte. Dies ist 66 entgegen dem insoweit unpräzisen Verordnungswortlaut nicht der (Zustellungs-)Empfänger, sondern der Zustellungsadressat, d.h. diejenige Person, gegenüber der die Zustellung unbeschadet der Person des Empfangenden (Vertreter, Organwalter, Bote) die mit ihr intendierten Rechtswirkungen auslösen soll (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 ff.).219 Anderenfalls könnte das Annahmeverweigerungsrecht leerlaufen, wenn z.B. ein empfangender Organwalter nach Zustellungsbewirkung, aber vor Ablauf der Annahmeverweigerungsfrist und vor Annahmeverweigerung seine Amtsstellung verliert oder verstirbt. Nicht belehrungsberechtigt sind danach für den Zustellungsadressaten beim Empfang handelnde Stellvertreter, auch wenn sie als Zustellungsempfänger bestimmt waren. Denn die Wirkungen des Vertretergeschäfts gehen durch den Vertreter hindurch. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob ein Empfangsvertreter auch zur Annahmeverweigerung berechtigt ist, weil er allenfalls neben dem Zustellungsadressaten zur Annahmeverweigerung berechtigt ist und durch Einschaltung von Stellvertretern der Kreis der zu Belehrenden nicht erweitert werden kann. Unberührt bleibt, dass der beim Empfang handelnde Stellvertreter den Belehrungsberechtigten bei der Entgegennahme auch der Belehrung vertritt. Ist Empfänger eine juristische Person oder Personengruppe, folgt aus Vorstehendem, dass zu belehren sind ihre Organwalter bzw. Vertreter; im Falle der Gesamtvertretung genügt die Belehrung eines Organwalters oder Vertreters. Etwas Anderes gilt auch nicht, soweit die Beteiligung eines (gesetzlichen) Vertreters erforderlich ist, um einen Mangel der Geschäfts- oder Prozessfähigkeit auszugleichen, und (aufgrund der den Ausschluss der Geschäfts- oder Prozessfähigkeit rechtfertigenden Schutzerwägungen, z.B. Schutz Minderjähriger) ein Stellvertreter anstelle des Vertretenen die Annahmeverweigerung erklären muss. Denn auch insoweit gilt, dass die Wirkungen des Vertretergeschäfts durch den Stellvertreter hindurchgehen, und bleibt zugleich unberührt, dass der Empfangsvertreter den Belehrungsberechtigten in der Entgegennahme der Belehrung vertritt, d.h. die Belehrung ihm gegenüber erfolgt, so wie die Zustellung des zuzustellenden Schriftstücks ihm gegenüber erfolgt. Nicht belehrungsberechtigt sind nach Vorstehendem auch Personen, an welche eine Ersatzzustellung bewirkt werden kann; unberührt bleibt wiederum, dass unter den Voraussetzungen einer Ersatzzustellung auch die Belehrung im Wege der Ersatzzustellung bewirkt werden kann.220 b) Formblattpflicht und Zugangsbewirkung Die Belehrung hat dadurch zu erfolgen, dass dem zuzustellenden Schriftstück das ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllte Formblatt L,221 welches den von der Verordnung vorgeschriebenen Inhalt der Belehrung enthält, beigefügt wird.222 Ausfüllfehler und -lücken sind unbeachtlich, soweit sie unter keinem Gesichtspunkt die effektive Wahrnehmung des Annahmeverweigerungsrechts durch den Berechtigten spürbar beeinträchtigen können (z.B. fehlende oder fehlerhafte Angabe der Telefon-
217 218 219 220 221 222
Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 42. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 42. Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 6; Stadler, IPRax 2002, 471, 477. A.A. Stadler, IPRax 2002, 471, 477. Zu de lege ferenda vorzugsweise weitergehenden Inhalten einer Belehrung vgl. Springer, S. 151. Vgl. EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 36 – Catlin Europe SE/O.K. Trans Praha spol. s r.o., IPRax 2019, 414; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 54 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA, RIW 2017, 216; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 45 f. – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a., RIW 2015, 748; Supremo Tribunal de Justiça v. 20.9.2016 – 439/14.4TBVFX.L1.S1; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 43; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 8 EuZVO Rz. 7; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 8 EuZVO Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 6.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks nummer im Formblatt).223 Erforderlich ist aber insbesondere die zutreffende Belehrung über den Adressaten der Annahmeverweigerung unter Angabe seiner Anschrift. Aus dem Beifügenserfordernis ergibt sich, dass die Belehrung in der gleichen Weise wie das zuzustellende Schriftstück dem Zustellungsempfänger in dessen Machtbereich zu übermitteln ist. Dies tatsächlich zu bewirken, d.h. den entsprechenden Erfolg herbeizuführen, ist Inhalt der Verpflichtung. Durch Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten kann nicht nach Art. 29 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 auf die Verwendung des Formblatts verzichtet werden (s. Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 f.).224 68
Eine mündliche Belehrung ist neben der formularmäßig-schriftlichen Belehrung nicht erforderlich.225 Sie ist (ergänzend) zulässig, solange ihr Inhalt den erforderlichen Aussagegehalt der formularmäßig-schriftlichen Belehrung nicht entstellt, dessen zutreffendes Verständnis nicht sonst beeinträchtigt und auch im Übrigen nicht geeignet ist, von der informierten Entscheidung über die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts abzuhalten und dessen tatsächliche Ausübung zu erschweren. c) Sprachfassungen
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Zur Erfüllung der Belehrungspflicht muss das Formblatt L grundsätzlich kumulativ in mehreren Sprachen Verwendung finden und dem zuzustellenden Schriftstück beigefügt werden. Hierdurch soll möglichst weitgehend sichergestellt werden, dass der Zustellungsadressat die Belehrung tatsächlich auch verstehen kann und nicht nur verstehen können muss.
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Erstens ist das Formblatt L stets in einer Amtssprache des Ursprungsmitgliedstaats beizufügen. Nicht gefordert ist insoweit, dass es sich dabei um eine Amtssprache der EU handelt. Freilich wird dies in der Regel der Fall sein, weil das Formblatt L der Verordnung nur in allen Amtssprachen der EU, nicht aber in weiteren Amtssprachen der Mitgliedstaaten beigefügt ist. Dem Empfangsmitgliedstaat bleibt allerdings unbenommen, das Formblatt L auch in eine andere Amtssprache des Ursprungsmitgliedstaats übersetzen zu lassen, er muss dies aber nicht. Verfügt ein Mitgliedstaat über mehrere Amtssprachen, kann das Formblatt L in jeder dieser verwendet werden. Nach Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a ist nicht erforderlich, dass es sich um die für die Übermittlungsstelle maßgebliche Amtssprache handelt. Hierdurch wird der Prüfungsaufwand der Empfangsstelle reduziert und die Anfälligkeit für Fehler gemindert.
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Zweitens ist das Formblatt L stets in einer nach Abs. 1 lit. b zugelassenen Sprache beizufügen. Ist eine nach Abs. 1 lit. b zugelassene Sprache zugleich eine Amtssprache des Ursprungsmitgliedstaats, muss weder das Formblatt L doppelt beigefügt noch im Rahmen des Möglichen das Formblatt L in einer anderen Amtssprache des Ursprungsmitgliedstaat oder einer anderen nach Abs. 1 lit. b zugelassenen Sprache beigefügt werden.
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Gibt es Anzeichen dafür, dass der Empfänger (s. Rz. 40 ff.) eine Amtssprache eines anderen (von Ursprungs- und Empfangsmitgliedstaat verschiedenen)226 Mitgliedstaats versteht, ist nach Abs. 2 Unterabs. 2 zur Erfüllung der Belehrungspflicht das Formblatt L drittens auch in der betreffenden Amtssprache beizufügen. Vorausgesetzt wird, dass dem Belehrungspflichtigen im Zeitpunkt der finalen Auslösung der Erfüllung der Belehrungspflicht in den beiden anderen Sprachen (s. Rz. 70 f.) objektive Anhaltspunkte (insbesondere aufgrund der insoweit, nur begründend und nicht auch ausschließend, bindenden Angaben zu Ziff. 7 in Formblatt A)227 dafür bekannt sind, dass der Empfänger eine Amtssprache eines anderen Mitgliedstaats versteht, welche sich von den Sprachen, in denen das Formblatt nach Abs. 2 Unterabs. 1 ohnehin tatsächlich beigefügt wird, unterscheidet. Die Anhalts223 LG Hamburg v. 24.6.2021 – 327 O 32/20, BeckRS 2021, 57817 Rz. 21 f.; LG Hamburg v. 25.2.2021 – 327 O 433/19, BeckRS 2021, 6471 Rz. 27 f.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 4; Prütting/ Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 3. – Die durch Verwendung der Konjunktion „oder“ im Formular angelegte Missverständlichkeit ist nicht geeignet, die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts zu hindern, sondern führt vielmehr gegebenenfalls dazu, dass sachgrundlos eine Annahmeverweigerung erfolgt. 224 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EG) 1393/2007 Rz. 54. 225 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 57; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 4; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 4. 226 Abs. 2 Unterabs. 2 bewirkt mithin nicht, dass die Belehrung stets in allen Amtssprachen des Empfangsmitgliedstaats (dortige Ansässigkeit begründet durchaus Anhaltspunkt) erfolgen muss. 227 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 55.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
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punkte müssen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit objektiv die Annahme einer individuellen Sprachkompetenz des Empfängers tragen. Nicht erforderlich ist dabei eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Ausreichend ist vielmehr eine den Mehraufwand rechtfertigende Wahrscheinlichkeit. Die Sprachkompetenz muss sich auf die Amtssprache eines Mitgliedstaats der EU beziehen. Bei dieser muss es sich um eine Amtssprache der EU handeln, weil auch insoweit ausdrücklich durch Beifügung des Formblatts L zu belehren ist und die Formblätter nur in den Amtssprachen der EU vorliegen. Bestehen entsprechende Anzeichen in Bezug auf mehrere weitere Amtssprachen, ist das Formblatt L nach Sinn und Zweck der Regelung in allen diesen zusätzlich beizufügen. Wird Abs. 2 Unterabs. 2 (infolge einer Fehleinschätzung des Belehrungspflichtigen) verletzt, löst dies dieselben Folgen wie eine Verletzung von Abs. 2 Unterabs. 1 aus (s. aber Rz. 74).228 Abs. 2 Unterabs. 2 hat mithin das Risiko einer Verletzung der Belehrungspflicht nicht unerheblich erhöht, geht man mit der bislang h.A. davon aus, dass zuvor eine Belehrung nicht in allen Amtssprachen zu erfolgen hatte; ausschließen lässt sich dieses Risiko dadurch, dass die Belehrung in allen Amtssprachen beigefügt wird. Unter keinen Umständen besteht eine Verpflichtung zur Belehrung in der Amtssprache eines Drittstaats, die nicht zugleich Amtssprache eines Mitgliedstaats ist.229 Abweichendes folgt nicht aus Abs. 2 Unterabs. 3. Zwar erlangt die dort vorgesehene Mitteilungspflicht Bedeutung nur, wenn die übersetzten Formblätter im Anschluss auch Verwendung finden. Zugleich ordnen Abs. 2 Unterabs. 1, 2 eine solche Verwendung aber nicht mit der in Ansehung der gravierenden Rechtsfolgen einer Verletzung der Belehrungspflicht erforderlichen Klarheit an, weshalb eine Belehrung in der Amtssprache eines Drittstaats erfolgen kann, aber weder die Belehrung in einer der anderen Sprachen ersetzen kann noch selbst zwingend erforderlich ist.
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3. Rechtsfolgen Die Erfüllung der Belehrungspflicht ist weder Voraussetzung für den Eintritt der Zustellungswirkungen noch Voraussetzung für die Annahmeverweigerung. Vielmehr führt die Verletzung der Belehrungspflicht jenseits einer Erfüllungspflicht230 und etwaigen Amtshaftungsansprüchen des Belehrungsberechtigten gegen den Belehrungsverpflichteten (s. Rz. 65 f.)231 lediglich dazu, dass die Ausschlussfrist, welcher das Annahmeverweigerungsrecht unterliegt, nicht anläuft und das Annahmeverweigerungsrecht daher nicht durch bloßen Zeitablauf verfallen kann.232 Letzteres gilt, wurde der Belehrungspflicht nicht in allen erforderlichen (s. Rz. 69 ff.) Sprachfassungen genügt, allerdings nur, wenn der Empfänger nicht über die individuelle Sprachkompetenz verfügt, um das Formblatt in einer der ihm zugestellten Sprachfassungen zu verstehen; dies ist nicht zuletzt zur Begrenzung der sich aus Abs. 2 Unterabs. 2 für die Rechtssicherheit ergebenden Risiken (s. Rz. 72) geboten.
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Zu Art. 8 EG-ZustVO 2007 ist der EuGH freilich davon ausgegangen, dass eine unter Verletzung der Belehrungspflicht erfolgte Zustellung nicht nichtig ist.233 Zugleich ist er davon ausgegangen, dass eine solche Zustellung mit Rücksicht auf das Erfordernis des Beifügens noch nicht bewirkt ist, bis die Be-
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228 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 59. – A.A. Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 4 unter (rechtspolitisch gut nachvollziehbarem) Verweis auf die Rechtssicherheit, ohne aber zu berücksichtigen, dass dadurch Abs. 2 Unterabs. 2 seiner praktischen Wirksamkeit beraubt wird. 229 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 54. 230 Vgl. EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 50 – Catlin Europe SE/O.K. Trans Praha spol. s r.o.; GA Wathelet, Schlussanträge v. 22.1.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:33 Rz. 34 ff. – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a. 231 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 8 EuZVO Rz. 14; Mankowski, EuZW 2015, 836, 837. 232 Vgl. EuGH v. 5.5.2022 – C-346/21, ECLI:EU:C:2022:368 Rz. 45 f. – ING Luxemburg SA/VX; Cour de cassation v. 18.10.2012 – 11-22673; Cour d’appel Versailles v. 9.4.2009 – 08/00414; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 39; Fabig/Windau, NJW 2022, 1977 Rz. 19; Fabig/Windau, NJW 2022, 2464; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 4. Vgl. auch OLG Düsseldorf v. 16.7.2019 – 20 W 59/19, BeckRS 2019, 18600 Rz. 22. 233 EuGH v. 5.5.2022 – C-346/21, ECLI:EU:C:2022:368 Rz. 42 – ING Luxemburg SA/VX; EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 49 – Catlin Europe SE/O.K. Trans Praha spol. s r.o.; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 57 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 60 ff. – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; OLG Düsseldorf v. 16.7.2019 – 20 W 59/19, BeckRS 2019, 18600 Rz. 19; OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017,
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks lehrung im Einklang mit den Vorgaben der Verordnung und nicht nur fiktiv234 nachgeholt wurde.235 Da die Belehrungspflicht ausnahmslos bestand, waren Belehrungsmängel ohne Rücksicht darauf beachtlich, ob ein Annahmeverweigerungsrecht besteht oder ausgeübt wird.236 Es bestand aufgrund der Verordnung die Pflicht, die Belehrung entsprechend nachzuholen.237 Ohne ordnungsgemäße Erfüllung der Belehrungspflicht sollte sich die Zustellung in einer Schwebephase befinden, welche nur beendet werden konnte dadurch, dass (gegebenenfalls mit Rückwirkung)238 in entsprechender Anwendung von Abs. 5 die Belehrung (isoliert und insoweit abweichend vom in Abs. 5 gefassten Heilungstatbestand) nachgeholt wird.239 Erst dann konnte ein Annahmeverweigerungsrecht entstehen, d.h. die Erfüllung der Belehrungspflicht soll für dieses Entstehungsvoraussetzung sein (s. Rz. 78).240 76
Zu erwarten ist auch, dass der EuGH sein bisheriges Verständnis ohne Weiteres auf die Neuregelung überträgt,241 gegebenenfalls mit der Modifikation, dass ein Belehrungsmangel mit Blick auf Abs. 2 Unterabs. 1 nunmehr auch dadurch geheilt werden kann, dass anstelle der Nachholung der Belehrung in Anwendung von Abs. 5 sogleich zuzustellendes Schriftstück und begleitende Übersetzung zugestellt werden. Überzeugend erscheint eine solche Fortführung der bisherigen Rechtsprechung allerdings nicht. Vielmehr erscheint vorzugswürdig, davon auszugehen, dass die Verletzung der Belehrungspflicht für den Tatbestand der Zustellung ebenso wie für das Entstehen des Annahmeverweigerungsrechts ohne Bedeutung ist (s. Rz. 78) und nach Sinn und Zweck lediglich wie hier vertreten den Anlauf der für das Annahmeverweigerungsrecht bestehenden Ausschlussfrist berührt.242 Vor ordnungsgemäßer (oder, gemessen an der individuellen Sprachkompetenz, verständlicher) Belehrung kann die Ausschlussfrist nicht anlaufen. Dies wiederum bedeutet, dass die Rechtslage im Anschluss an die Verletzung der Belehrungspflicht der Rechtslage nach ordnungsgemäßer Belehrung, aber vor Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts entspricht (s. Rz. 33). Gegen die abweichende Ansicht des EuGH sprachen bereits bislang das Telos der Belehrungspflicht243 und die Erwägung, dass die Belehrungspflicht in ihrem originären Anwendungsbereich nicht den Antragsteller trifft, weshalb auch nicht sachgerecht ist, ihn mit der Folge einer zunächst nicht wirksamen Zustellung zu belasten. Nun-
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143743 Rz. 34; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 46. – A.A. Supremo Tribunal de Justiça v. 20.9.2016 – 439/14.4TBVFX.L1.S1; Cour d’appel Angers v. 25.3.2014 – 11/02230. EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 69 f. – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a. EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 50 – Catlin Europe SE/O.K. Trans Praha spol. s r.o.; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 58 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 63 ff. – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; OLG Düsseldorf v. 16.7.2019 – 20 W 59/19, BeckRS 2019, 18600 Rz. 19; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 8 EuZVO Rz. 1. – A.A. Peer, ÖJZ 2012, 5, 10: Heilung durch Einlassen in das Verfahren. Vgl. EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 70 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen. – A.A. Augsta¯ka¯s tiesas Sena¯ts v. 20.5.2015 – SKC-2344/2015 zu 8.1 der Gründe; OLG Dresden v. 7.4.2020 – 4 U 2805/19, BeckRS 2020, 7500 Rz. 7; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/24; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 6; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 9. EuGH v. 5.5.2022 – C-346/21, ECLI:EU:C:2022:368 Rz. 43, 46 – ING Luxemburg SA/VX; EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 50 – Catlin Europe SE/O.K. Trans Praha spol. s r.o.; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 72 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a.; GA Wathelet, Schlussanträge v. 22.1.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:33 Rz. 47 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 62; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 5. Verkannt von GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2021 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 50 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.: Abhilfe durch Übersendung einer Übersetzung, dabei aber übersehend, dass nach vom EuGH zu Art. 8 EG-ZustVO 2007 vertretener Ansicht die Belehrungspflicht auch bei anfänglicher Beifügung einer Übersetzung besteht, d.h. die Übermittlung einer Übersetzung nicht die Belehrungspflicht erfüllen kann. EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 54 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a. Dafür auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 60 ff. (allerdings mit teleologischer Reduktion); BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 36. Vgl. bereits Cour de cassation v. 18.10.2012 – 11-22673. Vgl. nur die in der Sache treffende Argumentation bei OLG Dresden v. 7.4.2020 – 4 U 2805/19, BeckRS 2020, 7500 Rz. 7: wenn Belehrung dazu dient, Übersetzung einzufordern, muss Heilung eines Belehrungsmangels auch durch Beibringung einer Übersetzung möglich sein und eine Heilung des Belehrungsmangels entbehrlich sein, wenn eine Übersetzung nicht erforderlich ist.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
mehr spricht gegen die Rechtsansicht des EuGH aber vor allem, dass sie bei der Neufassung der Vorschrift nicht kodifiziert und insbesondere Abs. 5 nicht entsprechend neugefasst wurde. Weiter spricht gegen eine Fortführung der Rechtsprechung des EuGH, dass die Belehrungspflicht nicht mehr ausnahmslos besteht (Abs. 2 Unterabs. 1) und ihr Umfang zudem inzwischen durch bloße, in ihrer Feststellung und Bewertung mit hoher Unsicherheit behaftete, Anzeichen (Abs. 2 Unterabs. 2) bestimmt wird. Schließlich ermöglicht der hier vertretene Ansatz, der in Ansehung der Auswirkungen auf die effektive Möglichkeit zur Annahmeverweigerung bestehenden Vergleichbarkeit von Belehrungsmängeln und sinnentstellenden Übersetzungen konsistent Rechnung zu tragen. 4. Mitteilungspflicht gegenüber Kommission (Unterabs. 3) Nach Abs. 2 Unterabs. 3 haben die Mitgliedstaaten der Kommission zu übermitteln von ihnen erstellte Übersetzungen des Formblatts L in die Amtssprache eines Drittstaats. Nach Sinn und Zweck der Regelung besteht die Mitteilungspflicht nur, soweit die Amtssprache eines Drittstaats nicht zugleich Amtssprache eines Mitgliedstaats ist. Eine analoge Anwendung der Vorschrift ist geboten auf Amtssprachen eines Mitgliedstaats, die keine Amtssprachen der EU sind (z.B. Türkisch in Zypern). Praktische Bedeutung wird die Vorschrift in ihrem originären Anwendungsbereich voraussichtlich nicht erlangen, weil für Empfangsstellen kein Anlass besteht, das Formblatt L in weitere Sprachen übersetzen zu lassen (s. Rz. 73);244 praktische Relevanz könnte sie aber im Bereich ihrer analogen Anwendung erlangen.
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IV. Annahmeverweigerung (Abs. 3, 4) 1. Voraussetzungen Voraussetzung für das Bestehen eines Annahmeverweigerungsrechts ist (neben der erfolgten Zu- 78 stellung eines Schriftstücks) ausschließlich das Vorliegen eines Annahmeverweigerungsgrunds i.S.v. Abs. 1. Dagegen ist keine Voraussetzung der Annahmeverweigerung, dass die Belehrungspflicht erfüllt wurde (s. Rz. 75 f.).245 2. Berechtigter Zur Annahmeverweigerung berechtigt ist entgegen des insoweit unpräzisen Verordnungswortlauts 79 nicht der Zustellungsempfänger, sondern der Zustellungsadressat,246 d.h. diejenige Person, gegenüber der die Zustellung unbeschadet der Person des Empfangenden (Organwalter, Vertreter, Bote) die mit ihr intendierten Rechtswirkungen auslösen soll (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 ff.). Nicht selbst Berechtigter ist danach ein für den Zustellungsadressaten beim Empfang handelnder Stellvertreter. Denn die Wirkungen des Vertretergeschäfts gehen durch diesen hindurch. Unberührt bleibt, dass ein beim Empfang handelnder Stellvertreter, verfügt er über ausreichende Vertretungsmacht (oder wird sein Handeln nachgehend genehmigt), die Annahmeverweigerung im Rahmen des auf die Zustellung anwendbaren Rechts247 im Namen des Berechtigten wirksam für diesen erklärt. Dasselbe gilt, wenn die Beteiligung eines gesetzlichen Vertreters erforderlich ist, um einen Mangel der Handlungs-, Geschäfts- oder Prozessfähigkeit auszugleichen. Den den Ausschluss der Geschäfts- oder Prozessfähigkeit rechtfertigenden Schutzerwägungen (z.B. Schutz Minderjähriger) wird dadurch genügt, dass
244 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 56. – Ohne Problembewusstsein BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 38. 245 OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 35; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 64; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 6. – A.A. EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 66 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 54 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Senh Dau Si u.a. 246 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 50; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 76; Stadler, IPRax 2002, 471, 477. Unklar EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 50 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA. – A.A. inzident Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 9. 247 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 76.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks (nur) der gesetzliche Vertreter die Annahmeverweigerung für den Zustellungsadressaten erklären kann. Ist Zustellungsadressat eine juristische Person oder Personengruppe, folgt aus Vorstehendem, dass die Annahmeverweigerung im Namen des Berechtigten erklären können, nicht aber selbst Berechtigte sind Organwalter bzw. Vertreter. Das zu Vertretern Gesagte gilt entsprechend für Personen, an welche eine Ersatzzustellung bewirkt werden kann.248 Zu beachten ist, dass solchen Personen regelmäßig keine Vertretungsmacht zur Erklärung der Annahmeverweigerung zukommt. Nach dem auf die Zustellung anwendbaren Recht bestimmt sich, inwieweit die hiermit verbundenen Nachteile dadurch kompensiert werden, dass der Zeitpunkt der Zustellung aufgeschoben wird mit der Folge, dass die Frist für die Annahmeverweigerung erst verzögert anläuft (s. Rz. 87).249 Davon abgesehen kann die durch einen Vertreter ohne Vertretungsmacht erklärte Annahmeverweigerung aber auch vom Verweigerungsberechtigten genehmigt werden. 80
Der Anwendungsvorrang der Verordnung schließt in Verbindung mit dem Effektivitätsgrundsatz aus, dass das Recht der Mitgliedstaaten die Ausübung der Annahmeverweigerung einem Vertretungszwang unterwirft.250 3. Ausübung (Abs. 3) a) Adressat
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Das Annahmeverweigerungsrecht wird ausgeübt durch eine Erklärung entweder gegenüber der die Zustellung ausführenden Person bei der Übergabe (unter Anwesenden) oder251 durch eine Erklärung gegenüber der Empfangsstelle (unter Abwesenden).252 Wirksam wird die Annahmeverweigerung mit Zugang der betreffenden Erklärung beim Adressaten. Soweit nach der ursprünglichen deutschen Sprachfassung von Abs. 3 S. 2 als Adressat der Annahmeverweigerung die Übermittlungsstelle benannt wurde, beruhte dies auf einem Übersetzungsfehler, der inzwischen berichtigt wurde (s. Rz. 23). Nicht nur aus den anderen Sprachfassungen, sondern ebenso aus Abs. 4 konnte auch unabhängig hiervon schon erkannt werden, dass insoweit keine Änderung gegenüber Art. 8 EG-ZustVO 2007 erfolgt und nicht die Übermittlungsstelle zuständig (geworden) ist.253
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Eine Annahmeverweigerung, welche gegenüber einer Person, die nicht richtiger Adressat ist, erklärt wird, ist unwirksam.254 Abweichendes gilt auch nicht, wenn die Annahmeverweigerung anstatt gegenüber der zuständigen Empfangsstelle im Übrigen form- und fristgerecht gegenüber der Übermittlungsstelle erklärt wird.255 Zwar spricht in diesem Fall für die Wirksamkeit der Annahmeverweigerung, dass die Entscheidung für die Zuständigkeit der Empfangsstelle darauf beruht, dem Zustellungsadressaten die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts zu erleichtern und eine schnelle und zuverlässige Information der Übermittlungsstelle (und darüber auch des Antragstellers) zu gewährleisten, und diese Ziele im Kern auch im Falle eines unmittelbaren Eingangs bei der Übermittlungsstelle erreicht werden. Gleichwohl muss eine teleologische Reduktion der Begrenzung des Adressatenkreises ausscheiden, weil diese Begrenzung auch verhindern soll, dass der Übermittlungsstelle unrichtige 248 249 250 251
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Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 50. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 50. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 77. COM(2013) 858 final, S. 12; GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2021 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 48 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; BGH v. 3.8.2011 – XII ZB 187/10, NJW 2011, 3103 Rz. 15; BGH v. 21.12.2006 – VII ZR 164/05, NJW 2007, 775 Rz. 34; Zöller/Geimer, Art. 8 EuZustVO Rz. 1. COM(2013) 858 final, S. 12; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 12. – Abw. OLG Frankfurt v. 20.8.2008 – 5 W 23/08, NJW-RR 2009, 71, 72; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 13, 41; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 8 EuZVO Rz. 8; Zöller/Geimer, Art. 8 EuZustVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 20; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/25; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 78. Verfehlt BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 42. Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 41. – Übersehen von Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 12 EuZuStVO Rz. 3: Erklärung gegenüber Übermittlungsstelle. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 12. A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 78; Rohe in FS Vollkommer, S. 291, 303.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
Zustellungsbescheinigungen zugehen. Diesem Ziel wird unter Berücksichtigung der Möglichkeit unterschiedlicher Übermittlungszeiten sowie der Maßgeblichkeit der Absendung zur Fristwahrung (s. Rz. 88) durch einen Eingang der Annahmeverweigerung bei der Übermittlungsstelle nicht im selben Maße wie bei einer ausschließlichen Zuständigkeit der Empfangsstelle genügt. b) Inhalt und Form Notwendiger Inhalt der Annahmeverweigerungserklärung ist, dass dem Willen Ausdruck verliehen 83 wird, die Zustellung eines konkreten Schriftstücks256 nicht gegen sich geltend zu lassen, und zugleich als Grund dafür auf das Vorliegen des Annahmeverweigerungsgrunds (Verwendung nicht zugelassener Sprache) verwiesen wird. Dass die Annahme aus sonstigen Gründen (z.B. unter Verweis auf eine Personenverwechslung o.Ä.) verweigert wird, steht dem nicht gleich und genügt nicht.257 Der Annahmeverweigerungswille wird ausreichend zum Ausdruck gebracht bei Verwendung des verordnungsgemäß ausgefüllten Formblatts L.258 Dass der Zustellungsadressat Angaben zu den von ihm beherrschten Sprachen macht, ist dafür nicht erforderlich.259 Die Verwendung des Formblatts ist auch nicht obligatorisch. Dem Annahmeverweigerungswillen kann auch durch sonstige schriftliche Erklärung Ausdruck verliehen werden.260 Dagegen besteht im Unterschied zu Art. 8 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 im Ergebnis nicht mehr die Möglichkeit, den Annahmeverweigerungswillen (allein) dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass das zuzustellende Schriftstück zurückgesendet wird. Da die Verordnung ausschließlich den in Abs. 1 gefassten Annahmeverweigerungsgrund kennt, liegt in der Rücksendung als solcher, fehlen abweichende Erklärungen, zwar eine hinreichende Bezugnahme auf den Annahmeverweigerungsgrund des Abs. 1. Allerdings wahrt die bloße Rücksendung nicht die vorgesehene Form (s. Rz. 85). Keine Voraussetzung einer wirksamen Annahmeverweigerung ist, dass zusätzlich zur entsprechenden Erklärung auch das Schriftstück zurückgesendet wird.261 Die Verordnung gibt nicht vor, in welcher Sprache die Annahmeverweigerung zu erklären ist (dazu 84 macht auch die Belehrung in Formblatt L keine Angaben). Daraus, dass das Formblatt L zum Zweck der Belehrung in verschiedenen Sprache beizufügen ist, ist abzuleiten, dass es jedenfalls in jeder Sprache verwendet werden kann, in welcher es dem zuzustellenden Schriftstück tatsächlich beigefügt war. Da dies zugleich bedeutet, dass die Empfangsstelle mit Formblättern in jeder Amtssprache der Mitgliedstaaten, die auch Amtssprachen der EU sind, rechnen muss, und das Formblatt L auch in jeder dieser Amtssprachen vorliegt, kann es auch in jeder dieser Sprachen verwendet werden. Hieraus folgt nicht zugleich, dass auch eine Annahmeverweigerung durch sonstige schriftliche Erklärung in jeder beliebigen Sprache verfasst sein darf. Denn die Formblätter sind als solche erkennbar und aufgrund ihrer Verfügbarkeit in allen Amtssprachen der Mitgliedstaaten leicht verständlich. Auf frei formulierte Erklärungen trifft dies nicht zu, weshalb diese in einer bei der Empfangsstelle zugelassenen Sprache verfasst sein müssen. Die Annahmeverweigerung kann papiergebunden oder elektronisch übermittelt werden. Die entsprechende Erklärung muss im Interesse der Rechtssicherheit unterschrieben, signiert bzw. gesiegelt sein.262 Hierdurch wird die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts nicht übermäßig erschwert, wie nicht zuletzt die Gestaltung des Formblatts L verdeutlicht. Ausgeschlossen wird hierdurch allerdings die noch von Art. 8 EG-ZustVO 2007 vorgesehene Möglichkeit zur Annahmeverweigerung durch tatsächliche Rücksendung.263
256 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9, 83. 257 BGH v. 3.8.2011 – XII ZB 187/10, NJW 2011, 3103 Rz. 16; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 12; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 72. 258 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 13. 259 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 75. 260 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 13. 261 COM(2013) 858 final, S. 12; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 9; Gebauer/Wiedmann/ Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 17. – A.A. zu Art. 8 EG-ZustVO 2007 wohl LG Offenburg v. 26.9.2018 – 2 O 310/18, BeckRS 2018, 23801 Rz. 21. 262 A.A. wohl Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 73. 263 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 74.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks c) Ausschlussfrist 86
Das Annahmeverweigerungsrecht unterliegt einer Ausschlussfrist von zwei Wochen, nach deren Ablauf das Recht, wurde es nicht zuvor ausgeübt, ersatzlos erlischt. Die Mitgliedstaaten können die Frist weder verkürzen noch verlängern. Nach Ansicht des EuGH dürfen sie die Frist auch nicht dadurch faktisch verkürzen, dass parallel zu dieser Frist die Fristen für einen nach nationalem Recht zu ergreifenden Rechtsbehelf laufen.264 Dies gilt nach Ansicht des EuGH ohne Rücksicht auf die Länge der parallel laufenden Frist. Zur Begründung stützt sich der EuGH in seinem Urteil in der Rechtssache LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a. darauf, dass anderenfalls die Effektivität des Modus für die Sprachregelung dadurch beeinträchtigt werden könnte, dass der Zustellungsadressat vorschnell zu einer Annahmeverweigerung veranlasst wird.265 Dem ist zu widersprechen.266 Die Rechtsprechung des EuGH steht im Widerspruch dazu, dass die Zustellung unbeschadet des bestehenden Annahmeverweigerungsrechts wirksam ist und der Eintritt ihrer Wirkungen durch das bestehende Annahmeverweigerungsrecht nicht aufgeschoben wird, sondern die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts die Zustellungswirkungen in Wegfall bringt. Denn die Ansicht des EuGH bewirkt faktisch, dass eine zentrale Zustellungswirkung (Fristanlauf) vor dem Ablauf der Ausschlussfrist nicht ausgelöst werden kann. Weiter übersieht der EuGH, dass auch das Unionsrecht parallel zur Ausschlussfrist laufende Rechtsbehelfsfristen kennt (z.B. Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO), d.h. eine entsprechende Parallelität nicht zu einer dem Willen des Verordnungsgebers widersprechenden Aushöhlung der Ausschlussfrist führt. Davon abgesehen missversteht der EuGH die Ausrichtung der Ausschlussfrist. Diese ist keine Mindest-, sondern eine Höchstfrist. Ihr Anliegen ist es gerade, dass der Verweigerungsberechtigte sich so schnell wie möglich erklärt. Schließlich verkennt der EuGH, dass die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts nicht anders als jede Einwendung ein Element der Rechtsverteidigung ist und keine Grundlage für die Annahme besteht, für jedes Element müsste eine bestimmte Mindestfrist für seine Wahrnehmung gesondert zur Verfügung stehen.267
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Die Ausschlussfrist läuft nach Abs. 3 S. 1 an mit der Zustellung. Der Zeitpunkt der Zustellung richtet sich nach dem auf die Ausführung der Zustellung anwendbaren Recht. Insbesondere ist diesem Recht zu entnehmen, inwieweit der Fristanlauf im Falle einer Ersatzzustellung hinausgezögert ist.268 Aufgrund des in Abs. 2 geregelten Beifügenserfordernisses meint der Begriff der Zustellung in diesem Kontext die Erfüllung des Zustellungstatbestands für das zuzustellende Schriftstück und auch die Belehrung. Im Falle der Verletzung der Belehrungspflicht läuft die Ausschlussfrist mithin nicht an und das Annahmeverweigerungsrecht kann nicht verfallen, solange die Belehrung nicht nachgeholt wird (s. aber auch Rz. 74). Unberührt bleibt zudem die Möglichkeit, das Annahmeverweigerungsrecht zu verwirken; die Rechtsfigur der Verwirkung ist auch dem europäischen Recht nicht fremd.
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Gewahrt wird die Ausschlussfrist durch die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts. Ob hierfür erforderlich ist, dass die Annahmeverweigerungserklärung dem Adressaten (s. Rz. 81 f.) zugeht,269 oder ihre Abgabe ausreicht, wird nicht ausdrücklich geregelt.270 Diese Lücke ist zu schließen durch 264 EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 42 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a. – A.A. GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2021 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 51 f. – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a. 265 EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 43 ff. – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a. 266 Vgl. bereits Drehsen, IPRax 2019, 378, 384. – A.A. Fabig/Windau, NJW 2022, 2464; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5. 267 Vgl. auch GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2021 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 52 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; Drehsen, IPRax 2019, 378, 384. – Nicht erwogen von Fabig/Windau, NJW 2022, 2464. 268 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 50. – A.A. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 8 EuZVO Rz. 11 und Netzer, S. 126, nach denen die Frist anlaufen soll erst mit tatsächlicher Kenntnisnahme (wohl als Ergebnis autonomer Auslegung). 269 Nach GA Campos Sánchez-Bordona, Schlussanträge v. 27.11.2018 – C-545/17, ECLI:EU:C:2018:955 Rz. 1 – Mariusz Pawlak/Prezes Kasy Rolniczego Ubezpieczenia Społecznego ist dies nach den Rechten der Mitgliedstaaten der Regelfall für die Wahrung prozessualer Fristen. 270 Vgl. Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 70.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
Auslegung der Verordnung und nicht unter Rückgriff auf das Recht des Empfangs- oder Ursprungsmitgliedstaats. Zur Fristwahrung genügt die Absendung der Annahmeverweigerungserklärung durch den Berechtigten.271 Zwar wurde im Zuge der Neufassung die Länge der Ausschlussfrist verdoppelt und anders als z.B. in Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO eine Fristwahrung durch Absendung nicht ausdrücklich vorgesehen. Allerdings spricht für die Maßgeblichkeit des Absendens, dass die Ausschlussfrist unbeschadet ihrer jüngsten Verlängerung sehr kurz bemessen ist und anzunehmen ist, dass sie ob ihrer Kürze dem Zustellungsadressaten ungeschmälert zum Überlegen und Prüfen272 zur Verfügung stehen soll. Dies ist – auch wegen des Fehlens einer (verordnungsautonomen) Wiedereinsetzungsmöglichkeit (s. Rz. 89) – aber nur gewährleistet, wenn der Berechtigte nicht das Risiko von Transportverzögerungen trägt. Unberührt bleibt, dass die Annahmeverweigerung nur wirksam wird, wenn sie dem Adressaten zugeht; der Berechtigte trägt das Transportrisiko mithin dem Grunde nach. Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Ausschlussfrist sieht die Verordnung nicht vor. Nach h.A. 89 soll sie nach Maßgabe des auf die Ausführung der Zustellung anwendbaren Rechts in Betracht kommen.273 Dem ist zu widersprechen, weil hierdurch erstens das Anliegen einer Harmonisierung der zeitlichen Grenzen des Annahmeverweigerungsrechts partiell verfehlt würde und zweitens der Verordnungsgeber in der sehr eng gefassten zeitlichen Begrenzung des Annahmeverweigerungsrechts zum Ausdruck gebracht hat, dass sehr zeitnah Rechtssicherheit eintreten soll (zu sinnentstellenden Übersetzung s. aber Rz. 60). 4. Rechtsfolgen a) Rechtshilfeverhältnis (Abs. 4) Wird der Empfangsstelle mitgeteilt, dass der Zustellungsadressat die Annahme des Schriftstücks nach dieser Vorschrift verweigert, so setzt die Empfangsstelle die Übermittlungsstelle unter zwingender Verwendung des Formblatts K (zur Bescheinigung über die Zustellung bzw. Nichtzustellung)274 unverzüglich davon in Kenntnis275 und sendet den Antrag und – falls infolge Nichtübergabe oder Rücksendung verfügbar – jedes Schriftstück, um dessen Übersetzung ersucht wird, zurück. Für welche Schriftstücke der Zustellungsadressat um eine Übersetzung ersucht, beurteilt die Empfangsstelle in eigener Verantwortung. Ihr kommt insoweit aber keine Kompetenz zur verbindlichen und das Ersuchen des Berechtigten gegebenenfalls beschränkenden Entscheidung zu.276 Dementsprechend hat die Empfangsstelle im Zweifelsfall alle zurückgesendeten Schriftstücke an die Übermittlungsstelle zurück zu senden. Ausgelöst wird die Mitteilungspflicht dadurch, dass die die Zustellung ausführende Person die Empfangsstelle darüber informiert, dass der Zustellungsadressat die Annahme verweigert hat. Dem steht gleich, dass die Empfangsstelle eine Annahmeverweigerungserklärung des Berechtigten empfängt.
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Die Verpflichtung der Empfangsstelle gegenüber der Übermittlungsstelle besteht ohne Rücksicht da- 91 rauf, ob die Annahmeverweigerung wirksam erklärt wurde und ein Annahmeverweigerungsgrund vorliegt. Der Empfangsstelle kommt diesbezüglich keine Prüfungs- und Beurteilungs- bzw. Entschei271 LG Magdeburg v. 15.9.2020 – 10 T 295/20, BeckRS 2020, 23240 Rz. 11; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 40; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 82; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 11; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 12; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 10. 272 EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 41 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB. Entgegen LG Magdeburg v. 15.9.2020 – 10 T 295/20, BeckRS 2020, 23240 Rz. 11 sind im originären Anwendungsbereich der Vorschrift lange Postlaufzeiten gerade im grenzüberschreitenden Postverkehr aufgrund der Zuständigkeit der Empfangsstelle kein Argument für die Maßgeblichkeit des Absendens. 273 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 38; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 81; Rösler/Siepmann, RIW 2006, 512, 513; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 8; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 12; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 10. 274 Infolge unsorgfältiger Redaktionsarbeit wird das zu verwendende Formblatt unnötigerweise gleich doppelt bezeichnet. 275 ABl. EG 1997 C 261/33; KOM(1999) 219 endg.; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 22; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 84 f. 276 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 8 VO (EG) 1393/2007 Rz. 84.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks dungskompetenz zu (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 18). Vielmehr obliegt die Entscheidung über die Wirksamkeit einer Annahmeverweigerung derjenigen Instanz, welche über das Vorliegen einer wirksamen Zustellung zu entscheiden hat.277 Damit insbesondere die eine Zustellung veranlassende Stelle gegebenenfalls eine solche Entscheidung treffen kann, muss sie von der Übermittlungsstelle über die Annahmeverweigerung informiert werden. Dies soll die Mitteilungspflicht der Empfangsstelle gegenüber der Übermittlungsstelle sicherstellen. b) Antragsteller und Zustellungsadressat 92
Das bestehende Annahmeverweigerungsrecht hindert nicht den Eintritt der Zustellungswirkungen (s. Rz. 33). Wird das Annahmeverweigerungsrecht berechtigt (zur unberechtigten Annahmeverweigerung s. Rz. 34) und wirksam, insbesondere form- und fristgerecht ausgeübt, bewirkt dies mit Wirkung ex tunc den Wegfall der Zustellungswirkungen.278 Die abgelehnte Zustellung ist in jeder Hinsicht als nicht erfolgt zu behandeln. Die Zustellung ist gleichwohl nicht inexistent oder rechtlich bedeutungslos.279 Denn der mit Annahmeverweigerung eintretende Wegfall der Zustellungswirkungen kann seinerseits nach Maßgabe von Abs. 5 überwunden werden (s. Rz. 94 ff.).280 Grundlage hierfür ist, dass zunächst Zustellungswirkungen eingetreten sind. Die Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts ist in ihren Wirkungen auf das konkrete Schriftstück beschränkt.281 Sie wirkt insbesondere nicht für spätere Zustellungen, d.h. auch nach Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts zu einem konkreten Schriftstück können nachfolgende Zustellungen erneut ohne begleitende Übersetzung erfolgen und muss der Zustellungsadressat gegebenenfalls für nachfolgende Zustellungen erneut sein Annahmeverweigerungsrecht ausüben, auch wenn die verschiedenen Zustellungen dasselbe Verfahren betreffen (vgl. Erwägungsgrund 24 S. 2 EU-ZustVO 2020 und s. Rz. 64).282 c) Feststellung
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Die verbindliche Entscheidung darüber, ob ein Annahmeverweigerungsrecht berechtigt und wirksam ausgeübt wurde, obliegt nicht Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstelle (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 5, Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 18, Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 17),283 sondern denjenigen Instanzen, welche (gegebenenfalls im Rahmen eines Zwischenstreits) über den Nicht-/Eintritt der von einer Zustellung abhängigen Rechtsfolgen und damit inzident über die Wirksamkeit der Zustellung zu entscheiden haben (s. Rz. 91). Die Verordnung sieht diesbezüglich kein zentralisiertes Verfahren 277 ABl. EG 1997 C 261/33; KOM(1999) 219 endg.; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 41 ff., 53 – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh u.a.; OGH v. 16.12.2009 – 4 Ob 183/09d; Zöller/Geimer, Art. 8 EuZustVO Rz. 6; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/26; Meyer, IPRax 1997, 401, 403; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 87; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 22; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 14. 278 OLG Frankfurt v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRUR-RR 2015, 183, 184; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 25. 279 SWD(2018) 287 final, S. 13; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 38 ff. – Götz Leffler/ Berlin Chemie AG; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 66 ff. – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, BeckRS 2021, 6258 Rz. 26; OLG Bamberg v. 28.12.2006 – 3 W 110/06, BeckRS 2006, 141720 Rz. 16; OLG Frankfurt v. 8.5.2019 – 13 U 210/17, NZI 2019, 727 Rz. 31; OLG Frankfurt v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRUR-RR 2015, 183, 184; Ahrens, NJW 2008, 2817, 2818; Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2503; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 55. 280 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, BeckRS 2021, 6258 Rz. 26; OLG Bamberg v. 28.12.2006 – 3 W 110/06, BeckRS 2006, 141720 Rz. 16; OLG Frankfurt v. 8.5.2019 – 13 U 210/17, NZI 2019, 727 Rz. 31; OLG Frankfurt v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRUR-RR 2015, 183, 184; Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2503; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 25. 281 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9. 282 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 83. 283 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 55 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 37 ff. – Alpha Bank Cyprus Ltd./Dau Si Senh u.a.; OGH v. 16.12.2009 – 4Ob183/09d; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/26; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 8 EuZVO Rz. 5.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
vor (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 120). Ist in verschiedenen Verfahren über Nicht-/Eintritt der Zustellungswirkungen zu entscheiden, können verschiedene Instanzen zur Entscheidung berufen sein. Soweit die Entscheidung einer Instanz in Ansehung des Nicht-/Eintritts der Zustellungswirkungen nicht Rechtskraft wirkt, können auch divergierende Entscheidungen über die wirksame Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts ergehen. Deutlich wird dies insbesondere darin, dass der Eintritt der Zustellungswirkungen in dem im Mitgliedstaat A geführten Erkenntnisverfahren im Rahmen der Anwendung von Art. 22 EU-ZustVO 2020 und im nachfolgenden Stadium der Vollstreckung im Rahmen eines im Mitgliedstaat B geführten Versagungsverfahrens im Rahmen der Anwendung von Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO mit unterschiedlichem Ergebnis geprüft und festgestellt werden kann. Soweit nicht die Rechtskraft der Entscheidung im Mitgliedstaat A auch in Bezug auf den Eintritt der Zustellungswirkungen wirkt und diese Wirkungen im Mitgliedstaat B anzuerkennen sind, sind die zuständigen Instanzen des Mitgliedstaats B nicht gebunden und können abweichend vom im Mitgliedstaat A erkennenden Gericht von einer wirksamen Annahmeverweigerung ausgehen.284 Wird über die Frage der Wirksamkeit einer Annahmeverweigerung im Anwendungsbereich der ZPO ein Zwischenstreit geführt, gilt für die Verteilung der Kosten desselben § 96 ZPO.285
V. Heilung – Fristwahrung (Abs. 5) 1. Tatbestand a) Nicht: Annahmeverweigerung Eine Heilung nach Abs. 5 kommt dem Verordnungswortlaut nach nur in Betracht, nachdem der Zu- 94 stellungsadressat eine Annahmeverweigerung erklärt hat. Tatsächlich ist die Heilung aber nicht durch eine entsprechende Anforderung beschränkt. Ihrer bedarf es auch nicht, um zu vermeiden, dass die Belehrungspflicht unterlaufen wird. Denn im Falle der Heilung besteht nicht ein erneutes Annahmeverweigerungsrecht, sondern die Heilung ist generell und unbedingt belastet mit einer Übersetzungsobliegenheit. Wird dieser genügt, bedarf es keiner Belehrung. Erst recht keine einer Feststellung bedürfende Voraussetzung der Heilung ist, ob die Annahmeverweigerung wirksam erklärt wurde. Aus Vorstehendem folgt entgegen teilweiser Annahme286 nicht, dass im Falle einer überobligatorischen Heilung gegen den Zustellungsadressaten laufende Fristen erst mit erfolgter Heilung anlaufen.287 Vielmehr gelten insoweit die für den Fall der mehrfachen Zustellung geltenden Grundsätze (s. dazu Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 15). b) Nicht: Unwissenheit Entgegen teilweiser Annahme ist nicht negative Voraussetzung der Heilung nach Abs. 5, dass der Antragsteller bei der Zustellung, deren Annahme verweigert wurde, keine positive Kenntnis vom Vorliegen eines Annahmeverweigerungsgrundes hatte.288 Die Gegenansicht verkennt, dass die Vorschrift die Übersetzungsobliegenheit bewusst von den Dispositionen von Antragsteller und Zustellungsadressat abhängig macht, damit diese nach ihren Präferenzen über die Entstehung des mit einer Übersetzung verbundenen Aufwands disponieren können.289 Es ist mithin uneingeschränkt legitim, 284 285 286 287 288
Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 62. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 59. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 91, 112. Rösler/Siepmann, NJW 2006, 475, 477. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 55; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 114. – A.A. Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 13; Heiderhoff, ZZPInt. 10 (2005), 296, 301; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 27; Karaaslan, S. 93; Netzer, S. 98; Rösler/Siepmann, NJW 2006, 475, 476 f.; Stroschein, S. 130 f.; Sujecki, ZEuP 2007, 358, 365; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 15. Vgl. auch Rohe in FS Vollkommer, S. 291, 302 f.; Rauscher, JZ 2006, 251, 252; Rösler/Siepmann, RIW 2006, 512, 514; Schütze, RIW 2006, 352, 355. Die Verantwortlichkeit des Antragstellers (zu Unrecht) betonend zuletzt auch EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 37 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a. 289 Vgl. EuGH Urt. v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 38 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks dass ein Antragsteller in positiver Kenntnis des Vorliegens eines Annahmeverweigerungsgrunds durch eine Zustellung ohne begleitende Übersetzung abklärt, ob der Zustellungsadressat den mit der Beschaffung einer Übersetzung verbundenen Aufwand auslösen will (Provokationsverfahren). Da bis zur Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts nicht gewiss ist, dass es ausgeübt wird, ist eine Heilung noch nicht einmal ausgeschlossen, wenn zur positiven Kenntnis vom Annahmeverweigerungsgrund hinzutritt, dass der Zustellungsadressat vorab erklärt hat, er werde in jedem Fall die Annahme verweigern, und auch dies dem Antragsteller positiv bekannt ist. c) Erneute Zustellung 96
Zur Heilung ist erforderlich, dass dem Zustellungsadressaten das Schriftstück zusammen mit einer Übersetzung in einer der in Abs. 1 vorgesehenen Sprachen (erneut) zugestellt wird. Der Antragsteller kann dabei frei zwischen mehreren zulässigen Sprachen wählen.290 Eine (isolierte) Zustellung allein einer Übersetzung genügt zur Heilung nicht (missverständlich Erwägungsgrund 24 S. 4 EU-ZustVO 2020).291 Denn der Zustellungsadressat muss auch über das zuzustellende Schriftstück selbst verfügen und ihn trifft im Anschluss an eine Annahmeverweigerung nicht die Obliegenheit, dieses aufzubewahren, sondern Abs. 4 erhellt, dass er dieses entweder gar nicht entgegengenommen haben muss oder im Rahmen der Annahmeverweigerung zurückgesendet haben kann. Im Interesse der im Zusammenhang mit Zustellungen gebotenen Rechtsklarheit und -sicherheit ist unerheblich, ob der Zustellungsadressat tatsächlich noch aufgrund der ersten Zustellung über das zuzustellende Schriftstück verfügt.
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Die Zustellung muss nach dem Wortlaut von Abs. 5 nach den Vorschriften der Verordnung erfolgt sein.292 Hierzu muss der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet sein. Eine Heilung ist danach ausgeschlossen, wenn der zu adressierende Zustellungsempfänger im Zeitpunkt der erneuten Zustellung keine bekannte Zustelladresse mehr in einem Mitgliedstaat hat. Dies ist gerechtfertigt, weil für eine Zustellung in einem Drittstaat oder eine (fiktive) Inlandszustellung nicht ausreichend im Sinne der Verordnung gewährleistet ist, dass die erneute Zustellung dem Zustellungsempfänger eine hinreichend effektive Kenntnisnahmemöglichkeit eröffnet. Ebenso ist danach eine Heilung nach Abs. 5 ausgeschlossen, wenn der zu adressierende Zustellungsempfänger im Zeitpunkt der erneuten Zustellung eine bekannte Zustelladresse ausschließlich im Ursprungsmitgliedstaat hat. Unberührt bleibt jeweils aber, dass anknüpfend an den im Einklang mit den Vorschriften der Verordnung erfolgten ursprünglichen Zustellungsversuch in Anwendung von Heilungsvorschriften des Rechts, welches eine Zustellungslast vorsieht, oder des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats von einer wirksamen Zustellung ausgegangen wird; der Anwendungsvorrang der Verordnung steht dem mangels fortbestehender Eröffnung des Anwendungsbereichs nicht mehr entgegen.293
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Die erneute Zustellung muss ihrerseits wirksam erfolgt sein, wofür im Grundsatz die allgemeinen Vorschriften einschließlich einer gegebenen Möglichkeit zur Heilung von Zustellungsmängeln maßgeblich sind. Nicht erforderlich ist allerdings, dass bei der erneuten Zustellung der Belehrungspflicht 290 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 103. 291 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 10, 51; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 102. Vgl. auch Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/25. Missverständlich Erwägungsgrund 5 S. 4 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 17; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 15. 292 EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 63 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; GA Trstenjak, Schlussanträge v. 29.11.2007 – C-14/07, ECLI:EU:C:2007:737 Rz. 50 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 100 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Rauscher, JZ 2006, 251, 252. – Inzident a.A. Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 8 EuZVO Rz. 9: Heilung durch Kenntniserlangung (z.B. auch infolge Eigenübersetzung). 293 Hierdurch werden die Verordnung und ihr Exklusivitätsanspruch nicht in Frage gestellt, weil die Zustellung ohne Übersetzung gerade im Einklang mit der Verordnung erfolgt ist. Jedenfalls aber wäre im Falle der bekannten Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat eine teleologische Reduktion der Anforderung einer Zustellung nach den Vorschriften der Verordnung geboten, weil diese Anforderung nur sicherstellen soll, dass für den Zustellungsempfänger eine hinreichend effektive Kenntnisnahmemöglichkeit gewährleistet ist. Eine effektive Inlandszustellung stellt dies sicher.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
genügt wird (s. Rz. 94). Dies ergibt sich daraus, dass in Bezug auf die heilende erneute Zustellung unbeschadet des Erwägungsgrunds 24 S. 2 EU-ZustVO 2020 nicht erneut eine Annahmeverweigerung erklärt werden muss. Vielmehr hat in Bezug auf die Zustellung eines bestimmten zuzustellenden Schriftstücks (in Bezug auf eine konkrete Zustellungslast) die anlässlich der ersten Zustellung wirksam erklärte Annahmeverweigerung die bedingte Übersetzungsobliegenheit in eine unbedingte Übersetzungsobliegenheit gewandelt mit der Folge, dass die Zustellung wirksam wird nur mit Erfüllung der Übersetzungsobliegenheit. Für den Antragsteller besteht insoweit nicht die Möglichkeit, erneut eine Zustellung ohne ausreichende Übersetzung (s. Rz. 55 ff.) zu versuchen. Ebenso wenig ermöglicht Abs. 5 Heilungsketten, d.h. die Heilung eines Heilungsversuchs zu einer Zustellung. Die erneute Zustellung muss nicht auf demselben Weg und auch nicht in demselben Empfangsmitgliedstaat wie die Zustellung, bei welcher die Annahme verweigert wurde, erfolgen.294 Sie muss zwar dasselbe Schriftstück, nicht aber dieselbe Speicherung (Ausfertigung) und auch nicht dieselbe Form der Speicherung zum Gegenstand haben. Die erneute Zustellung muss zwar gegenüber demselben Zustellungsadressaten (s. Rz. 79), nicht aber notwendig an denselben Zustellungsempfänger oder dieselbe Empfangsperson (z.B. erneut als Ersatzzustellung bei demselben Familienmitglied bzw. Hausangestellten oder beim selben Empfangsvertreter) erfolgen. Entgegen verbreiteter Ansicht nicht Tatbestandsvoraussetzung einer Heilung nach Abs. 5 ist, dass die 99 erneute Zustellung unverzüglich bzw. innerhalb einer angemessenen Frist bewirkt wird.295 Zwar hat der EuGH in der Rechtssache Götz Leffler/Berlin Chemie AG, in welcher er zu Art. 8 EG-ZustVO 2000 die Heilungsmöglichkeit entwickelt hat, darauf Bezug genommen, dass eine Heilung unter dieser Voraussetzung in Betracht kommt.296 Auch hat der Verordnungsgeber sich bei Einführung von Art. 8 Abs. 3 EG-ZustVO 2007, dem Vorläufer zu Abs. 5, letztlich an der Rechtsprechung des EuGH orientiert. Allerdings hat das vom EuGH benannte Unverzüglichkeitserfordernis keinen Eingang in den Wortlaut von Art. 8 Abs. 3 EG-ZustVO 2007 gefunden.297 Bereits dies spricht dagegen, dass der Verordnungsgeber das betreffende Erfordernis übernehmen wollte, gerade weil er im Rahmen der EG-ZustVO 2007 bestrebt war, verordnungsautonome Fristerfordernisse im Interesse der Rechtssicherheit zu konkretisieren (zur Annahmeverweigerungsfrist s. Rz. 22), im Rahmen von Art. 8 Abs. 3 EG-ZustVO 2007 eine Frist aber nicht benannt wird.298 Die Nichtübernahme des Unverzüglichkeitserfordernisses lässt sich auch nicht hinreichend sicher mit einem Versehen des Verordnungsgebers erklären,299 weil Art. 8 Abs. 3 EG-ZustVO 2007 auch im Übrigen teilweise von der durch den EuGH kreierten Heilungsmöglichkeit abweicht. So bezog der EuGH das Unverzüglichkeitserfordernis unter Bezugnahme auf Art. 4 Abs. 1 EG-ZustVO 2000 (Art. 8 Abs. 1 EU-ZustVO 2020) auf die Verpflichtung der Übermittlungsstelle und nicht des nach Abs. 5 zur Heilung eine Übersetzung beibringenden Antragstellers (vgl. Art. 9 Abs. 2 EU-ZustVO 2020).300 Anders als nach dem Urteil des EuGH bedarf es zur Heilung auch nicht nur der Nachreichung der Übersetzung, sondern einer gemeinsamen Zu294 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 104. 295 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 56; Ruster, NJW 2019, 3186, 3187 f.; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 50; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 15. – A.A. BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, BeckRS 2021, 6258 Rz. 26, 35; OLG Frankfurt v. 8.5.2019 – 13 U 210/17, NZI 2019, 727 Rz. 31 a.E.; OLG Frankfurt v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRUR-RR 2015, 183, 184; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 8 EuZVO Rz. 14; Zöller/Geimer, Art. 8 EuZustVO Rz. 7; Gottwald, MDR 2022, 1185 Rz. 14; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 25; Ising/ Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 36; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 12 EuZuStVO Rz. 5; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 105; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 8 EuZVO Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 28; Sujecki, NJW 2008, 1628, 1629; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 13. Vgl. auch Ruster, NJW 2019, 3186, 3188 (Rechtsmissbrauch). 296 EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 64 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 297 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 56; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 50. 298 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 57. 299 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 57. 300 EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 64 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. Abw. insoweit EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 80 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen: aus Art. 8 Abs. 3 EG-ZustVO 2007 folge Pflicht zur erneuten Zustellung für die die Berechtigung der Annahmeverweigerung feststellende Instanz.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks stellung von Schriftstück und Übersetzung. Für eine bewusste Nichtübernahme des Unverzüglichkeitserfordernisses spricht demgegenüber umgekehrt gerade, dass der EuGH für den Fristbeginn an die Information der Übermittlungs- durch die Empfangsstelle angeknüpft hatte mit der Folge, dass zur Heilung eine Übersetzung im Regelfall schon zu beschaffen war, noch bevor die Wirksamkeit der Annahmeverweigerung feststeht, was die Effektivität des Modus der Sprachregelung nicht unerheblich beeinträchtigt.301 In Bezug auf die Regelung in Abs. 5 gelten diese Einwände erst Recht, nachdem der Verordnungsgeber auch im Rahmen der Neufassung davon abgesehen hat, das Unverzüglichkeitserfordernis im Wortlaut auch nur anzudeuten. Vor allem aber ist ein verordnungsautonomes Unverzüglichkeitserfordernis als Tatbestandsvoraussetzung einer Heilung sachlich nicht zu rechtfertigen, weil die Wirkungen der Heilung im Grundsatz nur ex nunc eintreten (s. Rz. 100) und eine erneute Zustellung, der ebenfalls Wirkungen ex nunc zukommen, ohnehin nicht am Unverzüglichkeitserfordernis scheitern könnte.302 Abweichendes könnte allenfalls in Bezug auf die Rückwirkung nach Abs. 5 S. 3 gelten, worin freilich deutlich wird, dass ein Unverzüglichkeitserfordernis allenfalls Voraussetzung der Rückwirkung, nicht aber der Heilung an sich sein kann.303 Außerdem spricht für Abweichendes zwar das Bedürfnis, die sich ausgehend von der Heilungsmöglichkeit ergebende Pflicht, zunächst nicht von einem Scheitern der Zustellung auszugehen (s. Rz. 18), sachgerecht zeitlich zu begrenzen. Allerdings lässt sich eine sachgerechte Grenze hierfür nur unter Berücksichtigung des eine Zustellungslast begründenden Rechts, z.B. des auf das Verfahren anwendbaren Rechts und des Zwecks eines Verfahrens (z.B. Eilrechtsschutz) bestimmen, was gegen ein verordnungsautonomes Erfordernis der Unverzüglichkeit spricht. 2. Rechtsfolgen a) Grundsatz 100
Die wirksame Annahmeverweigerung (Bedingungseintritt) hat in Bezug auf das zuzustellende Schriftstück die (zunächst nur bedingte) Übersetzungsobliegenheit ausgelöst. Wie sich aus Abs. 5 S. 1 rückschließen lässt, hat dies (anfänglich) zur Folge, dass einer Zustellungslast nur durch Zustellung der gleichsam aus zuzustellendem Schriftstück und begleitender Übersetzung bestehenden zusammengesetzten Urkunde genügt werden kann. (Erst) Deren Zustellung löst dann, was Abs. 5 S. 2 klarstellt, nach allgemeinen Grundsätzen (mit Wirkung ex nunc) die Zustellungswirkungen aus.304 Soweit die (erneute) Zustellung an Fehlern leidet, treten die Zustellungswirkungen gegebenenfalls nur einschränkt oder gar nicht ein. Eine Heilung solcher Fehler mit Wirkung ex nunc oder ex tunc (bezogen auf die erneute Zustellung) kommt entsprechend allgemeinen Regeln (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 62 ff., Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 115 ff.) in Betracht. Dies schließt die lediglich klarstellende Regelung in Abs. 5 S. 2 nicht aus. b) Ausnahme: doppeltes Datum aa) Anwendungsbereich
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Soweit nach dem anwendbaren Recht eines Mitgliedstaats (dazu s. auch Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 24) ein Schriftstück innerhalb einer bestimmten Frist zugestellt werden muss, um die intendierten Wirkungen auszulösen (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff.), kommen der Heilung nach Abs. 5 nicht notwendig Wirkungen lediglich ex nunc zu, sondern können ihr anknüpfend an die erste Zustellung auch Wirkungen ex tunc zukommen. Die in Abs. 5 S. 3 geregelte Ausnahme betrifft nur und ist in ihren Wirkungen begrenzt auf den Fall, dass gegen den Antragsteller eine Frist läuft, welche er 301 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 57. 302 Vgl. Rauscher, JZ 2006, 251: zweite Zustellung ist selbstverständlich möglich. 303 Vgl. auch EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 66 f. – Götz Leffler/Berlin Chemie AG: das Erfordernis „so schnell wie möglich“ wird nur in Rz. 66, nicht auch in Rz. 67 benannt; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 57. 304 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, BeckRS 2021, 6258 Rz. 35; Eichel, IPRax 2017, 352, 353; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 52; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 111; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 29; Ruster, NJW 2019, 3186, 3187; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 52.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
durch Zustellung zu wahren hat. Dagegen wird nicht erfasst der Fall, dass gegen den Zustellungsadressaten durch die Zustellung eine Frist ausgelöst wird.305 Die Anwendung des Abs. 5 S. 3 führt danach insbesondere nicht dazu, dass den Zustellungsadressaten gegenüber dem Gericht treffende Fristen rückwirkend in Gang gesetzt werden mit der Folge, dass sie gegebenenfalls im Zeitpunkt der heilenden Zustellung schon abgelaufen sind.306 Der Begriff der Frist ist wie bei Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 verordnungsautonom und weit auszulegen (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff.). Er erfasst gleichwohl nicht Vorschriften, welche an die Priorität einer Zustellung anknüpfen. Daher erlangt Abs. 5 S. 3 insbesondere keine Bedeutung bei der Anwendung von Art. 32 Brüssel Ia-VO. Ohnehin ist dort primär unmittelbar durch Anwendung von Art. 32 Brüssel Ia-VO zu beantworten, ob der Kläger, welcher zunächst eine Zustellung ohne beiliegende Übersetzung versuchen darf, im Anschluss keine ihm obliegende Maßnahme zu treffen versäumt hat (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 76, Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 22). bb) Rechtsfolgenanordnung In seiner Rechtsfolgenanordnung formuliert Abs. 5 S. 3 missverständlich. Dem Wortlaut der deut- 102 schen Sprachfassung nach wird verordnungsautonom zweierlei angeordnet:307 (1) die Maßgeblich der ersten Zustellung bzw. des ersten Zustellungsversuchs und (2) ein Verweis auf das eine Frist anordnende Recht zur Bestimmung des Zeitpunkts der ersten Zustellung bzw. des ersten Zustellungsversuchs. Andere Sprachfassungen decken dieses Verständnis ebenfalls ab, lassen aber auch Raum für ein abweichendes Normverständnis. Legt man das von der deutschen Sprachfassung vorgegebene Verständnis zugrunde, ist nach Abs. 5 S. 3 für den Antragsteller als Tag der Zustellung der Zeitpunkt maßgeblich, an dem das zuzustellende Schriftstück ursprünglich zugestellt worden ist (Tag der ersten Zustellung).308 Für die Wahrung von Fristen entfaltete die erneute Zustellung danach ausnahmslos Wirkungen ex tunc.309 Dabei ist der Zeitpunkt der ersten Zustellung seinerseits nach Maßgabe von Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 zu ermitteln mit der Folge, dass die Rückwirkung nach Maßgabe des berufenen Rechts (z.B. § 167 ZPO) auch auf einen Zeitpunkt vor der Bewirkung der ersten Zustellung (z.B. Zeitpunkt der Einreichung bei Gericht) zurückreichen kann.310 Tatsächlich mag ein eng am Wortlaut der deutschen Sprachfassung orientiertes Normverständnis aber nicht zu überzeugen. Gegen ein solches spricht zunächst, dass es im Falle der Annahmeverweigerung unter Anwesenden nach dem auf die Ausführung der Zustellung anwendbaren Recht gar nicht zu einer Zustellung im Rechtssinne gekommen sein kann (bloßer Zustellungsversuch), mithin ein für das nach allgemeinen Grundsätzen maßgebliche Recht hinreichender Tatbestand als Bezugspunkt einer Fiktion fehlt. Weiter spricht gegen ein solches Verständnis sehr deutlich, dass Abs. 5 S. 3 die bereits eine Fiktion enthaltende Anordnung der Maßgeblichkeit des ersten Zustellungsversuchs nicht an die Wahrung einer bestimmten Frist bindet (s. Rz. 105) und damit im Widerspruch zu Rechtssicherheit und -klarheit grenzenlos ermöglichen würde, dass eine erneute Zustellung eine bereits lange Zeit zurückliegende Zustellung heilt.311 Dem vermag der Verweis auf Art. 13 Abs. 2 305 Drehsen, IPRax 2019, 378, 383 f.; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 29. 306 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 36. 307 Ruster, NJW 2019, 3186, 3188. 308 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 26; OLG Frankfurt v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRURRR 2015, 183, 184; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 53; Eichel, IPRax 2017, 352, 353; Fabig/Windau, NJW 2022, 1977 Rz. 11; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 12 EuZuStVO Rz. 5; Ising/Schulze in Leible/ Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 40; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 113; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 30; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 15. – Inzident verkannt von OLG München v. 9.5.2012 – 7 U 2640/10, BeckRS 2012, 10102 Rz. 16: Datum der (ersten) Zustellung ist bei Annahmeverweigerung ohne Belang. 309 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 53; Eichel, IPRax 2017, 352, 353; Ruster, NJW 2019, 3186, 3187. 310 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 53; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 40; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 113; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 30. 311 Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 28.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks EU-ZustVO 2020 nicht entgegenzuwirken, weil er nur noch steuerte, inwieweit gegebenenfalls sogar ein vor der ersten Zustellung bzw. dem ersten Zustellungsversuch liegender Zeitpunkt maßgeblich ist (s. Rz. 102). Weiter spricht gegen ein solches Normverständnis die Normgenese. Vorbildgebend für Abs. 5 S. 3 ist das Urteil des EuGH in der Rechtssache Götz Leffler/Berlin Chemie AG,312 in dem eine Rückwirkung auf das Datum der ersten Zustellung bzw. des ersten Zustellungsversuchs nur angenommen wurde, wenn der Antragsteller „das Erforderliche dafür veranlasst hat, dass der Mangel des Schriftstücks dadurch geheilt wird, dass so schnell wie möglich eine Übersetzung übersandt wird.“ und darauf verwiesen wurde, dass es Sache des nationalen Gerichts sei, die Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen und (bestmöglich und ausgewogen) zu schützen. Diesen Vorgaben entspricht ein Normverständnis, wonach Abs. 5 S. 3 dem Gedanken der Heilung entsprechend verordnungsautonom anordnet, dass (1) erste Zustellung bzw. erster Zustellungsversuch und erneute (heilende) Zustellung (in Bezug auf die gleichsam zusammengesetzte Urkunde, s. Rz. 100) gemeinsam einen einheitlichen Zustellungsvorgang darstellen und (2) bezogen auf diesen Gesamttatbestand nach dem durch Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 berufenen Recht unter Beachtung des Effektivitätsgrundsatzes der Zeitpunkt der Zustellung zu ermitteln ist. Hierdurch erlangt der Verweis auf Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 eine eigenständige Bedeutung und ist nicht wie nach der Gegenansicht eine entbehrliche Klarstellung einer selbstverständlichen313 Folge der zunächst angeordneten Maßgeblichkeit der ersten Zustellung. 104
Eine Heilung zu einem vor dem Zeitpunkt der von Abs. 5 tatbestandlich vorausgesetzten weiteren Zustellung liegenden Zeitpunkt kommt nach dem hier befürworteten Verständnis nach Abs. 5 S. 3 i.V.m. Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 danach nur in Betracht, soweit der Gesamttatbestand (unter Berücksichtigung von Heilungsvorschriften) so rechtzeitig vervollständigt wurde, dass eine Rückbeziehung des Zustellungszeitpunkts nach dem anwendbaren Recht noch möglich ist (s. Rz. 105).314 Ist die Rückwirkung wie z.B. nach § 167 ZPO davon abhängig, dass die Zustellung bezogen auf den Fristablauf „demnächst“ erfolgt, d.h. insbesondere der Antragsteller seinerseits alles unternommen hat, um für eine nach Fristablauf schnellstmögliche Zustellung zu sorgen, bedeutet dies zunächst nicht, dass die sich aus einem Zustellungsversuch ohne erforderliche Übersetzung ergebende Verzögerung für den Antragsteller rückwirkungsschädlich ist. Denn der Zustellungsversuch ist ausnahmslos kein Fehler des Antragstellers, sondern entspricht dem von der Vorschrift vorgesehenen Modus (Provokationsverfahren).315 Allerdings muss der Antragsteller für eine schnellstmögliche Heilung sorgen. Die entsprechende Obliegenheit wird ausgelöst dadurch, dass der Antragsteller Kenntnis von der Annahmeverweigerung erlangt. Dies bedeutet nach Sinn und Zweck des Modus der Sprachregelung freilich nicht, dass der Antragsteller sofort nach Kenntniserlangung eine Übersetzung beschaffen muss. Vielmehr bedeutet dies zunächst nur, dass sich der Antragsteller ohne Verzögerung hinreichende Gewissheit von der Wirksamkeit der Annahmeverweigerung verschaffen muss. Erst nachdem der Antragsteller hinreichende Gewissheit erlangt hat, trifft ihn dann die Obliegenheit zur schnellstmöglichen Beschaffung einer Übersetzung. Die hierfür notwendige Gewissheit setzt nicht voraus, dass die Wirksamkeit der Annahmeverweigerung verbindlich festgestellt wurde.316 Anderenfalls drohten ganz erhebliche Verzögerungen. Vielmehr ist ausreichend, dass aufgrund der dem Antragsteller bekannten Umstände die Unwirksamkeit der Annahmeverweigerung nicht überwiegend wahrscheinlich ist.
312 EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 65 ff. – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 313 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 30. 314 Vgl. i.Erg. auch BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 26; Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2503; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.119. Vgl. auch OLG Frankfurt v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRUR-RR 2015, 183, 184. 315 Vgl. auch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 15. – A.A. Heiderhoff, ZZPInt. 10 (2005), 296, 302, 304, die in Verkennung des Normzwecks davon spricht, eine Zustellung ohne Übersetzung bei Kenntnis der unzureichenden Sprachkompetenz des Empfängers sei eine „gewissermaßen vorsätzlich falsche“ Zustellung; gleichermaßen verfehlt BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 48: „(sanktionsloser) Missbrauch“. 316 A.A. tendenziell EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 80 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 95.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 12 EU-ZustVO 2020
cc) Ausschlussfrist Dass die Heilung nach Abs. 5 S. 3 Rückwirkungen entfaltet, ist entgegen verbreiteter Annahme nicht verordnungsautonom davon abhängig, dass die erneute Zustellung unverzüglich bzw. innerhalb einer angemessenen Frist bewirkt wird.317 Zwar hat der EuGH in der Rechtssache Götz Leffler/Berlin Chemie AG, in welcher er zu Art. 8 EG-ZustVO 2000 die Heilungsmöglichkeit entwickelt hat, angenommen, dass eine Heilung nur unter dieser Voraussetzung in Betracht kommt.318 Auch hat der Verordnungsgeber sich bei Einführung von Art. 8 Abs. 3 EG-ZustVO 2007, dem Vorläufer zu Abs. 5, letztlich auch an der Rechtsprechung des EuGH orientiert. Allerdings hat der Verordnungsgeber das Unverzüglichkeitserfordernis bewusst nicht in die Verordnung übernommen (s. Rz. 99). Vielmehr hat er sich dafür entschieden, auf Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 und damit auf die für die Bestimmung des Zustellungsdatums maßgeblichen Vorschriften zu verweisen. Danach obliegt den Mitgliedstaaten darüber zu befinden, inwieweit der Eintritt von Rückwirkungen eine schnellstmögliche Heilung erfordert. Unberührt bleibt, dass das Recht der Mitgliedstaaten dabei dem Effektivitätsgrundsatz genügen muss. Hieraus folgt, dass eine rückwirkende Heilung nicht grenzenlos möglich sein kann, weil infolge eines zu großen zeitlichen Abstands ursprüngliche Zustellung und heilende Zustellung nicht mehr als zwei Akte eines einheitlichen Zustellungsverfahrens erscheinen können.
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c) Kosten Die Vorschrift regelt nicht, wer die mit einer Heilung im Vergleich zur sofortigen Zustellung mit be- 106 gleitender Übersetzung verbundenen Mehrkosten zu tragen hat. Im Ausgangspunkt fallen die betreffenden Mehrkosten beim Antragsteller an. Inwieweit ihm ein Ausgleichsanspruch gegen den Zustellungsadressaten zusteht, richtet sich nach dem auf das Rechtsverhältnis zwischen Antragsteller und Zustellungsadressat anwendbaren Recht. Dieses und seine Anwendung müssen dem Gebot der Nichtdiskriminierung und dem Effektivitätsgrundsatz entsprechen. Dies schließt es aus, für die Kostenverteilung als maßgeblich anzusehen, dass der Antragsteller zunächst ohne begleitende Übersetzung zugestellt hat oder der Zustellungsadressat durch die berechtigte Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts die Mehrkosten verursacht hat.319 Denn sowohl die Zustellung ohne begleitende Übersetzung als auch die (berechtigte) Annahmeverweigerung sind bestimmungsgemäße Ausprägungen des im Interesse sowohl des Antragstellers als auch des Zustellungsadressaten (s. Rz. 6) vorgesehenen Modus der Sprachregelung.320
VI. Besonderheiten bei Zustellungen nach Kapitel II, Abschnitt 2 (Abs. 7) 1. Anwendungsbereich Die in Abs. 7 geregelten Besonderheiten für die Anwendung der Vorschrift finden Anwendung nur, 107 wenn die Vorschrift über Abs. 6 auf die in Kapitel II, Abschnitt 2 der Verordnung geregelten besonderen Übermittlungs- und Zustellungswege angewendet wird und eine Empfangsstelle an der Ausführung der Zustellung nicht beteiligt ist. Dies gilt entgegen teilweiser Annahme für gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke gleichermaßen (s. Rz. 27 f.). Keine Anwendung findet Abs. 7 nach Vorstehendem (sondern gelten Abs. 2, 3), wenn der Übermittlungsweg des Art. 16 EU-ZustVO 2020 gewählt wird, bei dem auf diplomatischem oder konsularischem Weg ein Schriftstück zum Zweck der Zustellung an die Empfangsstelle des Empfangsmitgliedstaats übermittelt wird. Denn in diesem Fall ist, anders als bei Nutzung der weiteren in Kapitel II, Abschnitt 2 geregelten Wege, eine Emp317 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 56; Ruster, NJW 2019, 3186, 3187 f.; Stadler/Krüger in Musielak/ Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 15. – A.A. BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 26, 35; OLG Frankfurt v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRUR-RR 2015, 183, 184; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 8 EG-ZustVO 2007 Rz. 25, 27; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 105; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 28; Sujecki, NJW 2008, 1628, 1629; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 8 EuZVO Rz. 13. 318 EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 64, 66 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 319 A.A. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 8 EuZVO Rz. 17. 320 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 8 EuZVO Rz. 59.
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Art. 12 EU-ZustVO 2020 Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks fangsstelle in die Zustellung eingeschaltet und es bedarf keiner Modifikation der Regelungen der Vorschrift, weshalb Abs. 7 den Fall des Art. 16 EU-ZustVO 2020 auch nicht erwähnt. 2. Belehrungsverpflichteter 108
Da in die Zustellung auf den in Kapitel II, Abschnitt 2 geregelten Wegen eine Empfangsstelle nicht einschaltet ist, trifft Abs. 7 eine besondere Anordnung dazu, wer bei Nutzung dieser Zustellungswege anstelle der nach Abs. 2 verpflichteten Empfangsstelle den Zustellungsadressaten (s. Rz. 66) über sein nach Abs. 6 auch bei Nutzung eines der vorgesehenen Zustellungswege bestehendes Annahmeverweigerungsrecht (s. Rz. 27) zu belehren hat. Die jeweils Verpflichteten haben den Zustellungsempfänger davon in Kenntnis zu setzen, dass er die Annahme des Schriftstücks verweigern darf. Sie haben dazu das Formblatt L zu verwenden und nicht anders als die Empfangsstelle im originären Anwendungsbereich der Vorschrift dieses in den von Abs. 2 Unterabs. 1, 2 vorgegebenen Sprachen zu übermitteln; für Abs. 2 Unterabs. 2 ist entscheidend, dass ihnen entsprechende Anzeichen bekannt sind (s. Rz. 72).
109
Erfolgt die Zustellung nach Art. 17 EU-ZustVO 2020 durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete, trifft die Belehrungspflicht diese Vertreter bzw. Bediensteten. Im Falle der Zustellung nach Art. 18, 19 oder 20 EU-ZustVO 2020 durch eine Behörde oder Person, ist diese Behörde oder Person belehrungsverpflichtet. Als Behörde oder Person angesprochen ist dabei jeweils die Stelle, welche die Zustellung ausführt (den Zustellungsvorgang als Hoheitsakt vornimmt).321 Im Falle der Postzustellung ist dies nicht die lediglich die Infrastruktur stellende „Postbehörde“ im Empfangsoder im Ursprungsmitgliedstaat, sondern die den Postversand als Zustellungshandlung initiierende Stelle (Übermittlungsstelle oder sonstige zustellungsberechtigte Person).322 Dafür spricht schon, dass die die Zustellung ausführende Postbehörde einem Poststück vielfach nicht ansehen kann, dass es nach der Verordnung zugestellt werden soll,323 und dem Poststück auch nicht entnehmen kann, in welcher Sprache es verfasst ist (vgl. Abs. 2 Unterabs. 1, 2). Weiter spricht hierfür, dass auch Empfangsstellen per Post zustellen können, ohne dass in diesem Fall die Belehrungspflicht auf den Postdienstleister überginge. Im Falle der elektronischen Direktzustellung ist belehrungsverpflichtet der Absender und nicht ein Intermediär (Provider). Bei der unmittelbaren Zustellung ist belehrungsverpflichtet dagegen die angegangene Stelle und ist nicht der Antragsteller (s. Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 25).324 Dies folgt zwar nicht daraus, dass der Antragsteller keine hinreichende Gewähr für eine ordnungsgemäße Belehrung bietet,325 weil sich bei Art. 18, 19 EU-ZustVO 2020 zeigt, dass der Verordnungsgeber diese nicht fernliegenden Bedenken seinerseits nicht teilt. Allerdings folgt dies daraus, dass im Falle der unmittelbaren Zustellung nicht der Antragsteller den Zustellungsakt vornimmt, sondern lediglich dessen Vornahme beantragt. 3. Adressat der Annahmeverweigerung unter Abwesenden
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Da in die Zustellung auf den in Kapitel II, Abschnitt 2 geregelten Wegen eine Empfangsstelle nicht einschaltet ist, trifft Abs. 7 eine besondere Anordnung dazu, wer bei Nutzung der anderen Zustellungswege anstelle der nach Abs. 3 zuständigen Empfangsstelle für den Empfang der unter Abwesenden (unter Verwendung des Formblatts L oder durch frei gestaltete Erklärung) abgegebenen Annahmeverweigerungserklärung zuständig ist. Dieselbe Stelle ist dann auch verpflichtet, die die Zustellung initiierende Stelle, wenn diese vom Verpflichteten personenverschieden ist (nicht bei Art. 18, 19 EU-ZustVO 2020), nach Abs. 4 zu informieren. Unbeschadet des Wortlauts von Abs. 7 („und dass … zu übermitteln ist.“) ist eine Annahmeverweigerung unter Anwesenden (z.B. durch tatsächliche Verweigerung der Mitwirkung an der Übergabe) nicht ausgeschlossen; es ist kein Grund ersichtlich dafür, insbesondere die Fällen des Art. 20 EU-ZustVO 2020 anders als die Fälle des Art. 8 EU-ZustVO 2020 zu behandeln. 321 322 323 324 325
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Vgl. BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 12 EuZVO 2022 Rz. 59. A.A. Netzer, S. 96. Vgl. in anderem Kontext Knöfel, RIW 2021, 473, 483. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 33. So aber Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 33.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 13 EU-ZustVO 2020
Erfolgt die Zustellung nach Art. 17 EU-ZustVO 2020 durch diplomatische Vertreter oder konsulari- 111 sche Bedienstete, sind empfangszuständig für die Annahmeverweigerung diese Vertreter bzw. Bediensteten. Im Falle der Zustellung nach Art. 18, 19 oder 20 EU-ZustVO 2020 durch eine Behörde oder Person ist diese Behörde oder Person empfangszuständig. Als Behörde oder Person angesprochen ist dabei jeweils die Stelle, welche die Zustellung ausführt (den Zustellungsvorgang als Hoheitsakt vornimmt). Im Falle der Postzustellung ist dies nicht die „Postbehörde“ im Empfangs- oder Ursprungsmitgliedstaat, sondern die den Postversand als Zustellungshandlung initiierende Stelle (Übermittlungsstelle oder sonstige zustellungsberechtigte Person).326 Dies ergibt sich nicht nur aus der Verantwortlichkeit dieser Stelle für die Belehrung, sondern auch aus praktischen Erfordernissen. Eine gegenüber der Postbehörde isoliert erklärte Annahmeverweigerung kann von dieser gegebenenfalls nicht sicher zugeordnet werden und an die initiierende Stelle weitergeleitet werden. Im Falle der elektronischen Zustellung ist Adressat der Zustellende. Dagegen ist richtiger Adressat im Falle der unmittelbaren Zustellung die Zustellungsstelle im Empfangsmitgliedstaat und ist nicht der Antragsteller. Letzterer erlangt, beachtet die für den Empfang der Annahmeverweigerung zuständige Stelle ihre Pflichten, Kenntnis von der Annahmeverweigerung nach Abs. 4.
Artikel 13 Tag der Zustellung (1) Unbeschadet des Artikels 12 Absatz 5 ist für das Datum der nach Artikel 11 erfolgten Zustellung eines Schriftstücks das Datum maßgeblich, an dem das Schriftstück nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zugestellt worden ist. (2) Erfordert jedoch das Recht eines Mitgliedstaats die Zustellung eines Schriftstücks innerhalb einer bestimmten Frist, so ist im Verhältnis zum Antragsteller als Datum der Zustellung das Datum maßgeblich, das sich aus dem Recht dieses Mitgliedstaats ergibt. (3) Dieser Artikel gilt auch für die anderen Arten der Übermittlung und Zustellung gerichtlicher Schriftstücke nach Abschnitt 2. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zustellungskollisionsrecht . . . . . . . b) Interessenausgleich . . . . . . . . . . . c) Prinzip des doppelten Datums . . . . d) Zeitpunkt als Inbegriff des Kalenderdatums . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . a) Sachlich . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Funktional . . . . . . . . . . . . . . . . c) Räumlich . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
. . . . .
1 1 1 3 6
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. . . . . .
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7 8 10 10 12 13
II. Regelungen des Zustellungszeitpunkts . . . . 14
III. Vorrang autonomer Regelungen . . . . . . . 16 IV. Grundsatz: Anwendung des Rechts des Empfangsmitgliedstaats (Abs. 1) . . . . . . . 18 V. Ausnahme: Anwendung des eine Frist regelnden Rechts (Abs. 2) . . . . . . . 1. Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . b) Wahrung und nicht Ingangsetzung einer Frist . . . . . . . . . . . . . . . c) Nicht: Alternativlosigkeit der Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . 19 . . . . 19 . . . . 19 . . . . 20 . . . . 23 . . . . 24
Schrifttum: Fabig/Windau, Anm. zu BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1603; Hansen/Hölken, Anm. zu BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NZI 2021, 556; Kondring, Vom stillen Ende der Remise au Parquet in Europa, RIW 2007, 330; Nordmeier, Die Bedeutung des anwendbaren Rechts für die Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO, ZZP 124 (2011), 95; Ruster, Die rückwirkende Heilung schwebend unwirksamer EU-Auslandszustellungen, NJW 2019, 3186; Sujecki, Die reformierte Zustellungsverordnung, NJW 2008, 1628. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
326 A.A. LG Mönchengladbach v. 24.2.2017 – 7 O 29/15, BeckRS 2017, 155517 Rz. 29; Netzer, S. 95.
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Art. 13 EU-ZustVO 2020 Tag der Zustellung
I. Allgemeines 1. Normzweck a) Zustellungskollisionsrecht 1
Zustellungen dienen der förmlichen, dh in einem geordneten Verfahren erfolgenden Information des Empfängers. Die Ausgestaltung des Verfahrens soll zunächst einen liquiden Nachweis der erfolgten und in verschiedenen Zusammenhängen (z.B. Fristanlauf und Fristwahrung, Fälligkeit, Zinsbeginn, Verjährungshemmung,1 Eintritt verschärfter Haftung, Rechtshängigkeitseintritt und Klärung der Priorität von Verfügungen, Pfändungen oder verschiedenen Klageerhebungen bei doppelter Rechtshängigkeit [vgl. zur Verfahrenskoordination aber auch die eigenständige, nicht unmittelbar an den Zustellungszeitpunkt anknüpfende Regelung in Art. 32 Brüssel Ia-VO]2) rechtserheblichen Information des Empfängers sowie ihres Zeitpunkts3 ermöglichen.4 Außerdem soll die Ausgestaltung des Verfahrens – unter Wahrung der Interessen des Adressaten (s. Rz. 3 ff.) – im Interesse des Antragstellers eine (früh- bzw. rechtzeitige) Information des Empfängers auch unabhängig von dessen Mitwirkung und sogar gegen dessen Willen ermöglichen.5 Im Zusammenhang hiermit (z.B. § 188 ZPO) bedarf es der juristischen Ausgestaltung des entscheidenden Zustellungstatbestands, d.h. der Regelung der Voraussetzungen und damit auch des Zeitpunkts, wann (erst bzw. schon) von einer im Rechtssinne erfolgreichen Information des Empfängers ausgegangen werden kann6 (vgl. zu Rückwirkungsfiktionen z.B. § 167 ZPO, Art. 56 Abs. 4 Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering, Art. 647-1 Code de procédure civile i.d.F. bis zum 15.5.2008). In Ansehung dieser Ausgestaltung unterscheiden sich die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten (Erwägungsgrund 27 S. 1 EU-ZustVO 2020).7 Vor diesem Hintergrund bedarf für grenzüberschreitende, d.h. verschiedene Rechtsordnungen berührende Zustellungen der Entscheidung, zu welchem Zeitpunkt eine Zustellung wirksam geworden ist und die an sie anknüpfenden Rechtswirkungen auslöst. Erfolgen kann dies dadurch, dass die Verordnung autonom den Zustellungszeitpunkt regelt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass entschieden wird, welcher der berührten (nationalen) Rechtsordnungen der Zustellungszeitpunkt zu entnehmen ist.
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Die Vorschrift adressiert die zeitliche Dimension der zum Wesen einer Zustellung gehörenden Verselbstständigung des rechtlich ausgestalteten Zustellungstatbestands gegenüber der tatsächlichen Information bzw. des Zugangs als tatsächlicher Vorstufe hierzu. Sie enthält keine autonome Regelung des Zustellungszeitpunkts.8 Vielmehr bestimmt sie in Abs. 1 und Abs. 2 im Sinne einer Kollisionsregel, welches Recht für die Bestimmung des Zustellungszeitpunkts berufen ist.9 Zur Anwendung kom1 Vgl. BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NZI 2021, 552 Rz. 16. 2 Cour de cassation v. 23.1.2007 – 05-21.522; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 40; Eichel, IPRax 2017, 352, 353; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO Rz. 16, Art. 9 EG-ZustVO 2007 Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 2; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 15, Art. 13 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 9 EuZVO Rz. 2. 3 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/33; KOM(1999) 219 endg.; MainStrat, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1348/2000 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matter (März 2004), S. 45. 4 Vgl. Hess, EuZPR, Rz. 8.4. 5 Vgl. OLG Düsseldorf v. 16.3.2017 – 15 U 67/16, GRUR-RS 2017, 113388 Rz. 60; Brenn, Art. 8 EZVAnm. a). 6 Zur Bedeutung für die remise au parquet Cour de cassation v. 11.2.2004 – 01-16.651; Bajons in FS Schütze, S. 49, 59; Brenn, Art. 9 EZV Anm. a), Art. 19 EZV Anm. 2 b); Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 9 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 9 EuZVO Rz. 2; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 9 EuZVO Rz. 2; Stadler, IPRax 2001, 514, 517, 519. 7 ABl. EG 1997 C 261/33; KOM(1999) 219 endg.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 9 EuZVO Rz. 1. Vgl. z.B. Cour de cassation v. 11.10.2017 – 16-19057: Übergabe an Gerichtsvollzieher. Vgl. zudem die Darstellung bei Simoni/ Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 230 ff. 8 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NZI 2021, 552 Rz. 16; OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu Ziff. 4.1 der Gründe; Kondring, RIW 2007, 330, 335; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1. 9 Vgl. BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NZI 2021, 552 Rz. 16; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 9 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Knöfel, RIW 2021, 473, 482; Kondring, IPRax 2007, 138, 140; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 1. Vgl. auch GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 96 – Götz Leffler/Berlin
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 13 EU-ZustVO 2020
men soll die Kollisionsregel aber nur, soweit der Zustellungszeitpunkt nicht durch andere Vorschriften des Unionsrechts, insbesondere der Verordnung autonom geregelt ist. Zum Ausdruck bringt dies die Vorschrift am Beginn von Abs. 1 in ihrem Verweis auf Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO 2020, welcher im Sinne einer lex specialis eine partielle autonome Regelung zur Bestimmung des Zustellungszeitpunkts enthält (Schriftstück und Übersetzung als gleichsam zusammengesetzte Urkunde bilden das zuzustellende Schriftstück und der Zustellungszeitpunkt ist nach dem berufenen Recht für den aus erster und heilender Zustellung bestehenden Gesamttatbestand zu ermitteln, d.h. Heilung nach Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO 2020 wirkt im Regelfall nur ex nunc und nicht ex tunc). Abs. 3 der Vorschrift erweitert den Anwendungsbereich der Kollisionsregel über deren systematischen Standort hinaus auf die Übermittlungs- und Zustellungswege nach Kapitel II, Abschnitt 2, weil für diese die von der Vorschrift adressierte Frage ebenfalls beantwortet werden muss und teleologisch dieselbe Lösung als sachgerecht angesehen wird. b) Interessenausgleich Die in der Vorschrift enthaltene Kollisionsregel berücksichtigt sowohl das Interesse des Antragstellers als auch das Interesse des Zustellungsadressaten und bringt beide in einen Ausgleich.10
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Als Grundsatz ist in Abs. 1 vorgesehen, dass sich der Zeitpunkt der Zustellung – soweit die Verord- 4 nung den Zustellungszeitpunkt nicht autonom regelt (Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO 2020) – nach dem auf die Ausführung der Zustellung anwendbaren Recht des Empfangsmitgliedstaats richtet. Dies entspricht der Grundregel in Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020.11 Dasjenige Recht, welches im Grundsatz die Ausführung der Zustellung regelt und damit auch die Zustellungsweisen vorgibt, bestimmt im Ausgangspunkt auch darüber, wann die Zustellungswirkungen anknüpfend an eine bestimmte Zustellungsweise eintreten. Wie in Art. 11 Abs. 1 Var. 1 EU-ZustVO 2020 entspricht die Orientierung am Recht des Empfangsmitgliedstaats den Interessen des Zustellungsadressaten.12 Da ihm eine Information gegebenenfalls auch aufgedrängt wird (s. Rz. 1), soll er sich im Zusammenhang hiermit im Grundsatz nicht mit einer fremden Rechtsordnung beschäftigen müssen, sondern auf das ihm vertraute oder jedenfalls typischerweise vertraute Recht seines Aufenthalts (seiner Umwelt) verlassen dürfen. Als Ausnahme vom Grundsatz ordnet Abs. 2 an, dass für den Fall, dass der Zustellungszeitpunkt Be- 5 deutung für die im Interesse des Antragstellers liegende Wahrung einer Frist erlangt, sich der Zustellungszeitpunkt nach dem Recht richtet, dem die zu wahrende Frist entstammt. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass bei der Regelung von Fristen und der Ausgestaltung ihrer Länge auch jeweils von einem bestimmten und zwar einem derselben Rechtsordnung entstammenden Procedere der Fristwahrung ausgegangen wird. Davon abgesehen entspricht diese Ausnahme den Interessen des Antragstellers, der mit einer Zustellung eine Frist wahren will und sich dafür im Grundsatz nicht mit einer weiteren Rechtsordnung soll beschäftigen müssen.13
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11 12
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Chemie AG. – Nicht nachzuvollziehen Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1: „recht unklare und komplizierte“; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 1: „wenig klarer“; Prütting/ Gehrlein/Windau, Art. 13 EuZVO Rz. 1: „wenig klar“; vgl. dagegen COM(2013) 858 final, S. 13: „offenbar keine Probleme“. KOM(2005) 305 endg./2, S. 5; COM(2013) 858 final, S. 13; COM(2013) 858 final, S. 4; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 65 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 46 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 74 mit Fn. 41 – Götz Leffler/ Berlin Chemie AG; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. Vgl. auch Fasching/Konecny/ Bajons (2010), Art. 9 EuZVO Rz. 3, die freilich (zu eng) allein die Verfahrenseinleitung betrachtet. Cour de cassation v. 2.2.2010 – 07-21.431, 08-11.516. ABl. EG 1997 C 261/33; KOM(1999) 219 endg.; KOM(2005) 305 endg./2, S. 5; GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 47 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/ CB u.a.; BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NZI 2021, 552 Rz. 16; Hoge Raad v. 17.1.2003 – C02/273HR zu 2.4 der Gründe; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 9 EuZVO Rz. 2. Vgl. ABl. EG 1997 C 261/33; KOM(1999) 219 endg.; KOM(2005) 305 endg./2, S. 5; BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NZI 2021, 552 Rz. 16; Hoge Raad v. 17.1.2003 – C02/273HR zu 2.4 der Gründe; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 9 EuZVO Rz. 2.
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Art. 13 EU-ZustVO 2020 Tag der Zustellung c) Prinzip des doppelten Datums 6
Die von der Vorschrift vorgesehenen Kollisionsregeln führen zum Prinzip eines „doppelten Datums“14 bzw. einer „Datumsspreizung“15 oder einer „Spaltung des Zustellungsdatums“16 weil Abs. 1 und Abs. 2 auf unterschiedliche Rechtsordnungen verweisen und sich auch in Bezug auf ein und dieselbe Zustellung in ihrer Anwendung nicht ausschließen, sondern entsprechend ihrer funktional-persönlich unterschiedlichen Geltungsbereiche kumulativ zur Anwendung kommen können.17 Setzt z.B. die Wahrung einer Rechtsmittelfrist die Zustellung der Rechtsmittelschrift beim Rechtsmittelgegner voraus und löst die Zustellung der Rechtsmittelschrift beim Rechtsmittelgegner für diesen die Frist zur Rechtsmittelbeantwortung aus, dann bestimmt sich der Zustellungszeitpunk für die Frage des Anlaufs der für den Rechtsmittelgegner laufenden Beantwortungsfrist nach Abs. 1 (Recht des Empfangsmitgliedstaats) und für die Frage der Wahrung der für den Rechtsmittelführer laufenden Rechtsmittelfrist nach Abs. 2 (Recht des Ursprungsmitgliedstaats) mit der Folge, dass insbesondere in dem Fall, dass die Zustellung der Rechtsmittelschrift im Wege der Ersatzzustellung erfolgt, die Zustellung zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgt sein kann.18 Entgegen zahlreichen irreführenden Formulierungen (z.B. Erwägungsgrund 27 S. 3 EU-ZustVO 2020)19 gilt das Prinzip des doppelten Datums (und gilt Abs. 2) mithin nicht in Abhängigkeit davon, ob das Recht der Mitgliedstaaten ein doppeltes Datum vorsieht, sondern aufgrund der Ausgestaltung der in allen Mitgliedstaaten geltenden Vorschrift in allen Mitgliedstaaten.20 d) Zeitpunkt als Inbegriff des Kalenderdatums
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Ihrem Wortlaut nach regelt die Vorschrift nur die Ermittlung des Kalendertages, an dem eine Zustellung erfolgt ist. Dem liegt allerdings zugrunde, dass rechtserhebliche Fristen typischerweise dem Prinzip der Zivilkomputation folgend kalendermäßig bestimmt sind. Die Ausrichtung der Wortlauts der Vorschrift am Kalendertag (Datum) reflektiert diese Typizität. Sie dient dagegen nicht dazu, die Ermittlung des Zustellungszeitpunkts in Bezug auf kleinere Zeiteinheiten als einen Tag auszuschließen. Dementsprechend erlangt die in der Vorschrift enthaltene Kollisionsregel Bedeutung für die Ermittlung des Zustellungszeitpunkts auch, soweit dieser genauer als nur innerhalb eines Kalendertages verortet werden muss. 2. Entstehungsgeschichte
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Die Vorschrift geht zurück auf Art. 9 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)21 und Art. 9 EG-ZustVO 2000. HZPÜ und HZÜ enthielten keine entsprechende Kollisionsregel.22 Diese wurde als Weiterentwicklung hierzu mit der EG-ZustVO 2000 eingeführt. Da nicht alle Mitgliedstaaten von Erforderlichkeit und Sachgerechtigkeit der Neuregelung überzeugt waren, war vorgesehen die Möglichkeit, dass
14 EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 65 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 4. 15 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 9 EuZVO Rz. 1. 16 Kondring, RIW 2007, 330, 335. 17 ABl. EG 1997 C 261/33; KOM(1999) 219 endg.; GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C: 2012:583 Rz. 46 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; Brenn, Art. 9 EZVAnm. c), d); Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 9 EG-ZustVO 2007 Rz. 5, 6, 7; Karaaslan, S. 73; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 9 EuZVO Rz. 2. 18 ABl. EG 1997 C 261/33; KOM(1999) 219 endg.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 5. 19 Vgl. weiter KOM(2005) 305 endg./2, S. 5; Erwägungsgrund 15 S. 4 f. EG-ZustVO 2007 und im Anschluss z.B. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 9 EuZVO Rz. 3, 5. 20 Zutreffend und unmissverständlich COM(2013) 858 final, S. 13. 21 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 13 EuZVO 2022 Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 13 EuZustVO Rz. 1. 22 Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 9 EuZVO Rz. 2.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 13 EU-ZustVO 2020
die Mitgliedstaaten einen Vorbehalt erklären und von der Kollisionsregel abweichen können.23 Zahlreiche Mitgliedstaaten haben davon Gebrauch gemacht.24 Zu Recht ist diese Abweichungsmöglichkeit mit Art. 9 EG-ZustVO 2007 entfallen.25 Außerdem wurde der Anwendungsbereich der Ausnahmeregel in Art. 9 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 gegenüber der Vorgängerregelung neu gefasst und dabei sachgerecht erweitert – die Bezugnahme auf ein einzuleitendes oder anhängiges Verfahren ist entfallen.26 Darüber hinaus stellte Art. 9 Abs. 3 EG-ZustVO 2007 klar, dass die Kollisionsregel unbeschadet ihrer systematischen Verortung auch auf die in Kapitel II, Abschnitt 2 geregelten Übermittlungs- und Zustellungswege Anwendung findet.27 Die Vorschrift knüpft hieran an. Sie wurde gegenüber der Vorgängervorschrift nur redaktionell ge- 9 ändert. Wider besseres Wissen wurde sogar der anerkanntermaßen Anlass zu Missverständnissen gebende Erwägungsgrund 15 S. 3, 4 EG-ZustVO 200728 fast wortgleich übernommen in Erwägungsgrund 27 S. 4, 5 EU-ZustVO 2020 – so lässt sich Rechtsklarheit freilich nicht erreichen (Klarheit fördernd aber Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 2 EU-ZustVO 2020). Ebenso wenig wurde geklärt, ob bzw. inwieweit Abs. 1 auch in dem Fall gilt, dass die Zustellung in einem von der Übermittlungsstelle gewählten besonderen Verfahren (Art. 11 Abs. 1 Var. 2 EU-ZustVO 2020) ausgeführt wird.29 Die redaktionelle Anpassung des Wortlauts von Abs. 1 an den der anderen Sprachfassungen stärkt diesbezüglich aber immerhin die Ansicht, dass Abs. 1 („Datum maßgeblich, an dem das Schriftstück nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zugestellt worden ist“)30 insoweit entgegen der Formulierung von Art. 9 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 („das Recht des Empfangsmitgliedstaats maßgeblich“)31 nicht schlicht auf das Recht des Empfangsmitgliedstaats verweist (s. Rz. 16). Der Kommissionsentwurf sah noch gar keine Änderung von Art. 9 EG-ZustVO 2007 vor.32 Ebenso wenig war die Vorschrift Gegenstand der Stellungnahme des EWSA und der Stellungnahme erster Lesung des Parlaments.33 Ihre redaktionelle Anpassung erfolgte im Rahmen der ersten Lesung im Rat erst im Zusammenhang mit der in den Triloggesprächen getroffenen Entscheidung, anstatt eines Änderungsrechtsakts eine Neufassung (vgl. Erwägungsgründe 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020) zu erlassen.34 3. Anwendungsbereich a) Sachlich Die Vorschrift gilt im Ausgangspunkt für Zustellungen, bei denen das zuzustellende Schriftstück auf dem Weg der einfachen Rechtshilfe nach Abschnitt 1, Kapitel II der Verordnung übermittelt wird. Dies ergibt sich aus der systematischen Stellung der Vorschrift. Diesen Anwendungsbereich erweitert Abs. 3 auf Zustellungen, bei denen das zuzustellende Schriftstück auf einem der in Abschnitt 2 des 23 Bajons in FS Schütze, S. 49, 54. 24 Vgl. KOM(2004) 603 endg., S. 5 f.; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 9 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Kondring, IPRax 2007, 138, 140; Kuntze-Kaufhold/Beichel-Benedetti, NJW 2003, 1998, 1999; Sujecki, NJW 2008, 1628, 1630; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 9 EuZVO Rz. 3. Vgl. auch Kondring, RIW 2007, 330, 335. 25 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 9 EuZVO Rz. 1; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 9; Heiderhoff, IPRax 2007, 293, 294; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10; Sujecki, NJW 2008, 1628, 1630; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 9 EuZVO Rz. 3. – Unverändert noch 13 Jahre nach Verordnungsänderung übersehen von Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 9 EuZVO Rz. 3. 26 KOM(2005) 305 endg./2, S. 5; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9. Übersehen von Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 9 EG-ZustVO 2007 Rz. 6. 27 KOM(2005) 305 endg./2, S. 7; Sujecki, NJW 2008, 1628, 1631; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 9 EuZVO Rz. 3. 28 Vgl. COM(2013) 858 final, S. 13; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 2. 29 Vgl. dazu COM(2013) 858 final, S. 13. 30 Englische Sprachfassung: „the date on which the document was served in accordance with the law of the Member State addressed“. 31 Englische Sprachfassung: „the date on which it is served in accordance with the law of the Member State addressed“. 32 COM(2018) 379 final, S. 23. 33 Cofferati, A8-0001/2019, S. 27. 34 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 27; Ratsdok. 9890/20 (22.10.2020), S. 32.
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Art. 13 EU-ZustVO 2020 Tag der Zustellung Kapitels II der Verordnung geregelten Wege übermittelt bzw. zugestellt wird (z.B. auch elektronische Direktzustellung und Postdirektzustellung, s. dazu aber Rz. 16).35 11
Originär regelt die Vorschrift nur die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. Aufgrund der Verweisung des Art. 21 EU-ZustVO 2020 findet sie darüber hinaus aber auch auf außergerichtliche Schriftstücke Anwendung. Dies gilt unbeschadet der Erwähnung der gerichtlichen Schriftstücke in Abs. 3 auch bei Nutzung der in Abschnitt 2 des Kapitels II der Verordnung geregelten Wege, eine grenzüberschreitende Zustellung zu bewirken. b) Funktional
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Die Vorschrift gilt gegenständlich nicht nur im Zusammenhang mit Fristen im Sinne eines durch Anfang und Ende begrenzten Zeitraums, sondern dient ohne Rücksicht auf die Bedeutung des Zustellungszeitpunkts dessen Bestimmung.36 Soweit die Ausführungen namentlich von Okonska und Rauscher nahe legen,37 dass die Vorschrift lediglich die Feststellung des Zustellungszeitpunkts im Zusammenhang mit Fristanlauf oder Fristwahrung erlaubt, überzeugt dies bereits mit Blick auf den hierfür in der Grundregel des Abs. 1 keinen Anhaltspunkt enthaltenden Wortlaut nicht und ist möglicherweise auch nur einer unbedachten Formulierung geschuldet, die in einer zu engen Ausrichtung der Betrachtung wurzelt. c) Räumlich
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Entgegen dem missverständlichen Erwägungsgrund 27 S. 4 EU-ZustVO 2020 findet die Kollisionsregel unabhängig davon Anwendung, ob ein Mitgliedstaat seinerseits Regelungen zum doppelten Datum („Datumsspreizung“, „Spaltung des Zustellungsdatums“, vgl. z.B. § 167 ZPO) kennt.38 Die Vorschrift gilt in allen Mitgliedstaaten einheitlich. Hiervon zu unterscheiden ist, dass sich die Anwendung der Vorschrift im Ergebnis nur auswirkt, wenn zwischen den potentiell berufenen Rechten Unterschiede in der Regelung des Zustellungszeitpunkts bestehen.
II. Regelungen des Zustellungszeitpunkts 14
Die Kollisionsregel gilt für Vorschriften, deren Gegenstand die Bestimmung des Zustellungszeitpunkts ist. Hierzu gehören alle Rechtssätze, nach denen sich bestimmt, bezogen auf welchen Zeitpunkt des Zustellungsverfahrens als mehraktiges Geschehen von der Einleitung bis zum Abschluss die mit einer Zustellung (anknüpfend an eine tatsächliche oder fingierte Information des Adressaten) verbundenen Wirkungen eintreten. Solche Regelungen enthalten z.B. § 179 S. 3 ZPO und § 188 ZPO. Eine Aussage zum Zustellungszeitpunkt enthält darüber hinaus auch § 189 ZPO, soweit er neben dem Tatbestand der Heilung als Teil des Zustellungsverfahrens den Zeitpunkt regelt, zu welchem die Zustellung durch eine Heilung Wirksamkeit erlangt (ex nunc).39 Aber auch § 167 ZPO gehört zu den Vorschriften über den Zustellungszeitpunkt, soweit er insbesondere für das mit der Einreichung der Klageschrift zum Zweck der Zustellung angestoßene Zustellungsverfahren bestimmt, bezogen auf welchen Zeitpunkt in welchem Kontext die Zustellungswirkungen eintreten können.40
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Weitere Fragestellungen betreffend Zustellungen und Fristen werden durch die Kollisionsregel nicht erfasst. Ihr ist z.B. nicht zu entnehmen, anhand welches Umstands die Priorität mehrerer Klagen zu 35 OGH v. 20.12.2012 – 2Ob217/12v zu I. 2.4 der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 9 EG-ZustVO 2007 Rz. 11; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 14; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 4. 36 Vgl. Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 9 EuZVO Rz. 1: „zB Fristenläufe“. 37 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1 ff., 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EGZustellVO Rz. 2. 38 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 2. – A.A. Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 9 EuZVO Rz. 3, 5. 39 Vgl. Kondring, S. 405. 40 Vgl. Kondring, RIW 2007, 330, 335.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 13 EU-ZustVO 2020
bestimmen ist. Hierfür auf die Zustellung der Klageschrift abzustellen, ist nicht der einzige mögliche Lösungsansatz, wie in Art. 32 Brüssel Ia-VO erkennbar wird. Ebenso wenig betrifft die Vorschrift Regelungen zu dem für einen Fristbeginn oder die Fristwahrung maßgeblichen Umstand (Ereignis, Rechtshandlung, kalendermäßig bestimmter Termin). Sie erfasst danach nicht die Regelungen dazu, welchen Anforderungen eine Zustellung genügen muss, um Rechtsfolgen auszulösen. Dies richtet sich vielmehr nach dem an eine Zustellung Rechtsfolgen anknüpfenden Recht, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Grundsätze zur Substitution.41 Ohne Rücksicht auf Abs. 1 ergibt sich daher für die Klageerhebung zu einem deutschen Gericht aus § 253 Abs. 1 ZPO das Zustellungserfordernis. Ebenso wenig erlangt die Vorschrift Bedeutung für die Frage, ob im Falle einer mehrfachen Zustellung desselben Schriftstücks die erste oder die letzte Zustellung fristauslösend oder -wahrend ist.42 Entgegen der Annahme des EuGH43 trifft die Verordnung hierzu auch sonst keine Aussage – eine solche ergibt sich insbesondere nicht ausgehend davon, dass Verfahren beschleunigt werden sollen.44 Vielmehr entscheidet das Rechtsfolgen an eine Zustellung anknüpfende Recht, woran im Falle mehrfacher wirksamer Zustellung unter Abwägung der widerstreitenden Interessen (Beschleunigungsinteresse des Antragstellers und Interesse des Zustellungsadressaten an Rechtsklarheit) anzuknüpfen ist.45 Die Kollisionsregel bezieht sich darüber hinaus auch nicht auf die Ausgestaltung der an eine Zustellung anknüpfenden Rechtsfolgen (z.B. Ob eines Fristanlaufs, Fristlänge,46 Fristberechnung, Fristende).47 Aus Abs. 1 folgt danach zwar, dass sich der Zeitpunkt der Klagezustellung anhand des Rechts des Empfangsmitgliedstaats bestimmt. Welche Rechtsfolgen durch die Klagezustellung ausgelöst werden, ist dagegen ohne Rücksicht auf Abs. 1 dem im Forummitgliedstaat geltenden Recht zu entnehmen (z.B. § 274 Abs. 3 ZPO, § 276 Abs. 1 ZPO). Ebenso ist ohne Rücksicht auf Abs. 1 dem Rechtsfolgen an eine Zustellung anknüpfenden Recht zu entnehmen, wie lang in Gang gesetzte Fristen sind, wie sie zu berechnen sind und wie das Fristende zu bestimmen ist (z.B. ob und wie Feiertage zu berücksichtigen sind48 und welche Feiertage welches Orts49 maßgeblich sind).50
III. Vorrang autonomer Regelungen Vorrangig bestimmt sich der Zeitpunkt der Zustellung nach verordnungsautonomen Regelungen und sonstigen spezielleren Vorschriften des Unionsrechts. Dies ordnet Abs. 1 für den eine autonome Regelung51 zum Zustellungszeitpunkt für den Fall der Heilung nach Annahmeverweigerung enthaltenden Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO 2020 ausdrücklich an. Hierbei handelt es sich allerdings um eine 41 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 5. 42 Heiderhoff, IPRax 2007, 293, 294. 43 EuGH v. 9.2.2006 – C-473/04, ECLI:EU:C:2006:96 Rz. 26 ff. – Plumex/Young Sports NV; GA Tizzano, Schlussanträge v. 17.11.2005 – C-473/04, ECLI:EU:C:2005:698 Rz. 29 ff. – Plumex/Young Sports NV; dem EuGH zustimmend Heiderhoff, IPRax 2007, 293, 294; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 9 EuZVO Rz. 4. 44 A.A. EuGH v. 9.2.2006 – C-473/04, ECLI:EU:C:2006:96 Rz. 30 – Plumex/Young Sports NV; GA Tizzano, Schlussanträge v. 17.11.2005 – C-473/04, ECLI:EU:C:2005:698 Rz. 37 ff. – Plumex/Young Sports NV. 45 Der EuGH übersieht, dass die Frage der Konkurrenz zweier Zustellungen den Ausgleich des Adressatenschutzes mit dem Anspruch des Antragstellers auf effektiven Rechtsschutz betrifft und die Verordnung diesen Ausgleich nur in zwei Regelungen (Art. 12 EU-ZustVO 2020 und Art. 22 EU-ZustVO 2020) selbst behandelt, welche sich zur Konkurrenz zweier Zustellungen nicht verhalten. Der Verordnung ist dementsprechend kein Maßstab für die Bewertung der auszugleichenden Interessen zu entnehmen und der Interessenausgleich kann nur unter Rückgriff auf das eine Zustellungslast begründende Recht erfolgen. 46 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 9 EG-ZustVO 2007 Rz. 2. 47 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3. 48 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 3. – A.A. Heiderhoff, IPRax 2007, 293, 294. 49 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 8; Heiderhoff, IPRax 2007, 293, 294; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 9 EG-ZustVO 2007 Rz. 10. – Allein die Frage, ob bzw. wann an einem Ort Feiertag ist, ist eine Frage von local data. Auf welchen Ort abzustellen ist, bestimmt dagegen das eine Frist vorsehende Recht (abw. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 3). 50 Vgl. OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu 4.1 der Gründe. 51 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 1.
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Art. 13 EU-ZustVO 2020 Tag der Zustellung bloße Klarstellung. Auch im Übrigen genießen verordnungsautonome Regelungen zum Zustellungszeitpunkt nach dem Grundsatz lex specialis derogat legi generlis Vorrang. Entsprechende verordnungsautonome Regelungen zum Zustellungszeitpunkt müssen dazu nicht ausdrücklich in der Verordnung normiert sein, sondern können sich nach allgemeinen Regeln auch im Wege der Auslegung der Verordnung entnehmen lassen. Dies erlangt Bedeutung zunächst für Zustellungen, die in einem besonderen Verfahren nach Art. 11 Abs. 1 Var. 2 EU-ZustVO 2020 ausgeführt werden.52 Da Abs. 1 letztlich den Grundgedanken aus Art. 11 Abs. 1 Var. 1 EU-ZustVO 2020 wiederholt, unterliegt Abs. 1 derselben Einschränkung wie Art. 11 Abs. 1 Var. 1 EU-ZustVO 2020. Deshalb bestimmt sich der Zustellungszeitpunkt bei Zustellungen in einem besonderen Verfahren vorrangig nach den Vorgaben für das besondere Zustellungsverfahren; infolge der redaktionellen Änderungen von Abs. 1 gegenüber Art. 9 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 wird dies nunmehr auch in der deutschen Sprachfassung angedeutet (s. Rz. 9). Nur soweit sich aus dem Wunsch eines besonderen Zustellungsverfahrens und der Natur des gewünschten Zustellungsverfahrens nichts Abweichendes ergibt, verweist Abs. 1 in diesem Fall auf das Recht des Empfangsmitgliedstaats.53 Dass mit diesem Verständnis eine Beeinträchtigung der Interessen des Zustellungsadressaten einhergeht, ist der Zustellung in einem besonderen Zustellungsverfahren immanent und löst keine kompensierende Belehrungspflicht der Empfangsstelle oder des Zustellungsorgans aus, solange eine solche nicht unerlässlich ist, um die Vereinbarkeit des besonderen Verfahrens mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zu gewährleisten.54 Vergleichbar dazu bestimmt sich auch bei der Zustellung auf dem konsularischen oder diplomatischen Weg (Art. 17 EU-ZustVO 2020), welche durch Stellen des Ursprungsmitgliedstaats nach seinem Recht erfolgt (s. Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 19), der Zustellungszeitpunkt nach dem auf die Ausführung der Zustellung anwendbaren Recht des Ursprungsmitgliedstaats.55 Bedeutung erlangt der Vorrang verordnungsautonomer Regelungen zum Zustellungszeitpunkt zudem für die Postdirektzustellung. Da diese Zustellungsform durch Art. 18 EU-ZustVO 2020 verordnungsautonom geregelt ist einschließlich der Fragen der Ersatzzustellung, ist dieser Vorschrift auch der Zustellungszeitpunkt zu entnehmen und wird Abs. 1 verdrängt.56 Soweit autonome Regelungen dem durch Abs. 2 angesprochenen Problem keine Aufmerksamkeit widmen, bleibt Abs. 2 auch dann anwendbar, wenn Abs. 1 durch eine autonome Regelung verdrängt wird.57 17
Für den Fall der Heilung einer nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 wirksam abgelehnten (nicht angenommenen) und daher zunächst nicht wirksamen Zustellung sieht Art. 12 Abs. 5 S. 2 EU-ZustVO 2020 als autonome Regelung vor, dass die Zustellung im Grundsatz bewirkt ist an dem Tag, an dem (zum Zweck der Heilung) die erforderliche Übersetzung und das zuzustellende Schriftstück (erneut) zugestellt werden. Hieraus ist verordnungsautonom zu entnehmen, dass nicht der Zeitpunkt der ursprünglichen Zustellung maßgeblich ist, weil ausweislich Art. 12 Abs. 5 S. 1 EU-ZustVO 2020 das zuzustellende Schriftstück und die begleitende Übersetzung für die Bestimmung des Zustellungszeitpunkts als letztlich eine zusammengesetzte Urkunde zu begreifen sind (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 100). Nicht durch Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO 2020 geregelt wird der Zeitpunkt, zu dem die gleichsam zusammengesetzte Urkunde als zugestellt zu behandeln ist. Dies richtet sich vielmehr nach dem durch Abs. 1 berufenen Recht. Eine Ausnahme zu dem in Art. 12 Abs. 5 S. 2 EU-ZustVO 2020 geregelten Grundsatz, dass maßgeblich der Zeitpunkt allein der heilenden erneuten Zustellung und nicht (auch) der Zeitpunkt der ursprünglichen Zustellung ist, ordnet Art. 12 Abs. 5 S. 3 EU-ZustVO 2020 zur Abmilderung der den Antragsteller bei Ausübung des Annahmeverweigerungsrechts treffenden Folgen an. Nach dieser sind, was die deutsche Sprachfassung verschleiert, im Verhältnis zum Antragsteller dem Gedanken der Heilung entsprechend erste Zustellung bzw. erster Zustellungsversuch und erneute (heilende und die gleichsam zusammengesetzte Urkunde herstellende) Zustellung zu-
52 Offen Bericht der Kommission COM(2013) 858 final, S. 13. 53 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 5. – A.A. Brenn, Art. 9 EZV Anm. b). 54 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 3. 55 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 9 EG-ZustVO 2007 Rz. 11. 56 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 2. – A.A. aber Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 27. 57 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 28.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 13 EU-ZustVO 2020
sammen als einheitlicher Zustellungsvorgang zu betrachten und ist für diesen einheitlichen Zustellungsvorgang der Zeitpunkt nach dem durch Abs. 2 berufenen Recht unter Beachtung des Effektivitätsgrundsatzes zu bestimmen (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 103).
IV. Grundsatz: Anwendung des Rechts des Empfangsmitgliedstaats (Abs. 1) Der Zustellungszeitpunkt (s. Rz. 14 f.) richtet sich, wird das Annahmeverweigerungsrecht nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 nicht berechtigt ausgeübt (s. auch Rz. 17),58 im Grundsatz gem. Abs. 1 nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats (Erwägungsgrund 27 S. 2 EU-ZustVO 2020);59 eine in seinem Geltungsbereich vorrangig anzuwendende Ausnahme hierzu regelt Abs. 2. Die Anwendung des nach Abs. 1 berufenen Rechts kann auch dazu führen, dass eine durch Zustellung ausgelöste Frist früher als nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats anläuft (und für den Zustellungsadressaten daher nur in einem geringerem Umfang als nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats effektiv zur Verfügung steht);60 dies gibt nicht Anlass zu einer Reduktion von Abs. 1, sondern erforderlichenfalls zur Wiedereinsetzung o.Ä. nach Maßgabe des die Zustellungslast begründenden Rechts. Abs. 1 liegt zugrunde, dass ausgehend von Art. 11 Abs. 1 Var. 1 EU-ZustVO 2020 die Ausführung der Zustellung, d.h. der Kern des Zustellungsverfahrens, im Grundsatz nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats erfolgt und der Zustellungszeitpunkt, welcher durch die Empfangsstelle im Formblatt K anzugeben ist,61 das Ergebnis des Zustellungsverfahrens ist. Ausgehend hiervon ist Abs. 1 teleologisch zu reduzieren, wenn die Zustellung nach Art. 11 Abs. 1 Var. 2 EU-ZustVO 2020 in einem besonderen Verfahren ausgeführt wird, welches dem Recht des Empfangsmitgliedstaats nicht bekannt ist. Denn in diesem Fall kann eine inhaltliche Verbindung der Ausgestaltung des Zustellungsverfahrens zur Bestimmung des Zustellungszeitpunkts nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats nicht bestehen (s. auch Rz. 16). Entsprechendes gilt für die Zustellung durch diplomatische Vertreter und konsularische Bedienstete (s. auch Rz. 16).
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V. Ausnahme: Anwendung des eine Frist regelnden Rechts (Abs. 2) 1. Geltungsbereich a) Allgemeines Die Ausnahme nach Abs. 2 findet (anstatt Abs. 1) Anwendung, wenn mit der Zustellung eine Frist zu wahren ist (Erwägungsgrund 27 S. 3 EU-ZustVO 2020). Dieses Erfordernis ist verordnungsautonom auszulegen. Es ist daher nicht maßgeblich, was das Recht des Mitgliedstaats, dessen Stellen über die Anwendung von Abs. 2 zu befinden haben, oder das nach Abs. 2 hypothetisch berufene Recht unter einer Frist bzw. ihrer Wahrung verstehen. Hiervon zu unterscheiden ist, dass sich die Frage, ob und inwieweit eine Zustellung im von der Vorschrift autonom vorausgesetzten Sinne auf eine Fristwahrung zielt, nach dem hypothetisch nach Abs. 2 berufenen Recht, d.h. demjenigen Recht bestimmt, welchem die Instanz, welche über die Anwendung des Abs. 2 befindet, die Anordnung einer Frist, deren Wahrung entscheidungserheblich ist, entnimmt. Unerheblich ist, ob es sich bei dem hypothetisch
58 GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 47 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a. 59 GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 47 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; GA Bobek, Schlussanträge v. 8.9.2016 – C-354/15, ECLI:EU:C:2016:650 Rz. 43 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco, SA; BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NJW 2021, 1598 Rz. 16; OGH v. 20.12.2012 – 2Ob217/12v zu I. 2.4 der Gründe; Cour de cassation v. 11.5.2017 – 16-12926; Cour de cassation v. 2.2.2010 – 07-21.431, 08-11.516; Cour de cassation v. 6.10.2009 – 8-16732; Cour de cassation v. 4.7.2007 – 06-12.267; Cour de cassation v. 11.2.2004 – 01-16.651; Cour d’appel Paris v. 9.11.2005 – ct0149; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 9 EuZVO Rz. 4. 60 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 9 EG-ZustVO 2007 Rz. 3. 61 Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 9 EuZVO Rz. 4.
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Art. 13 EU-ZustVO 2020 Tag der Zustellung nach Abs. 2 berufenen Recht um materielles Recht oder Verfahrensrecht handelt. Abs. 2 gilt sowohl für prozessuale (z.B. § 929 Abs. 3 ZPO)62 als auch für materiell-rechtliche Fristen.63 b) Wahrung und nicht Ingangsetzung einer Frist 20
Unter der Wahrung einer Frist versteht Abs. 2, dass die Zustellung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt perfekt (erfolgt) sein muss, um die mit der Zustellung intendierten anstatt der für den Fall des Fristablaufs vorgesehenen Rechtsfolgen auszulösen, z.B. eine Rechtsposition zu erlangen oder gegen einen Verlust oder eine Verminderung zu sichern. Danach meint Frist i.S.d. Vorschrift zwar nicht nur nach Anfang und Ende begrenzte Zeiträume, sondern Abs. 2 begnügt sich mit der Begrenzung eines Zeitraums zum Ende hin. Zugleich ist aber erforderlich, dass an das betreffende Ende auch eine zu der mit der Zustellung intendierten Rechtsfolge alternative Rechtsfolge (jenseits eines nur anderen Termins) anknüpft, welche nicht eintritt, wenn vor dem betreffenden Ende eine Zustellung bewirkt wird. Der Wahrung einer Frist dient eine Zustellung im vorstehenden Sinne in verschiedenen Rechtsordnungen, soweit an das Ende einer Frist der Eintritt der Verjährung geknüpft ist und der Eintritt der Verjährung durch die Zustellung der Klageschrift oder einer Ladung gehindert werden kann (§§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 253 Abs. 1 ZPO).64 Entsprechendes gilt für durch Klageerhebung zu wahrende Verfallfristen (§ 61b Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 253 Abs. 1 ZPO). Der Wahrung einer Frist dient die Zustellung darüber hinaus dann, wenn sie vor einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt sein muss, um die Rechtskraft zu verhindern und ein Rechtsmittelverfahren zulässig zu eröffnen.65 Nicht der Wahrung einer Frist dient die Zustellung (der Klageschrift) dagegen im Rahmen von § 291 BGB. Zwar sind Prozesszinsen erst ab Rechtshängigkeit, d.h. ab Klagezustellung geschuldet. Allerdings kennt § 291 BGB kein Fristende, zu dem eine andere Rechtsfolge als im Fall der Zustellung eintritt. Vergleichbares gilt für Zustellungen, mit denen eine Priorität erlangt werden soll.
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Keine Anwendung findet Abs. 2 dagegen insbesondere, soweit durch eine Zustellung eine Frist in Gang zu setzen ist.66 In diesen Fällen verbleibt es vielmehr bei der Anwendung von Abs. 1. Von der Wahrung einer Frist unterscheidet sich das Ingangsetzen einer Frist dadurch, dass es nach der eine Frist vorsehenden Vorschrift den Anfangspunkt eines bestimmten Zeitraums betrifft. Gerade Wartefristen werden gedanklich vielfach „rückwärts“ berechnet, worin sich zeigt, dass Anfang und Ende eines Zeitraums mit dem Blickwinkel austauschbar sind. Die Auslegung der eine Frist vorsehenden Regelung bestimmt darüber, welcher Blickwinkel maßgeblich ist. Im Zweifel orientiert sich ein Normgeber am Lauf der Zeit und der in diesem Sinne frühere Zeitpunkt bestimmt den Anfang. Nicht der Wahrung einer Frist dient die Klagezustellung danach im Zusammenhang mit § 274 Abs. 3 ZPO (Einlassungsfrist).67 Vielmehr soll die Zustellung in diesem Falle eine Wartefrist in Gang setzen. Entsprechendes gilt für die Ladung zu einem Termin und ihre Rechtzeitigkeit.68
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Infolge der Ausrichtung des Anwendungsbereichs auf die Wahrung einer Frist durch Zustellung gilt Abs. 2 notwendig nur für den Antragsteller der der Fristwahrung dienenden Zustellung und nicht für
62 Vgl. OLG Dresden v. 7.4.2020 – 4 U 2805/19, BeckRS 2020, 7500 Rz. 6; irrig zum deutschen Recht Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/28. – Entgegen Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 9 EuZVO Rz. 2 gehört hierher nicht der Fall des § 317 Abs. 1 S. 3 ZPO, weil innerhalb dieser Frist nicht die Zustellung zu bewirken ist, sondern vielmehr die Zustellung nicht vor Ablauf dieser Frist zu veranlassen ist. 63 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 9 EuZVO Rz. 2; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 4; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Ruster, NJW 2019, 3186, 3187. 64 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NZI 2021, 552 Rz. 16; Cour de cassation v. 15.11.2016 – 14-16674; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Kondring, IPRax 2007, 138, 140. 65 Cour de cassation v. 11.10.2017 – 16-19057. Vgl. auch Hoge Raad v. 17.1.2003 – C02/273HR zu 2.4 der Gründe. 66 OGH v. 20.12.2012 – 2Ob217/12v zu I. 2.4 der Gründe; Cour de cassation v. 11.5.2017 – 16-12926; Cour de cassation v. 2.2.2010 – 07-21.431, 08-11.516; Cour de cassation v. 6.10.2009 – 08-16732; Cour de cassation v. 4.7.2007 – 06-12.267; Cour de cassation v. 4.7.2007 – 05-20.525; Zöller/Geimer, Art. 9 EuZustVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 5. 67 A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 2. 68 A.A. Cour d’appel Lyon v. 19.6.2008 – 07/04659.
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den Zustellungsadressaten.69 Denn Letzterer ist bei der Fristwahrung durch Zustellung Objekt und nicht Subjekt. Eine eigenständige Bedeutung für die Eröffnung des Geltungsbereichs von Abs. 2 kommt dem Merkmal Antragsteller danach nicht zu. Die Feststellung, dass Antragsteller (wie im Kontext der Verordnung grundsätzlich) nicht das Gericht, sondern die an einer Zustellung interessierte Person ist,70 ist danach im Grundsatz zwar zutreffend, aber entbehrlich. Nicht nur entbehrlich, sondern verfehlt ist die Annahme, für die Anwendung von Abs. 2 sei darauf abzustellen, wen eine Frist „betrifft“.71 Abs. 2 unterscheidet nicht hiernach, sondern danach was innerhalb einer laufenden Frist getan werden muss. Ausgehend von diesem Was (Bewirken einer Zustellung) bestimmt sich zunächst kraft Natur der Sache, an wen sich die Vorschrift richtet. Und ausgehend von diesem Was wird deutlich, dass Abs. 2 keine Bedeutung bei der Anwendung von Art. 32 Brüssel Ia-VO zukommt, weil diese Vorschrift primär gerade nicht an die bewirkte Zustellung72 anknüpft.73 c) Nicht: Alternativlosigkeit der Zustellung Keine Anwendungsvoraussetzung dafür, dass i.S.v. Abs. 2 eine Zustellung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgt sein muss, um Rechtsfolgen auszulösen, ist, dass die betreffenden Rechtsfolgen gerade nur anknüpfend an eine Zustellung und nicht z.B. auch an den formlosen Zugang einer Erklärung anknüpfen. Ausreichend für die Anwendung von Abs. 2 ist vielmehr, dass die betreffenden Rechtsfolgen auch an eine Zustellung anknüpfen und der Antragsteller den Weg gewählt hat, die Rechtsfolgen durch eine Zustellung herbeizuführen.74 Zwar ist zu § 167 ZPO entgegen der auf den Einzelfall abstellenden Rechtsprechung von BGH75 und BAG76 richtigerweise davon auszugehen, dass diese Vorschrift nur Anwendung findet, wenn der Erklärende zur Fristwahrung gerade auf den Weg der Zustellung angewiesen ist.77 Allerdings ergibt sich dies aus einer teleologischen Auslegung gerade des § 167 ZPO. Die Rechte anderer Staaten können in vergleichbarer Situation auch anders entscheiden und Abs. 2 zielt in dieser Frage nicht auf eine Harmonisierung, sondern verweist gerade auf das auf die Frist anwendbare Recht und die dieses prägenden Wertungen.
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2. Rechtsfolge Für den Antragstellers bestimmt sich der für die Frage der Rechtzeitigkeit einer Zustellung maßgebliche Zeitpunkt der Zustellung (s. Rz. 14 f.) nach dem Recht, welches die zu wahrende Frist begründet, d.h. den Eintritt von Rechtsfolgen an die Rechtzeitigkeit der Zustellung bindet. Für die im Rahmen eines im Ursprungsmitgliedstaat geführten Rechtsstreits laufenden Fristen ist dies das Recht des Ursprungsmitgliedstaats.78 Allerdings ist nach Abs. 2 nicht ausnahmslos das Recht des Ursprungsmitgliedstaats berufen.79 Vielmehr ist berufen das Recht, welches die Geltung einer Frist anordnet bzw. Rechtsfolgen von der Wahrung einer Frist abhängig macht. Es muss sich dabei nicht notwendig
69 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 5; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 9 EuZVO Rz. 5. 70 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 9 EuZVO Rz. 1; Zöller/Geimer, Art. 9 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 9 EuZVO Rz. 5. 71 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 9 EG-ZustVO 2007 Rz. 7 f. 72 Vgl. BGH v. 13.9.2016 – VI ZB 21/15, BeckRS 2016, 19990 Rz. 41. 73 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 40; Eichel, IPRax 2017, 352, 354; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 8 EG-ZustellVO Rz. 30; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 12 EuZustVO Rz. 15. Unklar Fabig/ Windau, NJW 2021, 1603. – A.A. LG Düsseldorf v. 10.3.2016 – 14c O 58/15, GRUR-RR 2016, 228 Rz. 33 ff. 74 So inzident wohl auch Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 9 EuZVO Rz. 2: Abs. 2 erfasst in Deutschland auch Wahrung der Einspruchs- und Berufungsfrist. 75 BGH v. 17.7.2008 – I ZR 109/05, NJW 2009, 765 Rz. 23 ff. 76 BAG v. 22.5.2014 – 8 AZR 662/13, NZA 2014, 924 Rz. 12 ff. 77 Ulrici, jurisPR-ArbR 38/2016 Anm. 2. Vgl. auch BAG v. 16.3.2016 – 4 AZR 421/15, NZA 2016, 1154 Rz. 26 ff. 78 Gerechtshof Amsterdam v. 1.6.2006 – 1471/04. 79 Ungenau Hansen/Hölken, NZI 2021, 556, 557. Missverständlich, aber zutreffend BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NZI 2021, 552 Rz. 16: wenn Frist nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats, dann Ursprungsmitgliedstaat.
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Art. 14 EU-ZustVO 2020 Bescheinigung über die Zustellung eines Schriftstücks um das Recht eines Mitgliedstaats handeln, sondern es kann auch das Recht eines Drittstaats maßgeblich sein. Hiergegen spricht zwar der Wortlaut von Abs. 2. Allerdings ist dieser der (ursprünglichen, s. Rz. 8) Ausrichtung der Vorschrift auf die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke im Rahmen eines vor dem Gericht eines Mitgliedstaats geführten Verfahrens geschuldet. In diesem Fall knüpft allein das Recht eines Mitgliedstaats Rechtsfolgen an Fristen bzw. ihre Wahrung durch Zustellung. Demgegenüber hat keine Berücksichtigung gefunden insbesondere die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke, durch welche gegebenenfalls auch eine im Recht eines Drittstaats wurzelnde Frist gewahrt werden soll. Durch die im Rahmen der Reform zur EG-ZustVO 2007 erfolgte Ausweitung der Regelung ist diese insoweit unbewusst lückenhaft geworden. Zu schließen ist diese Lücke entsprechend dem Normtelos (Anwendbarkeit des eine Frist vorsehenden Rechts).80 Verwiesen wird dabei jeweils gleichermaßen auf materielles Recht wie Verfahrensrecht.81 Hat z.B. ein deutsches Gericht das materielle Recht der Schweiz, welches eine Frist vorsieht, anzuwenden, dann bestimmt sich die Rechtzeitigkeit einer in Frankreich zur Fristwahrung erfolgten Zustellung nach Schweizer Recht. 25
Das nach Abs. 2 berufene Recht ist anzuwenden ohne Rücksicht darauf, ob sich seine Anwendung im Vergleich zur Anwendung des nach Abs. 1 berufenen Rechts als günstiger erweist.82 Der Wortlaut von Abs. 2 enthält keinen Anhaltspunkt für die Geltung des Günstigkeitsprinzips. Dessen Anwendung ist auch durch den Normzweck nicht geboten. Daraus, dass die Kollisionsregel in Abs. 2 auch den Interessen des Antragstellers Rechnung trägt, folgt nichts Abweichendes, weil dies nur ein Nebeneffekt der vom Verordnungsgeber angestrebten Lösung nach dem Kriterium der Sachnähe ist. Davon abgesehen zielt die Vorschrift auf einen Ausgleich der Interessen des Antragstellers und des Zustellungsadressaten und Vorteile für den Antragsteller gehen vielfach mit Nachteilen für den Zustellungsadressaten einher. Die Anwendung des Günstigkeitsprinzips für den Antragsteller bedeutete daher vielfach die Geltung eines Schlechtigkeitsprinzips für den Zustellungsadressaten. Dass der Normzweck nicht die Geltung des Günstigkeitsprinzips nach sich zieht, lässt sich an § 193 BGB und § 222 Abs. 2 ZPO verdeutlichen: Auch diese Regelungen dienen dem Antragsteller – gleichwohl sind nicht in Anwendung des Günstigkeitsprinzips die Feiertage am Absende- und am Empfangsort, sondern nur die Feiertage am Empfangsort maßgeblich.
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Ist nach Abs. 2 deutsches Recht berufen, gilt neben z.B. § 179 S. 3 ZPO und § 188 ZPO insbesondere auch § 167 ZPO.83 Danach genügt für die Fristwahrung, ist hierfür eine Zustellung erforderlich, dass der Eingang des Antrags oder der Erklärung bei der ersten vom Antragsteller verschiedenen Stelle, welche zuständig ist für Anordnung, Ausführung oder Beauftragung der Zustellung, rechtzeitig erfolgt ist, wenn die Zustellung demnächst erfolgt, weil unter diesen Voraussetzungen der Zustellungszeitpunkt fingiert wird bereits auf den Zeitpunkt des Eingangs bei der entsprechenden vom Antragsteller verschiedenen Stelle (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 111 ff.).
Artikel 14 Bescheinigung über die Zustellung und Kopie des zugestellten Schriftstücks (1) Nach Erledigung der für die Zustellung des Schriftstücks vorzunehmenden Schritte, stellt die Empfangsstelle unter Verwendung von Formblatt K in Anhang I eine Bescheinigung über die Erledigung dieser Schritte aus und sendet sie der Übermittlungsstelle; im Falle des Artikels 8 Absatz 4 wird der Bescheinigung eine Kopie des zugestellten Schriftstücks beigefügt.
80 Vgl. Nordmeier, ZZP 124 (2011), 95, 119; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 13 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9. – Abw. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 9 EG-ZustellVO Rz. 6: Norm verweise auf Kollisionsrecht der Mitgliedstaaten und dieses gegebenenfalls auf das Recht eines Drittstaats. 81 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 5. 82 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 7. 83 BGH v. 25.2.2021 – IX ZR 156/19, NZI 2021, 552 Rz. 16; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 9 EuZVO Rz. 4; Kondring, IPRax 2007, 138, 140.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 14 EU-ZustVO 2020
(2) 1Die in Absatz 1 genannte Bescheinigung ist in der Amtssprache oder in einer der Amtssprachen des Ursprungsmitgliedstaats oder in einer sonstigen Sprache auszustellen, die der Ursprungsmitgliedstaat zugelassen hat. 2Jeder Mitgliedstaat gibt die Amtssprache(n) der Union außer seiner oder seinen eigenen Amtssprache(n) an, in denen das Formblatt K in Anhang I ausgefüllt werden kann. I. 1. 2. 3.
Allgemeines . . . . . . Normzweck . . . . . . Entstehungsgeschichte Anwendungsbereich .
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II. Erteilungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . .
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III. Erteilung Zustellungsbescheinigung . . . . . 1. Verpflichteter . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Berechtigter . . . . . . . . . . . 3. Bescheinigungspflicht . . . . . a) Verpflichtung und Frist . . b) Inhalt und Formblattpflicht c) Ausfüllsprache (Abs. 2) . . 4. Übersendungspflicht . . . . . .
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IV. Rechtswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Schrifttum: Rauscher, Von prosaischen Synonymen und anderen Schäden, IPRax 2012, 40; Sujecki, Die Entwicklung des europäischen Privat- und Zivilprozessrechts im Jahr 2012, EuZW 2013, 408. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck Die Vorschrift begründet für die Empfangsstelle die Verpflichtung, die Übermittlungsstelle unter Ver- 1 wendung eines Formblatts über die abschließende Erledigung eines eingelangten Rechtshilfeersuchens zu informieren.1 Dabei bezieht sich die Vorschrift, wie sich insbesondere aus Abs. 1 Halbs. 2 rückschließen lässt,2 auf den Fall der erfolgreichen Erledigung des Rechtshilfeersuchens durch Bewirkung der ersuchten Zustellung.3 Sie wird ergänzt durch Vorschriften, die bei nicht vollständig erfolgreicher Ausführung eines Rechtshilfeersuchens eine vergleichbare und unter Verwendung desselben Formblatts zu erfüllende Verpflichtung begründen.4 Eine solche sieht zunächst Art. 11 Abs. 2 S. 2 lit. a EU-ZustVO 2020 für den Fall vor, dass das Rechtshilfeersuchen nicht innerhalb eines Monats erfolgreich ausgeführt werden konnte. Überdies ergibt sich im Fall der auf das Annahmeverweigerungsrecht des Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 gestützten Annahmeverweigerung eine solche aus Art. 12 Abs. 4 EU-ZustVO 2020. Diesen Verpflichtungen gegenüber stehen die sich aus Art. 10 Abs. 2, 3, 4 EU-ZustVO 2020 ergebenden Verpflichtungen, die Übermittlungsstelle über die (vorläufige) Ablehnung der Ausführung des Rechtshilfeersuchens zu informieren. Die vorgesehene Verpflichtung dient aber nicht nur der Information über die Erledigung des Rechtshilfeersuchens, sondern auch der Information5 über und der Dokumentation6 von Einzelumständen in Bezug auf die zur Rechtshilfegewährung unternommenen Maßnahmen. Entsprechenden Dokumentationen zu einer erfolgreich bewirkte Zustellung (Zustellungsbescheinigungen) kommt bei grenzüberschreitenden Zustellungen nicht anders als bei inländischen Zustellungen erhebliche praktische Bedeutung im Zusammenhang mit der Feststellung einer erfolgten Zustellung, der ihre Wirksamkeit
1 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/34; KOM(1999) 219 endg.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 10 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-ZustellVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 10 EuZVO Rz. 1. 2 Im Falle der gescheiterten Zustellung wäre nicht (nur) eine Kopie des „zugestellten“ Schriftstücks beizufügen, sondern das „zuzustellende“ Schriftstück selbst zurückzusenden (a.A. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 10 EuZVO Rz. 2). 3 A.A. Brenn, Art. 10 EZV Anm. c). 4 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 10 EuZVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 10 EuZVO Rz. 2. Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-ZustellVO Rz. 2. 5 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3. 6 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 10 EuZVO Rz. 2.
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Art. 14 EU-ZustVO 2020 Bescheinigung über die Zustellung eines Schriftstücks begründenden oder beeinträchtigenden Umstände und des Datums der Zustellung zu. Die über eine erfolgte Zustellung erteilte Bescheinigung schafft eine Grundlage dafür, dass das ordnungsgemäße Bewirken einer Zustellung über zeitliche und räumliche Distanz (zu Zustellungsvorgang und -ort) festgestellt werden kann. Sie ist ein in der Regel im Interesse der Verfahrensökonomie mit einer besonderen Beweiskraft ausgestattetes Beweismittel (s. Rz. 20). Vor diesem Hintergrund sieht die Vorschrift für grenzüberschreitende Zustellungen, bei denen der Möglichkeit zum Nachweis über räumliche Distanz hinweg besondere Bedeutung zukommt, die Erteilung einer Zustellungsbescheinigung vor. 3
In Abs. 1 wird die Verpflichtung zur Zustellungsbescheinigung begründet. Zugleich gestaltet Abs. 1 die entsprechende Verpflichtung inhaltlich dahin aus, dass ihr zwingend unter Verwendung eines Formblatts zu genügen ist. Dies soll eine leichte Verständlichkeit der Zustellungsbescheinigung gewährleisten und Missverständnissen vorbeugen.7 Zugleich dient die Formblattpflicht dazu, nach Möglichkeit das Erfordernis einer Übersetzung zu vermeiden.8 Schießlich fördert sie, dass möglichst vollständige Angaben gemacht werden. Soweit Abs. 1 Halbs. 2 i.V.m. Art. 8 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 vorsieht die Möglichkeit der Erteilung einer unter Beifügung einer Abschrift des zugestellten Schriftstücks ausgestellten Zustellungsbescheinigung, wird dem Interesse daran Rechnung getragen, gegebenenfalls auch Zweifel am Inhalt des zugestellten Schriftstücks bzw. dem Kreis der zeitgleich zugestellten Schriftstücke leicht ausräumen zu können und im Falle mehrerer (innerhalb kurzer Zeit) zu einem einheitlichen Vorgang (Aktenzeichen) zugestellter Schriftstücke zweifelsfrei feststellen zu können, auf welche von ihnen sich welche Bescheinigung bezieht.9 In Ergänzung der Formblattpflicht zielt auf eine Reduzierung von Übersetzungsbedarf die Regelung des Abs. 2 zur Sprache, in welcher das in allen Amtssprachen der EU verfügbare Formblatt zur Zustellungsbescheinigung auszufüllen ist. 2. Entstehungsgeschichte
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Die Vorschrift geht zurück auf Art. 10 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)10 und Art. 10 EG-ZustVO 2000, welche ihrerseits an Art. 6 HZÜ sowie Art. 5 HZPÜ anknüpften. Art. 5 HZPÜ verweist für den Nachweis einer erfolgten Zustellung auf ein Empfangsbekenntnis des Zustellungsadressaten oder ein Zeugnis der Behörde des ersuchten Staates; hinsichtlich der Form sieht Art. 5 Abs. 2 HZPÜ vor, dass Empfangsbekenntnis bzw. Bescheinigung auf eine Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks zu setzen sind. Hievon abweichend sieht Art. 6 HZÜ vor die Erteilung einer auf einem Formular ausgestellten Bescheinigung. Den Ansatz einer formularmäßigen Bescheinigung haben für auf dem einfachen Rechtshilfeweg vermittelte Zustellungen Art. 10 EG-ZustVO 2000 und Art. 10 EG-ZustVO 2007 aufgegriffen. Das Formerfordernis aus Art. 5 Abs. 2 HZPÜ musste ergänzend dazu nur noch auf Wunsch beachtet werden. Hieran knüpft die Vorschrift an. Sie wurde gegenüber Art. 10 EG-ZustVO 2000 und Art. 10 EG-ZustVO 2007 nur redaktionell geändert.11 Der Kommissionsentwurf sah dagegen noch vor, Abs. 1 Halbs. 2 (ebenso wie die Regelung des Art. 8 Abs. 4 EU-ZustVO 2020) zu streichen.12 Dies stand im Zusammenhang damit, dass der Kommissionsentwurf vorsah, dass die die Rechtshilfegewährung betreffende Kommunikation ausnahmslos über ein dezentrales IT-System geführt wird, durch dessen technische Gestaltung weitgehend den hinter Abs. 1 Halbs. 2 und Art. 8 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 stehenden Interessen Rechnung getragen werden kann. Die Stellungnahmen des EWSA und des Parlaments in erster Lesung beanstandeten dieses Vorhaben nicht. Nachdem der Rat sich zwar für eine im Grundsatz obligatorische Kommunikation über ein dezentrales IT-System entschieden, dabei
7 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 10 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-ZustellVO Rz. 1. 8 Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 10 EuZVO Rz. 1. 9 Vgl. Audiencia Provincial Madrid v. 10.9.2015 – 371/2015 (Mangel der Zustellung kann ersichtlich werden); Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-ZustellVO Rz. 5. 10 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 14 EuZVO 2022 Rz. 1. Vgl. (mit Zahlenfehler) auch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 14 EuZustVO Rz. 1. 11 Vgl. (mit Zahlenfehler) auch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 14 EuZustVO Rz. 1. 12 COM(2018) 379 final, S. 23; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-ZustellVO Rz. 5.
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aber der Möglichkeit einer ausnahmsweise anderen Kommunikation größere Aufmerksamkeit geschenkt hat, wurde das Vorhaben, Abs. 1 Halbs. 2 zu streichen, fallen gelassen.13 3. Anwendungsbereich Die Vorschrift gilt nur für die zu Zustellungen, die auf dem Weg der einfachen Rechtshilfe (Kapitel II, Abschnitt 1) vermittelt wurden, zu erteilenden Zustellungsbescheinigungen. Sie gilt dagegen nicht für die in Abschnitt 2 des Kapitels II der Verordnung geregelten Zustellungswege. Dies ergibt sich aus dem systematischen Standort der Vorschrift, daraus, dass an einer Zustellung auf den in Art. 17–20 EU-ZustVO 2020 beschriebenen Wegen eine Empfangsstelle, welche durch Abs. 1 verpflichtet wird, nicht beteiligt ist, sowie daraus, dass Art. 18, 19 EU-ZustVO 2020 zur Empfangsbestätigung gesonderte Regelungen enthalten. Entsprechend anwendbar ist die Vorschrift allerdings auf die Übermittlung nach Art. 16 EU-ZustVO 2020, welche auch der Nutzung des Rechtshilfewegs dient und unter Beteiligung einer Empfangsstelle erfolgt.
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Originär regelt die Vorschrift nur die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. Aufgrund des Verweises 6 in Art. 21 EU-ZustVO 2020 findet sie darüber hinaus aber auch auf außergerichtliche Schriftstücke Anwendung. Daraus, dass die Beibehaltung von Abs. 1 Halbs. 2 entstehungsgeschichtlich im Zusammenhang mit der Regelung der Ausnahme von der Pflicht zur Nutzung des dezentralen IT-Systems steht und auch Art. 8 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 auf die Papierform Bezug nimmt, folgt nicht, dass Abs. 1 Halbs. 2 nur im Falle papiergebundener Kommunikation Anwendung findet. Vielmehr ist eine Bescheinigung unter Beifügung des zugestellten Dokuments auf Wunsch auch bei elektronischer Übermittlung zu erteilen; Art. 8 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 beruht gerade auf dem Gedanken, dass es im Falle der Nutzung des dezentralen IT-Systems dazu nicht der Übersendung einer zweiten Ausfertigung bedarf, sondern die Empfangsstelle leicht ein elektronisches Dokument vervielfältigen kann (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 30 ff.).
7
II. Erteilungsvoraussetzungen Die Bescheinigungspflicht entsteht mit vollständiger Erledigung der für die Zustellung des Schrift- 8 stücks vorzunehmenden Schritte.14 Dies setzt zunächst voraus, dass die Empfangsstelle die Ausführung des Rechtshilfeersuchens übernommen und nicht abgelehnt hat. Im Fall der (vorläufigen bzw. endgültigen) Ablehnung der Ausführung des Rechtshilfeersuchens ergeben sich Pflichten zur Information der ersuchenden Stelle vielmehr aus Art. 10 Abs. 2, 3, 4 EU-ZustVO 2020. Weiter ist erforderlich, dass die Zustellung nach Maßgabe des nach Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 anwendbaren Rechts erfolgreich bewirkt werden konnte (zur analogen Anwendung bei endgültigem Scheitern der Zustellungshilfe s. Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 40).15 Solange dies nicht der Fall ist, besteht keine Bescheinigungspflicht. Allerdings kann eine Informationsverpflichtung nach Maßgabe von Art. 11 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 bestehen. Wurde die Zustellung zumindest erfolgreich versucht, hat der Zustellungsadressat allerdings die Annahme nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 verweigert und damit rechtlich und/oder tatsächlich die Komplettierung des Zustellungstatbestands verhindert, entsteht die Bescheinigungspflicht nach Art. 12 Abs. 4 EU-ZustVO 2020. Das Entstehen der Bescheinigungspflicht ist unabhängig davon, ob die Zustellung innerhalb der Frist des Art. 11 Abs. 2 S. 1 EU-ZustVO 2020 bewirkt werden konnte. Eine Zustellungsbescheinigung ist danach auch dann zu erteilen, wenn die Zustellung erst erfolgreich bewirkt wurde nach Versand einer Bescheinigung nach Art. 11 Abs. 2 S. 2 lit. a EU-ZustVO 2020 infolge Fortführung der erforderlichen Schritte nach Art. 11 Abs. 2 S. 2 lit. b EU-ZustVO 2020 (s. auch Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 37).
13 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 27. 14 Brenn, Art. 10 EZV Anm. a). 15 A.A. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 10 EuZVO Rz. 1; Brenn, Art. 10 EZV Anm. c).
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Art. 14 EU-ZustVO 2020 Bescheinigung über die Zustellung eines Schriftstücks
III. Erteilung Zustellungsbescheinigung 1. Verpflichteter 9
Durch Abs. 1 verpflichtet wird (ebenso wie durch Art. 11 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 und Art. 12 Abs. 4 EU-ZustVO 2020, s. Rz. 8) die Empfangsstelle, welche die Ausführung eines an sie gerichteten oder weitergeleiteten Rechtshilfeersuchens übernommen hat. 2. Berechtigter
10
Berechtigter, die Zustellungsbescheinigung einzufordern, ist die Übermittlungsstelle bzw. im Fall von Art. 16 EU-ZustVO 2020 die ersuchende diplomatische oder konsularische Stelle des Ursprungsmitgliedstaats. Nicht unmittelbar berechtigt ist dagegen der Antragsteller. Dieser steht nicht in einem direkten Verhältnis zur Empfangsstelle, sondern allenfalls zur ersuchenden Stelle. 3. Bescheinigungspflicht a) Verpflichtung und Frist
11
Der Verpflichtete hat die erfolgreiche Ausführung des Rechtshilfeersuchens zu bescheinigen, d.h. zu erklären, dass die Zustellung erfolgreich bewirkt wurde und weitere Angaben zu den Umständen der Zustellung zu machen. Die Vorschrift regelt nicht, innerhalb welcher Frist die Bescheinigung zu erteilen ist. Entgegen teilweiser Annahme16 ergibt sich eine entsprechende Frist auch nicht aus Art. 11 Abs. 2 S. 1 EU-ZustVO 2020. Die Bescheinigungspflicht entsteht nämlich erst, wenn die Zustellung tatsächlich bewirkt wurde, und nicht schon dadurch, dass die Zustellung hätte bewirkt sein sollen. Die ganz h.A. geht davon aus, dass unbeschadet des Fehlens einer ausdrücklichen Anordnung die Bescheinigungsverpflichtung nach Sinn und Zweck unverzüglich nach ihrer Entstehung zu erfüllen sei.17 Dies überzeugt nur dem Grundgedanken, nicht aber der Umsetzung nach. Richtig ist vielmehr, dass die Bescheinigungspflicht zu erfüllen ist unverzüglich nach Ablauf einer angemessen Wartefrist nach dem Zeitpunkt, in dem die Zustellung bewirkt wurde. Eine entsprechende Wartefrist ist durch die Empfangsstelle aus dem Grund zu wahren, dass der Zustellungsadressat die Annahme des zugestellten Schriftstücks noch innerhalb von vierzehn Tagen nach der Zustellung ablehnen kann.18 Die Wartefrist umfasst neben diesen vierzehn Tagen auch einen angemessenen Zeitraum für die Übersendung der Annahmeverweigerung vom Zustellungsadressaten an die Empfangsstelle. Kann sich die Empfangsstelle (vorläufig, s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 49) davon überzeugen, dass ein Annahmeverweigerungsrecht nicht besteht, darf sie nicht weiter abwarten. Dasselbe gilt, wenn die Annahmeverweigerung erklärt wurde (für diesen Fall s. Rz. 1). b) Inhalt und Formblattpflicht
12
Zur Bescheinigung ist zwingend zu verwenden das Formblatt K.19 Durch eine nicht mittels des Formblatts K erfolgende Bescheinigung kann die Bescheinigungspflicht nicht erfüllt werden (s. aber auch Rz. 19). Auf die Verwendung des Formblatts kann auch im Rechtshilfeverkehr zwischen Deutschland und Österreich nicht verzichtet werden, weil die Zustellungsbescheinigung mittelbar auch im Interesse des Antragstellers zu erteilen ist (s. Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 9).
16 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 10 EuZVO Rz. 1. 17 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 10 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 10 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 10 EuZVO Rz. 1. 18 Vgl. auch GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2021 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 47 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.: Zustellungsdatum kann nach der Vorschrift (nur/erst) ermittelt werden, wenn Annahmeverweigerungsrecht nicht ausgeübt wurde; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.86. 19 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; vgl. auch OLG Frankfurt v. 20.8.2008 – 5 W 23/08, BeckRS 2008, 19229 zu a) der Gründe; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-ZustellVO Rz. 2; Sujecki, EuZW 2013, 408, 409.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 14 EU-ZustVO 2020
Welche Sprachfassung des Formblatts Verwendung findet, ist ohne Belang.20 Hierüber entscheidet der Verpflichtete frei. Abweichendes ergibt sich unbeschadet des von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2 EU-ZustVO 2020 („auszufüllen“) abweichenden Wortlauts („auszustellen“) nicht aus Abs. 2. Zwar lässt sich das Wortlautargument dadurch bestärken, dass die Zustellungsbescheinigung nicht nur im Rahmen der Kommunikation zwischen den im Umgang mit den Formblättern geübten Übermittlungs- und Empfangsstellen, sondern auch zum Nachweis gegenüber Dritten verwendet wird. Allerdings sind in anderen Sprachfassungen Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2 EU-ZustVO 2020 und Abs. 2 wortlautgleich gefasst (z.B. „completed“). Beide Regelungen sollen danach offensichtlich auch inhaltsgleich sein. Die unterschiedliche Wortwahl in der deutschen Sprachfassung erscheint vor diesem Hintergrund als Folge eines gedankenlosen und für juristische Fachtexte unpassenden Bemühens um eine abwechslungsreiche Formulierung.21
13
Das Formblatt muss dabei entsprechend den aus seiner Gestaltung zu entnehmenden Vorgaben voll- 14 ständig ausgefüllt werden. Als Zustellungsdatum ist zu Ziff. 1.1. ausschließlich das sich nach Art. 13 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 bzw. hierzu vorrangigen Regelungen ergebende Zustellungsdatum anzugeben (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 ff.). Bei Auswahl der Ziff. 1.2.1.2.2. ist dem Formblatt zwingend die Zustellungsbescheinigung der Post (Rückschein) beizufügen.22 Dabei steht diese Auswahl entgegen § 106 Abs. 3 S. 2 ZRHO nicht im Belieben der Empfangsstelle; liegt dieser eine Zustellungsbescheinigung der Post vor, folgt aus der Gestaltung des Formblatts, dass Ziff. 1.2.1.2.2. auszuwählen und die Bescheinigung beizufügen ist. Für deutsche Empfangsstellen gibt § 106 ZRHO weitere Hinweise. Auf Wunsch der Übermittlungsstelle ist dem Formblatt eine Zweit-/Abschrift des zugestellten Schriftstücks beizufügen; gegebenenfalls ist nach Art. 8 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 erforderlich, dass eine Zweit-/Abschrift übermittelt wurde (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 30 ff.). Das Beifügen erfolgt dadurch, dass zum Zweck der gemeinsamen Rücksendung Formblatt und Abschrift entweder körperlich oder elektronisch fest oder durch eine Bezugnahme eindeutig und zweifelsfrei zu einer Gesamturkunde verbunden werden. c) Ausfüllsprache (Abs. 2) Die Bescheinigung ist in einer der Amtssprachen des Ursprungsmitgliedstaats oder in einer sonstigen vom Ursprungsmitgliedstaat zugelassenen Sprache auszufüllen. Dieses Erfordernis bezieht sich wie im Rahmen von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2 EU-ZustVO 2020 allein auf die vorzunehmenden Eintragungen, soweit sich diese nicht ohnehin auf ein Ankreuzen beschränken. Es bezieht sich dagegen nicht auf die zu verwendende Sprachfassung des Formblatts selbst (s. Rz. 13). Dem liegt zugrunde, dass das Formblatt in allen Amtssprachen vorliegt und (im territorialen Geltungsbereich der Verordnung) jede Stelle, der die Bescheinigung vorgelegt wird, daher durch „Nebeneinanderlegen“ der Formblätter verschiedener Sprachen sich jede Sprachfassung zugänglich machen kann. Erfolgt die Übermittlung des Formblatts über das dezentrale IT-System (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 11 ff.), kann sich die Übermittlungsstelle als Berechtigte das eingegangene Formblatt automatisch in jeder verfügbaren Amtssprache anzeigen lassen.
15
Für seinen Geltungsbereich bestimmt Abs. 2 die Amtssprache des Ursprungsmitgliedstaats als zulässige Sprache. Eine Beschränkung auf Amtssprachen, die zugleich Amtssprachen der EU sind, gilt nicht. Für den Fall, dass es im Ursprungsmitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, kann jede gewählt werden. Die Empfangsstelle ist nicht auf die Nutzung der am Ort der Übermittlungsstelle geltenden Amtssprache verpflichtet.23 Eine solche Festlegung wäre auch willkürlich, weil die Zustellungsbescheinigung auch vor anderen Stellen Verwendung finden kann.
16
Jeder Mitgliedstaat kann über seine Amtssprachen hinaus weitere Sprachen als zulässige Ausfüllsprachen zulassen. Die Zulassung erfolgt nach dem nationalen Recht des jeweiligen Mitgliedstaats. Die
17
20 BT-Drucks. 20/1110, 31. – A.A. inzident Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-ZustellVO Rz. 3. 21 Dazu bereits zu Recht krit. Rauscher, IPRax 2012, 40, 44 f. 22 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1. – A.A. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 10 EuZVO Rz. 3. 23 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 10 EuZVO Rz. 4. – A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7.
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Art. 14 EU-ZustVO 2020 Bescheinigung über die Zustellung eines Schriftstücks weiteren zugelassenen Ausfüllsprachen müssen keine Amtssprachen der EU sein. Z.B. könnte Bulgarien auch Türkisch als Ausfüllsprache zulassen. Abweichendes folgt nicht aus Abs. 2 S. 2. Dort wird lediglich begründet eine der Information der Kommission dienende Mitteilungspflicht. Die Zulassung weiterer Ausfüllsprachen ist in ihrer Wirksamkeit unabhängig davon, dass eine Mitteilungspflicht besteht oder die Mitteilung erfolgt ist. Dass Abs. 2 S. 2 die Mitteilungspflicht auf Amtssprachen der EU beschränkt, beruht darauf, dass die Kommission die Mitteilungen insbesondere auch im Rahmen der Entwicklung der Referenzimplementierungssoftware berücksichtigen will und sich dabei auf Amtssprachen der EU beschränkt. Deutschland hat in § 1070 ZPO neben Deutsch auch Englisch als Ausfüllsprache zugelassen.24 4. Übersendungspflicht 18
Neben der Pflicht zur Bescheinigung trifft die Empfangsstelle die Verpflichtung, die Bescheinigung an den Berechtigten zu übermitteln. Zu übermitteln ist die Bescheinigung (nach Ablauf der Übergangsfrist, s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) im Regelfall unter obligatorischer Nutzung des dezentralen IT-Systems. Dies ergibt sich aus Art. 5 EU-ZustVO 2020. Im Einzelfall kann sich aus Abs. 1 Halbs. 2 die Berechtigung ergeben, auf einem anderen Weg zu kommunizieren. Auf entsprechenden Wunsch ist die Bescheinigung unter Beifügung einer Abschrift des zugestellten Schriftstücks zu erteilen; dazu sind beide Dokumente zusammen zu übersenden.25
IV. Rechtswirkungen 19
Die Erteilung der Zustellungsbescheinigung nach Abs. 1 im Rahmen der Rechtshilfegewährung ist nicht mehr Teil der Zustellung und daher keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Zustellung.26 Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass nach Abs. 1 gerade die erfolgreich bewirkte Zustellung zu bescheinigen ist. Die Verletzung der Bescheinigungspflicht bleibt mithin auf die Wirksamkeit der Zustellung ohne Auswirkungen. Sie schränkt freilich ein die Möglichkeit zum liquiden Nachweis einer erfolgten Zustellung im Falle ihres Fehlens, von Unvollständigkeiten,27 unauflöslichen28 Unklarheiten oder Widersprüchlichkeiten.29 Sie schließt einen solchen Nachweis allerdings selbst bei vollständig fehlender Bescheinigung nicht aus, weil sie nicht das einzige zugelassene Nachweismittel ist.30
20
Die Zustellungsbescheinigung ist eine von einer Behörde im Rahmen ihrer Amtsbefugnis ausgestellt Urkunde. Damit gehört sie zu den Urkunden, denen nach den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten31 regelmäßig eine besondere Beweiskraft32 beigelegt ist. Sie ist insbesondere öffentliche Urkunde i.S.v. § 415 Abs. 1 ZPO, § 292 öZPO und genießt, auch soweit sie aus einem anderen Mitgliedstaat stammt (vgl. § 293 Abs. 2 öZPO), die öffentlichen Urkunden nach §§ 415, 418 ZPO bzw. § 292 öZPO zukommenden besonderen Beweiswirkungen.33 Allerdings ist Voraussetzung der besonderen
24 25 26 27 28 29 30 31 32 33
BT-Drucks. 20/1110, 31. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. A.A. OLG Frankfurt v. 20.8.2008 – 5 W 23/08, BeckRS 2008, 19229 zu a) der Gründe. Cour d’appel Versailles v. 9.4.2009 – 08/00414: fehlende Bescheinigung der Belehrung über Annahmeverweigerungsrecht erlaubt nicht die Feststellung, dass belehrt wurde. Unschädlich sind aufklärbare Lücken: OLG Frankfurt v. 29.4.2014 – 16 U 209/12, BeckRS 2014, 119512 Rz. 15. OLG München v. 9.5.2012 – 7 U 2640/10, BeckRS 2012, 10102 Rz. 16; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 10 EuZVO Rz. 4. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 10 EuZVO Rz. 3. Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-ZustellVO Rz. 4. Vgl. dazu auch Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 2. OGH v. 29.9.2016 – 2Ob158/16y zu II. 2.5 der Gründe; Cour de cassation v. 8.7.2004 – 02-21.027; OLG München v. 9.5.2012 – 7 U 2640/10, BeckRS 2012, 10102 Rz. 13; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 10 EuZVO Rz. 3; Linke/Hau, IZVR, Rz. 8.43; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-ZustellVO Rz. 4; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 10 EuZVO Rz. 4; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 14 EuZVO Rz. 1.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 15 EU-ZustVO 2020
Beweiswirkungen im Geltungsbereich der ZPO, dass der beurkundete Vorgang (§ 415 ZPO) unmittelbar vor dem Aussteller der Bescheinigung (Empfangsstelle) stattgefunden hat oder Tatsachen von dem Aussteller der Bescheinigung (Empfangsstelle) selbst unmittelbar wahrgenommen wurden (§ 418 Abs. 3 ZPO). Hieran fehlt es, wenn die Zustellung nicht unmittelbar durch die Empfangsstelle bewirkt, sondern von dieser nur beauftragt wurde. Zwar ist § 418 Abs. 3 ZPO auf unionsrechtliche Anordnungen entsprechend anzuwenden. Allerdings enthält die Vorschrift nicht die Anordnung, dass der Zustellungsbescheinigung besondere Beweiskraft unabhängig von eigenen Wahrnehmungen zukommen soll. Ohnehin erfasst die besondere Beweiskraft nach §§ 415, 418 ZPO nur Tatsachen, nicht aber Rechtsansichten und daher nicht die das Ergebnis einer Rechtsprüfung abbildende Angabe des Zustellungsdatums.34 Die Zustellungsbescheinigung ist daher frei zu würdigen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Zustellungsbescheinigung nach Abs. 1 nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers gerade auch zur liquiden Beweisführung zu erteilen ist. Ihr kommt daher bereits nach der Verordnung auch ohne Rückgriff auf § 418 ZPO ein sehr hoher Beweiswert zu.35 Dies gilt aber nur, wenn die Bescheinigung verordnungskonform und nicht widersprüchlich ausgefüllt ist.36 Unberührt bleibt ohnehin, den Beweiswert zu erschüttern bzw. bei Geltung von §§ 415, 418 ZPO den Gegenbeweis zu führen.37
Artikel 15 Kosten der Zustellung (1) Die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke aus einem Mitgliedstaat begründet keine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung von Gebühren und Auslagen für die Tätigkeit des Empfangsmitgliedstaats. (2) Abweichend von Absatz 1 zahlt oder erstattet der Antragsteller die Kosten a) der Mitwirkung einer Amtsperson oder einer anderen nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zuständigen Person bei der Zustellung; b) für ein besonderes Verfahren der Zustellung. 1Die Mitgliedstaaten legen eine einheitliche Festgebühr für die Mitwirkung einer Amtsperson oder einer anderen nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zuständigen Person fest. 2Diese Gebühr entspricht den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung. 3Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Festgebühren mit. I. 1. 2. 3.
Allgemeines . . . . . . Normzweck . . . . . . Entstehungsgeschichte Anwendungsbereich .
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1 1 5 7
II. Grundsatz: Kostenfreiheit der Rechtshilfe . .
9
1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitwirkung besonderer Zustellungspersonen (lit. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderes Zustellungsverfahren (lit. b) . . . . 4. Einheitliche Festgebühr . . . . . . . . . . . . .
13 14 16 18
III. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
34 A.A. wohl LG Köln v. 12.2.2020 – 10 O 236/19, BeckRS 2020, 11341 Rz. 17. 35 Vgl. zum Rückschein EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 77 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA: stellt einen Beweis dar. 36 OLG München v. 9.5.2012 – 7 U 2640/10, BeckRS 2012, 10102 Rz. 16; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 10 EuZVO Rz. 4. Freilich liegt in der Angabe eines Zustellungsdatums und der Bescheinigung eines ausgeübten Annahmeverweigerungsrechts kein Widerspruch, weil sich die Bescheinigung insoweit auf verschiedene und voneinander unabhängige Umstände bezieht, verkannt von OLG München v. 9.5.2012 – 7 U 2640/10, BeckRS 2012, 10102 Rz. 14. 37 OGH v. 29.9.2016 – 2Ob158/16y zu II. 2.5 der Gründe; OLG München v. 9.5.2012 – 7 U 2640/10, BeckRS 2012, 10102 Rz. 22 f.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 10 EuZVO Rz. 3. Vgl. auch Audiencia Provincial Castellón de la Plana v. 6.9.2006 – 130/06. – A.A. (bindende Bescheinigung) Audiencia Provincial Madrid v. 19.9.2011 – 444/11.
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Art. 15 EU-ZustVO 2020 Kosten der Zustellung Schrifttum: Halfmeier, Zustellung einer notariellen Urkunde als außergerichtliches Schriftstück, LMK 2009, 288747; Jastrow, Auslandszustellung im Zivilverfahren – Erste Praxiserfahrungen mit der EG-Zustellungsverordnung, NJW 2002, 3382; Sujecki, Die reformierte Zustellungsverordnung, NJW 2008, 1628. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift regelt die Tragung der für die Gewährung von Rechtshilfe zur Zustellung von Schriftstücken anfallenden Kosten.1 Sie ist für die Effektivität der Verordnung von nicht unerheblicher Bedeutung.2 Entstehen für grenzüberschreitende Zustellungen zu hohe oder intransparente Kosten,3 kann dies von einer grenzüberschreitenden Rechtsverfolgung abhalten (Erschwerung des Zugangs zum Recht),4 was im Vorfeld hierzu im Widerspruch zum Gedanken eines gemeinsamen Binnenmarktes von einer grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Betätigung abhalten kann. Überdies kann die Intransparenz von Kostenforderungen zu die Ausführung einer Zustellung verzögernden Meinungsverschiedenheiten führen. Um dies zu vermeiden, zielt die Vorschrift auf Verringerung und Transparenz der Kosten für grenzüberschreitende Zustellungen (vgl. Erwägungsgrund 28 EU-ZustVO 2020).
2
Nach Abs. 1 haben die Mitgliedstaaten Rechtshilfe zu grenzüberschreitenden Zustellungen im Grundsatz vollständig kostenfrei zu gewähren.5 Dies erleichtert grenzüberschreitende Zustellungen nicht nur dadurch, dass ein geringerer Aufwand für die Zustellung selbst anfällt, sondern auch dadurch, dass sich aus Vorschussanforderungen u.Ä. ergebende Verzögerungen der Rechtshilfegewährung vermieden werden und der mit dem Einzug von (zumeist eher vergleichsweise geringen) Kostenforderungen verbundene Aufwand entfällt.6 Aus der Sicht der Empfangsmitgliedstaaten lässt sich das Prinzip der Kostenfreiheit dadurch rechtfertigen, dass es zwischen allen Mitgliedstaaten untereinander gilt, d.h. insbesondere auch der Ursprungsmitgliedstaat umgekehrt dem Empfangsmitgliedstaat zur kostenfreien Rechtshilfegewährung verpflichtet ist.7
3
Abs. 2 regelt in Unterabs. 1 enumerativ zwei Ausnahmen vom Grundsatz der Kostenfreiheit. Diesem unterfallen nicht die Gebühren wirtschaftlich selbstständig tätiger Zustellungspersonen wie Gerichtsvollzieher (z.B. auch commissaires de justice [bzw. huissiers de justice], gerechtsdeurwaarder oder súdny exekútor).8 Außerdem unterfallen ihm nicht die Kosten, welche für eine Zustellung in einem besonderen Verfahren anfallen. Beiden Ausnahmen liegt zugrunde, dass insoweit der Gedanke der Gegenseitigkeit eine Kostenfreiheit weit weniger trägt. Denn selbstständig tätige Zustellungspersonen sind nicht im selben Maße wie der Staat, in welchem sie tätig sind, zur Justizgewährung verpflichtet. Zudem unterscheidet sich die Höhe der für ihre Tätigkeit entstehenden Gebühren zwischen den Mitgliedstaaten nicht unerheblich, wodurch trotz Gegenseitigkeit Missverhältnisse zwischen den Mitgliedstaaten entstehen können. Vergleichbares gilt für Zustellungen in einem besonderen Verfahren. Weder die Anzahl der Zustellungen in einem besonderen Verfahren noch der dafür anfallende Aufwand lassen sich im Vergleich der Mitgliedstaaten im Voraus zuverlässig abschätzen, weshalb sich die Kostenfreiheit weniger überzeugend auf den Gedanken der Gegenseitigkeit stützen lässt.
4
Die Ausnahme für die Gebühren selbstständig tätiger Zustellungspersonen wird durch Abs. 2 Unterabs. 2 näher ausgestaltet. Hintergrund ist, dass der Bericht zur Evaluation der EG-ZustVO 2000 1 2 3 4 5 6 7 8
Brenn, Art. 11 EZV Anm. a). KOM(2005) 305 end./2, S. 6; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 11 EuZVO Rz. 1. Vgl. KOM(2005) 305 end./2, S. 6. KOM(2005) 305 end./2, S. 6; COM(2013) 858 final, S. 13; Cofferati, A8-0001/2019, S. 40; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 15 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 11 EuZVO Rz. 1. ABl. EG 1997 C 261/34; KOM(1999) 219 endg.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 11 EuZVO Rz. 1. Vgl. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 11 EuZVO Rz. 2; Jastrow, NJW 2002, 3382, 3383; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 11 EG-ZustellVO Rz. 3; Rösler/Siepmann, RIW 2006, 512, 514. Vgl. auch SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 44: „traditional principle of international law“. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 11 EuZVO Rz. 3.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 15 EU-ZustVO 2020
diese Ausnahme als Erschwernis für grenzüberschreitende Zustellungen identifiziert hatte (s. Art. 35 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Wie bereits durch Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 EG-ZustVO 2007 werden die Mitgliedstaaten daher verpflichtet, für diese Gebühren eine entsprechend dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit in ihrer Höhe begrenzte Festgebühr einzuführen.9 Dabei dient die Festlegung auf eine Festgebühr der Gebührentransparenz und ermöglicht eine einfache und rechtssichere Abwicklung der Kostentragung. Insbesondere wird ermöglicht, einen Vorschuss leicht zu ermitteln und im Interesse der Vermeidung von Verfahrensverzögerungen schnell einzuzahlen. Der Verweis auf die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit zur Begrenzung der Höhe der Festgebühr soll prohibitive Kosten vermeiden und sichert damit das Funktionieren der Verordnung und damit auch das Prinzip der Gegenseitigkeit ab. Dadurch, dass die Mitgliedstaaten ausweislich Erwägungsgrund 28 S. 3 EU-ZustVO 2020 für verschiedene Zustellungen verschiedene Festgebühren bestimmen können, wird der positive Effekt auf die Gebührentransparenz freilich ein Stück weit gemindert. 2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift geht zurück auf Art. 11 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)10 und Art. 11 EG-ZustVO 5 2000, welche wiederum Art. 7 HZPÜ und Art. 12 HZÜ aufgreifen.11 Bereits nach Art. 7 HZPÜ und Art. 12 HZÜ war Rechtshilfe zu grenzüberschreitenden Zustellungen im Grundsatz kostenfrei zu gewähren und waren Ausnahmen von diesem Grundsatz für die Kosten besonderer Zustellungspersonen und besonderer Zustellungsverfahren vorgesehen.12 Hieran knüpfte Art. 11 EG-ZustVO 2000 an.13 Da zu Art. 7 HZPÜ und Art. 12 HZÜ eine Reihe von bilateralen Übereinkommen geschlossen wurde, welche den Grundsatz der Kostenfreiheit durch Einschränkung der vorgesehenen Ausnahmen stärkten,14 diese Übereinkommen allerdings nach h.A. nicht die Rechtshilfegewährung nach der Zustellungsverordnung erfassen15 und, obwohl zulässig (s. Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 8),16 auch keine Nachfolgeabkommen geschlossen wurden, führte das Inkrafttreten der EG-ZustVO 2000 im Rechtsverkehr zwischen bestimmten Mitgliedstaat zu einer Verteuerung von grenzüberschreitenden Zustellungen.17 Erhobene Gebühren wurden als in ihrer Bemessung intransparent und in der Höhe überzogen empfunden.18 Davon abgesehen wurde die Anforderung von intransparent berechneten Kostenvorschüssen als Ursache von Zustellungsverzögerungen ausgemacht. Erwogen wurde daher, den Kostenersatz bei Zustellung durch wirtschaftlich selbstständig tätige Zustellungspersonen zu streichen.19 Als Kompromiss aus der Bewahrung des status quo und der Abschaffung der Ersatzpflicht20 wurden die Mitgliedstaaten mit Art. 11 Abs. 2 Unterabs. 2 EG-ZustVO 2007 zur Festlegung von Festgebühren verpflichtet, weil sich die für die Mitwirkung selbstständig tätiger Zustellungsorgane anfallenden Gebühren (anders als der Aufwand für Zustellungen in einem besonderen Verfahren) für eine Pauschalierung eignen. In den Mitgliedstaaten wurde diese Vorgabe allerdings nicht zufriedenstellend umgesetzt.21 9 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 11 EuZVO Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 11 EG-ZustellVO Rz. 3. 10 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 15 EuZVO 2022 Rz. 1. 11 Brenn, Art. 11 EZV Anm. a). 12 Jastrow, NJW 2002, 3382. 13 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 11 EuZVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 11 EuZVO Rz. 2. 14 Jastrow, NJW 2002, 3382, 3382 f. 15 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 11 EG-ZustellVO Rz. 2; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 15 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 11 EuZVO Rz. 1. 16 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 11 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 11 EG-ZustellVO Rz. 2. 17 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 11 EuZVO Rz. 2; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 11 EuZVO Rz. 5; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 11 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Hess, EuZPR, Rz. 8.22; Jastrow, NJW 2002, 3382, 3383. 18 KOM(2004) 603 endg., S. 2, 6 f.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 11 EuZVO Rz. 4; Sujecki, GPR 2005, 193, 196: mitunter bis zu 500 t. 19 KOM(2004) 603 endg., S. 6; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3. 20 Vgl. KOM(2004) 603 endg., S. 7. 21 COM(2013) 858 final, S. 14; SWD(2018) 287 final, S. 14; Sujecki, NJW 2008, 1628, 1630.
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Art. 15 EU-ZustVO 2020 Kosten der Zustellung 6
Hieran knüpft die Vorschrift an. Gegenüber Art. 11 EG-ZustVO 2007 wurde sie nur redaktionell geändert. Unbeschadet der ausgemachten Anwendungsdefizite sah der Kommissionsvorschlag keine Änderungen von Art. 11 EG-ZustVO 2007 vor.22 Die Stellungnahme des EWSA befasste sich mit Art. 11 EG-ZustVO 2007 nicht. Die Stellungnahme erster Lesung des Parlaments sprach sich – ohne konkreten Regelungsvorschlag – unter Verweis auf die hohen Unterschiede der Gebühren zwischen den Mitgliedstaaten und Zustellungsgebühren von teilweise (bezogen auf den Fall unmittelbarer Zustellungen, s. Rz. 7) mehr als 100 t (z.B. Luxemburg: 138 t) dafür aus, Obergrenzen für die ausnahmsweise zu tragenden Kosten einzuführen (für beide Ausnahmen).23 Der Rat griff diese Anregungen nicht auf.24 Erst im Zusammenhang damit, dass im Ergebnis der Triloggespräche anstatt eines Änderungsrechtsakts eine Neufassung der Verordnung erlassen werden sollte (vgl. Erwägungsgründe 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020), wurde die Vorschrift dann redaktionell angepasst. 3. Anwendungsbereich
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Die Vorschrift gilt nur für die Zustellungskosten, welche anfallen für Zustellungen, die auf dem Weg der einfachen Rechtshilfe (Kapitel II, Abschnitt 1) vermittelt wurden. Sie gilt dagegen nicht für die in Abschnitt 2 des Kapitels II der Verordnung geregelten Zustellungswege. Dies ergibt sich aus dem systematischen Standort der Vorschrift. Danach gilt die Vorschrift insbesondere nicht für die Direktzustellung25 und die unmittelbare Zustellung.26 Insoweit scheidet in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke auch eine analoge Anwendung aus.27 Die bei Nutzung dieser Zustellungswege entstehenden Kosten unterliegen allerdings dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Für eine unmittelbare Zustellung entstehen danach grundsätzlich dieselben Kosten, die im Allgemeinen für eine Inlandszustellung im Empfangsmitgliedstaats entstehen. Entsprechend anwendbar ist die Vorschrift allerdings auf die Zustellung nach Art. 16 EU-ZustVO 2020, welche auch auf dem Rechtshilfeweg unter Beteiligung einer Empfangsstelle erfolgt.
8
Originär regelt die Vorschrift nur die Kosten bei der Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. Aufgrund der Verweisung des Art. 21 EU-ZustVO 2020 findet sie darüber hinaus aber auch auf außergerichtliche Schriftstücke Anwendung.28 Die herrschende Gegenansicht verkennt, dass die Vorschrift am Rechtshilfeweg und der Beteiligung einer Empfangsstelle anknüpft, und beides von der Natur des übermittelten Schriftstücks unabhängig ist.
II. Grundsatz: Kostenfreiheit der Rechtshilfe 9
Nach Abs. 1 begründet die grenzüberschreitende Zustellung gerichtlicher Schriftstücke aus einem Mitgliedstaat im Grundsatz keine Verpflichtung zur Zahlung oder Erstattung von Gebühren und Auslagen für die Tätigkeit des Empfangsmitgliedstaats. Ausnahmen von diesem Grundsatz werden abschließend in Abs. 2 geregelt (s. Rz. 13 ff.).
10
Der Grundsatz der Kostenfreiheit wirkt persönlich sich gleichermaßen zwischenstaatlich zugunsten des Ursprungsmitgliedstaats und der Übermittlungsstelle als auch im Verhältnis des Empfangsmitgliedstaats zum (privaten) Antragsteller aus, wie sich aus der an der Berechtigung des Empfangsmit-
22 23 24 25 26 27 28
COM(2018) 379 final, S. 23. Cofferati, A8-0001/2019, S. 40. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 27. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 11 EuZVO Rz. 2. A.A. inzident Cofferati, A8-0001/2019, S. 40. A.A. Sujecki, NJW 2008, 1628, 1631. Lechner, A5-0060/1999, S. 16. – A.A. GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 62 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Brenn, Art. 11 EZV Anm. b); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 11 EuZVO Rz. 3; Halfmeier, LMK 2009, 288747; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 17, Art. 21 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.88.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 15 EU-ZustVO 2020
gliedstaats ansetzenden Regelung ergibt.29 Unberührt von der Regelung bleibt das Verhältnis des Ursprungsmitgliedstaats und der Übermittlungsstelle zum Antragsteller.30 Gegenständlich erfasst der Grundsatz der Kostenfreiheit Gebühren für die Tätigkeit der Empfangs- 11 stelle sowie die der Empfangsstelle bei ihrer Tätigkeit entstehenden Auslagen. Zu den Gebühren gehört jede an die Empfangsstelle zu erbringende Leistung, welche kausal auf der Rechtshilfegewährung beruht und von der Empfangsstelle weder für einen Dritten eingezogen wird noch einen der Empfangsstelle durch Beauftragung Dritter tatsächlich entstehenden Aufwand ausgleicht. Dass die Leistung im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Rechtshilfegewährung steht, ist nicht erforderlich. Auslagen sind alle Leistungen, welche von der Empfangsstelle entweder für einen Dritten eingezogen werden oder einen der Empfangsstelle durch Beauftragung Dritter tatsächlich entstehenden Aufwand ausgleichen. Mit dem Gebot der Kostenfreiheit unvereinbar sind gleichermaßen Vorschussanforderungen (mit oder ohne Zurückstellung der Rechtshilfegewährung) wie die nach Rechtshilfegewährung erfolgende Geltendmachung von Ansprüchen. Entgegen teilweiser Annahme folgt dies aber nicht daraus, dass der Begriff der Zahlung den Vorschuss und die Erstattung die Nachforderung bezeichnet.31 Hierbei wird verkannt, dass der Begriff der Zahlung mit den Gebühren und der Begriff der Erstattung mit den Auslagen korrespondiert. Dass gleichermaßen Vorschüsse wie Nachforderungen ausgeschlossen werden, ergibt sich vielmehr daraus, dass ein Vorschuss kraft Natur der Sache ausscheidet, wenn eine Leistungspflicht, auf welche ein Vorschuss geleistet werden soll, sicher nicht entstehen kann.
12
III. Ausnahmen 1. Allgemeines Abs. 2 regelt abschließend zwei Fälle, welche auch zusammentreffen können, in denen der Grund- 13 satz der Kostenfreiheit eingeschränkt ist.32 Dabei sieht Abs. 2 nicht nur eine Rücknahme des Gebots der Kostenfreiheit vor, sondern begründet darüber hinaus auch selbst einen Kostenanspruch. Gläubiger dieses Anspruchs ist die Empfangsstelle. Schuldner ist der Antragsteller, d.h. die an der Zustellung interessierte Person (nicht das eine Zustellung verfügende Gericht; s. auch Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff.) und ist nicht die Übermittlungsstelle oder der Ursprungsmitgliedstaat.33 Dabei beschränkt sich Abs. 2 nicht darauf, dem Gläubiger eine Nachforderung zu ermöglichen. Vielmehr umfasst Abs. 2 auch das Recht, vom Schuldner einen nichtdiskriminierenden und verhältnismäßigen Vorschuss einzufordern.34 Dies ergibt sich entgegen teilweiser Annahme nicht daraus, dass Abs. 2 neben der Pflicht zur Zahlung auch eine solche zur Erstattung benennt (s. Rz. 12), wohl aber aus Sinn und Zweck der Regelung sowie dem Umstand, dass Vorschussanforderungen ein etabliertes Mittel sind, um im Bereich der Rechtspflege tätigen Stellen eine effiziente Durchsetzung von Ansprüchen zu ermöglichen. Dies will die Vorschrift, zumal Kostenforderungen der Empfangsstellen nicht in den Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO fallen,35 nicht behindern, sondern zur Entlastung der Empfangsstellen ermöglichen. 2. Mitwirkung besonderer Zustellungspersonen (lit. a) Das Gebot der Kostenfreiheit gilt nicht, wenn bei der Zustellung im Empfangsmitgliedstaat eine Amtsperson oder eine andere nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zuständige Person mitwirkt. Als Amtsperson oder andere nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zuständige Person
29 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 11 EuZVO Rz. 1. 30 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 11 EuZVO Rz. 1. 31 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 11 EuZVO Rz. 5. 32 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5. 33 Brenn, Art. 11 EZV Anm. d); Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 11 EuZVO Rz. 2. 34 ABl. EG 1997 C 261/34; KOM(1999) 219 endg.; Jastrow, NJW 2002, 3382, 3383. 35 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 11 EuZVO Rz. 4.
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Art. 15 EU-ZustVO 2020 Kosten der Zustellung wird angesprochen, wer im Verhältnis zum Empfangsmitgliedstaat, seinen regionalen und kommunalen Untergliederungen sowie den eingerichteten Behörden wirtschaftlich selbstständig ist36 und nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats auch unmittelbar um eine Zustellung ersucht werden kann. Dies trifft in erster Linie auf Gerichtsvollzieher (z.B. auch commissaires de justice [bzw. huissiers de justice], gerechtsdeurwaarder oder súdny exekútor) zu;37 hierauf ist der Personenkreis aber nicht beschränkt. Nicht erfasst sind allerdings Postunternehmen,38 weil und soweit diese nur eine allgemeine Infrastruktur zur Ausführung von Zustellungen bereitstellen. Ebenfalls sind nicht erfasst Bedienstete der Empfangsstellen, weil und soweit sie nicht auf eigenes wirtschaftliches Risiko (d.h. insoweit nicht selbstständig) tätig sind. 15
Der Ausnahmetatbestand nach lit. a ist gegenständlich beschränkt auf die für die Mitwirkung der besonderen Zustellungsperson entfallenden Kosten (Gebühren und Auslagen). Deren Höhe bestimmt sich nach dem für die besondere Zustellungsperson geltenden Recht (s. auch Rz. 18 ff.) bzw. dem tatsächlichen Anfall. Auch bei Mitwirkung einer von der Empfangsstelle verschiedenen besonderen Zustellungsperson hat die Empfangsstelle ihren Beitrag zur Rechtshilfegewährung kostenfrei zu leisten. 3. Besonderes Zustellungsverfahren (lit. b)
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Außerdem gilt das Gebot der Kostenfreiheit nicht, wenn die Zustellung in einem besonderen Verfahren bewirkt wird. Lit. b nimmt Bezug auf Art. 11 Abs. 1 Var. 2 EU-ZustVO 2020 und die dort benannte Möglichkeit, die Zustellung in einem besonderen Verfahren ausführen zu lassen. Seine Anwendung setzt daher voraus, dass die Empfangsstelle um eine Zustellung in einem besonderen Verfahren ersucht wurde und diesem Ersuchen entsprochen wurde. Das besondere Verfahren muss nicht ein solches sein, welches dem Recht des Empfangsmitgliedstaats fremd ist. Die Zustellung erfolgt auch dann in einem besonderen Verfahren, wenn gegenüber der Empfangsstelle ein besonderes im Recht des Empfangsmitgliedstaats bekanntes Verfahren vorgegeben oder ausgeschlossen wird (s. Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 20). Dies gilt auch im Rahmen von lit. b.39 Denn bereits die Befolgung einer bestimmten Vorgabe kann als solche besonderen Aufwand verursachen und zudem ist jeder Beschränkung des Ermessens der Empfangsstelle das Risiko immanent, dass diese nicht die im Einzelfall (für sie) günstigste Zustellungsform nutzen kann. Beides rechtfertigt die Anwendung von lit. b.
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Der Ausnahmetatbestand nach Abs. 2 Unterabs. 1 lit. b ist gegenständlich beschränkt auf die für die Ausführung der Zustellung in einem besonderen Verfahren anfallenden Kosten (Gebühren und Auslagen). Auch bei Nutzung eines besonderen Zustellungsverfahrens hat die Empfangsstelle ihren übrigen Beitrag zur Rechtshilfegewährung kostenfrei zu leisten. Zugleich ist der Ausnahmetatbestand aber nicht auf den Mehraufwand des besonderen Zustellungsverfahrens im Vergleich zu einem im Recht des Empfangsmitgliedstaats vorgesehenen Zustellungsverfahren begrenzt. Dies erspart komplizierte Vergleichsberechnungen. Allerdings wird der Ausnahmetatbestand nach Abs. 2 Unterabs. 1 lit. b durch Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a i.V.m. Abs. 2 Unterabs. 2 überlagert bzw. begrenzt, wenn im Rahmen der Zustellung in einem besonderen Verfahren eine besondere Zustellungsperson eine nach Abs. 2 Unterabs. 2 pauschalierte Verrichtung vornimmt (s. Rz. 18 ff.).40 4. Einheitliche Festgebühr
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Für die vom Antragsteller nach Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a für die Mitwirkung eines besonderen Zustellungsorgans zu tragenden Kosten der Zustellung müssen die Mitgliedstaaten nach Abs. 2 Unterabs. 2
36 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 11 EG-ZustVO 2007 Rz. 1 f.; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 11 EG-ZustellVO Rz. 2. Vgl. auch ABl. EG 1997 C 261/34; KOM(1999) 219 endg.: „nicht von der staatlichen Verwaltung durchgeführt“. – A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 11 EuZVO Rz. 4. 37 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 11 EuZVO Rz. 3; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 11 EuZVO Rz. 3. 38 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 11 EuZVO Rz. 2, 4; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 11 EG-ZustellVO Rz. 1. 39 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 11 EuZVO Rz. 9. Unklar Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 11 EuZVO Rz. 1. 40 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 11 EG-ZustellVO Rz. 4.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 15 EU-ZustVO 2020
S. 1 eine einheitliche Festgebühr, d.h. eine bei Auftragserteilung betragsmäßig absolut feststehende, insbesondere unabhängig vom konkreten Aufwand und der Bedeutung der Angelegenheit pauschalierende Gebühr festsetzen. Ausweislich Erwägungsgrund 28 S. 3 EU-ZustVO 2020 bedeutet dies aber nicht, dass nicht für verschiedene Zustellungsformen und verschiedene Zustellungsorgane unterschiedliche Festgebühren festgesetzt werden dürfen.41 Die Pauschalierungspflicht gilt nur für im Empfangsmitgliedstaat vorgesehene (bekannte) Zustellungsformen; ihr unterliegen daher nicht die nach Abs. 2 Unterabs. 1 lit. b vom Antragsteller zu tragenden Kosten (s. aber Rz. 17).42 Durch die vorgesehene Pauschalierung soll die Transparenz der anfallenden Kosten erhöht und insbesondere eine Vorschussanforderung vereinfacht werden. Gegenstand der Pauschalierung müssen umfassend alle für die Mitwirkung des besonderen Zustellungsorgans anfallenden Kosten (Gebühren und Auslagen einschließlich Steuern u.Ä.) sein. Alle diese Kosten müssen durch die Gebühr abgegolten werden. Nur dies entspricht dem Normzweck.43 Nicht zu den abzugeltenden Kosten gehören freilich für den Geldtransport zum Kostenberechtigten anfallende Bankgebühren sowie sonstige mit dem Kosteneinzug verbundene Kosten (z.B. Verfahrenskosten für Kostenbeitreibung). Die Pauschalierung muss nach Abs. 2 Unterabs. 2 S. 2 dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung entsprechen und verhältnismäßig sein. Dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung wird entsprochen, wenn die für grenzüberschreitende Zustellungen erhobenen Kosten nicht ohne Sachgrund höher als für eine inländische Zustellung ausfallen. Danach darf bei der Bemessung der Festgebühr z.B. durchaus berücksichtigt werden, dass eine grenzüberschreitende Kommunikation gegebenenfalls mit höheren Portokosten (Auslagen) verbunden ist. Zusätzlich begrenzt wird die Höhe der zulässigen Pauschalierung durch das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Dieses wirkt in zweifacher Hinsicht begrenzend. Ihm ist einmal bei der Ausgestaltung der Pauschalierung Rechnung dadurch zu tragen, dass die Pauschalierung sich an den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten orientieren muss. Zugleich darf die Pauschale nicht disproportional zum gewöhnlichen Nutzen für den Antragsteller sein.
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Nicht den Anforderungen nach Abs. 2 Unterabs. 2 genügende Kosten schuldet der Antragsteller im Fall von Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a aufgrund des Anwendungsvorrangs der Verordnung (namentlich des Abs. 1) nicht und zwar nach Sinn und Zweck (Transparenz und Vereinfachung) auch nicht anteilig. Ein gleichwohl geleisteter Vorschuss kann zurückgefordert werden.
20
Die Mitgliedstaaten sind nach Abs. 2 Unterabs. 2 S. 3 verpflichtet, der Kommission nach Maßgabe 21 von Art. 33 EU-ZustVO 2020 die jeweilige Festgebühr mitzuteilen. Die Kommission wiederum hat die mitgeteilten Festgebühren zu publizieren. Dies soll Antragstellern ermöglichen, sich vorab über die anfallenden Zustellungskosten zu informieren und gegebenenfalls zur Zeitersparnis auch ohne gesonderte Anforderungen einen Vorschuss einzuzahlen. Die Mitteilung und die Veröffentlichung sind keine Voraussetzungen dafür, dass Kosten erhoben werden dürfen; Mitteilung und Veröffentlichung erfolgen nur deklaratorisch.44 Durch die Mitgliedstaaten sind folgende, den vorbeschriebenen Anforderungen nicht nur ausnahmsweise nicht genügenden (Fest-)Gebühren mitgeteilt worden (Stand: 1.5.2023):
41 SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 46 mit Fn. 197; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 15 EuZustVO Rz. 1; vgl. zu Art. 11 EG-ZustVO 2007 auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12. – A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 11 EuZVO Rz. 6. Für wirklich einheitliche (vollständig pauschalierte) Gebühr auch MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 51. 42 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 11 EuZVO Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 11 EG-ZustellVO Rz. 4. 43 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EU) 2020/1784 Rz. 14; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 11 EG-ZustellVO Rz. 3. 44 Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 11 EuZVO Rz. 2. – A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 11 VO (EG) 1393/2007 Rz. 11.
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Art. 15 EU-ZustVO 2020 Kosten der Zustellung Belgien Für die Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher (huissier) wurde eine Festgebühr i.H.v. 165 t (einschließlich der in Belgien geltenden MwSt) pro Zustellung festgelegt, die vom Antragsteller für jedes Schriftstück, das an eine natürliche oder juristische Person zugestellt werden soll, zu entrichten ist.
Bulgarien Das bulgarische Recht sieht keine Gebühr für die Zustellung der Schriftstücke auf normalem Wege vor. Bei besonderen Zustellungsverfahren wird die Gebühr erhoben, die dem Tarif für Gebühren und Kosten nach dem Gesetz für private Gerichtsvollzieher entspricht.
Dänemark Die Übermittlung von Schriftstücken ist kostenlos.
Deutschland „Als Kosten [sic!] nach Artikel 15 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2020/1784 für die Zustellung von Schriftstücken durch einen Gerichtsvollzieher sind von den Umständen des Einzelfalls abhängig [sic!]. Grundsätzlich können Kosten bis zu 37,25 EUR zuzüglich Auslagen für die Herstellung von Abschriften oder einer Gebühr für die Beglaubigung von Abschriften anfallen. Die genauen Kosten im Einzelfall ergeben sich aus dem Gerichtsvollzieherkostengesetz, insbesondere dessen Kostenverzeichnis.“ – Der Inhalt dieser Meldung ist nicht nur sprachlich mangelhaft, sondern in Ansehung der Vorgaben der Verordnung inhaltlich sogar ungenügend.
Estland Im Regelfall ist die Zustellung von Schriftstücken gebührenfrei. Für die Zustellung von Verfahrensschriftstücken durch einen Gerichtsvollzieher wird eine Gebühr von 40 t bis zu 70 t erhoben.
Finnland Die Übermittlung von Schriftstücken ist für ausländische Übermittlungsstellen kostenlos.
Frankreich Die pauschale Gebühr für das Tätigwerden des Gerichtsvollziehers beläuft sich auf 48,36 t.
Griechenland Die Kosten der Zustellung belaufen sich pauschal auf 50 t.
Irland Die Kosten belaufen sich im Regelfall auf 70 t bis 100 t.
Italien Derzeit sind für die Zustellung von Schriftstücken aus dem Ausland keine andere Kosten als für Inlandszustellungen vorgesehen.
Kroatien In der Republik Kroatien sind keine einheitlichen Gebühren für die Zustellung von Schriftstücken festgelegt.
Lettland Für jeden Zustellungsauftrag fällt eine Gebühr von 133,33 t (einschließlich MwSt.) an.
Litauen Die Republik Litauen erlaubt die Erhebung einer Gebühr von 110 t.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 15 EU-ZustVO 2020
Luxemburg Die einheitliche Festgebühr beträgt 138 t.
Malta Die einheitliche Festgebühr beträgt 50 t für jedes zuzustellende Schriftstück.
Niederlande Die Gebühr beträgt 125 t.
Österreich Eine Festgebühr fällt nicht an.
Polen Die Zustellung von Schriftstücken ist kostenlos.
Portugal Für die Zustellung von gerichtlichen Schriftstücken eines anderen Mitgliedstaats durch das Gericht werden keine Kosten oder Gebühren erhoben. Werden die Schriftstücke jedoch persönlich durch einen Gerichtsbediensteten oder einen Gerichtsvollzieher zugestellt, so werden dafür folgende Gebühren erhoben: Gerichtsvollzieher (bei erfolgter Zustellung 76 t, bei gescheiterter Zustellung 50,50 t), Gerichtsbedienstete (bei erfolgter Zustellung 51 t, sonst kostenfrei).
Rumänien Für Rumänien sind keine einheitlichen Gebühren für die Zustellung von Schriftstücken festgelegt.
Schweden Für Schweden sind keine einheitlichen Gebühren für die Zustellung von Schriftstücken festgelegt.
Slowenien Die Gebühr beträgt im Grundsatz 50 t (gegebenenfalls zzgl. Umsatzsteuer).
Slowakei Wird ein Gerichtsvollzieher vom Gericht mit der Zustellung beauftragt, wird für jedes Schriftstück eine Zustellungsgebühr i.H.v. 10 t erhoben.
Spanien Für Spanien sind keine einheitlichen Gebühren für die Zustellung von Schriftstücken festgelegt.
Tschechische Republik Die Zustellung ist in der Tschechischen Republik nicht gebührenpflichtig.
Ungarn Die Gebühr für die Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher beträgt 7500 HUF (ca. 20 t).
Zypern Die Festgebühr beträgt 21 t je Schriftstück.
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Art. 16 EU-ZustVO 2020 Übermittlung auf diplomatischem oder konsularischem Weg
Abschnitt 2 Andere Arten der Übermittlung und Zustellung gerichtlicher Schriftstücke (Art. 16–Art. 20)
Artikel 16 Übermittlung auf diplomatischem oder konsularischem Weg In Ausnahmefällen kann jeder Mitgliedstaat den Empfangsstellen oder den Zentralstellen eines anderen Mitgliedstaats gerichtliche Schriftstücke zum Zwecke der Zustellung auf diplomatischem oder konsularischem Weg übermitteln. I. 1. 2. 3. II. 1.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . Anbringung Rechtshilfeersuchen Voraussetzung: Ausnahmefall . . .
. . . . . .
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1 1 3 4 5 5
2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit . . . . . . . . b) Inhalt und Förmlichkeiten . c) Kommunikationsweg . . . .
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. 8 . 8 . 10 . 12
III. Weiterer rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . 13
Schrifttum: Strasser, Neues zum Europäischen Zustellungsrecht, Rpfleger 2013, 585. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift leitet Abschnitt 2 (Art. 16–20 EU-ZustVO 2020) des Kapitels II über gerichtliche Schriftstücke ein. In diesem Abschnitt wird in Gegenüberstellung zu Abschnitt 1, welcher als rechtstheoretischen Regelfall (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 2) zur Bewirkung einer grenzüberschreitenden Zustellung die Ver- und Übermittlung auf dem Weg der einfachen Rechtshilfe regelt, die Bewirkung einer grenzüberschreitenden Zustellung auf sonstigen Übermittlungs- und Zustellungswegen behandelt. Dabei weist der in der Vorschrift geregelte Weg der grenzüberschreitenden Übermittlung gegenüber den weiteren in Abschnitt 2 geregelten besonderen Wege die Eigenart auf, dass in ihn, anders als bei den anderen besonderen Wegen, eine Empfangsstelle eingebunden ist und Rechtshilfe gewährt.1 Die Vorschrift steht damit in einem engen Zusammenhang mit Art. 8 EU-ZustVO 2020.2 Sie enthält letztlich (nur) eine Abweichung von dessen Abs. 1, in deren Folge auch dessen Abs. 2 sowie Art. 5 EU-ZustVO 2020 keine Anwendung finden. Im Übrigen gelten die Regelungen des Abschnitts 1 für den in der Vorschrift geregelten Weg aber zumindest entsprechend. Dementsprechend wäre die Vorschrift systematisch vorzugswürdig in Abschnitt 1, z.B. als letzter Absatz von Art. 8 EU-ZustVO 2020, einzuordnen gewesen;3 allein ihr Ausnahmecharakter gegenüber der direkten Übermittlung nach Art. 8 EU-ZustVO 2020 spricht für die Einordnung in Abschnitt 2 des Kapitels II.
2
Die in der Vorschrift geregelte Abweichung zu Art. 8 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 ist nur in Ausnahmefällen eröffnet.4 Hintergrund dafür ist, dass die in Art. 8 EU-ZustVO 2020 vorgesehene Übermittlung
1 Nach Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 4; Knöfel, RIW 2021, 473, 474, 482 sowie Linke/Hau, IZVR, Rz. 8.25 soll es sich dagegen um einen Fall der Direktzustellung ohne Rechtshilfe handeln. Wie hier dagegen Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 183. 2 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 12 EG-ZustellVO Rz. 1. 3 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 12 EG-ZustellVO Rz. 1. 4 ABl. EG 1997 C 261/34; KOM(1999) 219 endg.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 12 EuZVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 12 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht,
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 16 EU-ZustVO 2020
im Direktverkehr im Regelfall schneller ist.5 Von der Übermittlung auf diplomatischem oder konsularischem Weg wird auch zahlenmäßig nur ganz selten Gebrauch gemacht. Ihr kommt kaum eine praktische Bedeutung zu.6 Sie ist vielmehr in erster Linie geschuldet der Entwicklung der EG-ZustVO 2000 in Anknüpfung an das HZPÜ und das HZÜ und dem Festhalten an „alten Zöpfen“.7 Der Weg, Schriftstücke zum Zweck der Zustellung auf diplomatischem oder konsularischem Weg grenzüberschreitend zu übermitteln, ist einer der ältesten.8 Hiervon unabhängig widerspräche es aber auch dem Hauptanliegen der Verordnung, würde ein tradierter und funktionierender Übermittlungsweg ausgeschlossen auch für Ausnahmefälle, in denen er Vorzüge gegenüber anderen Wegen aufweist.9 2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift geht zurück auf Art. 12 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)10 und Art. 12 EG-ZustVO 2000, welche die inhaltlich vergleichbare Regelung des Art. 9 HZÜ aufgreifen. Eine wesentliche Weiterentwicklung des HZÜ gegenüber dem HZPÜ bestand darin, eine direkte Kommunikation zwischen den Behörden der beteiligten Staaten anstelle der schwerfälligen Kommunikation auf diplomatischem oder konsularischem Weg (so noch Art. 1 HZPÜ) als Regelfall zu etablieren (vgl. Art. 3 HZÜ; s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 6).11 Hierdurch sollte die Rechtshilfegewährung beschleunigt werden. Die Möglichkeit zur Kommunikation auf dem konsularischen und dem diplomatischen Weg sollte aber nicht verschlossen werden. Dementsprechend hält Art. 9 HZÜ an diesem Übermittlungsweg fest, teilweise unter Ausgestaltung als Ausnahmefall. Art. 12 EG-ZustVO 2000 und Art. 12 EG-ZustVO 2007 knüpften daran an. Dies führt die Vorschrift unter lediglich redaktioneller Änderung fort. Der Kommissionsvorschlag sah dementsprechend keine Änderungen in Art. 12 EG-ZustVO 2007 vor.12 Die Stellungnahme des EWSA und die Stellungnahme erster Lesung des Parlaments befassten sich mit Art. 12 EG-ZustVO 2007 ebenso wenig wie die Allgemeine Ausrichtung des Rates erster Lesung. Erst im Zusammenhang mit der während der Triloggespräche getroffenen Entscheidung, anstatt eines Änderungsrechtsakts eine Neufassung der Verordnung zu erlassen (vgl. Erwägungsgründe 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020), wurde die Vorschrift dann redaktionell angepasst.
3
3. Anwendungsbereich Die Vorschrift gilt nur für die Initiierung der Rechtshilfe zum Zweck der grenzüberschreitenden Zu- 4 stellung. Originär regelt sie diese nur für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. Aufgrund der Verweisung des Art. 21 EU-ZustVO 2020 findet sie darüber hinaus aber auch auf außergerichtliche Schriftstücke Anwendung.
5 6
7 8 9
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Rz. VII/22; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 16 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 12 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 12 EuZVO Rz. 1. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 12 EuZVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 12 EuZVO Rz. 1; Karaaslan, S. 31; Kondring, S. 93. MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 68; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 4; Brenn, Art. 12 EZV Anm. b); Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 27; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 12 EuZVO Rz. 1; Strasser, Rpfleger 2013, 585, 586. MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 68. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 12 EuZVO Rz. 1. Vgl. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 12 EuZVO Rz. 2: „Auffangnetz“; inzwischen auch Hess, EuZPR, Rz. 8.26 mit Fn. 132. – Nicht bedacht von Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 4; Hess, NJW 2001, 15, 19; Nassauer, A4-0101/97, B. 18.; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 12 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/22; Netzer, S. 122 f.; Schack, IZVR, Rz. 742; vgl. auch Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 16 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 17 EuZustVO Rz. 1. Vgl. Brenn, Art. 12 EZV Anm. a). COM(2018) 379 final, S. 23.
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Art. 16 EU-ZustVO 2020 Übermittlung auf diplomatischem oder konsularischem Weg
II. Anbringung Rechtshilfeersuchen 1. Voraussetzung: Ausnahmefall 5
Die Nutzung des konsularischen oder diplomatischen Wegs zur Anbringung eines Rechtshilfeersuchens wird durch die Vorschrift auf Ausnahmefälle beschränkt, um den Regelcharakter des in Art. 8 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 vorgesehenen direkten Übermittlungswegs abzusichern. Gegenüber dem Übermittlungsweg nach Art. 8 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 ist der durch die Vorschrift geregelte Übermittlungsweg subsidiär13 und zwar auch gegenüber der in Art. 5 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 geregelten Ausnahme. Kein Rangverhältnis besteht dagegen gegenüber Art. 17–20 EU-ZustVO 2020,14 weil es insoweit nicht der Absicherung eines Regelcharakters bedarf.
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Der Erläuternde Bericht zum für Art. 12 EG-ZustVO 2000 vorbildgebenden EuZÜ umschreibt das Vorliegen eines Ausnahmefalls dahin, dass außergewöhnlich schwierige Umstände vorliegen müssten, wie z.B. aufgrund besonderer Bedingungen die Unmöglichkeit, Schriftstücke von einem Mitgliedstaat in einen anderen auf anderen Wegen zu übersenden.15 Hieran wird im Schrifttum angeknüpft und werden praktisch ausnahmslos Beispiele für eine gestörte Übermittlung aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat benannt und diskutiert sowie daneben ohne weitere Herleitung benannt der Fall, dass eine Zustellung an einen anderen Mitgliedstaat oder dessen Diplomaten erfolgen soll.16 Dies greift zu kurz und lässt zudem keinen einheitlich tragenden Gesichtspunkt erkennen. Ein Ausnahmefall ist vielmehr immer dann gegeben, wenn aufgrund objektiv feststellbarer Umstände eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Übermittlung auf dem konsularischen oder diplomatischen Weg in Bezug auf die erfolgreiche Inanspruchnahme von Rechtshilfe Vorteile aufweist, insbesondere entgegen der typisierenden Betrachtung durch den Verordnungsgeber im konkreten Einzelfall zu einer schnelleren Übermittlung und auch Ausführung eines Rechtshilfeersuchens (z.B. durch Verminderung der Wahrscheinlichkeit einer [rechtmäßigen oder rechtswidrigen] Zurückweisung) führt.
7
Die Annahme eines Ausnahmefalls obliegt in erster Linie der Beurteilung durch die Stellen des Ursprungsmitgliedstaats.17 Hierbei handelt es sich entgegen verbreiteter Annahme nicht notwendig um eine Übermittlungsstelle, weil der von der Vorschrift subsidiär eröffnete Übermittlungsweg auch unmittelbar von der eine Zustellung veranlassenden Stelle genutzt werden kann (s. Rz. 8). Die angegangenen Stellen des Empfangsmitgliedstaats sind an die Beurteilung durch die Stellen des Ursprungsmitgliedstaats nicht gebunden, sondern zu einer eigenen Prüfung berechtigt. Nur dies stellt sicher, dass der allein für Ausnahmefälle vorgesehene Übermittlungsweg nicht im Widerspruch zum Regelungsansatz der Verordnung faktisch zum Regelfall werden kann. Mit Rücksicht auf das zwischen den Mitgliedstaaten bestehende Vertrauen, sind die Stellen des Empfangsmitgliedstaats zu einer eigenen Prüfung aber nicht verpflichtet. Darüber hinaus dürfen sie, um Verzögerungen zu vermeiden bzw. gering zu halten, nur prüfen, ob ein Ausnahmefall offensichtlich nicht vorliegt. Im Zweifel darf nicht zurückgewiesen werden.18
13 Brenn, Art. 12 EZV EinfErl; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 12 EuZVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/ EuIPR (2015), Art. 12 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/22; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 16 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 12 EG-ZustellVO Rz. 2; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240; Sujecki, EuZW 2007, 44, 45; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 12 EuZVO Rz. 2. 14 A.A. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 12 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 16 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3: anderen Wege (Plural); Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 12 EuZVO Rz. 1; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240: Nachrangigkeit gegenüber Postdirektzustellung. 15 ABl. EG 1997 C 261/34 mit ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg.; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 12 EuZVO Rz. 2; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 16 EuZVO 2022 Rz. 2. 16 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 12 EuZVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Geimer, Art. 12 EuZVO Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 12 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 12 EuZVO Rz. 1. 17 Vgl. (für Übermittlungsstelle) Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 12 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 16 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4. 18 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 16 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 16 EU-ZustVO 2020
2. Rechtsfolgen a) Zuständigkeit Die Vorschrift erweitert den Kreis der zur Anbringung eines Rechtshilfeersuchens Berechtigten (er- 8 suchende Stelle) von den durch Art. 8 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 angesprochenen Stellen auf die durch einen Mitgliedstaat eingerichteten diplomatischen und konsularischen Stellen. Diese Erweiterung wirkt unbeschadet des Umstands, dass von ihr nur in einem Ausnahmefall Gebrauch gemacht werden darf, ohne Rücksicht hierauf. Dass die Nutzung des besonderen Übermittlungswegs nicht objektiv durch das Vorliegen eines Ausnahmefalls gedeckt ist, führt auch aus diesem Grund (s. zudem Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 11) nicht zur Unwirksamkeit einer in Gewährung von Rechtshilfe bewirkten Zustellung.19 Die Erweiterung des Kreises der zu einem Rechtshilfeersuchen Berechtigten beschränkt sich nicht auf die diplomatischen oder konsularischen Stellen, die gerade im Empfangsmitgliedstaat eingerichtet wurden. Entgegen teilweiser Annahme ist auch nicht erforderlich, dass die diplomatische oder konsularische Stelle durch eine Übermittlungsstelle des Ursprungsmitgliedstaats beauftragt wurde. Auf der Passivseite (ersuchte Stelle) liegt die Zuständigkeit für das Rechtshilfeersuchen wie im Rahmen von Art. 8 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 bei den Empfangsstellen (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 f.). Diesbezüglich folgt aus der Vorschrift keine Abweichung zur einfachen Rechtshilfe nach Abschnitt 1, Kapitel II. Soweit die Vorschrift daneben die Übermittlung an eine Zentralstelle erwähnt, begründet dies nicht deren Passivzuständigkeit, sondern nimmt nur auf Art. 4 Unterabs. 1 lit. c EU-ZustVO 2020 Bezug. Da die Vorschrift anders als Art. 8 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 keine direkte Kommunikation vorschreibt, ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass sich die diplomatische oder konsularische Stelle des Ursprungsmitgliedstaats an eine diplomatische oder konsularische Stelle des Empfangsmitgliedstaats mit der Bitte wendet, das Rechtshilfeersuchen an die Empfangs- oder Zentralstelle weiterzuleiten.20
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b) Inhalt und Förmlichkeiten Mit einem auf dem konsularischen oder diplomatischen Weg übermittelten Rechtshilfeersuchen muss eine Empfangsstelle eines Mitgliedstaats darum ersucht werden, ein bestimmtes gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück in ihrem Zuständigkeitsbereich zuzustellen bzw. zustellen zu lassen. Begleitend dazu muss der Empfangsstelle das zuzustellende Schriftstück übermittelt werden. Für den Fall des Art. 14 Abs. 1 Halbs. 2 EU-ZustVO 2020 ist das zuzustellende Schriftstück im gleichen Umfang wie nach Art. 8 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 in zwei Stücken zu übermitteln (s. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 30 ff.).
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Das auf konsularischem oder diplomatischem Weg übermittelte Ersuchen unterliegt nicht dem durch Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 1 EU-ZustVO 2020 begründeten Formblattzwang. Das Formblatt A ist für eine Verwendung durch eine konsularische oder diplomatische Stelle nicht gestaltet. Eine Notwendigkeit zur Nutzung des Formblatts ergibt sich auch nicht daraus, dass das Formblatt durch die Empfangsstelle im Rahmen der Rechtshilfegewährung weiterverwendet werden müsste (anders insoweit z.B. der Europäische Mahnantrag, vgl. Art. 12 Abs. 2 S. 1 EG-MahnVO). Ebenso wenig gilt die Sprachregelung des Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 S. 2 EU-ZustVO 2020. Vielmehr bestimmen sich die sprachlichen Anforderungen nach sonstigen Übereinkommen zwischen Ursprungs- und Empfangsmitgliedstaat bzw. nach Gewohnheitsrecht. Im Regelfall ist das Ersuchen in der Amtssprache der ersuchten Empfangsstelle zu stellen. Ein Übersetzungszwang für das zuzustellende Schriftstück besteht auch bei Übermittlung auf konsularischem oder diplomatischem Weg nicht, wie sich aus Art. 12 Abs. 6 EU-ZustVO 2020 rückschließen lässt (s. Rz. 13).
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19 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 12 EuZVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 16 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4. 20 Vgl. Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/22. – A.A. Brenn, Art. 12 EZV Anm. c); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 12 EuZVO 12 Rz. 3. A.A. wohl auch Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 12 EuZVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 13 EuZVO Rz. 1.
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Art. 17 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch diplomatische Vertreter/konsularische Bedienstete c) Kommunikationsweg 12
Die Übermittlung auf konsularischem oder diplomatischem Weg erfolgt nicht unter obligatorischer Nutzung des dezentralen IT-Systems. Die Regelung des Art. 5 EU-ZustVO 2020 gilt nur für die Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen. Sonstige Stellen (z.B. auch Botschaften und Konsulate) haben keinen Zugang zum dezentralen IT-System und können dieses mithin auch nicht nutzen.
III. Weiterer rechtlicher Rahmen 13
Die Vorschrift regelt im Kern nur eine Abweichung von Art. 8 Abs. 1 EU-ZustVO 2020. Dessen ungeachtet betrifft sie den Rechtshilfeverkehr zum Zweck der grenzüberschreitenden Zustellung. Deshalb finden, soweit nicht die Besonderheiten der Nutzung des konsularischen oder diplomatischen Wegs zur Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks entgegenstehen, die sonstigen Vorschriften der Verordnung über die Rechtshilfegewährung Anwendung. Dies ist teilweise ausdrücklich angeordnet (Art. 12 Abs. 6 EU-ZustVO 2020, Art. 13 Abs. 3 EU-ZustVO 2020)21 und ergibt sich im Übrigen im Wege der Analogie. Danach wird die Zustellung ausgeführt nach Maßgabe von Art. 11 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 ff.).22 Es besteht auch bei der Nutzung des konsularischen oder diplomatischen Wegs ein Annahmeverweigerungsrecht nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 und ist über dieses zu belehren (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 27, 107 ff.). Weiter gilt die Regelung zum doppelten Zustellungsdatum (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 ff.). Ebenso ist die Zustellung auf einem Formblatt zu bescheinigen (s. Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 ff.) und Rechtshilfe im Grundsatz kostenfrei zu gewähren (s. Art. 15 EU-ZustVO 2020 Rz. 7).
Artikel 17 Zustellung von Schriftstücken durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete (1) Jeder Mitgliedstaat kann Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch seine diplomatischen Vertreter oder konsularischen Bediensteten ohne Anwendung von Zwangsmitteln zustellen lassen. (2) Ein Mitgliedstaat kann der Kommission mitteilen, dass er die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke nach Absatz 1 in seinem Hoheitsgebiet nicht zulässt, außer wenn die zuzustellenden Schriftstücke Staatsangehörigen des Übermittlungsmitgliedstaats zuzustellen sind. I. 1. 2. 3.
Allgemeines . . . . . . Normzweck . . . . . . Entstehungsgeschichte Anwendungsbereich .
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1 1 4 5
II. Souveränitätseinschränkung (Abs. 1) . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustellungsempfänger mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat . . . . . . . . . .
6 6 9
3. Diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 4. Zustellung ohne Anwendung von Zwangsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 III. 1. 2. 3. IV.
Rücknahme der Einschränkung (Abs. 2) . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . Ausführung der Zustellung . . . . . . . . .
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13 13 16 17 19
Schrifttum: Strasser, Neues zum Europäischen Zustellungsrecht, Rpfleger 2013, 585. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum. 21 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 12 EuZVO Rz. 4; Zöller/Geimer, Art. 12 EuZustVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 12 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 16 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. 22 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 16 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 17 EU-ZustVO 2020
I. Allgemeines 1. Normzweck Die Vorschrift gehört zu Abschnitt 2 (Art. 16–20 EU-ZustVO 2020) des Kapitels II über gerichtliche 1 Schriftstücke, welcher die Übermittlung eines Schriftstücks zum Zweck der grenzüberschreitenden Zustellung auf anderen Wegen als der einfachen Rechtshilfe regelt. Innerhalb dieses Abschnitts leitet die Vorschrift ein die Regelungen (Art. 17–19 EU-ZustVO 2020) über direkte, d.h. nicht unter Beteiligung einer Empfangsstelle und auch nicht durch Stellen des Empfangsmitgliedstaats ausgeführte Zustellungen.1 Hierin liegt auch der wesentliche Unterschied zur Übermittlung auf diplomatischem oder konsularischem Weg i.S.v. Art. 16 EU-ZustVO 2020.2 Während Regelungsgegenstand von Art. 16 EU-ZustVO 2020 lediglich die Übermittlung eines Schriftstücks aus dem Ursprungsmitgliedstaat an die zuständigen Stellen des Empfangsmitgliedstaats ist, regelt Art. 17 EU-ZustVO 2020 die Zustellung in einem vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Empfangsmitgliedstaat durch Stellen des Ursprungsmitgliedstaats.3 Im Unterschied zu den Vorschriften über die Rechtshilfegewährung, zu denen auch Art. 16 EU-ZustVO 2020 gehört, regeln die Vorschriften über die direkte Zustellung keinen Ausgleich dazu, sondern eine Ausnahme davon, dass Zustellungen nach tradierter Ansicht Hoheitsakte und daher auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu unterlassen sind (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 5, 67). Die Vorschrift schränkt die Souveränität der Mitgliedstaaten im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten dahingehend ein, dass ein Mitgliedstaat auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats durch eigene Stellen Zustellungen bewirken kann. In ihrem Abs. 1 enthält die Vorschrift den Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten im Verhältnis zueinander keine Rücksicht auf die Souveränität nehmen müssen, soweit sie im Anwendungsbereich der Verordnung Schriftstücke durch in einem anderen Mitgliedstaat für sie tätige, akkreditierte diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete in dem betreffenden Mitgliedstaat ohne Anwendung von Zwangsmitteln an Personen vornehmen, die ihren Wohnsitz in irgendeinem vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat haben. Abs. 1 regelt diesbezüglich aber nur die Einschränkung der Souveränität des Empfangsmitgliedstaats, nicht dagegen für die Stellen des Ursprungsmitgliedstaats die Befugnis, Schriftstücke zum Zweck der Zustellung auf diesem Weg zu exportieren bzw. zuzustellen.4 Zu der in Abs. 1 vorgesehenen Einschränkung des Souveränitätsanspruchs der Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaaten sieht Abs. 2 als Ausnahme die Möglichkeit vor, die vorgesehene Einschränkung zurückzunehmen, d.h. die Souveränitätsschranke teilweise wiederherzustellen. Jeder Mitgliedstaat kann sich danach dafür entscheiden, direkte Zustellungen durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete eines anderen Mitgliedstaats nur an die Staatsangehörigen dieses Mitgliedsstaats zuzulassen.5
2
Der Vorschrift kommt kaum praktische Bedeutung zu,6 weil sich die Zustellung durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete im Vergleich zu anderen Übermittlungswegen als überaus schwerfällig erweist.7 Zudem ist die Möglichkeit zur Zustellung durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete aufgrund des Ausschlusses von Zwang nur beschränkt effektiv. Dem Zustellungsempfänger kann nicht ohne seine Mitwirkung die Möglichkeit zur Kenntnisnahme vom
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1 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 13 EuZVO Rz. 1. 2 Abw. Richter, IPRax 2022, 433, 436, der Art. 16, 17 EU-ZustVO 2020 als im Zusammenwirken die Zustellung auf diplomatischem und konsularischem Weg regelnd zu verstehen scheint. 3 Brenn, Art. 13 EZV Anm. a); Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.104; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 13 EuZVO Rz. 1. Verkannt von Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, Rz. 300. 4 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-ZustellVO Rz. 2. 5 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 13 EuZVO Rz. 1. 6 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 4, Art. 13 EuZVO Rz. 1; Bellardita, DGVZ 2023, 1, 4; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 27; Kondring, IPRax 2007, 138, 139; Schlosser/ Hess/Schlosser, Art. 13 EuZVO Rz. 1; Strasser, Rpfleger 2013, 585, 586; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 13 EuZVO Rz. 2. 7 ABl. EG 1997 C 261/28; KOM(1999) 219 endg.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 13 EuZVO Rz. 2.
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Art. 17 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch diplomatische Vertreter/konsularische Bedienstete Inhalt eines Schriftstücks verschafft werden. Dieser Zustellungsweg wird daher kaum genutzt. Die Regelung ist in erster Linie geschuldet der Entwicklung der Zustellungsverordnung in Anknüpfung an das HZPÜ und das HZÜ (s. Rz. 4) und dem Festhalten an „alten Zöpfen“.8 Darüber hinaus widerspräche es aber auch dem Hauptanliegen der Verordnung, würde ein tradierter Zustellungsweg ausgeschlossen, obwohl er den Zustellungserfolg herbeiführen und im konkreten Einzelfall gegenüber anderen Wegen möglicherweise vorteilhaft sein kann.9 2. Entstehungsgeschichte 4
Die Vorschrift geht zurück auf Art. 13 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)10 und Art. 13 EG-ZustVO 2000, welche die inhaltlich vergleichbaren Regelungen in Art. 8 HZÜ und Art. 6 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 2 HZPÜ aufgreifen.11 Abweichend von Art. 8 HZÜ und Art. 6 Abs. 1 Nr. 3 HZPÜ beschränkten die Vorgängervorschriften die Möglichkeit zur Direktzustellung auf Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat ihren Wohnsitz haben. Eine im Verordnungsverfahren vom Parlament geforderte Beschränkung der Anwendung auf Ausnahmefälle wie bei Art. 12 EG-ZustVO 2000 fand keinen Eingang. An die Vorgängerregelungen knüpft die Vorschrift an und übernimmt diese unbeschadet der Neuformulierung des Anwendungsbereichs der Verordnung (bekannte Zustelladresse anstatt Wohnsitz; abweichend Art. 18 EU-ZustVO 2020, s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 12) unter lediglich redaktioneller Überarbeitung, welche freilich den Begriff Übermittlungsmitgliedstaat in Abs. 2 unberührt gelassen und nicht durch den Begriff Ursprungsmitgliedstaat ersetzt hat (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 16). Der Kommissionsvorschlag sah noch gar keine Änderungen in Art. 13 EG-ZustVO 2007 vor.12 Die Stellungnahme des EWSA und die Stellungnahme erster Lesung des Parlaments befassten sich mit Art. 13 EG-ZustVO 2007 ebenso wenig wie die Allgemeine Ausrichtung des Rates erster Lesung sich mit dieser Regelung beschäftigte. Erst im Zusammenhang mit der im Rahmen der Triloggespräche getroffenen Entscheidung, anstatt eines Änderungsrechtsakts eine Neufassung der Verordnung zu erlassen (vgl. Erwägungsgründe 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020), wurde die Vorschrift dann redaktionell leicht modifiziert. 3. Anwendungsbereich
5
Originär erfasst die Vorschrift nur die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. Aufgrund der Verweisung des Art. 21 EU-ZustVO 2020 findet sie darüber hinaus aber auch auf außergerichtliche Schriftstücke Anwendung.
II. Souveränitätseinschränkung (Abs. 1) 1. Überblick 6
Die Vorschrift enthält keine verordnungsautonome Zulassung der Zustellung durch diplomatische oder konsularische Bedienstete, sondern schafft für die Mitgliedstaaten als Ursprungsmitgliedstaat lediglich die Möglichkeit, auf diesem Weg zuzustellen.13 Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem
8 ABl. EG 1997 C 261/34; KOM(1999) 219 endg.: „traditionell anerkannt“; Lechner, A5-0060/1999, S. 15; MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 68; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 13 EuZVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/ EuIPR (2015), Art. 13 EG-ZustVO 2007 Rz. 1. Vgl. auch Geimer, S. 25. 9 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-ZustellVO Rz. 1. Nicht gesehen von Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 4; Hess, NJW 2001, 15, 19; Nassauer, A4-0101/97, B. 18.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 13 EuZVO Rz. 2. 10 Knöfel, RIW 2021, 473, 474 mit Fn. 28; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 17 EuZustVO Rz. 1. 11 Brenn, Art. 13 EZV Anm. a), b); Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 13 EuZVO Rz. 1. 12 COM(2018) 379 final, S. 23. 13 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-ZustellVO Rz. 2.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 17 EU-ZustVO 2020
gegenüber Art. 13 EG-ZustVO 2007 geänderten Wortlaut („kann“ anstatt „steht es frei“).14 Jedenfalls dem Verweis auf den „Mitgliedstaat“ ist zu entnehmen, dass sich nach dessen Recht richtet, inwieweit diese Möglichkeit genutzt werden darf. Für deutsche Konsularbeamte (§ 18 KonsularG) sieht § 16 S. 1 KonsularG vor, dass diese auf Ersuchen deutscher Gerichte und Behörden Personen, die sich im Konsularbezirk eines Konsularbeamten aufhalten, Schriftstücke jeder Art zustellen. Nach § 1067 Abs. 1 ZPO (und § 47 Abs. 1 S. 1 ZRHO) darf diese Möglichkeit aber nur in begründeten Einzelfällen (Ausnahmefällen, § 14 ZRHO) genutzt werden.15 Die Übermittlung an die deutschen Konsularbeamten im Zustellungsstaat erfolgt nach § 30 ZRHO über die Prüfstellen,16 welche auch prüfen, ob ein Ausnahmefall vorliegt. Ein entsprechender Ausnahmefall kann u.a. vorliegen, wenn Zustellungen an ausländische Staaten oder an vom Ursprungsmitgliedstaat entsandte Beschäftigte erfolgen sollen,17 Rechtshilfe nicht in angemessener Zeit zu erlangen ist,18 was im Anwendungsbereich der Verordnung aber kaum jemals praktisch werden dürfte, oder in Verfahren mit sensiblem Gegenstand (z.B. familiengerichtliche Verfahren)19 auf die Einschaltung einer Empfangsstelle verzichtet werden soll. Die Vorschrift enthält in Abs. 1 vielmehr nur eine Einschränkung des Souveränitätsanspruchs der Mitgliedstaaten untereinander. Diese Einschränkung betrifft nur einen eng begrenzten Bereich. Im Übrigen lässt die Vorschrift den Souveränitätsanspruch der Mitgliedstaaten unberührt und bestätigt damit indirekt die teilweise kritisierte Ansicht, dass Zustellungen als solche als Hoheitsakte zu sehen sind und daher nur mit Rücksicht auf die Souveränität anderer Staaten vorgenommen werden können (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 5, 67). Die durch Abs. 1 angeordnete Rücknahme des Souveränitätsanspruchs der Mitgliedstaaten im Verhältnis zueinander gilt nur in Bezug auf Zustellungsempfänger mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat (s. Rz. 9 f.). Sie ist darüber hinaus beschränkt auf die Bewirkung von Zustellungen durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete eines Mitgliedstaats (s. Rz. 11). Schließlich erfolgt sie nur gegenüber Empfangspersonen, die mit der mit einer Zustellung angestrebten Information über den Inhalt eines Schriftstücks als solcher einverstanden sind, nicht dagegen unter Anwendung eines die Zustellung ermöglichenden oder unterstützenden Zwangs (s. Rz. 12).
7
Die Zustellung durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete wurde durch die Ver- 8 ordnung nicht als subsidiär gegenüber anderen Übermittlungswegen ausgestaltet.20 Vielmehr wurde dieser Zustellungsweg mit Bindung für die Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaat ohne eine solche Beschränkung zur Wahl nach Maßgabe des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats neben den weiteren Übermittlungs- und Zustellungswegen zugelassen. Umgekehrt schließt die Verordnung durch ihre an die Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaat gerichtete Anordnung nicht aus, dass die Mitgliedstaaten als Ursprungsmitgliedstaat die Zustellung durch diplomatische Vertreter bzw. konsularische Bedienstete ihrerseits als subsidiär ausgestalten (s. Rz. 6).21 Dies ergibt sich schon daraus, dass die Verordnung diesen Zustellungsweg nicht selbst als gleichrangigen Zustellungsweg unmittelbar eröffnet.22 Davon abgesehen ergibt sich dies daraus, dass eine entsprechende Ausgestaltung auch nicht im Widerspruch zu den Zielen der Verordnung steht.23
14 15 16 17 18 19 20
Vgl. allg. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 17 EuZustVO Rz. 1. BT-Drucks. 20/1110, 2, 20, 25, 29; Nordmeier in Thomas/Putzo, § 1067 ZPO Rz. 1. A.A. wohl Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 13 EuZVO Rz. 1. BT-Drucks. 20/1110, 25, 29. BT-Drucks. 20/1110, 25; Prütting/Gehrlein/Windau, § 1067 ZPO Rz. 1. BT-Drucks. 20/1110, 25. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 13 EuZVO Rz. 5; Zöller/Geimer, Art. 13 EuZustVO Rz. 3; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/21; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. Vgl. auch OLG Hamburg v. 7.7.2006 – 8 W 4/06, BeckRS 2011, 17369 zu II. der Gründe. – Anders die Vorschläge von Nassauer, A4-0101/97, A. Änderungsantrag 11; Lechner, A5-0060/1999, S. 9; KOM(2000) 75 endg.; MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 68. 21 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4. 22 BT-Drucks. 20/1110, 29. 23 BT-Drucks. 20/1110, 29.
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Art. 17 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch diplomatische Vertreter/konsularische Bedienstete 2. Zustellungsempfänger mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat 9
Der Zustellungsempfänger (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 23, 25) muss einen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben. In diesem Erfordernis bringt der Verordnungsgeber zum Ausdruck, dass die Zustellung durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete über die im internationalen Rechtsverkehr bestehende Tradition hinaus im Ausgangspunkt (s. aber Rz. 13 ff.) ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Zustellungsadressaten oder -empfängers eröffnet sein soll,24 weil der Staatsangehörigkeit für die Zugehörigkeit zum einheitlichen Raum des Rechts keine entscheidende Bedeutung zukommt. Die Anknüpfung an den Wohnsitz anstatt an die Staatsangehörigkeit zielt danach auf eine (klarstellende) Ausweitung des Anwendungsbereichs. Unbeschadet dessen beschränkt das Erfordernis eines Wohnsitzes in einem anderen Mitgliedstaat wie jede Anforderung auch den Anwendungsbereich, indem Zustellungen an Durchreisende (mit ausschließlichem Wohnsitz im Ursprungsmitgliedstaat oder in einem Drittstaat) ausgeschlossen werden, selbst wenn der Zustellungsempfänger oder -adressat die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Unberührt bleiben inländische Zustellungen an solche Personen (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 17) sowie grenzüberschreitende Zustellungen unter Nutzung eines anderen Übermittlungs- oder Zustellungsweges. Entscheidend für die Zulässigkeit der Zustellung durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete ist, dass der Zustellungsempfänger (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 25) in einem anderen, d.h. vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat einen Wohnsitz (anders als in Art. 18 EU-ZustVO 202025 nicht einen [schlichten, gewöhnlichen oder ständigen] Aufenthalt) hat. Nicht notwendig muss sich der Wohnsitz im Empfangsmitgliedstaat befinden.26 Dieses Erfordernis muss gegeben sein im Zeitpunkt der Zustellung. Ausreichend, aber auch erforderlich ist dabei, dass durch einen Wohnsitz die Zugehörigkeit zum Raum des Rechts, für welchen die Verordnung gilt, begründet und durch die Verschiedenheit vom Ursprungsmitgliedstaat das den Anwendungsbereich der Verordnung eröffnende grenzüberschreitende Element erfüllt ist. Zustellungen an Empfänger, die keinen Wohnsitz27 in einem anderen Mitgliedstaat begründet haben, fallen nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Unschädlich ist, dass der Zustellungsempfänger einen Wohnsitz in mehreren vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaaten hat. Unschädlich ist aber auch, dass der Zustellungsempfänger einen Wohnsitz auch im Ursprungsmitgliedstaat hat,28 weil auch das Fehlen einer bekannten Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 nur ein halbseitiges Erfordernis für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung ist (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 50 ff.).
10
Die Verordnung regelt nicht wie oder nach welchem Recht sich der Wohnsitz einer Person bestimmt. Aufgrund des engen sachlichen und systematischen Zusammenhangs zur Brüssel Ia-VO (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 31, 36) ist diese Lücke durch entsprechende Anwendung von Art. 62 f. Brüssel Ia-VO zu schließen.29 Dies bedeutet, dass sich jeweils nach dem Recht des Mitgliedstaats, für welchen ein Wohnsitz einer natürlichen Person festzustellen ist, beurteilt, ob eine natürliche Person in diesem einen Wohnsitz hat. Für juristische Personen, soweit diese nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats als solche Zustellungsempfänger sind, benennt Art. 63 Abs. 1 Brüssel Ia-VO drei Anknüpfungspunkte; jeweils die Einschlägigkeit eines dieser Anknüpfungspunkte kann den Wohnsitz in einem Mitgliedstaat begründen.30
24 ABl. EG 1997 C 261/34; Brenn, Art. 13 EZV Anm. b). 25 Anders noch Art. 14 EG-ZustVO 2007, vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 13 EuZVO Rz. 3. 26 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-ZustellVO Rz. 2. 27 Der Anwendungsbereich der Verordnung wird demgegenüber eröffnet durch eine bekannte Zustelladresse (d.h. gegebenenfalls auch einen einfachen, gewöhnlichen oder ständigen Aufenthalt, s. Art. 1 Rz. 39 ff.) in einem Mitgliedstaat. Anders als Art. 18 EU-ZustVO 2020 knüpft die Vorschrift aber nicht an den Aufenthalt an. 28 A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-ZustellVO Rz. 2. 29 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-ZustellVO Rz. 2. 30 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 13 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 13 EG-ZustellVO Rz. 2. Insgesamt gegen Anwendbarkeit auf juristische Personen wohl Prütting/ Gehrlein/Windau, § 1067 ZPO Rz. 2.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 17 EU-ZustVO 2020
3. Diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete Die Zustellung darf nur ausgeführt werden durch wirksam bestellte diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete, welche im Empfangsmitgliedstaat akkreditiert sind. Nicht zwingend erforderlich ist, dass ein diplomatischer Vertreter oder konsularischer Bediensteter durch den Ursprungsmitgliedstaat bestellt wurde.31 Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass der diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete wirksam für den Ursprungsmitgliedstaat handelt und dessen Interessen wahrnimmt.
11
4. Zustellung ohne Anwendung von Zwangsmitteln Die Zustellung darf nur ohne Anwendung von Zwangsmitteln ausgeführt werden.32 Der Begriff des 12 Zwangsmittels ist verordnungsautonom und im Ergebnis weit auszulegen. Als Zwangsmittel erfasst werden alle den Willen des Betroffenen beugenden oder brechenden Mittel. Eine Zustellung wird dementsprechend nur dann ohne Zwangsmittel ausgeführt, wenn sie mit Zustimmung desjenigen, dem durch die Zustellung bestimmungsgemäß eine Kenntnisnahmemöglichkeit verschafft werden soll, erfolgt.33 Den diplomatischen Vertretern und konsularischen Bediensteten ist danach nicht nur verwehrt jegliche Gewaltanwendung und das Inaussichtstellen von Nachteilen, sondern auch jegliche Form der Ersatzzustellung oder fiktiven Zustellung (einschließlich z.B. des Einwurfs in einen als Empfangseinrichtung gewidmeten Briefkasten), welche nicht mit der Zustimmung des Zustellungsempfängers (bzw. eines Vertreters, s. Rz. 19) vorgenommen wird.34 Denn die Ersatzzustellung bricht einen entgegenstehenden Willen des Zustellungsempfängers.
III. Rücknahme der Einschränkung (Abs. 2) 1. Überblick Jeder Mitgliedstaat kann die von Abs. 1 angeordnete Beschränkung seiner Souveränität durch einen 13 entsprechenden Vorbehalt zurückdrängen und dadurch einschränken. Diese Möglichkeit ist aber ihrerseits dadurch begrenzt, dass der Souveränitätsanspruch nicht vollständig wiederhergestellt werden kann, sondern zumindest Zustellungen an Staatsangehörige des Ursprungsmitgliedstaats möglich bleiben.35 Letzteres gilt aufgrund des Anwendungsvorrangs der Verordnung ohne Rücksicht darauf, ob die Mitgliedstaaten eine entsprechende Einschränkung ihres Vorbehalts vorsehen. Entgegen teilweiser Annahme36 gerät die Uneinschränkbarkeit der Zustellung an eigene Staatsangehörige nicht in Konflikt mit Art. 18 AEUV, weil das Diskriminierungsverbot lediglich die Benachteiligung fremder Staatsangehöriger verbietet, nicht dagegen den Mitgliedstaaten versagt, Pflichten und Lasten an die von ihnen gewährte Staatsangehörigkeit zu binden oder die von einem anderen Mitgliedstaat an die von ihm gewährte Staatsangehörigkeit geknüpften Rechte und Lasten zu respektieren.37 Die Begrenzung der von Abs. 2 für die Mitgliedstaaten vorgesehenen Vorbehaltsmöglichkeit gilt entgegen wohl h.A. nicht für juristische Personen und Personengruppen.38 Den Mitgliedstaaten ist es mithin nicht verwehrt, die Zustellung durch diplomatische oder konsularische Bedienstete an juristi31 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6. 32 Entgegen BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 17 EuZVO 2022 Rz. 5 folgt dies nicht aus §§ 47, 14 ZRHO, sondern ist durch die Verordnung vorgegeben. 33 Vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 13 EuZVO Rz. 1. 34 Vgl. Brenn, Art. 13 EZV Anm. b); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 13 EuZVO Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.105. 35 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11. 36 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 14, Art. 13 EuZVO Rz. 2. 37 Vgl. Streinz/Streinz, 3. Aufl. 2018, AEUV Art. 18 Rz. 64 ff. 38 BT-Drucks. 14/5910, 6; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 13 EuZVO Rz. 1; Anders/Gehle/Schmidt, § 1067 ZPO Rz. 5; Prütting/Gehrlein/Windau, § 1067 ZPO Rz. 2. – A.A. BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 17 EuZVO 2022 Rz. 7; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 15; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1067 ZPO Rz. 11; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1067 ZPO Rz. 2.
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Art. 17 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch diplomatische Vertreter/konsularische Bedienstete sche Personen oder Personengruppen des Ursprungsmitgliedstaats auszuschließen. Dies ergibt sich daraus, dass juristische Personen und Personengruppen mit einem Mitgliedstaat nicht vergleichbar eng wie durch das Band der Staatsbürgerschaft rechtlich verbunden sind. Dass eine juristische Person oder Personengruppe im Ursprungsmitgliedstaat eine bekannte Zustelladresse hat, begründete zu diesem keine engere Verbindung als durch einen Aufenthalt begründet wird. Der statuarische Sitz oder die Gründung nach dem Recht39 eines Mitgliedstaats schafft zwar eine im Vergleich zu einem Aufenthalt engere Verbindung, allerdings ist auch diese mit der Staatsangehörigkeit in ihrer Qualität nicht vergleichbar. 15
Für die Wirkungen eines Vorbehalts gilt nicht das Prinzip der Reziprozität (Art. 21 Abs. 1 lit. b WVRK).40 Dies ergibt sich daraus, dass der Vorbehalt nach Abs. 2 mit Rücksicht auf die besonderen Beziehungen der Mitgliedstaaten nicht in Bezug auf einzelne Mitgliedstaaten, sondern nur mit Geltung für alle Mitgliedstaaten erklärt werden kann, und ausgehend hiervon bei Geltung des Prinzips der Reziprozität der Vorbehalt eines Mitgliedstaats letztlich Wirkungen für und gegen alle Mitgliedstaaten zeitigen würde. 2. Ausübung
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Eine Einschränkung der von Abs. 1 vorgesehenen Souveränitätsbeschränkung erfolgt durch einen nach Maßgabe der Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaats vorgenommenen Hoheitsakt (z.B. durch einfaches Gesetz, vgl. Art. 1067 Abs. 2 ZPO). Die in Abs. 2 benannte Mitteilung an die Kommission ist entgegen dem Wortlaut von § 1067 Abs. 1 S. 2 ZPO („durch eine Erklärung“) nicht konstitutiv.41 Vielmehr entsteht eine entsprechende Verpflichtung zur Mitteilung an die Kommission dadurch, dass ein Mitgliedstaat die Souveränitätsbeschränkung eingeschränkt hat (s. Rz. 18). Ausweislich der im Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen veröffentlichten Meldungen der Mitgliedstaaten, welche sich teilweise fehlerhaft nicht nur auf die Zulassung eingehender, sondern auch die Zulässigkeit ausgehender Übermittlungen beziehen, haben die Mitgliedstaaten wie folgt von der Einschränkungsmöglichkeit Gebrauch gemacht (Stand: 1.5.2023): Belgien Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Bulgarien Anwendung nur auf Staatsbürger des Ausstellungsmitgliedstaats (gemeint wohl i.S.v. Ursprungsmitgliedstaat).
Dänemark Keine Anwendungsbeschränkung.
Deutschland Anwendung nur auf Staatsbürger des Übermittlungsmitgliedstaats (gemeint Ursprungsmitgliedstaat), vgl. § 1067 Abs. 2 ZPO.42
Estland Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Finnland Keine Anwendungsbeschränkung. 39 Hieran anknüpfend BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 17 EuZVO 2022 Rz. 7; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 15; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1067 ZPO Rz. 11; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1067 ZPO Rz. 2. 40 Zweifelnd Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 13 EuZVO Rz. 2. 41 Vgl. BT-Drucks. 20/1110, 29. – A.A. zum EuZÜ wohl auch ABl. EG 1997 C 261/34: „Vorbehalt einlegen“. 42 Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 13 EuZVO Rz. 3.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 17 EU-ZustVO 2020
Frankreich Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Griechenland Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Irland Keine Anwendungsbeschränkung.
Italien Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.43
Kroatien Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Lettland Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Litauen Keine Anwendungsbeschränkung.
Luxemburg Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Malta Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Niederlande Keine Anwendungsbeschränkung.
Österreich Keine Anwendungsbeschränkung.44
Polen Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Portugal Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Rumänien Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Schweden Keine Anwendungsbeschränkung.
43 SWD(2018) 287 final, S. 65. 44 Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 13 EuZVO Rz. 2; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.106.
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Art. 17 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch diplomatische Vertreter/konsularische Bedienstete Slowakei Anwendung bei gerichtlichen Schriftstücken nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Slowenien Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Spanien Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.45
Tschechische Republik Keine Anwendungsbeschränkung.
Ungarn Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
Zypern Anwendung nur auf Staatsbürger des Ursprungsmitgliedstaats.
3. Rechtswirkungen 17
In dem Umfang, in welchem ein Mitgliedstaat von Abs. 2 wirksam Gebrauch gemacht hat, wird der Souveränitätsanspruch des Mitgliedstaats auch im Verhältnis zu allen anderen Mitgliedstaaten wiederhergestellt und ist er von allen anderen Mitgliedstaaten zu beachten (s. auch Rz. 15). Dies bedeutet, dass im betreffenden Umfang direkte Zustellungen durch diplomatische Vertreter und konsularische Bedienstete ausgeschlossen sind. Unberührt bleibt die Möglichkeit zur Zustellung im Rechtshilfeweg. Auch bleiben andere Wege der direkten Zustellung unberührt. Nicht ausgeschlossen wird die Möglichkeit zur direkten Zustellung durch diplomatische Vertreter und konsularische Bedienstete an Staatsangehörige des Übermittlungsmitgliedstaats (Ursprungsmitgliedstaats). Denn diese Möglichkeit auszuschließen, erlaubt Abs. 2 ausdrücklich und mit Anwendungsvorrang nicht (s. Rz. 13). Dafür, dass die direkte Zustellung nicht nach Abs. 2 ausgeschlossen ist, genügt, dass der Zustellungsempfänger auch die Staatsangehörigkeit des Ursprungsmitgliedstaats besitzt; weitere Staatsangehörigkeiten, auch die des Empfangsmitgliedstaats, hindern die direkte Zustellung nicht,46 weil die Vorschrift auf die beständige rechtliche Verbundenheit zum Ursprungsmitgliedstaat und nicht auf die (mangelnde) Schutzbedürftigkeit des Zustellungsempfängers abstellt. Da eine entsprechende beständige rechtliche Beziehung zu Staatenlosen auch dann nicht besteht, wenn sie Staatsangehörigen gleichgestellt sind, ist eine Beschränkung der Zustellung an Staatenlose nicht ausgeschlossen.47
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Eine wirksame Ausübung des Rechts zur Einschränkung der Souveränitätsbeschränkung verpflichtet den betreffenden Mitgliedstaat zu einer entsprechenden Mitteilung an die Kommission nach Maßgabe von Art. 33 EU-ZustVO 2020. Die Kommission ist verpflichtet, eine empfangene Mitteilung nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 3, 4 EU-ZustVO 2020 zu publizieren.
IV. Ausführung der Zustellung 19
Abgesehen vom Ausschluss von Zwangsmitteln regelt die Vorschrift nicht die Ausführung der Zustellung. Diese richtet sich dementsprechend nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats48 sowie den 45 SWD(2018) 287 final, S. 65. 46 BT-Drucks. 20/1110, 29; Bellardita, DGVZ 2023, 1, 4; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 13 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 14; Prütting/Gehrlein/Windau, § 1067 ZPO Rz. 1. – A.A. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 13 EuZVO Rz. 4; Karaaslan, S. 77; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1067 ZPO Rz. 8. 47 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 13 EuZVO Rz. 1; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1067 ZPO Rz. 8. 48 Netzer, S. 99.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 18 EU-ZustVO 2020
für den ausführenden diplomatischen Vertreter oder konsularischen Bediensteten geltenden Vorgaben und zu beachtenden Schranken. Im Grundsatz erfolgt die Zustellung durch persönliche Übergabe an den Zustellungsempfänger. In Betracht kommt eine Übergabe aber auch an einen vom Zustellungsempfänger gewillkürt dazu bestellten Vertreter. Jeweils ist erforderlich, dass derjenige, dem das Schriftstück übergeben wird, zu dessen Annahme bereit ist. Dem Zustellungsadressaten kann auch bei der Zustellung durch diplomatische Vertreter oder konsularische Bedienstete (unbeschadet einer notwendig freiwilligen Annahme des Schriftstücks) ein Annahmeverweigerungsrecht nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 zustehen (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 27, 107).49 Tatsächlich dürfte dies aber der Ausnahmefall sein, weil Staatsbürger eines Mitgliedstaats im Regelfall (aber nicht ausnahmslos) die Amtssprache des Mitgliedstaats ihrer Staatsangehörigkeit verstehen.50 Durch den handelnden diplomatischen Vertreter oder konsularischen Bediensteten ist die berechtigte Person über ihr Annahmeverweigerungsrecht zu belehren (§ 47 Abs. 2 S. 2, 3 ZRHO, s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 109).51 Die Regelung zum doppelten Datum findet Anwendung (Art. 13 Abs. 3 EU-ZustVO 2020).52 Da sich allerdings die Ausführung der Zustellung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats richtet, richtet sich entsprechend dem Telos von Art. 13 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 nach diesem Recht auch das Zustellungsdatum. Angesichts der regelmäßig durch persönliche Übergabe erfolgenden Zustellung dürften sich in der Praxis aber ohnehin kaum Unterschiede daraus ergeben, dass nicht auf das Recht des Empfangsmitgliedstaats verwiesen wird. Nach Maßgabe des für den diplomatischen Vertreter oder konsularischen Bediensteten geltenden Rechts ist die Zustellung in einer Bescheinigung zu dokumentieren (§ 16 S. 2 KonsularG, § 47 Abs. 3 ZRHO).53 Das Formblatt K muss dazu nicht verwendet werden. Die Folgen von Rechtsverstößen bei der Ausführung der Zustellung durch diplomatische und kon- 20 sularische Bedienstete beurteilen sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats.54 Dieses Recht entscheidet auch darüber, ob eine Heilung in Betracht kommt. Da die Zustellung nicht nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats ausgeführt wird, sind die danach vorgesehenen Heilungsmöglichkeiten nicht daneben anwendbar. Auch richtet sich die Heilung von Verstößen gegen Vorgaben der Verordnung nicht nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats, sondern nach der Verordnung. Da diese eine Heilung nicht vorsieht, können insbesondere Verstöße gegen den von einem Mitgliedstaat als Empfangsmitgliedstaat erklärten Vorbehalt (s. Rz. 13 ff.) nicht geheilt werden (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 62 ff., 115 ff.).55
Artikel 18 Zustellung durch Postdienste Gerichtliche Schriftstücke können Personen mit Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat unmittelbar durch Postdienste per Einschreiben mit Empfangsbestätigung oder mittels eines gleichwertigen Nachweises zugestellt werden. I. 1. 2. 3.
Allgemeines . . . . . . Normzweck . . . . . . Entstehungsgeschichte Anwendungsbereich .
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II. Zulassung der Zustellung durch Postdienste 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veranlassende Stelle . . . . . . . . . . . . . . .
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49 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 13 EuZVO Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-ZustellVO Rz. 4. 50 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-ZustellVO Rz. 4. 51 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 13 EuZVO Rz. 4. 52 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 13 EuZVO Rz. 7; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.107. 53 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. 54 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 17 VO (EU) 2020/1784 Rz. 16. 55 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1067 ZPO Rz. 12.
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Art. 18 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch Postdienste a) Übermittlungsstellen und sonstige zustellungsberechtigte Stellen . . . . . . b) Nicht: Empfangsstellen . . . . . . . . . . 3. Zustellungsempfänger mit Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat . . . . . . . . 4. Postdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Per Einschreiben mit Empfangsbestätigung oder gleichwertigem Nachweis . . . . . . .
. . 8 . . 11 . . 12 . . 15 . . 16
III. Nutzung der Zustellung durch Postdienste . 19
1. Ausführung der Zustellung . . . . . . . . . . . 2. Empfangsbestätigung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ersatzzustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen und Modalitäten . . . . . c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zustellungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zustellungsdatum . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Belehrung über Annahmeverweigerungsrecht
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Schrifttum: Bajons/Binder, Probleme der internationalen Zustellung und Beweisaufnahme, in König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich, 2007, 145; Elsner/Deters, Postzustellung im Parteibetrieb nach der EuZustVO – das Gericht als Übermittlungsstelle, IPRax 2023, 146; Emde, Rechtshängigkeit begründende postalische Direktzustellung einer in Griechenland erhobenen Klage bei Einschreiben durch griechischen Prozessbevollmächtigten an deutsche Partei, EWiR 2004, 441; Emde, Zulässigkeit von Direktzustellungen ausländischer Prozessbevollmächtigter an deutsche Parteien nach Art. 14 EuZVO?, NJW 2004, 1830; Heidrich, Amts- und Parteizustellungen im internationalen Rahmen: Status quo und Reformbedarf, EuZW 2005, 743; Jastrow, Auslandszustellung im Zivilverfahren – Erste Praxiserfahrungen mit der EG-Zustellungsverordnung, NJW 2002, 3382; Navrátilová, Tschechische Rechtsprechung zum Gemeinschaftsprivatrecht, GPR 2012, 64; Schmidt, Parteizustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein – Ein gangbarer Weg?, IPRax 2004, 13; Strasser, Neues zum Europäischen Zustellungsrecht, Rpfleger 2013, 585; Telkamp, Anm. zu EuGH v. 9.2.2006, C-473/04 – Plumex/Young Sports NV, GPR 2006, 145; Tsikrikas, Probleme der Zustellung durch die Post im europäischen Rechtsverkehr, ZZPInt. 8 (2003), 309. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift gehört zu Abschnitt 2 (Art. 16–20 EU-ZustVO 2020) des Kapitels II über gerichtliche Schriftstücke, welcher die Übermittlung eines Schriftstücks zum Zweck der grenzüberschreitenden Zustellung auf anderen Wegen als der einfachen Rechtshilfe regelt. Wie Art. 17 EU-ZustVO 2020 und Art. 19 EU-ZustVO 2020 gehört sie zu den Vorschriften über direkte, d.h. nicht unter Beteiligung einer Empfangsstelle1 und auch nicht durch Stellen des Empfangsmitgliedstaats für diesen ausgeführte Zustellungen. Anders als die Vorschriften über die Rechtshilfegewährung, zu denen auch Art. 16 EU-ZustVO 2020 gehört, regeln die Vorschriften über die direkte Zustellung nicht nur die Übermittlung eines zuzustellenden Schriftstücks in einen anderen Mitgliedstaat zum Zweck der Zustellung, sondern die Bewirkung der Zustellung im Empfangsmitgliedstaat und zwar durch Stellen des Ursprungsmitgliedstaats. Dies gilt auch für die Zustellung durch Postdienste, weil es sich aus der Sicht des Verordnungsgebers bei Postdiensten um eine allgemeine Infrastruktur handelt.2 Die Vorschriften über die direkte Zustellung sehen danach nicht vor einen Ausgleich dazu, sondern eine verordnungsautonome Ausnahme davon, dass Zustellungen nach tradierter Ansicht Hoheitsakte und daher auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu unterlassen sind (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 5, 67).3 Die Vorschrift schränkt die Souveränität der Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaat im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten dahingehend ein, dass ein Mitgliedstaat als Ursprungsmitgliedstaat Zustellungen durch einen von seinem Hoheitsgebiet ausgehenden und im Hoheitsgebiet des fremden Empfangsmitgliedstaats endenden Postversand bewirken kann.4 Im Unterschied zu älteren Übereinkommen ebenso wie im Unterschied zu Art. 17, 19 EU-ZustVO 2020 können die Mitgliedstaaten diese Beschränkung ihrer Souveränität nicht abwehren oder einschränken. Dieser 1 Strasser, Rpfleger 2013, 585, 586. 2 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 5; Springer, S. 33, 77 f. – Abw. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 14 EuZVO Rz. 6, welche die Post als verlängerten Arm und Beliehenen der die Zustellung anordnenden Stelle sieht. 3 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 1; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/18. 4 Vgl. Gsell, EWS 2002, 115: zur Duldung verpflichtet.
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Art. 18 EU-ZustVO 2020
Rücknahme des Souveränitätsanspruchs im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten liegen zugrunde die Üblichkeit von Postzustellungen5 und der Umstand, dass Postzustellungen im Kern der Information dienen und als solche ausweislich der in der Empfangsbestätigung zum Ausdruck kommenden Mitwirkung der Empfangsperson nicht mit der Ausübung von Zwang i.e.S. verbunden sind. Sie tangieren den Souveränitätsanspruch des Empfangsmitgliedstaats nur eingeschränkt (grenzüberschreitende Bewirkung von Zustellungswirkungen), was unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten allein nicht rechtfertigt, dass ein Mitgliedstaat umfassend auf seiner Souveränität beharrt.6 Während nach Art. 14 EG-ZustVO 2007 die direkte Zustellung durch Postdienste von einer Zulas- 2 sung dieser Zustellungsform durch den Ursprungsmitgliedstaat abhängig war,7 sieht die Vorschrift nunmehr eine verordnungsautonome Zulassung dieses Zustellungswegs vor. Die Vorschrift richtet sich dementsprechend nicht mehr nur an die Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaat und bewirkt insoweit eine Rücknahme des Souveränitätsanspruchs. Vielmehr richtet sich die Vorschrift auch an die Mitgliedstaaten als Ursprungsmitgliedstaat, um für grenzüberschreitende Zustellungen die Postdirektzustellung als bewährte Alternative zu dem in Kapitel II, Abschnitt 1 geregelten Rechtshilfeverfahren autonom zu etablieren. Dem durch die Vorschrift geregelten Zustellungsweg kommt in der Praxis ganz erhebliche Bedeu- 3 tung zu.8 Jedenfalls bislang ließen sich Zustellungen durch Direktzustellung per Post insbesondere im Vergleich zum Weg der einfachen Rechtshilfe schneller und kostengünstiger bewirken.9 Zwar darf aufgrund der Festlegung auf eine Kommunikation unter obligatorischer Nutzung eines dezentralen IT-Systems (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 11 ff.) mit einer weiteren Beschleunigung des Rechtshilfeverkehrs gerechnet werden. Auch ermöglicht die elektronische Kommunikation über das dezentrale IT-System, Schriftstücke im Vergleich zum Postversand schneller von einem in den anderen Mitgliedstaat zu übermitteln, weshalb selbst unter Hinzurechnen eines im Empfangsmitgliedstaat im Rahmen der Zustellung erforderlichen Postversands die Zeitdauer eines grenzüberschreitenden Postversands 5 Vgl. Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 34, 86; Corte di Cassazione v. 22.5.2015 – n. 10543; Audiencia Provincial Valencia v. 8.9.2014 – 315/2014; Geimer, S. 25. 6 Vgl. Corte di Cassazione v. 22.5.2015 – n. 10543; Stadler, IPRax 2001, 514, 515. 7 Corte di Cassazione v. 22.5.2015 – n. 10543; OLG Stuttgart v. 31.1.2007 – 5 W 71/06, BeckRS 2010, 1660 zu II. 3. c) bb) der Gründe; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 14 EuZVO Rz. 2; Meyer, IPRax 1997, 401, 404; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EG) 1393/2007 Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 1, 7; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1068 ZPO Rz. 1. – A.A. wohl Audiencia Provincial Valencia v. 8.9.2014 – 315/2014. 8 Vgl. KOM(2004) 603 endg., S. 7; MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 52 f.; COM(2013) 858 final, S. 14; Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 5, 16; European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, Rz. 129; Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 27, 48, 95; COM(2018) 379 final, S. 3; SWD(2018) 287 final, S. 16, 65; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 31; Stein/ Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 1; BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 18 EuZVO 2022 Rz. 1; Knöfel, RIW 2021, 473, 482; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 2; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240; Rühl, JZ 2023, 157, 160; Strasser, Rpfleger 2013, 585, 586. 9 COM(2018) 379 final, S. 3; Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 48; GA Tizzano, Schlussanträge v. 17.11.2005 – C-473/04, ECLI:EU:C:2005:698 Rz. 26 – Plumex/Young Sports NV; Emde, NJW 2004, 1830, 1831; Kuntze-Kaufhold/Beichel-Benedetti NJW 2003, 1998, 1999; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 2; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.102; Sujecki, EuZW 2007, 44, 45; Tsikrikas, ZZPInt. 8 (2003), 309, 309 f.
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Art. 18 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch Postdienste unterschritten werden könnte.10 Allerdings steht zu erwarten, dass der bis zur tatsächlichen Ausführung eines empfangenen Rechtshilfeersuchens (für die Bearbeitung durch den Empfangsmitgliedstaat) vergehende Zeitraum in der Praxis diese Vorteile mehr als nur aufzehrt und Direktzustellungen per Post auch in Zukunft schneller den Zustellungserfolg herbeiführen. Diesen Vorteilen steht gegenüber, dass Zustellungen auf dem Rechtshilfeweg nicht selten zuverlässiger ausgeführt werden.11 2. Entstehungsgeschichte 4
Die Vorschrift geht zurück auf Art. 14 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)12 und Art. 14 EG-ZustVO 2000, welche wiederum an Art. 10 lit. a HZÜ und Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 HZPÜ anknüpften.13 Nach diesen beiden Vorschriften steht dem Übermittlungsmitgliedstaat unbeschadet der Eröffnung des Rechtshilfeverkehrs unter verschiedenen Bedingungen frei, die Zustellung durch Postdienste als Zustellungsform vorzusehen und zu nutzen. Allerdings ist dies nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 HZPÜ und Art. 10 lit. a HZÜ davon abhängig, dass der Empfangsmitgliedstaat diesem Zustellungsweg zugestimmt bzw. jedenfalls nicht widersprochen hat.14 Entsprechende Vorbehalte wurden vielfach (z.B. auch durch Deutschland, vgl. § 6 S. 2 HZÜAusfG)15 angebracht, um nötigenfalls eine dem Schutz der Inlandsbewohner dienende Kontrolle von infolge eines Widerspruchs notwendig im Wege der Rechtshilfe zu übermittelnden Schriftstücken zu ermöglichen. Art. 14 EG-ZustVO 2000 schaffte (ebenso wie den ordre public-Vorbehalt für die Rechtshilfe) die Möglichkeit zur Abwehr von Postdirektzustellungen ab und sah statt ihrer lediglich noch die Möglichkeit vor, dass die direkte Postzustellung durch den Empfangsmitgliedstaat an Bedingungen geknüpft wird.16 Bereits dies wurde unter dem Gesichtspunkt der Beschleunigung als großer Fortschritt gegenüber dem HZÜ angesehen.17 Von der Möglichkeit, direkte Postzustellungen an bestimmte Bedingungen zu binden, wurde verbreitet Gebrauch gemacht18 und wurden insbesondere Sprachobliegenheiten begründet19 bzw. die Form des Einschreibens mit Rückschein vorgeschrieben.20 Nichtsdestotrotz wurde die direkte Postzustellung vielfach
10 Vgl. Peer/Scheuer, zak 2021, 27, 28. 11 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 3; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 31 f. 12 Vgl. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 18 EuZVO 2022 Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 18 EuZustVO Rz. 1. 13 Vgl. Brenn, Art. 14 EZV Anm. a); Meyer, IPRax 1997, 401, 404. 14 Linke/Hau, IZVR, Rz. 8.31. 15 Emde, NJW 2004, 1830, 1832; Gottwald in FS Schütze, S. 225, 228; Hess, NJW 2001, 15, 17; Linke/Hau, IZVR, Rz. 8.19; Springer, S. 33. 16 ABl. EG 1997 C 261/34; KOM(1999) 219 endg.; Gottwald in FS Schütze, S. 225, 228; Meyer, IPRax 1997, 401, 404; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EG) 1393/2007 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EGZustellVO Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 18 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 14 EuZVO Rz. 1; Tsikrikas, ZZPInt. 8 (2003), 309, 309 f. Vgl. auch EuGH v. 11.6.2009 – C-564/07, ECLI:EU:C: 2009:364 Rz. 53 – Kommission/Republik Österreich. 17 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 5, Art. 14 EuZVO Rz. 1; Geimer, S. 213; Geimer/ Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 14 EuZVO Rz. 1; Zöller/Geimer, Art. 14 EuZustVO Rz. 1; Gsell, EWS 2002, 115, 118; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/18; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 14 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Knöfel, RIW 2021, 473, 482; Linke/Hau, IZVR, Rz. 8.26; Peer in Burgstaller/Neumayr/ Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 14 EuZVO Rz. 1; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1068 ZPO Rz. 1; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.9; Springer, S. 31 f., 33; Stadler, IPRax 2001, 514, 515, 519, 521; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 14 EuZVO Rz. 1; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 18 EuZVO Rz. 1. 18 Zu den griechischen Bedingungen Tsikrikas, ZZPInt. 8 (2003), 309, 319 f. 19 EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 55 – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 76 – Götz Leffler/ Berlin Chemie AG; OLG Düsseldorf v. 15.7.2005 – 3 UF 285/04, BeckRS 2005, 8768 zu II. 2. b. aa) der Gründe; LG Berlin v. 20.8.2002 – 15 O 562/01, BeckRS 2002, 16588 Rz. 70; Cour d’appel Versailles v. 9.4.2009 – 08/00414; Audiencia Provincial Guadalajara v. 6.3.2009 – 31/2009; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EG) 1393/2007 Rz. 1; Springer, S. 78 ff.; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 18 EuZustVO Rz. 2. Vgl. bereits ABl. EG 1997 C 261/34; KOM(1999) 219 endg. 20 LG Berlin v. 20.8.2002 – 15 O 562/01, BeckRS 2002, 16588 Rz. 70; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EG) 1393/2007 Rz. 1; Springer, S. 49 f.; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 18 EuZustVO Rz. 2. Vgl. bereits ABl.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 18 EU-ZustVO 2020
genutzt.21 Sie war, wie der EuGH in der Rechtssache Plumex/Young Sports NV erkannte, zur Nutzung des Rechtshilfewegs gleichrangig und nicht nachrangig.22 Praktische Probleme ergaben sich im Zusammenhang mit der Empfangsbestätigung, weil die vom Weltpostverein vorgegebene Empfangsbestätigung weniger detailliert als das von der EG-ZustVO 2000 zur Zustellungsbescheinigung vorgesehene Standardformular ist.23 Als problematisch erwies sich vor allem die Identifizierung der Person, an welche das Schriftstück tatsächlich übergeben wurde und welche die Empfangsbestätigung unterzeichnet hat.24 Die Nachfolgeregelung in Art. 14 EG-ZustVO 2007 verzichtete auf die Beschränkungsmöglichkeit für die Mitgliedstaaten25 und legte einheitliche Anforderungen fest.26 Die Übermittlungsmitgliedstaaten konnten ohne weitere Beschränkung durch den Empfangsmitgliedstaat Zustellungen durch Postdienste gegen Rückschein oder gleichwertigen Beleg zulassen und nutzen. Nach vom EuGH in der Rechtssache Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA vertretener Auslegung regelte Art. 14 EG-ZustVO 2007 verordnungsautonom die Anforderungen an den Nachweis der direkten Postzustellung ebenso wie die Zulässigkeit von Ersatzzustellungen durch Postdienste (vgl. Erwägungsgrund 30 EU-ZustVO 2020).27 Hieran knüpft die reformierte Vorschrift an. Nach ihr wird allerdings nicht mehr nur den Ursprungs- 5 mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, die Zustellung durch Postdienste zuzulassen und zu nutzen, sondern die Zustellung durch Postdienste wird verordnungsautonom als gleichrangige Zustellungsform zugelassen (s. Rz. 7). Dies unterstreicht die bereits zuvor vom EuGH erkannte Gleichrangigkeit der Postzustellung mit dem in Kapitel II, Abschnitt 1 geregelten Rechtshilfeweg. Weiter wurde im Rahmen der Reform der Kreis der zur Veranlassung einer Postzustellung berechtigten Stellen ausgeweitet (s. Rz. 8 ff.). Außerdem weicht die Neufassung dadurch von der Vorgängervorschrift ab, dass der Zustellungsempfänger anstatt eines Wohnsitzes einen Aufenthalt im Empfangsmitgliedstaat haben muss. Der Kommissionsentwurf sah lediglich die verordnungsautonome Zulassung der Zustel-
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EG 1997 C 261/34; KOM(1999) 219 endg. Vgl. zudem Audiencia Provincial Guadalajara v. 6.3.2009 – 31/2009: Aufstellung der übermittelten Schriftstücke. KOM(2004) 603 endg., 7; MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014, S. 52 f.; Jastrow, NJW 2002, 3382, 3383. EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 71 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; EuGH v. 9.2.2006 – C-473/04, ECLI:EU:C:2006:96 Rz. 19 ff. – Plumex/Young Sports NV; GA Bobek, Schlussanträge v. 8.9.2016 – C-354/15, ECLI:EU:C:2016:650 Rz. 28 f. – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; GA Tizzano, Schlussanträge v. 17.11.2005 – C-473/04, ECLI:EU:C:2005:698 Rz. 21 ff. – Plumex/Young Sports NV; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 76 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu Ziff. 4.2 der Gründe; OGH v. 20.12.2012 – 2Ob217/12v zu 2.1 der Gründe; OLG Düsseldorf v. 16.3.2017 – 15 U 67/16, GRUR-RS 2017, 113388 Rz. 55; Audiencia Provincial Barcelona v. 14.12.2015 – 518/2015; Eparchiako Dikastirio Nicosia v. 30.9.2016 – 6700/2012; Tribunale Rovereto v. 18.6.2006 – 1025/07; Heiderhoff, IPRax 2007, 293; Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 185; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/19; Springer, S. 34 ff.; Sujecki, EuZW 2007, 44, 44 f. – A.A. Hess, NJW 2001, 15, 19; Sharma, S. 101. KOM(2004) 603 endg., S. 7; Springer, S. 56 ff. Vgl. Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 49; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 32; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 2. Vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2011 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 40 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski; OLG Innsbruck v. 10.10.2018 – 25Rs49/18v zu 4. der Gründe; Stein/ Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 3; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 14 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/18; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EG) 1393/2007 Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 14 EuZVO Rz. 1. Unklar daher OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu Ziff. 4.3 der Gründe. KOM(2005) 305 endg./2, S. 6. EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 69 ff. – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA. – Vgl. auch COM(2018) 379 final, S. 14; SWD(2018) 286 final, S. 2. – A.A. inzident COM(2013) 858 final, S. 14 f.; SWD(2018) 287 final, S. 16, 21; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 32; GA Bobek, Schlussanträge v. 8.9.2016 – C-354/15, ECLI:EU:C:2016:650 Rz. 30, 42, 46 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu Ziff. 4.3, 4.4 der Gründe; OGH v. 20.12.2012 – 2Ob217/12v zu 2.2 der Gründe.
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Art. 18 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch Postdienste lung durch Postdienste nebst der Ausweitung des Kreises der Berechtigten,28 noch nicht dagegen die dritte Änderung vor. Stattdessen sollten im Interesse von Rechtssicherheit und -klarheit andere Überarbeitungen von Art. 14 EG-ZustVO 2007 erfolgen. Aufgrund von sich in der Praxis im Zusammenhang mit dem Rückschein weiterhin zeigenden Problemen sollte verordnungsautonom eine detaillierte Empfangsbestätigung gestaltet und ihre Verwendung vorgegeben werden.29 Darüber hinaus sollte im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Andrew Marcus Henderson/ Novo Banco SA verordnungsautonom geregelt werden der Personenkreis, an den die Post das zuzustellende Schriftstück bei Nichtantreffen des Zustellungsempfängers ersatzweise aushändigen darf.30 Der EWSA stimmte dem in seiner Stellungnahme zu.31 Weitgehend stimmte in erster Lesung auch das Parlament dem Kommissionsentwurf zu. Es schlug lediglich vor, neben Postdiensten auch Kuriere bzw. Kurierdienste als direkten Zustellungsweg zu nennen.32 Während der Beratungen erster Lesung im Rat fand die verordnungsautonome Zulassung der Zustellung durch Postdienste Zustimmung. Gebilligt wurden der Sache nach zudem die verordnungsautonome Regelung der Möglichkeit zur Ersatzvornahme. Im Unterschied zum Kommissionsentwurf sollte hierzu aber keine Regelung im verfügenden Teil der Verordnung erfolgen, sondern lediglich in die Erwägungsgründe ein Bekenntnis zur Rechtsprechung des EuGH aufgenommen werden. Die Änderungsvorschläge zum Empfangsbekenntnis wurden verworfen.33 Neu vorgeschlagen wurde die Anknüpfung an den Aufenthalt anstatt an den Wohnsitz (s. dazu Rz. 13) sowie zunächst auch noch die redaktionelle Ersetzung von „gleichwertigem Beleg“ durch „gleichwertige Methode“.34 Letzteres wurde schließlich in Umsetzung der Ergebnisse der Triloggespräche geändert in „gleichwertigen Nachweises“. 3. Anwendungsbereich 6
Originär erfasst die Vorschrift nur die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. Aufgrund der Verweisung des Art. 21 EU-ZustVO 2020 findet sie darüber hinaus aber auch auf außergerichtliche Schriftstücke Anwendung.35
II. Zulassung der Zustellung durch Postdienste 1. Überblick 7
Die direkte Zustellung durch Postdienste wird durch die Vorschrift verordnungsautonom zugelassen.36 Anders als noch unter Art. 14 EG-ZustVO 2007 (s. Rz. 2) ist die Zulässigkeit einer direkten Zustellung durch Postdienste nicht mehr davon abhängig, dass das Recht des Übermittlungsmitgliedstaats sie vorsieht bzw. zulässt (missverständlich Erwägungsgrund 29 S. 1 EU-ZustVO 2020).37 Die 28 Erwägungsgrund 8 S. 1 f. Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 17; Art. 14 Abs. 1, 3 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 23. 29 Erwägungsgrund 8 S. 2 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 17; Art. 14 Abs. 2 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 23; COM(2018) 379 final, S. 8, 9, 14; SWD(2018) 287 final, S. 46. 30 Art. 14 Abs. 3 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 23 f.; COM(2018) 379 final, S. 8, 14, 23 f.; SWD(2018) 287 final, S. 152. 31 ABl. EU 2019 C 62/62. 32 A8-0001/2019, S. 27 f. 33 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 2, 9, 31; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 18 EuZustVO Rz. 5. 34 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 27. 35 EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 60 – Roda Golf & Beach Resort SL; Corte di Cassazione v. 29.5.2015 – n. 11140. – A.A. Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1068 ZPO Rz. 2. Entbehrlich daher die von Gauzès, A6-0024/2006, S. 7 (Änderungsantrag 5) vorgeschlagene Klarstellung. 36 BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 18 EuZVO 2022 Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 13; Wagner, EuZW 2022, 733, 734. – A.A. Knöfel, RIW 2021, 473, 482 unter Verweis auf Erwägungsgrund 29 S. 1 EU-ZustVO 2020, der freilich auch dahin verstanden werden kann, dass die Zustellung per Post im konkreten Einzelfall ausgewählt werden muss; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3, 6, 8. Zweifelnd mit Blick auf Erwägungsgrund 29 S. 1 EU-ZustVO 2020 auch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 18 EuZustVO Rz. 1. 37 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 13. Vgl. auch COM(2013) 858 final, S. 14.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 18 EU-ZustVO 2020
Vorschrift selbst enthält eine die Mitgliedstaaten als Ursprungsmitgliedstaaten bindende Zulassung.38 Entgegen der h.A. zu Art. 14 EG-ZustVO 2007 wird die Postdirektzustellung dabei nicht nur für durch Übermittlungsstellen, sondern für alle durch im Ursprungsmitgliedstaat zustellungsberechtigte Stellen veranlasste Zustellungen (s. Rz. 8 ff.) zugelassen. Vorgesehen ist die Postdirektzustellung auch nicht nur subsidiär zu anderen grenzüberschreitenden Zustellungswegen, sondern als gleichwertige Alternative, insbesondere auch zu Zustellungen auf dem einfachen Rechtshilfeweg (s. Rz. 4). Beschränkt ist die Zulassung auf Zustellungsempfänger mit Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat (s. Rz. 12 ff.) und die Ausführung der Zustellung von der Abholung, über das Sortieren und den Transport bis zur Übergabe durch Postdienste (s. Rz. 15). Darüber hinaus ist erforderlich, dass die Zustellung gegen Empfangsbestätigung oder mittels eines gleichwertigen Nachweises erfolgt (s. Rz. 16 ff.). 2. Veranlassende Stelle a) Übermittlungsstellen und sonstige zustellungsberechtigte Stellen Entgegen der zu Art. 14 EG-ZustVO 2007 in der deutschen Rechtsprechung und im deutschen Schrifttum überwiegend vertretenen Annahme wird die Zustellung durch Postdienste durch die Vorschrift nicht (mehr) lediglich für die Zustellung durch Übermittlungsstellen zugelassen, sondern (nunmehr) ebenso für die Zustellung durch sonstige nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats im konkreten Fall zustellungsberechtigte Stellen einschließlich insbesondere auch der an einem Gerichtsverfahren Beteiligten (soweit diese konkret zustellungsberechtigt sind).39
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Zu Art. 14 EG-ZustVO 2007 war umstritten, ob die Vorschrift nur Zustellungen durch Übermittlungsstellen oder auch Zustellungen durch sonstige zustellungsberechtigte Personen erfasst. Nach einer Ansicht galt Art. 14 EG-ZustVO 2007 für die Zustellung durch alle im Ursprungsmitgliedstaat zustellungsberechtigten, d.h. entsprechend beliehenen Personen.40 Hierdurch wird vermieden eine Benachteiligung von die Parteizustellung favorisierenden Rechtsordnungen gegenüber Rechtsordnungen, in denen die Amtszustellung den Normalfall bildet.41 Nach der Gegenansicht sollte Art. 14 EG-ZustVO 2007 nur gelten für die direkte Zustellung durch Übermittlungsstellen.42 Zur Begründung wurde auf den Wortlaut („Mitgliedstaat“),43 die abschließende Regelung der Parteizustellung
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38 BT-Drucks. 20/1110, 29. – A.A. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 18 EuZVO 2022 Rz. 1. 39 BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 18 EuZVO 2022 Rz. 8. 40 COM(2013) 858 final, S. 14; Corte di Cassazione v. 22.5.2015 – n. 10543; OLG Köln v. 8.9.2003 – 16 U 110/02, BeckRS 2004, 2928 zu II. 3. der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 6; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 157 f.; Heidrich, EuZW 2005, 743 (746); Hess, NJW 2004, 3301, 3302; Rohls/Mekat, IPRax 2017, 239, 240; Schmidt, IPRax 2004, 13, 15 f.; Springer, S. 106, 167 ff.; Tsikrikas, ZZPInt. 8 (2003), 309, 318 f. Widersprüchlich Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1068 ZPO Rz. 7, 14. 41 Vgl. COM(2013) 858 final, S. 14; Elsner/Deters, IPRax 2023, 146, 147; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 158; Heidrich, EuZW 2005, 743, 746; Hess, NJW 2004, 3301, 3302, dessen Ableitung aus Art. 30 Brüssel I-VO freilich übersieht, dass sich die Priorität gar nicht primär nach dem Zustellungsdatum bestimmt; Tsikrikas, ZZPInt. 8 (2003), 309, 318 f. Vgl. auch Knöfel, RIW 2021, 473, 483. 42 GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI:EU:C:2020:971 Rz. 102 f. – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o.; Cour de cassation v. 8.1.2015 – 13-26224; OLG Dresden v. 6.11.2018 – 4 W 940/18, NJW-RR 2019, 319 Rz. 5; OLG Frankfurt v. 3.11.2021 – 6 W 95/21, NJW-RR 2022, 211 Rz. 11; DNotI-Report 2007, 121, 124; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 1 EuZVO Rz. 21, Art. 14 EuZVO Rz. 8; Bajons/Binder in König/ Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich (2007), S. 145, 146 f.; Elsner/Deters, IPRax 2023, 146, 148; Emde, OLG Köln v. 8.9.2003 – 16 U 110/02, EWiR 2004, 441, 442; Emde, NJW 2004, 1830, 1832 ff.; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 2 EuZVO Rz. 6, Art. 14 EuZVO Rz. 7, 12 f.; Zöller/Geimer, Art. 14 EuZustVO Rz. 1, 4; Hausmann, EuLF 2007 II, 1, 14; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 14 EG-ZustVO 2007 Rz. 4; Linke/Hau, IZVR, Rz. 8.31; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/20; Netzer, S. 95; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EG) 1393/2007 Rz. 5; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 14 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EG-ZustellVO Rz. 3, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 4; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 14 EuZVO Rz. 2; Stroschein, S. 136 ff.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 14 EuZVO Rz. 7. 43 Emde, NJW 2004, 1830, 1832 f.; Stroschein, S. 139 – Dagegen Hess, NJW 2004, 3301, 3302.
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Art. 18 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch Postdienste durch Art. 15 EG-ZustVO 2007,44 insbesondere die Möglichkeit zur Ablehnung von unmittelbaren Zustellungen,45 und den Schutz der Zustellungsadressaten verwiesen.46 10
Zur Neufassung hat der Verordnungsgeber klargestellt, dass sie nicht auf die Zustellung durch Übermittlungsstellen beschränkt sein soll.47 Zum Ausdruck kommt dies bereits im Wegfall des von der Gegenansicht bemühten Verweises auf den „Mitgliedstaat“.48 Vor allem aber spricht hierfür Art. 19 EU-ZustVO 2020,49 der der Postzustellung die elektronische Zustellung als äquivalente Form der direkten Zustellung zur Seite stellt (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 1) und in seinem Abs. 1 lit. b ausdrücklich auf die „für die Zustellung von Schriftstücken zuständige[n] Partei“ Bezug nimmt. Der Verordnungsgeber erachtet danach ersichtlich nicht als unabdingbar, dass der Zustellungsadressat einen Schutz erfährt, wie er durch eine mindestens einfache Beteiligung einer öffentlichen Stelle (im Ursprungs- oder Empfangsmitgliedstaat) und die Anbindung an das Recht des Empfangsmitgliedstaats in Art. 20 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 erreicht wird. Auch wird in Art. 19 EU-ZustVO 2020 und der dort erfolgten Ausrichtung an der elektronischen Zustellung im Ursprungsmitgliedstaat deutlich, dass die Verordnung nicht als unabdingbar ansieht, dass der Zustellungsempfänger sich anhand des Europäischen Justizportals der Zustellungsberechtigung des Zustellenden vergewissern kann. Weiter verdeutlicht Art. 12 Abs. 7 EU-ZustVO 2020 i.V.m. Art. 19 EU-ZustVO 2020, dass die Belehrung des Zustellungsempfängers über sein Annahmeverweigerungsrecht durch die zustellende Partei als ausreichend angesehen wird. b) Nicht: Empfangsstellen
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Die Vorschrift betrifft allerdings nicht die Ausführung von Zustellungen durch Empfangsstellen im Empfangsmitgliedstaat.50 Ihr ist daher nicht zu entnehmen, dass eine um Rechtshilfegewährung ersuchte Empfangsstelle das zuzustellende Schriftstück durch Postdienste gegen Empfangsbescheinigung zustellen lassen kann. Dies ergibt sich daraus, dass die Vorschrift zulässt die „unmittelbare“ Zustellung durch Postdienste und dadurch darauf verweist, dass die Zustellung ohne Einschaltung einer Empfangsstelle des Empfangsmitgliedstaats (s. Rz. 1) erfolgt. Weiter ergibt sich dies daraus, dass die Ausführung der Zustellung durch die Empfangsstelle im Empfangsmitgliedstaat ein innerstaatlicher Vorgang ist, den die Verordnung nicht regeln will. Für die Zustellung durch die Empfangsstelle gilt vielmehr Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020, d.h. maßgeblich ist im Grundsatz das Recht des Empfangsmitgliedstaats (einschließlich der Möglichkeit zur Postzustellung, s. Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 16). 3. Zustellungsempfänger mit Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat
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Der Zustellungsempfänger (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 23, 25) muss einen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat haben. In diesem Erfordernis bringt der Verordnungsgeber parallel zur Wohnsitzanknüpfung in Art. 17 EU-ZustVO 2020 zum Ausdruck, dass die Postdirektzustellung ohne Rück44 Vgl. auch Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 18 EuZuStVO Rz. 1. 45 Emde, NJW 2004, 1830, 1833; Stroschein, S. 140. Dies gesondert als Grenze prüfend Schmidt, IPRax 2004, 13, 15. 46 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9. 47 Vgl. auch BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 18 EuZVO 2022 Rz. 8; Knöfel, RIW 2021, 473, 482 f. Vgl. bereits COM(2013) 858 final, S. 14. – A.A. Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 18 EuZuStVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3, 6, 9; Anders/Gehle/Schmidt, Vor § 1067 ZPO Rz. 33; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 18 EuZVO Rz. 2. A.A. auch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 18 EuZustVO Rz. 1 unter verfehltem Verweis auf die nicht die Zuständigkeit für die (Postdirekt-)Zustellung, sondern nur die Zuständigkeit als „Übermittlungsstelle“ bestimmende Regelung in § 1069 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. A.A. auch Elsner/Deters, IPRax 2023, 146, 147 ff.: Postdirektzustellung ist zwar nicht nur für Amtszustellungen eröffnet, muss aber über eine Übermittlungsstelle erfolgen – diese Ansicht beruht auf einer unzutreffenden Gleichsetzung von Amtszustellung (Anordnung der Zustellung durch ein Gericht, z.B. auch in Irland) und Einschaltung einer Übermittlungsstelle (Nutzung des Rechtshilfewegs, z.B. ist in Irland Übermittlungsstelle nicht das befasste Gericht). 48 BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 18 EuZVO 2022 Rz. 8. 49 Nicht berücksichtigt von Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9. 50 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 14 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 5.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 18 EU-ZustVO 2020
sicht auf die Staatsangehörigkeit des Zustellungsadressaten oder -empfängers eröffnet sein soll (s. Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 9),51 weil dieser für die Zugehörigkeit zum Raum des Rechts keine entscheidende Bedeutung zukommt. Die Anknüpfung an den Aufenthalt anstatt an die Staatsangehörigkeit zielt danach auf eine klärende Ausweitung des Anwendungsbereichs. Zugleich beschränkt jedes zusätzliche Erfordernis den Anwendungsbereich einer Vorschrift. Da der Verordnungsgeber die sich aus einer Anknüpfung an den Wohnsitz ergebenden Beschränkungen (s. Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 9) für die Postdirektzustellung anders als für die Zustellung durch diplomatische oder konsularische Vertreter als nicht (mehr) sachgerecht angesehen hat,52 knüpft die Vorschrift anders als Art. 14 EG-ZustVO 2007 und anders als Art. 17 EU-ZustVO 2020 nicht (mehr) an den Wohnsitz des Zustellungsempfängers an. Gefordert wird vielmehr, dass der Zustellungsempfänger einen Aufenthalt in einem anderen, d.h. vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat hat. Dieses Erfordernis muss gegeben sein im Zeitpunkt der Zustellung. Ausreichend, aber auch erforderlich ist dabei, dass durch einen Aufenthalt die Zugehörigkeit zum Raum des Rechts, für welchen die Verordnung gilt, begründet und durch die Verschiedenheit vom Ursprungsmitgliedstaat das den Anwendungsbereich der Verordnung eröffnende grenzüberschreitende Element (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff.) anknüpfend an den Aufenthalt (anstatt an die bekannte Zustelladresse) erfüllt wird.53 Unschädlich ist, dass der Zustellungsempfänger einen Aufenthalt in mehreren vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaaten hat. Unschädlich ist aber auch, dass der Zustellungsempfänger im Ursprungsmitgliedstaat einen Aufenthalt hat, weil auch das Fehlen einer bekannten Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 nur ein halbseitiges Erfordernis für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung ist (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 50 ff.). Der geforderte Aufenthalt muss (auch nach den anderen Sprachfassungen) kein ständiger oder ge- 13 wöhnlicher sein. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass der Zustellungsempfänger im maßgeblichen Zeitpunkt (s. Rz. 12) seinen ständigen, gewöhnlichen oder schlichten Aufenthalt in einem vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat hat.54 Die Einrichtung eines Postfachs (dazu s. auch Rz. 30) in einem Mitgliedstaat steht dem nicht gleich.55 Vorstehendes, einen schlichten Aufenthalt genügen lassendes Verständnis bewirkt zwar, dass dem entsprechenden Erfordernis neben der Notwendigkeit, dass bei der Übergabe eine Empfangsbestätigung unterzeichnet werden muss, praktisch keine eigenständig begrenzende Wirkung zukommt, weil die Verordnung nach Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 ohnehin nur Anwendung auf grenzüberschreitende Zustellungen zwischen den Mitgliedstaaten findet.56 Zustellungen durch Postdienste können danach auch an Personen bewirkt werden, welche sich lediglich vorübergehend (während einer Urlaubsreise) in einem anderen Mitgliedstaat befinden. Im Ergebnis sind Zustellungen durch Postdienste somit im selben Umfang eröffnet wie Zustellungen auf dem einfachen Rechtshilfeweg. In diesem Sinne wurde aber bereits Art. 14 EG-ZustVO 2007 teilweise ausgelegt;57 der Verweis auf den Aufenthalt anstatt auf den Wohnsitz erscheint vor diesem Hintergrund als Klarstellung, dass eine Postzustellung eben nicht nur am Wohnsitz (als einziger Abgabestelle) erfolgen kann. Ein solches Verständnis lässt auch nicht befürchten, dass Art. 12 Abs. 6 EU-ZustVO 2020 ausgehöhlt werden könnte, z.B. in dem Fall, dass einem Zustellungsempfänger mit bekannter Anschrift in Deutschland während seines Urlaubs in Spanien ein Schriftstück aus Italien durch Postdienste in Spanien zugestellt werden kann. Erstens ist nach Art. 12 51 Brenn, Art. 14 EZV Anm. b). 52 Vgl. zum EuZÜ bereits Geimer, S. 249: zweifelnd, ob sich aus Wohnsitzanknüpfung ergebende Beschränkung wirklich gewollt war. 53 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10. 54 Vgl. auch BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 18 EuZVO 2022 Rz. 12. 55 OLG Innsbruck v. 10.10.2018 – 25Rs49/18v zu 5.1 ff. der Gründe. – A.A. wohl BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 18 EuZVO 2022 Rz. 12. 56 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EG) 1393/2007 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 6. 57 So Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 14 EuZVO Rz. 8 f.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EG) 1393/2007 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 6; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.94; Springer, S. 158 f. Offen Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 1. Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10. Dagegen Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 1 EuZVO Rz. 34.
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Art. 18 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch Postdienste Abs. 2 Unterabs. 2 EU-ZustVO 2020 in diesem Fall auch in deutscher Sprache über das Annahmeverweigerungsrecht zu belehren. Zweitens würde dies zwar nicht gelten bei Zustellung eines Schriftstücks in spanischer Sprache. Auch bietet ein Urlaubsaufenthalt in Spanien keine ernsthafte Rechtfertigung dafür, dass vom Zustellungsempfänger die Beherrschung der spanischen Sprache erwartet wird. Gleichwohl wird Art. 12 Abs. 6 EU-ZustVO 2020 nicht ausgehöhlt, weil die Nutzung der einfachen Rechtshilfe insoweit zu denselben Ergebnissen führte. Dass zugleich auch nicht ausschließlich an den schlichten tatsächlichen Aufenthalt angeknüpft wird, sondern erst recht ein ständiger oder gewöhnlicher Aufenthalt genügt,58 ergibt sich daraus, dass anderenfalls eine vorübergehende Ausreise aus der EU die Anwendung der Vorschrift einschließlich einer ausweislich Erwägungsgrund 30 EU-ZustVO 2020 möglichen Ersatzzustellung durch die Post (s. Rz. 25 ff.) ausschließen könnte. Dies beraubte die Norm sachwidrig eines erheblichen Anteils ihres bisherigen praktischen Anwendungsfelds. 14
Der Begriff des Aufenthalts ist verordnungsautonom auszulegen. Er bezeichnet nach Vorstehendem neben dem Ort der aktuellen physischen Präsenz einer Person auch die Orte, an denen sich eine Person zwar nicht aktuell physisch aufhält, an welche sie allerdings ausweislich eines manifestierten Rückkehrwillens ständig oder gewöhnlich zurückkehrt. Er betrifft auch nicht nur natürliche Personen.59 Juristische Personen und Personengruppen haben ihren Aufenthalt an ihrem Sitz, aber auch an jeder von ihnen eingerichteten Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung. 4. Postdienste
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Der Begriff des Postdienstes ist verordnungsautonom auszulegen. Er stimmt entgegen verbreiteter Annahme nicht mit dem Begriff des Postdienstes i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5 RL 97/67/EG überein.60 Dies ergibt sich daraus, dass der Begriff Postdienst in der Vorschrift eine Person und in Art. 2 Abs. 1 Nr. 1, 4, 5 RL 97/67/EG dagegen eine Dienstleistung bezeichnet. Dass der Begriff „Postdienst“ in der Vorschrift eine Person bezeichnet, ergibt sich daraus, dass der Wortlaut von einer Zustellung „durch“ und nicht „mittels“ Postdienst spricht, sich das in Erwägungsgrund 29 S. 2 EU-ZustVO 2020 benannte Attribut öffentlich oder privat auf eine Person und nicht eine Dienstleistung bezieht und vor allem die erforderliche Dienstleistung (s. Rz. 16) gesondert angesprochen wird. Als verantwortlich ausführende Personen werden als Postdienst angesprochen die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig tätigen (öffentlichen oder privaten, vgl. Erwägungsgrund 29 S. 2 EU-ZustVO 2020) Universaldiensteanbieter i.S.v. Art. 2 Abs. 1 Nr. 13 RL 97/67/EG als Teil einer international bestehenden allgemeinen Infrastruktur. Unerheblich ist, ob der betreffende Dienstleister im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 RL 97/67/EG durch einen Mitgliedstaat verpflichtet ist, Universaldienste61 zu erbringen.62 Nicht erfasst sind bloße Kurierdienste, d.h. Transportdienste, die keine Universaldiensteanbieter sind.63 Diese sind nicht Teil einer allgemeinen Infrastruktur und sie kann der Absender weit freier wählen als einen Postdienstleister. Hierauf sind § 167 ZPO und vergleichbare Vorschriften, welche über Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 zur Anwendung kommen können, nicht zugeschnitten,64 weshalb davon abgesehen wurde, Kurierdienste neben Postdiensten zu erwähnen. Der Begriff des Postdienstes 58 A.A. wohl BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 7. 59 Entgegen Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 14 EuZVO Rz. 11 kann Zustellungsempfänger nach dem anwendbaren Recht auch eine juristische Person selbst sein. Das Erfordernis eines Aufenthalts schließt Zustellungen an juristische Personen als solche nicht aus, vgl. Gsell, EWS 2002, 115, 118; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 14 EG-ZustVO 2007 Rz. 7; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10. 60 A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 9; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 14 EuZVO Rz. 3. 61 Zum Einschreiben als Teil der Universalleistungen vgl. Art. 3 Abs. 4 RL 97/67/EG und GA Campos SánchezBordona, Schlussanträge v. 27.11.2018 – C-545/17, ECLI:EU:C:2018:955 Rz. 2, 51, 60 – Mariusz Pawlak/Prezes Kasy Rolniczego Ubezpieczenia Społecznego. 62 KOM(2005) 305 endg./2, S. 6 f.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 14 EuZVO Rz. 3. 63 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 10; BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 18 EuZVO 2022 Rz. 14; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 9; Wieczorek/Schütze/ Schütze, § 1068 ZPO Rz. 13. – A.A. Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 18 EuZuStVO Rz. 2. 64 Ohne Problembewusstsein BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 18 EuZVO 2022 Rz. 14.
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im Sinne der Vorschrift setzt nicht voraus, dass der Dienstleister über eine gesonderte Zulassung oder Beleihung (z.B. § 33 PostG für von Zustellungen nach § 176 Abs. 1 ZPO zu unterscheidende65 Zustellungen nach §§ 168 Abs. 1 S. 2, 176 Abs. 2 ZPO) verfügt (Art. 7 Abs. 1 S. 1 RL 97/67/EG, vgl. auch Erwägungsgrund 29 S. 2 EU-ZustVO 2020); unberührt bleibt aber, dass die Mitgliedstaaten Regelungen dazu treffen, welche Postdienste Zustellungen per Einschreiben mit Rückschein ausführen (Art. 8 RL 97/67/EG und Erwägungsgrund 20 S. 2 RL 97/67/EG). 5. Per Einschreiben mit Empfangsbestätigung oder gleichwertigem Nachweis Zugelassen ist die Zustellung durch Postdienste (s. Rz. 15) nur, soweit die Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks per Einschreiben mit Empfangsbestätigung oder mittels eines gleichwertigen Nachweises erfolgt. Eine einfache Postsendung ist keine nach der Vorschrift zulässige Zustellungsform.66 Die Anforderungen an die Zustellung per Einschreiben mit Empfangsbestätigung oder mittels eines gleichwertigen Nachweises sind verordnungsautonom zu bestimmen.67 Sie decken sich weder mit Art. 2 Abs. 1 Nr. 9 RL 97/67/EG (Einschreiben ist „Postsendung, die durch den Dienstanbieter pauschal gegen Verlust, Entwendung oder Beschädigung versichert wird und bei der dem Absender, gegebenenfalls auf sein Verlangen, eine Bestätigung über die Entgegennahme der Sendung und/oder ihre Aushändigung an den Empfänger erteilt wird“)68 noch mit dem Verständnis des Weltpostvertrags.69
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Die spezifische Form des Postdienstes (Einschreiben mit Empfangsbestätigung oder gleichwertigem 17 Nachweis) wird gefordert im Interesse beider Seiten (Antragsteller und Zustellungsadressat).70 Sie soll über die bereits durch den Postversand als solchen gewährleistete Beschleunigung der Übermittlung hinaus eine erhöhte Zuverlässigkeit der Übermittlung und eine erhöhte Gewissheit des Empfangs sichern,71 was im vernünftigen Interesse aller Beteiligten liegt. Darüber hinaus soll dem Zustellungsempfänger die Bedeutung des Zustellungsvorgangs vor Augen geführt werden (Warnfunktion)72 und für den Antragsteller die Möglichkeit zur Überprüfung der Einzelschritte bei der Übergabe (z.B. Belehrung) anhand der bestätigten Umstände73 sowie die Möglichkeit zum Nachweis der Zustellung und der Einzelumstände gesichert werden.74 Ausgehend hiervon erfolgt die Zustellung im Sinne der Vorschrift per Einschreiben mit Empfangsbestätigung oder gleichwertem Nachweis, wenn die genutzte Postdienstleistung die Zusatzleistung einschließt, dass das Schreiben an den Zustellungsempfänger oder ersatzweise eine hierzu berufene Person zur Weiterleitung an den Zustellungsempfänger übergeben, sein Erhalt und weitere Angaben zum Erhalt zum Zweck der Information des Absenders sowie zur Nachweisführung in einer gespeicherten und signierten Erklärung bestätigt und diese gespeicherte Bestätigung an den Absender zurückgesendet wird, und den sich hieraus ergebenden Anforderungen auch tatsächlich genügt wird. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Bestätigung durch den Zustellungsempfänger oder diejenige Person, welche zur Entgegennahme zwecks Weiterleitung beru65 Zustellung durch Übersendung per Post von Zustellungen durch Beamte (einschließlich Beliehene) unterscheidend auch Art. 10 HZÜ (vgl. lit. a mit lit. b, c). 66 BGH v. 11.5.2011 – VIII ZR 114/10, NJW 2011, 2218 Rz. 13; OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu I. 2. der Gründe; OGH v. 27.11.2013 – 2Ob156/13z zu 3.6 der Gründe; LAG Köln v. 24.9.2008 – 3 Sa 1484/07, BeckRS 2008, 57274 Rz. 27; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 8; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1068 ZPO Rz. 13. 67 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 9. 68 A.A. tendenziell GA Campos Sánchez-Bordona, Schlussanträge v. 27.11.2018 – C-545/17, ECLI:EU:C:2018:955 Rz. 60 – Mariusz Pawlak/Prezes Kasy Rolniczego Ubezpieczenia Społecznego; BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 18 EuZVO 2022 Rz. 16. 69 Vgl. EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 78 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 9. 70 EuGH v. 19.12.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:824 Rz. 35, 38 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czesław Orłowski; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 7. 71 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 75 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA. 72 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13. Vgl. auch EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI: EU:C:2017:157 Rz. 82 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA: effektiv erhält. 73 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 76 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA. 74 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 75 ff. – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; Cour de cassation v. 10.3.2016 – 14-25719; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 7.
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Art. 18 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch Postdienste fen ist, und nicht (nur) durch einen Bediensteten des Postdienstleisters erfolgt.75 Anderenfalls würde der Warnfunktion nicht genügt werden und überdies nicht belegt, dass die Zustellung ohne Zwang erfolgt ist (s. Rz. 1). Weiter wird vorausgesetzt, dass die gespeicherte Bestätigung zum Zweck der Rücksendung und nicht zum Verbleib beim Postdienst ausgestellt wird.76 Aus diesem Grund genügt z.B. auch ein Einwurfeinschreiben, bei dem ein Rückschein fehlt, nicht.77 Denn anderenfalls würde der Nachweiszweck allenfalls eingeschränkt erreicht. Nicht erforderlich ist gleichwohl, dass die Rücksendung auch erfolgreich ist, d.h. die Empfangsbestätigung bzw. der gleichwertige Nachweis den Absender des zuzustellenden Schriftstücks auch erreicht. Ist dies nicht der Fall, beeinträchtigt dies zwar den Nachweiszweck. Allerdings widerspricht es gerade dem Interesse des Antragstellers, wenn ihm auch das Risiko einer erfolgreichen Rückübermittlung auferlegt wird. Gänzlich unerheblich ist für die Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck, ob die zuzustellende Sendung pauschal gegen Verlust, Entwendung oder Beschädigung versichert ist. 18
Die ausgehend vom Normzweck gewonnenen Anforderungen an die spezifische Form des Postdienstes gelten unterschiedslos für Einschreiben mit Empfangsbestätigung und Einschreiben mit gleichwertigem Nachweis. Der gleichwertige Nachweis muss daher in gleicher Weise geeignet sein, dem mit der spezifischen Form der Postsendung verfolgten Zweck zu genügen.78 Auch er muss insbesondere vom Empfänger oder einer hierzu berufenen Person (und nicht vom Postdienst bzw. dessen Bediensteten) signiert werden.79 Dass die Vorschrift neben der Empfangsbestätigung auch einen gleichwertigen Nachweis erwähnt, zielt nicht darauf, die Anforderungen an den genutzten Postdienst zu mindern. Vielmehr muss ein Einschreiben mit gleichwertigem Nachweis dieselben Garantien wie ein Rückschein bieten80 in Bezug auf Verlässlichkeit und Gewissheit des Erhalts,81 Warnung des Zustellungsempfängers und Möglichkeit zur Nachweisführung über Erhalt und Umstände des Erhalts (im Fall eines erfolgreichen Rückgelangens). Durch die gesonderte Erwähnung des gleichwertigen Nachweises soll lediglich dem Missverständnis vorgebeugt werden, dass die Verwendung des vom Weltpostverein vorgesehenen Rückscheins formelle Wirksamkeitsvoraussetzung (s. Rz. 16) ist.82
III. Nutzung der Zustellung durch Postdienste 1. Ausführung der Zustellung 19
Die Zustellung durch Postdienste kann für grenzüberschreitende Zustellungen im Rahmen ihrer verordnungsautonomen Zulassung erfolgen (s. Rz. 7). Aufgrund des Anwendungsvorrangs der Verordnung (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 27) kann ihre Nutzung weder durch den Ursprungsmitgliedstaat noch durch den Empfangsmitgliedstaat ausgeschlossen oder im Widerspruch zu den Zielen der Verordnung beschränkt werden. Umgekehrt kann (vorbehaltlich Art. 29 Abs. 2 EU-ZustVO 2020) auch weder das Recht des Ursprungs- noch das Recht des Empfangsmitgliedstaats die Zulassung ausweiten bzw. von verordnungsautonomen Anforderungen Befreiung erteilen. Deshalb beurteilt sich auch ausschließlich nach der Verordnung und nicht nach dem Recht des Ursprungs- und/oder des Empfangsmitgliedstaats, von welchen Anforderungen die Wirksamkeit einer Zustellung durch Postdienste abhängig ist.83 Erst Recht setzen nicht die Nutzungsbedingungen der beteiligten Postdienstleister 75 Vgl. EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 80 f. – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 14; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EGZustellVO Rz. 9. – A.A. Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 14 EuZVO Rz. 5; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 14 EuZVO Rz. 4. 76 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 9. 77 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 8; Wieczorek/Schütze/Schütze, § 1068 ZPO Rz. 5, 13; Gebauer/ Wiedmann/Sujecki, Art. 14 EuZVO Rz. 4. 78 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 14 EuZVO Rz. 17; Strasser, Rpfleger 2013, 585, 586. 79 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 17; Strasser, Rpfleger 2013, 585, 586. 80 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 80 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA. 81 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 81 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 8. 82 Vgl. Strasser, Rpfleger 2013, 585, 586. 83 Vgl. EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 86 ff. – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; Corte di Cassazione v. 29.5.2015 – n. 11140.
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den anzulegenden Maßstab, sondern haben sich ihrerseits an diesem zu orientieren, damit ein bestimmter Postdienstleister beauftragt werden kann.84 Die Verordnung bestimmt autonom nicht nur die Anforderungen an die Wirksamkeit einer Post- 20 zustellung, sondern zugleich den rechtlichen Rahmen für die Ausführung der Zustellung durch Postdienste. Für Art. 14 EG-ZustVO 2007 war umstritten, ob die Zustellung durch Postdienste nach dem Recht des Ursprungs-85 und/oder des Empfangsmitgliedstaats86 zu erfolgen hat. Mit Blick auf den Schutz des Adressaten sowie die praktische Handhabung durch die Postdienste wurde wohl überwiegend die Anwendung des Rechts des Empfangsmitgliedstaats befürwortet. Für die Maßgeblichkeit des Rechts des Übermittlungsmitgliedstaats sprach, dass die Zustellung durch Postdienste der Zulassung durch den Übermittlungsmitgliedstaat bedurfte. Der EuGH hat in der Rechtssache Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA zu Art. 14 EG-ZustVO 2007 erkannt, dass die Anforderungen an die Empfangsbestätigung ebenso wie die Modalitäten einer Ersatzzustellung verordnungsautonom bestimmt wurden und ein Rückgriff auf das nationale Recht daher ausgeschlossen ist (s. Rz. 4). Da die Neufassung die Zustellung durch Postdienste verordnungsautonom, d.h. (abgesehen von der Einräumung der Befugnis zur Zustellung eines konkreten Schriftstücks als solcher) ohne Rücksicht auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaats und auch ohne Rücksicht auf das Recht des Empfangsmitgliedstaats zulässt, richtet sich auch die Ausführung der Zustellung insgesamt ausschließlich nach Unionsrecht. Dies gilt sowohl für die Anforderungen an die Wirksamkeit einer Zustellung, die Frage einer Ersatzzustellung wie auch für die Heilung von Zustellungsmängeln. Da ausweislich Erwägungsgrund 29 S. 2 EU-ZustVO 2020 die Übersendung in jeder Form eines Briefes oder auch eines Briefkonvoluts erfolgen kann, müssen nationale Vorgaben z.B. betreffend die Nutzung bestimmter Briefumschläge87 nicht beachtet werden. Unberührt bleibt, dass das Recht, welches eine Zustellung erfordert, dabei eine bestimmte Form der Zustellung (z.B. ausschließlich persönliche Übergabe) voraussetzt. Genügt eine Zustellung durch Postdienste solchen Anforderungen nicht, scheidet sie aus diesem Grund aus und muss die Zustellung auf einem der anderen Wege erfolgen bzw. vermittelt werden. Insoweit gilt Ähnliches wie für die Wahl des Zustellungsverfahrens im Rahmen von Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020. 2. Empfangsbestätigung Die Zustellung durch Postdienste muss tatsächlich gegen Empfangsbestätigung oder einen gleichwer- 21 tigen Nachweis erfolgen. Dies bedeutet, dass der Tatbestand einer Zustellung durch Postdienste auch umfasst, dass der Zustellungsempfänger (oder im Rahmen der Zulässigkeit einer Ersatzzustellung eine andere hierzu berufene Person, s. Rz. 29) selbst (s. Rz. 17) den persönlichen Empfang bestätigt, um eine ohne Zwang erfolgte Zustellung zu belegen und den weiteren Zwecken, denen die Empfangsbestätigung oder der gleichwertige Nachweis Rechnung tragen sollen (Warn- und Nachweisfunktion, s. Rz. 17), zu genügen.88 Inhaltlich ist erforderlich, dass der Bestätigungsberechtigte durch gesonderte und ausdrückliche Er- 22 klärung zum Ausdruck bringt, dass ihm eine bestimmte (z.B. durch eine eindeutige Sendungsnummer bezeichnete) Postsendung persönlich an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit89 ausgehändigt wurde. Nicht erforderlich ist, dass die Bestätigung auch das zuzustellende Schriftstück konkret bezeichnet, weil und soweit eine Zuordnung zur empfangenen Postsendung z.B. anhand der Sendungsnummer möglich ist. Die Bestätigung kann auf einem mit der Postsendung übermittelten Rückschein, enthält dieser die erforderlichen Angaben, erfolgen. Ausreichend ist aber auch jede andere die notwendigen Angaben enthaltende Speicherung gleichviel welcher Form (z.B. auch elektronische Bestätigung). 84 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 29. – A.A. vgl. OLG Celle v. 26.7.2005 – 16 U 59/05, NJW-RR 2005, 1589; OLG Düsseldorf v. 16.3.2017 – 15 U 67/16, GRUR-RS 2017, 113388 Rz. 57; Stadler, IPRax 2002, 471, 473. 85 OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu I. 3. der Gründe. 86 Corte di Cassazione v. 22.5.2015 – n. 10543; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 30. 87 Vgl. auch SWD(2018) 287 final, S. 16. 88 A.A. Springer, S. 60: Zustellung mit Übergabe vollzogen. 89 Vgl. OLG München v. 6.7.2022 – 7 U 3126/20, BeckRS 2022, 22631 Rz. 29.
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Nicht zum Tatbestand der Zustellung durch Postdienste gehört und kein Wirksamkeitserfordernis ist somit, dass die Empfangsbestätigung oder der gleichwertige Nachweis auch tatsächlich an den Absender zurückgelangt.90 Abweichendes ergibt sich entgegen teilweiser Annahme91 auch nicht daraus, dass der neben der Empfangsbestätigung genannte gleichwertige Nachweis nach Ansicht des EuGH92 ein ebenso zuverlässiges wie detailliertes Mittel wie die Empfangsbestätigung sein muss. Denn dieselbe Erwägung, welche die Annahme trägt, dass die Rückerlangung der Empfangsbestätigung keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Zustellung durch Postdienst ist, spricht dafür, dass die Rückerlangung des gleichwertigen Nachweises keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Zustellung durch Postdienst ist. Wirksamkeitsbedingung ist gerade nur, dass das Zustellungsverfahren bis einschließlich der Bestätigung durch den Empfänger und der Auslösung der Rücksendung der Bestätigung bestimmten Anforderungen genügt. Dass die Bestätigung auch tatsächlich zurückgelangt, betrifft dagegen nur den Nachweis, dass das Zustellungsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt den Anforderungen der Vorschrift genügt.93
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Die Empfangsbestätigung und der gleichwertige Nachweis sind in der Regel keine öffentlichen Urkunden,94 denen nach nationalem Recht eine besondere Beweiskraft zukommt. Ihnen wird auch durch die Vorschrift keine solche besondere Beweiskraft zugewiesen. Vielmehr sind sie im Ausgangspunkt durch diejenigen Stellen, welche über Wirksamkeit und Zeitgerechtigkeit einer Zustellung zu entscheiden haben, nach Maßgabe des für sie geltenden Rechts als Beweismittel frei zu würdigen. Verordnungsautonom gibt die Vorschrift dazu aber zunächst vor, dass die Empfangsbestätigung ein geeignetes Beweismittel ist und nicht unberücksichtigt bleiben darf. Darüber hinaus gibt die Verordnung (im Umfang des jeweiligen Inhalts) nicht anders als für die Zustellungsbescheinigung nach Art. 14 EU-ZustVO 2020 vor, dass der bestimmungsgemäß rückübermittelten Empfangsbestätigung ein hoher Beweiswert dafür zukommt, dass das Schriftstück, auf welches sich die Empfangsbestätigung bezieht, an dem vom Unterzeichner angegebenen Ort zum vom Unterzeichner angegebenen Zeitpunkt vom Unterzeichner tatsächlich entgegengenommen wurde.95 Dies ergibt sich daraus, dass die Empfangsbestätigung gerade das von der Verordnung insoweit vorgesehene Beweismittel ist96 und der Wirksamkeit dieser Anordnung im Rahmen der Rechtsanwendung Rechnung getragen werden muss. Nicht ausgeschlossen und nach Maßgabe des anwendbaren Rechts möglich ist, den Beweiswert der Empfangsbestätigung zu erschüttern bzw. zu widerlegen.97 Die Empfangsbestätigung ist auch nicht das einzige zulässige Mittel für den Zustellungsnachweis.98 Gelangt eine Empfangsbestätigung nicht zurück an den Absender, kann der Zustellungsnachweis auch anderweitig er-
90 Vgl. EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 84 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; OLG Brandenburg v. 11.2.2021 – 12 U 202/20, BeckRS 2021, 10216 Rz. 25; OLG Dresden v. 8.3.2021 – 8 U 2149/20, BeckRS 2021, 18109 Rz. 11; OLG Düsseldorf v. 16.7.2019 – 20 W 59/19, GRUR-RR 2020, 45 Rz. 14; LG Frankenthal v. 19.2.2020 – 3 O 186/19, BeckRS 2020, 19610 Rz. 18; LG Leipzig v. 8.10.2020 – 7 O 138/20, BeckRS 2020, 49290 Rz. 12; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 15; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 9. 91 So tendenziell Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 14 EuZVO Rz. 17; inzident tendenziell auch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 18 EuZustVO Rz. 4, welche auf die Möglichkeit einer Heilung ausweicht. 92 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 84 f. – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA. 93 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 32. 94 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 18 EuZustVO Rz. 4. 95 Vgl. Cour de cassation v. 10.3.2016 – 14-25719; OLG Celle v. 26.7.2005 – 16 U 59/05, NJW-RR 2005, 1589 zu II. 2. a) der Gründe; OLG Düsseldorf v. 5.9.2018 – 18 U 46/17, BeckRS 2018, 40125 Rz. 32; LG Mönchengladbach v. 24.2.2017 – 7 O 29/15, BeckRS 2017, 155517 Rz. 27. 96 Vgl. EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 77 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; GA Bobek, Schlussanträge v. 8.9.2016 – C-354/15, ECLI:EU:C:2016:650 Rz. 34 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA. 97 Vgl. LG Mönchengladbach v. 24.2.2017 – 7 O 29/15, BeckRS 2017, 155517 Rz. 28; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 32. – Vgl. auch EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 98 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA (sprachlich freilich zur Widerlegung der an eine Ersatzzustellung anknüpfenden Vermutung des Empfangs, s. auch Rz. 31 ff.). 98 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 84 f. – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; GA Bobek, Schlussanträge v. 8.9.2016 – C-354/15, ECLI:EU:C:2016:650 Rz. 34, 48 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; OLG Brandenburg v. 11.2.2021 – 12 U 202/20, BeckRS 2021, 10216 Rz. 25.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 18 EU-ZustVO 2020
bracht werden,99 muss dann freilich neben der Übergabe auch den Akt der Empfangsbestätigung abdecken.100 3. Ersatzzustellung a) Rechtsrahmen Die Verordnung regelt autonom, inwieweit im Rahmen der Zustellung durch Postdienste eine 25 Ersatzzustellung erfolgen kann, wenn der Zustellungsempfänger nicht persönlich angetroffen wird und ihm daher die Postsendung nicht persönlich ausgehändigt werden kann.101 Bereits zu Art. 14 EG-ZustVO 2007 hat der EuGH in der Rechtssache Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA erkannt, dass die unmittelbare Zustellung durch einen Postdienst im Sinne dieser Verordnung sogar dann als rechtsgültig bewirkt gilt, wenn das Schriftstück zwar nicht dem Empfänger persönlich ausgehändigt, aber an der Privatanschrift des Empfängers an einen Erwachsenen übergeben wurde, der in demselben Haushalt wie der Empfänger lebt oder dort vom Empfänger beschäftigt wird, und der das Schriftstück annehmen kann und dazu bereit ist.102 Gestützt hat er sich dabei insbesondere auf Art. 19 Abs. 1 lit. b EG-ZustVO 2007 = Art. 22 Abs. 1 lit. b EU-ZustVO 2020.103 In Erwägungsgrund 30 EU-ZustVO 2020 hat der Verordnungsgeber diese Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt und verbindlich (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 65) als weiterhin maßgeblich bezeichnet. Davon abgesehen ergibt sich aber auch aus der verordnungsautonomen Zulassung der Zustellung durch Postdienste, dass sich die Anforderungen an eine wirksame Zustellung und damit auch Zulässigkeit, Voraussetzungen und Grenzen einer Ersatzzustellung aus der Verordnung ergeben. Denn so wie sich z.B. die Zulässigkeit einer Ersatzzustellung im Anwendungsbereich von Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 nach dem Recht bestimmt, nach dem die Zustellung auszuführen ist, bestimmt sich die Zulässigkeit einer Ersatzzustellung im Rahmen von Art. 18 EU-ZustVO 2020 nach der Verordnung, weil sich die Ausführung dieser Zustellung nach der Verordnung richtet (s. Rz. 19 f.). Unberührt davon, dass sich die Zulässigkeit einer Ersatzzustellung nach der Verordnung richtet, bleibt die hiervon zu unterscheidende Frage,104 dass das eine Zustellung anordnende Recht eine Zustellung in einer besonderen Form (z.B. höchstpersönliche Übergabe) erfordern kann, dem eine Ersatzzustellung nicht genügt. Auch dies hatte der EuGH bereits in der Rechtssache Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA zu Art. 14 EG-ZustVO 2007 angenommen105 und der Verordnungsgeber hat dies in Erwägungsgrund 30 EU-ZustVO 2020 a.E. bestätigt. Eine im Wege der Ersatzzustellung er99 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 84 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; GA Bobek, Schlussanträge v. 8.9.2016 – C-354/15, ECLI:EU:C:2016:650 Rz. 39 – Andrew Marcus Henderson/ Novo Banco SA; OLG Düsseldorf v. 16.7.2019 – 20 W 59/19, GRUR-RR 2020, 45 Rz. 14. 100 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 9. Vgl. auch EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 83, 85 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA: Einzelschritte, Verteidigungsrechte. – A.A. inzident OLG Brandenburg v. 11.2.2021 – 12 U 202/20, BeckRS 2021, 10216 Rz. 25; OLG Düsseldorf v. 16.7.2019 – 20 W 59/19, GRUR-RR 2020, 45 Rz. 14; LG Leipzig v. 8.10.2020 – 7 O 138/20, BeckRS 2020, 49290 Rz. 12; LG Frankenthal v. 19.2.2020 – 3 O 186/19, BeckRS 2020, 19610 Rz. 18. 101 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 16. Dafür plädierend auch Springer, S. 68 ff. – A.A. OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu 4.1 der Gründe (Recht des Empfangsmitgliedstaats); OLG Dresden v. 8.3.2021 – 8 U 2149/20, BeckRS 2021, 18109 Rz. 11; OLG Düsseldorf v. 16.3.2017 – 15 U 67/16, GRUR-RS 2017, 113388 Rz. 57 (Postbedingungen des Empfangsmitgliedstaats); OLG Hamm v. 3.1.2017 – 25 W 296/14, BeckRS 2017, 126764 Rz. 23; OLG Innsbruck v. 10.10.2018 – 25Rs49/18v zu 4. der Gründe (lex fori); Netzer, S. 99 (Recht des Ursprungsmitgliedstaats); Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 14 EuZVO Rz. 3 (Recht des Empfangsmitgliedstaats); Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 2; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 14 EuZVO Rz. 5; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.137 ff. Für die EG-ZustVO 2000 a.A. auch OLG Celle v. 26.7.2005 – 16 U 59/05, NJW-RR 2005, 1589 (Postbedingungen des Empfangsmitgliedstaats); Stadler, IPRax 2002, 471, 473 (Postbedingungen des Empfangsmitgliedstaats). 102 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 99 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA. 103 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 87 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 12. 104 Vgl. Peer, ÖJZ 2012, 5, 7. 105 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 88 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA: Verordnung schließt nicht aus. Vgl. auch nachdrücklich Slowakei, Ratsdok. 6067/19 ADD 1 (12.4.2019), S. 3.
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Art. 18 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch Postdienste folgte Zustellung durch Postdienste ist in diesem Fall nicht unwirksam, erfüllt aber nicht den Tatbestand der die Zustellung für den Eintritt bestimmter Rechtsfolgen voraussetzenden Norm mit den sich hieraus nach diesem Recht ergebenden Rechtsfolgen. Dies lässt sich vermeiden, indem die Zustellung auf anderem Weg bewirkt oder, dies schließt die Vorschrift nach Sinn und Zweck nicht aus, im Einklang mit den geltenden Postbedingungen um eine eigenhändige Übergabe des Einschreibens ersucht wird.106 Insoweit gilt nichts anderes als bei der Auswahl nach Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020. b) Voraussetzungen und Modalitäten 27
Nach der Verordnung ist eine Ersatzzustellung im Rahmen der Zustellung durch Postdienste zulässig, wenn im Rahmen eines Zustellungsversuchs des Postdienstes in den aktuellen Wohnräumen oder im aktuellen Geschäftslokal des Zustellungsempfängers dem Bediensteten des Postdienstes eine persönliche Übergabe an den Zustellungsempfänger aus in der Sphäre des Zustellungsempfängers wurzelnden Gründen (z.B. Abwesenheit, Verleugnung) nicht möglich ist.107 Nicht notwendig ist, dass zunächst noch ein weiterer Zustellungsversuch unternommen wird.
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Erfolgen kann die Ersatzzustellung nicht in beliebiger Form und auch nicht an beliebige Personen. Vielmehr kommen nur solche Formen der Ersatzzustellung in Betracht, welche dem mit den spezifischen Anforderungen an eine Zustellung durch Postdienste verfolgten Zweck Rechnung tragen und insbesondere hinreichende Gewähr für die Vertraulichkeit der Übermittlung und den tatsächlichen Empfang durch den Zustellungsempfänger bieten sowie hinreichend sicherstellen, dass der Warnfunktion auch ohne persönliche Konfrontation des Zustellungsempfängers zumindest rudimentär Rechnung getragen wird.108
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Danach kann die Ersatzzustellung durch persönliche Übergabe an eine Person erfolgen, die in demselben Haushalt (Privatwohnung) wie der Empfänger lebt oder dort vom Empfänger beschäftigt wird. Der Haushalt wird dabei im Ausgangspunkt gekennzeichnet durch den Ort, an dem der bestimmungsgemäße Empfänger des Schriftstücks gewöhnlich wohnt und sich aufhält.109 Er umfasst ausgehend hiervon ohne Rücksicht auf rechtliche Beziehungen (z.B. Verwandtschaft)110 den räumlich-organisatorischen Bereich, in dem sich ein gemeinschaftliches,111 von wechselseitiger Unterstützung geprägtes Zusammenleben (Familie) tatsächlich verwirklicht. Diese Anforderung gewährleistet neben einem Mindestmaß an Vertraulichkeit zumindest im Mindestmaß auch, dass das zuzustellende Schriftstück an den Zustellungsempfänger weitergeleitet und er auf die Bedeutung der Zustellung hingewiesen wird. An den Hausmeister einer Apartmentanlage kann die Ersatzzustellung danach nicht erfolgen.112 Ebenso wenig ist eine Ersatzzustellung bei Nachbarn möglich.113 Gleichermaßen kann die Ersatzzustellung erfolgen an eine Person, die in einem vom Zustellungsempfänger oder -adressaten114 eingerichteten Geschäftslokal beschäftigt, d.h. dort in dessen Interesse unter dessen Weisungsrecht tätig wird (vgl. Art. 14 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO, Art. 14 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO; missverständlich Erwägungsgrund 30 EU-ZustVO 2020).115 Nicht genügend ist die Übergabe an Personen, welche 106 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 25; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 10. 107 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 8, 14. 108 Vgl. Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 157. 109 Vgl. zum Begriff der Wohnung EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 94 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 14 EuZVO Rz. 5. 110 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 19. 111 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 19 (i.Erg. aber tendenziell weiter: Wohngemeinschaft). 112 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 20. – A.A. OLG Celle v. 26.7.2005 – 16 U 59/05, NJW-RR 2005, 1589, 1589 f.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21. 113 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 13; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 19; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 18 EuZustVO Rz. 3. 114 Vgl. dazu Audiencia Provincial Zaragoza v. 11.10.2007 – 517/2007. 115 OLG Dresden v. 8.3.2021 – 8 U 2149/20, BeckRS 2021, 18109 Rz. 11; OLG Düsseldorf v. 16.3.2017 – 15 U 67/16, GRUR-RS 2017, 113388 Rz. 57; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 14; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 20. Vgl. auch European Commission, Directorate-General for Justice
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 18 EU-ZustVO 2020
nicht vom Zustellungsempfänger oder -adressaten im Geschäftslokal der Übergabe beschäftigt, sondern dort (als regelmäßig in einem anderen Geschäftslokal Beschäftigte)116 nur im oder am Geschäftslokal zeitweise anwesend sind. Ebenso wenig ist ausreichend die Übergabe an Personen, die als Lieferant, Zulieferer, Vermieter o.Ä. für den Zustellungsempfänger oder -adressaten tätig sind oder für Beschäftigte von Lieferanten, Zulieferer, Vermieter o.Ä., auch wenn sie dauerhaft in der Geschäftsstelle anzutreffen sind.117 Denn allein ein räumlicher Bezug, mag ihm auch eine erhebliche Beständigkeit zukommen, sichert nicht im erforderlichen Umfang, dass den mit der Zustellung per Einschreiben mit Empfangsbestätigung oder gleichwertigem Nachweis gegenüber dem Zustellungsempfänger verfolgten Zwecken genügt wird. Die Person muss jeweils ein Erwachsener sein.118 Dies setzt nicht Volljährigkeit, sondern voraus, dass die Person aufgrund ihres Alters und ihrer geistigen Entwicklung in der Lage ist, den Zweck einer Zustellung zu erkennen und dementsprechend den Empfang zu bestätigen und den Zustellungsempfänger hierüber zu informieren. Schließlich muss die betreffende Person das Schriftstück persönlich annehmen können und zu einer solchen Zustellung (einschließlich Abgabe Empfangsbestätigung) bereit sein (Erwägungsgrund 30 EU-ZustVO 2020). Eine Ersatzzustellung kann nicht dadurch erfolgen, dass die Postsendung für den nicht angetroffenen 30 oder eine Bestätigung verweigernden Zustellungsempfänger in ein von diesem eingerichtetes Postfach eingelegt wird119 oder hinterlegt wird beim Postamt bzw. bei den zuständigen Behörden mit entsprechender schriftlicher Benachrichtigung im Briefkasten des Zustellungsempfängers.120 Dementsprechend kann für den Fall der Nichtabholung auch nicht von einer treuwidrigen Zustellungsverteilung ausgegangen werden;121 nicht zuletzt spricht hierfür auch ein Blick auf die Rechtslage beim verwandten Art. 19 EU-ZustVO 2020 (Nichtabgabe der Empfangsbestätigung wird, soweit ersichtlich, dort – trotz vorheriger Zustimmung zur elektronischen Zustellung – nicht als treuwidrig diskutiert).122 Beides gilt unabhängig davon, ob in der schriftlichen Benachrichtigung das Schriftstück eindeutig als gerichtliches Schriftstück bezeichnet und/oder darauf hingewiesen wird, dass die Zustellung durch die Benachrichtigung als erfolgt gilt und damit Fristen zu laufen beginnen.123 Zwar entspricht ein entsprechendes Vorgehen den Mindestanforderungen aus Art. 14 Abs. 1 lit. d EGVollstrTitelVO, Art. 14 Abs. 1 lit. d EG-MahnVO. Hieraus folgt allerdings nichts für die verordnungsautonomen Anforderungen an eine Ersatzzustellung durch Postdienste, weil die Benachrichtigung gerade nicht die erforderliche Abgabe einer Empfangsbestätigung substituiert.124 Ihr kommt nicht derselbe Warneffekt zu und sie belegt auch nicht vergleichbar das Einverständnis mit dem Empfang.
116 117 118 119 120
121 122 123 124
and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, S. 56. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 20. A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21. EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 95 f. – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 18. – Abw. (Volljähriger) GA Bobek, Schlussanträge v. 8.9.2016 – C-354/15, ECLI:EU:C:2016:650 Rz. 51 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA. Allein durch die Einrichtung eines Postfachs wird dem Postdienstleister bzw. seinen Bediensteten keine Empfangsvollmacht eingeräumt. Krajsky´ soud v Praze v. 26.5.2011 – 17 Co 301/2011, zit. n. Navrátilová, GPR 2012, 64, 69; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 15; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 157; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 10; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 14 EuZVO Rz. 5. Offen OLG Stuttgart v. 31.3.2010 – 5 W 62/09, BeckRS 2010, 13189 Rz. 21; OLG Innsbruck v. 10.10.2018 – 25Rs49/18v zu 7. der Gründe. – A.A. OGH v. 19.1.2016 – 10Ob65/15d zu 4.4. der Gründe; LG Hamburg v. 21.4.2017 – 324 O 189/15, BeckRS 2017, 121695 Rz. 128; LG Trier v. 17.10.2002 – 7 HKO 140/01, NJW-RR 2003, 287; Geimer/ Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 14 EuZVO Rz. 19; Zöller/Geimer, Art. 14 EuZustVO Rz. 3; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/18 a.E. Vgl. OLG Frankfurt v. 21.2.2023 – 26 Sch 11/22, BeckRS 2023, 3884 Rz. 40 ff. – A.A. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 14 EuZVO Rz. 17 mit Fn. 14. Vgl. nur Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21: neuer Versuch erforderlich. A.A. OLG Stuttgart v. 31.3.2010 – 5 W 62/09, NJOZ 2010, 2518 Rz. 29; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 11; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 24 unter Verweis auf EuVTVO. – Unentschieden OLG Frankfurt v. 21.2.2023 – 26 Sch 11/22, BeckRS 2023, 3884 Rz. 43. Vgl. Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 154, 157; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 14 EuZVO Rz. 5.
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Art. 18 EU-ZustVO 2020 Zustellung durch Postdienste Die Zustellung durch Einlegung in ein eingerichtetes Postfach oder Hinterlegung mit Benachrichtigung ist nicht anders als die Einlegung in den Briefkasten (Art. 14 Abs. 1 lit. c EG-VollstrTitelVO, Art. 14 Abs. 1 lit. c EG-MahnVO) eine andere Zustellungsform; dementsprechend genügt nach Art. 14 Abs. 3 EG-VollstrTitelVO, Art. 14 Abs. 3 EG-MahnVO auch eine vom Bedienstete des Postdienstes ausgestellte Bescheinigung, was für die Zustellung durch Postdienste nach der Vorschrift gerade nicht ausreichend ist. Im Falle der Einlegung in ein Postfach oder der Hinterlegung beim Postamt wird eine Zustellung daher erst wirksam mit Aushändigung an den Zustellungsempfänger oder eine sonstige hierzu berufene Person und der Bestätigung dieses Vorgangs.125 Zuvor ist die Zustellung nicht erfolgt; erforderlichenfalls (Rücksendung infolge Nichtabholung) ist die Zustellung auf einem anderen Weg zu bewirken. c) Rechtsfolgen 31
Die Rechtsfolgen einer Ersatzzustellung bestimmen sich im Ausgangspunkt ebenfalls nach der Verordnung. In seiner durch Erwägungsgrund 30 EU-ZustVO 2020 bekräftigten Entscheidung in der Rechtssache Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA hat der EuGH sie dahin umschrieben, dass „dem bestimmungsgemäßen Empfänger des Schriftstücks, selbst wenn die oben in den Rz. 93–96 genannten Voraussetzungen erfüllt sind und die Zustellung demnach ordnungsgemäß erscheint, die Möglichkeit [verbleibt], mit allen Beweismitteln, die vor dem im Übermittlungsmitgliedstaat angerufenen Gericht zulässig sind, nachzuweisen, dass er von der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens gegen ihn in einem anderen Mitgliedstaat nicht effektiv Kenntnis nehmen konnte oder den Gegenstand und den Grund des Antrags nicht erkennen konnte oder nicht über ausreichend Zeit verfügte, um seine Verteidigung vorzubereiten. Es ist dann Sache jenes Gerichts, die Beweise unter gebührender Berücksichtigung aller Fallumstände zu würdigen.“ Die Umschreibung des EuGH gibt Anlass zu Missverständnissen und bedarf der Klarstellung:
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Im Ausgangspunkt, dies ist jeder Ersatzzustellung immanent, führt auch eine Ersatzzustellung zu einer wirksamen Zustellung. Die Grundlage hierfür bildet, dass die Übergabe an eine bestimmte Person an einem bestimmten Ort typischerweise gewährleistet, dass der Zustellungszweck (hinreichend effektive Möglichkeit zur Kenntnisnahme) gegenüber dem Zustellungsempfänger tatsächlich erreicht wird. Ausgehend von dieser Typik wird nach den Traditionen der Rechte der Mitgliedstaaten für den konkreten Einzelfall unwiderleglich vermutet, dass der Zustellungszweck tatsächlich auch im konkreten Einzelfall erreicht wurde. Dass diese Vermutung nicht erschüttert oder widerlegt werden kann, trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass die praktische Bedeutung von Zustellungen insbesondere bei gerichtlichen Verfahren liegt, welchen eigen ist, dass bestimmte Schritte aufeinander aufbauen, und für welche zu vermeiden ist, dass nachträglich ein Schritt, auf dem weitere aufbauen, wegfällt. Dies wollte auch der EuGH nicht in Frage stellen. Entgegen teilweiser Annahme126 kann der Zustellungsempfänger mithin nicht nachgehend die als Ersatzzustellung perfekt gewordene Zustellung bzw. den Eintritt der Zustellungswirkungen angreifen.
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Zugleich ist der in der Formel des EuGH anklingenden Bezugnahme auf Art. 22 Abs. 1, 4 Unterabs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020 zu entnehmen, dass der Zustellungsadressat nicht darauf beschränkt ist, im Rahmen eines auf Versagung von Anerkennung oder Vollstreckung gerichteten Verfahrens zur Geltung zu bringen, dass ihn unbeschadet der Vermutung der Möglichkeit zur Kenntnisnahme kein Verschulden an seiner mangelnden rechtzeitigen Kenntnis trifft.127 Vielmehr stehen dem Zustellungsempfänger ausnahmslos, auch im Ursprungsmitgliedstaat, alle nach dem anwendbaren Recht vorgesehenen und geeigneten Rechtsbehelfe zur Verfügung, mit denen geltend gemacht werden kann, dass trotz (vermuteter) Möglichkeit zur Kenntnisnahme ohne Verletzung von Obliegenheiten keine Kenntnis erlangt wurde.128 Neben dem Verfahren der Versagung der Anerkennung ist vor allem an die Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist o.Ä. zu denken (vgl. auch Art. 22 Abs. 4 EU-ZustVO 2020).
125 126 127 128
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Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 17. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 10. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 21. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 22. – Abw. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 10.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 18 EU-ZustVO 2020
4. Zustellungsort Nach h.A. (zu Art. 14 EG-ZustVO 2007) soll sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats richten, an welchen Orten an den Zustellungsempfänger per Post zugestellt werden kann.129 Dem ist nicht zu folgen, weil die Vorschrift in gleicher Weise, wie sie die Möglichkeiten zur Ersatzzustellung autonom regelt (s. Rz. 25 ff.), auch autonom regelt, wo die direkte Zustellung per Post erfolgen kann. Dies bedeutet freilich nicht, dass die Postzustellung an dem Ort erfolgen muss, an welchem sich der aktuelle physische Aufenthalt des Zustellungsempfängers im Zeitpunkt der Zustellung befindet (s. Rz. 13 a.E.).130 Dafür spricht schon, dass anderenfalls für eine Ersatzzustellung kaum ein Bedürfnis bestünde und eine kurzfristige Änderung des aktuellen physischen Aufenthalts eine Postdirektzustellung (zu) leicht vereiteln könnte. Vielmehr legt die Vorschrift zugrunde, dass als Ort der Postdirektzustellung jeder Ort in Betracht kommt, an dem an den Zustellungsempfänger eine Postzustellung per Einschreiben mit Empfangsbestätigung praktisch ausgeführt werden kann (durch persönliche Übergabe oder hilfsweise Abgabe in einer Wohnung oder in einem Geschäftslokal). Mit Rücksicht auf die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Zustellung muss es sich um einen Ort innerhalb eines Mitgliedstaats handeln, damit die Zustellung durch einen Postdienst eines Mitgliedstaats gewährleistet ist.
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5. Zustellungsdatum Nach Art. 13 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 gilt die Regelung über das doppelte Datum auch für die Post- 35 direktzustellung.131 Diese Anordnung gibt allerdings Anlass zu Missverständnissen und bedarf der Konkretisierung. Aus ihr folgt nicht, dass sich der Zeitpunkt der Zustellung im Grundsatz, wie in Art. 13 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 angeordnet, nach dem (nationalen) Recht des Empfangsmitgliedstaats132 und im Zusammenhang mit vom Antragsteller zu wahrenden Fristen, wie in Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 vorgesehen, nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats richtet. Vielmehr regelt die Vorschrift den Zeitpunkt der Zustellung nicht anders als die Frage der Ersatzzustellung und den Zustellungsort autonom.133 Diese autonome Regelung verdrängt den Verweis auf das (nationale) Recht des Empfangsmitgliedstaats (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 16). Zustellungszeitpunkt ist der Zeitpunkt, in dem der Zustellungsempfänger oder eine sonstige hierzu berufene Person die Empfangsbestätigung abgibt.134 Die Datumangabe in der Empfangsbestätigung erlaubt den Nachweis hierüber, ist aber nicht bindend. Da sich die Vorschrift allerdings nicht mit der in Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 angesprochenen Problematik befasst, fehlt insoweit eine autonome Regelung und es verbleibt bei der Verweisung des Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 auf das danach berufene Recht (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 16). 6. Belehrung über Annahmeverweigerungsrecht Nach Art. 12 Abs. 6 EU-ZustVO 2020 besteht auch im Falle der direkten Zustellung durch Postdienste kein generelles Übersetzungserfordernis, sondern ein Annahmeverweigerungsrecht des Zustellungsadressaten.135 Über dieses ist der Zustellungsadressat auch im Falle der direkten Zustellung durch Postdienste zu belehren.136 Die Belehrung hat nach Art. 12 Abs. 7 EU-ZustVO 2020 zu erfol129 OLG Innsbruck v. 10.10.2018 – 25Rs49/18v zu 4. der Gründe; LG Hamburg v. 21.4.2017 – 324 O 189/15, BeckRS 2017, 121695 Rz. 128; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 14 EG-ZustVO 2007 Rz. 8; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 14 VO (EG) 1393/2007 Rz. 6. 130 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10. 131 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 27 f.; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/19. 132 A.A. OGH v. 20.12.2012 – 2Ob217/12v zu I. 2.4 der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 29. 133 Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 14 EuZVO Rz. 7. – A.A. Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/19. 134 Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 14 EuZVO Rz. 7. – Abw. Springer, S. 60: effektive Übergabe. 135 A.A. Zöller/Geimer, Art. 14 EuZustVO Rz. 2, im Widerspruch dazu dann aber wie hier Zöller/Geimer, Art. 14 EuZustVO Rz. 5. 136 EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 40 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 14 EuZVO Rz. 26; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 14 EG-ZustVO 2007 Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 12.
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Art. 19 EU-ZustVO 2020 Elektronische Zustellung gen durch die veranlassende Stelle (s. Rz. 8 ff.).137 Dies bedeutet, dass die Belehrung dem zuzustellenden Schriftstück beizufügen und mit diesem durch Postdienste zuzustellen ist. Die Annahmeverweigerung unter Abwesenden, welche in der Praxis der Regelfall sein dürfte,138 ist zu erklären gegenüber der veranlassenden Stelle und nicht gegenüber dem Postdienst (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 111).139
Artikel 19 Elektronische Zustellung (1) Gerichtliche Schriftstücke können einer Person, die eine bekannte Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat hat, unmittelbar durch elektronische Mittel zugestellt werden, die nach dem Recht des Forummitgliedstaats für die inländische Zustellung von Schriftstücken vorgesehen sind, vorausgesetzt a) die Schriftstücke werden mittels eines qualifizierten Dienstes für die Zustellung elektronischer Einschreiben im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 versandt und empfangen und der Empfänger hat vorher ausdrücklich der Verwendung elektronischer Mittel für die Zustellung von Schriftstücken in gerichtlichen Verfahren zugestimmt oder b) der Empfänger hat dem angerufenen Gericht oder der mit dem Verfahren befassten Behörde oder der in dem betreffenden Verfahren für die Zustellung von Schriftstücken zuständigen Partei seine vorherige ausdrückliche Zustimmung zur Verwendung von E-Mails an eine bestimmte E-Mail-Adresse für die Zustellung von Schriftstücken im Rahmen des betreffenden Verfahrens erteilt und der Empfänger bestätigt die Zustellung des Schriftstücks mit einer Empfangsbestätigung, die das Empfangsdatum enthält. (2) Um die Sicherheit der Übermittlung zu gewährleisten, kann jeder Mitgliedstaat die zusätzlichen Bedingungen festlegen und der Kommission mitteilen, unter denen er die elektronische Zustellung nach Absatz 1 Buchstabe b zulässt, wenn nach seinem Recht strengere Bedingungen dafür gelten oder die elektronische Zustellung per E-Mail nicht zugelassen ist. I. 1. 2. 3. II. 1. 2.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . Möglichkeit zur elektronischen Zustellung . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veranlassende Stelle . . . . . . . . . . . . . . . a) Übermittlungsstellen und sonstige zustellungsberechtigte Stellen . . . . . . . . b) Nicht: Empfangsstellen . . . . . . . . . . . . 3. Zustellungsempfänger mit bekannter Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat . . . . 4. Elektronische Mittel . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mindestanforderungen . . . . . . . . . . . . . .
1 1 4 8 9 9 12 12 13 14 16 18
III. Nutzung der elektronischen Zustellung . . . 19
1. Ausführung der Zustellung . . . . . . . . . . . 2. Vorgaben des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mindestanforderungen . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Qualifizierter Dienst für elektronisches Einschreiben . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) E-Mail gegen Empfangsbestätigung . . . . 4. Zusätzliche Anforderungen zur Gewährleistung der Sicherheit der Übermittlung . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen der Anordnung weiterer Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt mitgliedstaatlicher Anordnungen . . 5. Zustellungsdatum . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Belehrung über Annahmeverweigerungsrecht
19 21 22 22 24 27 30 30 32 34 36 38
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
137 Vgl. Cour d’appel Angers v. 25.3.2014 – 11/02230; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 14 EuZVO Rz. 5; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 14 EuZVO Rz. 5. – Vgl. auch Springer, S. 98, 100: Belehrung kann nicht durch eine zwischengeschaltete Stelle erfolgen. 138 Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 14 EuZVO Rz. 3. 139 Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 14 EuZVO Rz. 5.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 19 EU-ZustVO 2020
I. Allgemeines 1. Normzweck Die Vorschrift gehört zu Abschnitt 2 (Art. 16–20 EU-ZustVO 2020) des Kapitels II über gerichtliche 1 Schriftstücke, welcher die Übermittlung eines Schriftstücks zum Zweck der grenzüberschreitenden Zustellung auf anderen Wegen als der einfachen Rechtshilfe regelt. Sie gehört wie Art. 17 EU-ZustVO 2020 und Art. 18 EU-ZustVO 2020 zu den Vorschriften über direkte, d.h. nicht unter Einbindung einer Empfangsstelle und auch nicht durch Stellen des Empfangsmitgliedstaats ausgeführte Zustellungen. Sie ist konzipiert insbesondere als digitale Entsprechung zur in Art. 18 EU-ZustVO 2020 geregelten Postdirektzustellung.1 Anders als die Vorschriften über die Rechtshilfe, zu denen auch Art. 16 EU-ZustVO 2020 gehört, regeln die Vorschriften über die direkte Zustellung nicht nur die Übermittlung eines zuzustellenden Schriftstücks in einen anderen Mitgliedstaat zum Zweck der Zustellung, sondern die Bewirkung der Zustellung durch Stellen des Ursprungsmitgliedstaats. Dies gilt auch für die elektronische Zustellung, wenn man die mitwirkenden Dienstleister als Gehilfen ihres jeweiligen Auftraggebers bzw. als Teil einer allgemeinen Infrastruktur versteht, und unterscheidet die elektronische Zustellung durch eine zustellungsberechtigte Stelle des Ursprungsmitgliedstaats direkt an den Zustellungsadressaten nicht zuletzt auch von der elektronischen Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen über das dezentrale IT-System (s. auch Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 6).2 Die Vorschriften über die direkte Zustellung sehen danach nicht vor einen Ausgleich dazu, sondern eine verordnungsautonome Ausnahme davon, dass Zustellungen nach tradierter Ansicht Hoheitsakte und daher auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu unterlassen (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 5, 67) sind. Die Vorschrift schränkt die Souveränität der Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaaten im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten dahin ein, dass aus einem Mitgliedstaat (Ursprungsmitgliedstaat) heraus Zustellungen an Personen mit einer bekannten Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat wie an Personen mit bekannter Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat durch elektronische Übermittlung gegen Empfangsbestätigung bewirkt werden können. Dieser Rücknahme des Souveränitätsanspruchs im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten liegen zugrunde der Umstand, dass elektronische Zustellungen im Kern der Information dienen und als solche nicht mit der Ausübung von Zwang i.e.S. verbunden sind. Dies gilt insbesondere, wenn der Zustellungsempfänger, wie von Abs. 1 vorausgesetzt, der elektronischen Zustellung vorab zugestimmt hat und die Zustellung erst bewirkt ist, wenn der Empfang des zuzustellenden Schriftstücks vom Zustellungsempfänger bzw. einem von diesem beauftragten qualifizierten Dienst bestätigt wurde. Hinzu kommt, dass sich elektronische Nutzerkonten, in welchen elektronische Nachrichten empfangen werden, nicht sachgerecht einem Hoheitsgebiet zuordnen lassen (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 44) und sich im Falle ihrer Nutzung die Ausübung von Staatsgewalt auf einem fremden Staatsgebiet nicht manifestiert. Elektronische Zustellungen tangieren den Souveränitätsanspruch des Empfangsmitgliedstaats mithin nur sehr eingeschränkt (grenzüberschreitende Bewirkung von Zustellungswirkungen), was unter Berücksichtigung des wechselseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten nicht rechtfertigt, dass ein Mitgliedstaat umfassend auf seiner Souveränität, welche er letztlich gar nicht tatsächlich zu verteidigen vermag, beharrt. Im Unterschied zu Art. 18 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 7), dessen Gegenstand die Postdirektzustellung ist, enthält die Vorschrift keine verordnungsautonome Zulassung der elektronischen Zustellung und regelt auch deren Ausführung nicht verordnungsautonom.3 Vielmehr verweist die Verordnung für beide Fragen ähnlich wie Art. 13 Abs. 1 S. 1 lit. b EG-BagatellVO (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 86) auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaats. Ergänzend zu diesem enthält Abs. 1 den Interessen beider Seiten (Antragsteller und Zustellungsadressat) Rechnung tragende Mindestbedingungen, denen die Ausführung der Zustellung genügen muss. Sie sollen ergänzend zur bereits durch die Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel als solcher gewährleisteten Beschleunigung der Übermittlung eine erhöhte Zuverlässigkeit der Übermittlung und eine erhöhte Gewissheit 1 Vgl. BT-Drucks. 20/1110, 29; Gottwald, MDR 2022, 1185 Rz. 8; Knöfel, RIW 2021, 473, 480; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 14; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, vor Art. 12 EuZVO Rz. 2. 2 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 14. 3 Vgl. Knöfel, RIW 2021, 473, 480.
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Art. 19 EU-ZustVO 2020 Elektronische Zustellung des Empfangs sichern, was im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten liegt. Darüber hinaus soll dem Zustellungsempfänger die Bedeutung des Zustellungsvorgangs vor Augen geführt werden (Warnfunktion) und er soll durch seine vorherige Einwilligung signalisieren, dass er sich dieser Bedeutung bewusst ist und daher eingehende Schriftstücke zur Kenntnis nehmen wird.4 Für den Antragsteller soll die Möglichkeit zum Nachweis der Zustellung und ihrer Einzelumstände (Zeitpunkt) gesichert werden (Empfangsbestätigung). Mit Rücksicht auf die Skepsis einiger Mitgliedstaaten5 eröffnet Abs. 2 in beschränktem Umfang für die Empfangsmitgliedstaaten die Möglichkeit, die Mindestbedingungen nach Abs. 1 lit. b zur Gewährleistung der Sicherheit der Übermittlung zu ergänzen, wenn nach ihrem Recht strengere Anforderungen gelten oder elektronische Zustellungen ausgeschlossen sind. 3
Der durch die Vorschrift geregelte Zustellungsweg birgt das Potential, grenzüberschreitende Zustellungen erheblich zu beschleunigen (vgl. auch Erwägungsgrund 31 S. 1, 2 EU-ZustVO 2020).6 Inwieweit dieses Potential in der Praxis tatsächlich ausgeschöpft werden kann, wird die Zukunft zeigen.7 Hemmend wirkt dabei, dass elektronische Zustellungen nur in Abhängigkeit vom Recht des Ursprungsmitgliedstaats zugelassen sind und dieser Zustellungsweg anders als insbesondere die Postzustellung nicht vollständig verordnungsautonom geregelt ist. Freilich unterscheidet sich die elektronische Zustellung von der Postzustellung dadurch, dass elektronische Zustellungen bislang nicht unionsweit vergleichbar etabliert sind,8 sondern der elektronischen Kommunikation sogar verbreitet unverändert weniger Vertrauen als der papiergebundenen Kommunikation entgegengebracht wird. Darüber hinaus erweisen sich als hemmend die in Abs. 1 formulierten Mindestbedingungen. Allein die Mindestbedingungen nach Abs. 1 lit. a können (theoretisch)9 bereits für die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks gewahrt werden. Dagegen können die Mindestbedingungen nach Abs. 1 lit. b nur für Zustellungen nach Verfahrenseinleitung erfüllt werden (insoweit ähnlich wie das Verfahren nach § 184 ZPO).10 Dies schränkt das praktische Anwendungsfeld der Vorschrift nicht unerheblich ein, weil die von Abs. 1 lit. a auf Absender- und Empfangsseite vorausgesetzte Nutzung eines qualifizierten Vertrauensdienstes jedenfalls für die grenzüberschreitende Kommunikation noch die große Ausnahme ist. Schließlich erweist sich als hemmend die Befugnis der Empfangsmitgliedstaaten zu einer weiteren Verschärfung der Anforderungen, weil diese Möglichkeit zur Rechtszersplitterung führt.11 2. Entstehungsgeschichte
4
Die Vorschrift wurde neu eingefügt.12 Die beiden Vorgängerverordnungen sahen ebenso wenig wie das HZPÜ und das HZÜ eine Direktzustellung auf elektronischem Weg vor.13 Soweit Art. 4 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 die Übermittlung von zuzustellenden Schriftstücken auf jedem geeigneten und da4 Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 2. 5 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 14. 6 Vgl. COM(2013) 858 final, S. 6; Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 5; SWD(2018) 287 final, S. 15, 43; Knöfel, RIW 2021, 473, 474, 479: wesentlicher Fortschritt, erhebliche Erwartungen; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 1. 7 Optimistisch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 1. Skeptisch dagegen Rühl, JZ 2023, 157, 164. 8 Vgl. European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, S. 57; Sujecki, EuZW 2021, 286, 290. 9 Vgl. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 2. 10 A.A. Richter, IPRax 2022, 433, 438; vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EU) 2020/1784 Rz. 19: lediglich „unwahrscheinlich“. 11 Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 3. 12 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1 f.; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 1; Knöfel, RIW 2021, 473, 479; Sujecki, EuZW 2021, 286, 289. 13 Vgl. COM(2013) 858 final, S. 6; SWD(2018) 287 final, S. 15, 22; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 1. – SWD(2018) 287 final, S. 44 („mainly due to the silence“) scheint dazu zu neigen, dass bereits unter der EG-ZustVO 2007 eine elektro-
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Art. 19 EU-ZustVO 2020
mit auch auf elektronischem Weg vorsah, betraf dies allein die von der elektronischen Direktzustellung zu unterscheidende (s. Rz. 1) Kommunikation im Rahmen der einfachen Rechtshilfe (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 3, 6), nicht aber die direkte Zustellung beim Zustellungsempfänger. Zurück geht die Vorschrift auf den Evaluationsbericht zur EG-ZustVO 200714 und den hieran an- 5 knüpfenden Art. 15a des Kommissionsentwurfs.15 Dieser sah – mit Blick auf die Digitalisierungsagenda der EU – vor, die elektronische Zustellung vergleichbar wie die Zustellung durch Postdienste verordnungsautonom als Form der Direktzustellung zuzulassen, wenn sie auf einem der beiden nunmehr in Abs. 1 als Mindestbedingungen vorgegebenen Wege erfolgt.16 Deutlicher als im geltenden Verordnungstext war dabei der zweite Weg für die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht eröffnet.17 Die sich daraus ergebende Abstufung findet sich dem Grundgedanken nach bereits in Art. 13 Abs. 2 EG-BagatellVO.18 Sie stand nach den Vorstellungen der Kommission zudem im Zusammenhang mit dem Vorschlag für einen Art. 7a (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 20, Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 15 ff.) – die Zustellungsform des Abs. 1 lit. b stand in einem Konkurrenzverhältnis zur Zulassung fiktiver Inlandszustellungen, was im laufenden Rechtsstreit gewisse Erleichterungen gegenüber Abs. 1 lit. a rechtfertigte. Nach den Plänen der Kommission sollte die elektronische Zustellung im beschriebenen Umfang ohne Rücksicht auf das Recht des Übermittlungs- und des Empfangsmitgliedstaats genutzt werden können, weil man sich von dieser Zustellungsform – nicht anders als bei Art. 13 Abs. 1 lit. b EG-BagatellVO19 – in besonderem Maße eine Beschleunigung grenzüberschreitender Zustellungen versprach. Die Stellungnahme des EWSA stimmte dem Kommissionsvorschlag zu,20 verkannte freilich, dass die 6 Einführung einer obligatorischen Kommunikation über ein dezentrales IT-System und die Einführung der elektronischen Zustellung zu unterscheidende Maßnahmen (s. Rz. 1) sind. Das Parlament folgte dem Ansatz der Kommission, die elektronische Zustellung verordnungsautonom zuzulassen. Neben redaktionellen Änderungen schlug das Parlament zum Schutz des Zustellungsadressaten aber vor, dass die Zustellung nicht einem der von der Kommission vorgesehenen Wege entsprechend, sondern so zu erfolgen hat, dass kumulativ beiden Wegen entsprochen wird. Anliegen war dabei, sicherzustellen, dass elektronische Zustellungen ausnahmslos nur nach vorheriger ausdrücklicher Zustimmung erfolgen dürfen. Zudem sollte die Kommission durch delegierten Rechtsakt die Modalitäten in Bezug auf das Funktionieren der qualifizierten Dienste für die Zustellung elektronischer Einschreiben, die für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke auf elektronischem Wege zu nutzen sind, festlegen dürfen.21 In den Beratungen des Rates wurde der grundsätzliche Ansatz der Kommission mit Rücksicht auf die Bedenken einiger Mitgliedstaaten aufgegeben. Eine elektronische Direktzustellung sollte nur in Abhängigkeit von der Zulässigkeit elektronischer Inlandszustellungen im Forummitgliedstaat (Ursprungsmitgliedstaat) zulässig sein. Voraussetzung sollte sein, dass die Zustellung auf einem der beiden schon von der Kommission benannten Wege erfolgt, wobei der Rat für den ersten der beiden Wege der Anregung des Parlaments folgend das Erfordernis einer vorherigen Zustimmung/Einwilligung
14
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nische Direktzustellung rechtlich zulässig gewesen wäre, was freilich mit Blick auf den Mangel an empfängerschützenden und die Rechtssicherheit sichernden inhaltlichen Vorgaben der Verordnung fernliegend ist. COM(2013) 858 final, S. 6; SWD(2018) 287 final, S. 15. Vgl. auch European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, S. 32, 79 (mit dem radikaleren und an den Modus des Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 erinnernden Vorschlag, dass die elektronische Zustellung gegen Empfangsbestätigung vorrangig ist). Prophetisch bereits Stadler, IPRax 2001, 514, 521. COM(2018) 379 final, S. 24. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 14. COM(2018) 379 final, S. 24. Vgl. dazu Varga in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2022), Art. 13 EG-BagatellVO Rz. 5. Vgl. COM(2013) 794 final, S. 7 f. ABl. EU 2019 C 62/62. P8_TA-PROV(2019)0104, Abänderung 48.
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Art. 19 EU-ZustVO 2020 Elektronische Zustellung ergänzend aufgenommen hat.22 Die Möglichkeit zur Zustellung durch Übersendung in ein E-Mailpostfach wurde beibehalten für Zustellungen innerhalb eines Rechtsstreits.23 Zudem sollte den Empfangsmitgliedstaaten die Befugnis zukommen, einen Vorbehalt gegen elektronische Direktzustellungen erklären zu dürfen.24 Außerdem sollte die elektronische Direktzustellung nicht mehr nach der unmittelbaren Zustellung, sondern nach der direkten Postzustellung und vor der unmittelbaren Zustellung eingestellt werden, um ihre Verwandtschaft mit der sowie ihre Gleichrangigkeit zur direkten Postzustellung zum Ausdruck zu bringen. Im Rahmen der weiteren Beratungen im Rat und der geführten Triloggespräche entfiel die Vorbehaltsmöglichkeit für die Empfangsmitgliedstaaten und an ihre Stelle trat eine eng gefasste Beschränkungsmöglichkeit.25 Diese ermöglicht nicht, elektronische Zustellungen (in E-Mailpostfächer) aufgrund allgemeiner Skepsis auszuschließen oder zu beschränken. Schließlich wurde die Regelung vor ihrem Erlass noch redaktionell überarbeitet. 3. Anwendungsbereich 8
Die Vorschrift erfasst nur die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. Sie findet unbeschadet der Verweisung in Art. 21 EU-ZustVO 2020 keine Anwendung auf die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke.26 Dafür spricht zunächst, dass die Möglichkeit zur elektronischen Zustellung ausweislich Erwägungsgrund 31 EU-ZustVO 2020 gerade zur Beschleunigung von Gerichtsverfahren geschaffen wurde und auch die folgenden beiden Erwägungsgründe sich auf Gerichtsverfahren beziehen. Vor allem aber ergibt sich dies daraus, dass die in Abs. 1 als Mindestbedingungen formulierten Wege zur Ausführung einer elektronischen Zustellung auf gerichtliche Verfahren Bezug nehmen (lit. a: Einwilligung in Nutzung „für die Zustellung von Schriftstücken in gerichtlichen Verfahren“; lit. b: Zustimmung wurde „dem angerufenen Gericht oder der mit dem Verfahren befassten Behörde oder der in dem betreffenden Verfahren für die Zustellung von Schriftstücken zuständigen Partei“ mitgeteilt) und weder die Vorschrift (anders in anderem Kontext z.B. Art. 12 Abs. 7 EU-ZustVO 2020) noch Art. 21 EU-ZustVO 2020 eine Aussage dazu treffen, wodurch die auf ein gerichtliches Verfahren ausgerichteten Merkmale bei der Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke substituiert werden können.
II. Möglichkeit zur elektronischen Zustellung 1. Überblick 9
Die Vorschrift enthält keine verordnungsautonome Zulassung der elektronischen Zustellung, d.h. der Zustellung durch elektronische Mittel. Vielmehr ordnet sie in Ansehung der Möglichkeit zur elektronischen Direktzustellung lediglich eine Gleichstellung der in den Anwendungsbereich der Verordnung fallenden grenzüberschreitenden Zustellungen mit Inlandszustellungen an. (Nur) In dem Umfang, in welchem im Ursprungsmitgliedstaat elektronische Zustellungen von gerichtlichen Schriftstücken möglich sind, kommt im Ausgangspunkt nach der Vorschrift auch eine grenzüberschreitende elektronische Direktzustellung in Betracht (Erwägungsgrund 31 S. 3 EU-ZustVO 2020).27 Dementsprechend müssen sich die im Recht des Ursprungsmitgliedstaats allgemein für elektronische Zustellungen vorgesehenen Beschränkungen nicht an Abs. 2 messen lassen, der seinerseits nur Beschränkungen durch den Empfangsmitgliedstaat anspricht. Auch richtet sich dementsprechend nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats, inwieweit eine elektronische Zustellung nur subsidiär zu anderen Zustellungswegen erfolgen darf. Die Vorschrift selbst begründet keine Subsidiarität zu anderen Zustellungswegen, insbesondere auch nicht zur Zustellung auf dem einfachen Rechtshilfeweg. Zugleich
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Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 14. Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 14. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 28. Ratsdok. 9890/20 (20.10.2020), S. 36. Vgl. auch BT-Drucks. 20/1888, 34. Peer/Scheuer, zak 2021, 27, 28; Richter, IPRax 2022, 433, 438; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 1.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 19 EU-ZustVO 2020
setzt die Vorschrift im Unterschied zu Art. 14 EG-ZustVO 2007 (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 7) nicht voraus, dass der Ursprungsmitgliedstaat (auf der Grundlage der Vorschrift) gerade für den grenzüberschreitenden Verkehr eine elektronische Direktzustellung zulässt. Vielmehr knüpft die Vorschrift (ähnlich wie Art. 20 EU-ZustVO 2020 für die Parteizustellung, s. Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 7 f.) daran an, dass nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats inländische elektronische Zustellungen zulässig sind. Die durch die Vorschrift angeordnete Gleichstellung mit Inlandszustellungen ist beschränkt auf Zu- 10 stellungsempfänger mit bekannter Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat (s. Rz. 14 f.) und die Ausführung der elektronischen Direktzustellung unter Wahrung der in Abs. 1 lit. a oder lit. b formulierten Mindestanforderungen (s. Rz. 22 ff.). Die entsprechenden Mindestanforderungen dienen dem Schutz des Zustellungsadressaten und sind nicht am Souveränitätsanspruch des Empfangsmitgliedstaats orientiert. Nach ihnen ist zunächst erforderlich, dass der Zustellungsempfänger (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 23, 25) vorab bestätigt hat, dass er auch elektronischen Zustellungen die Ernsthaftigkeit einer förmlichen Information beimisst.28 Zudem sichern sie, dass sich zuverlässig Gewissheit darüber erlangen lässt, dass ein Schriftstück in den Machtbereich des Zustellungsempfänger gelangt ist und von ihm zur Kenntnis genommen werden kann. Nicht beschränkt ist die Gleichstellung mit Inlandszustellungen auf Zustellungen durch Übermittlungsstellen. Vielmehr gilt sie auch für Zustellungen durch andere nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zustellungsberechtigte Stellen, wie nicht zuletzt auch deren Erwähnung in Abs. 1 lit. b nahelegt (s. Rz. 12). Entsprechend der Bezugnahme auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaats ist die Nutzung der elek- 11 tronischen Direktzustellung nicht davon abhängig, dass das Recht des Empfangsmitgliedstaats diese zulässt oder jedenfalls nicht ausschließt (anders zur Postzustellung z.B. Art. 10 lit. a HZÜ).29 Der Empfangsmitgliedstaat kann die Möglichkeit zur elektronischen Direktzustellung aus einem anderen Mitgliedstaat nicht ausschließen, selbst wenn sein Recht elektronische Direktzustellungen nicht kennt. Davor, die Bedeutung einer elektronischen Direktzustellung nicht zu erkennen, werden Zustellungsadressaten mit bekannter Zustelladresse im betreffenden Empfangsmitgliedstaat dadurch geschützt, dass sie vorab zumindest allgemein einer solchen ausdrücklich zugestimmt haben müssen und ihnen dadurch die besondere Bedeutung einer elektronischen Zustellung vor Augen geführt wird.30 Die Mitgliedstaaten sind als Empfangsmitgliedstaaten auch nicht berechtigt, elektronische Direktzustellungen aus allgemeiner Skepsis durch weitere Ausführungsanforderungen zu erschweren. Ihnen kommt vielmehr nach Abs. 2 lediglich eine eng beschränkte Befugnis zu, im Interesse einer sicheren Übermittlung für die Fälle des Abs. 1 lit. b weitere Anforderungen aufzustellen. 2. Veranlassende Stelle a) Übermittlungsstellen und sonstige zustellungsberechtigte Stellen Entgegen der h.A. zur Postzustellung unter Art. 14 EG-ZustVO 2007 erfolgt die Gleichstellung grenzüberschreitender elektronischer Direktzustellungen mit inländischen elektronischen Zustellungen im Ursprungsmitgliedstaat im Einklang mit dem die papiergebundene Postzustellung zulassenden Art. 18 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff.) nicht lediglich für die Zustellung durch Übermittlungsstellen, sondern ebenso für die Zustellung durch sonstige nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zustellungsberechtigte Personen.31 Dafür spricht, dass Abs. 1 lit. b ausdrücklich auf die „für die Zustellung von Schriftstücken zuständige[n] Partei“ Bezug nimmt. Der Weg der elektronischen Direktzustellung ist für zustellungsberechtigte Parteien dabei ohne Rücksicht auf Art. 20 EU-ZustVO 2020 eröffnet, weil die Zustellung nicht durch Stellen des Empfangsmitgliedstaats erfolgt und sie daher nicht in den Anwendungsbereich von Art. 20 EU-ZustVO 2020 fällt.
28 29 30 31
Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 2. A.A. BT-Drucks. 20/1110, 30; BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 15. Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 2. Vgl. Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2022, 97, 107. – A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7.
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Art. 19 EU-ZustVO 2020 Elektronische Zustellung b) Nicht: Empfangsstellen 13
Die Vorschrift betrifft nicht die Ausführung von Zustellungen durch Empfangsstellen im Empfangsmitgliedstaat. Ihr ist daher nicht zu entnehmen, dass eine um Rechtshilfegewährung zur Zustellung ersuchte Empfangsstelle das zuzustellende Schriftstück auch elektronisch zustellen lassen kann. Dies ergibt sich daraus, dass die Vorschrift die „unmittelbare“ Zustellung anspricht und damit darauf verweist, dass die Zustellung direkt ohne Einschaltung einer Empfangsstelle des Empfangsmitgliedstaats erfolgt. Weiter ergibt sich dies daraus, dass die Ausführung der Zustellung durch die Empfangsstelle im Empfangsmitgliedstaat ein innerstaatlicher Vorgang ist, den die Verordnung im Grundsatz nicht regeln will. Für die Zustellung durch eine Empfangsstelle gilt vielmehr Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020, d.h. maßgeblich ist das Recht des Empfangsmitgliedstaats. 3. Zustellungsempfänger mit bekannter Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat
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Der Zustellungsempfänger (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 23, 25) muss eine bekannte Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat haben. In diesem Erfordernis bringt der Verordnungsgeber parallel zur Wohnsitzanknüpfung in Art. 17 EU-ZustVO 2020 und zur Aufenthaltsanknüpfung in Art. 18 EU-ZustVO 2020 zum Ausdruck, dass die Postdirektzustellung ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Zustellungsadressaten oder -empfängers eröffnet sein soll (s. Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 9), weil dieser für die Zugehörigkeit zum Raum des Rechts keine entscheidende Bedeutung zukommt. Die Anknüpfung an die bekannte Zustelladresse anstatt an die Staatsangehörigkeit zielt danach auf eine klärende Ausweitung des Anwendungsbereichs. Zugleich beschränkt jedes zusätzliche Erfordernis aber den Anwendungsbereich einer Vorschrift. Da der Verordnungsgeber die sich aus einer Anknüpfung an den Wohnsitz ergebenden Beschränkungen (s. Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 9) für die elektronische Direktzustellung anders als für die Zustellung durch diplomatische oder konsularische Vertreter als nicht sachgerecht angesehen hat, knüpft die Vorschrift anders als Art. 17 EU-ZustVO 2020 nicht an den Wohnsitz des Zustellungsempfängers an. Zugleich wurde anders als im vorbildgebenden Art. 18 EU-ZustVO 2020 aber auch nicht an den Aufenthalt angeknüpft, weil sich bei der Ausführung der elektronischen Zustellung aufgrund der Ubiquität elektronischer Kommunikation anders als bei der Postdirektzustellung (dort im Grundsatz Erfordernis der Abgabe einer Empfangsbestätigung nebst Übergabe an den Postbediensteten) nicht bereits aufgrund ihrer Ausführung feststellen lässt, dass der Zustellungsempfänger im maßgeblichen Zeitpunkt gerade seinen Aufenthalt in einem (bestimmten) anderen Mitgliedstaat hatte und daher die Interessen gerade (auch) dieses Mitgliedstaats berührt werden. Anknüpfungspunkt ist daher vielmehr die bekannte physische Zustellungsanschrift. Für den Zustellungsempfänger muss eine solche in einem anderen, d.h. einem vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat bestehen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Zustellung. Ohne Belang ist, in welchem anderen Mitgliedstaat der Zustellungsadressat eine bekannte Zustelladresse hat. Es bedarf keiner irgendwie gearteten Beziehung der betreffenden Zustelladresse zu dem für die elektronische Zustellung genutzten elektronischen Postfach. Elektronische Kommunikation zeichnet sich gerade dadurch aus, dass dem Ort der Speicherung und des Abrufs sowie der „Nationalität“ des genutzten Providers keine Bedeutung beigemessen wird (s. auch Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 44).32 Unschädlich ist, dass der Zustellungsempfänger eine bekannte Zustelladresse in mehreren vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaaten hat. Unschädlich ist aber auch, dass der Zustellungsempfänger im Ursprungsmitgliedstaat eine bekannte Zustelladresse hat, weil auch das Fehlen einer bekannten Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 nur ein halbseitiges Erfordernis für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung ist (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 50 ff.); in diesem Fall kann die elektronische Zustellung freilich bereits nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats und ohne Rücksicht auf die Mindestvoraussetzungen nach Abs. 1 lit. a und lit. b erfolgen.
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Der Begriff der bekannten Zustelladresse ist verordnungsautonom auszulegen. Er bezeichnet wie im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 51 ff.) eine Adresse, d.h. einen durch nähere Angaben individualisierten Ort, an dem der Zustellungsempfänger (zumindest unter gewöhnlichen Umständen) physisch angetroffen und, wird er dort nicht angetroffen, ein 32 Vgl. BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 4. – A.A. Schlosser/Hess/Schlosser (4. Aufl. 2015), Art. 1 HZÜ Rz. 7a: „ausländische E-Mail-Adresse“.
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Schriftstück gegebenenfalls gleichwohl physisch in seinen Machtbereich gelangen kann (s. auch Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 44).33 Dagegen bezeichnet er nicht die Angaben zur Individualisierung eines elektronischen Postfachs (Kontos). Dies ergibt sich daraus, dass sich elektronische Postfächer ihrem Wesen nach nicht zur sinnvollen Verortung eines Zustellungsempfängers in einem Mitgliedstaat eignen (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 44). Denn während sich eine Postanschrift im Falle eines Umzugs ändert, werden elektronische Postfächer auch nach einem grenzüberschreitenden Umzug wohl ganz überwiegend unverändert weitergenutzt. Abweichendes gilt mit Rücksicht auf die Ausrichtung des Begriffs der Zustelladresse auf die Möglichkeit einer physischen Übergabe auch nicht für Postfächer, welche auf Grundlage spezifischer nationaler Rechtsvorschrift (vgl. §§ 10 ff. ERVV: Besonderes elektronisches Bürger- und Organisationenpostfach) eingerichtet und genutzt werden (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 52).34 4. Elektronische Mittel Der Begriff des elektronischen Mittels ist unbeschadet der Anknüpfung an das Recht des Ursprungs- 16 mitgliedstaats verordnungsautonom auszulegen. Nur in Bezug auf Zustellungsmittel, welche nach verordnungsautonomem Verständnis elektronisch sind, wird eine Gleichstellung von grenzüberschreitenden mit Inlandszustellungen angeordnet. Dementsprechend wird nur in diesem begrenzten Umfang auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaats Bezug genommen. Elektronische Mittel im Sinne der Vorschrift sind solche, welche beschränkt auf Absender und einen individualisierten Empfänger ermöglichen, dass eine nicht verkörperte (insbesondere nicht papiergebundene) Speicherung eines Schriftstücks nach unkörperlicher Übermittlung in den (nicht notwendig physisch, sondern gegebenenfalls nur rechtlich oder organisatorisch-faktisch beherrschten) Machtbereich des Adressaten so gelangt, dass dieser die Speicherung oder eine Wiedergabe derselben so aufbewahren oder speichern kann, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist und unverändert wiedergegeben werden kann. Dies umfasst z.B. die allgemein zugängliche Kommunikation per E-Mail über SMTP oder über Chatdienste (z.B. WhatsApp)35 ebenso wie die Kommunikation über ein nur für einen begrenzten Nutzerkreis zugängliches alternatives Kommunikationssystem (z.B. besonderes elektronisches Anwaltspostfach). Nicht erfasst ist (außerhalb von die Individualisierung des Empfängers ermöglichenden Chatfunktionen) die Kommunikation über social media-Kanäle (z.B. Instagram oder Facebook).
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5. Mindestanforderungen Nach Abs. 1 ist zwar erforderlich, dass eine elektronische Zustellung den Mindestanforderungen nach 18 Abs. 1 lit. a oder Abs. 1 lit. b genügt. Allerdings bedeutet dies nicht, dass die Vorschrift grenzüberschreitende Zustellungen den Inlandszustellungen nur gleichstellt, wenn das für Inlandszustellungen im Ursprungsmitgliedstaat geltende Recht vorschreibt, dass elektronische Zustellungen im Einklang mit den Mindestanforderungen ausgeführt werden. Die Gleichstellungsanordnung greift vielmehr hiervon unabhängig. Sie ist allerdings inhaltlich dahingehend beschränkt, dass nur eine in ihrer Ausführung den Mindestanforderungen genügende konkrete grenzüberschreitende elektronische Zustellung ohne Rücksicht auf den Souveränitätsanspruch des Empfangsmitgliedstaats zulässig ist (s. Rz. 22 ff.).
III. Nutzung der elektronischen Zustellung 1. Ausführung der Zustellung Die Zustellung durch elektronische Mittel kann für grenzüberschreitende Zustellungen im Rahmen der verordnungsautonom angeordneten Gleichstellung erfolgen. Ihre Nutzung kann aufgrund des 33 Vgl. SWD(2018) 287 final, S. 15: „physical residence“. 34 Das Problem sehend, aber ohne Aussage Knöfel, RIW 2021, 473, 480. 35 Zum HZÜ unter Verweis darauf, dass es sich nicht um eine Postzustellung handelt, bezweifelt von OLG Frankfurt v. 22.11.2021 – 28 VA 1/21, BeckRS 2021, 37322 Rz. 14.
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Art. 19 EU-ZustVO 2020 Elektronische Zustellung Anwendungsvorrangs der Verordnung (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 27) zunächst nicht durch den Ursprungsmitgliedstaat ausgeschlossen oder beschränkt werden, soweit eine reine Inlandszustellung durch elektronische Mittel nicht gleichermaßen ausgeschlossen oder beschränkt ist. Ebenso wenig kann der durch die bekannte Zustelladresse (s. Rz. 14 f.) bestimmte36 Empfangsmitgliedstaat diese Zustellungsform ausschließen oder beschränken. Er kann lediglich in eng begrenztem Umfang Anforderungen an die Ausführung der Zustellung begründen. 20
Die Ausführung der Zustellung durch elektronische Mittel richtet sich im Ausgangspunkt nach den allgemeinen Vorgaben des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats. Ergänzend dazu muss die Ausführung einer konkreten Zustellung den Mindestanforderungen nach Abs. 1 lit. a oder lit. b genügen. Anderenfalls ist sie nicht durch die Vorschrift legitimiert und infolge der Kollision mit dem Souveränitätsanspruch des Empfangsmitgliedstaats (s. Rz. 19) als Hoheitsakt nichtig. Schließlich kann dafür, dass die Zustellung durch die Vorschrift legitimiert ist, erforderlich sein, dass sie weiteren Anforderungen entspricht, welche durch das Recht des Empfangsmitgliedstaats (s. Rz. 19) zulässig und wirksam festgelegt wurden. Für den Fall, dass mehrere Empfangsmitgliedstaaten in Betracht kommen, ist dies für jeden gesondert zu beurteilen und ist ausreichend, dass die Zustellung vollständig den Anforderungen nach dem Recht eines Empfangsmitgliedstaats genügt (s. auch Rz. 36). Soweit sich die auf den verschiedenen Ebenen gestellten Anforderungen an die Durchführung einer Zustellung im Einzelfall nicht in Einklang bringen lassen, kann eine elektronische Zustellung nicht auf der Grundlage der Vorschrift bewirkt werden. 2. Vorgaben des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats
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Gerichtliche Schriftstücke in nach der ZPO geführten Verfahren könne nur nach Maßgabe von § 173 ZPO elektronisch zugestellt werden. Eröffnet ist danach bislang ausschließlich die elektronische Zustellung auf dem von Abs. 1 lit. a angesprochenen Weg.37 Dagegen können elektronische Zustellungen nicht per E-Mail gegen Empfangsbestätigung erfolgen. Gegenüber Abs. 1 lit. a stellt § 173 Abs. 4 S. 1, 3 ZPO teilweise erhöhte Anforderungen und fordert für andere als die in § 173 Abs. 2 ZPO benannten Zustellungsadressaten, welche natürliche Personen sind, eine auf ein konkretes Verfahren bezogene Zustimmung. Dies verstößt nicht gegen Abs. 2, der lediglich Beschränkungen durch den Empfangsmitgliedstaat anspricht. Hinter den Mindestanforderungen des Abs. 1 lit. a bleibt dagegen § 173 Abs. 4 S. 2 ZPO dadurch zurück, dass er dem Ausdrücklichkeitserfordernis auch unter Berücksichtigung von Erwägungsgrund 32 S. 3 EU-ZustVO 2020 („Verwendung dieses Systems im Zusammenhang mit der Zustellung“) nicht genügt; die Regelung hat insoweit unangewendet zu bleiben. Ist Ursprungsmitgliedstaat Österreich, richtet sich die Zulässigkeit einer elektronischen Zustellung nach §§ 28 ff. österr. ZustellG und §§ 89a ff. österr. GOG. 3. Mindestanforderungen a) Allgemeines
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Die Ausführung der Zustellung muss den Mindestanforderungen nach Abs. 1 lit. a oder Abs. 1 lit. b genügen. Diese sollen die Authentizität der zu übermittelnden Schriftstücke und daneben sichern, dass durch eine Zustimmung im Voraus kompensiert wird, dass einer elektronischen Zustellung kein den anderen Zustellungsformen vergleichbarer Warneffekt zukommt (vgl. Erwägungsgrund 31 S. 3 EU-ZustVO 2020). Überdies sollen sie zugunsten des Antragstellers den Nachweis der Zustellung ermöglichen.
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Ausreichend ist, dass auf einem der beiden beschriebenen Wege den Mindestanforderungen genügt wird (vgl. Erwägungsgründe 32, 33 EU-ZustVO 2020). Es muss nicht zugleich den Anforderungen nach Abs. 1 lit. a und Abs. 1 lit. b genügt werden.38 Beide in Abs. 1 beschriebenen Zustellungswege stehen, sind sie eröffnet, gleichrangig nebeneinander und es besteht kein Subsidiaritätsverhältnis. Die veranlassende Stelle kann zwischen beiden Zustellungswegen, sind sie nebeneinander eröffnet, wäh36 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6. 37 Vgl. BT-Drucks. 20/1110, 30. 38 Sujecki, EuZW 2021, 286, 289.
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len. Allerdings sind nicht stets beide Zustellungswege nebeneinander eröffnet. Zunächst unterscheiden sich auf der Ebene der Verordnung die Anwendungsbereiche der beiden Zustellungswege. Anders als der Zustellungsweg nach Abs. 1 lit. a ist der Zustellungsweg nach Abs. 1 lit. b nur im Rahmen eines bereits laufenden Rechtsstreits, d.h. nach Einbeziehung des Zustellungsadressaten in das Prozessrechtsverhältnis eröffnet und steht daher nicht für die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks zur Verfügung (s. Rz. 3, 5).39 Dies ergibt sich daraus, dass nach Abs. 1 lit. b erforderlich ist die ausdrückliche Zustimmung insbesondere gegenüber einem angerufenen Gericht zur Verwendung in einem betroffenen Verfahren. Demgegenüber fordert Abs. 1 lit. a lediglich die allgemeine Zustimmung zur Verwendung in einem Rechtsstreit, was auch die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks umfasst. Darüber hinaus richtet sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats, ob und welche/r Zustellungsweg/e für ein Schriftstück eröffnet ist/sind (s. Rz. 20, 21). b) Qualifizierter Dienst für elektronisches Einschreiben Den sich aus Abs. 1 lit. a ergebenden Mindestanforderungen genügt eine Zustellung, wenn kumulativ der Zustellungsempfänger im Voraus der elektronischen Zustellung ausdrücklich zugestimmt hat und die Zustellung ausgeführt wird mittels eines qualifizierten Dienstes für die Zustellung elektronischer Einschreiben.
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Erste Voraussetzung ist, dass der Zustellungsempfänger (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 23, 25; oder 25 für diesen ein Stellvertreter) der Verwendung elektronischer Mittel für die Zustellung von Schriftstücken in gerichtlichen Verfahren ausdrücklich zugestimmt hat und die Zustellung durch die Zustimmung gedeckt ist.40 Die Zustimmung muss im Voraus, d.h. vor der Nutzung dieses Zustellungsweges erklärt worden sein (vgl. Erwägungsgrund 32 S. 1, 3 EU-ZustVO 2020 a.E.).41 Eine nachgehende Genehmigung genügt nicht (sie wäre sonst praktisch formularmäßig in der Empfangsbestätigung enthalten). Inhaltlich muss die Zustimmung umfassen den Willen, durch elektronische Mittel bewirkte Zustellungen gegen sich bzw. den vom Zustellungsempfänger repräsentierten Zustellungsadressaten gelten zu lassen. Dieser Wille muss sich auf Zustellungen in gerichtlichen Verfahren beziehen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist insoweit, dass sich der Wille auch auf das Verfahren bezieht, in dem die Zustellung erfolgen soll. Anders als nach Abs. 1 lit. b ist nicht notwendig ein auf ein konkretes Verfahren bezogener Wille, sondern es genügt der Wille, generell in gerichtlichen Verfahren (bestimmter Art) Zustellungen durch elektronische Mittel gelten lassen zu wollen (Erwägungsgrund 32 S. 2 EU-ZustVO 2020).42 Dies kann z.B. auch erfolgen im Rahmen von Streitbeilegungsklauseln.43 Entgegen teilweiser Annahme ist im Rahmen von Abs. 1 lit. a nicht erforderlich, dass die Zustimmung auch die zu nutzende Empfangsadresse benennt.44 Notwendig ist eine ausdrückliche, d.h. unter Verwendung von vernünftigen Zweifeln keinen Raum lassenden Erklärungszeichen vorgenommene Erklärung. Eine konkludente Zustimmung z.B. durch Bekanntgabe der Anschrift eines Postfachs, genügt nicht.45 Für eine ausdrückliche Zustimmung ist aber ausreichend als solche die Anmeldung zur Nutzung eines Systems, mit dem im Ursprungsmitgliedstaat gerichtliche Schriftstücke zugestellt werden (z.B. besonderes elektronisches Anwaltspostfach, vgl. Erwägungsgrund 32 S. 3 EU-ZustVO 2020).46 Im Unterschied zu Abs. 1 lit. b trifft Abs. 1 lit. a keine ausdrückliche Aussage dazu, gegenüber wem eine Zustimmung zu erklären ist.47 Da für Abs. 1 lit. a nach dem Vorgesagten eine generelle Zustimmung ausreicht, kann insoweit auch keine analoge Anwendung der von Abs. 1 lit. b vorgesehenen Begrenzung des Adressatenkreises erfolgen. Gleichwohl ist der Kreis der möglichen Zustimmungsgegner der Vorschrift und nicht dem Recht des Empfangsmitgliedstaats oder des 39 A.A. Richter, IPRax 2022, 433, 438. 40 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 3; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 2. 41 BT-Drucks. 20/1110, 30; Peer/Scheuer, zak 2021, 27, 28. Unklar Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2022, 97, 107: „jedenfalls aber auch im Voraus“. 42 Peer/Scheuer, zak 2021, 27, 28; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 2. 43 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 3. 44 A.A. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 3. 45 Knöfel, RIW 2021, 473, 480; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 2. 46 Sujecki, EuZW 2021, 286, 289. 47 Vgl. auch Sujecki, EuZW 2021, 286, 289.
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Art. 19 EU-ZustVO 2020 Elektronische Zustellung Ursprungsmitgliedstaats zu entnehmen.48 Nach Sinn und Zweck kann die Zustimmung zu ihrer Wirksamkeit erklärt werden gegenüber jeder von Zustellungsempfänger und -adressat verschiedenen Person, welche an der nach der Vorschrift auszuführenden Zustellung (als Absender, Antragsteller oder Intermediär) beteiligt oder von ihr bzw. ihren Wirkungen betroffen ist. Dem genügt auch eine Zustimmung gegenüber der Allgemeinheit. Unberührt bleibt, dass die Zustimmung bei Anwendung der Vorschrift festgestellt werden muss. Die Zustimmung ist nicht formbedürftig und kann auch elektronisch erteilt werden. Keine (ausdrückliche) Aussage trifft Abs. 1 lit. a dazu, ob die Zustimmung eingeschränkt erteilt werden kann bzw. welche Bedeutung einer eingeschränkten Zustimmung zukommt, und zur Widerruflichkeit der Zustimmung. Gleichwohl sind diese Fragen anhand der Verordnung und nicht des Recht des Ursprungs- oder Empfangsmitgliedstaats zu beantworten. Mit Rücksicht auf die Funktion des Zustimmungserfordernisses ist davon ausgehen, dass eine Zustimmung eingeschränkt erteilt werden und eine erteilte Zustimmung durch Erklärung mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann, wobei ein Widerruf wirksam wird jeweils mit der für die jeweilige veranlassende Stelle unter gewöhnlichen Umständen bestehenden Möglichkeit zur Kenntnisnahme. 26
Zweite Voraussetzung ist, dass die Zustellung mittels eines qualifizierten Dienstes für die Zustellung elektronischer Einschreiben nach Art. 3 Nr. 37 eIDAS-VO erfolgt. In technisch-organisatorischer Hinsicht setzt dies voraus, dass der genutzt Dienst die Voraussetzungen von Art. 44 eIDAS-VO erfüllt.49 Notwendig ist dafür, dass der Dienst von einem oder mehreren qualifizierten Vertrauensdienstanbietern (Art. 3 Nr. 20 eIDAS-VO) erbracht wird, d.h. diese/r die Übermittlung ebenso wie die Einholung und Rücksendung der Empfangsbestätigung besorgen/besorgt. Zudem muss der Dienst die Identifizierung des Absenders mit einem hohen Maß an Vertrauenswürdigkeit und vor der Zustellung der Daten die Identifizierung des Empfängers sicherstellen. Weiter muss dabei das Senden und Empfangen gegen das unbemerkte Verändern übermittelter Daten durch eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder ein fortgeschrittenes elektronisches Siegel eines qualifizierten Vertrauensdienstanbieters gesichert sein. Jede Veränderung der Daten, die zum Absenden oder Empfangen der Daten nötig ist, wird dem Absender und dem Empfänger der Daten deutlich angezeigt. Schließlich müssen Datum und Zeit des Absendens, Empfangens und Änderns von Daten mit einem qualifizierten elektronischen Zeitstempel angezeigt werden. In tatsächlicher Hinsicht ist weiter notwendig, dass zu einer erfolgten Zustellung in elektronischer Form eine beweiskräftige Bestätigung des Empfangs ausgestellt wird. Erst damit ist der Zustellungsvorgang komplettiert. Die beweiskräftige Bestätigung muss nicht notwendig durch den Empfänger ausgestellt sein, sondern kann auch durch den vom Empfänger beauftragten Vertrauensdienstanbieter automatisch generiert sein. Anders als im Rahmen von Art. 18 EU-ZustVO 2020 kommt der Bestätigung keine Warnfunktion zu, welcher es neben der ausdrücklichen Zustimmung nicht bedarf. Inhaltlich ist erforderlich, dass bestätigt wird, dass ein zumindest anhand einer Sendungsnummer o.Ä. identifizierbares konkretes Schriftstück in den Machtbereich des Empfängers gelangt, d.h. in dessen Empfangseinrichtung gelangt ist. Nicht zum Tatbestand der Mindestanforderungen gehört und kein Wirksamkeitserfordernis ist, dass die Empfangsbestätigung an den Absender zurückgelangt. Die Empfangsbestätigung ist auch nicht das einzige zulässige Mittel für den Zustellungsnachweis. Gelangt eine abgesandte Empfangsbestätigung nicht zurück an den Absender der Zustellung, kann der Zustellungsnachweis auch anderweitig erbracht werden, muss dann freilich neben der erfolgreichen Übermittlung auch den Akt der Empfangsbestätigung abdecken. c) E-Mail gegen Empfangsbestätigung
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Den sich aus Abs. 1 lit. b ergebenden Mindestanforderungen genügt eine Zustellung, wenn kumulativ der Zustellungsempfänger im Voraus in einem eingeleiteten Verfahren50 gegenüber einer an diesem Verfahren beteiligten Stelle ausdrücklich die Zustimmung zur Nutzung einer konkreten E-Mailadresse für die Zustellung von das betreffende Verfahren berührenden Schriftstücken erklärt hat und der Zustellungsempfänger nachgehend zum Empfang eines Schriftstücks dessen Empfang unter Angabe des Empfangsdatums bestätigt. 48 A.A. Rühl, JZ 2023, 157, 160 f. mit Fn. 40. 49 Vgl. dazu näher auch Eichel, ZVglRWiss 119 (2020), 220, 229. 50 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 2.
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Art. 19 EU-ZustVO 2020
Erste Voraussetzung ist, dass der Zustellungsempfänger (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 23, 25; oder 28 für diesen ein Stellvertreter) der Verwendung elektronischer Mittel für die Zustellung von Schriftstücken in einem konkreten Verfahren ausdrücklich zugestimmt hat und die Zustellung durch die Zustimmung gedeckt ist.51 Die Zustimmung muss im Voraus, d.h. vor der Nutzung dieses Zustellungsweges erklärt worden sein (vgl. Erwägungsgrund 33 S. 1 EU-ZustVO 2020).52 Eine nachgehende Genehmigung genügt nicht (s. auch Rz. 25). Inhaltlich muss die Zustimmung umfassen den Willen, in einem konkreten Verfahren an eine bestimmte E-Mailadresse übermittelte Schriftstücke als zugestellt gegen sich bzw. einen repräsentierten Zustellungsadressaten gelten zu lassen. Dies schließt Vorabzustimmungen im Rahmen von Streitbeilegungsklauseln weitgehend aus.53 Dieser Wille muss sich mithin auf Zustellungen in einem konkreten und in der Zustimmung individualisierten gerichtlichen Verfahren beziehen.54 Eine generelle Zustimmung genügt anders als im Rahmen von Abs. 1 lit. a nicht. Weiter muss in der Zustimmung eine bestimmte E-Maildresse benannt werden (vgl. Erwägungsgrund 33 S. 2 EU-ZustVO 2020: „für die Zustellung angegebenen E-Mail-Adresse“).55 Notwendig ist eine ausdrückliche, d.h. unter Verwendung von vernünftigen Zweifeln keinen Raum lassenden Erklärungszeichen vorgenommene Erklärung (s. auch Rz. 25). Die Zustimmung muss gegenüber einer in dem bereits unter Beteiligung des Zustellungsadressaten geführten Verfahren zustellungsberechtigten Stelle (angerufenes Gericht, mit dem Verfahren befasste Behörde oder für die Zustellung von Schriftstücken zuständige Partei) erklärt worden sein (Erwägungsgrund 33 S. 1 EU-ZustVO 2020).56 Nicht notwendig ist, dass die Zustimmung gerade der eine Zustellung auf der Grundlage der Vorschrift ausführenden Stelle erklärt wurde. Eine Zustimmung gegenüber sonstigen (am Verfahren nicht beteiligten bzw. nicht zustellungsberechtigten) Personen genügt aber nicht. Die Zustimmung ist nicht formbedürftig und kann auch elektronisch erteilt werden. Für Beschränkbarkeit und Widerruf der Zustimmung s. Rz. 25. Zweite Voraussetzung ist, dass die Übermittlung eines Schriftstücks das Verfahren betrifft, zu welchem die Zustimmung erteilt wurde, die Übermittlung erfolgreich auf die in der Zustimmung benannte E-Mailadresse bewirkt wurde und der Zustellungsempfänger den Empfang des Schriftstücks bestätigt. Die Zustellung muss danach tatsächlich gegen Empfangsbestätigung erfolgen. Dies bedeutet, dass der Tatbestand der Zustellung auch umfasst, dass der Zustellungsempfänger den Empfang über die benannte E-Maildresse zum Zweck der Information des Absenders sowie zum Nachweis über die Zustellung bestätigt (vgl. Erwägungsgrund 33 S. 1 EU-ZustVO 2020). Die Bestätigung muss, wie der Wortlaut eindeutig vorgibt, gerade durch den Zustellungsempfänger, nicht dagegen durch den Intermediär oder automatisiert erfolgen. Inhaltlich ist erforderlich, dass der Bestätigungsberechtigte durch gesonderte und ausdrückliche Erklärung zum Ausdruck bringt, dass ihm eine (z.B. durch eine eindeutige Sendungsnummer bezeichnete) bestimmte Sendung erfolgreich übermittelt wurde. Nicht erforderlich ist, dass die Bestätigung auch das zuzustellende Schriftstück konkret bezeichnet, weil und soweit eine Zuordnung zur empfangenen E-Mail z.B. anhand der Sendungsnummer möglich ist. Unentbehrlich ist, dass die Bestätigung ein Empfangsdatum bezeichnet.57 Die Bestätigung kann elektronisch, auch unter Nutzung der Funktion Abgabe einer angeforderten Lesebestätigung,58 aber auch durch eine gesonderte Erklärung auf dem Postweg erfolgen (vgl. Erwägungsgrund 33 S. 2, 3 EU-ZustVO 2020). Diesbezüglich machen die Mindestanforderungen nach Abs. 1 lit. b keine besonderen Vorgaben. Über den Wortlaut von Abs. 1 lit. b hinaus gehört nach Erwägungsgrund 33 S. 1 EU-ZustVO 2020 a.E. zum Tatbestand der Zustellung und ist daher Wirksamkeitserfordernis, dass
51 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 2. 52 Peer/Scheuer, zak 2021, 27, 28. Unklar Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2022, 97, 107: „jedenfalls aber auch im Voraus“. 53 A.A. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 3. 54 BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 11; Peer/Scheuer, zak 2021, 27, 28; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 2. 55 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 3; Peer/Scheuer, zak 2021, 27, 28; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 2. 56 Gebauer/Wiedmann/Sujecki, vor Art. 12 EuZVO Rz. 2. – Abw. Knöfel, RIW 2021, 473, 481: nur das Prozessgericht als Adressat benennend. 57 Vgl. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, vor Art. 12 EuZVO Rz. 2. 58 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 2.
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29
Art. 19 EU-ZustVO 2020 Elektronische Zustellung die Empfangsbestätigung an den Absender zurückgelangt.59 Die Empfangsbestätigung ist danach zwar nicht das einzige zulässige Mittel für den Zustellungsnachweis. Um den Zustellungsnachweis anderweitig zu erbringen, muss allerdings neben der Übergabe und dem Akt der Empfangsbestätigung auch der Empfang der Empfangsbestätigung bewiesen werden. 4. Zusätzliche Anforderungen zur Gewährleistung der Sicherheit der Übermittlung a) Allgemeines 30
Nach Abs. 2 kommt den Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaat60 die eng begrenzte Befugnis zu, zusätzliche Anforderungen an elektronische Direktzustellungen aus einem anderen Mitgliedstaat zu stellen. Diese Anforderungen können Aspekte wie die Identifizierung des Absenders und des Empfängers, die Unversehrtheit der übermittelten Schriftstücke und den Schutz der Übermittlung vor äußeren Eingriffen betreffen (Erwägungsgrund 33 S. 5 EU-ZustVO 2020). Hat ein Empfangsmitgliedstaat entsprechende zusätzliche Anforderungen wirksam angeordnet, ist nur eine auch diesen Anforderungen, gegebenenfalls nach einer vom Empfangsmitgliedstaat vorgesehenen Heilung, genügende elektronische Zustellung durch die Vorschrift legitimiert und wirksam. Kann den zusätzlichen Anforderungen nicht unter Erfüllung auch der sich aus dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats und aus Abs. 1 ergebenden Anforderungen genügt werden, ist eine elektronische Zustellung nicht möglich.
31
Zusätzliche Anforderungen können die Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaat auf der Grundlage des insoweit abschließenden Abs. 2 nur für die Nutzung des durch Abs. 1 lit. b angesprochenen Übermittlungswegs (E-Mail) formulieren. Dagegen können für die Nutzung des durch Abs. 1 lit. a angesprochenen Übermittlungswegs keine zusätzlichen Anforderungen durch einen Empfangsmitgliedstaat gestellt werden.61 In dem durch das Recht des Ursprungsmitgliedstaats gesetzten Rahmen regelt Abs. 1 lit. a die bei Nutzung dieses Übermittlungswegs zu erfüllenden Anforderungen abschließend. Hintergrund hierfür ist, dass der in Abs. 1 lit. a angesprochene Übermittlungsweg eine sichere Übermittlung hinreichend gewährleistet und weitere Anforderungen nicht aus den in Abs. 2 genannten Gründen gerechtfertigt sein können. b) Voraussetzungen der Anordnung weiterer Anforderungen
32
Gestützt auf Abs. 2 können zusätzliche Anforderungen nur angeordnet werden, wenn sie (oder ein weitergehendes Erfordernis, z.B. auch vollständiger Ausschluss) auch für innerstaatliche elektronische Zustellungen gelten62 und sie dem Zweck dienen, die Sicherheit der Übermittlung zu erhöhen. Dagegen können insbesondere keine zusätzlichen Anforderungen zu dem Zweck angeordnet werden, dass dem Zustellungsempfänger die Bedeutung der Übermittlung besonders vor Augen geführt wird (Warnfunktion). Auch kann z.B. nicht im Interesse des Zustellungsempfängers eine unbedingte Übersetzungsobliegenheit angeordnet werden. Die zusätzlichen Anforderungen müssen zur Verfolgung des legitimen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen sein.
33
Die Anordnung zusätzlicher Anforderungen folgt dem Recht bzw. den Traditionen des durch die bekannte Zustelladresse bestimmten (s. Rz. 19) Empfangsmitgliedstaats (zu mehreren Empfangsmitgliedstaaten s. Rz. 20, 36). Die in Abs. 2 benannte Mitteilung an die Kommission ist aus Sicht der Verordnung nur deklaratorisch. Sie ist weder Voraussetzung einer wirksamen Anordnung noch ersetzt sie eine wirksame Anordnung. Vielmehr ist die Verpflichtung zur Mitteilung Folge der Anordnung im Recht des Empfangsmitgliedstaats und nicht Voraussetzung oder Tatbestand dieser. Mit wirksamer Anordnung entsteht für den Empfangsmitgliedstaat nach Abs. 2 i.V.m. Art. 33 EU-ZustVO 2020 eine Verpflichtung zur Mitteilung an die Kommission.
59 60 61 62
Vgl. auch Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 2: hängt in der Schwebe. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EU) 2020/1784 Rz. 25. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10. – A.A. Knöfel, RIW 2021, 473, 481. Richard, Rev.crit.DIP 2021, 349, 355.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 19 EU-ZustVO 2020
c) Inhalt mitgliedstaatlicher Anordnungen Nach § 1068 ZPO können an Adressaten in der Bundesrepublik Deutschland gerichtliche Schriftstücke nur nach Art. 19 Abs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020 elektronisch zugestellt werden. Stattfinden soll danach ausschließlich eine elektronische Zustellung über qualifizierte Dienste für die Zustellung elektronischer Einschreiben. Eine elektronische Zustellung per E-Mail gegen Empfangsbestätigung soll dagegen ausscheiden. Der vollständige Ausschluss des Übermittlungswegs E-Mail ist durch Abs. 2 allerdings nicht gedeckt,63 weil die Mitgliedstaaten nur zusätzliche Anforderungen formulieren, nicht aber einen Übermittlungsweg ausschließen dürfen. Die deutsche Regelung ist verordnungswidrig64 und hat daher unangewendet zu bleiben. Die Rechtslage in Österreich lässt im Vergleich zur deutschen Rechtslage weit weniger Skepsis gegenüber elektronischen Zustellungen erkennen.65 Ausweislich der im Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen veröffentlichten Mitteilung der Republik Österreich hat diese darauf verzichtet, nach Abs. 2 weitere Anforderungen zu stellen.
34
Im Übrigen haben die Mitgliedstaaten ausweislich der Veröffentlichung im Europäischen Gerichts- 35 atlas für Zivilsachen wie folgt von der Beschränkungsmöglichkeit des Abs. 2 Gebrauch gemacht (Stand: 1.5.2023): Belgien Für Schriftstücke, die nicht rein informativ sind und Rechtswirkung (wie etwa Beginn der Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs) entfalten, muss gewährleistet sein, dass (a) sich die an der elektronischen Kommunikation Beteiligten zuverlässig ermitteln lassen, (b) die Unversehrtheit der übermittelten Schriftstücke sowie die Sicherheit und die Vertraulichkeit des Austauschs sichergestellt sind, (c) die Speicherung der vorgenommenen Übermittlungen erfolgt, (d) das Datum, an dem das Schriftstück versandt wurde, sich sicher feststellen lässt und (e) sichergestellt ist, dass der Empfänger der elektronischen Zustellung zugestimmt hat.
Bulgarien Keine Beschränkung vorgesehen.
Dänemark Keine Beschränkung mitgeteilt.
Estland Die Meldung Estlands betrifft nicht Beschränkungen nach Abs. 2, sondern die Anforderungen für von Estland ausgehende elektronische Zustellungen.
Finnland Keine Beschränkung vorgesehen.
Frankreich Das verwendete Verfahren muss die Zuverlässigkeit der Identifizierung der Parteien der elektronischen Kommunikation, die Integrität der gesendeten Dokumente, die Sicherheit und Vertraulichkeit des Austauschs, die Aufbewahrung der durchgeführten Übertragungen gewährleisten und es ermöglichen, mit Sicherheit festzustellen das
63 Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 3. 64 Fabig/Windau, NJW 2022, 1977 Rz. 7; Gottwald, MDR 2022, 1185 Rz. 10; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EU) 2020/1784 Rz. 26; Prütting/Gehrlein/Windau, § 1068 ZPO Rz. 1, Art. 19 EuZVO Rz. 1. – A.A. BTDrucks. 20/1110, 21; BeckOK/ZPO/Hiss/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 19 EuZVO 2022 Rz. 15; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 19 EuZuStVO Rz. 1. Wohl auch Bellardita, DGVZ 2023, 1, 3: Beschränkung sei konsequent. Unklar Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-ZustellVO Rz. 14, der eine solche Beschränkung empfiehlt, aber nicht ganz eindeutig erkennen lässt, ob sich diese Empfehlung an die Mitgliedstaaten nur als Ursprungs- oder auch als Empfangsmitgliedstaat oder gar nur an die EU richtet. Verfehlt Wagner, EuZW 2022, 733, 734, der meint, § 1068 ZPO regele die Zulässigkeit der aus Deutschland heraus erfolgenden elektronischen Zustellungen. 65 Vgl. Eichel, ZVglRWiss 119 (2020), 220, 226.
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Art. 19 EU-ZustVO 2020 Elektronische Zustellung Datum der Absendung und der Bereitstellung oder des Empfangs beim Empfänger (Art. 748-6 frz. ZPO). Um gültig zu sein, muss das Zustellungsdokument zudem den Hinweis auf die Zustimmung des Empfängers zur elektronischen Zustellung (Art. 662-1 frz. ZPO) sowie Datum und Uhrzeit der Kenntnisnahme durch den Empfänger des Dokuments enthalten (Art. 663 frz. ZPO).
Griechenland Keine Beschränkung mitgeteilt.
Irland Keine Beschränkung vorgesehen.
Italien Keine Beschränkung mitgeteilt.
Kroatien Keine Beschränkung vorgesehen.
Lettland Keine Beschränkung vorgesehen.
Litauen Keine Beschränkung vorgesehen.
Luxemburg Keine Beschränkung vorgesehen.
Malta Keine Beschränkung vorgesehen.
Niederlande Keine Beschränkung mitgeteilt.
Polen Keine Beschränkung vorgesehen.
Portugal Keine Beschränkung vorgesehen.
Rumänien Keine Beschränkung vorgesehen.
Schweden Keine Beschränkung vorgesehen.
Slowakei Die Meldung der Slowakei betrifft nicht Beschränkungen nach Abs. 2.
Slowenien Keine Beschränkung vorgesehen.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 19 EU-ZustVO 2020
Spanien Keine Beschränkung vorgesehen.
Tschechische Republik Die Zustellungsbescheinigung muss durch eine elektronische Signatur auf der Grundlage eines qualifizierten elektronischen Signaturzertifikats oder durch eine qualifizierte elektronische Signatur unterzeichnet werden.
Ungarn Keine Beschränkung vorgesehen.
Zypern Keine Beschränkung mitgeteilt.
5. Zustellungsdatum Nach Art. 13 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 gilt die Regelung über das doppelte Datum auch für die elektronische Direktzustellung. Der Empfangsmitgliedstaat bestimmt sich dabei nach der bekannten Zustelladresse (s. Rz. 14 f., 19). Verfügt der Empfänger in mehreren anderen Mitgliedstaaten über bekannte Zustelladressen, sind alternativ mehrere Rechte berufen mit der Folge, dass im Ergebnis dasjenige dieser Rechte, welches zum frühesten Zeitpunkt einer wirksamen Zustellung führt, anzuwenden ist. Für eine entsprechende Kollisionsregel spricht, dass durch Art. 13 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 (neben dem zuverlässigen Ausstellen der Zustellungsbescheinigung) lediglich gesichert werden soll, dass die Zustellungswirkungen nicht unerwartet früh nach einem für den Zustellungsempfänger fremden Recht eintreten und das Recht keines der Empfangsmitgliedstaaten im vorausgesetzten Sinne fremd ist.66 Sieht das Recht eines Empfangsmitgliedstaats keine elektronischen Zustellungen vor, enthält es regelmäßig auch keine Vorschrift zur Bestimmung des Zustellungsdatums. In diesem Fall ist die bestehende Regelungslücke entsprechend den Traditionen und Methoden des Empfangsmitgliedstaats zu schließen (in § 173 Abs. 3, 4 ZPO wird erkennbar, dass es keine naturgegeben richtige Lösung gibt, sondern verschiedene Lösungen vorstellbar sind).
36
Für in Deutschland eingehende elektronische Zustellungen bestimmt sich der Zustellungszeitpunkt daher der Verweisung in Art. 13 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 folgend nach § 173 Abs. 3, 4 S. 4, 5 ZPO. Für zum Zweck der Wahrung einer nach deutschem Recht laufenden Frist erfolgende elektronische Direktzustellungen gilt der Verweisung in Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 folgend neben § 173 Abs. 3, 4 S. 4, 5 ZPO insbesondere § 167 ZPO.
37
6. Belehrung über Annahmeverweigerungsrecht Nach Art. 12 Abs. 6 EU-ZustVO 2020 besteht auch im Fall der direkten elektronischen Zustellung 38 keine unbedingte Übersetzungsobliegenheit, sondern ein Annahmeverweigerungsrecht des Zustellungsadressaten. Über dieses ist der Zustellungsadressat auch im Fall der direkten elektronischen Zustellung zu belehren.67 Die Belehrung hat nach Art. 12 Abs. 7 EU-ZustVO 2020 zu erfolgen durch die veranlassende Stelle (s. Rz. 12). Dies bedeutet, dass die Belehrung dem zuzustellenden Schriftstück beizufügen und mit diesem elektronisch zuzustellen ist. Die Annahmeverweigerung unter Abwesenden ist zu erklären gegenüber der veranlassenden Stelle und nicht gegenüber dem die Übermittlung bewirkenden Intermediär (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 109).
66 Vgl. zudem die übertragbaren Erwägungen bei EuGH v. 9.2.2006 – C-473/04, ECLI:EU:C:2006:96 Rz. 30 ff. – Plumex/Young Sports NV. 67 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 19 EuZustVO Rz. 4.
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Art. 20 EU-ZustVO 2020 Unmittelbare Zustellung
Artikel 20 Unmittelbare Zustellung (1) Jeder an bestimmten Gerichtsverfahren Beteiligte kann gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen des Mitgliedstaats, in dem Zustellung beantragt wird, zustellen lassen, sofern eine solche unmittelbare Zustellung nach dem Recht dieses Mitgliedstaats zulässig ist. (2) 1Ein Mitgliedstaat, der die unmittelbare Zustellung zulässt, informiert die Kommission darüber, welche Berufsgruppen oder qualifizierten Personen in ihrem Hoheitsgebiet die unmittelbare Zustellung von Schriftstücken vornehmen dürfen. 2Die Kommission macht diese Informationen im Europäischen Justizportal zugänglich. I. 1. 2. 3. II. 1. 2. 3.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . Zulassung der unmittelbaren Zustellung Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorliegen einer Parteizustellung . . . . . Zulässigkeit der Parteizustellung im Ursprungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . 4. Zulässigkeit der Parteizustellung im Empfangsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . a) Abstrakte Zulässigkeit . . . . . . . . . . b) Konkrete Zulässigkeit . . . . . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
1 1 4 6 7 7 9
. . 10 . . 12 . . 12 . . 13
5. III. 1. 2. 3. 4. 5. 6.
aa) Erfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begründung . . . . . . . . . . . . . . . c) Mitteilungs- und Publikationspflicht . . . Ausweg bei Divergenz . . . . . . . . . . . . . . Nutzung der unmittelbaren Zustellung . . . Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständige Zustellungsstelle . . . . . . . . . . Ausführung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellungsdatum . . . . . . . . . . . . . . . . Annahmeverweigerungsrecht . . . . . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 14 17 20 21 21 22 23 24 25 26
Schrifttum: Hess, Rechtspolitische Überlegungen zur Umsetzung von Art. 15 der Europäischen Zustellungsverordnung, IPRax 2008, 477; Jastrow, Auslandszustellung im Zivilverfahren – Erste Praxiserfahrungen mit der EGZustellungsverordnung, NJW 2002, 3382; Schmidt, Parteizustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein – Ein gangbarer Weg?, IPRax 2004, 13; Sujecki, Die reformierte Zustellungsverordnung, NJW 2008, 1628; Sujecki, Entwicklung des Europäischen Privat- und Zivilprozessrechts in den Jahren 2008 und 2009, EuZW 2010, 448. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift gehört zu Abschnitt 2 (Art. 16–20 EU-ZustVO 2020) des Kapitels II über gerichtliche Schriftstücke, welcher die Übermittlung eines Schriftstücks zum Zweck der grenzüberschreitenden Zustellung auf anderen Wegen als der einfachen Rechtshilfe regelt. Anders als die Vorschriften in Kapitel II, Abschnitt 1 und Art. 16 EU-ZustVO 2020 gehört sie nicht zu den Vorschriften über die Zustellung im Rechtshilfeweg, weil auf dem in der Vorschrift beschriebenen Weg eine Zustellung, die durch Stellen des Empfangsmitgliedstaats ohne Einschaltung rechtshilfeberechtigter Stellen des vom Empfangsmitgliedstaat verschiedenen Ursprungsmitgliedstaats ausgeführt wird, unmittelbar durch einen Beteiligten eines im Ursprungsmitgliedstaat geführten Verfahrens und auch ohne Einbindung einer Empfangsstelle, d.h. unter Umgehung des Rechtshilfewegs beauftragt werden kann.1 Gegenstand der Regelung ist im Unterschied zu den Vorschriften betreffend den Rechtshilfeverkehr nicht 1 Hess, IPRax 2008, 477, 479; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 1; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/20; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 15 EuZVO Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 1, 4; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 1; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 20 EuZVO Rz. 1.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 20 EU-ZustVO 2020
nur die grenzüberschreitende Übermittlung eines Schriftstücks zum Zweck der Zustellung, sondern die grenzüberschreitende Zustellung. Sie sieht für einen begrenzten Bereich mithin nicht vor einen Ausgleich dazu, sondern eine verordnungsautonome Ausnahme davon (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 58), dass Zustellungen nach tradierter Ansicht Hoheitsakte und daher auf dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats zu unterlassen (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 5, 67) sind. Die Vorschrift schränkt die Souveränität der Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaaten im Verhältnis zu anderen Mitgliedstaaten dahin ein, dass aus einem Mitgliedstaat (Ursprungsmitgliedstaat) heraus Zustellungen gegen Personen mit einer bekannten Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat wie bei Inlandszustellungen in diesem Mitgliedstaat durch Beauftragung der dort dazu berufenen Stellen bewirkt werden können. Die Wirkung, die Souveränität der Mitgliedstaaten im Verhältnis zueinander mit Rücksicht auf das bestehende wechselseitige Vertrauen zu beschränken, hat die Vorschrift gemein mit den Vorschriften über direkte, d.h. nicht durch Stellen des Empfangsmitgliedstaats ausgeführte Zustellungen (Art. 17–19 EU-ZustVO 2020). Von diesen unterscheidet sie sich allerdings dadurch, dass sie zum Gegenstand hat die Ausführung einer grenzüberschreitenden Zustellung gerade durch Stellen des vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Empfangsmitgliedstaats. Die Vorschrift nimmt in dem Blick Rechtsordnungen, in denen gerichtliche Schriftstücke (anders als 2 nach dem Leitbild des § 166 Abs. 2 ZPO) im Parteibetrieb zugestellt werden.2 Sie zielt sowohl im Ursprungsmitgliedstaat als auch im Empfangsmitgliedstaat auf eine Gleichstellung zu inländischen Parteizustellungen. Im Ursprungsmitgliedstaat lässt sie zwar unberührt die Entscheidung3 darüber, ob und inwieweit gerichtliche Schriftstücke im Amtsbetrieb oder im Parteibetrieb zugestellt werden.4 Soweit im Ursprungsmitgliedstaat Parteizustellungen zugelassen oder sogar vorgeschrieben sind, ordnet Abs. 1 verordnungsautonom und durch den Ursprungsmitgliedstaat nicht beschränkbar die Gleichstellung einer unmittelbaren Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat mit einer inländischen Parteizustellung an. Gleichermaßen lässt die Vorschrift im Empfangsmitgliedstaat unberührt die Entscheidung darüber, ob und inwieweit gerichtliche Schriftstücke im Amtsbetrieb oder im Parteibetrieb zugestellt werden. Soweit im Empfangsmitgliedstaat allerdings Parteizustellungen zugelassen sind, stellt Abs. 1 verordnungsautonom und durch den Empfangsmitgliedstaat nicht beschränkbar Zustellungsaufträge betreffend ein in einem vom Empfangsmitgliedstaat verschiedenen Ursprungsmitgliedstaat geführtes Verfahren solchen Zustellungsaufträgen gleich, welche ein im Empfangsmitgliedstaat geführtes Verfahren betreffen.5 Hierdurch werden grenzüberschreitende unmittelbare (Partei-)Zustellungen erleichtert. Zugleich schafft dies aber auch die Grundlage dafür, solche Zustellungen dem von der Verordnung vorgesehenen Schutz des Zustellungsadressaten zu unterwerfen (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 75). Der im Rahmen der Reform zum 1.7.2022 ergänzte Abs. 2 soll die praktische Handhabung der Möglichkeit zur unmittelbaren Zustellung effektivieren. Er sieht vor eine Informationspflicht für diejenigen Mitgliedstaaten, welche als Empfangsmitgliedstaaten unmittelbare Zustellungen zulassen, gegenüber der Kommission. Hieran anknüpfend verpflichtet er die Kommission, empfangene Informationen zu publizieren und hierdurch interessierten Kreisen zugänglich zu machen, insbesondere zu dem Zweck, zuverlässig ein zuständiges Zustellungsorgan zu finden. Die Möglichkeit zur unmittelbaren Zustellung birgt gerade im Vergleich zur Zustellung auf dem Rechtshilfeweg ein erhebliches Potential, grenzüberschreitende Zustellungen zu beschleunigen.6 2 Brenn, Art. 15 EZV Anm. a); Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 15 EuZVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 15 EG-ZustVO 2007 Rz. 1, 3; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 20 EuZustVO Rz. 1. 3 Zu den Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten vgl. COM(2013) 858 final, S. 6 f. 4 Vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 15 EuZVO Rz. 1. 5 Vgl. BT-Drucks. 16/8839, 22, 39; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11: Diskriminierungsverbot. Vgl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 3. 6 Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 4; Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018, S. 51; SWD(2018) 286 final, S. 4; SWD(2018) 287 final, S. 17, 46, 150; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 34; Hess, IPRax 2008, 477; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 20 EuZVO 2022 Rz. 1; Jastrow, NJW 2002, 3382, 3384; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EG) 1393/2007 Rz. 3; Sharma, S. 170; Gebauer/ Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 1.
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Art. 20 EU-ZustVO 2020 Unmittelbare Zustellung Dies liegt darin begründet, dass in die Übermittlung eines zuzustellenden Schriftstücks vom Antragsteller bis zum ausführenden Zustellungsorgan keine weiteren Stellen eingeschaltet sind. Die unmittelbare Zustellung ist insoweit mit einer inländischen Zustellung im Empfangsmitgliedstaat vergleichbar. Dementsprechend wollte die Kommission den Anwendungsbereich für unmittelbare Zustellungen erweitern und diesen Zustellungsweg auch für Amtszustellungen und für alle Empfangsmitgliedstaaten eröffnen (s. Rz. 5). Da sie sich mit diesem Vorhaben nicht hat durchsetzen können, sondern es bei einer zweifachen Gleichstellung verblieb, wird das der unmittelbaren Zustellung innewohnende Beschleunigungspotential bislang nicht ausgeschöpft. Dies ist nicht per se kritikwürdig, sondern nimmt Rücksicht auf die unterschiedlichen Traditionen der Mitgliedstaaten, von denen einige der Amtszustellung im Vergleich zur Parteizustellung für den Schutz des Zustellungsadressaten und vor allem für die Rechtssicherheit Vorteile beimessen. 2. Entstehungsgeschichte 4
Die Vorschrift geht zurück auf Art. 15 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)7 und Art. 15 EG-ZustVO 2000. Diese wiederum knüpften an Art. 10 lit. c HZÜ und Art. 6 Abs. 1 Nr. 2 HZPÜ an.8 Nach diesen Vorschriften steht dem Ursprungsmitgliedstaat frei, die unmittelbare Zustellung durch Verfahrensbeteiligte im Ausland vorzusehen und zu nutzen. Voraussetzung ist dabei aber, dass der Bestimmungsstaat (Empfangsmitgliedstaat) diesem Zustellungsweg zugestimmt bzw. jedenfalls nicht widersprochen hat.9 Spezifische Vorbehalte gegen diesen Zustellungsweg wurden in der Position als Ursprungsmitgliedstaat kaum gemacht, sondern durch zahlreiche Mitgliedstaaten (unabhängig vom Bedürfnis einer Grenzüberschreitung) lediglich für verschiedene oder gar alle Fälle anstatt einer Partei- eine Amtszustellung vorgesehen. Im Hinblick hierauf erwähnte der Art. 10 lit. c HZÜ weiterentwickelnde Art. 15 EG-ZustVO 2000 eine spezifische Zulassung im Ursprungsmitgliedstaat nicht mehr und sah inzident für den Ursprungsmitgliedstaat eine Gleichstellung mit inländischen Zustellungen vor. Als Empfangsmitgliedstaat sahen einflussreiche Mitgliedstaaten dagegen pauschale Vorbehalte gegen Parteizustellungen vor (z.B. auch Bundesrepublik Deutschland)10 und ließen sich zunächst auch nicht davon überzeugen, dass diese entbehrlich sind. Daher behielt der Art. 10 lit. c HZÜ weiterentwickelnde Art. 15 EG-ZustVO 2000 diese Vorbehaltsmöglichkeit bei.11 Insgesamt wurde die Vorbehaltsmöglichkeit nur von wenigen Mitgliedstaaten, zu denen aber auch Deutschland gehörte (vgl. § 1071 ZPO i.d.F. v. 1.1.2004),12 genutzt.13 Im Evaluationsbericht zur EG-ZustVO 2000 wurde die Streichung der Vorbehaltsmöglichkeit erörtert.14 Umgesetzt wurde sie dann in Art. 15 EG-ZustVO 2007,15 welcher anstelle einer Vorbehaltsmöglichkeit eine Anknüpfung an das Recht des Empfangsmitgliedstaats vorsah.16 Für den Empfangsmitgliedstaat wurde daher die Gleichstellung von aus einem von diesem verschiedenen Ursprungsmitgliedstaat eingehenden Parteizustellungen mit inländischen Parteizustellungen angeordnet: In dem Umfang, in dem Letztere zulässig sind, kann der Souveränitätsanspruch des Empfangsmitgliedstaats nicht gegen eine unmittelbare Zustellung, die aus einem anderen Mitgliedstaat beantragt wird, erhoben werden.
7 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 20 EuZustVO Rz. 1. 8 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 15 EuZVO Rz. 2; Brenn, Art. 15 EZV Anm. b), c); Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 15 EuZVO Rz. 1; Stroschein, S. 117; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 3. 9 Vgl. Brenn, Art. 15 EZV Anm. b). 10 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 15 EuZVO Rz. 4; Stroschein, S. 114. 11 KOM(1999) 219 endg.; Brenn, Art. 15 EZV Anm. d); Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 2. 12 BT-Drucks. 16/8839, 22; Hess, IPRax 2008, 477, 478; Jastrow, NJW 2002, 3382, 3384; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Stroschein, S. 114 f.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 2, 7. 13 Jastrow, NJW 2002, 3382, 3384. – Z.B. auch Österreich, vgl. Brenn, Art. 15 EZV EinfErl. 14 KOM(2004) 603 endg., S. 7 f. 15 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 15 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Knöfel, RIW 2021, 473, 483; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 3; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 20 EuZustVO Rz. 1; Sujecki, EuZW 2010, 448, 449; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 2. Unklar Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 15 EuZVO Rz. 1. 16 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 3; Knöfel, RIW 2021, 473, 483; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 3.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 20 EU-ZustVO 2020
Hieran knüpft die Vorschrift an. Der Kommissionsentwurf sah allerdings noch vor, den Anwen- 5 dungsbereich der Vorschrift in zweierlei Hinsicht zu erweitern.17 Erstens sollte nicht mehr verlangt werden, dass der Antragsteller an dem Verfahren beteiligt ist, so dass auch Übermittlungsstellen und Gerichte, die mit dem Verfahren befasst sind, diese Art der Zustellung nutzen können.18 Zweitens sollte die unmittelbare Zustellung künftig im Hoheitsgebiet aller Mitgliedstaaten möglich sein, ohne Rücksicht auf die Rechtslage im Empfangsmitgliedstaat.19 Ergänzend dazu sollte durch einen neu einzufügenden Abs. 2 sichergestellt werden, dass die zur Nutzung des unmittelbaren Zustellungswegs erforderlichen Informationen verfügbar sind. Die Stellungnahme des EWSA stimmte dem Kommissionsvorschlag zu.20 Das Parlament folgte dem Ansatz der Kommission und beschränkte sich darauf, ausdrücklich die Onlineverfügbarkeit der nach dem neuen Abs. 2 mitzuteilenden Informationen einzufordern.21 In den Beratungen des Rates erster Lesung wurde der grundsätzliche Ansatz der Kommission aufgegeben. Beide von der Kommission vorgeschlagenen Erweiterungen haben keinen Eingang in Abs. 1 gefunden.22 Vielmehr übernimmt Abs. 1 unter lediglich redaktioneller Überarbeitung die Regelung des Art. 15 EG-ZustVO 2007. Aus dem Kommissionvorschlag in Abs. 2 übernommen wurde dagegen die Informations- und Publikationspflicht. Die Allgemeine Ausrichtung des Rates erster Lesung sah sogar noch vor, Art. 15 EG-ZustVO 2007 unverändert zu übernehmen und ihn lediglich um Abs. 2 zu ergänzen.23 Im Rahmen der weiteren Beratungen im Rat, der geführten Triloggespräche und im Zusammenhang mit der Entscheidung, anstatt einer Änderungsverordnung eine Neufassung zu erlassen (vgl. Erwägungsgründe 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020), wurde beschlossen, Art. 15 EG-ZustVO 2007 im Rahmen der Übernahme in Abs. 1 redaktionell zu überarbeiten. Dabei zeigt ein Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen, dass die in der deutschen Sprachfassung (auch in Erwägungsgrund 34 EU-ZustVO 2020) erfolgte Einfügung des Attributs „bestimmten“ zu Gerichtsverfahren auf eine unsorgfältige Übersetzung zurückzuführen ist;24 in anderen Sprachfassungen bezieht sich das Attribut auf die Verbindung der Interessen des Antragstellers zu dem Verfahren, in welchem die Zustellung erfolgt, und nicht auf das Verfahren (z.B. englische Sprachfassung „Any person with an interest in particular judicial proceedings …“, span. Sprachfassung „Cualquier persona interesada en un determinado proceso judicial …“).25 3. Anwendungsbereich Die Vorschrift erfasst wie Art. 19 EU-ZustVO 2020 nur die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke. 6 Sie findet unbeschadet der Verweisung in Art. 21 EU-ZustVO 2020 keine Anwendung auf die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke.26 Dies ergibt sich daraus, dass zur Beantragung einer unmittelbaren Zustellung nur ein Beteiligter desjenigen Rechtsstreits berechtigt ist, auf welchen sich das zuzustellende Schriftstück bezieht, und die Verordnung hinsichtlich der Antragsberechtigung kein von einem Rechtsstreit losgelöstes Substitut benennt. Aus der Beschränkung des Anwendungsbereichs auf gerichtliche Schriftstücke folgt allerdings insbesondere nicht, dass nicht durch ein Gericht ausgestellte, beglaubigt oder für vollstreckbar erklärte Vollstreckungstitel (z.B. Notarurkunden) nicht zum Zweck der Zwangsvollstreckung unmittelbar zugestellt werden können. Denn die zum Zweck der
17 COM(2018) 379 final, S. 3, 8, 14 f., 24; SWD(2018) 287 final, S. 29, 45 f., 150. 18 COM(2018) 379 final, S. 8, 14 f.; SWD(2018) 287 final, S. 17, 45, 150; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 11. 19 COM(2018) 379 final, S. 8, 14 f.; SWD(2018) 287 final, S. 17, 46, 150; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 11. 20 ABl. EU 2019 C 62/62. 21 Cofferati, A8-0001/2019, S. 29. 22 Vgl. Knöfel, RIW 2021, 473, 483; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 20 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 11. 23 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 29. 24 Unentschieden Knöfel, RIW 2021, 473, 483 f. 25 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5. – A.A. Knöfel, RIW 2021, 473, 483. 26 Vgl. auch (mit hier freilich nicht geteilter Begründung) Halfmeier, LMK 2009, 288747. – A.A. EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 60 – Roda Golf & Beach Resort SL; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 16 EuZVO Rz. 5; Schmidt, IPRax 2004, 13, 15; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 6, Art. 16 EuZVO Rz. 5. Abw. auch der Änderungsvorschlag 6 bei Gauzès, A6-0024/2006, S. 7.
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Art. 20 EU-ZustVO 2020 Unmittelbare Zustellung Zwangsvollstreckung erfolgende Zustellung eröffnet das Zwangsvollstreckungsverfahren als Rechtsstreit im Sinne der Vorschrift – das zuzustellende Schriftstück ist daher ein gerichtliches (s. auch Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 9). Im Übrigen bleibt unberührt die Möglichkeit zur Direktzustellung nach Art. 18 EU-ZustVO 2020.
II. Zulassung der unmittelbaren Zustellung 1. Überblick 7
Die Vorschrift enthält keine verordnungsautonome Zulassung der unmittelbaren Zustellung bzw. schafft ihrerseits keine eigene Grundlage für Parteizustellungen (weder in Bezug auf den Ursprungsmitgliedstaat noch in Bezug auf den Empfangsmitgliedstaat).27 Sie ordnet vielmehr für grenzüberschreitende Zustellungen eine zweifache Gleichstellung von Zustellungen im Parteibetrieb mit inländischen Parteizustellungen an. Soweit nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats eine Parteizustellung erfolgen kann oder muss, steht eine unmittelbare Parteizustellung in einem anderen Mitgliedstaat einer inländischen Parteizustellung im Ursprungsmitgliedstaat gleich (s. aber Rz. 23), auch wenn sie durch Stellen (des Empfangsmitgliedstaats), die dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats nicht bekannt sind, im Empfangsmitgliedstaat in einem Verfahren, welches dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats unbekannt ist, ausgeführt wird. In dem Umfang, in dem nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats Parteizustellungen möglich sind, steht zudem dort eine mit Bezug zu einem Verfahren in einem fremden Ursprungsmitgliedstaat stehende Parteizustellung einer inländischen Parteizustellung im Empfangsmitgliedstaat gleich. Sie kann im Empfangsmitgliedstaat nicht mit Verweis auf den Bezug zu einem ausländischen Rechtsstreit unter Berufung auf den Souveränitätsanspruch des Empfangsmitgliedstaats verweigert werden. Wegen Art. 12 Abs. 6 EU-ZustVO 2020 kann sie darüber hinaus aber auch nicht wegen der Fremdsprachigkeit des zuzustellenden Schriftstücks abgelehnt werden (s. Rz. 2, 25).
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Voraussetzung einer unmittelbaren Zustellung ist zunächst, dass eine solche unter Berücksichtigung der durch Abs. 1 angeordneten Gleichstellung mit dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats in Einklang steht (s. Rz. 10 ff.). Eine auch unter Berücksichtigung der in Abs. 1 angeordneten Gleichstellung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats nicht zulässige unmittelbare Zustellung (Parteizustellung, s. Rz. 9) löst nicht die nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats an diese anknüpfenden Rechtsfolgen aus – sie ist (vorbehaltlich einer Heilung) unwirksam. Ohne eigenständige Bedeutung ist die Zulässigkeit von Parteizustellungen nach dem Recht eines vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaats, in dem der Antragsteller seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt hat. Denn hierauf nimmt die Vorschrift nicht Bezug und dieses Recht entscheidet auch nicht über die Wirksamkeit der sich auf ein im Ursprungsmitgliedstaat geführtes Verfahren beziehenden Zustellung. Neben der Vereinbarkeit mit dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats setzt die Wirksamkeit einer unmittelbaren Zustellung allerdings (kumulativ) voraus, dass sie unter Berücksichtigung der Gleichstellung nach Abs. 1 auch mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats im Einklang steht. Denn nur unter dieser Bedingung ordnet die Vorschrift eine Rücknahme des Souveränitätsanspruchs des Empfangsmitgliedstaats an. Von weiteren Voraussetzungen, z.B. einer spezifischen Zulassung von Parteizustellungen gerade für den grenzüberschreitenden Verkehr durch Forum- oder Empfangsmitgliedstaat, ist die Eröffnung des Wegs der unmittelbaren Zustellung nicht abhängig. Auch kann dieser Zustellungsweg nicht mehr durch einen Vorbehalt des Empfangsmitgliedstaats eingeschränkt werden. Ist er nach Vorstehendem eröffnet, ist seine Nutzung auch nicht nachrangig gegenüber der Nutzung eines der anderen in der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- oder Zustellungswege.28
27 ABl. EG 1997 C 261/35; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 15 EuZVO Rz. 7; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 15 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Hess, IPRax 2008, 477, 478; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 15 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 2. Bedauernd Schlosser/Hess/ Schlosser/Hess, Art. 20 EuZVO 2022 Rz. 1. – A.A. Kuntze-Kaufhold/Beichel-Benedetti, NJW 2003, 1998, 1999. 28 Vgl. OLG Frankfurt v. 3.11.2021 – 6 W 95/21, NJW-RR 2022, 211 Rz. 9; OLG Hamburg v. 7.7.2006 – 8 W 4/06, BeckRS 2011, 17369. – A.A. Sharma, S. 171.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 20 EU-ZustVO 2020
2. Vorliegen einer Parteizustellung Die von der Vorschrift mit dem Ziel, ihre grenzüberschreitende Nutzung zu ermöglichen, angeord- 9 nete Gleichstellung bezieht sich ausschließlich auf Parteizustellungen, d.h. durch Beteiligte eines im Ursprungsmitgliedstaat geführten Gerichtsverfahrens im Empfangsmitgliedstaat beantragte Zustellungen. Sie erfasst dagegen nicht durch oder unter Mitwirkung (Vermittlung) von dabei hoheitlich handelnden Stellen eines vom Empfangsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaats im Empfangsmitgliedstaat beantragte Zustellungen.29 Solche unmittelbaren Beauftragungen werden durch die Vorschrift nicht legitimiert. Vielmehr sind hoheitlich handelnde Stellen eines vom Empfangsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaats darauf verwiesen, Zustellungen auf dem Rechtshilfeweg zu vermitteln oder auf einem Weg der Direktzustellung (Art. 17–19 EU-ZustVO 2020) zu bewirken.30 Soweit teilweise gestützt auf einen Erst-Recht-Schluss (wenn schon Parteizustellung, dann erst recht Amtszustellung) zu Art. 15 EG-ZustVO 2007 angenommen wurde, dass auch unmittelbare Zustellungsaufträge durch Gerichte und Zustellungsorgane des vom Empfangsmitgliedstaat verschiedenen Ursprungsmitgliedstaats erfasst werden,31 ist diese Ansicht durch das Verordnungsverfahren widerlegt worden. Denn die Kommission strebte an, die unmittelbare Zustellung ausdrücklich auch für Gerichte und Zustellungsorgane zu öffnen, konnte sich mit diesem Vorhaben aber nicht durchsetzen (s. Rz. 5). Davon abgesehen überzeugte aber auch bereits zu Art. 15 EG-ZustVO 2007 ein Erst-Recht-Schluss nicht. Denn er vergleicht Äpfel mit Birnen, was darin deutlich wird, dass aus ihm gewonnen werden soll, dass eine unmittelbare Zustellung durch Gerichte und Zustellungsstellen des Ursprungsmitgliedstaats zulässig sein soll in dem Umfang, in dem im Empfangsmitgliedstaat eine Parteizustellung (und nicht eine Amtszustellung) zulässig ist. 3. Zulässigkeit der Parteizustellung im Ursprungsmitgliedstaat Unbeschadet des lediglich auf das Recht des Empfangsmitgliedstaats verweisenden Wortlauts ist un- 10 geschriebene Voraussetzung einer Parteizustellung, dass eine solche nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zulässig ist.32 Dies beurteilt sich nicht abstrakt danach, ob das Recht des Ursprungsmitgliedstaats Parteizustellungen kennt oder ausschließlich Amtszustellungen vorsieht. Vielmehr beurteilt sich dies nach dem konkreten Zustellungserfordernis. Nur soweit das Recht des Ursprungsmitgliedstaats für das zuzustellende gerichtliche Schriftstück in der konkreten Situation (in Bezug auf das konkrete Zustellungserfordernis) eine Parteizustellung zulässt oder fordert, kommt anstelle einer inländischen Parteizustellung auch eine ausländische Parteizustellung in Betracht.33 Dies bedeutet z.B. für den Geltungsbereich der ZPO, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück (z.B. Klageschrift) nicht unmittelbar (im Parteibetrieb) zugestellt werden kann, obwohl ausweislich §§ 191 ff. ZPO Parteizustellungen der ZPO grundsätzlich bekannt sind, weil für die Klageschrift eine Parteizustellung vom Gesetz nicht i.S.v. § 166 Abs. 2 ZPO vorgesehen ist.34 Dagegen können von einem deutschen Gericht ausgestellte Bescheinigungen nach §§ 1110 f. ZPO i.V.m. Art. 53 Brüssel Ia-VO wegen § 1111 Abs. 1 S. 4 ZPO aus Sicht des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats auch unmittelbar in einem anderen Mitgliedstaat zugestellt werden.
29 Brenn, Art. 15 EZV Anm. c). 30 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 6. 31 So Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EG) 1393/2007 Rz. 4. Ähnlich auch Stroschein, S. 117 f., 236: Art. 15 EG-ZustVO 2007 fasse Art. 10 lit. b und lit. c HZÜ zusammen. 32 ABl. EG 1997 C 261/35; KOM(1999) 219 endg.; MainStrat, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1348/2000 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matter (März 2004), S. 68; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 3; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 15 EuZVO Rz. 5; Gottwald, MDR 2022, 1185 Rz. 13; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 15 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 2; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 20 EuZustVO Rz. 1; Stroschein, S. 118. Inzident auch Hess, IPRax 2008, 477, 479. – A.A. wohl Sujecki, EuZW 2010, 448, 449; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 8 a.E. 33 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 9. 34 Hess, IPRax 2008, 477, 478; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 20 EuZustVO Rz. 1. – A.A. Kuntze-Kaufhold/ Beichel-Benedetti, NJW 2003, 1998, 1999.
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Art. 20 EU-ZustVO 2020 Unmittelbare Zustellung 11
Der Vorschrift kommt für gerichtliche Schriftstücke zu vor deutschen Gerichten geführten Verfahren (Deutschland als Ursprungsmitgliedstaat und damit von Deutschland ausgehende Zustellungen) nur geringe praktische Bedeutung zu. Dies ergibt sich daraus, dass Zustellungen gerichtlicher Schriftstücke nach § 166 Abs. 2 ZPO im Grundsatz im Amts- und nicht im Parteibetrieb zu bewirken sind. Nur soweit eine Parteizustellung vom Gesetz vorgesehen ist, ist eine solche zugelassen. Entsprechende Zulassungen sieht die ZPO nur punktuell vor (insbesondere §§ 699 Abs. 4 S. 1, 750 Abs. 1 S. 2, 829 Abs. 2, 845, 922 Abs. 2, 1111 Abs. 1 S. 4 ZPO).35 Besondere Bedeutung kommt dabei Zustellungen im Zusammenhang mit einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu.36 Die Vorschrift selbst enthält keine solche Zulassung (s. Rz. 7). 4. Zulässigkeit der Parteizustellung im Empfangsmitgliedstaat a) Abstrakte Zulässigkeit
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Nach Abs. 1 letzter Halbsatz kommt eine unmittelbare Zustellung im Empfangsmitgliedsstaat nur in Betracht „sofern eine solche unmittelbare Zustellung nach dem Recht dieses Mitgliedstaats zulässig ist“. Erforderlich ist danach, dass dem Recht des Empfangsmitgliedstaats Parteizustellungen bekannt sind und das Recht das Empfangsmitgliedstaats nicht (zum Schutz von Zustellungsadressaten oder im Interesse der Rechtssicherheit) ausschließlich Amtszustellungen vorsieht.37 Eine Parteizustellung ist vorgesehen in Belgien,38 Dänemark,39 Deutschland (s. aber Rz. 11),40 Finnland,41 Frankreich,42 Griechenland,43 Italien,44 Luxemburg (unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit),45 Malta,46 Niederlande,47 Portugal,48 Schweden49 und Zypern.50 Sie ist nicht vorgesehen in Bulgarien,51 Estland,52 Irland,53 Kroatien,54 Lettland,55 Litauen,56 Österreich,57 Polen,58 Rumänien,59 Slowakei,60 Slowenien,61 Spanien,62 Tschechien63 und Ungarn64. 35 Vgl. Hess, IPRax 2008, 477, 478; Jastrow, NJW 2002, 3382, 3384. 36 BT-Drucks. 20/1110, 28; OLG Frankfurt v. 3.11.2021 – 6 W 95/21, NJW-RR 2022, 211 Rz. 10; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 7; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 15 EG-ZustVO 2007 Rz. 3. 37 Vgl. Hess, IPRax 2008, 477, 478 f. 38 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25; OLG Frankfurt v. 3.11.2021 – 6 W 95/21, NJW-RR 2022, 211 Rz. 14. 39 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 40 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 41 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 42 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 43 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 44 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 45 SWD(2018) 287 final, S. 68. Vgl. auch SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 46 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 47 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 48 SWD(2018) 287 final, S. 68. Anders SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 26. 49 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 26. 50 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 51 SWD(2018) 287 final, S. 65, 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 52 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 53 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25; OLG Dresden v. 7.4.2020 – 4 U 2805/19, BeckRS 2020, 7500 Rz. 6; OLG Dresden v. 6.11.2018 – 4 W 940/18, NJW-RR 2019, 319 Rz. 6. 54 SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 55 SWD(2018) 287 final, S. 65, 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 56 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 57 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/20. 58 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 26. 59 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 26. 60 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 26. 61 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 26. 62 SWD(2018) 287 final, S. 68.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 20 EU-ZustVO 2020
b) Konkrete Zulässigkeit aa) Erfordernis Die Parteizustellung muss im Empfangsmitgliedstaat nicht nur abstrakt, sondern auch konkret zuläs- 13 sig sein. Nur soweit das Recht des Empfangsmitgliedstaats für das zuzustellende Schriftstück in der konkreten Situation (in Bezug auf das konkrete Zustellungserfordernis) eine Parteizustellung zulässt, kommt anstelle einer inländischen Parteizustellung auch eine unmittelbare Parteizustellung zu einem in einem vom Empfangsmitgliedstaat verschiedenen Ursprungsmitgliedstaat geführten Verfahren in Betracht.65 Da sich die Regelungen des Rechts des Empfangsmitgliedstaats regelmäßig lediglich auf inländische und nicht auf ausländische gerichtliche Schriftstücke beziehen, setzt die Klärung der konkreten Zulässigkeit regelmäßig voraus, dass nach den Grundsätzen über die Substitution ermittelt wird, mit welchem inländischen Schriftstück das zuzustellende Schriftstück (bei funktionaler Wertung) vergleichbar ist.66 Für Zustellungen aus anderen Mitgliedstaaten im Geltungsbereich der ZPO ergibt sich aus Vorstehendem, dass ein verfahrenseinleitendes Schriftstück (z.B. Klageschrift) nicht unmittelbar (im Parteibetrieb) zugestellt werden kann, auch wenn das Recht des Ursprungsmitgliedstaats für derartige Schriftstücke eine Parteizustellung vorsieht. Denn das deutsche Recht sieht für die Klageschrift ausschließlich eine Amtszustellung vor (vgl. § 166 Abs. 2 ZPO); eine Parteizustellung sieht das deutsche Recht dagegen im Rahmen der Zwangsvollstreckung sowie für Arreste und einstweilige Verfügungen vor (s. Rz. 10 f.). bb) Begründung Dass über die abstrakte Zulässigkeit von Parteizustellungen hinaus auch die konkrete Zulässigkeit ei- 14 ner Parteizustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats erforderlich ist, entsprach zu Art. 15 EG-ZustVO 2007 ganz herrschender Ansicht.67 Der Wortlaut der Verordnung zwang zwar nicht zu diesem Verständnis. Für dieses ließ sich aber anführen, dass es dem Interesse des Zustellungsadressaten dient, wenn die grenzüberschreitende Zustellung durch eine hiermit erfahrene Stelle und nicht durch einen (regelmäßig) weniger erfahrenen Verfahrensbeteiligten ausgelöst wird. Dem Schutz des Zustellungsadressaten dient die Beschränkung der Parteizustellung zudem dadurch, dass Zustellungen verhindert werden, die ohne im Ursprungsmitgliedstaat erfolgte Prüfung des zuzustellenden Schriftstücks mit dem Vertrauen in die Stellen des Empfangsmitgliedstaats ausgestattet werden. Zudem wird, wenngleich aufgrund der Mitwirkung besonderer Zustellungsorgane des Empfangsmitgliedstaats allenfalls marginal, im Interesse des Zustellungsadressaten die Erkennbarkeit der Bedeutung des Zustellungsvorgangs besonders abgesichert.68 Gegen die Maßgeblichkeit der konkreten Zulässigkeit ließ sich umgekehrt anführen, dass hierdurch der Anwendungsbereich der zeitsparenden unmittelbaren Zustellung eingeschränkt und der Antragsteller darauf verwiesen werde, eine Übermittlungsstelle einzuschalten. Außerdem ließ sich anführen, dass gerade das Erfordernis der konkreten Zulässigkeit zusätzliche Unsicherheiten bezüglich der Wirksamkeit einer Zustellung auslöst, weil es durch die Zustellungsorgane (insbesondere Gerichtsvollzieher) möglicherweise nicht sicher festgestellt werden kann.
63 SWD(2018) 287 final, S. 68; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 64 SWD(2018) 287 final, S. 68. Anders SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 25. 65 BT-Drucks. 20/1110, 28; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 3; Richter, IPRax 2022, 433, 437. – A.A. Fabig/Windau, NJW 2022, 1977 Rz. 9: verordnungswidrig; Gottwald, MDR 2022, 1185 Rz. 13: entspricht wohl nicht ganz der Verordnung; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 20 EuZVO 2022 Rz. 6: verordnungswidrig; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9, 18: verordnungswidrig. 66 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 15 EG-ZustVO 2007 Rz. 6; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EG) 1393/2007 Rz. 12; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 4. 67 Hess, IPRax 2008, 477, 478 f.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 4; Sujecki, EuZW 2010, 448, 449; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 9. – Krit. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 9; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EG) 1393/2007 Rz. 5. 68 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 9; Schack, IZVR, Rz. 744.
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Art. 20 EU-ZustVO 2020 Unmittelbare Zustellung 15
Die Neuregelung in Abs. 1 hat die Rechtslage gegenüber Art. 15 EG-ZustVO 2007 nicht geändert.69 Zwar hat sich der Wortlaut der Vorschrift gegenüber Art. 15 EG-ZustVO 2007 geändert. Er ist allerdings unverändert uneindeutig und gleichermaßen mit einer abstrakten wie einer konkreten Betrachtung vereinbar. Entgegen teilweiser Annahme70 folgt Abweichendes auch nicht daraus, dass Abs. 2 eine Mitteilungspflicht anknüpfend an die abstrakte Zulassung der Parteizustellung vorsieht. Denn Informationen, welche das Auffinden der kompetenten Zustellungsstellen erleichtern, erfüllen ihren Zweck ohne Rücksicht darauf, ob eine unmittelbare Zustellung im konkreten Einzelfall mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats vereinbar ist oder nicht (s. zudem Rz. 16). Dementsprechend schlug auch der Evaluationsbericht zur EG-ZustVO 2007 die Bereitstellung von Informationen zu den Zustellungsstellen unabhängig von einer Ausweitung des Anwendungsbereichs vor.71 Allenfalls ließe sich für eine von Art. 15 EG-ZustVO 2007 abweichende Auslegung anführen, dass die Mitteilungspflicht sich nicht auch auf Angaben bezieht, anhand der sich die konkrete Zulässigkeit feststellen lässt. Dem kommt freilich allenfalls ein sehr geringes und im Vergleich mit gegenläufigen Argumenten (s. Rz. 16) nicht hinreichendes Gewicht zu, weil erstens entsprechende Angaben gegebenenfalls sehr umfangreich und für Laien kaum verständlich wären und zweitens die Zustellungsstellen des Empfangsmitgliedstaats prüfen, ob eine unmittelbare Zustellung, um welche sie ersucht werden, im konkreten Einzelfall zulässig ist, was Angaben zur Ermöglichung einer eigenen Beurteilung durch den Antragsteller weniger erforderlich macht.
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Dafür, dass Abs. 1 (nicht anders als Art. 15 EG-ZustVO 2007) die konkrete Zulässigkeit im Empfangsmitgliedstaat voraussetzt, spricht zunächst der Wortlaut bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Formulierung in Abs. 1 und Abs. 2 (vgl. in der deutschen Sprachfassung den Unterschied zwischen „eine solche unmittelbare“ in Abs. 1 und „die unmittelbare“ in Abs. 2, vgl. zudem „in ihre[n] Hoheitsbereich fällt“).72 Weiter sprechen für das Erfordernis der konkreten Zulässigkeit im Empfangsmitgliedstaat unverändert wie schon zu Art. 15 EG-ZustVO 2007 der Schutz der Zustellungsadressaten73 sowie die im Falle einer Amtszustellung typischerweise höhere Rechtssicherheit. Zwar kann eine Parteizustellung inzwischen ohne Rücksicht auf die Zulässigkeit nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats im Wege der Post- oder elektronischen Direktzustellung erfolgen, d.h. dem Zustellungsadressaten wird Schutz nicht absolut gewährt. Dies stellt jedoch nicht (erst) die Anbindung an die konkrete Zulässigkeit nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats, sondern (wenngleich in geringerem Maß) bereits die Anbindung an die abstrakte Zulassung in Frage. Zudem erfolgen die Direktzustellungen nur gegen eine Empfangsbestätigung, d.h. unter freiwilliger Mitwirkung des Zustellungsempfängers (oder gegebenenfalls einer für eine Ersatzzustellung tauglichen Person). Schließlich kommt hinzu der Umstand, dass die Kommission im Rahmen der Reform anfänglich explizit eine Ausweitung des Anwendungsbereichs anstrebte, der Rat dieses Vorhaben allerdings zurückgewiesen hat (s. Rz. 5). c) Mitteilungs- und Publikationspflicht
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Die Zulässigkeit der unmittelbaren (Partei-)Zustellung im Empfangsmitgliedstaat ist unabhängig davon, ob der betreffende Mitgliedstaat der Kommission Angaben nach Abs. 2 mitgeteilt hat. Der Mitteilung eines Mitgliedstaats nach Abs. 2 kommt ebenso wie der Publikation erhaltener Mitteilungen durch die Kommission keine konstitutive, sondern nur deklaratorische Wirkung zu.74 Mitteilung
69 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 11; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 20 EuZustVO Rz. 1. – A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EGZustellVO Rz. 9; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 20 EuZVO Rz. 1. 70 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 9; zustimmend Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 20 EuZVO Rz. 1. 71 COM(2013) 858 final, S. 16. 72 Ähnlich auch weitere Sprachfassungen (Englisch: „such direct“ und „direct“, Französisch: „telle“ und „la“). 73 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9, dabei aber z.B. unberücksichtigt lassend die Möglichkeit, dass ein Empfangsmitgliedstaat Parteizustellungen gegebenenfalls nur punktuell zugelassen hat in Verbindung mit einer besonderen, den Adressaten schützenden Belehrungslast, welche auf die Zustellung anderer Schriftstücke nicht zugeschnitten ist. 74 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 4.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 20 EU-ZustVO 2020
und Publikation sind Folge, nicht Voraussetzung der (abstrakten) Zulassung unmittelbarer (Partei-) Zustellungen. Hat ein Mitgliedstaat unmittelbare Zustellungen, d.h. Parteizustellungen zugelassen, trifft ihn die Mitteilungspflicht nach Abs. 1. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die abstrakte Zulassung von Parteizustellungen im sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung (Zivil- und Handelssachen). Die Mitteilungspflicht besteht danach immer dann, wenn das Recht eines Mitgliedstaats auch nur für einen in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Fall eine Parteizustellung vorschreibt oder zulässt. Dass ein Mitgliedstaat Parteizustellungen nur zu Fällen, die sachlich nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, zulässt, löst die Mitteilungspflicht dagegen nicht aus, weil ihre Erfüllung gerade ein Vorgehen nach Abs. 1 unterstützen soll, ein solches dann allerdings nicht möglich ist.
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Besteht die Mitteilungspflicht, trifft den betreffenden Mitgliedstaat nach Abs. 2 i.V.m. Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 1 EU-ZustVO 2020 die Pflicht zur Übermittlung von Angaben dazu, welche Berufsgruppen oder qualifizierten Personen in seinem Hoheitsgebiet die unmittelbare Zustellung von Schriftstücken vornehmen dürfen. Anknüpfend an eine erfolgte Mitteilung trifft die Kommission nach Abs. 2 (sowie Art. 33 Abs. 4 S. 2 EU-ZustVO 2020) die Verpflichtung, diese im Europäischen Justizportal zu veröffentlichen und (dauerhaft) zugänglich zu machen. Außerdem sind die Angaben nach Art. 33 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 im Amtsblatt der EU zu veröffentlichen; Abs. 2 S. 2 schließt diese Pflicht nicht als lex specialis aus.
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5. Ausweg bei Divergenz Aufgrund der Anbindung der unmittelbaren Zustellung sowohl an die Zulässigkeit im Ursprungs- 20 mitgliedstaat als auch an die Zulässigkeit nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats ist nicht auszuschließen, dass nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats ein Verfahrensbeteiligter eine Parteizustellung zu bewirken hat, er aufgrund der sich aus dem Recht des Empfangsmitgliedstaats ergebenden Schranken allerdings nicht auf Grundlage der Vorschrift unmittelbar Zustellungsstellen im Empfangsmitgliedstaat mit einer Zustellung beauftragen kann. In diesem Fall verbleibt für ihn in jedem Fall die Möglichkeit, eine Postdirektzustellung zu bewirken (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff.). Gegebenenfalls kommt nach Maßgabe von Art. 19 EU-ZustVO 2020 auch eine elektronische Direktzustellung in Betracht (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 12). Mit Rücksicht auf die geringere Zuverlässigkeit, die diesen beiden unabhängig von der Vorschrift eröffneten Zustellungswegen zukommt, bzw. das Mitwirkungserfordernis des Empfangenden, schließen sie nicht die sich aus einer Divergenz ergebende Lücke. Für denjenigen, der eine Parteizustellung zu bewirken hat, kann unbeschadet der Möglichkeit, selbst eine Direktzustellung auszulösen, das Bedürfnis bestehen, im Ursprungsmitgliedstaat eine (Partei-)Zustellung auszulösen, welche durch die hierzu im Ursprungmitgliedstaat berufenen Stellen in Anwendung der Verordnung entweder vermittelt durch eine Übermittlung auf den Rechtshilfeweg oder im Wege einer für die Partei nicht eröffneten Direktzustellung (Art. 17 EU-ZustVO 2020) zu bewirken ist. Diesem Bedürfnis ist mit Rücksicht auf die Gleichrangigkeit der Übermittlungs- und Zustellungswege unabhängig von der Möglichkeit, selbst eine Direktzustellung zu veranlassen, zu entsprechen. Dies bedeutet z.B. für den Fall, dass ein gerichtliches Schriftstück zu einem im Geltungsbereich der ZPO geführten Verfahren im Parteibetrieb zuzustellen ist (s. Rz. 11), dass anstatt einer Parteizustellung eine Zustellung durch das nach § 1069 Abs. 1 ZPO hierzu berufene Gericht auf Veranlassung der Partei zu erfolgen hat.75 Auf eine (nicht mögliche oder im Falle der Direktzustellung weniger effektive) Parteizustellung kann er nicht verwiesen werden. Muss durch die Parteizustellung einer Frist gewahrt werden, genügt dafür (ohne Rücksicht auf die Möglichkeit zur selbst veranlassten Direktzustellung) im vorgenannten Fall nach Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020
75 OLG Dresden v. 7.4.2020 – 4 U 2805/19, BeckRS 2020, 7500 Rz. 6; OLG Dresden v. 6.11.2018 – 4 W 940/18, NJW-RR 2019, 319 Rz. 7; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 5; Zöller/Geimer, Art. 15 EuZustVO Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 7; Anders/Gehle/Schmidt, Vor § 1067 ZPO Rz. 36. Offen gelassen OLG Frankfurt v. 3.11.2021 – 6 W 95/21, NJW-RR 2022, 211 Rz. 14.
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Art. 20 EU-ZustVO 2020 Unmittelbare Zustellung i.V.m. § 167 ZPO, dass derjenige, dem die Zustellung obliegt, die Zustellung durch das Gericht innerhalb der Frist beantragt hat, wenn die Zustellung „demnächst“ bewirkt wird.76
III. Nutzung der unmittelbaren Zustellung 1. Antragsteller 21
Eine unmittelbare Zustellung beantragen kann jeder an einem in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung (Zivil- und Handelssache) fallenden Gerichtsverfahren Beteiligte. Beteiligter in diesem Sinne ist jede Person, die ein rechtlich geschütztes Interesse an dem betreffenden Gerichtsverfahren dadurch hat, dass sie von dessen Ausgang unmittelbar betroffen werden kann. Der Begriff des Gerichtsverfahrens ist verordnungsautonom auszulegen und erfasst unabhängig von der führenden Stelle alle staatlichen Rechtsschutzverfahren, d.h. neben vollwertigen Erkenntnisverfahren auch summarische Verfahren und Zwangsvollstreckungsverfahren (z.B. Zustellung nach § 750 Abs. 1 S. 2 ZPO). Wer vom Ausgang eines solchen Verfahrens unmittelbar in seinem Rechtskreis betroffen werden kann, richtet sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats einschließlich des nach diesem berufenen Sachrechts.77 Die ein Verfahren führende Stelle und Übermittlungsstellen scheiden danach als Antragsteller für eine unmittelbare Zustellung aus (s. auch Rz. 9).78 Ihre Interessen werden vom Ausgang eines Verfahrens nicht unmittelbar betroffen – sie werden als solche gerade unabhängig und unparteilich tätig. 2. Zuständige Zustellungsstelle
22
Die unmittelbare Zustellung ist zu beantragen bei den Amtspersonen, Beamten oder sonstigen für die Ausführung einer (Partei-)Zustellung zuständigen Personen des Empfangsmitgliedstaats. Nur durch eine solche Stelle im Empfangsmitgliedstaat (und insbesondere nicht durch eine Stelle des Ursprungsmitgliedstaats) kann die Zustellung im Falle der unmittelbaren Zustellung bewirkt werden.79 Welche Stellen dies im Einzelfall sind, richtet sich nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats. Orientierung bieten insoweit die Mitteilungen der Mitgliedstaaten nach Abs. 2 und ihre Veröffentlichung. Allerdings kommt diesen nur deklaratorische Bedeutung zu (s. auch Rz. 17). Eine unzuständige Stelle wird durch eine unrichtige Mitteilung oder Publikation ebenso wenig zuständig wie eine zuständige Stelle ihre Zuständigkeit infolge einer unrichtigen Mitteilung oder Publikation verliert. Als Zustellungsstellen von den Mitgliedstaten berufen sind insbesondere Gerichtsvollzieher und Gerichte, regelmäßig nicht dagegen die Postdienste.80 Postdienste können als Gehilfen der eine Zustellung auslösenden Stelle aber nach Maßgabe von Art. 18 EU-ZustVO 2020 beauftragt werden (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff.). 3. Ausführung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats
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Die unmittelbare Zustellung im Empfangsmitgliedstaat wird nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats und nicht nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats ausgeführt. Für von Deutschland ausgehende Parteizustellungen geltend daher nicht §§ 191 ff. ZPO.81 Allerdings gelten diese Vorschriften 76 OLG Dresden v. 7.4.2020 – 4 U 2805/19, BeckRS 2020, 7500 Rz. 6; OLG Frankfurt v. 1.7.2014 – 6 U 104/14, GRUR-RR 2015, 183, 183 f.; LG Berlin v. 20.8.2002 – 15 O 562/01, BeckRS 2002, 16588 Rz. 72; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 7; Anders/Gehle/Schmidt, Vor § 1067 ZPO Rz. 36. 77 Vgl. auch Bataller, ABl. EG 1999 C 368/50. 78 A.A. wohl Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 4: „auch“ Privatpersonen. 79 EWHC (Admlty) v. 16.6.2016 – [2016] 1437 – Asefa Yesuf Import and Export v AP Møller Maersk A/S; Stein/ Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 5. 80 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 5. 81 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 15 EG-ZustVO 2007 Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 7.
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Kap. II: Gerichtliche Schriftstücke
Art. 20 EU-ZustVO 2020
für grenzüberschreitende Parteizustellungen aus einem anderen Mitgliedstaat, die in Deutschland zu bewirken sind. Die Rechtslage entspricht insoweit einer Zustellung nach Art. 11 Abs. 1 Var. 1 EU-ZustVO 2020. Im Unterschied zur von einer Übermittlungsstelle ersuchten Zustellung besteht im Falle der unmittelbaren Zustellung aber nicht die Möglichkeit, wie nach Art. 11 Abs. 1 Var. 2 EU-ZustVO 2020 eine Zustellung in einem besonderen Verfahren zu beantragen. Erfordert das Recht des Ursprungsmitgliedstaats zwingend, dass eine unmittelbare Zustellung in einem besonderen Verfahren erfolgt (z.B. persönliche Übergabe), und sieht das Recht des Empfangsmitgliedstaats ein entsprechendes Verfahren nicht vor, kann auf dem Weg einer unmittelbaren Zustellung keine aus Sicht des Ursprungsmitgliedstaats wirksame Zustellung bewirkt werden (zum Ausweg s. Rz. 20). 4. Zustellungsdatum Nach Art. 13 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 gilt die Regelung über das doppelte Datum auch für die un- 24 mittelbare Zustellung.82 Für in Deutschland eingehende unmittelbare (Partei-)Zustellungen bestimmt sich der Zustellungszeitpunkt daher der Verweisung in Art. 13 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 folgend z.B. nach § 173 Abs. 3, 4 S. 4, 5 ZPO, § 179 S. 3 ZPO, § 188 ZPO und § 189 ZPO. Für aus Deutschland heraus zum Zweck der Fristwahrung erfolgende unmittelbare Zustellungen gilt der Verweisung in Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 folgend daneben insbesondere auch § 167 ZPO (s. auch Rz. 20). 5. Annahmeverweigerungsrecht Nach Art. 12 Abs. 6 EU-ZustVO 2020 besteht auch im Fall der unmittelbaren Zustellung keine unbedingte Übersetzungsobliegenheit, sondern ein Annahmeverweigerungsrecht des Zustellungsadressaten. Über dieses ist der Zustellungsadressat auch im Fall der unmittelbaren Zustellung zu belehren.83 Die Belehrung hat nach Art. 12 Abs. 7 EU-ZustVO 2020 zu erfolgen durch die Zustellungsstelle des Empfangsmitgliedstaats (s. Rz. 22).84 Diese ist i.S.v. Art. 12 Abs. 7 EU-ZustVO 2020 die Behörde oder Person, durch welche die Zustellung als Hoheitsakt erfolgt (s. Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 109). Dies bedeutet, dass die Belehrung dem zuzustellenden Schriftstück durch die Zustellungsstelle im Empfangsmitgliedstaat und nicht notwendig bereits durch den Antragsteller beizufügen und an die zuständige Zustellungsstelle zu übermitteln ist; indem der Antragsteller allerdings die Belehrung vorbereitet, mindert er das Risiko eines Belehrungsmangels. Die Annahmeverweigerung unter Abwesenden ist zu erklären ebenfalls gegenüber der die Zustellung im Empfangsmitgliedstaat ausführenden Stelle.85
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6. Kosten Die Kosten einer unmittelbaren Zustellung fallen originär dem Antragsteller (s. Rz. 21) zur Last.86 Ih- 26 re Höhe richtet sich nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats. Keine direkte oder entsprechende Anwendung findet Art. 15 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 15 EU-ZustVO 2020 Rz. 7).87 Nach dem Gebot der Nichtdiskriminierung und dem Effektivitätsgrundsatz darf das Kostenrecht des Empfangsmitgliedstaats allerdings nicht so gestaltet sein, dass die durch die Vorschrift angeordnete Gleichstellung grenzüberschreitender Zustellungen mit inländischen Parteizustellungen im Empfangsmitgliedstaats nicht erreicht wird. Danach dürfen für grenzüberschreitende Parteizustellungen von den beauftragten Stellen des Empfangsmitgliedstaats im Vergleich zu inländischen Parteizustellungen nur in dem Umfang höhere Gebühren erhoben werden, wie dies durch den höheren Aufwand bei grenzüberschreitenden Sachverhalten gerechtfertigt ist. 82 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 6. 83 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 15 EuZVO Rz. 6; Hess, IPRax 2008, 477, 479; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 8. 84 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EU) 2020/1784 Rz. 14; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 8. 85 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 15 VO (EG) 1393/2007 Rz. 11; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 15 EG-ZustellVO Rz. 8. 86 I.Erg. auch Stroschein, S. 134. 87 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13. – A.A. Stroschein, S. 134 f.; Sujecki, NJW 2008, 1628, 1631.
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Art. 21 EU-ZustVO 2020 Übermittlung und Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke
Kapitel III Außergerichtliche Schriftstücke (Art. 21)
Artikel 21 Übermittlung und Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke Außergerichtliche Schriftstücke können in einen anderen Mitgliedstaat nach Maßgabe dieser Verordnung übermittelt und dort zugestellt werden. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . b) EG-ZustVO 2000/EG-ZustVO 2007 c) EU-ZustVO 2020 . . . . . . . . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
1 1 3 3 4 6 7
II. Außergerichtliches Schriftstück . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtliche Schriftstücke . . . . . . . . . . . .
8 8 9
3. Außergerichtliche Schriftstücke . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Besondere Rechtserheblichkeit . . . . . c) Im sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . III. 1. 2. 3.
. . 10 . . 10 . . 12 . . 15
Rechtliche Behandlung . . . . . . . . . . . . . Gleichstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausführung der Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
16 16 18 20
Schrifttum: Halfmeier, Zustellung einer notariellen Urkunde als außergerichtliches Schriftstück, LMK 2009, 288747; Hauser, Die neue Europäische Zustellungsverordnung – Tatsächliche Verbesserungen im Europäischen Zustellungssystem?, zak 2009, 105; Sujecki, Zur Bedeutung des Begriffs „außergerichtliches Schriftstück“, EuZW 2009, 358; Sujecki, Zustellung einer notariellen Urkunde außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, EuZW 2009, 585. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift bildet Kapitel III der Verordnung und ergänzt das neben diesem stehenden Kapitel II. Das Zusammenwirken beider Kapitel wird dadurch bestimmt, dass der Hauptzweck der Verordnung darin besteht, in Ergänzung insbesondere zur Brüssel Ia-VO und weiteren Verordnungen die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke zu beschleunigen und zu vereinfachen, um Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug zu beschleunigen und den Rechtsschutz zu effektivieren (s. auch Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 48 ff.).1 Hierauf lag der Fokus des Verordnungsgebers (Erwägungsgründe 3 S. 2, 9 S. 1, 31 S. 1 EU-ZustVO 2020) und hierauf sind dementsprechend die von der Verordnung für die grenzüberschreitende Zustellung vorgesehenen Regelungen und Mechanismen ausgerichtet.2 Der Fokus des Verordnungsgebers lag dagegen nicht auf der (in der Praxis zahlenmäßig weit weniger bedeutsamen)3 Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke und auf diese wurde bei der Ausgestaltung der für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke vorgesehenen Regelungen nicht eigenständig Rücksicht genommen. Um dies zu verdeutlichen und nicht allein mit Rücksicht auf die bei Verwendung eines Begriffspaares leidende Lesbarkeit und Verständlichkeit hat der Verordnungsgeber davon Abstand genommen, die außergerichtlichen Schriftstücke in den Regelungen des Kapitels II (wie in Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020) jeweils neben den gerichtlichen Schriftstücken anzusprechen, sondern sich für die 1 Vgl. Bataller, ABl. EU 2019 C 62/61; COM(2018) 379 final, S. 2; EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C: 2009:395 Rz. 57 – Roda Golf & Beach Resort SL; Brenn, Vor Art. 4 EZV Anm. e), Art. 16 EZV Anm. a). 2 Vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 49 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Brenn, Vor Art. 4 EZV Anm. e), Art. 16 EZV Anm. a). 3 Knöfel, IPRax 2017, 245, 247.
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Kap. III: Außergerichtliche Schriftstücke
Art. 21 EU-ZustVO 2020
Einstellung der Vorschrift in ein gesondertes Kapitel entschieden. Er hat durch die gewählte Regelungstechnik bzw. Verordnungssystematik herausgestellt, dass entsprechend dem von ihm gelegten Fokus die in Bezug genommenen Vorschriften des Kapitels II, welche hierauf nicht ausgerichtet sind, auf die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke nicht eins zu eins und uneingeschränkt, sondern nur entsprechende Anwendung finden. Hintergrund der Vorschrift ist, dass die nationalen Rechtsordnungen (z.B. § 132 BGB, Art. 1139 frz. 2 Code Civil a.F., Art. 1209 Abs. 2 it. Codice Civile) förmliche Informationen (Zustellungen) auch in Bezug auf Schriftstücke vorsehen (zulassen oder erfordern), die nicht gerichtlicher Natur sind.4 Weiter nimmt sie in den Blick, dass auf Grundlage des tradierten Grundverständnisses (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 5, 67) Zustellungen nicht allein aufgrund der Natur bzw. des Inhalts des zuzustellenden Schriftstücks, sondern auch aufgrund ihrer Anordnung oder Ausführung durch einen Hoheitsträger oder Beliehenen als Ausübung von Hoheitsbefugnissen erscheinen können und dann auf dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates zu unterlassen sind. Um zu vermeiden, dass der Binnenmarkt mit Rücksicht hierauf dadurch beeinträchtigt wird, dass im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr außergerichtliche Schriftstücke nicht zugestellt werden können, muss auch für außergerichtliche Schriftstücke die Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Zustellung gegeben sein. Hierzu erklärt die Vorschrift schlicht die für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke vorgesehenen und eingerichteten Mechanismen auf die Zustellung von außergerichtlichen Schriftstücken für anwendbar. Im Verhältnis der Mitgliedstaaten schränkt die Vorschrift demnach für außergerichtliche Schriftstücke (wie Kapitel II für gerichtlicher Schriftstücke) ein den oder schafft einen Ausgleich zum Souveränitätsanspruch der Mitgliedstaaten als Empfangsmitgliedstaat. 2. Entstehungsgeschichte a) Ausgangspunkt Die Vorschrift geht zurück auf Art. 16 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)5 und Art. 16 EG-ZustVO 3 2000. Diese wiederum knüpften an Art. 17 HZÜ6 und die Überschrift vor Art. 1 HZPÜ7 (Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke) an. Bereits danach gelten die Vorschriften über grenzüberschreitende Zustellungen jeweils nicht nur für die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke, sondern auch für die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke. Durch Art. 17 HZÜ erfasst werden ausweislich seines Wortlauts im Grundsatz8 aber nur Schriftstücke, die, ohne gerichtliche Schriftstücke zu sein, von einer Behörde oder einem Justizbeamten stammen, d.h. ihrem durch den Aussteller bestimmten Inhalt nach in einem weiten Sinne als Ausübung von Hoheitsrechten erscheinen. Dagegen werden private Schriftstücke von Art. 17 HZÜ nicht erfasst. Dem liegt zugrunde, dass im Fokus des HZÜ die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke steht9 und die Erstreckung des Anwendungsbereichs auf außergerichtliche Schriftstücke lediglich vermeiden soll, dass Schriftstücke, welche in einzelnen Vertragsstaaten durch ein Gericht und in anderen Vertragsstaaten durch andere Stellen ausgestellt werden, sachwidrig dem Anwendungsbereich entzogen werden.10 Hinzu kommt, dass das HZÜ von der traditionellen Vorstellung geprägt ist, dass Zustellungen Hoheitsakte und daher auf dem Gebiet eines fremden Staates zu unterlassen sind, und darauf zielt, die sich hieraus für Zustellungen ergebenden Beschränkungen auszugleichen bzw. zurückzunehmen. Aufgrund der Fokussierung auf gerichtliche Schriftstücke wurde dabei davon ausgegangen, dass sich gerade aus dem in einem Schriftstück verkörperten Akt (z.B. Ladung, Urteil) ergibt, dass Zustellungen Hoheitsakte sind. Auf der Grundlage dieses Verständnisses kann die Übermittlung privater außergerichtlicher Schrift-
4 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 2. 5 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 21 EuZVO 2022 Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 21 EuZustVO Rz. 1. 6 GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 35 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Knöfel, IPRax 2017, 245, 250; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 16 EuZVO Rz. 1. 7 Vgl. dazu Knöfel, IPRax 2017, 245, 249 f. 8 Zu begrenzten Ausweitungsbestrebungen vgl. Knöfel, IPRax 2017, 245, 250 f. 9 Vgl. Geimer, S. 2. 10 Knöfel, IPRax 2017, 245, 249 f.
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Art. 21 EU-ZustVO 2020 Übermittlung und Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke stücke nicht mit dem Souveränitätsanspruch des Empfangsstaats in Konflikt geraten. Aus diesem Grund trifft das HZÜ dazu keine Aussagen. b) EG-ZustVO 2000/EG-ZustVO 2007 4
An Art. 17 HZÜ knüpften Art. 16 EG-ZustVO 2000 und der identische11 Art. 16 EG-ZustVO 2007 an, ohne allerdings in ihren Wortlaut die Beschränkung auf durch einen Hoheitsträger ausgestellte Schriftstücke zu übernehmen.12 Vor diesem Hintergrund war umstritten, ob der Begriff des außergerichtlichen Schriftstücks i.S.d. der Verordnung wie in Art. 17 HZÜ oder weiter zu verstehen war.13 Ein von den Mitgliedstaaten unter der Aufsicht der Kommission auf Grundlage von Art. 17 lit. b EG-ZustVO 2000 erarbeitetes Glossar, dem keine definitorische bzw. abschließende Bedeutung zukam,14 ließ unterschiedliche Verständnisse des Begriffs erkennen. Für ein enges Verständnis in Anlehnung an Art. 17 HZÜ wurden insbesondere angeführt die Entwicklung der Regelung aus Art. 17 HZÜ, die Fokussierung der Verordnung auf die Rechtshilfe sowie ihr Telos. Verwiesen wurde darauf, dass die Verordnung nicht darauf ziele, die Mitgliedstaaten zu Kurierdiensten zu degradieren.15 In der zu Art. 16 EG-ZustVO 2000 ergangenen und eine Notarurkunde betreffenden Entscheidung in der Rechtssache Roda Golf & Beach Resort SL16 musste der EuGH die Streitfrage noch nicht unmittelbar entscheiden.17 Er erkannte aber, dass der Begriff des außergerichtlichen Schriftstücks verordnungsautonom auszulegen sei und ihm auch Schriftstücke, die nicht von einem Gericht stammen oder sich auf ein Gerichtsverfahren beziehen, dann unterfallen, wenn sie rechtserheblich (z.B. Notarurkunden) sind.18 Zu Art. 16 EG-ZustVO 2007 hat der EuGH diese Auslegung dann mit seiner Entscheidung in der Rechtssache Tecom Mican SL und José Arias Domínguez19 bestätigt und konkretisiert.20 Ausgehend davon, dass eine verordnungsautonome Auslegung geboten sei, ist er dabei dazu gelangt, dass der Begriff des außergerichtlichen Schriftstücks weiter als in Art. 17 HZÜ zu verstehen sei und nicht nur von einer Behörde oder einer Amtsperson erstellte oder beglaubigte Schriftstücke, sondern auch private Schriftstücke erfasse, deren förmliche Übermittlung an ihren im Ausland ansässigen Empfänger zur Geltendmachung, zum Beweis oder zur Wahrung eines Rechts oder Anspruchs in Zivil- oder Handelssachen erforderlich ist.21 Zur Begründung hat der EuGH entstehungsgeschichtlich22 und systematisch-teleologisch argumentiert. Maßgeblich stellte er darauf ab, dass gerichtliche Verfahren und die auf sie bezogenen Schriftstücke nur einen Ausschnitt der justiziellen Zusammen11 EuGH v. 11.6.2009 – C-564/07, ECLI:EU:C:2009:364 Rz. 6 – Kommission/Republik Österreich; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 37 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. 12 Vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 35 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Brenn, Art. 16 EZV Anm. b); Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 16 EuZVO Rz. 1. 13 Gegen ein weiteres Verständnis z.B. Hauser, zak 2009, 105, 106; Knöfel, IPRax 2017, 245, 248 ff.; Knöfel, RIW 2021, 473 476 f. 14 GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 11, 79 – Roda Golf & Beach Resort SL; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 11. 15 Vgl. GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 92 – Roda Golf & Beach Resort SL; Knöfel, IPRax 2017, 245, 254; Knöfel, RIW 2021, 473, 477. 16 EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 – Roda Golf & Beach Resort SL. 17 Vgl. aber Knöfel, IPRax 2017, 245, 246: Ausdehnung wohl bereits anklingen lassend. 18 EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 44 ff., 53 ff. – Roda Golf & Beach Resort SL; GA RuizJarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 75 ff. – Roda Golf & Beach Resort SL. – Krit. SWD(2018) 287 final, S. 12; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 22. 19 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 31 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272. Zustimmend Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 16 EG-ZustellVO Rz. 3. Ablehnend dagegen Knöfel, IPRax 2017, 245, 248 ff.; Knöfel, RIW 2021, 473 476 f. 20 Knöfel, IPRax 2017, 245, 246. 21 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 44 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272. Zustimmend GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI:EU:C:2020:971 Rz. 96 – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o. 22 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 38 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 32 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. – Dezidiert dagegen Knöfel, IPRax 2017, 245, 246, 248 ff.
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Kap. III: Außergerichtliche Schriftstücke
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arbeit im Binnenmarkt bildeten und die Verordnung in ihrem sachlichen Anwendungsbereich ein System innergemeinschaftlicher Zustellungen im Interesse der Verwirklichung des Binnenmarktes insgesamt schaffe.23 Die Ansicht des EuGH überzeugt. Für sie spricht zunächst der von Art. 17 HZÜ abweichende Wort- 5 laut. Weiter spricht für sie, dass die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten teilweise auch vorsehen, dass der Zugang von privatrechtlichen Erklärungen durch deren Zustellung substituiert werden kann (z.B. § 132 BGB), was Bedeutung vor allem durch die Möglichkeit zur Ersatzzustellung24 erlangt. In diesen Fällen wird eine Zugangsfiktion gerade an die förmliche Zustellung durch hierzu berufene Stellen geknüpft. Darin wird erkennbar, dass der Ausführung einer Zustellung als Vorgang, ohne Rücksicht auf einen in einem Schriftstück verkörperten Hoheitsakt, d.h. den Inhalt oder den Urheber eines Schriftstücks, ein hoheitlicher Charakter im Sinne des Grundverständnisses der Mitgliedstaaten zukommen kann (Erwägungsgrund 27 S. 1 EU-ZustVO 2020 spricht gleichsam einen Teil des Wesens von Zustellungen als Hoheitsakte an, s. auch Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 f.).25 Dies übersieht z.B. der Einwand von Knöfel,26 die Rechtsprechung des EuGH verkenne die Grundbedingungen der grenzüberscheitenden Rechtshilfe. Rechtshilfe zeichnet sich dadurch aus, dass ein ersuchter Staat für einen ersuchenden Staat eine hoheitliche Maßnahme ergreift, die dem ersuchenden Staat selbst verschlossen ist. Dies trifft bei der Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke auf den Vorgang der Zustellung zu. Davon abgesehen entspricht die Anwendung der Verordnung auch auf diese Fälle dem Gedanken des gemeinsamen Binnenmarktes und des Raums des Rechts.27 Denn wäre die Verordnung nicht auch auf diese Fälle anwendbar, könnte eine effektive grenzüberschreitende Zustellung scheitern mit der Folge, dass an ihre Stelle eine fiktive Inlandszustellung (z.B. öffentliche Zustellung) tritt. Gerade die Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten würden die Stellung des Zustellungsadressaten verschlechtern. c) EU-ZustVO 2020 Die Vorschrift knüpft an Art. 16 EG-ZustVO 2000/EG-ZustVO 2007 und insbesondere auch an die 6 dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH an. Zwar hat die betreffende Rechtsprechung des EuGH entgegen berechtigten Erwartungen28 keinen Eingang in den verfügenden Text der Verordnung oder gar in die Vorschrift gefunden. Allerdings wurde, mit Bedeutung für die Vorschrift, die Rechtsprechung des EuGH in Erwägungsgrund 8 EU-ZustVO 2020 bestätigt.29 Die Vorschrift selbst wurde im Vergleich zu Art. 16 EG-ZustVO 2007 nur redaktionell geändert. Der Kommissionsentwurf sah noch weder eine entsprechende redaktionelle Überarbeitung noch eine Klarstellung des Begriffs des außergerichtlichen Schriftstücks vor.30 Die Stellungnahmen des EWSA und des Parlaments gingen in der Folge auf Art. 16 EG-ZustVO 2007 nicht ein. Die Klarstellung in Erwägungsgrund 8 EU-ZustVO 2020 geht zurück auf die Allgemeine Ausrichtung des Rates in den Beratungen erster Lesung.31 Die redaktionelle Überarbeitung der Vorschrift ist erfolgt im Zusammenhang mit der im Rahmen der Triloggespräche getroffenen Entscheidung, anstatt einer Änderungsverordnung eine Neufassung der Verordnung (vgl. Erwägungsgründe 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020) zu erlassen. 23 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 37, 45 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272; EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 55 f. – Roda Golf & Beach Resort SL; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 56 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. Vgl. auch COM(2013) 858 final, S. 5; COM(2018) 379 final, S. 2. 24 Vgl. Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 25. 25 Vgl. auch Kondring, S. 99: Indiz für öffentlich-rechtlichen Charakter ist Möglichkeit zur Ersatzzustellung. 26 Knöfel, IPRax 2017, 245, 253 f.; Knöfel, RIW 2021, 473 476 f. Folgend Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 5. 27 Vgl. auch COM(2018) 379 final, S. 2. 28 Vgl. Mankowski, EuZW 2015, 950. Empfohlen auch von Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 4. 29 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 21 EuZustVO Rz. 1. 30 COM(2018) 379 final, S. 24. 31 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 8: Vorschlag für Erwägungsgrund 2b.
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Art. 21 EU-ZustVO 2020 Übermittlung und Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke 3. Anwendungsbereich 7
Die Vorschrift erfasst nur die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke, welche in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Sie gilt nicht für Schriftstücke, die von Verwaltungsbehörden für die Zwecke von Verwaltungsverfahren ausgestellt werden (Erwägungsgrund 8 S. 2 EU-ZustVO 2020; s. auch Rz. 15).
II. Außergerichtliches Schriftstück 1. Allgemeines 8
Der Begriff des außergerichtlichen Schriftstücks ist ebenso wie sein Gegenstück, der Begriff des gerichtlichen Schriftstücks, für die Anwendung der Verordnung zentral. Beide Begriffe erlangen Bedeutung bereits für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung (vgl. Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020). Gleichwohl wurden die Begriffe durch die Vorgängerverordnungen nicht näher definiert, sondern mit einer bestimmten Bedeutung vorausgesetzt,32 um deren Klärung sich der EuGH in seiner Rechtsprechung bemüht hat (s. Rz. 4 f.). Diese zu Art. 16 EG-ZustVO 2000/EG-ZustVO 2007 ergangene Rechtsprechung wurde durch Erwägungsgrund 8 EU-ZustVO 2020 bestätigt und ist für die Auslegung der Vorschrift zu berücksichtigen (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 35). Die Begriffe gerichtliches Schriftstück und außergerichtliches Schriftstück sind danach verordnungsautonom auszulegen33 und für den in seinem Verständnis umstrittenen Begriff des außergerichtlichen Schriftstücks ist unbeschadet der an der Rechtsprechung des EuGH formulierten Kritik (s. Rz. 5) von einem weiten, weder eine Ausstellung in Ausübung hoheitlicher Befugnisse noch einen Bezug zu einem Rechtsstreit voraussetzenden Verständnis auszugehen (s. Rz. 10 ff.). 2. Gerichtliche Schriftstücke
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Ein gerichtliches Schriftstück im Sinne der Verordnung zeichnet sich dadurch aus, dass es entweder von einem Gericht im Rahmen eines Rechtsstreits ausgestellt wurde oder unabhängig vom Aussteller sich seinem Inhalt nach in dem Sinne auf einen einzuleitenden, anhängigen34 oder beendeten Rechtsstreit bezieht, dass seiner Zustellung verfahrensrechtliche35 Bedeutung für Einleitung, Durchführung oder Beendigung36 zukommt.37 Nicht ausreichend ist dagegen, dass ein Schriftstück zur Ge32 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/28; KOM(1999) 219 endg.; EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 44 ff. – Roda Golf & Beach Resort SL; GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI:EU:C: 2020:971 Rz. 95 – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o.; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 31 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 16 EuZVO Rz. 1; Brenn, Kap. III EZV, Art. 1 EZV Anm. e); Meyer, IPRax 1997, 401, 403; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.50; Springer, S. 28. Vgl. auch Stadler/ Krüger in Musielak/Voit, Art. 21 EuZustVO Rz. 1. – Abw. GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 74 – Roda Golf & Beach Resort SL: Begriff außergerichtliches Schriftstück im Gegensatz zum Begriff gerichtliches Schriftstück nicht definiert. 33 Vgl. SWD(2018) 287 final, S. 12; EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 44 ff. – Roda Golf & Beach Resort SL; EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 32 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272; GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI:EU:C:2020:971 Rz. 96 – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o.; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015: 364 Rz. 44 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Brenn, Art. 1 EZV Anm. e); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 36; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2016, 158, 159; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 16 EuZVO Rz. 1; Knöfel, IPRax 2017, 245, 247 f.; Mankowski, EuZW 2015, 950, 951; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 11, 13; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.50; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 21 EuZustVO Rz. 1; Sujecki, EuZW 2009, 585, 585 f.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 4, Art. 16 EuZVO Rz. 2. 34 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 12. 35 Nicht notwendig verfahrenseinleitende Bedeutung, vgl. Springer, S. 29. 36 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 37; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 7; Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 26.
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Kap. III: Außergerichtliche Schriftstücke
Art. 21 EU-ZustVO 2020
richtsakte genommen wird bzw. sich in dieser befindet.38 Der Begriff des Rechtsstreits ist dabei verordnungsautonom auszulegen und erfasst unabhängig von der führenden Stelle39 alle staatlichen Rechtsschutzverfahren, d.h. neben vollwertigen Erkenntnisverfahren auch summarische Verfahren und Zwangsvollstreckungsverfahren (z.B. Zustellung nach § 750 Abs. 1 ZPO, Art. 43 Abs. 1, 53, 58, 60 Brüssel Ia-VO).40 Welche Schriftstücke sich ihrem Inhalt nach auf einen Rechtsstreit in diesem Sinne beziehen, bestimmt sich nach dem auf den jeweiligen Rechtsstreit, zu dem ein Bezug festgestellt werden soll, anwendbaren Recht. Typische gerichtliche Schriftstücke aufgrund gerichtlicher Ausstellung sind z.B. Terminsladungen, die in einem Verfahren ergehenden gerichtlichen Entscheidungen sowie Bescheinigungen nach Art. 53 Brüssel Ia-VO. Aufgrund ihres Bezugs zu einem Rechtsstreit sind ohne Rücksicht auf ihren Aussteller gerichtliche Schriftstücke z.B. Prozesshandlungen der Parteien (Klageschrift, Streitverkündungsschrift). 3. Außergerichtliche Schriftstücke a) Überblick Nach Erwägungsgrund 8 S. 1 EU-ZustVO 2020 sind außergerichtliche Schriftstücke im Sinne der 10 Verordnung solche, die keine gerichtlichen Schriftstücke (s. Rz. 9) sind,41 in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung fallen (s. Rz. 15) und ihnen ausweislich ihres Ausstellers oder aufgrund des Umstands, dass ihre förmliche Übermittlung an einen Empfänger in einem anderen Mitgliedstaat zur Geltendmachung, zum Beweis oder zur Wahrung eines Rechts oder Anspruchs erforderlich ist, besondere und die Bindung des Empfangsmitgliedstaats durch die Vorschriften der Verordnung rechtfertigende besondere Rechtserheblichkeit zukommt (s. Rz. 12 ff.).42 Dass sie in einem (zumindest losen) Zusammenhang mit einem (laufenden) Rechtsstreit stehen bzw. ihnen Bedeutung für ein späteres Verfahren zukommt, ist nicht eigenständig erforderlich.43 Ob ein Schriftstück diese Anforderungen erfüllt, obliegt in erster Linie der Beurteilung des Ursprungs- 11 mitgliedstaats.44 An diese sind die Stellen des Empfangsmitgliedstaats allerdings nicht gebunden, sondern zu einer eigenen Prüfung berechtigt. Ihre Kognitionsobliegenheit ist insoweit allerdings mit Rücksicht auf das wechselseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten nach Maßgabe von Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 (Offenkundigkeit) beschränkt (s. Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 35 f.).45
37 Vgl. ABl. EG 1997 C 261/28; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 37; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/ EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 7; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11. – Abw. (gerichtlicher Aussteller notwendig) GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI:EU:C: 2020:971 Rz. 90, 105 – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o.; Knöfel, RIW 2021, 473, 476; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 1 EuZuStVO Rz. 3; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 1 EuZustVO Rz. 5. 38 GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 77 – Roda Golf & Beach Resort SL; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 13. 39 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 37; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13. 40 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 12; Sujecki, EuZW 2009, 358. 41 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 39; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 13. 42 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 16 EuZVO Rz. 2, 7. 43 EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 51 ff. – Roda Golf & Beach Resort SL; Brenn, Kap. III EZV; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 40; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 1 EuZuStVO Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 13; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.50. – A.A. GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 92 – Roda Golf & Beach Resort SL; Sujecki, EuZW 2009, 358; Sujecki, EuZW 2009, 585, 586. 44 Vgl. GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 91 – Roda Golf & Beach Resort SL; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 16 EuZVO Rz. 3; Mankowski, EuZW 2015, 950, 951; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 18; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 6, Art. 16 EuZVO Rz. 4. 45 Vgl. Mankowski, EuZW 2015, 950, 951; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 18; Gebauer/ Wiedmann/Sujecki, Art. 1 EuZVO Rz. 6, Art. 16 EuZVO Rz. 4.
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Art. 21 EU-ZustVO 2020 Übermittlung und Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke b) Besondere Rechtserheblichkeit 12
Außergerichtliches Schriftstück im Sinne der Verordnung ist nicht jedes beliebige Schriftstück, welches kein gerichtliches Schriftstück ist, sondern nur ein solches, dem besondere Rechtserheblichkeit zukommt. Die besondere Rechtserheblichkeit eines Schriftstücks kann sich danach ergeben erstens vergleichbar wie bei gerichtlichen Schriftstücken in Anknüpfung an den Aussteller46 wie auch zweitens (bei Privaturkunden)47 in Anknüpfung an die Funktion seiner förmlichen Übermittlung (unter Berücksichtigung, nicht aber isoliert seines Inhalts48).49 Aus dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen sind danach insbesondere schlichte Mitteilungen wie ein Urlaubsgruß, denen auch in Verbindung mit ihrer förmlichen Übermittlung gar keine Rechtserheblichkeit zukommt.50 Ob einem Schriftstück die erforderliche Rechterheblichkeit zukommt, bestimmt sich nach dem (nationalen) Recht, in dessen Anwendung das Schriftstück ausgestellt ist bzw. nach dem der Zustellung eines Schriftstücks eine bestimmte Funktion zukommt.51
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Besondere Rechtserheblichkeit kommt Schriftstücken zu, welche von einer Behörde (z.B. auch Notar) oder einem Justizbeamten ausgestellt oder beglaubigt wurde.52 In diesem Fall verkörpert das Schriftstück (auch) einen Hoheitsakt. Bereits dies begründet seine besondere Rechtserheblichkeit. Maßgeblich ist nicht eine organisatorische, sondern eine funktionale Betrachtung. Entscheidend ist, dass das Schriftstück in Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse ausgestellt oder beglaubigt wurde. Denn hierdurch erscheint es vergleichbar einem durch ein Gericht ausgestellten Schriftstück als Hoheitsakt. Außergerichtliches Schriftstück ist unter diesem Gesichtspunkt z.B. eine Rechtswahrungsanzeige des Jugendamtes.53 Durch eine organisatorisch als Behörde zu qualifizierende Stelle ohne Wahrnehmung von hoheitlichen Befugnissen ausgestellte Schriftstücke (z.B. Kündigung des Mietverhältnisses durch eine Behörde) erlangen ihre besondere Rechtserheblichkeit dagegen nicht mit Rücksicht auf ihren Aussteller. Unberührt bleibt, dass ihnen anknüpfend an die Funktion eine besondere Rechtserheblichkeit zukommt. Nicht erforderlich ist, dass Aussteller eine Behörde oder ein Justizbeamter eines Mitgliedstaats ist. Auch durch entsprechende Stellen eines Drittstaats ausgestellten Schriftstücken kann bereits anknüpfend an ihren Aussteller besondere Rechtserheblichkeit zukommen.
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Unabhängig vom Aussteller (und damit auch unabhängig von der Verkörperung eines Hoheitsakts) kann Schriftstücken eine besondere Rechtserheblichkeit auch dadurch zukommen, dass ausgehend von dem in ihnen gespeicherten Gedankeninhalt ihre förmliche Übermittlung an einen in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Empfänger zur Geltendmachung, zum Beweis oder zur Wahrung eines Rechts oder Anspruchs in Zivil- oder Handelssachen erforderlich ist. Erforderlich ist, dass dem Schreiben, wird es zugestellt, ausgehend von seinem Inhalt54 die Funktion zukommt, ein Recht oder einen Anspruch auszuüben bzw. geltend zu machen oder zu wahren oder den Nachweis der Geltendmachung bzw. Ausübung oder Wahrung zu erleichtern. Dies trifft z.B. auf Zustellungen im Rah-
46 EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 58 – Roda Golf & Beach Resort SL: Notar; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 53 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 90 – Roda Golf & Beach Resort SL; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 29. 47 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 40; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 17; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 13. 48 Vgl. Brenn, Art. 16 EZV EinfErl.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 39; Knöfel, IPRax 2017, 245, 252; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 13. – A.A. GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 90 – Roda Golf & Beach Resort SL. 49 GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 55 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 30. 50 Brenn, Kap. III EZV. 51 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 39; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 13. 52 EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 58 – Roda Golf & Beach Resort SL; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 16. 53 BT-Drucks. 20/1110, 26. 54 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 17.
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Kap. III: Außergerichtliche Schriftstücke
Art. 21 EU-ZustVO 2020
men von Schiedsverfahren zu.55 Nicht vorausgesetzt wird von der Vorschrift, dass die Zustellung des Schriftstücks zur Erreichung des genannten Zwecks unablässig ist (missverständlich Erwägungsgrund 6 EU-ZustVO 2020 a.E.: „vorgeschrieben“, zutreffend schwächer englische Sprachfassung: „required“, schwächer auch französische Sprachfassung: „est requise“).56 Ausreichend ist vielmehr, dass die Zustellung zur Erreichung der benannten Zwecke geeignet ist.57 Dass zu den genannten Zwecken auch der einfache Zugang des Schriftstücks ausreichend ist und eine Zustellung lediglich im Interesse eines stärkeren Zugangsnachweises oder zur Nutzbarmachung der Möglichkeit zur Ersatzzustellung bzw. Zustellungsfiktion erfolgen soll (z.B. bei Anwendung von § 132 BGB), nimmt einem Schreiben nicht seine besondere Rechtserheblichkeit. c) Im sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung Indem die Verordnung den gerichtlichen Schriftstücken die außergerichtlichen Schriftstücke zur Seite 15 stellt, wird der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung in den übrigen Dimensionen nicht erweitert. Vielmehr sind außergerichtliche Schriftstücke im Sinne der Verordnung nur solche, die auch im Übrigen in den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung fallen (Zivil- und Handelssachen).58 Dies stellt, wenngleich aufgrund der Bezugnahme auf das Ausstellen anstatt auf die Zustellung missverständlich, Erwägungsgrund 8 EU-ZustVO 2020 in Satz 1 und Satz 2 klar. Entscheidend ist, dass die Zustellung eines außergerichtlichen Schriftstücks sich auf eine Zivil- und Handelssache bezieht und ein Schriftstück nicht von einer Verwaltungsbehörde zum Zweck der Zustellung in einem Verwaltungsverfahren ausgestellt worden ist.59 Als außergerichtliches Schriftstück erfasst ist daher auch ein gestaltend auf ein Privatrechtsverhältnis einwirkender Verwaltungsakt, wenn die Zustellung nicht im Rahmen des auf seine Erteilung oder Anfechtung gerichteten Verwaltungsverfahrens, sondern im Rahmen des Privatrechtsverhältnisses, auf welches eingewirkt wird, erfolgt.
III. Rechtliche Behandlung 1. Gleichstellung Die Vorschrift begründet ausweislich des Wortlauts („können“) für außergerichtliche Schriftstücke kein Zustellungserfordernis, sondern setzt voraus, dass anderweitig, insbesondere durch das Recht der Mitgliedstaaten (gegebenenfalls aber auch durch drittstaatliches Recht) die Zustellung eines außergerichtlichen Schriftstücks zur Auslösung von Rechtswirkungen vorgesehen (gefordert oder zugelassen) ist.60 Aus der Formulierung „können“ folgt entgegen h.A.61 aber nicht, dass die Anwendung der Verordnung auf die grenzüberschreitende Zustellung außergerichtlicher Schriftstück fakultativ 55 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 42; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 30; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/9. 56 GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 58 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 40, Art. 16 EuZVO Rz. 2; Mankowski, EuZW 2015, 950, 951. – A.A. GA Ruiz-Jarabo Colomer, Schlussanträge v. 5.3.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:134 Rz. 91 – Roda Golf & Beach Resort SL; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 16 EuZVO Rz. 5 ff.; Hauser, zak 2009, 105, 106; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 8; Peer in Burgstaller/ Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 1 EuZVO Rz. 3. Krit. auch Knöfel, IPRax 2017, 245, 247. 57 Vgl. EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 58 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 49 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. 58 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 41. 59 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 1 EuZVO Rz. 41. 60 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 16 EuZVO Rz. 2. 61 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 1 EuZVO Rz. 8; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 16 EuZVO Rz. 3; Fahrbach/Schiener, IWRZ 2016, 158, 159; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 32, Art. 21 EuZVO 2022 Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13, Art. 21 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 16 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 11, Art. 16 EG-ZustellVO Rz. 1; BeckOK/ ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 29 EuZVO 2022 Rz. 2.
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Art. 21 EU-ZustVO 2020 Übermittlung und Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke und nicht zwingend in dem Sinne ist, dass uneingeschränkt anstelle einer (effektiven) grenzüberschreitenden Zustellung auch eine (fiktive) Inlandszustellung in Betracht kommt. Vielmehr sperrt die Verordnung den Rückgriff auf das nationale Zustellungsrecht auch für die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke.62 Abweichendes ergibt sich auch nicht aus Erwägungsgrund 6 und 7 EU-ZustVO 2020, welche sich nicht nur ausweislich ihrer Anknüpfung an den „Forummitgliedstaat“ erkennbar allein auf die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke beziehen. Denn diese Beschränkung ist nicht inhaltlichen Erwägungen des Verordnungsgebers, sondern allein dem Umstand geschuldet, dass das in den beiden Erwägungsgründen aufgegriffene Urteil des EuGH zu einem gerichtlichen Schriftstück ergangen ist. Hinzu kommt, dass die Erwägungsgründe 6 und 7 EU-ZustVO 2020 der Ausfüllung des Begriffs grenzüberschreitende Zustellung dienen, dem im Rahmen von Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 für gerichtliche und außergerichtliche Schriftstück gleichermaßen Bedeutung zukommt. Überdies wollte die Kommission den Anwendungsbereich für gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke unterschiedlich fassen, konnte sich mit einer Differenzierung aber nicht durchsetzen (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 15, 17). Keine Vorgaben macht die Vorschrift allerdings zum Zugang von außergerichtlichen Schriftstücken.63 Weder schließt sie aus, an den bloßen Zugang anstatt an die Zustellung bestimmte Rechtswirkungen zu knüpfen, noch beschränkt sie die grenzüberschreitende Übermittlung zum Zweck der Zugangsbewirkung. Sobald allerdings zur Auslösung bestimmter Rechtswirkungen eine förmliche Information (Zustellung) erfolgen muss (d.h. ein bloßer Zugang nicht genügt) oder erfolgen soll, um die anknüpfend gerade an eine solche vorgesehenen Vorteile (z.B. größere Zuverlässigkeit, besserer Nachweis, Möglichkeit zur Ersatzzustellung bzw. Zustellungsfiktion) zu nutzen, ist in ihrem Anwendungsbereich die Verordnung anzuwenden und verdrängt nationale Vorschriften.64 17
Die Vorschrift ordnet für die Anwendung der Verordnung in Bezug auf Kapitel II eine Gleichstellung von außergerichtlichen mit gerichtlichen Schriftstücken an. Die allgemeinen Vorschriften in Kapitel I und die Schlussbestimmungen in Kapitel IV gelten nach allgemeinen Grundsätzen ohnehin gleichermaßen für gerichtliche und außergerichtliche Schriftstücke, soweit ihr Wortlaut nicht lediglich gerichtliche Schriftstücke anspricht (z.B. Art. 22 EU-ZustVO 2020, s. Rz. 19).65 Dagegen finden aufgrund der durch die Vorschrift angeordneten Gleichstellung im Grundsatz sämtliche Vorschriften in Kapitel II der Verordnung, auch soweit sie sich (z.B. infolge ausdrücklicher Benennung oder auch Verweis auf den Forummitgliedstaat) ihrem Wortlaut nach nur auf gerichtliche Schriftstücke beziehen, sinnentsprechend auch auf außergerichtliche Schriftstücke Anwendung.66 Dies hat zur Folge, dass für die zum Zweck der Zustellung erfolgende Übermittlung außergerichtlicher Schriftstücke ebenso wie für ihre direkte und unmittelbare grenzüberschreitende Zustellung im Ausgangspunkt dieselben Wege wie für gerichtliche Schriftstücke eröffnet sind.67 Die Mitgliedstaaten sind als Empfangsmitgliedstaat nicht berechtigt, ihre nach Kapitel II geschuldete Mitwirkung oder Duldung unter Verweis auf den außergerichtlichen Charakter eines Schriftstücks zu verweigern.68 Die angeordnete Gleichstellung mit gerichtlichen Schriftstücken führt dagegen nicht selbstständig dazu, dass Private außergerichtliche Urkunden unmittelbar selbst zustellen lassen können (s. auch Rz. 18).69 Unberührt bleibt, dass eine Postdirektzustellung auch durch andere Stellen als Übermittlungsstellen, d.h. auch 62 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 50 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 74 f. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.53. 63 Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.53. 64 Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.53. 65 Vgl. BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 vor Rz. 1. 66 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 16 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 21 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. – A.A. Brenn, Art. 16 EZV Anm. d): nicht bei ausdrücklicher Bezugnahme auf gerichtliche Schriftstücke (dabei übersehend, dass die Gleichstellung dann praktisch vollständig leerläuft); Halfmeier, LMK 2009, 288747: Gliederung der Verordnung dürfe nicht sinnlos werden (dabei das Telos der Vorschrift verkennend). 67 EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 60 – Roda Golf & Beach Resort SL; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 16 EuZVO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 11, Art. 16 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 16 EuZVO Rz. 5. 68 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 16 EuZVO Rz. 3. 69 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 16 EG-ZustellVO Rz. 3.
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Kap. III: Außergerichtliche Schriftstücke
Art. 21 EU-ZustVO 2020
durch zur Einleitung eines Zustellungsverfahrens berechtigte Private veranlasst werden kann (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff.). Ebenso bleibt unberührt, dass ein Empfangsmitgliedstaats unabhängig von der Vorschrift eine unmittelbare Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke durch Private ermöglicht. 2. Ausnahmen Unbeschadet der durch die Vorschrift angeordneten Gleichstellung kann die Auslegung von Vorschriften der Verordnung ergeben, dass diese ausschließlich auf gerichtliche und nicht auch auf außergerichtliche Schriftstücke anwendbar sind. Z.B. findet Art. 20 EU-ZustVO 2020 aufgrund der Ausrichtung der Antragsberechtigung auf ein gerichtliches Verfahren, zu welcher für außergerichtliche Schriftstücke ein sachgerechtes Substitut nicht zu erkennen ist, keine Anwendung auf außergerichtliche Schriftstücke.70 Entsprechendes gilt für Art. 19 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 8). Weiter wird vertreten, dass Art. 15 EU-ZustVO 2020 keine Anwendung auf die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke findet.71 Dies überzeugt allerdings nicht, weil die für diese Ansicht angeführten Argumente nicht durchgreifen. Soweit angeführt wird, dass die Anwendung des Art. 15 EU-ZustVO 2020 die Einteilung der Verordnung in Kapitel leerlaufen lasse, wird der Hintergrund dieser Einteilung (s. Rz. 2) verkannt. Soweit im Übrigen dieselben Erwägungen angeführt werden, welche auch für ein enges Verständnis des Begriffs außergerichtliches Schriftstück angeführt werden, wird nicht beachtet, dass der EuGH diese zurückgewiesen hat.
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Dass Art. 22 EU-ZustVO 2020 wegen seiner Ausrichtung auf verfahrenseinleitende oder gleichwertige Schriftstücke keine Anwendung auf außergerichtliche Schriftstücke findet, ist dagegen keine Ausnahme von der angeordneten Gleichstellung. Denn diese bezieht sich nur auf die Vorschriften in Kapitel II, nicht dagegen auch auf die Vorschriften in Kapitel IV, zu denen Art. 22 EU-ZustVO 2020 gehört.
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3. Ausführung der Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke Die Vorschrift eröffnet für außergerichtliche Schriftstücke keinen eigenen Übermittlungs- oder Zustellungsweg.72 Hierdurch unterscheidet sie sich von den Regelungen in Kapitel II. Vielmehr sind für die Übermittlung außergerichtlicher Schriftstücke zum Zweck der Zustellung im Grundsatz (s. aber Rz. 18) dieselben Wege wie für die Übermittlung gerichtlicher Schriftstücke eröffnet.73 Zu diesen gehört auch die Postdirektzustellung (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff.). Gegebenenfalls sind für die Übermittlung außergerichtlicher Schriftstücke andere Übermittlungsstellen zuständig.74 In Deutschland sind insoweit bestimmt die AG, deren örtliche Zuständigkeit sich nach § 1069 Abs. 1 Nr. 2 ZPO richtet (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 ff.); der Antragsteller hat sich daher nicht an den Gerichtsvollzieher zu wenden.75 Die verschiedenen Übermittlungs- bzw. Zustellungswege stehen wie bei der Übermittlung gerichtliche Schriftstücke im Grundsatz gleichrangig nebeneinander und zwischen ihnen kann gewählt werden (s. auch Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 68). Sie können aber auch parallel (kumulativ) genutzt werden, d.h. eine vorausgegangene Übermittlung berechtigt nicht zur Ablehnung 70 GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C 307/19, ECLI:EU:C:2020:971 Rz. 99 ff. – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 16 EG-ZustellVO Rz. 3. Vgl. auch (mit freilich hier nicht geteilter Argumentation) Halfmeier, LMK 2009, 288747. – A.A. EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C: 2009:395 Rz. 60 – Roda Golf & Beach Resort SL; Brenn, Art. 16 EZV Anm. c); Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 16 EuZVO Rz. 5; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 15 EuZVO Rz. 6, Art. 16 EuZVO Rz. 5. 71 Brenn, Art. 16 EZV Anm. d); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 11 EuZVO Rz. 3; Zöller/Geimer, Art. 16 EuZustVO Rz. 1; Halfmeier, LMK 2009, 288747; Knöfel, IPRax 2017, 245, 254; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 21 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 16 EuZVO Rz. 2. 72 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 16 EG-ZustellVO Rz. 3. 73 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 16 EuZVO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 16 EG-ZustellVO Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 16 EuZVO Rz. 5. 74 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 6. 75 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 21 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 21 EuZVO Rz. 2.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten der Übermittlung.76 Die Übermittlungs- bzw. Zustellungswege stehen unabhängig davon zur Verfügung, dass gesondert ein grenzüberschreitender Bezug des zuzustellenden Schriftstücks oder festgestellt wird, dass die konkrete grenzüberschreitende Zustellung für das Funktionieren des Binnenmarkts von Bedeutung ist.77 21
Die Regelung über das doppelte Datum gilt auch für die Übermittlung außergerichtlicher Schriftstücke zum Zweck der Zustellung.78 Die Gegenansicht verkennt die Reichweite der durch die Vorschrift angeordneten Gleichstellung und überdies, dass die hinter Art. 13 EU-ZustVO 2020 stehende Wertung auf die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke gleichermaßen zutrifft.
22
Für die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke gilt Art. 12 EU-ZustVO 2020, d.h. es besteht auch in diesem Fall keine unbedingte Übersetzungsobliegenheit, sondern ein Annahmeverweigerungsrecht des Zustellungsadressaten.79 Über dieses Recht ist der Zustellungsadressat auch bei der Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke durch die Empfangsstelle bzw. die nach Art. 12 Abs. 7 EU-ZustVO 2020 berufene Stelle zu belehren. Die Annahmeverweigerung unter Abwesenden ist zu erklären gegenüber der Empfangsstelle bzw. der sonstigen nach Art. 12 Abs. 7 EU-ZustVO 2020 hierzu berufenen Stelle.
23
Die Kosten für die grenzüberschreitende Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke unterscheiden sich in Abhängigkeit vom genutzten Übermittlungs- bzw. Zustellungsweg. Nur für Übermittlungen auf dem Rechtshilfeweg gilt Art. 15 EU-ZustVO 2020 (s. Rz. 18). Auch dies entspricht der Rechtslage bei der grenzüberschreitenden Übermittlung gerichtlicher Schriftstücke zum Zweck ihrer Zustellung.
Kapitel IV Schlussbestimmungen (Art. 22–Art. 37)
Artikel 22 Nichteinlassung des Beklagten (1) War ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder ein diesem gleichwertiges Schriftstück nach dieser Verordnung zum Zwecke der Zustellung in einen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln und hat sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen, so ergeht kein Urteil, bis festgestellt ist, dass das Schriftstück so rechtzeitig zugestellt oder übergeben worden ist, dass der Beklagte genügend Zeit hatte, um sich verteidigen zu können, und dass a) das Schriftstück in einer Weise zugestellt worden ist, die das Recht des Empfangsmitgliedstaats für die Zustellung von Schriftstücken in einem innerstaatlichen Rechtsstreit an dort befindliche Personen vorschreibt, oder b) das Schriftstück tatsächlich entweder dem Beklagten persönlich ausgehändigt oder nach einem anderen in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren in der Wohnung des Beklagten abgegeben worden ist. 76 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 47 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 16 EuZVO Rz. 4; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 16 EuZVO Rz. 4; Zöller/Geimer, Art. 16 EuZustVO Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 13; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 21 EuZustVO Rz. 1. 77 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 62 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 65 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. – Rechtsprechung missverstanden durch Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 16 EuZVO Rz. 1: nicht zu prüfen sei, ob ein grenzüberschreitender Fall vorlag – tatsächlich hat der EuGH erkannt, dass die Binnenmarktrelevanz nicht gesondert festgestellt werden muss, wenn ein grenzüberschreitender Fall gegeben ist. 78 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 16 EuZVO Rz. 5. 79 GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 62 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 21 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 16 EG-ZustellVO Rz. 2. – A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 16 EuZVO Rz. 5.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten der Übermittlung.76 Die Übermittlungs- bzw. Zustellungswege stehen unabhängig davon zur Verfügung, dass gesondert ein grenzüberschreitender Bezug des zuzustellenden Schriftstücks oder festgestellt wird, dass die konkrete grenzüberschreitende Zustellung für das Funktionieren des Binnenmarkts von Bedeutung ist.77 21
Die Regelung über das doppelte Datum gilt auch für die Übermittlung außergerichtlicher Schriftstücke zum Zweck der Zustellung.78 Die Gegenansicht verkennt die Reichweite der durch die Vorschrift angeordneten Gleichstellung und überdies, dass die hinter Art. 13 EU-ZustVO 2020 stehende Wertung auf die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke gleichermaßen zutrifft.
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Für die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke gilt Art. 12 EU-ZustVO 2020, d.h. es besteht auch in diesem Fall keine unbedingte Übersetzungsobliegenheit, sondern ein Annahmeverweigerungsrecht des Zustellungsadressaten.79 Über dieses Recht ist der Zustellungsadressat auch bei der Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke durch die Empfangsstelle bzw. die nach Art. 12 Abs. 7 EU-ZustVO 2020 berufene Stelle zu belehren. Die Annahmeverweigerung unter Abwesenden ist zu erklären gegenüber der Empfangsstelle bzw. der sonstigen nach Art. 12 Abs. 7 EU-ZustVO 2020 hierzu berufenen Stelle.
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Die Kosten für die grenzüberschreitende Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke unterscheiden sich in Abhängigkeit vom genutzten Übermittlungs- bzw. Zustellungsweg. Nur für Übermittlungen auf dem Rechtshilfeweg gilt Art. 15 EU-ZustVO 2020 (s. Rz. 18). Auch dies entspricht der Rechtslage bei der grenzüberschreitenden Übermittlung gerichtlicher Schriftstücke zum Zweck ihrer Zustellung.
Kapitel IV Schlussbestimmungen (Art. 22–Art. 37)
Artikel 22 Nichteinlassung des Beklagten (1) War ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder ein diesem gleichwertiges Schriftstück nach dieser Verordnung zum Zwecke der Zustellung in einen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln und hat sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen, so ergeht kein Urteil, bis festgestellt ist, dass das Schriftstück so rechtzeitig zugestellt oder übergeben worden ist, dass der Beklagte genügend Zeit hatte, um sich verteidigen zu können, und dass a) das Schriftstück in einer Weise zugestellt worden ist, die das Recht des Empfangsmitgliedstaats für die Zustellung von Schriftstücken in einem innerstaatlichen Rechtsstreit an dort befindliche Personen vorschreibt, oder b) das Schriftstück tatsächlich entweder dem Beklagten persönlich ausgehändigt oder nach einem anderen in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren in der Wohnung des Beklagten abgegeben worden ist. 76 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 47 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 16 EuZVO Rz. 4; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 16 EuZVO Rz. 4; Zöller/Geimer, Art. 16 EuZustVO Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-ZustellVO Rz. 13; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 21 EuZustVO Rz. 1. 77 EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 62 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 65 ff. – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez. – Rechtsprechung missverstanden durch Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 16 EuZVO Rz. 1: nicht zu prüfen sei, ob ein grenzüberschreitender Fall vorlag – tatsächlich hat der EuGH erkannt, dass die Binnenmarktrelevanz nicht gesondert festgestellt werden muss, wenn ein grenzüberschreitender Fall gegeben ist. 78 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 16 EuZVO Rz. 5. 79 GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 62 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 21 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 16 EG-ZustellVO Rz. 2. – A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 16 EuZVO Rz. 5.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
(2) Jeder Mitgliedstaat kann der Kommission mitteilen, dass ein Gericht ungeachtet des Absatzes 1 den Rechtsstreit entscheiden kann, auch wenn keine Bescheinigung über die Zustellung oder die Aushändigung bzw. Abgabe des verfahrenseinleitenden Schriftstücks oder ein diesem gleichwertiges Schriftstück eingegangen ist, sofern alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: a) Das Schriftstück ist nach einem in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren übermittelt worden; b) seit der Absendung des Schriftstücks ist eine Frist verstrichen, die das Gericht im Einzelfall als angemessen erachtet, mindestens jedoch eine Frist von sechs Monaten; c) es wurde keine Bescheinigung irgendeiner Art erlangt, obwohl alle zumutbaren Schritte zu ihrer Erlangung durch die zuständigen Behörden oder Stellen des Empfangsmitgliedstaats unternommen wurden. Diese Informationen werden im Europäischen Justizportal zugänglich gemacht. (3) Ungeachtet der Absätze 1 und 2 können Gerichte in begründeten dringenden Fällen einstweilige Maßnahmen oder Sicherungsmaßnahmen anordnen. (4) War ein verfahrenseinleitendes Schriftstück oder ein diesem gleichwertiges Schriftstück nach dieser Verordnung zum Zweck der Zustellung in einen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln, und ist eine Entscheidung gegen einen Beklagten ergangen, der sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat, so kann das Gericht dem Beklagten unter Außerachtlassung des Ablaufs der Frist für die Einlegung von Rechtsmitteln die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren, sofern die beiden folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: a) Der Beklagte hat ohne sein Verschulden nicht so rechtzeitig Kenntnis von dem Schriftstück erlangt, dass er sich hätte verteidigen können, oder nicht so rechtzeitig Kenntnis von der Entscheidung erlangt, dass er ein Rechtsmittel hätte einlegen können, und b) die Verteidigung des Beklagten scheint nicht von vornherein in der Sache aussichtslos. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nur innerhalb einer angemessenen Frist, nachdem der Beklagte von der Entscheidung Kenntnis erhalten hat, gestellt werden. 1Jeder Mitgliedstaat kann der Kommission mitteilen, dass ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Ablauf einer durch den Mitgliedstaat in seiner Mitteilung bestimmten Frist unzulässig ist. 2Diese Frist muss mindestens ein Jahr ab dem Datum der Entscheidung betragen. 3Diese Informationen werden über das Europäische Justizportal zugänglich gemacht. (5) Absatz 4 gilt nicht für Entscheidungen, die den Personenstand oder die Rechtsfähigkeit von Personen betreffen. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beklagtenschutz . . . . . . . . . . . . . . . c) Vermeidung Anerkennungs- und Vollstreckungsversagung . . . . . . . . . . d) Verhinderung hinkender Entscheidungswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Nicht: Grundlage der Heilung von Zustellungsmängeln . . . . . . . . . . . . f) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensbezogener Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schriftstückbezogener Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfahrenseinleitendes Schriftstück .
1 1 1 3 5 7 8 10 11 15 15 16 18 18 19
cc) Gleichwertiges Schriftstück . . . . dd) Erfordernis grenzüberschreitender Zustellung . . . . . . . . . . . . . . ee) Zeitpunkt und Horizont . . . . . . 4. Verhältnis zu weiteren Rechtsakten des europäischen Zivilverfahrensrechts . . . a) Zuständigkeitsprüfung . . . . . . . . . . b) Entscheidungsfreizügigkeit . . . . . . .
.
24
. .
25 27
. . .
29 30 33
. . . . . . . . .
36 36 37 40 43 43 44 44 45
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II. Verfahren bei Nichteinlassung (Abs. 1–3) 1. Nichteinlassung des Beklagten . . . . . . a) Nichteinlassung . . . . . . . . . . . . . . b) Beklagter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Effektive Provokation der Einlassung . . a) Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . b) Geeignete Provokation . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . bb) Provokationsmittel . . . . . . . . . cc) Ordnungsmäßige Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats . . . . . . . . . . . . . . . . .
Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten
3.
4.
III. 1.
dd) Persönliche Aushändigung oder verordnungsgemäße Abgabe in Wohnung . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . (2) Persönliche Aushändigung . . . (3) Abgabe in der Wohnung des Beklagten . . . . . . . . . . . . . c) Rechtliche Vertretung . . . . . . . . . . . d) Rechtzeitigkeit der Provokation . . . . . . Entscheidungshindernis . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahme: Einstweilige und Sicherungsmaßnahmen (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . Optional: Gleichwohlentscheidung (Abs. 2) a) Eröffnung durch auf das Verfahren anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . aa) Anforderungen . . . . . . . . . . . . bb) Mitteilungen der Mitgliedstaaten . . b) Verordnungsautonome Mindestanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . bb) Übermittlung gemäß der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . cc) Ablauf angemessener Frist . . . . . . dd) Fehlende Bescheinigung . . . . . . . ee) Fruchtlose Bemühungen . . . . . . . c) Anforderung nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht . . . . . . d) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiedereinsetzung (Abs. 4, 5) . . . . . . . . Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51 51 52 54 56 57 60 60 63 67 67 67 69 70 70 71 72 74 75 78 79 80 80
2. Verordnungsautonomes Wiedereinsetzungsrecht (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . bb) Personenstand und Rechtsfähigkeit einer Person (Abs. 5) . . . . . . . . . cc) Unionsrechtliche Spezialvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . aa) Entscheidung trotz Nichteinlassung bb) Versäumung Rechtsmittelfrist . . . . cc) Verkürzung des Anspruchs auf faires Verfahren und rechtliches Gehör . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . (2) Keine rechtzeitige Kenntnis . . . (3) Kein Verschulden . . . . . . . . . (4) Feststellung . . . . . . . . . . . . dd) Erheblichkeit einer Rechtsverletzung nicht ausgeschlossen . . . . . . . . . c) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendbares Recht . . . . . . . . . . bb) Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . dd) Ausschlussfristen . . . . . . . . . . . (1) Kenntnisabhängige Antragsfrist (Abs. 4 Unterabs. 2) . . . . . . . (2) Absolute Ausschlussfrist (Abs. 4 Unterabs. 3) . . . . . . . 3. Verhältnis zur Wiedereinsetzung nach nationalem Verfahrensrecht . . . . . . . . .
83 83 83 84 87 88 89 93 96 96 97 98 99 100 101 104 104 105 107 108 108 109 113
Schrifttum: Bach, Beklagter mit unbekanntem Wohnsitz – Internationale Zuständigkeit, fiktive Zustellung und Vollstreckung eines Versäumnisurteils, EuZW 2012, 381; Bajons/Binder, Probleme der internationalen Zustellung und Beweisaufnahme, in König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich, 2007, 145; Fabig/ Windau, Übersetzungen bei Auslandszustellung innerhalb der EU?, NJW 2017, 2502; Hau, Vollstreckbarkeit ausländischer Säumnisentscheidung: Rechtsbehelfsobliegenheit als Voraussetzung der Anerkennungsversagung, MDR 2018, 1231; Heinze, Fiktive Inlandszustellungen und der Vorrang des europäischen Zivilverfahrensrechts, IPRax 2010, 155; Kondring, Vom stillen Ende der Remise au Parquet in Europa, RIW 2007, 330; Peiffer, Schutz und Obliegenheiten des Beklagten in der EuGVVO – Vertrauen ist gut, Verfahrensteilnahme ist besser, in FS Reinhold Geimer 2017, S. 490; Sturm, Zu Art. 16 Abs. 4 HZÜ und Art. 19 Abs. 5 EuZVO – Werft das dänische Kuckucksei aus dem Nest!, in FS Hans-Wolfgang Strätz 2009, S. 537; Wißling, Zustellungserfordernis nach EuZVO und Anerkennungshindernis nach EuGVVO – zwei Seiten einer Medaille, GPR 2017, 25. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck a) Überblick 1
Die Vorschrift dient wie z.B. auch Art. 28 Brüssel Ia-VO (s. auch Rz. 30 ff.) und Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO (s. auch Rz. 33 ff.) dem Schutz des Beklagten1 und setzt insoweit verordnungsauto1 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 91 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; COM(2013) 858 final, S. 4; Brenn, Art. 19 EZV EinfErl., Anm. 1. a); Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 19 EuZVO Rz. 1; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.147.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
nom einen Mindeststandard.2 Der Anspruch des Beklagten auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör (Art. 47 Abs. 2 GRCh)3 soll gesichert werden. In den Blick genommen wird dabei allerdings nur die Verfahrenseinleitung (s. Rz. 19). Hintergrund dafür ist, dass der Anspruch auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör in dieser Phase besonders gefährdet und die Phase der Verfahrenseinleitung für die Gehörsgewährung grundlegend ist.4 Die Vorschrift will verhindern, dass der Beklagte seine Interessen in einem gegen ihn geführten Verfahren aus dem Grund nicht vertreten kann, dass ihm noch nicht einmal (rechtzeitig) Kenntnis von der Einleitung eines Verfahrens über einen bestimmten Gegenstand verschafft wurde. Zugleich wirkt die Vorschrift einer (mittelbaren) Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit entgegen, welche sich daraus ergibt, dass typischerweise beklagte Ausländer häufiger als beklagte Inländer durch nicht erfolgreiche grenzüberschreitende Zustellungen in ihrem rechtlichen Gehör betroffen werden.5 Das vorbeschriebene Ziel verwirklicht die Vorschrift aber nicht absolut, sondern gleicht die Beklagteninteressen mit dem Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren und effektiven Rechtsschutz aus.6 Deutlich wird dies darin, dass der präventiv ausgerichtete Schutz nach Abs. 1 (s. Rz. 3) durch Abs. 2, 3 Einschränkungen erfährt und der kurativ ausgerichtete Schutz nach Abs. 4 (s. Rz. 4) durch eine Ausschlussfrist beschränkt und im Anwendungsbereich von Abs. 5 verwehrt wird.7 Reflexartig dient die Vorschrift zugleich dadurch den Interessen des Klägers, dass die Beachtung des Abs. 1 durch das Ursprungsgericht (bei Ausblendung der sich aus unterschiedlichen Horizonten ergebenden Lücken, s. Rz. 10, 28) den Verweigerungsgrund aus Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO bzw. vergleichbaren Regelungen ausschließt (s. Rz. 5 f., 33 ff.).8
2
b) Beklagtenschutz Zu Gunsten des Beklagten sehen Abs. 1–3 einen ausdifferenzierten präventiv ausgerichteten Schutz 3 in Gestalt eines Entscheidungshindernisses vor.9 Danach darf im Anwendungsbereich der Vorschrift eine Entscheidung gegen einen sich nicht einlassenden Beklagten erst ergehen, nachdem das erkennende Gericht festgestellt, d.h. sich davon überzeugt hat, dass dem Beklagten zur Unterrichtung über das Verfahren das verfahrenseinleitende Schriftstück rechtzeitig zugestellt,10 dem Beklagten persönlich ausgehändigt oder in dessen Wohnung abgegeben wurde (Abs. 1). Zum Schutz des Klägers auf ein faires Verfahren und effektiven Rechtsschutz gilt dieses Entscheidungshindernis allerdings nicht für den Erlass einstweiliger und sichernder Maßnahmen (Abs. 3). Solche können ohne Rücksicht auf Abs. 1 angeordnet werden. Außerdem eröffnet Abs. 2 mit Rücksicht darauf, dass unbeschadet der 2 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 19 EuZVO Rz. 7; Brenn, Art. 19 EZV Anm. 3. c); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 4; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 19 EuZVO Rz. 2. 3 COM(2018) 379 final, S. 10; GA Kokott, Schlussanträge v. 31.1.2019 – C-25/18, ECLI:EU:C:2019:86 Rz. 21 – Brian Andrew Kerr/Pavlo Postnov, Natalia Postnova; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 1; Wißling, GPR 2017, 25. 4 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 13; EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 73, 90 f. – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA; GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2021 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 42 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 19 EuZVO Rz. 3; vgl. auch Geimer, S. 8 mit Fn. 18. 5 Vgl. dazu COM(2018) 379 final, S. 10; Bajons in FS Schütze, S. 49, 66. 6 Vgl. dazu Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 154. 7 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1. 8 Vgl. allg. Peiffer in FS Geimer, S. 491, 493. 9 Vgl. auch EuGH v. 15.3.2012 – C-292/10, ECLI:EU:C:2012:142 Rz. 51 – G/Cornelius de Visser. – Abw. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 1 (Vorschrift befasst sich mit Frage, „wie die Zustellung festzustellen ist“), dabei aber übersehend, dass die Vorschrift zum Verfahren („wie“) der Feststellung keine ausdrücklichen Vorgaben macht, sondern in erster Linie das Ziel der Feststellung definiert. Abw. auch Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 19 EuZVO Rz. 3: Abs. 1 zwingt gegebenenfalls zur Anwendung von § 189 ZPO – dies ist praktisch das Gegenteil dessen, was die Vorschrift tatsächlich bindend anordnet. 10 Abw. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 1 (Grundsatz ist tatsächliche rechtzeitige Aushändigung des Schriftstücks an den Empfänger), dabei aber verkennend, dass der Verweis auf das Recht des Empfangsmitgliedstaats (Abs. 1 lit. a) diesen Standard gerade nicht gewährleistet, sondern danach z.B. ebenso eine fiktive Zustellung im Empfangsmitgliedstaat genügt.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten durch die Verordnung und ihre Vorgänger erreichten Verbesserungen die im Anwendungsbereich der Verordnung (anstelle nationaler [fiktiver] Zustellungen zwingend vorgeschriebenen) grenzüberschreitenden Zustellungen nicht immer schnell und zuverlässig bewirkt werden können bzw. ihr Erfolg von einem Gericht nicht immer zuverlässig festgestellt werden kann,11 für die Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum dafür, den Interessen des Klägers Vorrang vor dem Schutz des Beklagten einzuräumen. Soweit dies – wie in zahlreichen Mitgliedstaaten (s. Rz. 69)12 – in dem im Ursprungsmitgliedstaat angewandten Verfahrensrecht vorgesehen ist, kann unter Wahrung der durch Abs. 2 harmonisierten Mindestanforderungen, bei deren Vorliegen letztlich von einem praktischen Versagen der die grenzüberschreitende Zustellung ermöglichenden Regelungen der Verordnung (insbesondere auch der über Antwortpflichten der Empfangsstelle, vgl. Art. 10 Abs. 2–4 EU-ZustVO 2020, Art. 11 Abs. 2 S. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 14 EU-ZustVO 2020, bzw. über die Empfangsbestätigung durch die Post, vgl. Art. 18 EU-ZustVO 2020) auszugehen ist, das Gericht unbeschadet des von Abs. 1 vorgesehenen Entscheidungshindernisses gegen den Beklagten entscheiden. 4
Außerdem sieht Abs. 4 als gleichsam kurativ ausgerichtetes Schutzinstrument zugunsten des Beklagten13 eine verordnungsautonome Wiedereinsetzungsmöglichkeit vor, welche die Mitgliedstaaten unter Wahrung des verordnungsautonom vorgegebenen (engen) Rahmens ausgestalten bzw. konkretisieren können. Dem sich nicht einlassenden Beklagten, gegen den eine Entscheidung ergangen ist, soll im Grundsatz zumindest nachträglich rechtliches Gehör14 gewährt und eine Korrektur der ergangenen Entscheidung ermöglicht werden. Hierfür in dem anwendbaren Verfahrensrecht vorgesehene Rechtsbehelfe stehen regelmäßig nur befristet zur Verfügung und können aus dem Grund leerlaufen, dass der Beklagte weder Kenntnis von der Einleitung des Verfahrens noch (rechtzeitige) Kenntnis vom Erlass einer Entscheidung gegen sich besitzt. In diesem Fall soll das verordnungsautonome Wiedereinsetzungsrecht zugunsten des Beklagten die Wirkungen des Ablaufs der im anwendbaren Verfahrensrecht vorgesehenen Rechtsbehelfsfristen zurückdrängen. Diese verordnungsautonome Wiedereinsetzungsmöglichkeit können die Mitgliedstaaten im Interesse des Klägers an Rechtssicherheit in dem durch Abs. 4 Unterabs. 3 gezogenen Rahmen einer objektiven, d.h. ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Beklagten an- und ablaufenden Ausschlussfrist unterstellen.15 Zudem verschließt Abs. 5 das verordnungsautonome Wiedereinsetzungsrecht für Entscheidungen, die den Personenstand oder die Rechtsfähigkeit einer Person betreffen. Grund dafür ist, dass in Bezug auf solche Entscheidungen ein erhöhtes Bestandsinteresse besteht, weil sie (wie z.B. eine Ehescheidung) auch Dritte betreffen (können).16 Im Schrifttum wird diese Einschränkung überwiegend unter Verweis darauf kritisiert, dass sie nicht danach differenziere, inwieweit tatsächlich schutzwürdige Drittinteressen berührt werden (anders z.B. § 48 Abs. 3 FamFG).17 Allerdings vermag diese Kritik nicht zu überzeugen. Eine auf die tatsächliche Betroffenheit Dritter abstellende Regelung gefährdete die Rechtssicherheit. Eine nach Art und Inhalt einer Entscheidung näher differenzierende Regelung (vgl. z.B. § 47 FamFG, § 48 Abs. 3 FamFG, § 184 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 197 Abs. 3 S. 2 FamFG) setzte eine intensive Auseinandersetzung mit dem Recht aller Mitgliedstaaten voraus, welche durch den Verordnungsgeber nicht leistbar ist. Mit Blick hierauf eine Ausnahme vorzusehen mit der Folge, dass das Austarieren des Interesses an Rechtssicherheit mit dem Beklagtenschutz den sachnäheren Mitgliedstaaten überlassen bleibt,18 erscheint 11 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 15. Vgl. auch Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. m). 12 SWD(2018) 287 final, S. 19. 13 GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 23 – Emmanuel Lebek; Geimer/ Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 8; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 41. 14 Entgegen Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 4 liegt in den von Abs. 4 erfassten Fällen aber nicht notwendig eine „Verletzung“ des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör vor, weil dieser Anspruch nicht absolut besteht, sondern mit gegenläufigen Interessen des Klägers in Ausgleich gebracht werden muss und hierdurch relativiert wird. 15 ABl. EG 1997 C 261/36; KOM(1999) 219 endg. 16 ABl. EG 1997 C 261/36; KOM(1999) 219 endg. 17 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 26; Geimer, IZPR, Rz. 2091d; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/ EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 26a ff.; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 70; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 19; Sturm in FS Strätz, 537, 549 f. 18 Dies übersieht die Formulierung bei Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 19, Abs. 5 solle eine Aufhebung „verhindern“. Gleichfalls übersieht dies die Formulierung bei Geimer/Schütze/Okonska,
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nicht sachwidrig. Ohnehin kein Argument gegen Abs. 5 lässt sich entgegen teilweiser Annahme19 daraus gewinnen, dass im deutschen Recht für typische von Abs. 5 in den Blick genommene Verfahrensgegenstände der Erlass eines Versäumnisurteils ausgeschlossen ist, weil Abs. 4 nicht nur Versäumnisurteile i.S.d. ZPO, sondern alle ohne Einlassung des Beklagten ergangenen Entscheidungen erfasst (s. Rz. 90). c) Vermeidung Anerkennungs- und Vollstreckungsversagung Reflexartig dient die Vorschrift dadurch auch den Interessen des Klägers, dass – vorbehaltlich unterschiedlicher Horizonte (s. Rz. 10, 28) – die Beachtung von Abs. 1 durch das Ursprungsgericht den Verweigerungsgrund aus Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO bzw. vergleichbaren Regelungen ausschließt.20 Wenn das Ursprungsgericht dem in Abs. 1 vorgezeichneten Verfahren folgt, wird dem Kläger die Enttäuschung erspart, dass er zwar im Forummitgliedstaat einen Titel erlangt, dessen Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat dann aber Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO oder eine vergleichbare Anordnung entgegenhalten werden kann (s. Rz. 33 ff.).
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Darüber hinaus dient das verordnungsautonome Wiedereinsetzungsrecht nach Abs. 4, das nur sub- 6 jektiv befristet eröffnet ist (s. Rz. 108) und durch die Mitgliedstaaten überdies objektiv zeitlich beschränkt werden kann (s. Rz. 109 ff.), reflexartig den Interessen des Klägers auch in dem Fall, dass das Ursprungsgericht (im Einklang mit oder) unter Verstoß gegen Abs. 1 gegen den sich nicht einlassenden Beklagten entschieden hat. Denn bei dem verordnungsautonomen Wiedereinsetzungsrecht handelt es sich um einen vorrangigen Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaat i.S.v. Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO (s. Rz. 103). Dies bedeutet, dass ein Versagungsgrund im Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsmitgliedstaat nicht gegeben ist, solange für den Beklagten effektiv die Möglichkeit besteht, im Ursprungsmitgliedstaat sich über eine Wiedereinsetzung rechtliches Gehör zu verschaffen. Weiter bedeutet dies, dass ein Anerkennungs- und Versagungsgrund dauerhaft ausgeschlossen ist, wenn der Beklagte die effektiv bestehende Wiedereinsetzungsmöglichkeit nicht fristgemäß genutzt hat. d) Verhinderung hinkender Entscheidungswirkungen Im Ausgangspunkt bewirkt die verordnungsautonome Wiedereinsetzungsmöglichkeit nach Abs. 4 7 für den Fall, dass das Ursprungsgericht im Einklang mit oder unter Verstoß gegen Abs. 1 eine Entscheidung gegen den sich nicht einlassenden Beklagten erlassen hat, einen Gleichlauf zwischen Ursprungs- und Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsmitgliedstaat:21 Im Ursprungsmitgliedstaat kann der Beklagte die Entscheidung nach Maßgabe von Abs. 4 beseitigen lassen. In den übrigen Mitgliedstaaten droht dem Kläger die Verweigerung von Anerkennung und Vollstreckung. Ein entsprechender Gleichlauf wird allerdings erstens nicht erreicht, wenn für den Beklagten im Ursprungmitgliedstaat nicht die Möglichkeit bestand, den Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung zu nutzen. Hierzu kann es dadurch kommen, dass die Wiedereinsetzungsmöglichkeit infolge des Eingreifens der objektiven Ausschlussfrist (s. Rz. 109 ff.) nicht mehr zur Verfügung steht, bevor der Beklagte effektiv von ihr Gebrauch machen konnte. Weiter ist dies der Fall, soweit Abs. 5 die Anwendung von Abs. 4 bei Entscheidungen, die den Personenstand oder die Rechtsfähigkeit einer Person betreffen, ausschließt. Zweitens wird ein entsprechender Gleichlauf nicht erreicht, wenn ein Wiedereinsetzungsgesuch zurückgewiesen wurde. Denn in allen diesen Fällen ist der Versagungsgrund des Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO, Art. 38 lit. b Brüssel IIb-VO, Art. 39 Abs. 1 lit. b Brüssel IIb-VO bzw. vergleichbarer Vorschriften nicht ausgeschlossen. Es drohen hinkende Entscheidungswirkungen, z.B. ein hinkender Personenstand, wenn die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat wirksam bleibt und ihr in anderen Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 70: „sollen … Bestand haben“. – Insoweit zutreffend dagegen Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 19 EuZVO Rz. 12. 19 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 27 f. 20 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 21; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. Vgl. EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C: 2016:316 Rz. 86 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen. 21 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 1.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten Mitgliedstaaten die Anerkennung versagt wird. Hierin liegt allerdings weder eine Schwäche der Vorschrift noch ist dies Ausdruck einer inkohärenten Rechtsetzung, sondern dies ist eine Versagungsgründen immanent Konsequenz. e) Nicht: Grundlage der Heilung von Zustellungsmängeln 8
Die Vorschrift enthält keine Grundlage für die Heilung von Zustellungsmängeln (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 115). Entgegen teilweiser Annahme gilt dies auch für Abs. 2.22 Weder ist in Abs. 2 eine verordnungsautonome Heilungsvorschrift angelegt noch wird für die Mitgliedstaaten ein Rahmen gesetzt, ihrerseits Vorschriften über die Heilung von Verstößen gegen die Verordnung zu erlassen.23 Vielmehr will der Verordnungsgeber mit Abs. 2 lediglich erreichen, dass der Kläger zum Schutz des Beklagten nicht nach Abs. 1 grenzenlos (dauerhaft, vgl. auch die Ausnahme in Abs. 3 für naturgemäß dringliche Entscheidungen)24 die Folgen aus einem Versagen des durch die Verordnung etablierten und in ihrem Anwendungsbereich zur Nutzung zwingend vorgegebenen Zustellungssystems tragen muss – die Mitgliedstaaten sollen dem Schutz des Beklagten im Interesse des Klägers eine Grenze ziehen dürfen.25 In diesem Sinne wirkt Abs. 2 ergänzend zu Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 und Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020:26 Nach Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 und Erwägungsgrund 7 EU-ZustVO 2020 findet die Verordnung keine Anwendung und sperrt nicht den Rückgriff auf Formen der fiktiven Inlandszustellung, wenn der Beklagte im Empfangsmitgliedstaat keine bekannte Zustelladresse hat.27 Kann auch dies wegen eines Versagens des durch die Verordnung etablierten Zustellungssystems (Ausbleiben einer Bescheinigung, s. Rz. 3) nicht zeitgerecht festgestellt werden, ermöglicht Abs. 2 die Fortsetzung des Verfahrens ohne Rücksicht auf den durch Abs. 1 für den Beklagten vorgesehenen Schutz.28
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Dass Abs. 2 keine Heilungsvorschrift enthält, ist nicht nur aus Abs. 4 rückschließbar, sondern ergibt sich auch daraus, dass die Regelung lediglich eine Einschränkung zu Abs. 1 normiert und die dortige Regelung ihrerseits nicht die (den Gegenstand einer Heilung bildende) Zustellung, sondern das Säumnisverfahren zum Gegenstand hat.29 Dementsprechend ist die Vorschrift auf verfahrenseinleitende Schriftstücke beschränkt, obwohl der Anwendungsbereich der Verordnung deutlich weiter reicht und mithin auch eine verordnungsautonome Heilungsvorschrift weiter ausgreifen müsste, weil kein sachlicher Grund ersichtlich ist, eine Heilung von Verstößen gegen die Verordnung nur für verfahrenseinleitende Schriftstücke, nicht aber auch darüber hinaus zuzulassen.30 Eine heilungsermöglichende Funktion kommt Abs. 2 lediglich insoweit zu, als nur in dem von Abs. 2 gezogenen Rahmen (Heilungs-)Vorschriften des Ursprungsmitgliedstaats die Verfahrensfortführung unter Verzicht auf eine ordnungsgemäße Zustellung ermöglichen können; die auf die Zustellung bezogenen Heilungsvorschriften des Empfangsmitgliedstaats sind ihrerseits bereits im Rahmen von Abs. 1 lit. a zu berücksichtigen (s. Rz. 50).31
22 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 27; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 10; Stürner, JZ 1992, 325, 332. 23 So aber Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 15. Tendenziell zu Art. 15 HZÜ auch Kondring, S. 401 f., der ausgehend von Art. 15 Abs. 2 HZÜ die Möglichkeit zur Heilung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats ausdifferenziert. 24 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1 f. 25 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 10. 26 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 17. 27 EuGH v. 15.3.2012 – C-292/10, ECLI:EU:C:2012:142 Rz. 53 – G./Cornelius de Visser, IPRax 2013, 341; Stein/ Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 17. 28 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 17; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1. 29 Vgl. insoweit zu Art. 15 HZÜ auch Kondring, S. 401: Eingriff nicht in nationales Zustellungsrecht, sondern in nationales Säumnisrecht. 30 A.A. zum HZÜ Kondring, S. 404 ausgehend davon, dass eine Heilung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats ohne weiteres möglich ist, sofern nicht Art. 15 Abs. 1 HZÜ entgegensteht. 31 Vgl. zu Art. 15 HZÜ Kondring, S. 402.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020
f) Bedeutung Verbreitet wird angenommen, die Vorschrift ziele wie ihre Regelungsvorbilder in Art. 15, 16 HZÜ da- 10 rauf, fiktive Inlandszustellungen, insbesondere in Form einer remise au parquet, abzumildern bzw. mit der EMRK kompatibel zu machen.32 Nachdem der EuGH für die EG-ZustVO 2007 erkannt hat, dass fiktive Inlandszustellungen im Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen sind, habe die Vorschrift daher weitgehend ihre Bedeutung verloren.33 Ihr komme kaum noch praktische Bedeutung zu.34 Dem ist nicht beizupflichten.35 Der Vorschrift kommt zunächst weiterhin erhebliche praktische Bedeutung zu. Zunächst muss die in Abs. 1 verordnungsautonom begründete Prüfpflicht von den Gerichten der Mitgliedstaaten im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr in einer Vielzahl von Fällen beachtet werden (vgl. nur Art. 28 Abs. 3 Brüssel Ia-VO, Art. 19 Abs. 2 Brüssel IIb-VO, Art. 16 Abs. 2 EU-ErbVO/EU-EheGüterVO/EU-LP-GüterVO, Art. 11 Abs. 2 EG-UntVO). Darüber hinaus kommt dem verordnungsautonomen Wiedereinsetzungsrecht nach Abs. 4 praktische Bedeutung nicht nur in den Ausnahmefällen zu, in denen von ihm Gebrauch gemacht wird, sondern unabhängig hiervon auch als möglicher Grund für einen Ausschluss eines Versagungsgrunds nach Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO (s. Rz. 103).36 Vor allem aber reicht die rechtstheoretische Bedeutung der Vorschrift weit über die Abwehr/Abmilderung fiktiver Inlandszustellungen hinaus. Ihr kommt dadurch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, dass der Anwendungsbereich der Verordnung in Abhängigkeit von der Kenntnis einer Zustelladresse eröffnet ist (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 39 ff.) und die Vorschrift den für die Kenntnis maßgeblichen Horizont (zugunsten des Beklagten) verschiebt. Ihre Entscheidung darüber, ob ein verfahrenseinleitendes Schriftstück aufgrund der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung nach Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 auf den durch die Verordnung eröffneten Wegen zugestellt werden muss, trifft die eine Zustellung anordnende Stelle anhand einer Prognose für den voraussichtlichen Zustellungszeitpunkt auf der Grundlage ihrer Kenntnis im Zeitpunkt ihrer Entscheidung über die Anordnung der Übermittlung bzw. Zustellung. Demgegenüber findet die Vorschrift Anwendung, wenn das Abs. 1 bzw. Abs. 4 anwendende Gericht auf der Grundlage seiner Kenntnis im Zeitpunkt seiner gerichtlichen Entscheidung erkennt, dass im Zeitpunkt der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet war (s. Rz. 15, 27 f., 83, 88).37 2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift geht zurück auf Art. 19 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)38 und Art. 19 EG-ZustVO 2000. Die zuletzt genannte Vorschrift knüpfte ihrerseits in Abs. 1–3 an Art. 15 HZÜ und in Abs. 4, 5 an Art. 16 HZÜ an.39 Das Entstehen dieser beiden Artikel ist eng mit demjenigen von Art. 20 Abs. 2 32 Bajons in FS Schütze, S. 49, 56; Brenn, Art. 19 EZV Anm. 2.; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 1; Karaaslan, S. 112; Knöfel, RIW 2021, 473, 484; Kondring, RIW 2007, 330; Linke/Hau, IZVR, Rz. 8.44; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/29; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EG) 1393/2007 Rz. 2; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 19 EuZVO Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 22 EuZustVO Rz. 1. Vgl. zu Art. 20 Abs. 2 BrüsselÜbk auch Jenard, ABl. EG 1979 C 59/39. 33 Knöfel, RIW 2021, 473, 484; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 19 EuZVO Rz. 1; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.147; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 19 EuZVO Rz. 2. 34 Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 19 EuZVO Rz. 2. – A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3. 35 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 1. 36 Vgl. auch Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 19 EuZVO Rz. 5. 37 A.A. inzident GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 22, 34 – Emmanuel Lebek. 38 Vgl. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 1; Knöfel, RIW 2021, 473, 484; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 22 EuZustVO Rz. 1. 39 Vgl. dazu Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 156; GA Saugmandsgaard Øe, Schlussanträge v. 26.1.2017 – C-29/16, ECLI:EU:C:2017:44 Rz. 63 – HanseYachts AG/Port d’Hiver Yachting SARL u.a.; GA Léger, Schlussanträge v. 28.9.2006 – C-283/05, ECLI:EU:C:2006:617 Rz. 17 ff. – ASML Netherlands BV/Semiconductor Industry Services GmbH; OLG Karlsruhe v. 24.6.2010 – 9 U 151/09, BeckRS 2011, 4793 zu II. A. 2) a) der Gründe; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 19 EuZVO Rz. 1; Brenn, Art. 19 EZV Anm. 1.; Stein/Jonas/
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten BrüsselÜbk. verbunden.40 Wie dieser zielen sie auf eine Stärkung des im Falle grenzüberschreitender Zustellungen in besonderer Weise gefährdeten Anspruchs des Beklagten auf rechtliches Gehör. Als wesentliche Weiterentwicklungen gegenüber dem HZPÜ enthalten sie zugunsten des Beklagten einen präventiven (Art. 15 HZÜ) und einen kurativen (Art. 16 HZÜ) Schutzmechanismus. Beide wurden in Art. 19 Abs. 1, 4 EG-ZustVO 2000/EG-ZustVO 2007 übernommen. In Art. 19 Abs. 2 EG-ZustVO 2000/EG-ZustVO 2007 übernommen wurde gleichermaßen die auch von Art. 15 Abs. 2 HZÜ für die Mitgliedstaaten vorgesehene Möglichkeit, für den Fall des Versagens des jeweils für grenzüberschreitende Zustellungen etablierten Systems eine Gleichwohlentscheidung zuzulassen. Von dieser Möglichkeit hat Deutschland jeweils Gebrauch gemacht.41 Zudem hat Art. 19 Abs. 4, 5 EG-ZustVO 2000/EG-ZustVO 2007 aus Art. 16 Abs. 2–4 HZÜ die Begrenzungen des kurativen Schutzes, insbesondere die subjektive Befristung des Wiedereinsetzungsrechts und die Möglichkeit zur objektiven Befristung übernommen. Im Zusammenhang mit der Anwendung der subjektiven Befristung erwies sich das Erfordernis einer angemessenen Frist als der Rechtssicherheit nicht zuträglich und es fand in der Praxis bei der Bemessung der angemessenen Frist auch nicht immer ausreichende Beachtung, dass die verordnungsautonome Wiedereinsetzungsmöglichkeit nicht in den jeweiligen Verfahrensordnungen geregelt und daher für Rechtsanwender nicht leicht zu finden ist.42 In Bezug auf von den Mitgliedstaaten im Interesse der Rechtssicherheit eingeführte objektive Ausschlussfristen musste der EuGH das Verhältnis zu den für nationale Rechtsbehelfe geltenden Fristen klären. Er erkannte in der Rechtssache Emmanuel Lebek/Janusz Domino im Ergebnis auf einen Vorrang der für den verordnungsautonomen Rechtsbehelf vorgesehenen (und der Kommission gemeldeten) Frist.43 12
An die bisherige Rechtslage knüpft die Vorschrift an. Im Vergleich zur Vorgängervorschrift enthält sie nur in geringem Umfang Änderungen.44 In Abs. 1 wird die angeordnete Rechtsfolge (Entscheidungshindernis) präziser45 als in der Vorgängervorschrift (Aussetzung) zum Ausdruck gebracht. Zudem wurde in der deutschen Sprachfassung von Abs. 5 eine Abweichung von anderen Sprachfassungen46 bereinigt und der Ausschlusstatbestand auf die Rechtsfähigkeit einer Person erstreckt. Eine (freilich missglückte, s. Rz. 14, 96) Anpassung der Sprachfassungen erfolgte überdies in Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a insoweit, als die Konjunktion „und“ in die Konjunktion „oder“ geändert wurde. Der Kommissionsentwurf sah zwar nicht die Umformulierungen, dafür aber weitreichende inhaltliche Änderungen vor.47 Nach ihm war jenseits bloß sprachlicher Änderungen gegenüber Art. 19 EG-ZustVO 2000/EGZustVO 2007 auch vorgesehen, auf die Erwähnung des gleichwertigen Schriftstücks neben dem verfahrenseinleitenden Schriftstück zu verzichten.48 Mutmaßlich lag dem die Erwägung zugrunde, dass nach den vom EuGH in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski entwickelten Grundsätzen zum Anwendungsbereich der Verordnung, welche durch Neufassung von Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 festgeschrieben wurden (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff., 36 ff.), dem gleichwertigen Schriftstück für die Eröffnung des Anwendungsbereichs keine Bedeutung (s.
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Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 1; Geimer, IZPR, Rz. 2091d; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 2, 24; Kondring, IPRax 2007, 138, 139; Lindacher, ZZP 114 (2001), 179, 189; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 1; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 19 EuZVO Rz. 1; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 22 EuZustVO Rz. 1; Sturm in FS Strätz, 537, 537 f.; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 19 EuZVO Rz. 2. Jenard, ABl. EG 1979 C 59/39; Kondring, S. 155. Fahrbach/Schiener, IWRZ 2017, 16, 21. Vgl. OLG Karlsruhe v. 24.6.2010 – 9 U 151/09, BeckRS 2011, 4793 zu II. A. 3) a) der Gründe: fünf Monate zu lang. EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 50 ff. – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 36 – Emmanuel Lebek. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 2; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 22 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 19 EuZVO Rz. 3. Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 10; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 12; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 5. Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 67 mit Fn. 53. COM(2018) 379 final, S. 15. Diese begrüßend Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 1. COM(2018) 379 final, S. 25.
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Rz. 24) mehr zukommt.49 Daneben sah der Vorschlag zwei größere Änderungen vor.50 Erstens sollte die Befugnis zur Entscheidung ohne Zustellungsnachweis harmonisiert, d.h. von einer Zulassung der Mitgliedstaaten unabhängig gemacht51 und in diesem Zusammenhang das mit dem Verfahren befasste Gericht verpflichtet werden, eine Warnmitteilung über die Einleitung des Verfahrens vor dem Erlass eines (Versäumnis-)Urteils an die dem Gericht bekannten Adressen, z.B. auch an ein elektronisches Nutzerkonto, des abwesenden Beklagten zu übermitteln (Abs. 3 Kommissionsvorschlag).52 Zweitens sollte die Frist für die Einlegung des außerordentlichen Rechtsbehelfs (Wiedereinsetzung) einheitlich auf zwei Jahre nach Erlass der ex-parte-Entscheidung festgesetzt (verlängert) werden (Abs. 5, 6 Kommissionsvorschlag).53 Das Parlament schlug dazu vor, in Abs. 1 ausdrücklich die Rechtmäßigkeit der Zustellung neben der Rechtzeitigkeit zu benennen,54 ohne freilich zu erkennen, dass hierdurch die ausdifferenzierten Anforderungen nach lit. a oder lit. b letztlich überflüssig werden.55 Hinsichtlich des Versands einer Warnmitteilung sollten die Pflichten für das Gericht sprachlich intensiviert und deutlicher herausgestellt werden, dass der Versand an alle bekannten Adressen erfolgen soll.56 Auf der anderen Seite sollte die Möglichkeit zur Gleichwohlentscheidung erleichtert werden durch Aufhebung der starren Mindestwartefrist von sechs Monaten.57 In Bezug auf die Befugnis, einstweilige einschließlich sichernde Maßnahmen anzuordnen, sollte durch Einfügung der Wendung „begründet“ betont werden, dass die Verordnung selbst diese Befugnis entsprechend beschränkt.58 Entsprechend zur Forderung nach Aufnahme des Rechtmäßigkeitserfordernisses in Abs. 1 wurde für Abs. 4 vorgeschlagen, dass das Wiedereinsetzungsrecht nicht nur auf eine nicht rechtzeitige, sondern auch auf eine nicht rechtmäßige Kenntniserlangung gestützt werden kann.59 Während diese Erweiterung z.B. in der englischen und französischen Sprachfassung konsequent zur für Abs. 1 vorgeschlagenen Änderung auf die Kenntnis vom verfahrenseinleitenden Schriftstück bezogen wurde, wurde sie in der deutschen Sprachfassung auf die Kenntnis von einer gegen den Beklagten ergangenen Entscheidung bezogen. Beide Varianten hätte dazu geführt, dass – in gewissem Widerspruch zur Rechtsentwicklung insbesondere im Bereich von Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO – bloße Formverstöße einen außerordentlichen Rechtsbehelf (im Ursprungsmitgliedstaat) eröffnen könnten.60
49 Ohne Erörterung: COM(2018) 379 final, S. 15. Ohne Erörterung auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 48 ff.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 20. 50 COM(2018) 379 final, S. 15; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 48. 51 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 49; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 20. In diese Richtung ging die Empfehlung von European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, Rz. 389. 52 COM(2018) 379 final, S. 15, 26; SWD(2018) 287 final, S. 45, 146; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 17, 50; Knöfel, RIW 2021, 473, 484; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 20; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 19 EuZVO Rz. 3. – Für eine entsprechende Verpflichtung auch schon Bach, EuZW 2012, 381, 385; Schack, IZVR, Rz. 723; Schmitz, S. 197 f. Im Ausgangspunkt zustimmend, aber in der Ausgestaltung für eine zeitlich früher ansetzende Verpflichtung Eichel, ZVglRWiss 119 (2020), 220, 228 anknüpfend an BGH v. 22.5.2019 – XII ZB 523/17, NJW 2019, 2862 Rz. 16. 53 COM(2018) 379 final, S. 15, 26; SWD(2018) 287 final, S. 19; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 51; Knöfel, RIW 2021, 473, 484; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 20; Sujecki, EuZW 2021, 286, 287; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 22 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 19 EuZVO Rz. 3. 54 Cofferati, Ratsdok. 6219/19 (20.2.2019), S. 34. 55 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 20. Krit. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 52. 56 Cofferati, Ratsdok. 6219/19 (20.2.2019), S. 35. 57 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 49. 58 Cofferati, Ratsdok. 6219/19 (20.2.2019), S. 36. 59 Cofferati, Ratsdok. 6219/19 (20.2.2019), S. 36. 60 Krit. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 52; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 20.
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Bereits die Allgemeine Ausrichtung des Rates verwarf die von Kommission und Parlament gemachten Änderungsvorschläge weitgehend.61 Das gleichwertige Schriftstück wurde (gedankenlos [s. Rz. 24] unter Verweis auf einen sprachlichen Gleichlauf mit dem freilich nicht nur grenzüberschreitende Zustellungen nach der Verordnung erfassenden Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO)62 wiederum neben dem verfahrenseinleitenden Schriftstück erwähnt.63 Die autonome Pflicht zur Warnmitteilung entfiel. Statt ihrer Einführung wurde zunächst Abs. 2 lit. c mit dem Ziel neu formuliert, die vor Erlass einer (Versäumnis-)Entscheidung zu entfaltenden Bemühungen hervorzuheben. In der deutschen Sprachfassung erfolgte dabei eine Änderung weg von durch die Übermittlungsstelle insbesondere durch ein Nachhaken „bei der“ Empfangsstelle zu entfaltenden Bemühungen hin zu „durch die“ Empfangsstelle zu entfaltenden Bemühungen. Der Vergleich mit den anderen Sprachfassungen64 legt insoweit einen Übersetzungsfehler offen; unverändert wird an die Bemühungen der Übermittlungsstelle angeknüpft. Ergänzend zu diesem Bemühenserfordernis benennt Erwägungsgrund 35 S. 2 EU-ZustVO 2020 die Warnmitteilung als eine, allerdings nur im Rahmen des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats zusätzlich zu unternehmende Maßnahme.65 Unverändert belassen wurde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, das verordnungsautonome Wiedereinsetzungsrecht nach eigenen Vorstellungen zu befristen, solange die Frist nicht weniger als ein Jahr ab Entscheidungserlass beträgt.66 Hieran knüpfte der Standpunkt erster Lesung des Rates an. Er ergänzt noch, dass die Ausübung der durch Abs. 2 und 4 den Mitgliedstaaten belassenen Gestaltungsspielräume im Europäischen Justizportal bekannt zu machen ist. Überdies fügte er in Abs. 3 der Vorschrift in Anlehnung an den Vorschlag des Parlaments die Wendung „begründeten“ vor „dringlichen“ ein.67 Schließlich wurde Abs. 4 lit. a in Anlehnung an die englische Sprachfassung der Vorschrift,68 aber in Abweichung z.B. von der spanischen und italienischen Sprachfassung69 so gefasst, dass eine Wiedersetzung stattfindet, wenn der Beklagte ohne sein Verschulden zu spät Kenntnis erlangt hat vom verfahrenseinleitenden Schriftstück oder er zu spät Kenntnis erlangt hat70 von der gegen ihn erlassene Entscheidung, obwohl die vorherigen Entwürfe, der vorbildgebende Art. 16 HZÜ71 in der deutschen und französischen Sprachfassung und die Vorgängerregelung das Wiedereinsetzungsrecht nur gewährten, wenn der Beklagte ohne eigenes Verschulden Kenntnis zu spät erlangt hat sowohl vom verfahrenseinleitenden Schriftstück als auch von der Entscheidung. Dies ist allerdings nicht Ausdruck eines Änderungswillens des Rates, sondern einmal mehr das Ergebnis einer unzureichenden Redaktions- und Übersetzungsarbeit. Deutlich wird dies zunächst darin, dass die (nicht angenommenen) Änderungsvorschläge des Parlaments (u.a. in der englischen und französischen Sprachfassung) ein Rechtmäßigkeitserfordernis nur in Bezug auf die Kenntnis vom verfahrenseinleitenden Schriftstück und nicht auch in Bezug auf die Kenntnis von einer ergangenen Entscheidung aufnehmen wollten (s. Rz. 13) und hierdurch ge61 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 17, 48; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 20. Bedauernd Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 1. 62 Ratsdok. 10768/19 (8.7.2019), S. 16. 63 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 34 f. 64 Englische Sprachfassung: „has been made to obtain one through the competent authorities or bodies of the Member State addressed“; Französische Sprachfassung: „auprès des autorités ou organismes compétents de l’État membre requis“; Spanische Sprachfassung: „oportunas ante las autoridades competentes o entidades del Estado miembro requerido“. Vgl. zudem die deutsche Sprachfassung von Art. 19 Abs. 2 lit. c Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 26. 65 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 50. Übersehen von Knöfel, RIW 2021, 473, 484. 66 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 35. 67 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 53. 68 Ebenso die englische Sprachfassung von Art. 16 HZÜ. 69 Die italienische und spanische Sprachfassung verwenden zwar auch die Konjunktion „oder“, dies allerdings in dem Sinne, dass vorausgesetzt wird, dass der Beklagte nicht rechtzeitig Kenntnis von dem einen oder dem anderen erlangt, d.h. beides nicht rechtzeitig erfahren hat. Insoweit mit abweichendem Verständnis der genannten Sprachfassungen European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, Rz. 477. 70 Insoweit neu gefasst auch die französische Sprachfassung. 71 Vgl. Kondring, S. 158.
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zeigt haben, dass Gegenstand der Norm der Schutz des Beklagten allein bei der Verfahrenseinleitung ist. Vor allem aber spricht hierfür, dass der Verordnungsgeber Abs. 4 mit Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO abstimmen wollte72 und die Kenntnis von einer ergangenen Entscheidung in Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO ebenfalls nur dem Ausschluss des Versagungsgrundes und nicht seiner Begründung dient.73 3. Anwendungsbereich a) Überblick Die Vorschrift gilt in allen Gerichtsverfahren, deren Gegenstand eine Zivil- und Handelssache ist und 15 in welche durch eine im Verfahren ergehende Entscheidung betroffene Verfahrensbeteiligte durch Zustellung eines Schriftstücks (und nicht durch eigenen Dispositionsakt) einbezogen werden (s. Rz. 16 f.). Zudem wird vorausgesetzt, dass das betreffende Schriftstück zum Zweck der Zustellung nach den Vorschriften der Verordnung in einen anderen Mitgliedstaat zu übermitteln war (s. Rz. 18 ff.). Mit dieser Formulierung knüpft die Vorschrift noch an die Definition des Anwendungsbereichs der Verordnung in Art. 1 EG-ZustVO 2007 an und verwendet nicht die hiervon abweichende Formulierung in Art. 1 EU-ZustVO 2020. Dies ist allerdings nur der unsorgfältigen Redaktionsarbeit des Verordnungsgebers geschuldet und soll nicht zum Ausdruck bringen, dass für die Anwendung der Vorschrift andere Anforderungen gelten, als sie in der von Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 verwendeten Formulierung „grenzüberschreitende Zustellung“ zum Ausdruck kommen. Die Vorschrift gilt nicht anders als die Vorschriften des Kapitels II nur im Anwendungsbereich der Verordnung. Nichtsdestotrotz unterscheidet sich die Fassung des Anwendungsbereichs der Vorschrift von der des Anwendungsbereichs der Vorschriften des Kapitels II. Denn der Anwendungsbereich der Vorschrift ist zunächst verfahrensbezogen und auch gesondert schriftstückbezogen begrenzt. Darüber hinaus und vor allem aber hat für die schriftstückbezogene Voraussetzung eine retrospektive und keine prospektive Betrachtung zu erfolgen. Wie in dem Abs. 1 einleitenden „War“ erkennbar wird, ist die Anwendung der Norm nicht davon abhängig, dass in Bezug auf das zuzustellende Schriftstück der Anwendungsbereich der Verordnung im Zeitpunkt der Normanwendung (gerichtliche Entscheidung i.S.v. Abs. 1 bzw. Entscheidung über eine Wiedereinsetzung i.S.v. Abs. 4) eröffnet ist, sondern er (aus Sicht des vorgenannten Zeitpunkts rückblickend) bezogen auf den Zeitpunkt der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks eröffnet war (s. Rz. 27 f.). b) Verfahrensbezogener Anwendungsbereich Die Vorschrift findet Anwendung nur auf Gerichtsverfahren, deren Gegenstand eine Zivil- und Han- 16 delssache und keine Steuer- und Zollsache, verwaltungsrechtliche Angelegenheit oder die Haftung eines Mitgliedstaats für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta iure imperii“) ist. Dies richtet sich nach denselben Grundsätzen wie bei Art. 1 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff.). Anwendbar ist die Vorschrift im Ausgangspunkt auch in Verfahren über den Personenstand oder die Rechtsfähigkeit einer Person (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 28). Abweichendes folgt auch nicht aus Abs. 5. Vielmehr bestätigt dieser die vorstehende Aussage dadurch, dass für Personenstandssachen und Verfahren betreffend die Rechtsfähigkeit von Personen lediglich das verordnungsautonome Wiedereinsetzungsrecht aus Abs. 4 ausgeschlossen wird (s. Rz. 84 ff.). Ebenso wenig enthält Abs. 3 eine verfahrensbezogene Beschränkung des Anwendungsbereich. Vielmehr beschränkt Abs. 3 maßnahmebezogen die Reichweite des in der Rechtsfolge von Abs. 1 vorgesehenen Entscheidungshindernisses. Erfasst werden Verfahren in Zivil- und Handelssachen nur, soweit nach dem auf ein Verfahren an- 17 wendbaren Recht durch eine im Verfahren ergehende Entscheidung betroffene Verfahrensbeteiligte durch Zustellung eines Schriftstücks, d.h. eine förmliche Information in das Verfahrensrechtsverhältnis einbezogen werden. Keine Anwendung findet die Vorschrift dagegen auf Verfahren, in welche Verfahrensbeteiligte unabhängig von einer ihnen gegebenenfalls aufgedrängten förmlichen Informati72 Zum angestrebten Gleichlauf mit Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO vgl. Ratsdok. 10768/19 (8.7.2019), S. 16 mit Fn. 11. 73 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 52.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten on (z.B. nur aufgrund eigenen Dispositionsakts) einbezogen werden. Die Vorschrift setzt eine bestimmte von dem auf ein Verfahren anwendbaren Recht vorgesehene Art der Verfahrensbegründung voraus. Sie schreibt eine solche nicht vor. Dies korrespondiert damit, dass die Verordnung insgesamt nicht regelt, ob und welche Schriftstücke zugestellt werden müssen, sondern ausweislich Erwägungsgrund 6 EU-ZustVO 2020 a.E. eine anderweitig begründete Zustellungslast voraussetzt. Unberührt bleibt, dass sich für die Mitgliedstaaten insbesondere aus Art. 6 EMRK Anforderungen an die Verfahrensbegründung ergeben. c) Schriftstückbezogener Anwendungsbereich aa) Allgemeines 18
Der schriftstückbezogene Anwendungsbereich ist eröffnet, wenn gerade das Schriftstück, dessen Zustellung zur Verfahrensbegründung erforderlich ist (s. Rz. 19 ff., 24), nach den Vorschriften der Verordnung zuzustellen war, d.h. bei retrospektiver Betrachtung unter Berücksichtigung der im Betrachtungszeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse (s. Rz. 15, 27 f.) in Bezug auf dieses Schriftstück im Zustellungszeitpunkt der Anwendungsbereich der Verordnung objektiv eröffnet war und daher für seine Zustellung zwingend die von der Verordnung eröffneten Übermittlungs- und Zustellungswege zu nutzen waren. Die Vorschrift macht wie Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO und Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO Vorgaben nur in Abhängigkeit von der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks und setzt daher voraus, dass gerade für dieses eine grenzüberschreitende Zustellung zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich war.74 Der Anwendungsbereich der Vorschrift wird dagegen nicht dadurch eröffnet, dass die Zustellung eines anderen, d.h. nicht verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach den Vorschriften der Verordnung zu erfolgen hatte.75 Die Vorschrift sieht wie Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO und Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO auch keine Rechtsfolgen in Abhängigkeit von der Zustellung eines anderen gerichtlichen Schriftstücks vor; unberührt bleibt insoweit die Anwendung von Art. 45 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO.76 bb) Verfahrenseinleitendes Schriftstück
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Der Begriff des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ist verordnungsautonom auszulegen.77 Dabei orientiert sich seine Auslegung zwar an der Auslegung von Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO, entgegen h.A.78 aber nicht (auch) an der Auslegung von Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO.79 Soweit der Begriff des verfahrenseinleitenden Schriftstücks in Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO nach der Rechtsprechung des EuGH auch bestimmte Mindestanforderungen an den Inhalt eines solchen Schreibens stellt, um
74 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 13. 75 Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. a); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 7; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 11; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 3. 76 BGH v. 18.9.2001 – IX ZB 104/00, NJW-RR 2002, 1151; OLG Stuttgart v. 31.1.2007 – 5 W 71/06, BeckRS 2010, 1660 zu II. 3. der Gründe; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 41, Art. 19 EuZVO Rz. 7. 77 Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. b); Zöller/Geimer, Art. 19 EuZustVO Rz. 1. 78 Vgl. EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 51, 60 ff. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 6; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 19 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 3. 79 Diese Differenzierung erübrigte sich, wenn man – was unter Berücksichtigung der Genese nicht naheliegend erscheint – annähme, dass die in Art. 28 Abs. 3 Brüssel Ia-VO erfolgte Anordnung der Spezialität gegenüber Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO nicht über die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung, sondern über die vom Begriff des verfahrenseinleitenden Schriftstücks mitbestimmte Reichweite des von der Vorschrift vorgesehenen Entscheidungshindernisses gesteuert wird und Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO (als dauerhafte und nicht nur vorübergehende, vgl. Jenard, ABl. EG 1979 C 59/39, 40, Auffangregelung) selbst eine Zustellungslast mit bestimmten Anforderungen an das zuzustellende Schriftstück begründete (dagegen spricht neben der eine Zustellungslast voraussetzenden Formulierung „empfangen“ in Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO nicht zuletzt auch, dass Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO keine mit Art. 22 Abs. 3 EU-ZustVO 2022 vergleichbare Öffnung kennt).
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
den Schutz des Beklagten zu verstärken,80 bewirkten dieselben Anforderungen im Rahmen von Abs. 1 und insbesondere auch Abs. 4 eine Einschränkung des Beklagtenschutzes dadurch, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift gegebenenfalls verengt wird. Denn die Vorschrift setzt – anders als Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO – eine im auf das Verfahren anwendbaren (nationalen) Recht begründete Zustellungslast voraus (s. Rz. 17) mit der Folge, dass durch zusätzliche Anforderungen an das zuzustellende Schriftstück der Kreis der von der Vorschrift erfassten Zustellungslasten enger gefasst würde. Dementsprechend sind die vom EuGH aus dem Telos von Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO gewonnenen Anforderungen an den Inhalt eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht in den von der Vorschrift verwendeten identischen Begriff zu übernehmen. Verfahrenseinleitend ist ein Schriftstück, welches seiner verfahrensrechtlichen Bestimmung nach die 20 Wirkungen eines über einen bestimmten Gegenstand geführten gerichtlichen Verfahrens für den Adressaten erkennbar erstmalig auf diesen als weiteren Beteiligten erstreckt und ihm die Wahrnehmung seiner Interessen ermöglichen soll.81 Unerheblich ist, ob das Schriftstück, dem diese Funktion beigelegt ist, seinem Inhalt nach den Adressaten in dem von Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO vorausgesetzten Umfang tatsächlich hinreichend informieren kann (s. Rz. 19). Innerhalb eines Verfahrens sind einzelne Abschnitte eigenständig zu betrachten, soweit sie selbst auf eine gerichtliche Entscheidung über einen Gegenstand gerichtet sind. Verfahrenseinleitend sind daher auch Schriftstücke, durch deren Zustellung Verfahrensbeteiligte in ein Rechtsmittelverfahren einbezogen werden.82 Welchem Schriftstück bzw. welchem Konvolut an Schriftstücken die vorstehende Bedeutung zukommt, ist dem auf das betreffende Verfahren anwendbaren Recht zu entnehmen.83 Entscheidend ist danach in der Regel das nationale Recht des Mitgliedstaats, dessen Gericht mit einem Gegenstand befasst ist. In dem Fall, dass ein gerichtliches Verfahren auf der Grundlage eines Unionsrechtsakts (z.B. EGMahnVO) geführt wird, ist ausgehend von diesem Rechtsakt zu bestimmen, welches Schriftstück im vorstehenden Sinne verfahrenseinleitend ist. Nach den Vorschriften der deutschen ZPO, auch soweit auf sie verwiesen wird (z.B. § 46 Abs. 2 S. 1 21 ArbGG), sollen den Zwecken, die ein verfahrenseinleitendes Schriftstück prägen, genügen insbesondere die Klageschrift,84 auch soweit sie zu Protokoll erklärt wurde, und Rechtsmittelschriften (Einlegung und Begründung). Dasselbe gilt für den Mahnbescheid, nicht dagegen für den Vollstreckungsbescheid, weil dieser nach dem Konzept der ZPO nicht einer erstmaligen Information dient.85 Eine Klageänderung enthaltende Schriftsätze sind dann verfahrenseinleitendes Schriftstück, wenn der neu rechtshängig gemachte Gegenstand mit dem früheren Gegenstand nicht zumindest teilidentisch86 ist.87 Dafür, in diesem Umfang auch Klageänderungen einzubeziehen, spricht, dass die Vorschrift in Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a im Zusammenhang mit der Kenntnis von der Entscheidung auch Kenntnis vom Entscheidungsinhalt und nicht bloß Kenntnis von der Entscheidung an sich voraussetzt. Neben der Klageschrift und einer Klageänderung ist verfahrenseinleitend auch eine Streitverkündungsschrift (aber s. Rz. 41). Nach dem Regelungskonzept der ZPO sind Terminsladungen, selbst wenn sie umfassende Informationen zum Verfahrensgegenstand enthalten, dagegen nicht verfahrenseinleitendes Schriftstück, weil sie nach der ihnen durch die Verfahrensordnung zuerkannten Funktion 80 Vgl. EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 61 ff. – Ingenieurbüro Michael Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, Nicholas Grimshaw & Partners Ltd, IPRax 2008, 419. 81 Vgl. GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 65 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. b). 82 Vgl. Hoge Raad v. 17.1.2003 – C02/273HR zu 2.7 der Gründe; Areios Pagos v. 26.6.2014 – 239/2015. Tendenziell a.A. KOM(1999) 219 endg.: „des Klägers in der ersten Instanz“. 83 OLG Koblenz v. 19.6.1990 – 2 U 706/89, IPRax 1992, 35, 36; Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. b). 84 Vgl. BGH v. 18.9.2001 – IX ZB 104/00, NJW-RR 2002, 1151; OLG Frankfurt v. 29.4.2014 – 16 U 209/12, BeckRS 2014, 119512 Rz. 18. 85 EuGH v. 16.6.1981 – Rs. 166/80, ECLI:EU:C:1981:137 Rz. 9 – Peter Klomps/Karl Michel; OLG Karlsruhe v. 24.6.2010 – 9 U 151/09, BeckRS 2011, 4793 zu II. A. 1) a) bb) der Gründe. 86 Das Erfordernis der Teilidentität liegt auch dem – für die Auslegung eines Begriffs der Verordnung freilich nicht unmittelbar maßgeblichen – § 264 ZPO zugrunde und ist im entsprechenden Sinne gemeint und zu verstehen. 87 Vgl. auch Stürner, JZ 1992, 325, 333 (abstellend nicht auf einen verordnungsautonomen, sondern auf einen der lex fori entnommenen Maßstab). – A.A. (Klageänderung nicht verfahrenseinleitend) BGH v. 10.7.1986 – IX ZB 27/86, NJW-RR 1987, 377, 377 f.; Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. b).
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten nicht der erstmaligen Einbeziehung eines Beteiligten dienen.88 Im Verfahren nach dem FamFG dienen dem Zweck der Verfahrenseinleitung die Hinzuziehung durch Gerichtsschreiben nach § 7 Abs. 2, 3 FamFG und die Übermittlung des Antrags (vgl. § 23 Abs. 2 FamFG). 22
In nach der österreichischen ZPO geführten Verfahren ist verfahrenseinleitendes Schriftstück ebenfalls die Klageschrift (vgl. § 232 Abs. 1 öZPO);89 ein nach § 247 Abs. 2 öZPO zugleich zuzustellender Zahlungsbefehl ist nicht Teil des verfahrenseinleitenden Schriftstücks.90
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Im Europäischen Mahnverfahren dient den maßgeblichen Zwecken der mit dem Antragsformular verbundene Europäische Zahlungsbefehl (Art. 12 Abs. 2 S. 1 EG-MahnVO; s. aber Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 85).91 Im Europäischen Bagatellverfahren (s. aber Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 86 f.) dient der Verfahrenseinleitung nach Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 EG-BagatellVO eine Kopie des Klageformblatts (zusammen mit dem entsprechend vorausgefüllten Antwortformblatt). cc) Gleichwertiges Schriftstück
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Dem Begriff des einem verfahrenseinleitenden Schriftstück gleichwertigen Schriftstücks kommt für die Anwendung der Vorschrift jedenfalls infolge des durch die Neufassung von Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 vorgegebenen Verständnisses keine eigenständige Bedeutung mehr zu. Er nimmt Bezug auf nationale Rechtsordnungen, nach deren Verfahrensrecht in Fällen, in denen eine Person eine bekannte Zustelladresse lediglich im Ausland hat, von einer effektiven Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstück selbst gegebenenfalls abgesehen werden kann (und dieses z.B. mit der Wirkung einer erfolgten Zustellung zur Gerichtsakte in Verwahrung genommen wird) und statt seiner dem Beklagten lediglich eine Nachricht über die Verfahrenseinleitung bzw. die Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks übermittelt werden muss.92 Durch seine Benennung sollte für die vorbildgebende Regelung in Art. 15 HZÜ erreicht werden, dass diese z.B. auch auf die Fälle der remise au parquet, bei der nicht das verfahrenseinleitende Schriftstück, wohl aber eine Benachrichtigung über dieses ins Ausland zu übermitteln war, anwendbar ist. Nachdem in Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 (auch im Wortlaut) nicht (mehr) an das Erfordernis einer Übermittlung in einen anderen Mitgliedstaat, sondern an das Erfordernis, den mit einer erforderlichen Zustellung verfolgten Informationszweck in einem anderen Mitgliedstaat erreichen zu müssen, angeknüpft wird (s. Rz. 26, Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff.), bedarf bereits das verfahrenseinleitende Schriftstück selbst der grenzüberschreitenden Zustellung und ist die Vorschrift anknüpfend hieran anwendbar und hierauf bezogen anzuwenden. Davon abgesehen ist der Begriff des einem verfahrenseinleitenden Schriftstück gleichwertigen Schriftstücks wie der Bezugsbegriff verordnungsautonom auszulegen93 und zwar in Anlehnung an Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO, nicht dagegen (auch) in Anlehnung an Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO (s. Rz. 19). Als einem verfahrenseinleitenden Schriftstück gleichwertig werden vor dem Hintergrund, dass einer remise au parquet vergleichbare Sachverhalte erfasst werden sollen, solche Schriftstücke bezeichnet, welche ihrer verfahrensrechtlichen Bestimmung nach die verfahrenseinleitende Schriftstücke auszeichnende Funktion der erstmaligen Information erfüllen sollen, ohne dass von ihrer erfolgreichen Übermittlung die Erstreckung der Wirkungen des Verfahrens bzw. die Fortsetzung des
88 BGH v. 18.9.2001 – IX ZB 104/00, NJW-RR 2002, 1151. Vgl. auch Audiencia Provincial Madrid v. 10.9.2015 – 371/2015. 89 Abw. Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. b): Klage in Verbindung mit verfahrenseinleitender Ladung oder Verfügung. 90 A.A. Karaaslan, S. 120. 91 Vgl. EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 41 f. – Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s r.o., IPRax 2019, 414; GA Wathelet, Schlussanträge v. 29.5.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:341 Rz. 81, 83 – Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s r.o.; Drehsen, IPRax 2019, 378, 380. Ähnlich im italienischen Zivilprozess, vgl. EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 62 f. – Ingenieurbüro M. Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, IPRax 2008, 419; EuGH v. 13.7.1995 – C-474/93, ECLI:EU:C:1995:243 Rz. 21 – Hengst Import BV/Anna Maria Campese. 92 Vgl. Schlosser, ABl. EG 1979 C 59/71 Rz. 182, 194. Vgl. auch Geimer/Schütze/E. Peiffer/M. Peiffer, Art. 45 VO (EG) 1215/2012 Rz. 67. 93 Vgl. EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 60 ff. – Ingenieurbüro M. Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin, IPRax 2008, 419. Siehe auch Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 45 EuGVVO Rz. 148.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
Verfahrens abhängig ist.94 Welchem Schriftstück diese Funktion zukommt, bestimmt sich wie die Bestimmung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach dem Recht, nach welchem das betreffende Verfahren geführt wird (s. Rz. 20). Analog zum Begriff des verfahrenseinleitenden Schriftstücks erlangen die vom EuGH aus dem Telos von insbesondere Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO gewonnenen Anforderungen an den Inhalt eines gleichwertigen Schriftstücks für die Vorschrift keine Bedeutung (s. Rz. 19). dd) Erfordernis grenzüberschreitender Zustellung Das verfahrenseinleitende Schriftstück (s. Rz. 19 ff.) muss nach den Vorschriften der Verordnung in einen anderen Mitgliedstaat zum Zweck der Zustellung zu übermitteln gewesen sein. Es muss daher für dieses bei retrospektiver Betrachtung im maßgeblichen Zeitpunkt (s. Rz. 15, 18, 27 f., 83, 88) eine grenzüberschreitende Zustellung in einen vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat erforderlich gewesen sein. Keine Anwendung findet die Vorschrift dagegen, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück im Ursprungsmitgliedstaat zugestellt werden konnte.95 Aufgrund der Ausrichtung des Anwendungsbereich auf das Erfordernis einer grenzüberschreitenden Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat findet die Vorschrift allerdings auch dann Anwendung, wenn bei Bestehen eines solchen Erfordernisses tatsächlich eine fiktive Inlandszustellung96 oder eine (effektive) Zustellung in einem Drittstaat erfolgt ist.
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Ob das verfahrenseinleitende bzw. gleichwertige Schriftstück grenzüberschreitend zuzustellend war, bestimmt sich nach Art. 1 EU-ZustVO 2020 und nicht nach dem auf das Verfahren anwendbaren nationalen Recht.97 Entscheidend ist danach wie für die Eröffnung des zwingenden Charakters der Verordnung, dass der Zweck der Zustellung nur in einem anderen Mitgliedstaat erreicht werden kann, weil der Empfänger eine bekannte Zustelladresse zwar in einem anderen Mitgliedstaat, nicht aber im Ursprungsmitgliedstaat hat (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff.). Keine Anwendung findet die Vorschrift hiernach, wenn der Zustellungsempfänger, z.B. auch ein Bevollmächtigter des Zustellungsadressaten, über eine bekannte Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat verfügt. Auch findet die Vorschrift keine Anwendung, wenn für den Zustellungsempfänger keine Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat bekannt ist.
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ee) Zeitpunkt und Horizont Die die Eröffnung des schriftstückbezogenen Anwendungsbereichs tragenden Umstände müssen nicht im Zeitpunkt der Anwendung der Vorschrift, sondern im Zeitpunkt der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks gegeben sein. Darauf verweist das einleitende „War“ in Abs. 1. Entscheidend ist daher nicht, ob im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, wäre das verfahrenseinleitende Schriftstück jetzt zuzustellen, der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist. Sondern es ist entscheidend, dass der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet war in dem Zeitpunkt, in welchem tatsächlich die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks bewirkt wurde.
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Vom maßgeblichen Zeitpunkt zu unterscheiden ist der zugrunde zu legende Horizont.98 Für diesen gilt, dass, soweit Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 auf die Kenntnis einer Zustelladresse des Empfängers im Ursprungs- oder einem anderen Mitgliedstaat abstellt, für die Prüfung nicht die Kenntnislage im Zeitpunkt der Anordnung der Zustellung,99 sondern die Kenntnislage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (bei Abs. 1 gegen den Beklagten, bei Abs. 4 über die Wiedereinsetzung) maßgeb-
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94 Nichtssagend Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 45 EuGVVO Rz. 148: weit auszulegen. 95 Unklar Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 10. 96 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7. Entbehrlich daher Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 4 ff. 97 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 4. 98 Verkannt von GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 22, 34 – Emmanuel Lebek. 99 A.A. inzident GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 22, 34 – Emmanuel Lebek.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten lich ist.100 Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift, den Beklagten vor den spezifischen Risiken für seinen Anspruch auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör, die mit dem Erfordernis einer grenzüberschreitenden Zustellung verbunden sind (s. Rz. 1, 3 f.), zu schützen. Realisieren können sich die einer grenzüberschreitenden Zustellung eigenen Risiken in dem Zeitpunkt, in welchem das Gericht zum Nachteil des Beklagten eine Entscheidung trifft. Dies gilt zunächst für die in Abs. 1 angesprochene Entscheidung gegen den Beklagten, weil gerade durch das Fällen der Entscheidung ohne Berücksichtigung einer Einlassung des Beklagten dessen Anspruch auf ein faires Verfahren oder rechtliches Gehör verletzt zu werden droht. Ebenso gilt dies aber auch für die Entscheidung über ein Wiedereinsetzungsgesuch nach Abs. 4, durch welche die Verkürzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör ausgeglichen oder vertieft werden kann. Dementsprechend lässt sich eine (weitere) Beeinträchtigung des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör jeweils in diesem Zeitpunkt auch noch vermeiden. Hieraus folgt, dass das Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung die Vorschrift nicht beachten muss, wenn nach seiner dann jeweils aktuell vorhandenen Kenntnis der Beklagte im Zeitpunkt der Zustellung (s. Rz. 27) des verfahrenseinleitenden Schriftstücks über eine Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat verfügte, mag er diese zwischenzeitlich auch aufgegeben haben. Umgekehrt muss das Gericht die Vorschrift aber gegebenenfalls beachten, wenn es im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung Kenntnis davon erlangt hat, dass eine im Zeitpunkt der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks subjektiv bekannte Anschrift im Ursprungsmitgliedstaat in diesem Zeitpunkt objektiv nicht mehr bestand. 4. Verhältnis zu weiteren Rechtsakten des europäischen Zivilverfahrensrechts 29
Der Schutz des Anspruchs des Beklagten auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehörs (s. Rz. 1) ist Gegenstand auch einer Reihe weiterer Vorschriften des europäischen Zivilverfahrensrechts. Ihm wird Rechnung getragen im Zusammenhang mit den unionsrechtlich geregelten Zuständigkeitsregimen und ihrer Anwendung (s. Rz. 30 ff.) sowie, insoweit der Tradition zahlreicher Rechtsordnungen folgend, im Zusammenhang mit Anerkennung und grenzüberschreitender Vollstreckung (s. Rz. 33 ff.). a) Zuständigkeitsprüfung
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Nach Art. 28 Abs. 1 Brüssel Ia-VO (vgl. auch Art. 18 Brüssel IIb-VO) hat das Gericht seine internationale Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen, wenn sich der Beklagte nicht zur Sache einlässt. Diese Regelung gilt nur zugunsten von Beklagten mit Wohnsitz (s. Rz. 32) in einem von dem Mitgliedstaat, dessen Gerichte das Verfahren führen, verschiedenen Mitgliedstaat. Indem sie verordnungsautonom eine – z.B. nach der deutschen ZPO ohnehin erforderliche – amtswegige Prüfung der internationalen Zuständigkeit festschreibt, erspart sie dem Beklagten, gegebenenfalls allein zur Zuständigkeitsrüge am Gerichtsort zu erscheinen.101 Zugleich profitiert der Beklagte von diesem Schutz aber auch in dem Fall, dass er infolge Unkenntnis von der Verfahrenseinleitung sich nicht einlässt und einen Zuständigkeitsmangel daher auch nicht geltend macht (machen kann).
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Da Zustellungen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr mit Störungen, insbesondere Verzögerungen verbunden sein können, die zur Nichteinlassung führen, wurde im Zusammenhang mit der Anordnung einer Amtsprüfung in Art. 28 Abs. 1 Brüssel Ia-VO in den (in der Genese eng mit der Entstehung von Art. 15, 16 HZÜ verbundenen, s. Rz. 11) Art. 28 Abs. 2–4 Brüssel Ia-VO eine den Anspruch des Beklagten auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör sichernde Pflicht zur Verfahrensaussetzung bzw. ein Entscheidungshindernis vorgesehen (vgl. auch Art. 19 Brüssel IIb-VO); der Anwendungsbereich dieses präventiven Schutzes entspricht dem von Art. 28 Abs. 1 Brüssel Ia-VO,102 d.h. Beklagte ohne Wohnsitz in einem Mitgliedstaat genießen ihn nicht.103 Der präventive Beklagtenschutz wurde in Art. 28 Abs. 2–4 Brüssel Ia-VO gestuft geregelt (vgl. auch Art. 19 Brüssel IIb-VO), weil einerseits aus Sicht der Brüssel Ia-VO nicht zwingend ist, dass im Verhältnis zwischen allen an 100 101 102 103
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Vgl. auch Wißling, GPR 2017, 25, 27. Vgl. Peiffer in FS Geimer, S. 491, 495. Vgl. weiter Jenard, ABl. EG 1979 C 59/39. Peiffer in FS Geimer, S. 491, 498. Vgl. Hess, EuZPR, Rz. 6.179 mit Fn. 865; Jenard, ABl. EG 1979 C 59/40. – A.A. Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 28 Brüssel Ia-VO Rz. 22.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
die Brüssel Ia-VO gebundenen Mitgliedstaaten dasselbe grenzüberschreitende Zustellungen regelnde und einen Beklagtenschutz bei Nichteinlassung vorsehende Instrument Anwendung findet, und andererseits im Interesse von Rechtssicherheit und -klarheit eine Normenkonkurrenz vermieden werden sollte: Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO enthält eine verordnungsautonome Regelung hierzu. Diese findet allerdings keine Anwendung, wenn zwischen den Mitgliedstaaten das HZÜ gilt; dann gilt der die in Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO angesprochenen erforderlichen Maßnahmen konkretisierende Art. 15 HZÜ (Abs. 4). Weder Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO noch Art. 15 HZÜ gelten, wenn zwischen den Mitgliedstaaten für grenzüberschreitende Zustellungen die Verordnung gilt. Dann richtet sich der Beklagtenschutz vielmehr ausschließlich nach der in ihrem Abs. 2 ebenfalls die in Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO angesprochenen erforderlichen Maßnahmen konkretisierenden Vorschrift, welche die beiden anderen Regelungen verdrängt.104 Die Vorschrift und Art. 28 Abs. 2, 3 Brüssel Ia-VO (sowie vergleichbare Parallelregelungen) sind aller- 32 dings nur unzureichend aufeinander abgestimmt. Die Ursache mangelnder Kohärenz liegt darin, dass Art. 28 Abs. 2, 3 Brüssel Ia-VO ausschließlich an den Wohnsitz des Beklagten, dagegen der EuGH bereits zu Art. 1 EG-ZustVO 2007 alternativ auch an den gewöhnlichen Aufenthalt des Beklagten angeknüpft hat und Art. 1 EU-ZustVO 2020 nunmehr an die bekannte Zustelladresse (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 17) anknüpft. Zur Folge hat dies, dass in dem Fall, dass ein Beklagter, der einen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, im Ursprungsmitgliedstaat eine bekannte Zustelladresse, nicht aber auch einen Wohnsitz hat, Art. 28 Abs. 2 Brüssel Ia-VO nicht durch die Vorschrift und – je nach Auslegung des Anwendungsbereichs des HZÜ – auch nicht durch Art. 15, 16 HZÜ verdrängt wird und in der Folge insbesondere auch kein besonderes Wiedereinsetzungsrecht besteht. b) Entscheidungsfreizügigkeit Die Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör durch mangelhafte In- 33 formation über die Verfahrenseinleitung ist ein typischer Versagungsgrund für Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen. Einen entsprechenden Versagungsgrund regeln (im Kern inhaltsgleich) u.a. Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO, Art. 38 lit. b Brüssel IIb-VO, Art. 39 Abs. 1 lit. b Brüssel IIb-VO (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 76). Danach werden Anerkennung und Vollstreckung versagt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die effektive105 Möglichkeit dazu hatte. Diese Versagungsgründe wirken auf einer anderen Ebene als die Vorschrift und haben einen abweichenden Anwendungsbereich. Sie ergänzen und verstärken dementsprechend den durch die Vorschrift begründeten Schutz.106 Der Anwendungsbereich der Versagungsgründe unterscheidet sich insoweit von dem der Vorschrift, dass nicht an das Erfordernis einer grenzüberschreitenden Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks gerade zwischen den Mitgliedstaaten, sondern eine Grenzüberschreitung zwischen Mitgliedstaaten im Stadium der Geltendmachung der Urteilswirkungen angeknüpft wird. Die Versagungsgründe können demnach auch zum Tragen kommen, wenn die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks mangels Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung im Ursprungsmitgliedstaat oder einem Drittstatt zu erfolgen hatte.107
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Den Schutz des Beklagten verwirklichen die Versagungsgründe im Stadium von Anerkennung und Vollstreckung. Sie wirken danach vergleichbar wie Abs. 4 kurativ und anders als Abs. 1 nicht präventiv.108 Im Kern knüpfen die genannten Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsversagungsgründe an denjenigen Tatbestand an, an den Abs. 1 in seinem Anwendungsbereich ein Entscheidungshindernis (einen Aussetzungsgrund) knüpft. Vergleichbar wie ausweislich seines lit. b auch Abs. 1 nehmen sie
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104 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 1. 105 BGH v. 30.4.2020 – IX ZB 12/19, BeckRS 2020, 8749 Rz. 14 ff. 106 Vgl. Heiderhoff, IPRax 2013, 309; Wißling, GPR 2017, 25. – Abw. Brenn, Art. 19 EZV Anm. 5. a), b). 107 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 42, 44, 45 ff. 108 Vgl. Peiffer in FS Geimer, S. 491, 493.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten dabei nicht die Ordnungsmäßigkeit einer Zustellung, sondern das Erreichen des mit einer Zustellung verfolgten Zwecks (Information des Beklagten) in den Blick.109 Infolge ihrer kurativen Ausrichtung gehen sie dabei (wie Abs. 4) insofern weiter, als sie auch im Anwendungsbereich von Abs. 1 (s. Rz. 15 ff.) nicht nur zur Anwendung kommen, wenn vor Erlass einer Entscheidung gegen den Beklagten das Entscheidungshindernis (rechtmäßig oder rechtswidrig) nicht beachtet wurde, sondern erfassen auch den Fall einer vollständig ordnungsgemäßen (vgl. Abs. 1 lit. a), aber gleichwohl nicht den Beklagten hinreichend tatsächlich informierenden Zustellung.110 Umgekehrt begründet aber auch nicht jede Verletzung von Abs. 1 notwendig einen Versagungsgrund.111 Denn die Anerkennungs- und Versagungsgründe sind subsidiär gegenüber dem kurativen Schutz nach Abs. 4, weil das Wiedereinsetzungsrecht nach Abs. 4 ein Rechtsbehelf ist, dessen Nichtergreifung trotz Möglichkeit hierzu den Versagungsgrund ausschließt.112 Diese Nachrangigkeit des Versagungsgrunds entspricht dem Anliegen des europäischen Zivilverfahrensrechts, Einwendungen gegen die Entscheidungswirkungen nach Möglichkeit im Ursprungsmitgliedstaat zu konzentrieren.113 Da zugleich aber das Wesen von Versagungsgründen gerade auch darin liegt, dem Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsstaat einen eigenen Prüf-, Kontroll- und Entscheidungsraum zu belassen, ist das Vorliegen eines Versagungsgrunds ohne Bindung an die anzuerkennende Entscheidung oder eine Entscheidung über eine Wiedereinsetzung nach Abs. 4 zu treffen114 und die Vollstreckung gegebenenfalls auch dann zu versagen, wenn ein Wiedereinsetzungsantrag erfolglos geblieben ist.115 In diesem Fall eines erfolglosen Wiedereinsetzungsantrags ebenso wie in dem Fall, dass die Wiedereinsetzungsfrist bei Erlangung der Kenntnis von der Entscheidung bereits abgelaufen war, folgt aus der Nichtbeachtung von Abs. 1 ein Versagungsgrund.116
II. Verfahren bei Nichteinlassung (Abs. 1–3) 1. Nichteinlassung des Beklagten 36
Die präventiv, d.h. auf den Zeitpunkt des Erlasses einer gerichtlichen Entscheidung gegen den Beklagten ausgerichteten Abs. 1–3 knüpfen tatbestandlich daran an, dass sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen hat. Anderenfalls wurde das von der Vorschrift angestrebte Ziel im Ergebnis hinreichend erreicht.117 a) Nichteinlassung
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Der Beklagte muss sich nicht auf das Verfahren eingelassen haben. Dieses Erfordernis ist verordnungsautonom und nicht unter Rückgriff auf nationale Begriffsverständnisse (z.B. § 39 ZPO) aus-
109 Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 42. – Missverständlich GA Kokott, Schlussanträge v. 31.1.2019 – C-25/18, ECLI:EU:C:2019:86 Rz. 21 mit Fn. 7 – Brian Andrew Kerr/Pavlo Postnov, Natalia Postnova: Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO regele Rechtsfolgen einer „fehlerhaften“ Zustellung. 110 A.A. Brenn, Art. 19 EZV Anm. 5 b). 111 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 42. 112 EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 46 – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; Stein/Jonas/ Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 47. 113 Vgl. GA Kokott, Schlussanträge v. 26.4.2012 – C-619/10, ECLI:EU:C:2012:247 Rz. 56 – Trade Agency Ltd/Seramico Investments Ltd., Peiffer in FS Geimer, S. 491, 492. 114 EuGH v. 6.9.2012 – C-619/10, ECLI:EU:C:2012:531 Rz. 38 – Trade Agency Ltd/Seramico Investments Ltd; EuGH v. 3.7.1990 – Rs. 305/88, ECLI:EU:C:1990:275 Rz. 28 – Isabelle Lancray SA/Peters & Sickert KG; BGH v. 28.11.2007 – XII ZB 217/05, NJW 2008, 1531 Rz. 14; OLG Düsseldorf v. 3.2.2012 – 3 W 191/11, BeckRS 2012, 5210 zu II. 1. b) cc) (a) der Gründe; OLG Stuttgart v. 31.3.2010 – 5 W 62/09, NJOZ 2010, 2518 Rz. 33 f.; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 14, 42; Heiderhoff, IPRax 2013, 309, 314: doppelt geprüft; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/30. 115 EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 47 – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 66. – A.A. wohl Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 47. 116 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 43. Vgl. Peiffer in FS Geimer, S. 491, 498. 117 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
zulegen. Geboten ist eine Auslegung in Übereinstimmung mit Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO, weil Abs. 1–3 wie Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO die Gewährung rechtlichen Gehörs in einem Mindestmaß sichern. Dagegen ist das Merkmal mit Rücksicht auf den engeren Schutzweck von Art. 26 Abs. 1 Brüssel Ia-VO nicht in Übereinstimmung mit dem dortigen Begriffsverständnis auszulegen; anders als im Rahmen der Vorschrift kann z.B. in der Rüge der internationalen Zuständigkeit kein Einlassen i.S.v. Art. 26 Abs. 1 Brüssel Ia-VO liegen.118 Nicht eingelassen hat sich ein Beklagter, wenn er im Verfahren vollständig passiv bleibt.119 Allerdings 38 ist das entsprechende Erfordernis nicht derart eng auszulegen. Vielmehr liegt ein zur Unanwendbarkeit der Vorschrift führendes Einlassen erst vor, wenn der Beklagte im Verfahren gegenüber dem entscheidenden Gericht durch ein ihm zurechenbares Verhalten zu erkennen gegeben hat, dass ihm die Einleitung eines gegen ihn gerichteten Verfahrens gegenwärtig ist und er im Verfahren seine Interessen wahrnimmt. Hierfür genügt, dass der Beklagte in einer Art und Weise auf die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks reagiert, die auf eine Interessenwahrnehmung schließen lässt. Dem steht gleich eine Reaktion, die auf die effektive Möglichkeit einer Interessenwahrnehmung schließen lässt (z.B. Erscheinen zum Termin und Nichtverhandeln, weil je nach Lage des Falls, z.B. bei nach Ansicht des Beklagten unschlüssiger Klage, auch Passivität eine sachgerechte Form der Interessenwahrnehmung sein kann). Ein Einlassen liegt danach aber nicht darin, dass der Beklagte geltend macht, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück aufgrund der Besonderheiten einer grenzüberschreitenden Zustellung nicht so rechtzeitig zugestellt oder ausgehändigt bzw. abgegeben worden ist, dass er sich vollständig auf seine Verteidigung vorbereiten konnte.120 Denn damit erfolgt durch den Beklagten gerade noch nicht diejenige Interessenwahrnehmung, deren Schutz die Vorschrift dient. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist nicht gerechtfertigt, denjenigen Beklagten, der vorsorglich die Rechtswirkungen der Vorschrift für sich reklamiert, schlechter als den vollständig passiven Beklagten zu behandeln. Da eine nicht rechtzeitige Zustellung auch geltend gemacht wird, wenn der Beklagte einwendet, dass er die Annahme des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nach Art. 12 EU-ZustVO 2020 verweigert hat und dies durfte, weil eine erforderliche Übersetzung nicht beilag, liegt in diesem Einwand kein Einlassen im Sinne der Vorschrift.121 Dies sichert dem Beklagten den verordnungsautonomen Schutz einschließlich des Wiedereinsetzungsrechts nach Abs. 4 und vermeidet, dass der Schutz insoweit zur Disposition der Mitgliedstaaten steht. Demgegenüber liegt in der Geltendmachung sonstiger Zustellungsmängel regelmäßig ein Einlassen, weil und soweit sie nicht tatsächlich ausgeschlossen haben, dass der Beklagte so rechtzeitig informiert wurde, dass er seine Rechtsverteidigung vorbereiten konnte.122 Beruft sich ein Beklagter ergänzend zu einer Verteidigungsanzeige, zum Erscheinen, zu das Verfahren 39 betreffenden Rügen (z.B. zur internationalen Zuständigkeit) oder zum Vorbringen in der Sache auf den Schutz der Vorschrift, fehlt es entgegen ganz h.A. insgesamt an einem die Anwendung der Vorschrift hindernden Einlassen des Beklagten. Denn unter dieser Voraussetzung erscheint das Verhalten des Beklagten nicht im erforderlichen Maße als Interessenwahrnehmung und verweist auch nicht auf die effektive Möglichkeit hierzu, weil selbst eine aktive Interessenwahrnehmung in Form einer Einlassung zur Sache nicht ausschließt, dass weiteres Verteidigungsvorbringen gerade infolge der mit einer grenzüberschreitenden Zustellung verbundenen Störungen bzw. Verzögerungen verhindert und im
118 A.A. wohl Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9. 119 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 8; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 2. 120 Karaaslan, S. 128. 121 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 8; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6, 10. Vgl. auch EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 75 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Dau Si Senh u.a.; GA Stix-Hackl, Schlussanträge v. 28.6.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:409 Rz. 85 – Götz Leffler/ Berlin Chemie AG; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 7. – A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 2, 9; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 19 EuZVO Rz. 2. Vgl. auch EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 68 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 122 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 2. – A.A. BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 7; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten entsprechenden Umfang das rechtliche Gehör verkürzt wurde. Zwar ließe sich für derartige Fälle mit Blick auf das vom Beklagten gezeigte Verteidigungsverhalten von einem Einlassen ausgehen mit der Folge, dass sich der Schutz des rechtlichen Gehörs nicht nach der Vorschrift, sondern nach dem anwendbaren Verfahrensrecht richtete. Diese würde allerdings dem Anliegen der Vorschrift, einen harmonisierten Mindestschutz (s. Rz. 1) für die mit grenzüberschreitenden Zustellungen verbundenen Risiken für das rechtliche Gehör zu etablieren, nicht gerecht. b) Beklagter 40
Der Begriff des Beklagten ist verordnungsautonom und nicht unter Rückgriff auf das auf ein Verfahren anwendbare Recht auszulegen. Einen Beklagten i.S.d. Vorschrift kann es daher auch in Verfahren mit einem materiellen Parteibegriff geben, die wie z.B. Beschlussverfahren nach §§ 80 ff. ArbGG einen „Beklagten“ nicht kennen. Beklagter im Sinne der Vorschrift ist diejenige von dem Initiator eines Verfahrens verschiedene Person, welche durch eine gegebenenfalls aufgedrängte förmliche Information in ein Verfahren einbezogen wird, an welche sich eine in dem Verfahren über den Streitgegenstand ergehende Entscheidung richtet und welche durch die im Verfahren angestrebte Entscheidung belastet werden kann. Welche Person in diesem Sinne Beklagter ist, richtet sich nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht.
41
Im Anwendungsbereich der ZPO (z.B. auch i.V.m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG) ist Beklagter im Sinne der Vorschrift der formelle Beklagte. Streitverkündete sind dagegen nicht Beklagte im Sinne der Vorschrift. Sie können über die Interventionswirkungen zwar von einer gerichtlichen Entscheidung belastet werden. An sie ist die betreffende Entscheidung allerdings nicht gerichtet.123 Im Anwendungsbereich des FamFG ist Beklagter im Sinne der Vorschrift derjenige vom Antragsteller verschiedene Beteiligte, für den ein dem Antragsteller günstiger Beschluss i.S.v. § 40 Abs. 1 FamFG bestimmt ist und der durch den Beschluss belastet wird. Vergleichbares gilt im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens.
42
Sind an einem Verfahren mehrere Beklagte im Sinne der Vorschrift beteiligt, ist die Vorschrift ohne Rücksicht auf die Art der Parteimehrheit zu beachten nur zugunsten derjenigen Beklagten, welche sich nicht auf das Verfahren eingelassen haben.124 Nicht nach der Verordnung, sondern nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht (z.B. §§ 59 ff. ZPO) richtet sich, inwieweit die sich in Bezug auf die nicht erschienenen Beklagten aus Abs. 1–3 ergebenden Rechtsfolgen auch zugunsten der übrigen Beklagten auswirken (s. auch Rz. 62). 2. Effektive Provokation der Einlassung a) Prüfungspflicht
43
Die Befugnis des Gerichts, den Rechtsstreit unbeschadet der Nichteinlassung der Beklagten zu dessen Nachteil entscheiden zu können, wird durch Abs. 1 belastet mit der Pflicht, gesondert eine effektive (hinreichend ordnungsmäßige, s. Rz. 44 ff., und rechtzeitige, s. Rz. 57 ff.) Provokation der Einlassung festzustellen (vgl. den Wortlaut von Abs. 1 Halbs. 3), d.h. das Vorliegen der in Abs. 1 benannten Voraussetzungen von Amts wegen (mit positivem Ergebnis, d.h. Feststellungslast liegt beim Kläger125) zu prüfen (vgl. auch die Formulierung in Art. 18 Abs. 1 S. 2 EG-MahnVO).126
123 Streitverkündete i.S.d. ZPO werden über §§ 68, 74 Abs. 3 ZPO dadurch geschützt, dass ihre Bindung nur so weit reicht, wie sie tatsächlich Einfluss auf das Verfahren hätten nehmen können. 124 Vgl. auch Audiencia Provincial Barcelona v. 29.4.2010 – 114/10. 125 Vgl. auch Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. h): der dies allerdings dem nationalen Recht und nicht der Verordnung entnimmt. 126 Vgl. EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 51 – Ingenieurbüro M. Weiss und Partner GbR/ IHK Berlin; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 3, 9; Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2504; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 2; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Heinze, IPRax 2010, 155, 158; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11, 13.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
b) Geeignete Provokation aa) Allgemeines Festzustellen ist eine geeignete Provokation. Diese setzt voraus, dass das erforderliche Schriftstück (s. 44 Rz. 45 f.) entweder ordnungsgemäß nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats zugestellt wurde (s. Rz. 47 ff.) oder jedenfalls dem Adressaten persönlich ausgehändigt oder in einer von der Verordnung vorgesehenen Form in der Wohnung des Adressaten abgegeben wurde (s. Rz. 51 ff.).127 Zwischen diesen beiden Alternativen besteht kein Rangverhältnis, vielmehr sind sie im Hinblick auf das zu erreichende Ziel gleichwertig.128 Steht mit der von Abs. 1 lit. b bestimmten Gewissheit fest, dass das Provokationsmittel seiner Informationsfunktion gerecht werden kann, sollen Formfehler den den Justizgewährungsanspruch des Klägers beschränkenden Schutz des Beklagten nicht auslösen. Aus Sicht der Vorschrift ist mithin nicht erforderlich, dass die Zustellung des Schriftstücks nach dem im Verfahren anwendbaren Recht (vollständig) ordnungsgemäß erfolgt ist.129 Letzteres ist nur insoweit von Belang, wie das im Verfahren geltende Recht (z.B. § 335 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung rechtliche Bedeutung beimisst. bb) Provokationsmittel Die Provokation muss erfolgen mittels des nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht vorgesehenen verfahrenseinleitenden Schriftstücks (s. Rz. 19 ff.). Nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht und nicht nach der Vorschrift bestimmt sich, ob an den Beklagten ein verfahrenseinleitendes Schriftstück zu übermitteln ist. Nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht und nicht nach der Verordnung bestimmt sich weiter, ob dem Beklagten als Provokation gegenübertreten muss das Original, eine Ausfertigung oder eine (beglaubigte) Abschrift des Schriftstücks.
45
Nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht und nicht nach der Verordnung bestimmt sich auch, welchen inhaltlichen Anforderungen das Provokationsmittel genügen muss. Durch die Vorschrift wird nicht gefordert, dass das Provokationsmittel dem Beklagten aufgrund des gespeicherten Gedankeninhalts ermöglicht, eine sachgerechte Entscheidung darüber zu treffen, ob er sich an dem Gerichtsverfahren beteiligen will oder nicht. Es muss sich dem Provokationsmittel daher nicht zwingend entnehmen lassen zumindest der Umstand, dass ein Verfahren eingeleitet ist,130 der Gegenstand des Verfahrens sowie die Aufforderung, sich vor Gericht auf das Verfahren einzulassen.131 Die im Rahmen von Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO verordnungsautonom geltenden Mindestanforderungen an den dem Schriftstück zu entnehmenden Gedankeninhalt sind nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht in diese zu übernehmen (s. auch Rz. 19).132 Dafür spricht, dass die Vorschrift lediglich auf die Verhinderung einer im Erfordernis einer grenzüberschreitenden Zustellung wurzelnden Schlechterstellung des Beklagten in einem mitgliedstaatlichen Rechtsstreit und anders als Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO im Rahmen der Anerkennung von Entscheidungswirkungen nicht auf die Gewährleistung einer bestimmten Qualität des vorausgegangenen mitgliedstaatlichen Verfahrens zielt.
46
127 Vgl. GA Léger, Schlussanträge v. 28.9.2006 – C-283/05, ECLI:EU:C:2006:617 Rz. 17 – ASML Netherlands BV/ Semiconductor Industry Services GmbH; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 3. 128 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 13. 129 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 8. Vgl. (zu Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO) BGH v. 3.8.2011 – XII ZB 187/10, NJW 2011, 3103 Rz. 13. 130 Freilich ist der Umstand, dass ein Verfahren eingeleitet wurde, den zur Verfahrenseinleitung bestimmten Schriftstücken regelmäßig immanent, vgl. auch OLG München v. 30.9.1997 – 7 W 2520/97, MDR 1997, 1150, 1151. 131 Vgl. EuGH v. 8.5.2008 – C-14/07, ECLI:EU:C:2008:264 Rz. 64, 68 – Ingenieurbüro M. Weiss und Partner GbR/IHK Berlin; BGH v. 3.8.2011 – XII ZB 187/10, NJW 2011, 3103 Rz. 13. Vgl. auch Audiencia Provincial Castellón de la Plana v. 6.9.2006 – 130/06: Information über ein laufendes Verfahren genügt allein nicht. 132 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 3.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten cc) Ordnungsmäßige Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats 47
Die Provokation ist nach Abs. 1 lit. a geeignet erfolgt, wenn das Provokationsmittel in einem Verfahren zugestellt worden ist, welches das Recht des vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Empfangsmitgliedstaats vorsieht zur Zustellung an Personen mit bekannter Zustelladresse in diesem Mitgliedstaat. Durch die Ausrichtung auf das im Empfangsmitgliedstaat geltende Recht soll im Interesse einer geeigneten Provokation sichergestellt werden, dass die Zustellung dem Adressaten in gerade der Form gegenübertritt, die er aufgrund des Zustellungsortes erwarten darf/muss. Soweit z.B. das Recht des Empfangsmitgliedstaat anders als das Recht des Ursprungsmitgliedstaats vorsieht, dass der Zustellungsadressat im Rahmen der Zustellung durch einen besonderen Zustellungsbeamten133 gesondert belehrt wird, sichert die Anknüpfung an das Recht des Empfangsmitgliedstaats, dass für eine wirksame Provokation auch eine solche Belehrung erfolgt ist und der Adressat die Amtlichkeit und Ernsthaftigkeit der Zustellung erkennen kann.
48
Das im Empfangsmitgliedstaat geltende Recht umfasst zuvorderst das nationale Zustellungsrecht des Empfangsmitgliedstaats. Eine im Einklang mit diesem Recht (auch in Bezug auf die handelnden Zustellungspersonen) erfolgte Zustellung erfüllt die Anforderungen an eine geeignete Provokation. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob auch die sich aus der Verordnung mit Rücksicht auf die Souveränität des Empfangsmitgliedstaats ergebenden Anforderungen beachtet wurden (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 63).134 Das im Empfangsmitgliedstaat geltende Zustellungsrecht umfasst darüber hinaus auch die unmittelbar anwendbaren Vorschriften der Verordnung, soweit diese die Zustellung und nicht die Übermittlung eines Schriftstücks regeln. Nach dem im Empfangsmitgliedstaat geltenden Recht erfolgt eine Zustellung daher nicht nur, wenn sie im Wege der Rechtshilfe durch die Empfangsstelle in der in Art. 11 EU-ZustVO 2020 zuerst benannten Form erfolgt. Vielmehr erfolgt eine Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats auch, wenn sie in einer nach Art. 11 EU-ZustVO 2020 gewünschten und mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats vereinbaren besonderen Form ausgeführt wird. Ebenso erfolgt eine Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats, wenn sie im Wege der durch die Verordnung gedeckten Direktzustellung,135 insbesondere per Postdirektzustellung erfolgt.136 Dies gilt unabhängig davon, ob das nationale Recht des Empfangsmitgliedstaats diese Form der Zustellung vorsieht, weil der Beklagte auch mit den von der Verordnung vorgesehenen Zustellungsformen rechnen muss. Erforderlich ist im Fall des Rückgriffs auf die von der Verordnung vorgesehenen Zustellungswege, dass von ihnen unter Wahrung der Vorgaben der Verordnung Gebrauch gemacht wurde. Deshalb ist im Falle der Postdirektzustellung erforderlich, dass die Empfangsbestätigung vom Empfänger oder einer anderen hierzu berufenen Person und nicht nur vom Postbediensteten unterzeichnet wurde; ob die Empfangsbestätigung zurückgelangt, ist dagegen nur eine Frage der Feststellung (des Beweises) dessen, nicht aber (formelles) Wirksamkeitserfordernis.137
49
Unabhängig davon, ob die Zustellung in einem vom nationalen Recht des Empfangsmitgliedstaats vorgesehenen oder in einem durch die Verordnung eröffneten Verfahren ausgeführt wurde, muss für eine geeignete Provokation der verordnungsautonome Beklagtenschutz nach Art. 12 EU-ZustVO 2020 gewahrt worden sein.138 Hieraus folgt nicht, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück in einer nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 zugelassenen Sprache zugestellt worden sein muss.139 Allerdings folgt hieraus, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zugunsten des Beklagten kein (nicht durch Fristablauf erloschener) Annahmeverweigerungsgrund nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 133 Vgl. Bajons in FS Schütze, S. 49. 134 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 6. – A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 12. 135 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 14; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EGZustellVO Rz. 6. 136 OLG Zweibrücken v. 22.5.2015 – 2 UF 19/15, NJW-RR 2015, 1157 Rz. 19. – A.A. wohl Cour de cassation v. 10.3.2016 – 14-25719: lit. b. 137 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 7. 138 EuGH v. 28.4.2016 – C-384/14, ECLI:EU:C:2016:316 Rz. 78 – Alta Realitat SL/Erlock Film ApS, Ulrich Thomsen; EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 68 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 12; Kondring, IPRax 2007, 138, 142; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 9. 139 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 9. – A.A. Bajons in FS Schütze, S. 49, 73.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
mehr bestehen darf.140 Denn solange der Beklagte die Annahme des Schriftstücks noch wirksam verweigern kann bzw. er dies gar bereits getan hat, ohne dass eine Heilung erfolgt ist, steht eine im Rechtssinne geeignete Provokation (noch) nicht fest. Hieraus folgt auch, dass im Fall der Verletzung der Belehrungspflicht aus Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 vor ihrer Heilung eine geeignete Provokation noch nicht erfolgt ist.141 Aufgrund der Anknüpfung an das Recht des Empfangsmitgliedstaats richtet sich der Umgang mit einer unberechtigten Annahmeverweigerung im Rahmen der Vorschrift nicht nach der lex fori, sondern nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats (s. auch Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 34). Auch bestimmt sich für Abs. 1 lit. a allein nach dem Recht des Empfangs- und nicht (auch) nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats, inwieweit Zustellungsmängel mit welchen Folgen geheilt werden können (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 64).142 Allenfalls im Rahmen von Abs. 2, d.h. insbesondere nach Ablauf einer Wartefrist, kann auch auf die jeweiligen Regeln der lex fori zurückgegriffen werden (s. Rz. 9).143
50
dd) Persönliche Aushändigung oder verordnungsgemäße Abgabe in Wohnung (1) Allgemeines Die Provokation ist (aus Sicht der Vorschrift) nach Abs. 1 lit. b auch geeignet erfolgt, wenn das Pro- 51 vokationsmittel zwar nicht ordnungsgemäß förmlich zugestellt wurde, tatsächlich aber in Ausführung eines grenzüberschreitenden Zustellungsauftrags entweder dem Beklagten (s. Rz. 40 ff.) persönlich ausgehändigt (s. Rz. 52 f.) oder nach einem anderen in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren in der Wohnung des Beklagten abgegeben worden ist (s. Rz. 54 f.).144 Steht dies fest, wurde der zentrale Zweck einer Zustellung erreicht; weitergehende Anforderungen an die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung erweisen sich aus der Sicht der Vorschrift dann als bloße Förmelei. Aufgrund des Erfordernisses einer Aushändigung bzw. einer Abgabe gilt diese für den Zweck der Vorschrift vorgesehene Reduktion der Anforderungen an eine Zustellung aber nur, wenn das Schriftstück als verkörperte Erklärung den Machtbereich des Beklagten erreicht, nicht dagegen für elektronische Zustellungen. Insoweit hat die Digitalisierung der Zustellung noch keine Berücksichtigung gefunden. Materiell lässt sich hierfür anführen, dass elektronischen Mitteilungen vielfach noch nicht dieselbe Verbindlichkeit wie einer Urkunde beigemessen wird. Aus Sicht des Verordnungsverfahrens kommt hinzu, dass infolge noch unzureichender Erfahrungen beim Verordnungsgeber mutmaßlich noch keine hinreichende Einigkeit über die verordnungsautonom zu stellenden Mindestanforderungen bestand. (2) Persönliche Aushändigung Eine persönliche Aushändigung an den Beklagten setzt voraus, dass ihm das Schriftstück durch eine hierzu befugte Person unter Anwesenden übergeben und von ihm bewusst entgegengenommen wurde. Dass das Schriftstück in seinen Machtbereich (z.B. auch klassisches oder elektronisches Postfach) gelangt ist, genügt nicht.145 Es genügt auch nicht, dass ihm das Schriftstück zugesteckt wird, z.B. unter der Wohnungstür hindurch. Letzteres wird bestätigt dadurch, dass Abs. 1 lit. b gesondert vorsieht die Alternative der Abgabe in der Wohnung des Beklagten.
52
Im Übrigen ist im Rahmen des verordnungsautonomen Maßstabs nach Abs. 1 lit. b unerheblich, an welchem Ort oder unter welchen Umständen die persönliche Aushändigung erfolgt.146 Auch sonst
53
140 I.Erg. auch Rauscher, JZ 2006, 251, 253; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 9. Vgl. auch EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 Rz. 68 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. – A.A. wohl Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 12 EuZVO Rz. 12 f., Art. 22 Rz. 1. 141 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 9. 142 Kondring, IPRax 2007, 138, 141; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 6. – A.A. Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. g): Heilung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats oder nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats. 143 Kondring, IPRax 2007, 138, 141. – A.A. Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. g). 144 Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. f); Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 15. 145 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 7. 146 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 16.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten wird (nur) im Falle der persönlichen Aushändigung auf die Ordnungsmäßigkeit des Zustellungsvorgangs verzichtet.147 Die sich auf den Wortlaut der Vorschrift in anderen Sprachfassungen stützende Gegenansicht interpretiert die anderen Sprachfassungen unzutreffend und übersieht, dass die Verordnung für die persönliche Aushändigung anders als für die Ersatzzustellung keine besonderen Verfahrensvorschriften vorsieht. Unberührt bleibt lediglich, dass auch im Zusammenhang mit der persönlichen Aushändigung dem verordnungsautonomen Beklagtenschutz nach Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rechnung zu tragen ist (s. Rz. 49). (3) Abgabe in der Wohnung des Beklagten 54
Der persönlichen Aushändigung steht gleich die Abgabe in der Wohnung des Beklagten, wenn diese einem in der Verordnung vorgesehenen Verfahren entspricht. Der Begriff der Wohnung ist verordnungsautonom auszulegen.148 Er bezeichnet zunächst Räumlichkeiten (durch Wände und Decken begrenzter Raum, der dem Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt ist), welche für gewisse Dauer zum persönlichen Rückzug dienen, d.h. nur einem begrenzten und untereinander verbundenen Personenkreis zugänglich sind. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift, unter Berücksichtigung von Art. 14 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO, Art. 14 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO und mit Blick auf die Gleichstellung von Wohnsitz und Sitz in Art. 62 f. Brüssel Ia-VO umfasst der Begriff der Wohnung aber auch Geschäftsräume.149 Dem Beklagten zugeordnet sind als Wohnung geeignete Räumlichkeiten, in denen er gewöhnlich wohnt und sich aufhält.150 Als Geschäftsräume zugeordnet sind Räumlichkeiten dem Beklagten, in denen er gewöhnlich seine Geschäftstätigkeit entfaltet und mit Dritten physisch in Kontakt tritt (z.B. durch Empfang von Kunden etc.).
55
Ein Schriftstück wurde in der Wohnung (s. Rz. 54) des Beklagten abgegeben, wenn es einer vom Beklagten verschiedenen Person, welche sich in der Wohnung aufhält, persönlich (physisch) übergeben wurde und diese Person zur Entgegenahme bereit war. Dass das Schriftstück in einer zur Wohnung gehörenden Empfangseinrichtung abgelegt wurde, genügt im Rahmen von Abs. 1 lit. b nicht. Die Abgabe in der Wohnung des Beklagten muss dabei einem in der Verordnung vorgesehenen Verfahren der Zustellung entsprechen. Nicht notwendig ist dagegen, dass auch die Übermittlung des Schriftstücks in den anderen Mitgliedstaat den an den Souveränitätsinteressen des Empfangsmitgliedstaats ausgerichteten Vorgaben der Verordnung entspricht. Dies ergibt sich daraus, dass bei Beachtung der Vorgaben für den Zustellungsvorgang die Abgabe in der Wohnung der persönlichen Aushändigung gleichwertig ist, welche ebenfalls unabhängig von der Beachtung der Anforderungen an die Übermittlung genügt. Hinsichtlich der Abgabe in der Wohnung ist nach der Verordnung, wie in Erwägungsgrund 30 EU-ZustVO 2020 für Art. 18 EU-ZustVO 2020 vorgesehen, erforderlich,151 dass die das Schriftstück annehmende Person ein Erwachsener ist (s. Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 29).152 c) Rechtliche Vertretung
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Der Zustellung an den Beklagten, der Aushändigung an den Beklagten bzw. der Übergabe in seiner Wohnung stehen gleich die Zustellung bzw. Aushändigung oder Übergabe an einen Vertreter des Beklagten. Zwar wird ein Vertreter in der Vorschrift nicht erwähnt und nur der Beklagte selbst angesprochen. Allerdings regelt die Verordnung nicht autonom, inwieweit für einen Zustellungsadressaten an einen bestimmten Zustellungsempfänger zugestellt werden muss oder kann (s. auch Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 41, 42 f., 69). Auch darüber hinaus spricht für die Gleichstellung der Zustellung
147 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 7. – A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 18 f. 148 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 3. 149 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 20. Vgl. bereits Jenard, ABl. EG 1979 C 59/40: Angestellte. 150 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 Rz. 94 – Andrew Marcus Henderson/Novo Banco SA. 151 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 17. 152 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 17.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
bzw. Aushändigung oder Übergabe an den Vertreter, dass Art. 1 EU-ZustVO 2020 und die Vorschrift sich ähnlich wie Art. 13–15 EG-VollstrTitelVO, Art. 13–15 EG-MahnVO gegen fiktive Zustellungen (im Ursprungsmitgliedstaat) richten (vgl. auch Erwägungsgrund 13 S. 2 EG-VollstrTitelVO, Erwägungsgrund 19 S. 2 EG-MahnVO) und Art. 15 EG-VollstrTitelVO, Art. 15 EG-MahnVO ebenfalls die Zustellung an einen Bevollmächtigten ausreichen lassen. Dies rechtfertigt, der Aussage in Art. 15 EGVollstrTitelVO, Art. 15 EG-MahnVO auch im Rahmen der Vorschrift Geltung zu verschaffen, nicht zuletzt aus dem Grund, dass der Antragsgegner im Rahmen des einstufigen Europäischen Mahnverfahrens im Vergleich zu regelmäßig mehrstufigen (Einlassung und Rechtsbehelf gegen ergehende Entscheidung) sonstigen Verfahren eher einen größeren als einen geringeren Schutz verdient. d) Rechtzeitigkeit der Provokation Zur ordnungsgemäßen Zustellung (Abs. 1 lit. a) bzw. Aushändigung oder Übergabe (Abs. 2 lit. b) muss hinzukommen,153 dass sie tatsächlich so rechtzeitig erfolgt ist, dass der Beklagte genügend Zeit hatte, um sich verteidigen zu können.154 Dieses Erfordernis ist verordnungsautonom, d.h. ohne Rücksicht auf das auf das Verfahren anwendbare Recht auszulegen.155
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Die h.A. spricht sich für eine Auslegung im Einklang mit Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO156 und in der Folge dafür aus, dass der Zeitraum zwischen der tatsächlichen Kenntnisnahmemöglichkeit und dem für die gerichtliche Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt zu betrachten sei.157 Dies überzeugt nicht. Die Vorschrift benennt, anders als Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO, unmittelbar den für die Betrachtung maßgeblichen Anfangszeitpunkt (Zustellung bzw. Aushändigung oder Übergabe).158 Aus Sicht des Verordnungsgebers begründen Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats bzw. Aushändigung oder Übergabe an den Beklagten unmittelbar die Möglichkeit zur Rechtsverteidigung. Eine tatsächliche Kenntnisnahmemöglichkeit muss daneben nicht festgestellt werden. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass das Gericht – anders als im Rahmen von Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO – bei Anwendung der Vorschrift in einem laufenden und bei Nichteinlassung einseitig gebliebenen Verfahren zuverlässig feststellen können muss, ob die Entscheidungsvoraussetzungen gegeben sind. Unberührt davon bleibt, dass im Falle der Zurückweisung nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 die Möglichkeit zur Rechtsverteidigung erst ab tatsächlicher Nachreichung einer Übersetzung und nicht schon ab der ursprünglichen Zustellung gegeben ist.159 Wird das Annahmeverweigerungsrecht (trotz ordnungsgemäßer Belehrung) nicht ausgeübt, ist Fristbeginn dagegen der Empfang und gerade nicht der Zeitpunkt, bis zu dem der Empfänger des Schriftstück unter gewöhnlichen Umständen selbst übersetzt hat bzw. sich eine Übersetzung beschafft hat, und auch nicht der Zeitpunkt des Erlöschens160 des Annahmeverweigerungsrechts.
58
Der Zeitraum zwischen dem maßgeblichen Beginn (s. Rz. 58) und dem für die gerichtliche Entschei- 59 dung maßgeblichen Zeitpunkt muss im Einzelfall bei Anlegung eines objektiven, die individuelle Situation des Beklagten ausblendenden Maßstabs ausreichend großzügig bemessen sein, damit der Beklagte seine Verteidigung angemessen vorbereiten kann. Regelmäßig dürfte ein Zeitraum von weniger als einer Woche nicht ausreichen. Jedenfalls in wenig komplexen Streitfällen erfordert die Vorbereitung der Rechtsverteidigung regelmäßig aber auch nicht mehr als zwei Wochen.
153 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 3 a.E.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 8; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21. 154 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 4. 155 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 14. 156 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 14; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 9; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 8. 157 Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. j); Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 8. – Abw. Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 21. 158 Vgl. auch Jenard, ABl. EG 1979 C 59/40. 159 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 17. 160 Hierauf abzustellen, legt nahe aber EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 42 ff. – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten 3. Entscheidungshindernis a) Grundsatz 60
Als Rechtsfolge sieht Abs. 1 ein dilatorisches Entscheidungshindernis vor.161 Dieses besteht, solange die Erfüllung der dem Gericht im Anwendungsbereich der Vorschrift auferlegte Prüfpflicht nicht zur Feststellung einer i.S.v. Abs. 1 effektiven Provokation geführt hat.162 Aufgrund des Anwendungsvorrangs der Verordnung wird insoweit das nationale Verfahrensrecht zur Säumnis des Beklagten gegebenenfalls modifiziert.163 Die Verordnung macht keine Vorgaben dazu, wie auf das Entscheidungshindernis zu reagieren ist, solange nur keine Entscheidung getroffen wird. Weder gibt sie vor, ob das Verfahren förmlich ausgesetzt oder z.B. nur vertagt wird.164 Ebenso wenig ordnet sie an, ob ein neuer Zustellungsversuch zu unternehmen oder lediglich weiter eine Reaktion auf den früheren Zustellungsversuch abzuwarten ist.165 Vielmehr bestimmt sich dies nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht.
61
Das Entscheidungshindernis schließt lediglich den Erlass einer den Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigenden Entscheidung sowie den Erlass hierzu akzessorischer Entscheidungen (Kostenentscheidung) aus. Dagegen steht das Entscheidungshindernis nach Sinn und Zweck nicht dem Erlass von der Verfahrensförderung dienenden Entscheidungen, z.B. auch dem Erlass eines Beweisbeschlusses entgegen. Abweichendes gilt nur, wenn solche Entscheidungen einer nachfolgenden Korrektur im geführten Verfahren nicht zugänglich sind.
62
Nach Sinn und Zweck der Regelung richtet sich das dilatorische Entscheidungshindernis zudem nur gegen den sich nicht einlassenden Beklagten belastende Entscheidungen. Es steht nicht entgegen dem Erlass von Entscheidungen gegen den Kläger oder weitere Beklagte, welche sich auf das Verfahren eingelassen haben (s. Rz. 42). Das Entscheidungshindernis richtet sich andererseits aber nicht nur gegen Versäumnisentscheidungen im Sinne von aufgrund der Säumnis gegen den Säumigen ergangenen Entscheidungen. Vielmehr schließt es auch Entscheidungen gegen den Beklagten aus, welche im Rahmen eines Verfahrens, in dem der Untersuchungsgrundsatz gilt, auf der Grundlage einer umfassenden Sachverhaltsfeststellung gegen den Beklagten ergehen. Denn das Recht auf rechtliches Gehör bezieht sich nicht nur darauf, sich zur Tatsachengrundlage Gehör zu verschaffen, sondern zielt auf eine umfassende Interessenwahrnehmung. Entgegen steht das Entscheidungshindernis auch nicht lediglich dem Erlass von die Parteien autoritativ bindenden Entscheidungen. Vielmehr gebietet der mit der Vorschrift angestrebte Schutz gleichermaßen den dilatorischen Ausschluss von unverbindlichen, nur durch Annahme der Parteien wirksam werdenden Entscheidungen, weil und soweit auch der Erlass einer solchen Entscheidung ein Verfahren abschließt. b) Ausnahme: Einstweilige und Sicherungsmaßnahmen (Abs. 3)
63
Das dilatorische Entscheidungshindernis steht nicht entgegen dem Erlass von einstweiligen Anordnungen und von Sicherungsmaßnahmen. Dies gebietet der Justizgewährungsanspruch des Klägers, dessen Rechte durch die Beachtung des dilatorischen Entscheidungshindernisses beeinträchtigt zu werden drohen. Diese Einschränkung von Abs. 1 gilt ohne Rücksicht darauf, ob nach dem anwendbaren Recht einstweilige bzw. Sicherungsmaßnahmen innerhalb des Verfahrens, in welchem das dilatorische Entscheidungshindernis besteht (z.B. § 283a ZPO, § 719 ZPO), oder in einem selbstständigen Verfahren (z.B. einstweiliges Verfügungsverfahren) erlassen werden.
161 A.A. Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 19 EuZVO Rz. 3: Vorschrift zwingt zur Anwendung von § 189 ZPO. 162 Vgl. Cour de cassation v. 8.10.2014 – 13-16079, 13-16080; Areios Pagos v. 10.6.2008 – 1274/2008; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 3, 9; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 2; Geimer/ Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 22; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 5. 163 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 5. 164 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 10; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 11 a.E., 12; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 5. 165 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 22.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
Die Begriffe einstweilige und Sicherungsmaßnahmen sind verordnungsautonom und ohne Rück- 64 sicht auf nationale Verständnisse auszulegen. Insbesondere ist nicht entscheidend die Zuweisung zu einem nach nationalem Verständnis dem einstweiligen Rechtsschutz zugeordneten Verfahren (z.B. § 101 Abs. 7 UrhG, § 11 Abs. 4 HmbPrG), sondern ihre Qualifikation als materiell einstweilig oder sichernd. Dabei haben diese Begriffe dieselbe Bedeutung wie im Rahmen von Art. 35 Brüssel IaVO.166 Entsprechenden Maßnahmen ist eigen, dass sie sich auf eine in der Hauptsache über einen Gegenstand zu treffende Entscheidung beziehen und den Gegenstand der Hauptsache dagegen sichern, dass die ihm zugrunde liegenden Interessen infolge weiterer Verzögerungen (z.B. auch wegen hierdurch ermöglichter Dispositionen des Beklagten) vereitelt werden.167 Zudem muss eine einstweilige oder Sicherungsmaßnahme in dem Sinne vorläufig sein, dass sie in Abhängigkeit von der noch ausstehenden Entscheidung in der Hauptsache aufgehoben oder angepasst werden kann und die Entscheidung in der Hauptsache ohne Bindung an die Entscheidung über die einstweilige bzw. Sicherungsmaßnahme ergeht (nicht vorläufig ist daher auf Grundlage der h.A. z.B. der Urkundenprozess der ZPO). Ohne Belang ist für die Anwendung von Abs. 3, ob das auf das Verfahren anwendbare Recht den Erlass einstweiliger einschließlich Sicherungsmaßnahmen mit oder ohne vorgängiges rechtliches Gehör vorsieht. Einstweilige und Sicherungsmaßnahmen sind im Anwendungsbereich der ZPO insbesondere Arrest und einstweilige Verfügung.168 Der Erlass einstweiliger Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen kommt nach Abs. 3 ohne 65 Rücksicht auf ein bestehendes Entscheidungshindernis nur in Betracht in begründeten dringenden Fällen. Dieses Erfordernis ist verordnungsautonom und ohne Rücksicht auf das auf das Verfahren anwendbare Recht auszulegen. Durch Einfügen des Erfordernisses „begründet“ hat dies der Verordnungsgeber zuletzt nochmals betont, weil hierin erkennbar wird, dass Abs. 3 selbst (und mit Vorrang gegenüber Vermutungen des nationalen Rechts, z.B. § 12 Abs. 1 UWG, § 899 Abs. 2 S. 2 BGB)169 Anforderungen stellen will. Im Sinne der Vorschrift begründet dringend ist ein Fall, wenn bei Beachtung des dilatorischen Entscheidungshindernisses Rechte des Klägers vereitelt zu werden drohen. Für ein entsprechendes Vereiteln muss im Einzelfall eine unter Berücksichtigung des Gewichts des betroffenen Rechts hinreichende Wahrscheinlichkeit gegeben sein. Das Gericht ist nach Abs. 3 berechtigt, diejenigen einstweiligen einschließlich sichernden Maßnahmen auch bei Bestehen eines Entscheidungshindernisses aus Abs. 1 anzuordnen,170 die geeignet und erforderlich sind, um der bestehenden Gefahr entgegenzutreten. Aus Abs. 3 ergibt sich keine Verpflichtung des Gerichts, in begründeten dringlichen Fällen einstweilige oder sichernde Maßnahmen anzuordnen.171 Vielmehr beschränkt sich Abs. 3 in der Rechtsfolge auf eine neben den Fällen des Abs. 2 anwendbare Rücknahme des Entscheidungshindernisses aus Abs. 1. Ob und gegebenenfalls bei Vorliegen welcher weiteren Voraussetzungen das Gericht eine einstweilige oder sichernde Maßnahme anzuordnen hat, richtet sich nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht.
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4. Optional: Gleichwohlentscheidung (Abs. 2) a) Eröffnung durch auf das Verfahren anwendbares Recht aa) Anforderungen Abs. 2 regelt (entgegen dem Vorhaben der Kommission, s. Rz. 12) nicht verordnungsautonom, unter welchen Voraussetzungen das Gericht nicht unter Verweis auf die Nichtfeststellung einer effektiven
166 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 40; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EGZustellVO Rz. 14. 167 Vgl. EuGH v. 26.3.1992 – C-261/90, ECLI:EU:C:1992:149 Rz. 34 – Mario Reichert u.a./Dresdner Bank AG, IPRax 1993, 28; BeckOK/ZPO/Keller, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 6; Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 11. 168 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 22. 169 Unklar BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 20. 170 Vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 7. 171 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 22.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten Provokation vertagen darf, sondern eine Entscheidung (gegen den Beklagten) erlassen muss.172 Durch Abs. 2 wird den Mitgliedstaaten vielmehr ein durch die benannten Mindestanforderungen begrenzter Gestaltungsspielraum eröffnet. Diesen können die Mitgliedstaaten ausnutzen. Ihnen steht dabei unbeschadet der auf eine schlichte Mitteilung der Mitgliedstaaten verweisenden Formulierung nicht (nur) ein Recht zu einem Abs. 2 aktivierenden Opt-in zu. Vielmehr enthält Abs. 2, vergleichbar wie Abs. 3, eine verordnungsautonome Einschränkung des verordnungsautonomen dilatorischen Entscheidungshindernisses (Abs. 1). Durch Abs. 2 werden verordnungsautonom die Voraussetzungen bestimmt, die mindestens erfüllt sein müssen, damit das Gericht auf der Grundlage des auf das Verfahren anwendbaren Rechts losgelöst von einer Feststellung der effektiven Provokation gegen den Beklagten entscheiden darf. Den Mitgliedstaaten steht es allerdings frei, die Entscheidungsbefugnis ihrer Gerichte vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen abhängig zu machen oder bei nicht feststellbarer effektiver Provokation auszuschließen (s. Rz. 78). Dafür spricht zunächst der Umstand, dass Abs. 2 sich (auch in Verbindung mit Erwägungsgrund 35 S. 2 EU-ZustVO 2020) für den Beklagten lediglich auf Bemühungen in Bezug auf eine grenzüberschreitende Zustellung bezieht, dagegen sonstige der Information des Beklagten dienende Maßnahmen des Ursprungsmitgliedstaats (z.B. hilfsweise öffentliche Zustellung im Inland, s. Rz. 69: Deutschland) ausblendet, und damit den Beklagtenschutz nicht umfassend behandelt. Weiter spricht dafür die Normgenese; das Vorhaben der Kommission, auch die jenseits einer grenzüberschreitenden Zustellung liegenden Möglichkeiten des Ursprungsmitgliedstaats zu harmonisieren, scheiterte. Eine Entscheidung gegen den Beklagten darf das Gericht in der Folge also nur erlassen, wenn das auf das Verfahren anwendbare Recht dem Gericht diese Befugnis einräumt und zudem im konkreten Fall eine Entscheidung gegen den Beklagten im Einklang mit den Mindestanforderungen des Abs. 2 steht (vgl. Erwägungsgrund 35 S. 1 EU-ZustVO 2020). 68
Um ihren Gerichten in Wahrnehmung der Gestaltungsmöglichkeit des Abs. 2 eine Entscheidungsbefugnis bei Nichteinlassung des Beklagten auch ohne Feststellung einer effektiven Provokation einzuräumen, müssen die Mitgliedstaaten nicht ausdrücklich Bezug auf die Vorschrift nehmen. Es ist vielmehr ausreichend, dass das auf das Verfahren anwendbare Recht eine Entscheidung gegen den Beklagten bei Nichteinlassung auch ohne eine Abs. 1 genügende Feststellung der effektiven Provokation vorsieht. Der Anwendungsvorrang der Verordnung gewährleistet, dass diese Entscheidungsbefugnis nur unter Beachtung der Mindestanforderungen des Abs. 2 wahrgenommen werden kann. Sieht das Recht eines Mitgliedstaats eine entsprechende Entscheidungsbefugnis vor, ist der betreffende Mitgliedstaat nach Abs. 2 Unterabs. 1 verpflichtet, dies der Kommission mitzuteilen.173 Die entsprechende Mitteilung ist aber nur deklaratorisch. Weder vermag eine unzutreffende Mitteilung eine Entscheidungsbefugnis zu begründen noch schließt eine Nichtmeldung oder Falschmeldung eine bestehende Entscheidungsbefugnis aus.174 Abweichendes gilt auch nicht aufgrund der von Abs. 2 Unterabs. 2 vorgesehenen Veröffentlichung der Mitteilungen der Mitgliedstaaten im Europäischen Justizportal. Gegen konstitutive Wirkungen der Meldung eines Mitgliedstaats und/oder der nachfolgenden Veröffentlichung spricht, dass Art. 33 EU-ZustVO 2020 eine lediglich der Information dienende, d.h. in Bezug auf die Ausgestaltung des Gerichtsverfahrens deklaratorische Anordnung enthält. Bereits aus dem Verhältnis der Vorschrift zum nationalen Recht folgt, dass einer unzutreffenden Mitteilung keine eine Entscheidungsbefugnis eröffnende Wirkung zukommt. Eine fehlende oder unzutreffenden Mitteilung/Veröffentlichung schließt eine bestehende Entscheidungsbefugnis aber auch nicht zum Schutz des Vertrauens des Beklagten aus. Dies ergibt sich daraus, dass das Verhalten des Beklagten durch das Vertrauen in eine fehlende/unzutreffende Mitteilung/Veröffentlichung konkret nur beeinflusst sein kann, wenn ihm die Verfahrenseinleitung bekannt ist und er sich aufgrund der fehlenden/unzutreffenden Mitteilung/Veröffentlichung gegen eine Einlassung entscheidet. Ist ihm die Verfahrenseinleitung aber bekannt, erscheint der Justizgewährungsanspruch des Klägers jedenfalls bei Berücksichtigung der Wiedereinsetzungsmöglichkeit nach Abs. 4 schutzwürdiger als das Vertrauen des Beklagten. 172 Vgl. dazu Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, final report (5.10.2016), S. 156; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 23; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.155. 173 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 16. 174 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 16 zu Polen; BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Art. Ed. 47 (1.12.2022), 22 EuZVO 2022 vor Rz. 1.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
bb) Mitteilungen der Mitgliedstaaten Die Mitgliedstaaten haben in der Mehrzahl mitgeteilt, dass nach ihrem Recht eine Gleichwohlent- 69 scheidung nach Maßgabe des Abs. 2 ergehen kann. Weitergehende Angaben dazu, in welchem Fall und unter welchen Voraussetzungen eine entsprechende Entscheidungsmöglichkeit gegeben ist, wurden regelmäßig nicht mitgeteilt. Allein Deutschland hat ergänzend mitgeteilt, dass zumindest eine öffentliche Zustellung wirksam erfolgt sein müsse. Im Einzelnen ergeben die veröffentlichten Meldungen folgendes Bild (Stand: 1.5.2023): Belgien Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Bulgarien Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Dänemark Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Deutschland Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen; vorausgesetzt wird eine wirksame öffentliche Zustellung.
Estland Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Finnland Keine Meldung, dass Gleichwohlentscheidung vorgesehen ist.
Frankreich Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.175
Griechenland Keine Meldung, dass Gleichwohlentscheidung vorgesehen ist.176
Irland Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Italien Keine Meldung, dass Gleichwohlentscheidung vorgesehen ist.
Kroatien Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Lettland Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Litauen Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen. 175 Vgl. auch Cour de cassation v. 24.5.2016 – 14-15642. 176 Vgl. zu Art. 19 EG-ZustVO 2007 aber Areios Pagos v. 3.6.2013 – 1527/2013, vgl. zu Art. 19 EG-ZustVO 2000 Ephetio Athen v. 27.5.2004 – 4949/04.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten Luxemburg Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Malta Gleichwohlentscheidung ist nicht vorgesehen.
Niederlande Keine Meldung, dass Gleichwohlentscheidung vorgesehen ist.
Österreich Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Polen Keine Meldung, dass Gleichwohlentscheidung vorgesehen ist.
Portugal Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Rumänien Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Schweden Keine Meldung, dass Gleichwohlentscheidung vorgesehen ist.
Slowakei Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Slowenien Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Spanien Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Tschechische Republik Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Ungarn Gleichwohlentscheidung ist vorgesehen.
Zypern (Bislang) Keine Meldung, dass Gleichwohlentscheidung vorgesehen ist.
b) Verordnungsautonome Mindestanforderungen aa) Allgemeines 70
Abs. 2 benennt in Unterabs. 1 drei Mindestanforderungen, die kumulativ erfüllt sein müssen,177 damit das Gericht unter den durch das auf das Verfahren anwendbare Recht vorgesehenen Voraussetzungen unbeschadet des Bestehens des dilatorischen Entscheidungshindernisses, d.h. auch bei 177 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 26; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EGZustellVO Rz. 10.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
Unsicherheit über eine effektive Provokation des Beklagten gegen diesen entscheiden darf. Ist die Anwendbarkeit der Vorschrift mehrfach begründet, weil der Beklagte eine bekannte Zustelladresse in mehreren vom Ursprungsmitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaaten hat, ist nach Sinn und Zweck erforderlich, dass die Mindestvoraussetzungen in Bezug auf jeden dieser Mitgliedstaaten gegeben sind. Tatsächlich gegen den Beklagten entscheiden darf das Gericht im Ergebnis aber nur, wenn neben den Mindestanforderungen auch die sich aus dem auf das Verfahren anwendbaren Recht ergebenden Entscheidungsvoraussetzungen vorliegen. Danach setzt eine Entscheidung gegen den Beklagten möglicherweise voraus, dass nach dem Scheitern einer grenzüberschreitenden Zustellung zunächst noch eine fiktive Inlandszustellung (z.B. öffentliche Zustellung) erfolgt. bb) Übermittlung gemäß der Verordnung Das Provokationsmittel (s. Rz. 45 f.) muss durch die die Zustellung auslösende Stelle nach einem in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahren übermittelt worden sein. Zur Verfügung stehen dabei – im Grundsatz gleichrangig178 – alle von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungs- und Zustellungswege.179 Vorausgesetzt wird, dass die die Zustellung anordnende Stelle ihrerseits vollständig alle Maßnahmen ergriffen hat, um dem Beklagten das Provokationsmittel im Empfangsmitgliedstaat zustellen zu lassen, und dabei alle Vorgaben der Verordnung eingehalten hat. Sie muss sich also eines von der Verordnung vorgesehenen Übermittlungsverfahrens bedient haben, dessen Voraussetzungen müssen erfüllt sein und der Zustellungsvorgang muss, soweit er von der die Zustellung anordnende Stelle zu verantworten ist, den Vorgaben der Verordnung entsprechen. Ohne Belang ist, ob die zuständigen Stellen des Empfangsmitgliedstaats die Zustellung im Einklang mit der Verordnung ausgeführt haben180 oder die Ausführung erfolgreich war. Über Abs. 2 können die Mitgliedstaaten nicht nur Störungen bei der Bestätigung der Ausführung einer Zustellung bzw. ihrer Übermittlung, sondern auch ein materielles Versagen der Stellen des Empfangsmitgliedstaats ausgleichen.
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cc) Ablauf angemessener Frist Seit der Absendung des Schriftstücks muss eine Frist verstrichen sein, die das Gericht im Einzelfall als 72 angemessen dafür erachtet, auf eine Bestätigung über die erfolgreiche Zustellung beim Beklagten oder eine Mitteilung über die endgültige Nichtausführbarkeit des Zustellungsauftrags zu warten, und nach deren Ablauf es von einem Versagen des durch die Verordnung für grenzüberschreitende Zustellungen geschaffenen Systems ausgehen kann. Dabei sind zu berücksichtigen die hierfür relevanten und dem Gericht bekannten bzw. für dieses erreichbaren Informationen betreffend den Einzelfall. Solange für das Gericht aufgrund dieser Umstände erkennbar ist, dass mit einer endgültigen Antwort des Empfangsmitgliedstaats noch zu rechnen ist, ist die angemessene Wartefrist noch nicht verstrichen. Entgegen ganz h.A. sind das Gewicht bzw. die Bedeutung einer Angelegenheit ebenso wie ihre Dringlichkeit hierfür ohne Belang.181 Dafür spricht deutlich, dass diese Umstände für die Empfangsstelle bzw. die in eine Zustellung eingeschalteten Personen regelmäßig nicht erkennbar sind und daher deren Reaktion nicht beeinflussen. Nach dem hier befürworteten Verständnis ergibt sich, dass im Verhältnis zu Mitgliedstaaten, für welche lange Zustellungsfristen bekannt sind (z.B. aufgrund von Untersuchungen der Kommission) die angemessene Frist grundsätzlich nicht kürzer als die für diesen Mitgliedstaat übliche Zustelldauer sein kann.182 Weiter ergibt sich hieraus, dass sich aus einer Pandemielage ergebende und für das Gericht bekannte Verzögerungen rechtfertigen, länger zuzuwarten.
178 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 18; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 11. 179 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 29. Einschränkend BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 14 für Art. 19 EU-ZustVO 2020. 180 Zumindest missverständlich Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 29: Zustellungsversuch erforderlich. 181 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 19. 182 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 19.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten 73
Zumindest muss das Gericht sechs Monate ab der Absendung des Schriftstücks abwarten.183 Fristbeginn ist der Tag, an welchem das Schriftstück mit dem Willen der die Zustellung anordnenden Stelle den Machtbereich desjenigen, der die Übermittlung final in Gang setzt, in Richtung der im Empfangsmitgliedstaat adressierten Stelle (Empfangsstelle oder Zustellungsempfänger [im Falle der Direktzustellung]) verlässt. Die Fristberechnung richtet sich nach Art. 3 Fristen-VO (Erwägungsgrund 37 EU-ZustVO 2020). Danach zählt der Tag der Absendung nicht mit (Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Fristen-VO). Die Frist endet mit Ablauf der letzten Stunde des Tages des letzten Monats, der dieselbe Bezeichnung wie der Fristbeginn (auf die Absendung folgender Tag) trägt (Art. 3 Abs. 2 lit. c Fristen-VO); fehlt der für den Fristablauf maßgebende Tag, so endet die Frist mit Ablauf der letzten Stunde des letzten Tages des letzten Monats. Vor Ablauf von sechs Monaten kann eine angemessene Wartefrist nicht abgelaufen sein. Selbst nach Ablauf von sechs Monaten steht nicht fest, dass die abgelaufene Frist im Einzelfall angemessen ist. dd) Fehlende Bescheinigung
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Dem Gericht darf im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (und nach Ablauf der angemessenen Frist, s. Rz. 72 f.) keine Bescheinigung über die erfolgreiche Erledigung des Zustellungsauftrags oder dessen endgültiges Scheitern184 vorliegen. Unbeschadet des insoweit unpräzisen Wortlauts ist nicht erforderlich, dass dem Gericht gar keine Rückmeldung aus dem Empfangsmitgliedstaat, insbesondere auch keine Empfangsbestätigung nach Art. 10 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 und auch keine Verzögerungsmitteilung nach Art. 11 Abs. 2 S. 2 lit. a EU-ZustVO 2020 vorliegt. Dies ergibt sich daraus, dass nur die Bescheinigung über eine erfolgreiche Erledigung und die Mitteilung über deren endgültiges Scheitern zum planmäßigen Wegfall des dilatorischen Entscheidungshindernisses führen, entweder durch Ermöglichung der Feststellung einer effektiven Provokation oder durch die Feststellung, dass im Empfangsmitgliedstaat an der benannten Stelle keine bekannte Zustelladresse des Empfängers besteht und die Vorschrift daher nicht (mehr) anwendbar (s. aber Rz. 77 a.E.) ist, und Abs. 2 letztlich unter den genannten Voraussetzungen die Nichtreaktion dem endgültigen Scheitern der Zustellung gleichstellt. ee) Fruchtlose Bemühungen
75
Darüber hinaus muss die die Zustellung im Ursprungsmitgliedstaat veranlassende Stelle alle zumutbaren Schritte zur Erlangung einer der ausstehenden Bescheinigungen unternommen haben. Allgemeine Vermutungen, dass der Beklagte das Provokationsmittel erhalten hat, machen dies nicht entbehrlich.185 Entgegen dem auf mangelnder Sorgfalt bei der Übersetzung (s. Rz. 14) beruhenden Wortlaut der deutschen Sprachfassung des verfügenden Normtextes (richtig Erwägungsgrund 35 S. 1 EU-ZustVO 2020: „bei den“ Stellen des Empfangsmitgliedstaats) ist nicht entscheidend, welche Bemühungen die Empfangsstellen unternommen haben.186 Dies ergibt sich schon daraus, dass nicht in jede grenzüberschreitende Zustellung eine Empfangsstelle eingebunden ist. Zudem soll durch Abs. 2 gerade ausgeglichen werden, dass die grenzüberschreitende Zustellung am Versagen der Regelungen der Verordnung einschließlich dem Versagen der für den Ursprungsmitgliedstaat fremden verpflichteten Stellen des Empfangsmitgliedstaats scheitert. Als die Zustellung verfügende Stelle mit der Obliegenheit, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, belastet ist im Falle der Amtszustellung das mit dem Rechtsstreit befasste Gericht und im Falle einer Parteizustellung die die Zustellung nach Art. 20 EU-ZustVO 2020 beauftragende Partei.
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Ziel der Bemühungen ist entgegen dem insoweit unpräzisen Wortlaut von Abs. 2 lit. c nicht lediglich die Erlangung einer Bescheinigung betreffend die bereits ausgelöste Übermittlung (s. Rz. 74), sondern eine Bescheinigung betreffend die erforderliche effektive Provokation als solche. Dementspre183 Cour d’appel Dijon v. 31.1.2008 – 06/01365; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 30; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 12. 184 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 32; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 13. 185 Cour de cassation v. 21.12.2017 – 15-14541. 186 Verkannt von BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 16.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
chend ist Ziel der Bemühungen auch, zu einem gegebenenfalls veranlassten bzw. als Ausdruck des Bemühens zu veranlassenden weiteren Übermittlungsversuch187 eine die effektive Provokation belegende Bescheinigung zu erlangen. Dies gebieten gleichermaßen der Anspruch des Beklagten auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör wie der Anspruch des Klägers auf effektiven Rechtsschutz. Welche Schritte die verpflichtete Stelle zu ergreifen hat, ist vom Einzelfall abhängig und wird ins- 77 besondere auch davon beeinflusst, welche Reaktionen der Empfangsstelle oder der Zustellungsperson eingehen. Geht z.B. schon keine Empfangsbestätigung i.S.v. Art. 10 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 ein, ist eine zeitnahe Nachfrage und nach weiterer angemessener Frist die Einschaltung der Zentralstelle geboten.188 Entsprechend gilt dies bei Ausbleiben einer Empfangsbestätigung im Fall der direkten Zustellung. Weist die Empfangsstelle darauf hin, dass ein Zustellungsersuchen an Mängeln leidet oder der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet sei, ist hierauf sachgerecht zu reagieren (vgl. Art. 10 Abs. 2, 3 EU-ZustVO 2020). Erfolgt im ersten Fall189 die Beanstandung zu Recht, fehlt es bereits am Erfordernis einer Übermittlung nach den Vorschriften der Verordnung und die Mindestanforderungen des Abs. 2 sind nicht erfüllt. Wurde ein Ersuchen zu Unrecht beanstandet, ist die Empfangsstelle hierauf unter Angabe der Gründe hinzuweisen und ist gegebenenfalls die Zentralstelle einzuschalten. Aufgrund des weit gefassten Ziels der Bemühungen trifft die verpflichtete Stelle gegebenenfalls auch die Obliegenheit, eine erneute Zustellung in einem anderen von der Verordnung vorgesehenen Verfahren zu verfügen, z.B. bei Ausbleiben einer Empfangsbestätigung im Fall der Direktzustellung eine Zustellung im Wege der Rechtshilfe zu versuchen (oder umgekehrt).190 Auch ist im Falle eines Hinweises auf Möglichkeiten zur Adressermittlung geboten, diese zu nutzen.191 Schließlich ist,192 soweit nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats nicht ausgeschlossen, der Versuch einer formlosen Information (über ein laufendes Verfahren, nicht notwendig vom Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks) auf jedem der die Zustellung veranlassenden Stelle erkennbaren Weg, der voraussichtlich ausschließlich dem Empfänger eine Kenntnisnahme ermöglicht (daher nicht öffentliche Zustellung), zu unternehmen (Erwägungsgrund 35 S. 2 EU-ZustVO 2020).193 Voraussetzung ist dabei nicht, dass das Recht des Ursprungsmitgliedstaats eine solche Information vorsieht, sondern von entsprechenden Informationsversuchen kann nur abgesehen werden, soweit das Recht des Ursprungsmitgliedstaats sie (ausdrücklich oder inzident) untersagt. Danach ist z.B. gegebenenfalls geboten, den Beklagten (ergänzend zu § 186 Abs. 2 S. 1 ZPO auch individuell) über eine bekannte E-Mail-Adresse, Mobilfunknummer usw. zu informieren194 und, wie sich aus Sinn und Zweck ergibt, im Anschluss eine angemessene Zeit auf eine Reaktion zu warten.195 c) Anforderung nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht Bei Erfüllung der verordnungsautonomen Mindestanforderungen aus Abs. 2 darf das Gericht trotz 78 Nichteinlassung des Beklagten gegen diesen nur entscheiden, wenn der Mangel der Feststellung einer effektiven Provokation nicht nach nationalem Recht einer Entscheidung entgegensteht.196 Soweit das 187 Vgl. dazu auch Mankowski, EuZW 2015, 950. – A.A. wohl Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. l). 188 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 20; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 33; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 13. Vgl. auch Cour de cassation v. 24.5.2016 – 14-15642. 189 Im zweiten Fall gilt bereits Abs. 1 der Vorschrift mangels Eröffnung des Anwendungsbereichs der Verordnung nicht. 190 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 20; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 13. 191 Vgl. Knöfel, RIW 2021, 473, 477. 192 Dies ist Tatbestandsvoraussetzung für ein Vorgehen nach Abs. 2 (entgegen Fabig/Windau, NJW 2022, 1977 Rz. 25 und Gottwald, MDR 2022, 1185 Rz. 19 aber nicht Voraussetzung einer wirksamen Zustellung, welche durch Abs. 2 gar nicht geregelt wird). 193 A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 34: bloße Empfehlung. 194 Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 22 EuZVO Rz. 2. Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 39. 195 Vgl. dafür bereits Eichel, ZVglRWiss 119 (2020), 220, 228. 196 Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. n); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 21; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 6. Zu Art. 15 Abs. 2 HZÜ Kondring, S. 154 f.; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 19 EuZVO Rz. 7.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten auf das Verfahren anwendbar Recht eine Entscheidung gegen den Beklagten im Falle der Nichteinlassung davon abhängig macht, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Beklagten zugestellt wurde, kommt eine Entscheidung gegen den Beklagten nur in Betracht, wenn entweder (1) nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht (bei Vorliegen der Voraussetzungen von Abs. 2) eine erfolgreiche und wirksame Zustellung festgestellt werden kann (z.B. infolge von gegenüber Abs. 1 großzügigerer Zulassung von Zustellungsfiktionen) oder (2) in Anwendung des auf das Verfahren anwendbaren Rechts die Voraussetzungen einer erfolgreichen und wirksamen Zustellung noch erfüllt werden (z.B. durch Bewirkung einer Inlandszustellung). Bei Anwendbarkeit der ZPO folgt hieraus, dass vor Erlass einer Entscheidung gegen den sich nicht einlassenden Beklagten das verfahrenseinleitende Schriftstück im Grundsatz noch öffentlich zugestellt werden muss.197 Enthält das auf das Verfahren anwendbare Recht keine passende Regelung, welche die Feststellung einer erforderlichen Zustellung erlaubt, kann das Gericht nicht gegen den Beklagten entscheiden. Auch dies ist mit dem Justizgewährungsanspruch des Klägers vereinbar, weil dieser mit dem Anspruch des Beklagten auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör in Ausgleich zu bringen ist und eine stärkere Betonung der Beklagteninteressen ebenso vertretbar ist wie eine stärkere Betonung der Klägerinteressen.198 Verzichtet das auf das Verfahren anwendbare Recht dagegen auf die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks, indem es für die Fälle, in denen die Voraussetzungen des Abs. 2 gegeben sind, dem Gericht die Entscheidungsbefugnis zugesteht, müssen weitere Anforderungen auch nicht erfüllt sein. d) Rechtsfolgen 79
Liegen die verordnungsautonomen Mindestanforderungen nach Abs. 2 vor, entfällt das Entscheidungshindernis aus Abs. 1.199 Das Gericht kann daher unter Beachtung des auf das Verfahren anwendbaren Rechts (s. Rz. 78) auch gegen den sich nicht einlassenden Beklagten entscheiden.200 Bei dieser Entscheidung handelt es sich nicht notwendig um ein Versäumnisurteil, d.h. ein gegen den Beklagten aufgrund der Säumnis ergangenes Urteil. Vielmehr richtet sich nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht, auf welcher Grundlage das Gericht entscheidet. In Bezug auf eine im Einklang mit Abs. 2 ergehende Entscheidung kommt eine Wiedereinsetzung nach Maßgabe von Abs. 4 in Betracht (s. Rz. 80 ff.). Dass die verordnungsautonomen Mindestvoraussetzungen nach Abs. 2 vorliegen, schließt auch nicht aus, dass einer gegen den Beklagten ergangenen Entscheidung die Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat versagt wird.201 Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob die Entscheidung unter Beachtung des auf das Verfahren anwendbaren Rechts ergangen ist.
III. Wiedereinsetzung (Abs. 4, 5) 1. Überblick 80
Ist gegen den Beklagten eine Entscheidung ergangen, ohne dass dieser sich auf das Verfahren eingelassen hat, kann sein Anspruch auf rechtliches Gehör verkürzt worden sein. Eine erfolgte Verkürzung kann dadurch perpetuiert werden, dass der Beklagte nicht effektiv zur Einlegung des gegen die ergangene Entscheidung eröffneten Rechtsmittels provoziert und die gegen ihn ergangene Entscheidung (mit Rücksicht auf das Interesse an Rechtssicherheit) rechtskräftig wird. Vor diesem Hintergrund eröffnet Abs. 4 in seinem Anwendungsbereich zugunsten des Beklagten einen verordnungsautonomen und von einer begründenden Umsetzung im nationalen Recht unabhängigen außerordentlichen
197 BT-Drucks. 20/1110, 28. Vgl. zu Art. 20 Abs. 2 BrüsselÜbk. Kondring, S. 170. Im Anwendungsbereich der österreichische ZPO kann eine Entscheidung ergehen in dem mit einem Kurator (§§ 116, 121 Abs. 2 öZPO) geführten Verfahren, vgl. Brenn, Art. 19 EZV Anm. 4. n), Art. 23 EZV Anm. 2. c) 4; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/31; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 19 EuZVO Rz. 7. 198 Abw. Geimer, S. 14; Kern in FS Geimer, S. 311, 312. 199 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 23; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/ Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 19 EuZVO Rz. 7. Zu Art. 15 Abs. 2 HZÜ Kondring, S. 154. 200 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EG) 1393/2007 Rz. 33. Zu Art. 15 Abs. 2 HZÜ Kondring, S. 154 f. 201 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EG) 1393/2007 Rz. 34.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
Rechtsbehelf.202 Gegeben ist dieser aber nur, wenn nicht eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör oder die Erheblichkeit einer solchen Verletzung für den Inhalt der gegen den Beklagten ergangenen Entscheidung ausgeschlossen werden kann. Durch den verordnungsautonom eröffneten außerordentlichen Rechtsbehelf kann die Wiedereinsetzung in versäumte Rechtsmittelfristen erreicht werden. Durch eine entsprechende Wiedereinsetzung wird für den Beklagten die Möglichkeit erhalten, das Rechtsmittel unbeschadet seiner Verfristung noch zu nutzen, um eine Verkürzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör auf dem hierfür vorgesehenen Weg auszugleichen. Die Vorschrift nimmt dabei Bezug auf die nach dem auf das Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, anwendbaren Recht eröffneten Rechtsmittel. Sie setzt diese in ihrem Bestand und ihren Voraussetzungen voraus, macht ihrerseits aber keine Vorgaben für die Ausgestaltung dieser Rechtsmittel. Die Ausgestaltung der gegen eine gegen den Beklagten ergangenen Entscheidung eröffneten Rechtsmittel bleibt daher von Abs. 4, 5 unberührt. Insbesondere folgt aus Abs. 4 auch nicht, dass die Mitgliedstaaten ein Rechtsmittel gegen eine gegen den sich nicht einlassenden Beklagten ergangene Entscheidung eröffnen müssen. Umgekehrt sind die Mitgliedstaaten auch frei darin, allgemein oder speziell für die in Abs. 4 beschriebene Situation Rechtsbehelfe zum Schutz des rechtlichen Gehörs vorzusehen, welche ergänzend zum verordnungsautonomen Rechtsbehelf bestehen.
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Entgegen dem Vorhaben der Kommission harmonisiert Abs. 4 nicht die Wiedereinsetzung. Vielmehr 82 schafft die Vorschrift im Sinne eines Mindeststandards einen verordnungsautonomen Rechtsbehelf, welchen die Mitgliedstaaten im Grundsatz nicht einschränken können. Unter Wahrung des durch Abs. 4 für den Beklagten vorgesehenen Mindestschutzes können die Mitgliedstaaten den außerordentlichen Rechtsbehelf aber näher ausgestalten.203 Dementsprechend bestimmt sich das Wiedereinsetzungsverfahren nach dem auf das Verfahren, in dem die Entscheidung gegen den Beklagten ergangen ist, anwendbaren Recht, soweit Abs. 4, 5 nicht (unmittelbar oder mittelbar) verordnungsautonome Vorgaben machen.204 Unberührt bleibt ohnehin die Freiheit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung des auf ein Verfahren anwendbaren Rechts im Übrigen (s. Rz. 81, 104). 2. Verordnungsautonomes Wiedereinsetzungsrecht (Abs. 4) a) Anwendungsbereich aa) Allgemein Anwendung findet Abs. 4 nur, wenn der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet ist, d.h. auf 83 Grundlage des maßgeblichen Horizonts für den maßgeblichen Zeitpunkt (s. Rz. 15, 27 f.) gerade in Ansehung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (s. Rz. 19 ff.) eine grenzüberschreitende Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich war (s. Rz. 25 ff.). Keine Anwendung findet Abs. 4 dagegen, wenn nur in Ansehung einer gegen den sich nicht einlassenden Beklagten ergangenen Entscheidung eine grenzüberschreitende Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat erforderlich war, dagegen das verfahrenseinleitende Schriftstück zulässig ohne Rücksicht auf die Vorgaben der Verordnung im Ursprungsmitgliedstaat oder in einem Drittstaat zugestellt wurde (z.B. Fall des Umzugs nach Verfahrenseinleitung). Zwar können sich auch in diesem Fall die spezifischen Risiken einer grenzüberschreitenden Zustellung in der Versäumung der Rechtsmittelfrist realisieren. Dem will die Vorschrift aber nicht isoliert Rechnung tragen. Sie geht vielmehr (pauschal) davon aus, dass der verfahrensordnungsmäßig von der Verfahrenseinleitung informierte Kläger eines verordnungsautonomen Rechtsbehelfs im Zusammenhang mit der Versäumung von Rechtsmittelfristen nicht bedarf. bb) Personenstand und Rechtsfähigkeit einer Person (Abs. 5) Nach Abs. 5 findet Abs. 4 Unterabs. 1 mit Rücksicht auf gegebenenfalls erhöhte Bestandsinteressen205 keine Anwendung auf Entscheidungen, die den Personenstand oder die Rechtsfähigkeit von Per202 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 23; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 41; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 16. 203 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 45, 47. 204 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 47. 205 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 19.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten sonen betreffen. Dass auch die zweite Gruppe von Entscheidungen erfasst ist, wurde im Rahmen der Neufassung für die deutsche Sprachfassung im Anschluss an die anderen Sprachfassungen klargestellt (s. Rz. 12).206 85
Die Begriffe Personenstand und Rechtsfähigkeit von Personen sind verordnungsautonom im Einklang mit Art. 1 Abs. 2 lit. a Brüssel Ia-VO auszulegen. Der Begriff Personenstand bezeichnet alle familienrechtlichen Statussachen und damit alle Fragen, die das familienrechtliche Verhältnis von Personen zueinander (insbesondere Ehe und Abstammung) betreffen.207 Der Begriff der Rechtsfähigkeit umfasst im vorliegenden Zusammenhang die Rechts-, Handlungs- und Geschäftsfähigkeit, also die Eigenschaft einer (natürlichen bzw. juristischen) Person, Rechtsträger zu sein (z.B. Verfahren über Entzug der Rechtsfähigkeit), selbst rechtserhebliche Handlungen (z.B. Verfahren über Bestellung oder Abberufung eines Organwalters) oder selbst wirksam Rechtsgeschäfte (z.B. gerichtliche Genehmigung für Handlungen von gesetzlichen Vertretern, gerichtliche Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts) vorzunehmen. Für entsprechende Verfahren schließt Abs. 5 den verordnungsautonomen Rechtsbehelf aus Abs. 4 aus, weil eine Aufhebung hierüber ergangener Entscheidungen neben dem Kläger auch am Verfahren Unbeteiligte berühren kann, die Interessen des Beklagten mithin mit weiteren Interessen abgewogen werden müssen und der Verordnungsgeber seinerseits ein allgemeingültiges/harmonisiertes Abwägungsergebnis nicht gefunden hat (s. Rz. 4).
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Gegen Entscheidungen in Personenstandssachen bzw. betreffend die Rechtsfähigkeit von Personen ist die verordnungsautonome Wiedereinsetzungsmöglichkeit nicht eröffnet. Dies gilt unbeschadet des Umstands, dass Abs. 5 dem Interesse Dritter an Rechtssicherheit Rechnung tragen will (s. Rz. 84), ohne Rücksicht darauf, ob und inwieweit im Einzelfall schutzwürdige Drittinteressen bestehen (s. Rz. 4). Unberührt bleiben nach dem auf das Verfahren, in welchem die Entscheidung gegen den Beklagten ergangen ist, anwendbaren Recht eröffnete außerordentliche Rechtsbehelfe, insbesondere Wiedereinsetzungsmöglichkeiten.208 Nur in dem Umfang, in dem diese gegeben sind und ihr Bestand befristet ist, können sie vergleichbar dem verordnungsautonomen Wiedereinsetzungsrecht Anerkennungs- und Versagungsgründe ausschließen und hinkende Statusverhältnisse bzw. eine hinkende Rechtsfähigkeit vermeiden. Eine spezifische Gefahr für hinkende Statusverhältnisse oder eine hinkende Rechtsfähigkeit ergibt sich aus Abs. 5 entgegen verbreiteter Annahme209 dagegen nicht. cc) Unionsrechtliche Spezialvorschriften
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Verdrängt wird Abs. 4 Unterabs. 1 durch Vorschriften des Unionsrechts, welche ihrerseits dem Beklagten für den Fall der ohne Einlassung gegen ihn ergangenen Entscheidung einen die formelle Rechtskraft durchbrechenden Rechtsbehelf einräumen. Vorrangig gegenüber der Vorschrift ist zunächst Art. 20 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 85).210 Ebenfalls vorrangig ist die hiermit verwandte Regelung in Art. 18 Abs. 1 lit. a EG-BagatellVO (s. zudem Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 86 f.). b) Voraussetzungen
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Die Gewährung der Wiedereinsetzung auf der Grundlage von Abs. 4 Unterabs. 1 setzt neben der Eröffnung des Anwendungsbereichs (s. Rz. 83 ff.) auf Grundlage des Horizonts des über die Wiedereinsetzung erkennenden Gerichts für den Zeitpunkt der Zustellung (s. Rz. 15, 27 f.)211 voraus, dass ku206 Zu Art. 19 EG-ZustVO 2007 vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 19 VO (EG) 1393/2007 Rz. 61. 207 BeckOK/ZPO/Antomo, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 64; Mankowski in Rauscher, EuZPR/ EuIPR (2021), Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 82. 208 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 26; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 13; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 70; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EGZustellVO Rz. 19. 209 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 70; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EGZustellVO Rz. 19; Sturm in FS Strätz, S. 537, 549 f. 210 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Art. 20 EG-MahnVO Rz. 5. Unklar Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 19 EuZVO Rz. 4, 17. 211 Vgl. dazu auch Wißling, GPR 2017, 25, 27.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020
mulativ212 gegen den Beklagten eine Entscheidung trotz Nichteinlassung ergangen ist (s. Rz. 89 ff.), eine Rechtsmittelfrist versäumt wurde (s. Rz. 93 ff.) und eine Beeinträchtigung des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör bei der Verfahrenseinleitung (s. Rz. 96 ff.) sowie die Erheblichkeit einer solchen Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen sind (s. Rz. 100). aa) Entscheidung trotz Nichteinlassung Der verordnungsautonome Rechtsbehelf setzt zunächst voraus, dass das Gericht gegen den Beklagten, 89 d.h. diesen beschwerend eine Entscheidung erlassen hat,213 obwohl sich der Beklagte nicht auf das Verfahren eingelassen hat. Ausreichend ist dabei der Anschein eines Entscheidungserlasses, weil und soweit dieser durch ein Rechtsmittel beseitigt werden kann.214 Als Entscheidung wird erfasst jede den Beklagten rechtlich bindende Rechtsfolgenanordnung des Ge- 90 richts. Unerheblich ist, ob der Beklagte nur verfahrensbezogen oder auch sachbezogen gebunden wird. Der Begriff der Entscheidung ist insoweit weiter als im Rahmen von Abs. 1 und erfasst z.B. auch Verweisungsbeschlüsse, obwohl diese nicht über den Streitgegenstand ergehen. Unerheblich ist, ob die Entscheidung als Säumnisentscheidung, d.h. aufgrund der Säumnis gegen den Säumigen oder z.B. nach amtswegiger Sachverhaltsfeststellung ergangen ist.215 Ebenso ist ohne Belang, ob die Entscheidung ohne (z.B. Vollstreckungsbescheid nach § 699 ZPO,216 Versäumnisurteil gegen den in erster Instanz obsiegenden Kläger im Berufungsverfahren), unter summarischer oder unter vollständiger Sachprüfung ergangen ist. Ein Urteil nach Lage der Akten nach § 331a ZPO wird allerdings wegen § 251a Abs. 2 S. 1 ZPO nicht erfasst, selbst wenn die Verfahrenseinleitung fehlerhaft erfolgt ist.217 Unerheblich ist weiter, ob die gerichtliche Entscheidung rechtswidrig unter Verstoß gegen das Ent- 91 scheidungshindernis aus Abs. 1 oder rechtmäßig wegen Nichtbestehens eines Entscheidungshindernisses ergangen ist.218 Für Letzteres ist ohne Belang, ob sich das Nichtbestehen des Entscheidungshindernisses aus dem Eingreifen von Abs. 2, 3 oder daraus ergibt, dass eine effektive Provokation festgestellt werden konnte.219 Der Umstand, dass das Gericht berechtigt war, gegen den sich nicht einlassenden Beklagten zu entscheiden, schließt nicht aus, dass dessen Recht auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör verkürzt wurde. Dies gilt aufgrund der dortigen Anknüpfung an die Zustellung (anstatt an die Kenntnisnahmemöglichkeit)220 ebenso wie aufgrund des dort an die Rechtzeitigkeit anzulegenden überindividuellen Maßstabs und auch aufgrund des abweichenden Horizonts selbst im Falle einer Entscheidung im Einklang mit den Vorgaben des Abs. 1. Abs. 2 stellt seinerseits auch nicht sicher, dass eine Verkürzung des rechtlichen Gehörs unterbleibt, sondern räumt lediglich den Interessen des Klägers Vorrang vor den Rechten des Beklagten ein. Hat das Gericht verfahrensfehlerhaft eine Entscheidung gegen den Beklagten erlassen, fordert dies nach Sinn und Zweck der Vorschrift einen besonderen Rechtsbehelf geradezu heraus und steht einem solchen nicht entgegen. Deshalb kommt dem verordnungsautonomen außerordentlichen Rechtsbehelf auch in den Mitgliedstaaten Bedeutung zu, welche eine Möglichkeit zur Gleichwohlentscheidung nicht vorsehen. Dass der Beklagte (s. Rz. 40 ff.)221 sich nicht eingelassen hat, ist, wofür die Systematik der Verordnung 92 spricht, in Anwendung der für Abs. 1 maßgeblichen Kriterien (s. Rz. 36 ff.) festzustellen.
212 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 8. 213 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 25. 214 A.A. OGH v. 24.5.2017 – 1Ob93/17h zu 3. der Gründe; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 16: keine Anwendung auf nichtige Entscheidungen. 215 Brenn, Art. 19 EZV Anm. 6. a); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 25; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 42. 216 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 42. 217 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 25. 218 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 28; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 44; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 15. – A.A. (zumindest verbal) OLG Karlsruhe v. 24.6.2010 – 9 U 151/09, BeckRS 2011, 4793 zu II. A. 3) a) der Gründe. 219 Vgl. OGH v. 29.9.2016 – 2Ob158/16y zu II. 2.4 (d) der Gründe. 220 Vgl. zu Art. 16 HZÜ Kondring, S. 159 f. 221 Vgl. auch Brenn, Art. 19 EZV Anm. 6. f).
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten bb) Versäumung Rechtsmittelfrist 93
Der Beklagte muss eine für irgendein222 gegen die ihn beschwerende Entscheidung (s. Rz. 90) nach dem auf das Verfahren, in dem die Entscheidung ergangen ist, anwendbaren Recht eröffnetes Rechtsmittel vorgesehene Frist versäumt haben (rechtsmittel-, nicht entscheidungsbezogene Anforderung,223 s. auch Rz. 102). Für Rechtsmittel, welche einer Frist nicht unterliegen, erlangt Abs. 4 keine Bedeutung. Weiterhin erlangt die Regelung keine Bedeutung für die Versäumung von Fristen, durch deren Ablauf nicht ein Rechtsmittel beschränkt wird, sondern sonstige (belastende) Rechtswirkungen herbeigeführt werden (z.B. zur Tatsachenpräklusion führende Klageerwiderungsfrist).224
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Der Begriff des Rechtsmittels ist verordnungsautonom auszulegen.225 Er erfasst alle für den Beklagten eröffneten (statthaften und – abgesehen von einer laufenden Frist – zulässigen) Behelfe, welche unter Fortführung des Verfahrens im Ergebnis eine Aufhebung, Abänderung oder Korrektur der gegen den Beklagten ergangenen Entscheidung ermöglichen. Nicht erforderlich ist, dass dem Rechtsbehelf Devolutiv- und/oder Suspensiveffekt zukommt oder er die Möglichkeit zur erneuten Sachentscheidung eröffnet.226 Rechtsbehelf im Sinne der Vorschrift sind danach z.B. auch der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil,227 die Anhörungsrüge, der Antrag auf Wiedereinsetzung nach nationalem Recht228 und die Beschwerde nach § 92b ArbGG. Nicht von Begriff Rechtsmittel erfasst sind Rechtsbehelfe, welche unter Eröffnung eines selbstständigen Verfahrens ermöglichen, die von der gegen den Beklagten erlassenen Entscheidung ausgehende Beschwer zu beseitigen. Ihm unterfällt danach z.B. auch nicht die Urteilsverfassungsbeschwerde. Weitere Anforderungen sind an den Begriff des Rechtsmittels nicht zu stellen. Da nach hier vertretener Ansicht von Abs. 4 Unterabs. 1 unterschiedslos alle Rechtsmittel im vorstehenden Sinne erfasst werden und das Wiedereinsetzungsrecht nicht nur als ultima ratio das letzte versäumte Rechtsmittel erfasst (s. Rz. 93), ist nicht erforderlich, dass durch weitere Anforderungen an den Begriff des Rechtsmittels sichergestellt wird, dass in die Betrachtung nur solche Rechtsmittel einbezogen werden, die dem Beklagten eine angemessene Interessenwahrnehmung ermöglichen.
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Der Begriff der Frist ist ebenfalls verordnungsautonom auszulegen. Er umfasst alle (auch) an den Zeitablauf anknüpfenden Beschränkungen eines Rechtsmittels, ohne Rücksicht auf die weiteren Voraussetzungen insbesondere die Art des fristauslösenden Tatbestands (subjektiv oder objektiv). Allerdings erlangt Abs. 4 Unterabs. 1 im Ergebnis keine Bedeutung für Rechtsmittel, welche befristet sind ausschließlich anknüpfend an die Erlangung der Kenntnis i.S.v. Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a Alt. 2.229 Versäumt ist ein Frist, wenn ein Rechtsmittel infolge Zeitablaufs nicht mehr (in vollem Umfang) zulässig ergriffen werden kann. cc) Verkürzung des Anspruchs auf faires Verfahren und rechtliches Gehör (1) Überblick
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Materieller Wiedereinsetzungsgrund ist eine Verkürzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör. Nach der insoweit abschließenden Regelung in Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a werden betrachtet dabei aber nur mögliche Verkürzungen des rechtlichen Gehörs, die durch eine unzurei222 Brenn, Art. 19 EZV Anm. 6. c); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 27. – A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 16: ordentliche Rechtsbehelfe. 223 A.A. Brenn, Art. 19 EZV Anm. 6. d): ultima ratio, kein Rechtsmittel darf mehr eröffnet sein; ebenso Karaaslan, S. 114 f.; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/30. A.A. auch die ganz h.A. zu Art. 16 HZÜ, vgl. BT-Drucks. 7/4892, 49; Kondring, S. 158 f.; Sturm in FS Strätz, S. 537, 544 f.; Geimer/Schütze/Sujecki, Art. 16 HZÜ Rz. 2. 224 OGH v. 24.5.2017 – 1Ob93/17h zu 2. der Gründe; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 43. 225 Vgl. (zu Art. 34 Brüssel I-VO) EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 32 – Emmanuel Lebek/ Janusz Domino. 226 Vgl. auch BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 22. 227 Brenn, Art. 19 EZV Anm. 6. c). 228 Vgl. Brenn, Art. 19 EZV Anm. 6. e); Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 16. 229 Vgl. OGH v. 24.5.2017 – 1Ob93/17h zu 3. der Gründe (allerdings nicht auf die Anknüpfung an die Kenntniserlangung, sondern auf die Anknüpfung an die ordnungsgemäße Zustellung abstellend).
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Art. 22 EU-ZustVO 2020
chende Information über das verfahrenseinleitende Schriftstück und (zugleich) eine unzureichende Information über die gegen den Beklagten ergangene Entscheidung bedingt sind. Dagegen sind unerheblich und können das Wiedereinsetzungsrecht nicht begründen unzureichende Informationen über andere Schriftstücke (s. Rz. 18).230 Eine das Wiedereinsetzungsrecht begründende Verkürzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör ist danach zunächst ausgeschlossen, wenn der Beklagte so rechtzeitig Kenntnis von dem Provokationsmittel erlangt hat oder ohne Verschulden erlangt hätte, dass er sich hätte wirksam verteidigen können. Gleichermaßen ist eine Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör ausgeschlossen, wenn der Beklagte jedenfalls so rechtzeitig Kenntnis von der Entscheidung erlangt hat oder ohne Verschulden erlangt hätte, dass er das Rechtsmittel wirksam hätte einlegen können. Dementsprechend ist das Wiedereinsetzungsrecht entgegen dem in der deutschen (und z.B. auch englischen) Sprachfassung durch eine unsorgfältige Formulierung beeinflussten (s. Rz. 14) Verordnungswortlaut bereits ausgeschlossen, wenn der Beklagte entweder das Provokationsmittel oder die Entscheidung rechtzeitig kannte oder kennen musste.231 (2) Keine rechtzeitige Kenntnis Der Beklagte muss bis zu dem Zeitpunkt, zu welchem er unter den konkreten Umständen des Ein- 97 zelfalls spätestens noch zumutbar die geeigneten und erforderlichen Maßnahmen zur Rechtsverteidigung im zur Entscheidung gegen den Beklagten führenden Verfahren bzw. zur Einlegung des versäumten Rechtsmittels hätte ergreifen müssen (s. auch Rz. 98), in Unkenntnis, die unbeschadet einer ordnungsgemäßen Zustellung denkbar ist,232 gewesen sein. Gegenstand seiner Unkenntnis muss erstens gewesen sein das ihm nach der Verordnung zuzustellende verfahrenseinleitende Schriftstück. Abzustellen ist dabei nicht allgemein auf die Kenntnis von der Verfahrenseinleitung, sondern spezifisch auf die Kenntnis vom Provokationsmittel. Zweitens muss Gegenstand der Unkenntnis gewesen sein die gegen ihn ergangene Entscheidung, unabhängig davon, ob und auf welcher Grundlage bzw. in welchem Verfahren ihm diese zuzustellen ist. Abzustellen ist dabei nicht auf die Kenntnis vom bloßen Entscheidungserlass als solchem, sondern auf die Kenntnis vom Inhalt der getroffenen Entscheidung.233 Dies ist qualitativ vergleichbar zur Kenntnis vom Provokationsmittel. Nicht erforderlich ist dabei aber die Kenntnis von den die Entscheidung tragenden Gründen; erst Recht ist ohne Belang die (durch eine Rechtsbehelfsbelehrung vermittelte) Kenntnis von bestehenden Rechtsbehelfen. Besteht Kenntnis des Beklagten, ist unerheblich, wie er sie erlangt hat. Sie ist insbesondere nicht nur schädlich, wenn sie durch rechtmäßige Zustellung und in Bezug auf das verfahrenseinleitende Schriftstück im Einklang mit Abs. 1 verschafft wurde.234 Vielmehr ist sie z.B. auch schädlich, wenn sie trotz Ver230 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 25; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 3. 231 Brenn, Art. 19 EZV Anm. 6. g); BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 22 EuZVO 2022 Rz. 24; Karaaslan, S. 114; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 52; Peer in Burgstaller/Neumayr/ Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 19 EuZVO Rz. 10. Dafür auch European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, Rz. 481. Vgl. (zu Art. 34 Brüssel Ia-VO) GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 2 – Emmanuel Lebek. – A.A. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 19 EuZVO Rz. 9: keine rechtzeitige Kenntnis „von dem verfahrenseinleitenden Schriftstück und/oder von der … Entscheidung“. 232 Vgl. OGH v. 29.9.2016 – 2Ob158/16y zu II. 2.4 (d) der Gründe; Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 19 EuZVO Rz. 2. 233 Vgl. (zu Art. 34 Brüssel I-VO) EuGH v. 14.12.2006 – C-283/05, ECLI:EU:C:2006:787 Rz. 40 – ASML Netherlands BV/Semiconductor Industry Services GmbH; GA Kokott, Schlussanträge v. 26.4.2012 – C-619/10, ECLI:EU:C:2012:247 Rz. 58 – Trade Agency Ltd/Seramico Investments Ltd; GA Léger, Schlussanträge v. 28.9.2006 – C-283/05, ECLI:EU:C:2006:617 Rz. 46 ff. – ASML Netherlands BV/Semiconductor Industry Services GmbH; Bajons/Binder in König/Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich (2007), S. 145, 147. 234 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 28; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 53; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 16. Zu Art. 16 HZÜ Kondring, S. 160.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten letzung der Belehrungspflicht nach Art. 12 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 erlangt wurde dadurch, dass sich der Beklagte selbst eine Übersetzung beschafft hat.235 (3) Kein Verschulden 98
Den Beklagten darf kein Verschulden an der Unkenntnis oder ihrer mangelnden Rechtzeitigkeit236 treffen. Es gilt ein verordnungsautonomer Verschuldensmaßstab.237 Dieser ist objektiv und nicht subjektiv ausgerichtet.238 Nach ihm ist dem Beklagten vorwerfbar, dass er oder ein Bevollmächtigter239 eine ihn aufgrund des auf das Verfahren anwendbaren Rechts, der Verordnung oder des von der Verordnung für das Zustellungsverfahren in Bezug genommenen Rechts treffende Obliegenheit, sich Kenntnis zu verschaffen oder Kenntnis zu nehmen, in für die Nichtkenntnis oder verspätete Kenntnis kausaler Weise zumindest fahrlässig (gleichviel welches Grades)240 verletzt hat. Der Fahrlässigkeitsvorwurf muss sich beziehen auf die Pflichtverletzung und auf die Kausalität. Kein Verschulden ist danach begründet, wenn dem nach der Verordnung zuzustellenden Schriftstück (verfahrenseinleitendes Schriftstück bzw. Entscheidung) keine Übersetzung beigefügt ist, solange für den Beklagten noch ein Annahmeverweigerungsrecht nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 besteht.241 Denn den Zustellungsadressaten trifft – vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen – eine Obliegenheit, selbst für eine Übersetzung in eine nach Art. 12 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 zugelassene Sprache zu sorgen, erst nach Belehrung über sein Annahmeverweigerungsrecht und Ablauf der Frist zur Annahmeverweigerung. Ein Verschuldensvorwurf wird danach auch nicht dadurch begründet, dass der Beklagte Kenntnis von einer Verfahrenseinleitung als solcher besitzt, weil und soweit ihn verfahrensrechtliche Obliegenheiten gerade erst infolge Zustellung eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks treffen. Dass der Beklagte Kenntnis bloß von einer Verfahrenseinleitung erlangt, fordert ihm danach regelmäßig nicht ab, sich zu erkundigen.242 Dafür spricht nicht zuletzt, dass der Kläger seine Klage vor Zustellung auch wieder zurückgenommen haben könnte. Abweichend dazu treffen den Beklagten verfahrensrechtliche Obliegenheiten allerdings, sobald er Kenntnis von einem ihn betreffenden Zustellungsversuch (z.B. infolge von Erwägungsgrund 35 S. 2 EU-ZustVO 2020) erlangt,243 weil er in diesem Fall bereits wegen Abs. 2 damit rechnen muss, dass er an einem gerichtlichen Verfahren, wenn gegebenenfalls auch nur infolge einer Fiktion, beteiligt ist. Weiter gilt Abweichendes, wenn der Beklagte Kenntnis vom Erlass einer ihn betreffenden gerichtlichen Entscheidung erlangt hat, weil er hieraus unzweifelhaft ersehen kann, dass er an einem Verfahrensrechtsverhältnis, wenn möglicherweise auch nur fehlerhaft, beteiligt ist. (4) Feststellung
99
Hinsichtlich der Umstände, aus denen sich eine Verkürzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör ergibt, obliegt dem Beklagten die Feststellungslast.244 Ob eine subjektive Beweisführungslast besteht, ist ebenso wenig verordnungsautonom bestimmt wie das Feststellungsmaß.245 Vielmehr bestimmt sich beides nach dem auf das Verfahren, in dem die Entscheidung gegen den Beklagten ergangen ist, anwendbaren Recht. Dies gilt in besonderer Weise für das Feststellungs-
235 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 29. 236 Abw. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 30: auch kein Verschulden an der fehlenden Verteidigungsmöglichkeit. 237 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 31. 238 A.A. tendenziell Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 31. 239 Vgl. zu Art. 20 EG-MahnVO i.Erg. auch EuGH v. 21.3.2013 – C-324/12, ECLI:EU:C:2013:205 Rz. 19 ff. – Novontech-Zala kft./Logicdata Electronic & Software Entwicklungs GmbH, IPRax 2014, 340. 240 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 31 (großzügiger Maßstab), dabei aber die zum Anspruch auf rechtliches Gehör gegenläufigen Interessen vernachlässigend. 241 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 56. 242 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 30. 243 Vgl. Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 22 EuZVO Rz. 3. 244 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 32. 245 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 32.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
maß, weil durch das verordnungsautonome Wiedereinsetzungsrecht die Rechtskraft der gegen den Beklagten ergangenen Entscheidung berührt wird. Da der Rechtskraft je nach Natur einer Entscheidung unterschiedliches Gewicht zukommen kann, ist ein verordnungsautonomer Maßstab nicht sachgerecht. Vielmehr ist ein die Natur des Verfahrens und der Entscheidung berücksichtigender Maßstab des anwendbaren Verfahrensrechts anzulegen. dd) Erheblichkeit einer Rechtsverletzung nicht ausgeschlossen Da die Gewährung der Wiedereinsetzung gegebenenfalls bereits die Rechtskraft durchbricht und da- 100 durch die eingetretene Rechtssicherheit beseitigt, ist die verordnungsautonome Wiedereinsetzung ausgeschlossen, wenn ausgeschlossen ist, dass sich die Verkürzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör auf die gegen den Beklagten erlassene Entscheidung ausgewirkt hat. Dementsprechend fordert Abs. 4 lit. b für die Gewährung der Wiedereinsetzung zusätzlich,246 dass die Verteidigung des Beklagten in der Sache nicht von vornherein aussichtslos ist. Gegenstand der Betrachtung sind alle im Falle der Gewährung von Wiedereinsetzung durch das Gericht zu prüfenden Voraussetzungen (Erfolgsaussichten des versäumten Rechtsmittels), d.h. neben der Begründetheit des streitgegenständlichen Begehrens auch das Vorliegen der Sachentscheidungsvoraussetzungen sowie der neben der Fristwahrung weiteren Anforderungen an das Rechtsmittel. Daraus, dass der Wortlaut der Regelung auf die „Sache“ verweist, folgt nichts Anderes.247 Hierdurch erfolgt lediglich eine Abgrenzung gegenüber den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung, nicht aber eine Abgrenzung materiell-rechtlicher gegenüber prozessualen Voraussetzungen. Für die Aussichtslosigkeit wird das erforderliche Maß verordnungsautonom bestimmt. Gegeben ist Aussichtslosigkeit danach, wenn bereits auf der Grundlage des Wiedereinsetzungsgesuchs des Beklagten und seiner Begründung des versäumten Rechtsmittels ohne Beweisaufnahme248 und unter Berücksichtigung der vollen Spannbreite vertretbarer Rechtsansichten ein Erfolg ausgeschlossen werden kann. Die Verneinung der Voraussetzung des Abs. 4 lit. b ist danach eine seltene Ausnahme.249 Ob dieses Maß erreicht ist, beurteilt sich nach dem vom erkennenden Gericht anzuwendenden Recht. c) Rechtsfolge Nach Abs. 4 Unterabs. 1 kann das Gericht (s. Rz. 107) auf zulässigen Antrag (s. Rz. 105) dem Beklagten Wiedereinsetzung gewähren. Auf zulässigen Antrag hin muss das Gericht bei Vorliegen der in Abs. 4 Unterabs. 1 benannten Voraussetzungen Wiedereinsetzung gewähren. Ihm kommt insoweit kein Ermessen zu.250
101
Die Gewährung der Wiedereinsetzung bewirkt, dass das jeweilige Rechtsmittel, in Bezug auf welches der Beklagte eine Frist versäumt hat, unbeschadet der Fristversäumnis genutzt werden kann (Fiktion der Rechtzeitigkeit).251 Dies bedeutet in dem Fall, dass gegen eine gerichtliche Entscheidung dem Grunde nach mehrere verschiedene Rechtsmittel gegeben waren, dass der Beklagte nicht nur diejenigen ergreifen kann, welche noch nicht verfristet sind, sondern unter den Voraussetzungen der Wiedereinsetzung auch noch diejenigen wählen kann, die verfristet sind. Hierauf ist die Rechtsfolgenanordnung des Abs. 4 Unterabs. 1 beschränkt. Die weiteren Rechtswirkungen ergeben sich dann aus dem auf das Verfahren, in dem die Entscheidung gegen den Beklagten ergangen ist, anwendbaren Recht, insbesondere den Vorschriften betreffend das versäumte Rechtsmittel.252 Nach diesem Recht bestimmt sich auch das Verhältnis mehrerer Rechtsmittel ebenso wie die Wirkungen eines Rechtsmittels.
102
246 247 248 249 250 251 252
Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 33. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 59. Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 56: summarische Prüfung. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 33 (äußerste Zurückhaltung bei Verneinung). Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 49. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 41. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 41.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten 103
Das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 4 Unterabs. 1 begründet für den Beklagten keine Pflicht, Wiedereinsetzung zu beantragen.253 Ein nach dem anwendbaren Recht unwirksames Urteil wird durch das Unterlassen eines Wiedereinsetzungsantrags nicht wirksam.254 Allerdings scheidet eine Versagung von Anerkennung bzw. Vollstreckung aus, wenn der Beklagte die für ihn effektiv eröffnete Möglichkeit, Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht genutzt hat.255 Denn die verordnungsautonome Wiedereinsetzungsmöglichkeit im Ursprungsmitgliedstaat ist ein i.S.v. Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO gegenüber der Versagung von Anerkennung bzw. Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat vorrangig zu nutzender Rechtsbehelf (s. Rz. 35).256 Der Ablauf der Frist zur Wiedereinsetzung wirkt danach vergleichbar einer Heilung des Versagungsgrunds.257 d) Verfahren aa) Anwendbares Recht
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Das Wiedereinsetzungsverfahren regelt die Vorschrift nur rudimentär. Soweit durch die Verordnung keine Ausgestaltung erfolgt, richtet sich das Verfahren nach dem auf das Verfahren, in dem die Entscheidung gegen den Beklagten ergangen ist, anwendbaren Recht.258 Entsprechende Ausgestaltungen sind nicht ausgeschlossen. Insbesondere gilt dies für die Formalien des Antrags. Darin liegende Verkürzungen des Wiedereinsetzungsrechts sind zulässig, wenn sie mit dem Gebot der Nichtdiskriminierung und dem Effektivitätsgrundsatz vereinbar sind. bb) Antrag
105
Die Wiedereinsetzung auf der Grundlage des verordnungsautonomen Wiedereinsetzungsrechts wird nur auf Antrag und nicht von Amts wegen gewährt (vgl. Abs. 4 Unterabs. 2).259 Antragsberechtigt ist der Beklagte (s. Rz. 40 ff.). Diese Anordnung ist nicht abschließend. Sie schließt insbesondere nicht aus, dass das auf das Verfahren anwendbare Recht den Kreis der Antragsberechtigten auf z.B. Streithelfer erweitert.
106
Zwar formuliert Abs. 4 nicht ausdrücklich inhaltliche Anforderungen an den Antrag. Allerdings folgt aus Sinn und Zweck des Antragserfordernisses zunächst, dass der Antragsteller gegenüber der zuständigen Stelle zum Ausdruck bringen muss, dass er ein versäumtes Rechtsmittel unbeschadet der Fristversäumung gegen eine bestimmte Entscheidung ergreifen will. Außerdem ist aus Abs. 4 Unterabs. 1 abzuleiten, dass der Antragsteller konkrete Angaben dazu zu machen hat, ob, wie und wann er Kenntnis vom Provokationsmittel und der gegen ihn ergangenen Entscheidung erlangt hat. Schließlich folgt aus Abs. 4 Unterabs. 1 lit. b, dass der Antragsteller das versäumte Rechtsmittel nachholen und in diesem Rahmen seine Verteidigung begründen muss. Weitere Anforderungen an den Inhalt und insbesondere die Form des Antrags sind der Regelung nicht zu entnehmen, können sich aber aus dem auf das Verfahren anwendbaren Recht ergeben (s. Rz. 104). 253 GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 23 – Emmanuel Lebek; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 24a; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 66. 254 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 24a. 255 EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 31 ff. – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 19 EG-ZustVO 2007 Rz. 24a; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 66. – A.A. GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 16 ff. – Emmanuel Lebek. 256 EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 31 ff. – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; Stein/Jonas/ Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 43; Fabig/Windau, NJW 2017, 2502, 2503; Hau, MDR 2018, 1231; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 18; Wißling, GPR 2017, 25, 26. – A.A. tendenziell BGH v. 17.5.2018 – IX ZB 26/17, IWRZ 2019, 80 Rz. 16 f. (nur Verweis auf polnisches Recht). A.A. GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 16 ff. – Emmanuel Lebek. 257 Wißling, GPR 2017, 25, 26. 258 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 39; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 47. 259 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 11; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 48; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 22 EuZVO Rz. 3.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
cc) Zuständigkeit Die Verordnung bestimmt nicht, an welche Stelle der Antrag auf Wiedereinsetzung zu richten ist und welches Gericht über den Antrag zu entscheiden hat. Ihr ist insoweit nur zu entnehmen, dass die Entscheidung durch ein Gericht des Ursprungsmitgliedstaats zu erfolgen hat. Die Zuständigkeit richtet sich daher im Übrigen nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht. Soweit dieses keine ausdrückliche Anordnung für den verordnungsautonomen Rechtsbehelf des Abs. 4 Unterabs. 1 enthält, ist diese Lücke in Anwendung der zu dem auf das Verfahren anwendbaren Recht gehörenden methodischen Grundsätzen zu schließen. Nahe liegt vielfach ein Rückgriff auf die Regelungen zu einem im auf das Verfahren anwendbaren Recht vorgesehenen Institut der Wiedereinsetzung.
107
dd) Ausschlussfristen (1) Kenntnisabhängige Antragsfrist (Abs. 4 Unterabs. 2) Die Gewährung der Wiedereinsetzung auf Grundlage von Abs. 4 ist nach Abs. 4 Unterabs. 2 ausge- 108 schlossen, wenn der Antrag gestellt wird nach Ablauf einer angemessenen Frist, nachdem der Beklagte von der Entscheidung Kenntnis erhalten hat. Die Frist beginnt mit positiver Kenntnis von der Entscheidung. Fahrlässige, selbst grob fahrlässige Unkenntnis genügt anders als im Rahmen von Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a nicht. Positiver Kenntnis gleichzustellen ist lediglich, dass der Beklagte sich treuwidrig einer Kenntniserlangung verschließt. Wie bei Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a Voraussetzung 2 ist entscheidend die Kenntnis nicht nur vom Erlass der Entscheidung, sondern auch vom Inhalt der jeweiligen Entscheidung.260 Nicht notwendig ist dagegen auch die Kenntnis von den Erwägungen des Gerichts.261 Sich im erforderlichen Umfang von diesen unverzüglich Kenntnis zu verschaffen, ist vielmehr Gegenstand der durch die Kenntnis ausgelösten Obliegenheiten. Die Angemessenheit der ab Kenntnis anlaufenden Frist bestimmt sich nach einem verordnungsautonomen Maßstab.262 Nach diesem ist angemessen diejenige Frist, die bei unverzüglichem Handeln263 (vgl. auch Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO a.E.) erforderlich ist, um den sachgerecht vorbereiteten und gefertigten Antrag auf Wiedereinsetzung einschließlich der Einlegung des versäumten Rechtsmittels anzubringen. Bezieht sich die Wiedereinsetzung auf eine Entscheidung über den Streitgegenstand, erscheint ausgehend von Art. 18 Abs. 2 EG-BagatellVO264 erforderlich regelmäßig ein Zeitraum von mindestens 30 Kalendertagen.265 Bei anderen Entscheidungen und/oder besonders antragstellerfreundlich ausgestalteten Rechtsmitteln, kann auch eine kürzere Frist ausreichen. Fünf Monate ab Entscheidungskenntnis wurden von der Rechtsprechung aber als regelmäßig zu lang angesehen.266 (2) Absolute Ausschlussfrist (Abs. 4 Unterabs. 3) Anders als der nationale deutsche Behelf der Wiedereinsetzung unterliegt die verordnungsautonome Wiedereinsetzung nach Abs. 4 Unterabs. 1 keiner absoluten, d.h. unabhängig von der Kenntnis des Beklagten laufenden Ausschlussfrist. Allerdings sind die Mitgliedstaaten nach Abs. 4 Unterabs. 3 befugt, im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens eine solche absolute Ausschlussfrist auch für den verordnungsautonomen Rechtsbehelf einzuführen.267
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Den Mitgliedstaaten kommt hinsichtlich der Einführung und Ausgestaltung einer absoluten Ausschlussfrist ein Gestaltungsspielraum zu. Diesen beschränkt Abs. 4 Unterabs. 3 lediglich dahin, dass
110
260 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 35. 261 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 35. 262 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 61; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EGZustellVO Rz. 17. 263 Tendenziell abw. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 34: großzügiger Maßstab. 264 Abw. Brenn, Art. 19 EZV Anm. 6. h); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 34: Orientierung an Abs. 1 und Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO. 265 I. Erg. ähnlich Brenn, Art. 19 EZV Anm. 6. h). – Abw. Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/32: 14 Tage. 266 OLG Karlsruhe v. 24.6.2010 – 9 U 151/09, BeckRS 2011, 4793 zu II. A. 3) a) der Gründe; Geimer/Schütze/ Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 61. 267 Vgl. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 11.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten die von den Mitgliedstaaten vorgesehene absolute Ausschlussfrist weder im konkreten Einzelfall noch abstrakt kürzer sein darf als ein Jahr (zwölf Monate) ab dem Datum der Entscheidung gegen den Beklagten. Fristbeginn ist der Erlass der Entscheidung i.S.d. Erlangung von Außenwirksamkeit gegenüber irgendeiner Person nach dem auf das Verfahren anwendbaren Recht. Die Fristberechnung erfolgt nach Maßgabe der Fristen-VO (vgl. Erwägungsgrund 37 EU-ZustVO 2020). 111
Nach Abs. 4 Unterabs. 3 haben die Mitgliedstaaten der Kommission die Einführung einer absoluten Ausschlussfrist für die verordnungsautonome Wiedereinsetzung mitzuteilen und hat die Kommission entsprechende Mitteilungen der Mitgliedstaaten im Europäischen Justiziellen Netzwerk bekannt zu machen. Die entsprechende Mitteilung ist deklaratorisch.268 Weder vermag eine unzutreffende Mitteilung eine absolute Ausschlussfrist in Kraft zu setzen noch setzt eine Nichtmeldung oder Falschmeldung eine eingeführte absolute Ausschlussfrist außer Kraft. Soweit der EuGH in der Rechtssache Emmanuel Lebek/Janusz Domino für Art. 19 Abs. 4 Unterabs. 3 EG-ZustVO 2007 erkannt hat, dass eine Wiedereinsetzung nach Ablauf der mitgeteilten absoluten Ausschlussfrist auch auf Grundlage eines im auf das Verfahren anwendbaren Recht begründeten Rechtsbehelf nicht mehr in Betracht kommt,269 ist dies jedenfalls auf die Neuregelung nicht übertragbar.270 Der Verordnungsgeber hat durch Umformulierung von Abs. 4 Unterabs. 3 klargestellt, dass Mitteilung und Veröffentlichung keine konstitutive Bedeutung zukommt (vgl. Abs. 4 Unterabs. 3 S. 3: „Informationen“). Dafür spricht auch, dass Art. 33 EU-ZustVO 2020 davon ausgeht, dass Mitteilung und Veröffentlichung nur deklaratorische Bedeutung zukommt (s. Art. 33 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 f.). Davon abgesehen überzeugt eine konstitutive Wirkung von Mitteilung und/oder Veröffentlichung auch wertungsmäßig nicht. Aus gutem Grund geht die h.A.271 für das nationale Recht davon aus, dass eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung – mit einer solchen ist eine unzutreffende Veröffentlichung vergleichbar – weder einen Rechtsbehelf eröffnen noch ausschließen kann.
112
Ausweislich der veröffentlichten Mitteilungen der Mitgliedstaaten (Stand: 1.5.2023) haben diese wie folgt von der Möglichkeit zur absoluten Begrenzung Gebrauch gemacht: Belgien ein Jahr ab dem Datum der Entscheidung
Bulgarien ein Jahr ab dem Datum der Entscheidung
Dänemark ein Jahr ab dem Datum der Entscheidung
Deutschland ein Jahr ab dem Ablauf der versäumten Frist
Estland ein Jahr ab dem Datum der Entscheidung
Finnland keine objektive Höchstfrist mitgeteilt
268 A.A. wohl Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 11. 269 EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 50 ff. – Emmanuel Lebek/Janusz Domino, RIW 2016, 618; GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 36 – Emmanuel Lebek. 270 A.A. inzident Knöfel, RIW 2021, 473, 484. 271 BGH v. 9.7.2014 – XII ZB 7/14, NJW 2014, 2879 Rz. 6; OLG Brandenburg v. 9.9.2013 – 3 WF 83/13, BeckRS 2013, 18890; MünchKommFamFG/Ulrici, § 39 FamFG Rz. 12; Stackmann in MünchKomm/ZPO, § 232 ZPO § 232 Rz. 13 f.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 22 EU-ZustVO 2020
Frankreich keine objektive Höchstfrist mitgeteilt
Griechenland zwei Jahre ab dem Datum der Entscheidung
Irland keine objektive Höchstfrist mitgeteilt
Italien keine objektive Höchstfrist mitgeteilt
Kroatien ein Jahr ab dem Datum der Entscheidung
Lettland keine objektive Höchstfrist mitgeteilt
Litauen ein Jahr ab dem Datum der Entscheidung
Luxemburg ein Jahr ab dem Datum der Zustellung der Entscheidung
Malta keine objektive Höchstfrist mitgeteilt; subjektive Ausschlussfrist auf drei Monate ab Kenntnis fest begrenzt, wozu die Vorschrift allerdings nicht berechtigt272
Niederlande keine objektive Höchstfrist mitgeteilt
Österreich keine objektive Höchstfrist mitgeteilt
Polen nach Ablauf eines Jahrs ab dem Ablauf der versäumten Frist erfolgt eine Prüfung nur ausnahmsweise273
Portugal ein Jahr ab dem Datum der Entscheidung
Rumänien ein Jahr ab dem Datum der Entscheidung
Schweden keine objektive Höchstfrist mitgeteilt 272 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 34, 37; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 65. 273 Als Minus zur festen Frist ist eine solche Beschränkung unbeschadet ihrer Nichteignung zur Herstellung von Rechtssicherheit zulässig, vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 22 VO (EU) 2020/1784 Rz. 65.
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Art. 22 EU-ZustVO 2020 Nichteinlassung des Beklagten Slowakei keine objektive Höchstfrist mitgeteilt
Slowenien ein Jahr ab dem Datum der Entscheidung
Spanien ein Jahr ab dem Datum der Entscheidung
Tschechische Republik keine objektive Höchstfrist mitgeteilt
Ungarn ein Jahr ab dem Datum der Entscheidung
Zypern (bislang) keine objektive Höchstfrist mitgeteilt
3. Verhältnis zur Wiedereinsetzung nach nationalem Verfahrensrecht 113
Der verordnungsautonome Rechtsbehelf verdrängt bzw. beschränkt (auch in seinem Anwendungsbereich, s. auch Rz. 86) nicht Rechtsbehelfe des auf das Verfahren anwendbaren Rechts, selbst soweit diese an die Verkürzung des Rechts auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör bei Verfahrenseinleitung anknüpfen (z.B. Wiedereinsetzung oder Gehörsrüge).274 Er setzt deren ungeschmälertes Bestehen vielmehr in dem Sinne gerade voraus, dass von ihnen jeweils vorrangig Gebrauch gemacht werden muss275 und insoweit eine Wiedereinsetzung nach Abs. 4 Unterabs. 1 jeweils erst in Betracht kommt, wenn dies infolge eines Fristversäumnisses nicht mehr möglich ist. Dies gilt auch in Bezug auf in dem auf das Verfahren anwendbaren Recht vorgesehene Wiedereinsetzungsmöglichkeiten. Bei diesen handelt es sich nicht anders als bei klassischen Rechtsmitteln um ein Rechtsmittel im Sinne der Vorschrift mit der Folge, dass sie vorrangig zu ergreifen sind, eine verordnungsautonome Wiedereinsetzung in die andere Wiedereinsetzungsmöglichkeit in Betracht kommt und die verordnungsautonome Wiedereinsetzung nicht beschränkend wirkt. Soweit der EuGH in der Rechtssache Emmanuel Lebek/Janusz Domino angenommen hat, dass nach Ablauf der für die verordnungsautonome Wiedereinsetzung geltenden absoluten Ausschlussfrist nach Abs. 4 Unterabs. 3 von nationalen Rechtsbehelfen kein Gebrauch gemacht werden kann,276 überzeugt dies nicht.277 Der EuGH verkennt nicht nur das Telos von Abs. 4 (Verstärkung, nicht Beschränkung des Beklagtenschutzes), sondern auch, 274 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 24; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/32; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 19 EuZVO Rz. 12. – A.A. EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 50 ff. – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 36 – Emmanuel Lebek; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 19 EuZVO Rz. 12; Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 22 EuZuStVO Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 17; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 22 EuZustVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 19 EuZVO Rz. 1; Prütting/Gehrlein/Windau, Art. 22 EuZVO Rz. 3; Wißling, GPR 2017, 25, 28. – Krit. zur Entscheidung in der Rechtssache Emmanuel Lebek/Janusz Domino auch European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, Rz. 479. 275 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 19 EG-ZustellVO Rz. 16. 276 EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 50 ff. – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; GA Kokott, Schlussanträge v. 7.4.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:226 Rz. 36 – Emmanuel Lebek. 277 Vgl. auch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 36, 43, die erhöhte Gefahr hinkender Entscheidungswirkungen ist allerdings kein Argument gegen den EuGH (s. Rz. 7).
432
Ulrici
Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 23 EU-ZustVO 2020
dass kenntnisabhängiger Anlauf von Rechtsmittelfristen einerseits und andererseits kenntnisunabhängiger Fristanlauf in Kombination mit einer Wiedereinsetzungsmöglichkeit äquivalent sind (vgl. in Bezug auf die Kenntnis des Rechtsbehelfs § 58 VwGO einerseits und andererseits § 233 S. 2 ZPO). Da Abs. 4 Unterabs. 3 nicht ausschließt, dass die Mitgliedstaaten Rechtsmittelfristen erst mit Kenntnis anlaufen lassen, kann er für den Fall eines kenntnisunabhängigen Fristanlaufs auch nicht das Funktionsäquivalent hierzu beschränken.278 Davon abgesehen spricht gegen die Ansicht des EuGH, dass Abs. 4 Unterabs. 3 im Anwendungsbereich des die Möglichkeit zu einer höheren Beständigkeit eröffnenden Abs. 5 nicht gilt und daher nicht ausschließen kann, dass Entscheidungen im Ergebnis eine geringere Beständigkeit zukommt. Umgekehrt verdrängen in dem auf das Verfahren anwendbaren Recht fundierte Rechtsbehelfe die verordnungsautonome Wiedereinsetzung nicht. Dies folgt schon aus ihrer von Abs. 4 vorausgesetzten Vorrangigkeit, daneben aber auch aus dem Anwendungsvorrang der Verordnung gegenüber nationalem Recht, welcher Einschränkungen durch das nationale Recht ausschließt.279 Abweichendes gilt nur für unionsrechtlich begründete Rechtsbehelfe, welche Abs. 4 nach der lex specialis-Regel verdrängen können (s. Rz. 87).
114
Artikel 23 Änderung des Anhangs I Der Kommission wird die Befugnis übertragen, nach Artikel 24 delegierte Rechtsakte zur Änderung des Anhangs I zu erlassen, um die darin vorgesehenen Formblätter zu aktualisieren oder technische Anpassungen an diesen Formblättern vorzunehmen. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2
II. Rechtsetzungsbefugnis . . . . . . . . . . . . .
3
III. Rechtsetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . .
4
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck Die Regelung schafft auf der Grundlage von Art. 290 Abs. 1 AEUV für die Kommission die Ermächtigung, die in Anhang I enthaltenen und zur Erleichterung der Kommunikation zwingend zu nutzenden (Erwägungsgrund 17 S. 1 EU-ZustVO 2020) Formblätter in dem in Art. 24 EU-ZustVO 2020 vorgesehenen Verfahren (s. Art. 24 EU-ZustVO 2020 Rz. 1, 5 f.) zu ändern (Aktualisierung oder technische Anpassung).1 Bedeutung kann dies z.B. erlangen für Aktualisierungen anlässlich möglicher Erweiterungen des Geltungsbereichs der Verordnung für neue Mitgliedstaaten, für infolge eines Austritts nach Art. 50 EUV erfolgende Einschränkungen ihres Geltungsbereichs sowie für etwaige Anpassungen an technische Weiterentwicklungen (der Referenzimplementierungssoftware, s. Art. 27 EU-ZustVO 2020 Rz. 2, 5 ff.). Indem die Verordnung (Basisrechtsakt) der Kommission diese Befugnis einräumt, stellt sie sicher, dass entsprechende Änderungen, welche sich auf den Regelungsgehalt der Verordnung und die schutzwürdigen Interessen der Normunterworfenen nicht wesentlich auswirken, sach- und zeitnah erfolgen können.2 Ein langwieriges ordentliches Verordnungsverfahren wird vermieden. Diesem Gedanken folgt auch die verwandte Regelung in Art. 25 EU-ZustVO 2020,
278 279 1 2
Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 19 EuZVO Rz. 43. OGH v. 29.9.2016 – 2Ob 158/16y zu II. 2.4 (d) der Gründe. Vgl. Erwägungsgrund 10 S. 1 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 18. Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 23 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1.
Ulrici
433
1
Art. 23 EU-ZustVO 2020 Änderung des Anhangs I welche auf Art. 291 AEUV beruht und für die Kommission ebenfalls eine Rechtsetzungsbefugnis begründet (s. Art. 25 EU-ZustVO 2020 Rz. 1). Da sich die dortige Befugnis aber nicht auf eine Änderung unwesentlicher Inhalte der Verordnung, sondern auf für die Durchführung der Verordnung erforderliche Konkretisierungen bezieht, richtet sich die Befugnisübertragung insoweit nicht nach Art. 290 AEUV, sondern nach Art. 291 AEUV und kontrollieren die Mitgliedstaaten insoweit die Kommission über einen Ausschuss bei der Ausübung der übertragenen Befugnis (s. Art. 26 EU-ZustVO 2020 Rz. 1). 2. Entstehungsgeschichte 2
Die Vorschrift geht zurück auf Art. 17 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III) und Art. 17 lit. c EG-ZustVO 2000. Bereits nach diesen beiden Vorschriften konnte die Kommission die zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen eingeführten Formblätter in einem vereinfachten Rechtsetzungsverfahren (EG-ZustVO 2000: sog. Beratungsverfahren, EG-ZustVO 2007: sog. Regelungsverfahren mit Kontrolle) ändern bzw. anpassen. Nach Art. 17 EG-ZustVO 2000 kam der Kommission eine entsprechende Kompetenz auch noch zu hinsichtlich Herstellung und Änderung des Handbuchs zur Verordnung und eines Glossars (s. Art. 33 EU-ZustVO 2020 Rz. 7). Art. 17 EG-ZustVO 2007 verzichtete dagegen auf eine katalogmäßige Fassung der Rechtsetzungsbefugnisse und beschränkte sich auf eine abstrakte Beschreibung. Hierauf folgt die Vorschrift. Eine die mit dem Vertrag von Lissabon erfolgten institutionellen Änderungen berücksichtigende und auf drei bestimmte Formblätter beschränkte Neufassung schlug bereits der Kommissionsentwurf als Änderung zu Art. 17 EG-ZustVO 2007 vor.3 Der Rat fasste die Vorschrift dann dahin, dass sich die Befugnis auf alle (letztlich in Anhang I zusammengefassten) Formblätter bezieht.4
II. Rechtsetzungsbefugnis 3
Die Ermächtigung berechtigt ausschließlich zu Änderungen bzw. Anpassungen, die vollständig im Einklang mit den Vorschriften der Verordnung stehen. Nur für solche Änderung/Anpassungen steht im Voraus fest, dass sie unterhalb der Wesentlichkeitsschwelle liegen, deren Überschreitung ein ordentliches Rechtsetzungsverfahren erforderlich macht (vgl. Art. 290 Abs. 1 Unterabs. 1, 2 S. 2 AEUV). Dementsprechend räumt die nicht mehr abstrakt, sondern unter Benennung des Gegenstands gefasste und eng begrenzte Vorschrift nur insoweit eine Rechtsetzungsbefugnis ein. Auf ihrer Grundlage geänderte Formblätter dürfen insgesamt (sowohl textlich als auch förmlich sowie hinsichtlich ihrer tatsächlichen Auswirkungen auf das Verfahren) keine Abweichungen von den Regelungen der Verordnung (gleichviel ob enthalten in den Erwägungsgründen oder im verfügenden Teil) vorsehen. Alle hierüber hinausgehenden Änderungen müssen im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 289 Abs. 1, 294 AEUV erfolgen. Im Einklang mit Art. 23, 24 EU-ZustVO 2020 vorgenommene Änderungen bzw. Anpassungen der Formblätter haben im Grundsatz dieselbe Verbindlichkeit wie die ursprüngliche Fassung der Formblätter.
III. Rechtsetzungsverfahren 4
Das bei der Änderung bzw. Anpassung von Formblättern zu beachtende Verfahren richtet sich nach Art. 290 AEUV und Art. 24 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 24 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 f.). Es unterscheidet sich von dem bei Erlass von Durchführungsbestimmungen nach Art. 25 f. EU-ZustVO 2020 zu beachtenden Verfahren (dazu s. Art. 26 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 ff.).
3 COM(2018) 379 final, S. 24. 4 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 30 mit Ratsdok. 5722/20 (7.2.2020), S. 35 (Anhang II).
434
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 24 EU-ZustVO 2020
Artikel 24 Ausübung der Befugnisübertragung (1) Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen. (2) 1Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 23 wird der Kommission für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem 22. Dezember 2020 übertragen. 2Die Kommission erstellt spätestens neun Monate vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren einen Bericht über die Befugnisübertragung. 3Die Befugnisübertragung verlängert sich stillschweigend um Zeiträume gleicher Länge, es sei denn, das Europäische Parlament oder der Rat widersprechen einer solchen Verlängerung spätestens drei Monate vor Ablauf des jeweiligen Zeitraums. (3) 1Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 23 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. 2Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in dem Beschluss angegebenen Befugnis. 3Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. 4Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt. (4) Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen, im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen. (5) Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat. (6) 1Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 23 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. 2Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2
II. Dauer der Befugnisübertragung . . . . . . . . III. Rechtsetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . .
3 5
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck Die Regelung ergänzt Art. 23 EU-ZustVO 2020. Durch Art. 23 EU-ZustVO 2020 wird der Kommission im Anschluss an Art. 17 EG-ZustVO 2007 (s. Art. 23 EU-ZustVO 2020 Rz. 2) die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte nach Art. 290 AEUV (Erwägungsgrund 38 S. 1 EU-ZustVO 2020) eingeräumt und der Gegenstand der Befugnisübertragung auf Änderungen des Anhangs I (Formblätter) begrenzt. Die Vorschrift bestimmt, wie von Art. 290 Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 2 AEUV vorgesehen, die Dauer der Befugnisübertragung und die Bedingungen, unter denen die Befugnis übertragen wird. Hierzu gehört sowohl die Festlegung des bei der Ausübung der Befugnis zu beachtenden Verfahrens (Abs. 4–6) als auch die Entscheidung für das Widerrufsverfahren des Art. 290 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a AEUV (Abs. 3), welche die Regelung in Abs. 6 ermöglichte.
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1
Art. 24 EU-ZustVO 2020 Ausübung der Befugnisübertragung 2. Entstehungsgeschichte 2
Die Vorschrift folgt, was Anhang III nicht offenbart, funktional auf Art. 18 EG-ZustVO 2007 und Art. 18 EG-ZustVO 2000.1 Diese beiden Vorschriften unterschieden sich aufgrund der durch den Vertrag von Nizza erfolgten Neuregelungen zum Rechtsetzungsverfahren. Während nach Art. 18 EG-ZustVO 2000 die Kommission nach bloßer Konsultation eines Ausschusses Entscheidungen treffen konnte, musste sie nach Art. 18 EG-ZustVO 2007 einen Ausschuss nach dem Komitologie-Beschluss konsultieren und in Abhängigkeit vom Ergebnis der Konsultation mit unterschiedlicher Intensität Rat und Parlament beteiligen.2 Eine solche Ausschussbeteiligung sieht Art. 24 EU-ZustVO 2020 nicht mehr vor. Statt dieser sieht Abs. 4 eine Sachverständigenkonsultation vor, deren Ausgang anders als nach Art. 18 EG-ZustVO 2007 nicht mehr den weiteren Verfahrensgang steuert. Die Neuregelung geht zurück auf die von der Kommission für Art. 18 EG-ZustVO 2007 angesichts des durch den Vertrag von Lissabon geänderten institutionellen Rahmens vorgeschlagene Neufassung, welche noch eine unbefristete (aber widerrufliche) Befugnisübertragung vorsah.3 Einen Änderungsvorschlag des Parlaments4 aufgreifend fiel dann während der Beratungen erster Lesung im Rat die Entscheidung für eine lediglich befristete, sich aber stillschweigend verlängernde und mit einer Berichtspflicht belastete Befugnisübertragung (Option 2 Art. [A] Anlage zur Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13.4.2016 über bessere Rechtsetzung).5
II. Dauer der Befugnisübertragung 3
Durch die Vorschrift wird der Kommission die Befugnis zur Änderung der Formblätter durch Erlass eines delegierten Rechtsakts – insoweit abweichend von den Vorgängervorschriften – nicht unbefristet, sondern ausweislich Abs. 2 S. 1 zunächst nur für die Dauer von fünf Jahren, beginnend mit dem 22.12.2020 übertragen. Allerdings verlängert sich die Befugnisübertragung stillschweigend (automatisch) jeweils um weitere fünf Jahre, wenn nicht mindestens drei Monate vor Ende eines Übertragungszeitraums das Parlament oder der Rat einer Verlängerung widerspricht (Abs. 2 S. 3). Zur Rechtfertigung ihrer Tätigkeit, zur Ermöglichung einer Kontrolle der Tätigkeit sowie als Grundlage für die Entscheidung über einen Widerspruch gegen die Verlängerung der Befugnisübertragung ist die Befugnisübertragung nach Abs. 2 S. 2 belastet mit der Pflicht, dass die Kommission spätestens neun Monate vor Ablauf eines Übertragungszeitraums einen Bericht zu erstellen hat. In diesem Bericht ist von der Kommission nach Sinn und Zweck von Abs. 2 S. 2 darzulegen, ob und mit welchem Inhalt von der Befugnis Gebrauch gemacht wurde, aus welchen Gründen erlassene delegierte Rechtsakte mit der Befugnisübertragung in Einklang stehen und welcher Bedarf für eine Befugnisübertragung in der Zukunft besteht. In Ermangelung einer hinreichend klaren Anordnung ist die Erfüllung der Berichtspflicht keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verlängerung der Befugnisübertragung. Sie ist insoweit vergleichbar mit einer Auflage und nicht mit einer Bedingung.
4
Die Befugnisübertragung kann nicht nur (fristgemäß) infolge Fristablaufs nach Widerspruch gegen ihre Verlängerung (s. Rz. 3), sondern auch (vorfristig) infolge Widerrufs enden. Ein Widerruf der Befugnisübertragung kann durch das Parlament oder den Rat erklärt werden. Jedes der beiden Organe, deren Rechte durch Erlass delegierter Rechtsakte im Vergleich zum ordentlichen Rechtsetzungsverfahren vermindert werden, kann allein, aber mit Wirkung für beide Organe von der Beschränkung der eigenen Befugnisse Abstand nehmen. Ein solcher Widerruf kann jederzeit, d.h. ohne Rücksicht auf das Vorliegen von Sachgründen erklärt werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in dem Beschluss angegebenen Befugnis und wird wirksam am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren 1 A.A. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 18 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 18 EG-ZustellVO Rz. 3. A.A. auch Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 24 EuZVO 2022 Rz. 1. 2 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 18 VO (EG) 1393/2007 Rz. 4 ff. 3 COM(2018) 379 final, S. 24 f. 4 P8_TA-PROV(2019)0104, S. 27. 5 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 30. Missverstanden durch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 18 EG-ZustellVO Rz. 3, welcher nicht zutreffend zwischen der Befristung der Befugnis aus Art. 23 EU-ZustVO 2020 und dem Zeitpunkt zur Erfüllung der Pflicht aus Art. 25 EU-ZustVO 2020 unterscheidet.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EU-ZustVO 2020
Zeitpunkt. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, welche bereits in Kraft (und nicht nur erlassen) sind, wird im Interesse des Vertrauensschutzes der Normunterworfenen von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.
III. Rechtsetzungsverfahren Bereits vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts, d.h. während dessen Erarbeitung konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13.4.2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen. Dies dient der Unterstützung der Kommission durch externen Sachverstand, zugleich aber auch der Selbstreflexion und Rechtfertigung des delegierten Rechtsetzungsaktes. Denn die Kommission muss sich dazu äußern, inwieweit der delegierte Rechtsakt mit den sachverständigen Stellungnahmen im Einklang steht und inwieweit diese Stellungnahmen berücksichtigt wurden oder aus bestimmten Gründen nicht berücksichtigt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind (Erwägungsgrund 38 S. 3 EU-ZustVO 2020). Die Beachtung von Abs. 4 oder von Erwägungsgrund 38 S. 3 EU-ZustVO 2020 ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung des erlassenen delegierten Rechtsakts. Dessen Wirksamkeit bestimmt sich vielmehr – auch im Interesse der Rechtssicherheit – verfahrensmäßig lediglich nach Abs. 6.
5
Hat die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlassen, d.h. den entsprechenden Beschluss gefasst, 6 übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Parlament und dem Rat. Die Wahrung der Gleichzeitigkeit ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung des delegierten Rechtsakts. Vielmehr bestimmt sich insoweit allein nach Abs. 6, ob und wann der delegierte Rechtsakt in Kraft tritt; dabei ist Abs. 6 im Fall einer nicht gleichzeitigen Übermittlung erforderlichenfalls teleologisch zu modifizieren. Mit der Übermittlung wird gegenüber Rat bzw. Parlament eine Prüfungs- und Widerspruchsfrist von zwei Monaten in Gang gesetzt. Auf Initiative, d.h. eine entsprechende Entschließung und ihre Verlautbarung, des Rates und/oder des Parlament kann diese Frist (zugleich für beide Organe) um zwei Monat verlängert werden. Mit Ablauf der (gegebenenfalls verlängerten) Frist, ohne dass durch Parlament oder Rat ein Einwand erklärt wurde, kann der delegierte Rechtsakt in Kraft treten. Dem Fristablauf steht gleich, dass Parlament bzw. Rat der Kommission mitgeteilt haben, keine Einwände gegen den delegierten Rechtsakt zu erheben.
Artikel 25 Erlass von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission (1) Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte zur Einrichtung des dezentralen IT-Systems, durch die sie Folgendes festlegt: a) die technischen Spezifikationen zur Festlegung der Methoden zur elektronischen Kommunikation für die Zwecke des dezentralen IT-Systems; b) die technischen Spezifikationen für Kommunikationsprotokolle; c) die Informationssicherheitsziele und entsprechenden technischen Maßnahmen zur Gewährleistung von Mindeststandards für die Informationssicherheit bei der Verarbeitung und Übermittlung von Informationen im dezentralen IT-System; d) die Mindestverfügbarkeitsziele und mögliche damit verbundene technische Anforderungen an die Leistungen des dezentralen IT-Systems;
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Art. 25 EU-ZustVO 2020 Erlass von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission e) die Einsetzung eines aus Vertretern der Mitgliedstaaten bestehenden Lenkungsausschusses, um zur Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung den Betrieb sowie die Wartung und Pflege des dezentralen IT-Systems sicherzustellen. (2) Die Durchführungsrechtsakte nach Absatz 1 des vorliegenden Artikels werden spätestens am 23. März 2022 gemäß dem in Artikel 26 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2
II. Rechtsetzungspflicht . . . . . . . . . . . . . .
3
III. Durchführungsverordnung . . . . . . . . . .
5
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift steht im Zusammenhang damit, dass die direkte Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen nach einer Übergangsfrist im Grundsatz unter obligatorischer Nutzung eines dezentralen IT-Systems erfolgt (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10, 11 ff.). Sie begründet für die Kommission auf Grundlage von Art. 291 Abs. 2 AEUV die Befugnis und Pflicht zum Erlass von hierauf bezogenen, den Rechtsrahmen konkretisierenden Durchführungsrechtsakten. Sie wird ergänzt durch Art. 26 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 26 EU-ZustVO 2020 Rz. 1). Funktional steht die Regelung in der Nähe zur auf Grundlage von Art. 290 AEUV der Kommission durch Art. 23 EU-ZustVO 2020 für die Anpassung der der Durchführung der Verordnung dienenden Formblätter eingeräumten Rechtsetzungsbefugnis. Jeweils gewährleistet die Zuständigkeit der Kommission für entsprechende eher technische Regelungen eine sach- und zeitnahe Rechtsetzung und vermeidet die mit einem ordentlichen Verordnungsverfahren unter der vollen Beteiligung von Parlament und Rat verbundenen Verzögerungen. In Abs. 2 bestimmt die Vorschrift – mit Bedeutung auch für Art. 37 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4)1 – zunächst, bis zu welchem Zeitpunkt der Rechtsetzungsauftrag zu erfüllen ist. Daneben unterwirft Abs. 2 die Rechtsetzung durch die Kommission durch Verweisung auf Art. 26 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 der durch Art. 291 Abs. 3 AUEV vorgezeichneten Kontrolle durch die Mitgliedstaaten (Erwägungsgrund 39 EU-ZustVO 2020; s. Art. 26 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 ff.). 2. Entstehungsgeschichte
2
Die Vorschrift wurde neu eingefügt. Die beiden Vorgängerverordnungen schrieben für die direkte Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen nicht die Nutzung eines dezentralen IT-Systems vor (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Dementsprechend mussten auch keine hierauf bezogenen konkretisierenden Durchführungsrechtsakte erlassen werden2 und enthielt Art. 17 EG-ZustVO 2007 lediglich eine letztlich auf die Anpassung der Formblätter bezogene Ermächtigung zum Erlass von delegierten Durchführungsrechtsakten, welche sich nunmehr in Art. 23 f. EU-ZustVO 2020 findet (s. Art. 23 EU-ZustVO 2020 Rz. 1). Zurück geht die Vorschrift auf Art. 18a des Kommissionsentwurfs, welcher die Pflicht zum Erlass eines Durchführungsrechtsakts allerdings nicht auf einen Katalog von Einzelfragen begrenzte, sondern noch abstrakt beschrieb.3 Das Parlament schlug vor, die Vorschrift zu streichen, im Basisrechtsakt selbst eine Festlegung auf die Nutzung des e-CODEXSystems vorzusehen und im Übrigen im Kontext mit Art. 3a des Kommissionsentwurfs (Grundlage für Art. 5 EU-ZustVO 2020) eine Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte in Anlehnung an die Befugnis zur Änderung der Formblätter vorzusehen und ihre Ausübung durch von der Kommission zu
1 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 25 EuZustVO Rz. 1. 2 Vgl. Erwägungsgrund 1 Durchführungs-VO (EU) 2022/423. 3 COM(2018) 379 final, S. 25.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EU-ZustVO 2020
beachtende Vorgaben zu steuern.4 Der Rat schlug in seiner Allgemeinen Ausrichtung erster Lesung vor eine Konkretisierung der Rechtsetzungspflicht auf einen Katalog von Einzelfragen.5 Der vorgeschlagene Katalog entsprach dabei in Abs. 1 lit. a–d, f dem geltenden Katalog. Über diesen hinaus sollte die Kommission nach Abs. 1 lit. e Verantwortlichkeiten und Maßnahmen zur Wahrung des Datenschutzes festlegen.6 In dem vom Rat nach den geführten Triloggesprächen beschlossenen Standpunkt erster Lesung entsprach der Katalog dann der geltenden Vorschrift.7
II. Rechtsetzungspflicht Nach Abs. 1 war die Kommission verpflichtet, bis spätestens zum 23.3.2022 die für die Anwendung 3 von Art. 5 EU-ZustVO 2020 erforderlichen (vgl. Art. 291 Abs. 2 AEUV: „Bedarf es …“) Fragen,8 welche Abs. 1 aufzählt, durch Erlass einer Durchführungsverordnung (s. Rz. 5 ff.) zu klären. Die Klärung musste dabei so detailliert/konkret erfolgen, dass aufbauend darauf die hierauf angewiesenen Regelungen der Verordnung (Basisrechtsakt) ihrem Sinn und Zweck entsprechend angewendet bzw. durchgeführt werden können. Dies bedeutet z.B., dass technische Fragen so detailliert geklärt werden, dass aufbauend darauf die Referenzimplementierungssoftware (s. Art. 27 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff.) geschaffen werden kann und die Mitgliedstaaten gegebenenfalls auch eine eigene nationale Back-EndSoftware entwickeln können. Dem vorgenannten Gedanken folgend wird der Rechtsetzungspflicht in Bezug auf Abs. 1 lit. e auch dadurch genügt, dass die Einsetzung des mit Betrieb sowie Wartung und Pflege des dezentralen IT-Systems befassten Lenkungsausschusses aufgeschoben wird bis zur Aufnahme des Betriebs des dezentralen IT-Systems. Die Erfüllung der Rechtsetzungspflicht setzt in Gang die in Art. 37 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 vorgesehene Übergangsfrist für die obligatorische Nutzung des dezentralen IT-Systems zur direkten Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10, Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4).9 Da der Einsetzung des Lenkungsausschusses (Abs. 1 lit. e) im Unterschied zur Klärung der weiteren in Abs. 1 angesprochenen Fragen für die Vorbereitung der nach Art. 5, 8, 10 EU-ZustVO 2020 unter obligatorischer Nutzung des dezentralen IT-Systems erfolgenden direkten Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen keine Bedeutung zukommt, kann eine lediglich für Abs. 1 lit. a–d eine Klärung vorsehende und zu Abs. 1 lit. e auf einen gesonderten Rechtsakt verweisende Durchführungs-VO nach Art. 37 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 die Übergangsfrist in Gang setzen.
4
III. Durchführungsverordnung Die Kommission ist ihrer Pflicht zum Erlass einer Durchführungs-VO fristgemäß am 14.3.2022 nach- 5 gekommen, nachdem der Ausschuss für die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (vgl. Art. 26 Abs. 1 EU-ZustVO 2020) auf seiner siebten Sitzung am 23.2.2022 seine befürwortende Stellungnahme (vgl. Art. 5 Abs. 2 VO (EU) 182/2011 und Erwägungsgrund 6 Durchführungs-VO (EU) 2022/423) beschlossen hat. Am 15.3.2022 ist die Durchführungs-VO (EU) 2022/423 im Amtsblatt veröffentlicht worden. Die Durchführungsverordnung regelt die Einzelfragen in ihrem Anhang. Wie bereits im Verordnungsverfahren zum Basisrechtsakt von der Kommission erwogen10 und vom 6 Parlament nachdrücklich eingefordert,11 wird für die Kommunikation das e-CODEX-System verwendet (Ziff. 3 Anhang zur Durchführungs-VO (EU) 2022/423). Genutzt werden dabei sichere Internet4 5 6 7 8 9 10 11
P8_TA-PROV(2019)0104, S. 12, 14 f., 28. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 32 f. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 33. Ratsdok. 9890/2/20 REV 2 (6.11.2020), S. 42 f. Vgl. dazu Sujecki, EuZW 2021, 286, 288 f. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 25 EuZustVO Rz. 1. SWD(2018) 286 final, S. 3, 4. P8_TA-PROV(2019)0104, S. 4, 12.
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Art. 26 EU-ZustVO 2020 Ausschussverfahren protokolle wie HTTPS für die Kommunikation über Portal- und dezentrale IT-Systemkomponenten und Standardkommunikationsprotokolle wie SOAP für die Übermittlung von strukturierten Daten und Metadaten (Ziff. 4 Anhang zur Durchführungs-VO (EU) 2022/423). Ziff. 5 Anhang zur Durchführungs-VO (EU) 2022/423 legt zu beachtende Sicherheitsstandards fest. 7
Die Dienste der Mitgliedstaaten und der Kommission werden 24 Stunden am Tag und 7 Tage die Woche erbracht. Sie müssen eine technische Verfügbarkeitsquote des Systems ohne planmäßige Wartungen von mindestens 98 % erreichen (Ziff. 6.1 Anhang Durchführungs-VO (EU) 2022/423). Erforderliche Wartungsarbeiten haben die Mitgliedstaaten nach Maßgabe von Ziff. 6.2 und 6.4 Anhang Durchführungs-VO (EU) 2022/423 der Kommission zu melden. Kommt es in einem Mitgliedstaat zu einem Störungsfall, ist die Kommission vom betreffenden Mitgliedstaat unverzüglich zu informieren (Ziff. 6.5 Anhang Durchführungs-VO (EU) 2022/423). Fällt die von der Kommission als Teil der Vernetzung betriebene Datenbank der zuständigen Behörden aus, unterrichtet die Kommission hiervon unverzüglich die Mitgliedstaaten (Ziff. 6.6 Anhang Durchführungs-VO (EU) 2022/423).
Artikel 26 Ausschussverfahren (1) 1Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. 2Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2
II. Kontrolle der Kommission über Ausschuss . III. Ausschussbeteiligung im Prüfverfahren . . .
3 5
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift steht im Zusammenhang mit der der Kommission auf der Grundlage von Art. 291 Abs. 2 AEUV durch Art. 25 EU-ZustVO 2020 auferlegten Rechtsetzungspflicht, welche notwendig für die Kommission zugleich die Befugnis zum Erlass entsprechender Durchführungsbestimmungen umfasst. Nach Art. 291 Abs. 3 AEUV haben das Europäische Parlament und der Rat durch Verordnungen im Voraus allgemeine Regeln und Grundsätze festzulegen, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung von nach Art. 291 Abs. 2 AEUV eingeräumten Durchführungsbefugnissen durch die Kommission kontrollieren. Diese Festlegungen wurden in der VO (EU) 182/2011 getroffen. Danach erfolgt die Kontrolle der Kommission durch die Mitgliedstaaten über einen unterstützenden Ausschuss, in welchem die Kommission den (stimmrechtslosen) Vorsitz führt (Art. 3 Abs. 2 VO (EU) 182/2011). Für das Ausschussverfahren sieht die VO (EU) 182/2011 zwei verschiedene Verfahren vor, welche in Abhängigkeit davon zur Anwendung kommen, auf welches Verfahren der die Rechtsetzungsbefugnis der Kommission begründende Basisrechtsakt verweist (Erwägungsgrund 8 VO (EU) 182/2011). Vor diesem Hintergrund wiederholt Abs. 1 S. 1 die in Art. 3 Abs. 2 VO (EU) 182/2011 vorgesehene Beteiligung durch einen unterstützenden Ausschuss und Abs. 1 S. 2 stellt klar, dass es sich um einen Ausschuss nach der VO (EU) 182/2011 handelt. Durch Abs. 2 wird bestimmt, dass für die Kontrolle der Kommission durch den unterstützenden Ausschuss nicht das Beratungs-, sondern das Prüfverfahren Anwendung findet.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 27 EU-ZustVO 2020
2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde neu eingefügt. Die beiden Vorgängerverordnungen schrieben für die direkte 2 Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen nicht die Nutzung eines dezentralen IT-Systems vor. Dementsprechend mussten auch nicht auf Grundlage von Art. 291 AEUV hierauf bezogene konkretisierende Durchführungsrechtsakte erlassen werden (s. auch Art. 25 EU-ZustVO 2020 Rz. 1).1 Zurück geht die Vorschrift auf den bereits wortlautgleichen Art. 18b des Kommissionsentwurfs.2 Das Parlament schlug vor, die Vorschrift ebenso wie Art. 18a des Kommissionsentwurfs zu streichen und die entscheidenden Fragen unmittelbar in der Verordnung zu klären (s. Art. 25 EU-ZustVO 2020 Rz. 2).3 Der Rat folgte dem Ansatz des Kommissionsentwurfs.4
II. Kontrolle der Kommission über Ausschuss Gegenstand der von Abs. 1 S. 1 vorgesehenen Unterstützung (Kontrolle) der Kommission durch ei- 3 nen Ausschuss ist lediglich der durch Art. 25 EU-ZustVO 2020 geforderte Erlass der Durchführungsbestimmungen, nicht dagegen die Durchführung der Verordnung insgesamt (z.B. Art. 27, 32 ff. EU-ZustVO 2020). Abs. 1 S. 1 wiederholt lediglich Art. 3 Abs. 2 S. 1 VO (EU) 182/2011. Dies ist der systematischen Stellung von Art. 26 EU-ZustVO 2020 nach Art. 25 EU-ZustVO 2020 sowie Abs. 1 S. 2 zu entnehmen; weiter spricht dafür, dass die eigentliche Durchführung der Verordnung nicht der Kommission, sondern den Mitgliedstaaten obliegt. Zweck der Unterstützung der Kommission durch einen Ausschuss ist die Kontrolle der Kommission durch die Mitgliedstaaten bei Erlass der Durchführungsbestimmungen (vgl. Art. 291 Abs. 3 AEUV). Die Kontrolle durch die Mitgliedstaaten soll gewährleisten, dass die von der Kommission erlassenen Durchführungsbestimmungen, soweit sie von den Mitgliedstaaten anzuwenden sind, durchführbar sind und die Mitgliedstaaten nicht stärker belasten, als dies erforderlich ist.
4
III. Ausschussbeteiligung im Prüfverfahren Nach Abs. 2 erfolgt die Kontrolle der Kommission bei der Erfüllung von Art. 25 EU-ZustVO 2020 5 durch den hierzu gebildeten Ausschuss im Prüfverfahren. Danach kann die Kommission einen Durchführungsrechtsakt im Grundsatz nicht gegen eine ablehnende, sondern nur auf Grundlage einer befürwortenden Stellungnahme des Ausschusses erlassen (vgl. Art. 5 Abs. 2, 3 VO (EU) 182/ 2011). Über diese Stellungnahme beschließt der Ausschuss unter Berücksichtigung der Stimmgewichte der Mitgliedstaaten (Art. 5 Abs. 1 VO (EU) 182/2011). Der Kommission, welche den Ausschussvorsitz innehat, kommt dabei kein Stimmrecht zu (Art. 3 Abs. 2 S. 3 VO (EU) 182/2011).
Artikel 27 Referenzimplementierungssoftware (1) 1Die Kommission ist verantwortlich für die Schaffung, Wartung und Pflege sowie künftige Weiterentwicklung einer Referenzimplementierungssoftware, für deren Einsatz sich die Mitgliedstaaten als ihr Back-End-System anstelle eines nationalen IT-Systems entscheiden können. 2Die Schaffung, Wartung und Pflege sowie künftige Weiterentwicklung der Referenzimplementierungssoftware werden aus dem Gesamthaushalt der Union finanziert. (2) Die Kommission übernimmt die Bereitstellung, Wartung und Pflege sowie kostenlose Implementierung der Softwarekomponenten, die den Zugangspunkten zugrunde liegen.
1 2 3 4
Vgl. Erwägungsgrund 1 Durchführungs-VO (EU) 2022/423. COM(2018) 379 final, S. 25. P8_TA-PROV(2019)0104, S. 12, 14 f., 28. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 32 f.; Ratsdok. 9890/2/20 REV 2 (6.11.2020), S. 43 f.
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Art. 27 EU-ZustVO 2020 Referenzimplementierungssoftware I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
1 1 4
II. Referenzimplementierungssoftware . . . . . III. Softwarekomponenten der Zugangspunkte .
5 8
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift ist wie daneben insbesondere auch Art. 28 EU-ZustVO 2020 Teil der Regelungen, welche Verantwortlichkeiten und Kostenlasten zuweisen in Bezug auf die nach Ablauf einer Übergangsfrist im Grundsatz obligatorisch unter Nutzung eines dezentralen IT-Systems (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 f.) erfolgende Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10, 11 f.).
2
Die Verantwortung für die Schaffung, Wartung und Pflege sowie Weiterentwicklung einer Back-EndSoftware, welche den sich aus den Regelungen der Verordnung sowie der nach Art. 25 EU-ZustVO 2020 erlassenen Durchführungs-VO (EU) 2022/423 hinsichtlich der Kommunikation zwischen den Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen der Mitgliedsstaaten bei der Durchführung der Verordnung ergebenden Vorgaben entspricht, und welche die Mitgliedstaaten anstelle einer selbst entwickelten Back-End-Softwarelösung einsetzen (nutzen) können, nicht aber nutzen müssen (Erwägungsgrund 12 S. 1 EU-ZustVO 2020; Referenzimplementierungssoftware), weist Abs. 1 der Kommission zu. Die mit der Erfüllung dieser Verpflichtung verbundenen Kosten fallen damit dem Gesamthaushalt der EU zur Last. Spiegelbildlich wird für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, die mit der Entwicklung einer nationalen Back-End-Software verbundenen Kosten einzusparen. Zugleich sind die Mitgliedstaaten nach dem Konzept der Referenzimplementierungssoftware aber nicht gehindert, (auf eigene Kosten)1 eine eigene Back-End-Software zu entwickeln und einzusetzen, welche dem für eine grenzüberschreitende Kommunikation erforderlichen Standard entspricht.
3
Darüber hinaus obliegen der Kommission nach Abs. 2 hinsichtlich der Softwarekomponenten, welche die Kommunikation zwischen der Back-End-Software und den Zugangspunkten sowie die Kommunikation zwischen den von den Mitgliedstaaten zur Kommunikation mit den nationalen IT-Systemen anderer Mitgliedstaaten eingerichteten Zugangspunkten steuern, die Bereitstellung, die Unterhaltung (Wartung und Pflege) und die Unterstützung2 bei der Einrichtung. Diese Leistungen sind im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten kostenfrei zu erbringen. Die Kommission sollte hierdurch motiviert werden, sich in dem nach Art. 25 Abs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020 zu erlassenden Durchführungsrechtsakt (Durchführungs-VO (EU) 2022/423) für die bereits vorhandenen und erprobten Komponenten des e-CODEX-Systems (Gateway und Kommunikator, s. Art. 28 EU-ZustVO 2020 Rz. 4) zu entscheiden, anderenfalls durch die EU und nicht die Mitgliedstaaten eine Neuentwicklung zu finanzieren ist. 2. Entstehungsgeschichte
4
Die Vorschrift wurde neu eingefügt. Die beiden Vorgängerverordnungen schrieben für die direkte Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen nicht die Nutzung eines dezentralen IT-Systems vor (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Dementsprechend musste zur Durchführung der Verordnung ein solches System nicht eingerichtet und das Tragen der hiermit verbundenen Kosten nicht geregelt werden.3 Im Entwurf der Kommission war eine entsprechende Regelung
1 Unklar Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 27 EuZVO 2022 Rz. 1: Finanzierung nationaler IT-Systeme führt zu sinnvoller Standardisierung. 2 In der deutschen Sprachfassung wird dies anders als in anderen Sprachfassungen nicht hinreichend deutlich. 3 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 27 EuZVO 2022 Rz. 1.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 27 EU-ZustVO 2020
ebenfalls noch nicht enthalten.4 Vielmehr ging dieser von einer umfassenden Kostenlast der Mitgliedstaaten aus. Die Regelung findet ihre Wurzeln in den Beratungen des Rates erster Lesung. Ein Teil der Mitgliedstaaten sprach sich in diesem Rahmen dafür aus, anstelle eines dezentralen ein zentrales IT-System auf der Ebene der EU einzurichten, dessen Kosten insgesamt dem Gesamthaushalt der EU zur Last fallen.5 Um den Mitgliedstaaten die Zustimmung zur obligatorischen Nutzung eines dezentralen IT-Systems zu erleichtern, sollte ein Teil des hiermit verbundenen Aufwands auf die Kommission bzw. den Gesamthaushalt der EU abgewälzt werden (zur Motivierung der Kommission, s. Rz. 3).6 In seine Allgemeine Ausrichtung erster Lesung nahm der Rat neben Regelungen zur Kostenlast der Mitgliedstaaten (s. Art. 28 EU-ZustVO 2020 Rz. 2) dementsprechend einen entsprechenden Erwägungsgrund sowie in den verfügenden Teil Art. 18a Abs. 4, 5 auf.7 Ohne Inhaltsänderung fand Art. 18a Abs. 4, 5 der Allgemeinen Ausrichtung dann Eingang in den die Grundlage der Verordnung bildenden Standpunkt des Rates erster Lesung als Art. 27 Abs. 1, 2 EU-ZustVO 2020.8 Die Kostenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten fand demgegenüber Eingang in Art. 28 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 28 EU-ZustVO 2020 Rz. 2).
II. Referenzimplementierungssoftware Nach Ablauf einer Übergangsfrist (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) erfolgt die der Zivilrechtshilfe 5 nach der Verordnung dienende Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen im Grundsatz unter obligatorischer Nutzung des dezentralen IT-Systems (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 11 ff.). Dieses dezentrale IT-System wird gebildet durch die Vernetzung der nationalen ITSysteme. Die Mitgliedstaaten errichten und unterhalten die entsprechenden nationalen IT-Systeme. Sie stellen zudem die Zugangspunkte, welche die Kommunikation mit den nationalen IT-Systemen der anderen Mitgliedstaaten ermöglichen, her und unterhalten diese. Dabei setzen sie zwingend die von der Kommission zur Verfügung zu stellenden Softwarekomponenten ein (s. Rz. 8 f.). Von diesen Softwarekomponenten zu unterscheiden ist die von den Mitgliedstaaten eingesetzte Back-EndSoftware, welche auf der Seite jeweils eines Mitgliedstaats die eigentliche Kommunikation zwischen den Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen bzw. ihren Bediensteten über das dezentrale ITSystem ermöglicht (insbesondere Benutzeroberfläche, Informationscodierung, Datenübergabe an Zugangspunkte, Schnittstellen, Datenempfang vom Zugangspunkt, Decodierung von Informationen). Nach Abs. 1 i.V.m. Erwägungsgrund 12 EU-ZustVO 2020 schafft die Kommission eine Back-End-Software (s. Rz. 5), welche den sich aus den Regelungen der Verordnung und der nach Art. 25 EU-ZustVO 2020 erlassenen Durchführungs-VO (EU) 2022/423 ergebenden Anforderungen genügt und bestimmten in den Erwägungsgründen 12, 43 S. 3 EU-ZustVO 2020 sowie in Art. 34 Abs. 4 EU-ZustVO 2020 benannten Qualitätsmerkmalen entspricht. Die Kommission trifft nicht nur die Pflicht, eine entsprechende Software zu schaffen, sondern auch dazu, diese im Anschluss fortlaufend zu warten, zu pflegen und weiterzuentwickeln. Die dazu erforderlichen Ressourcen hat die Kommission bereitzustellen (Erwägungsgrund 13 EU-ZustVO 2020). Die dem erforderlichen Standard der Kommunikation entsprechende Software ist den Mitgliedstaaten durch die Kommission zur Nutzung zu überlassen. Die Mitgliedstaaten sind berechtigt, die Software zu nutzen. Zur Nutzung der von der Kommission geschaffenen Software sind die Mitgliedstaaten, anders als hinsichtlich der die Zugangspunkte steuernden Software (s. Rz. 9), aber nicht verpflichtet (s. Rz. 2).9 Sie sind vielmehr berechtigt, (auf eigene Kosten) eigene Softwarelösungen zu entwickeln. Von den Mitgliedstaaten entwickelte nationale Softwarelösungen müssen aber ihrerseits wie die Referenzimplementierungssoftware den sich aus den Regelungen der Verordnung und der nach Art. 25 EU-ZustVO 2020 erlassenen Durchführungs-VO (EU) 2022/423 ergebenden Anforderungen genügen.
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Vgl. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 3 (Ziff. 7). Ratsdok. 9566/19 (24.5.2019), S. 7 (Ziff. 12), 8 (Ziff. 14). Ratsdok. 9566/19 (24.5.2019), S. 7 (Ziff. 13), 9 (Ziff. 18); Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 3 (Ziff. 6). Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 10, 32. Ratsdok. 9890/2/20 REV 2 (6.11.2020), S. 43 f. Knöfel, RIW 2021, 473, 478 f.
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Art. 28 EU-ZustVO 2020 Kosten des dezentralen IT-Systems 7
Im Fall der Nutzung der Referenzimplementierungssoftware sind die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet, sich an den für deren Schaffung, Wartung, Pflege oder Weiterentwicklung entstehenden Kosten zu beteiligen. Vielmehr fallen diese Kosten dem Gesamthaushalt der EU zur Last. Ebenso wenig sind die Mitgliedstaaten im Fall der Nutzung der Referenzimplementierungssoftware zur Zahlung eines Nutzungsentgelts verpflichtet.
III. Softwarekomponenten der Zugangspunkte 8
Nach Abs. 2 trifft die Kommission die Verpflichtung, die Software zur Verbindung der nationalen Zugangspunkte untereinander sowie zur von den Mitgliedstaaten eingesetzten Back-End-Software10 zu beschaffen, zu unterhalten (zu warten und zu pflegen) und die Mitgliedstaaten bei der Implementierung zu unterstützen. Mit dieser Verpflichtung geht einher, dass die Kommission die mit der Erfüllung der sie treffenden Pflichten verbundenen finanziellen Lasten trägt (für die Mitgliedstaaten „kostenfrei“).
9
Die Verwendung der von der Kommission beschafften Softwarekomponenten, welche den Zugangspunkten zugrunde liegen (vgl. Art. 3 Nr. 2 VO (EU) 2022/850), ist für die Mitgliedstaaten obligatorisch.11 Ihre Verpflichtung zur Einrichtung der Zugangspunkte erfüllen die Mitgliedstaaten durch Installation dieser Softwarekomponenten. Die mit der Installation verbundenen Kosten (insbesondere Arbeitsaufwand) tragen nach Art. 28 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 jeweils die Mitgliedstaaten (s. Art. 28 EU-ZustVO 2020 Rz. 4). Abweichendes folgt nicht aus Abs. 2 („kostenlose Implementierung“); die deutsche Sprachfassung ist insoweit missverständlich, wie ein Blick z.B. auf die englische Sprachfassung und Art. 8 VO (EU) 2022/850 verdeutlicht.
Artikel 28 Kosten des dezentralen IT-Systems (1) Jeder Mitgliedstaat trägt die Kosten für Installation, Betrieb sowie Wartung und Pflege seiner Zugangspunkte, über welche die nationalen IT-Systeme im Rahmen des dezentralen IT-Systems vernetzt sind. (2) Jeder Mitgliedstaat trägt die Kosten für die Einrichtung und Anpassung seiner nationalen ITSysteme zur Herstellung der Interoperabilität mit den Zugangspunkten sowie die Kosten für Verwaltung, Betrieb und Instandhaltung dieser Systeme. (3) Die Absätze 1 und 2 lassen die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt, Finanzhilfen zur Unterstützung der in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Rahmen der Finanzierungsprogramme der Union zu beantragen. I. 1. 2. II. 1.
Allgemeines . . . . . . . . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . Entstehungsgeschichte . . . . . . Kostenlast der Mitgliedstaaten Kostenverantwortlichkeit . . . .
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2. Zugangspunkte (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . 3. Nationale IT-Systeme (Abs. 2) . . . . . . . . . III. Nutzung von Finanzierungsprogrammen der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 5 6
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
10 Verfehlt BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 27 EuZVO 2022 Rz. 4 f.: Mitgliedstaaten können Referenzimplementierungssoftware als ihren Zugangspunkt zum dezentralen IT-System implementieren, Zugangspunkte sind die wesentlichen Bestandteile der Softwarearchitektur, die für Funktionieren der Referenzimplementierungssoftware notwendig sind. 11 Zu möglichen Risiken einer einheitlichen technischen Struktur vgl. Kern in FS Geimer, S. 311, 317.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 28 EU-ZustVO 2020
I. Allgemeines 1. Normzweck Die Vorschrift ist wie daneben auch Art. 27 EU-ZustVO 2020 Teil der Regelungen, welche Verantwortlichkeiten und Kostenlasten im Zusammenhang mit der nach Ablauf einer Übergangsfrist im Grundsatz unter obligatorischer Nutzung eines dezentralen IT-Systems (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 f.) erfolgenden Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10, 11 ff.) zuweist. Sie klärt die Kostenlast für Einrichtung und Betrieb des dezentralen IT-Systems sowohl im Verhältnis der Mitgliedstaaten zur EU als auch im Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander. Ihre Anordnungen sind im Kern deklaratorisch, weil die vorgesehene Kostenverteilung dem allgemeinen Rechtsprinzip1 entspricht, dass Kosten/Lasten bei Fehlen einer abweichenden Anordnung von demjenigen zu tragen sind, bei dem sie anfallen. Da das IT-System letztlich dezentral von den Mitgliedstaaten und nicht zentral von der EU oder ihren Organen betrieben wird, liegt die Kostenlast bei den Mitgliedstaaten. Da das dezentrale IT-System aus einem Netzwerk der miteinander kommunizierenden nationalen IT-Systeme besteht, trägt jeder Mitgliedstaaten die Kostenlast hinsichtlich seines nationalen IT-Systems und der von ihm zur Herstellung und Unterhaltung von Interoperabilität vorzuhaltenden Einrichtungen. Abweichendes kann sich daraus ergeben, dass den Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 27 EU-ZustVO 2020 in begrenztem Umfang Lasten abgenommen werden (s. Art. 27 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 f.). Dagegen enthält Abs. 3 bei Beachtung des Telos der Vorschrift lediglich eine deklaratorische Klarstellung.
1
2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde neu eingefügt. Die beiden Vorgängerverordnungen schrieben für die direkte 2 Kommunikation zwischen Übermittlungs- und Empfangsstellen nicht die Nutzung eines dezentralen IT-Systems vor (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Dementsprechend musste zur Durchführung der Verordnung ein solches System nicht eingerichtet und betrieben und die Tragung der hiermit verbundenen Kosten nicht geregelt werden.2 Zurück geht die Vorschrift auf Art. 3b des Kommissionsentwurfs.3 Die danach vorgesehene Kostenlast der Mitgliedstaaten4 führte in den Beratungen erster Lesung im Rat dazu, dass sich einzelne Delegationen für eine zentrale IT-Infrastruktur aussprachen, um die anfallenden Kosten dem EU-Haushalt zuzuordnen.5 Hintergrund dafür waren nicht zuletzt auch Zweifel der Mitgliedstaaten an den Kostenschätzungen6 der Kommission; um dem Rechnung zu tragen, wurden im Rat zunächst vertiefte Kostenschätzungen angestrebt.7 Art. 18a der Allgemeinen Ausrichtung des Rats enthielt dann in Abs. 1 bis 3 die Regelungen aus Art. 3b des Kommissionsentwurfs.8 Zugleich sah Art. 18a in Abs. 4, 5 als „Gegenleistung“ vor, dass die Kommission zu Lasten des EU-Haushalts eine Referenzimplementierungssoftware zur Verfügung stellt und die Softwarekomponenten für die einzurichtenden Zugangspunkte den Mitgliedstaaten kostenfrei zur Verfügung stellt (s. Art. 27 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 f.).9 Dies erleichterte den Mitgliedstaaten die Zustimmung dazu, dass die Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen (nach Ablauf einer Übergangsfrist) im Grundsatz obligatorisch über ein dezentrales IT-System zu erfolgen hat und trug zudem dem Umstand Rechnung, dass die Kommission über die ihr in Art. 25 EU-ZustVO 2020 eingeräumten Rechtsetzungsbefugnisse Einfluss auf den entstehenden Aufwand erlangt (s. Art. 27 EU-ZustVO 2020 Rz. 3). Ohne Inhaltsänderung wurde Art. 18a Abs. 1–3 der Allgemeinen Ausrichtung in Art. 28 EU-ZustVO 2020 des Entwurfs für den Standpunkt des Rates erster Lesung
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Vgl. auch Ratsdok. 9566/19 (24.5.2019), S. 7 (Ziff. 12 letzter Satz). Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 28 EuZVO 2022 Rz. 1. COM(2018) 379 final, S. 20. Vgl. Art. 3b Abs. 1 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 20; COM(2018) 379 final, S. 11; SWD(2018) 287 final, S. 71, 153. Ratsdok. 9566/19 (24.5.2019), S. 7 (Ziff. 12), 8 (Ziff. 14). Zu den Kostenschätzungen der Kommission vgl. SWD(2018) 287 final, S. 43, 155. Ratsdok. 9566/19 (24.5.2019), S. 8 (Ziff. 15). Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 31. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 32.
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Art. 28 EU-ZustVO 2020 Kosten des dezentralen IT-Systems überführt.10 Die Regelungen aus Art. 18a Abs. 4, 5 der Allgemeinen Ausrichtung fanden Eingang in den Textentwurf als Art. 27 Abs. 1, 2 EU-ZustVO 2020. Mit lediglich redaktionellen Änderungen wurde der Entwurf für den Standpunkt des Rates erster Lesung vom Verordnungsgeber angenommen.11
II. Kostenlast der Mitgliedstaaten 1. Kostenverantwortlichkeit 3
Für die von Abs. 1 und Abs. 2 erfassten Kosten liegt die Kostenverantwortlichkeit bei den Mitgliedstaaten und nicht bei der EU. Im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander trifft jeden Mitgliedstaat die Kostenverantwortlichkeit hinsichtlich seiner Zugangspunkte (s. Rz. 4) und IT-Systeme (s. Rz. 5). Die Zuordnung der Zugangspunkte und der IT-Systeme zu einem Mitgliedstaat erfolgt danach, dass nur Stellen eines Mitgliedstaats über einen Zugangspunkt Zugang zur Kommunikation über das dezentrale IT-System erlangen oder ein IT-System bzw. abgrenzbare Teile eines solchen nutzen. Mit der Kostenverantwortlichkeit korrespondiert nicht unmittelbar ein Kostenerstattungsanspruch. Vielmehr besteht ein die Kostenverantwortlichkeit abbildender Ausgleichsanspruch nur nach allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätzen, um Einmischungen in die Angelegenheiten eines Mitgliedstaats durch EU und andere Mitgliedstaaten nicht zu befördern. 2. Zugangspunkte (Abs. 1)
4
Jeder Mitgliedstaat trägt im Zusammenhang mit der Durchführung der Verordnung nach Abs. 1 die Kosten für Installation, Betrieb sowie Wartung und Pflege seiner Zugangspunkte, über welche die nationalen IT-Systeme zur Bildung des dezentralen IT-Systems (s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 f.) vernetzt sind. Bei den Zugangspunkten handelt es sich um auf Computerhardware laufende spezielle Softwarekomponenten, welche die Kommunikation nach außen (über das Internet) zu anderen Zugangspunkten (im Ausland) und nach innen mit der von einem Mitgliedstaat genutzten Back-EndSoftware steuern und neben der Übermittlung z.B. die Zugangsprüfung und die Authentizitätsprüfung ermöglichen. Die hierzu eingesetzten Softwarekomponenten (nach Ziff. 3 Anhang Durchführungs-VO (EU) 2022/423: Gateway und Konnektor der e-CODEX-Infrastruktur, s. auch Erwägungsgrund 11 VO (EU) 2022/850) werden nach Art. 27 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 von der Kommission zur Verfügung gestellt und sind von den Mitgliedstaaten auf der von den Mitgliedstaten eingerichteten und betriebenen Hardware zu installieren (s. Art. 27 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 f.). 3. Nationale IT-Systeme (Abs. 2)
5
Nach Abs. 2 trägt jeder Mitgliedstaat im Zusammenhang mit der Durchführung der Verordnung die Kosten für die Einrichtung und Anpassung seiner nationalen IT-Systeme zur Herstellung der Interoperabilität mit den Zugangspunkten sowie die Kosten für Verwaltung, Betrieb und Instandhaltung dieser Systeme. Die nationalen IT-Systeme umfassen die Hard- und Software, welche zur Erfüllung der sich aus den Regelungen der Verordnung und der auf Grundlage von Art. 25 EU-ZustVO 2020 erlassenen Durchführungs-VO (EU) 2022/423 ergebenden Anforderungen erforderlich ist. Soweit die Mitgliedstaaten auf von der Kommission (auf Grundlage von Art. 27 EU-ZustVO 2020) kostenfrei zur Verfügung gestellte Software(-komponenten) zurückgreifen, entsteht im entsprechenden Umfang bei ihnen kein Aufwand, den sie zu tragen haben.
III. Nutzung von Finanzierungsprogrammen der EU 6
Abs. 3 stellt klar, dass die durch Abs. 1, 2 erfolgte Zuweisung der Kostenlast im Verhältnis der EU zu den Mitgliedstaaten nicht ausschließt, dass die Mitgliedstaaten auch zur ganz oder teilweisen De10 Ratsdok. 9890/20 (22.10.2020), S. 44. 11 Ratsdok. 9890/2/20 REV 2 (6.11.2020), S. 44.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 29 EU-ZustVO 2020
ckung der von ihnen tatsächlich zu tragenden Kosten Mittel aus von der EU aufgelegten Finanzierungsprogrammen in Anspruch nehmen und nutzen können. Diese Klarstellung entspricht dem Telos von Abs. 1, 2. Die Zuweisung der Kostenlast durch Abs. 1, 2 wird hierdurch nicht ausgehöhlt, weil von den Mitgliedstaaten (einmalig und auf Dauer) zu tragende Kosten auf dem von Abs. 3 angesprochenen Weg nur unter Beachtung der für die Inanspruchnahme von Finanzierungsprogrammen geltenden Bedingungen (Zweckbestimmung, Finanzierungsvolumen) gedeckt werden können. Bereits in ihrem Entwurf wies die Kommission auf verschiedene Finanzierungsprogramme der EU 7 hin, welche von den Mitgliedstaaten gegebenenfalls zur Kostendeckung, insbesondere betreffend die von den Mitgliedstaaten nach Abs. 1, 2 zu tragenden Einrichtungskosten in Anspruch genommen werden können:12 – das Programm „Justiz“, welches die Durchsetzungs- und Rechtsschutzkapazitäten in den Mitgliedstaaten im Bereich der Ziviljustiz unterstützt – die Fazilität „Connecting Europe“, die über eine größere Mittelausstattung verfügt und finanzielle Unterstützung bietet für IT-Projekte, die die grenzüberschreitende Interaktion zwischen öffentlichen Verwaltungen, Unternehmen und Bürgern erleichtern. Sie wird bereits weithin zur Finanzierung der Digitalisierung und der E-Justiz-Arbeiten im Bereich der Ziviljustiz genutzt, etwa für das Europäische Justizportal und die Integration öffentlicher Urkunden in die nationalen Systeme für elektronische Behördendienste und das System zur Verknüpfung von Unternehmensregistern (Business Registers Interconnection System – BRIS).
Artikel 29 Verhältnis zu Übereinkünften oder Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten (1) Diese Verordnung hat in ihrem Anwendungsbereich Vorrang vor anderen Bestimmungen in den von Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen oder multilateralen Übereinkünften oder Vereinbarungen, insbesondere dem Haager Übereinkommen vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen, und zwar im Verhältnis der Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien dieser Übereinkünfte sind. (2) Diese Verordnung hindert Mitgliedstaaten nicht daran, Übereinkünfte oder Vereinbarungen zur Beschleunigung oder weiteren Vereinfachung der Übermittlung von Schriftstücken beizubehalten oder zu schließen, sofern diese Übereinkünfte oder Vereinbarungen mit der vorliegenden Verordnung vereinbar sind. (3) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission: a) eine Abschrift der zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünfte oder Vereinbarungen nach Absatz 2 sowie die Entwürfe von ihnen geplanter Übereinkünfte oder Vereinbarungen und b) jede Kündigung oder Änderung dieser Übereinkünfte oder Vereinbarungen. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
1 1 4
II. Rechtsverkehr mit Drittstaaten . . . . . . . .
5
III. Rechtsverkehr zwischen Mitgliedstaaten . . 7 IV. Außenkompetenz der Mitgliedstaaten . . . . 10 V. Informationspflicht der Mitgliedstaaten . . . 11
Schrifttum: Bach, Kein obligatorischer Charakter der EuBeweisVO bei Vernehmung eines ausländischen Zeugen, EuZW 2012, 833. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum. 12 COM(2018) 379 final, S. 12.
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Art. 29 EU-ZustVO 2020 Verhältnis zu Übereinkommen zwischen Mitgliedstaaten
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift klärt das Verhältnis der Verordnung zu internationalen (bilateralen und multilateralen) Übereinkommen (Übereinkünften und Vereinbarungen einschließlich Regierungs- und Verwaltungsvereinbarungen), insbesondere zum HZÜ. Das Verhältnis zum nationalen Recht bestimmt sich nach Art. 288 Unterabs. 2 AEUV.
2
Unabhängig vom Zeitrang bleibt der Bestand internationaler Übereinkommen von der Verordnung unberührt, auch wenn sie dieselben Bereiche regeln. Die Verordnung genießt in ihrem Anwendungsbereich, d.h. in Zivil- und Handelssachen (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff.) im Verhältnis der Mitgliedstaaten (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42), nach Abs. 1 allerdings Anwendungsvorrang vor internationalen Übereinkommen (s. Rz. 7 ff.). Da die Verordnung dagegen nicht das Verhältnis der Mitgliedstaaten zu Drittstaaten regelt, lässt sie den Rechtsverkehr mit Drittstaaten und für diesen namentlich die Anwendung des HZÜ unberührt (s. Rz. 5 ff.). Dies hat zur Folge, dass gegebenenfalls innerhalb eines Gerichtsverfahrens die Zustellung desselben Schriftstücks (Klageschrift) an einen Beklagten (mit bekannter Anschrift in einem anderen Mitgliedstaat) nach den Vorschriften der Verordnung und an einen anderen Beklagten (mit bekannter Zustelladresse allein in einem Drittstaat) nach dem HZÜ zu erfolgen hat.1 Dem Anliegen der Verordnung entsprechend schließt der beschriebene Anwendungsvorrang aber insgesamt nicht aus, dass die Mitgliedstaaten internationale Übereinkommen beibehalten, welche die Zustellung von gerichtlichen oder außergerichtlichen Schriftstücken weiter beschleunigen, ohne den Schutz des Zustellungsadressaten zu verkürzen.
3
Abs. 2 stellt – vor dem Hintergrund des EuGH-Gutachtens 1/132 zur Außenkompetenz der Union3 – klar, dass die Verordnung im Ergebnis nicht ausschließt, dass die Mitgliedstaaten im selben Umfang zukünftig untereinander Übereinkommen schließen oder sich an internationalen Übereinkommen mit Drittstaaten beteiligen. Abs. 3 legt den Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit ihrer Beteiligung an Übereinkommen mit überschneidendem Gegenstand allerdings eine Informationspflicht gegenüber der Kommission auf (s. Rz. 11). 2. Entstehungsgeschichte
4
Die Vorschrift geht zurück auf Art. 20 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)4 und Art. 20 EG-ZustVO 2000. Beide Regelungen trafen für das Verhältnis der EG-ZustVO 2007/EG-ZustVO 2000 zu internationalen Übereinkommen eine mit Art. 29 EU-ZustVO 2020 letztlich inhaltsgleiche Anordnung. Sie hoben lediglich als konkurrierendes Übereinkommen neben dem HZÜ gesondert noch Artikel IV des Protokolls zum BrüsselÜbk. hervor. Hieran knüpft die Vorschrift inhaltlich an. Der Entwurf der Kommission sah dementsprechend auch keine Änderung von Art. 20 EG-ZustVO 2007 vor.5 Dasselbe gilt für die Allgemeine Ausrichtung des Rates in erster Lesung.6 Im nach Abschluss der Triloggespräche beschlossenen Standpunkt des Rates in erster Lesung ist dann der (überholte)7 Hinweis auf das BrüsselÜbk. entfallen,8 ohne dass hiermit eine Inhaltsänderung verbunden ist.
1 ABl. EG 1997 C 261/36; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 20 EuZVO Rz. 1. 2 EuGH v. 14.10.2014 – Gutachtenverfahren 1/13, ECLI:EU:C:2014:2303. 3 Zum Übergang der Außenkompetenz für das HZÜ infolge Erlasses der Zustellungsverordnung vgl. COM(2013) 858 final, S. 17; Knöfel, RIW 2021, 473. 4 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 29 EuZVO 2022 Rz. 1. 5 COM(2018) 379 final, S. 26 f. 6 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 34 f. 7 Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 20 EuZVO Rz. 2. 8 Ratsdok. 9890/20 (20.10.2020), S. 44 f.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 29 EU-ZustVO 2020
II. Rechtsverkehr mit Drittstaaten Die Verordnung findet keine Anwendung auf grenzüberschreitende Zustellungen in Drittstaaten 5 sowie die Zustellung aus Drittstaaten. Dementsprechend können die Regelungen der Verordnung im Grundsatz nicht mit denjenigen Regelungen kollidieren, welche im Rechtsverkehr mit Drittstaaten gelten.9 Folgerichtig beschränkt Abs. 1 den Vorrang der Verordnung auf den Rechtsverkehr mit Mitgliedstaaten.10 Im Verhältnis eines Mitgliedstaats zu einem Drittstaat finden Anwendung dagegen diejenigen internationalen Übereinkommen, an denen ein Mitgliedstaat und der Drittstaat beteiligt sind.11 Insbesondere wenden die Mitgliedstaaten, die Partei des HZÜ sind, im Verhältnis zu Drittstaaten, die ebenfalls Partei des HZÜ sind, das HZÜ an, soweit keine vorrangigen sonstigen Übereinkommen gelten.12 Hat ein Zustellungsempfänger keine bekannte Zustelladresse im Ursprungsmitgliedstaat, allerdings 6 eine bekannte Zustelladresse in einem anderen Mitgliedstaat und eine weitere bekannte Zustelladresse in einem Drittstaat, kommt im Ausgangspunkt in Betracht eine Zustellung nach den Vorschriften der Verordnung in dem anderen Mitgliedstaat ebenso wie eine Zustellung auf Grundlage anderer Vorschriften in dem Drittstaat. Erfolgt die Zustellung in diesem Fall (nur) im Drittstaat, kann dies dem Zustellungsadressaten den durch die Verordnung vorgesehenen Schutz entziehen. Dem hat der Verordnungsgeber in dem allein den Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten betreffenden Art. 29 EU-ZustVO 2020 keine gesonderte Aufmerksamkeit gewidmet. Allerdings ergibt sich daraus, dass der Verordnungsgeber in der Neuformulierung des Anwendungsbereichs der Verordnung zum Ausdruck gebracht hat, dass diese zwingend immer dann zu beachten ist, wenn der Zweck einer Zustellung zwar nicht im Ursprungs-, wohl aber in einem anderen Mitgliedstaat erreicht werden kann (vgl. Erwägungsgründe 5 ff. EU-ZustVO 2020, welche Drittstaaten nicht erwähnen; s. auch Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 36), dass in teleologischer Extension von Abs. 1 die Anwendung der Verordnung im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten Vorrang vor der Anwendung anderer Regelungen im Verhältnis eines Mitgliedstaats zu einem Drittstaat in dem Sinne hat, dass die Zustellung im Drittstaat nicht eine obligatorische Zustellung in dem anderen Mitgliedstaat ersetzen kann.13
III. Rechtsverkehr zwischen Mitgliedstaaten Im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gilt in ihrem Anwendungsbereich die Verordnung. 7 Im Ausgangspunkt genießt sie nach Abs. 1 Vorrang vor der Anwendung anderer denselben Bereich betreffenden internationalen Übereinkommen, insbesondere des HZÜ (Erwägungsgrund 40 S. 1 EU-ZustVO 2020).14 Dies bedeutet, dass in solchen Übereinkommen als Ausdruck von Souveränitätsvorbehalten des Empfangsmitgliedstaats vorgesehene Voraussetzungen bzw. Beschränkung für vom Ursprungsmitgliedstaat ausgehende Zustellungen keine Anwendung finden, soweit die Verordnung anderenfalls beschränkt würde. Vielmehr richtet sich im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten im Ausgangspunkt allein nach der Verordnung, in welchem Umfang der Empfangsmitglied9 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 29 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1. 10 Geimer/Schütze/Okonska, Einl. VO (EG) 1393/2007 Rz. 31. – Unklar Brenn, Art. 20 EZV Anm. a). 11 Vgl. SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 63; Stein/Jonas/Domej (2021), Vor Art. 1 EuZVO Rz. 67; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 7. 12 Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. EG-ZustVO 2007 Rz. 4. 13 Ohne Stellungnahme BeckOK/ZPO/Hiss/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 1 EuZVO 2022 Rz. 15; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 1 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3, 21, Art. 29 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 29 EuZVO 2022 Rz. 2; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 29 EuZVO 2022 Rz. 1 f. – A.A. Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.40 f. 14 ABl. EG 1997 C 261/27, ABl. EG 1997 C 261/36; KOM(1999) 219 endg.; SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 63; GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 19 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; GA Léger, Schlussanträge v. 28.9.2006 – C-283/05, ECLI:EU:C:2006:617 Rz. 14 – ASML Netherlands BV/Semiconductor Industry Services GmbH; BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 190/10, NJW 2011, 1885 Rz. 10, 18; KG v. 13.8.2015 – 1 VA 8/15, BeckRS 2015, 16899 Rz. 6; Polymeles Protodikeio Rhodes v. 15.3.2013 – 27/2013; Areios Pagos v. 12.5.2009 – 1391/2009; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 2, Art. 20 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 20 VO (EG) 1393/2007 Rz. 2.
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Art. 29 EU-ZustVO 2020 Verhältnis zu Übereinkommen zwischen Mitgliedstaaten staat gegenüber dem Ursprungsmitgliedstaat seine Souveränitätsvorbehalte zur Geltung bringen kann. Hierdurch wird das Recht der grenzüberschreitenden Zustellungen im Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten harmonisiert, was die Rechtsanwendung erleichtert und die Rechtsicherheit erhöht (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 30, 91). Außerhalb ihres Anwendungsbereichs (insbesondere außerhalb von Zivil- und Handelssachen im Sinne der Verordnung) hindert die Verordnung nicht die Anwendung sonstiger Übereinkommen.15 8
Entsprechend dem Anliegen der Verordnung, grenzüberschreitende Zustellungen zu erleichtern und zu beschleunigen (gleichviel ob vermittelt im Rechtshilfeverkehr, als direkte Zustellung oder als unmittelbare Zustellung),16 hindert die Verordnung ausweislich Abs. 2 aber nicht die Anwendung internationaler Übereinkommen,17 die ihrerseits umfassendere Erleichterungen vorsehen, soweit diese Übereinkommen mit der Verordnung vereinbar sind (Erwägungsgrund 40 S. 2 EU-ZustVO 2020; z.B. auch Übereinkommen zum Verzicht auf sich aus Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 ergebende Erstattungen18).19 Ausgeschlossen bleibt die Anwendung internationaler Übereinkommen zu grenzüberschreitenden Zustellungen danach insbesondere dann, wenn sie, wie z.B. das HZÜ, für den Zustellungsadressaten einen geringeren oder anderen Schutz vorsehen oder in Ansehung der Rechtssicherheit über die Wirksamkeit einer Zustellung im Vergleich zu den Regelungen der Verordnung zurückbleiben.20 Nicht ausgeschlossen ist nach Sinn und Zweck demgegenüber, dass Mitgliedstaaten im Verkehr untereinander erleichternde Regelungen aus dem HZÜ bzw. zu diesem geschlossenen bilateralen Vereinbarungen unter Wahrung des Schutzes für Zustellungsadressaten anwenden.
9
Ausgehend von den Veröffentlichungen im Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen (Stand: 1.5.2023) sind die Mitgliedstaaten an den nachstehend aufgelisteten Übereinkommen beteiligt, welche nach Maßgabe von Abs. 2 weiterhin angewendet werden können. Es bedarf allerdings im Einzelfall der Feststellung, dass der Rückgriff auf die Regelung(en) eines Übereinkommens zu einer Erleichterung bzw. Beschleunigung führt und mit der Verordnung vereinbar ist. Unerheblich ist dagegen, ob die Mitgliedstaaten die Beibehaltung vereinbart oder der Kommission mitgeteilt (s. Rz. 11) haben.21 Die veröffentlichten Mitteilungen der Mitgliedstaaten offenbaren, dass die Ansichten der Mitgliedstaaten, welche Übereinkommen beibehalten werden und zur Anwendung kommen, auseinandergehen.22 Mitunter haben Mitgliedstaaten zu ein und demselben Übereinkommen keine übereinstimmenden Mitteilungen an die Kommission gemacht. In diesem Fall wurde das betreffende Übereinkommen nachstehend gleichwohl unterschiedslos für beide Länder angeführt. Nicht berücksichtigt wurden nachstehend die Meldungen von Belgien, Frankreich und Griechenland, welche nicht die fortgeltenden, sondern die zurücktretenden Übereinkommen und im Falle Frankreichs sogar ein mit einem Nichtmitgliedstaat (Vereinigtes Königreich) bestehendes Übereinkommen beinhalten.
15 KG v. 13.8.2015 – 1 VA 8/15, BeckRS 2015, 16899 Rz. 12; Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 20 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 1 EuZVO Rz. 27. Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 29 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3 zur Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke (im Ausgangspunkt hier aber anders, dazu s. Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 16). 16 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 20 EuZVO Rz. 2; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 20 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 29 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 20 EG-ZustellVO Rz. 2. 17 Zur Anzahl bestehender Übereinkommen vgl. SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 63. 18 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 11 EG-ZustVO 2007 Rz. 3 sowie die Aufstellung für Deutschland hinsichtlich von Kostenbefreiungen relevanter Übereinkommen bei Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 20 EuZVO Rz. 6. 19 Brenn, Art. 20 EZV Anm. b); Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor § 1067 ZPO Rz. 8. 20 Vgl. Brenn, Art. 20 EZV Anm. b); Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 20 EuZVO Rz. 2. – A.A. tendenziell Bach, EuZW 2012, 833, 834. 21 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 20 EuZVO Rz. 3; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 29 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10; BeckOK/ZPO/Ruster/Lahme, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 29 EuZVO 2022 Rz. 4. – A.A. Zöller/Geimer, Art. 11 EuZustVO Rz. 1; Rösler/Siepmann, RIW 2006, 512, 516; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.56. 22 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 29 VO (EU) 2020/1784 Rz. 8. Zu Deutschland vgl. ergänzend auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 29 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9.
450
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 29 EU-ZustVO 2020
Belgien ./.
Bulgarien ./.
Dänemark Finnland und Schweden sind verbunden durch das Nordische Übereinkommen über die gegenseitige Rechtshilfe vom 26.4.1974.
Deutschland und Österreich sind verbunden durch die deutsch-österreichische Vereinbarung vom 6.6.1959 zur weiteren Vereinfachung des rechtlichen Verkehrs nach dem Haager Übereinkommen vom 1.3.1954.23 Entgegen der ZRHO (Länderteil Österreich zu Ziff II. 1.) folgt hieraus aber nicht, dass bei der Belehrung über das Annahmeverweigerungsrecht auf die Verwendung des Formblatts verzichtet werden kann.24 Ebenso wenig kann von der Verwendung des Formblatts für die Bescheinigung der Zustellung abgesehen werden, weil diese Bescheinigung gegebenenfalls auch im Rechtsverkehr mit anderen Staaten vorzulegen ist bzw. Bedeutung erlangen kann.25
Estland Lettland und Litauen sind verbunden durch das Abkommen zwischen der Republik Lettland, der Republik Estland und der Republik Litauen über Rechtshilfe und Rechtsbeziehungen. Mit Polen ist Estland verbunden durch das Abkommen zwischen Estland und Polen über Rechtshilfe und Rechtsbeziehungen in Zivil-, Arbeits- und Strafsachen.
Finnland s. Dänemark
Frankreich ./.
Griechenland ./.
Irland ./.
Italien ./.
Kroatien und Slowenien sind verbunden durch das Abkommen vom 7.2.1994 über die Rechtshilfe in Zivil- und Strafsachen.
23 Brenn, Art. 20 EZV EinfErl.; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 20 EuZVO Rz. 4. 24 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 20 EuZVO Rz. 5. – A.A. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 12 VO (EU) 2020/1784 Rz. 50, Art. 29 VO (EU) 2020/1784 Rz. 9; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 20 EuZVO Rz. 3. 25 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 20 EuZVO Rz. 5; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.58. – A.A. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 20 EuZVO Rz. 9; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 10 EuZVO Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 10 EuZVO Rz. 3.
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451
Art. 29 EU-ZustVO 2020 Verhältnis zu Übereinkommen zwischen Mitgliedstaaten Lettland s. Estland; Lettland und Polen sind verbunden durch das Abkommen zwischen der Republik Lettland und der Republik Polen über Rechtshilfe und Rechtsbeziehungen in Zivil-, Familien-, Arbeits- und Strafsachen.
Litauen s. Estland.
Luxemburg ./.
Malta ./.
Niederlande ./.
Österreich s. Deutschland.
Polen s. Estland, Lettland.
Portugal und Spanien sind verbunden durch die Übereinkunft zwischen der Republik Portugal und dem Königreich Spanien über die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen vom 19.11.1997.
Rumänien ./.
Schweden s. Dänemark
Slowakei ./.
Slowenien s. Kroatien
Spanien s. Portugal
Tschechien ./.
Ungarn ./.
Zypern ./.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 30 EU-ZustVO 2020
IV. Außenkompetenz der Mitgliedstaaten Die Verordnung nimmt den Mitgliedstaaten im Ergebnis nicht (vollständig) die (Außen-)Kompetenz 10 (s. Rz. 2, 3), selbst internationale Übereinkommen in Zivil- und Handelssachen zu schließen über die Rechtshilfe bei der Zustellung gerichtlicher oder außergerichtlicher Schriftstücke, die Zulassung von Direktzustellungen und unmittelbare Zustellungen, solche Übereinkommen zu ändern oder durch Zustimmung zur Beteiligung weiterer Staaten in ihrem Anwendungsbereich auszuweiten bzw. dies abzulehnen. Das gilt ausweislich Abs. 2, 3 zunächst für Übereinkommen, welche grenzüberschreitende Zustellungen im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten betreffen. Inhaltlich ist die Außenkompetenz der Mitgliedstaaten aber beschränkt auf Übereinkommen, welche mit der Verordnung vereinbar sind, d.h. eine weitere Erleichterung/Beschleunigung vorsehen, den Schutz des Zustellungsadressaten nicht verkürzen und nicht zu geringerer Rechtssicherheit führen. Erst Recht beschränkt die Verordnung nicht den Abschluss von Übereinkommen, soweit diese den außerhalb ihres Anwendungsbereichs liegenden Rechtsverkehr mit Drittstaaten betreffen.26
V. Informationspflicht der Mitgliedstaaten Nach Abs. 3 trifft die Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission die Pflicht, eine Abschrift der nach 11 Maßgabe von Abs. 2 beibehaltenen Übereinkünfte und Vereinbarungen sowie die Entwürfe von den Mitgliedstaaten geplanter Übereinkünfte oder Vereinbarungen zu übermitteln. Hierdurch soll der Kommission ermöglicht werden, die Vereinbarkeit solcher Übereinkommen mit der Verordnung zu überprüfen.27 Zudem gewinnt die Kommission einen Überblick über den Grad der Harmonisierung der durch die Verordnung geregelten Bereiche. Aus ähnlichen Gründen trifft die Mitgliedstaaten nach Abs. 3 gegenüber der Kommission weiter die Pflicht, jede Kündigung oder Änderung von Übereinkommen i.S.v. Abs. 2 mitzuteilen. Die Wirkungen der mitzuteilenden Rechtsakte bzw. das Ende ihrer Wirkungen ist von der Erfüllung der Informationspflicht unabhängig.28
Artikel 30 Prozesskostenhilfe Die vorliegende Verordnung berührt nicht Artikel 24 des Haager Übereinkommens vom 1. März 1954 über den Zivilprozess und Artikel 13 des Abkommens über die Erleichterung des internationalen Zugangs zu den Gerichten vom 25. Oktober 1980 im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten, die Vertragspartei dieser Übereinkünfte sind. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2
II. Erstreckung der Kostenhilfe . . . . . . . . . . 1. Erfasste Übereinkommen . . . . . . . . . . . .
3 3
2. Erstreckung nach dem HZPÜ . . . . . . . . . . 3. Erstreckung nach dem Übereinkommen über den internationalen Zugang zur Rechtspflege . 4. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 7 8
III. Praktische Handhabung . . . . . . . . . . . .
9
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
26 Vgl. Hess, EuZPR, Rz. 2.78. 27 KOM(1999) 219 endg. 28 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 20 EuZVO Rz. 3; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 20 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 29 VO (EU) 2020/1784 Rz. 10; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 20 EuZVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 20 EG-ZustellVO Rz. 2.
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Art. 30 EU-ZustVO 2020 Prozesskostenhilfe
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift klärt das Verhältnis der Kostenregelung in Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 zu der in den beiden Übereinkommen geregelten Erstreckung der Kostenhilfe auf die Kosten grenzüberschreitender Zustellungen.1 Die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke begründet im Empfangsmitgliedstaat zwar nach Art. 15 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 im Grundsatz keine Pflicht zur Zahlung oder Erstattung von Gebühren und Auslagen für die Tätigkeit des Empfangsmitgliedstaats. Allerdings kann sich in den beiden in Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 EU-ZustVO 2020 benannten Fällen in Abweichung hierzu eine Erstattungspflicht des Antragstellers (s. Art. 15 EU-ZustVO 2020 Rz. 3, 13 ff.) ergeben. Ist dem Antragsteller für das Verfahren, in dessen Rahmen die Zustellung erfolgt, das Armenrecht bzw. unentgeltlicher Zugang zum Rechtsschutz gewährt worden, kann dies bedeuten, dass die nach Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 zu zahlenden Gebühren und Auslagen durch den Hilfe gewährenden Mitgliedstaat zu tragen sind. Die beiden benannten Übereinkommen sehen für diesen Fall in ihrem Anwendungsbereich vor, dass Gebühren und Auslagen nicht erstattet werden müssen. Hiervon profitiert in der Regel der Mitgliedstaat, welcher das Armenrecht bzw. unentgeltlichen Zugang zum Rechtsschutz gewährt. Die Vorschrift ordnet vor diesem Hintergrund an, dass die in den beiden Übereinkommen vorgesehenen Befreiungen im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten anwendbar bleiben und durch Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 nicht berührt werden, sondern gerade Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 vorgehen. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass gegenüber dem gewählten Regelungsansatz eine verordnungsautonome Regelung mit Wirkung im Verhältnis aller Mitgliedstaaten zueinander vorzuziehen wären.2 2. Entstehungsgeschichte
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Die Vorschrift geht zurück auf Art. 21 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)3 und Art. 21 EG-ZustVO 2000. Beide Vorschriften erwähnten als gegenüber der Kostenregelung der Zustellungsverordnung vorrangig neben Art. 24 HZPÜ und Art. 13 des Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980 auch noch Art. 23 des Abkommens über den Zivilprozess vom 17.7.1905. Diese Bezugnahme ist, ohne weitere Erläuterung, mit der neuen Verordnung entfallen. Tragend dürfte gewesen sein, dass Art. 23 des Abkommens über den Zivilprozess vom 17.7.1905 nur in beschränktem Umfang eine Kostenbefreiung vorgab (betrifft ausschließlich den Fall des Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020) und dieser beschränkten Anordnung im Verhältnis der Mitgliedstaaten neben den beiden anderen und weiterreichenden Übereinkommen regelmäßig4 keine Bedeutung zukommt. Der Kommissionsentwurf sah eine Änderung von Art. 21 EG-ZustVO 2007 noch nicht vor.5 Dasselbe gilt für die Stellungnahme erster Lesung des Parlaments6 und die Allgemeine Ausrichtung im Rat.7 Erstmalig in der Bestätigung des endgültigen Kompromisstextes nach den Triloggesprächen ist in den veröffentlichten Materialien die Verkürzung gegenüber Art. 21 EG-ZustVO 2007 zu finden.8
II. Erstreckung der Kostenhilfe 1. Erfasste Übereinkommen 3
Gegenüber Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 vorrangig sind nach der Vorschrift nur Art. 24 HZPÜ (s. Rz. 6) und Art. 13 des – von Deutschland bislang nicht ratifizierten und von Österreich nicht geschlos1 2 3 4 5 6 7 8
Brenn, Art. 21 EZV. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 21 EuZVO Rz. 1. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 30 EuZVO 2022 Rz. 1. Auswirkungen könnte die Änderung für Deutschland aber im Rechtsverkehr mit Estland zeitigen, freilich bleibt Rz. 4 a.E. unberührt, vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 30 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6. COM(2018) 379 final, S. 25 ff. P8_TA(2019)0104, S. 30 ff. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 34 ff. Ratsdok. 9677/20 ADD 1 (17.7.2020), S. 41.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 30 EU-ZustVO 2020
senen9 – Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980 (s. Rz. 7). Das Verhältnis anderer internationaler Übereinkommen zu Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 richtet sich nach Art. 29 Abs. 2 EU-ZustVO 2020. Sie finden nur Anwendung, wenn sie grenzüberschreitende Zustellungen erleichtern und mit den Regelungen der Verordnung vereinbar sind. Beides trifft – unter Berücksichtigung des Ausnahmecharakters von Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 – zwar auf Regelungen über die Kostenbefreiung (infolge Erstreckung der Kostenhilfe) zu. Gleichwohl verdrängen Zusatzabkommen zum HZÜ mit entsprechendem Inhalt die Anwendung von Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 regelmäßig nicht. Dies folgt allerdings nicht daraus, dass Art. 29 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 ihrer Anwendung im Verhältnis der Mitgliedstaaten entgegenstünde, sondern daraus, dass Art. 29 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 der Anwendung des HZÜ entgegensteht und die Zusatzabkommen zum HZÜ ohne Anwendung des HZÜ ihrerseits regelmäßig keine Anwendung finden. Sonstige internationale Übereinkommen können nach vorstehenden Grundsätzen dagegen unabhängig von der Vorschrift die Anwendung von Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO im Verkehr zwischen Mitgliedstaaten ausschließen.
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Ist keines der beiden erfassten Übereinkommen im Verhältnis von Ursprungs- und Empfangsmit- 5 gliedstaat anwendbar, bleibt es vorbehaltlich des Eingreifens eines sonstigen die Erstattung von Zustellungskosten regelnden Übereinkommens bei der Anordnung des Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020. Der Antragsteller ist im Umfang des Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 zur Kostenerstattung verpflichtet. Der das Armenrecht bzw. unentgeltlichen Zugang zum Rechtsschutz gewährende Mitgliedstaat hat den Antragsteller im Umfang der gewährten Hilfe freizustellen oder die Kosten zu erstatten.10 Abweichendes folgt auch nicht aus der EG-PKHRL.11 Diese regelt lediglich für das Verhältnis eines Mitgliedstaats zum Hilfebedürftigen einen Mindeststandard für die Gewährung von Prozesskostenhilfe hinsichtlich Voraussetzungen und Umfang. Sie trifft dagegen keine Aussage zum Verzicht auf die Erhebung von Zustellungskosten durch einen nicht zur Hilfegewährung verpflichteten Mitgliedstaat oder zum Ausschluss der Erstattung zwischen Mitgliedstaaten. 2. Erstreckung nach dem HZPÜ Nach Art. 24 HZPÜ sind dem um eine Zustellung ersuchten Staat (Empfangsmitgliedstaat) durch 6 den ersuchenden Staat (Ursprungsmitgliedstaat) keine Kosten für Zustellungen jeglicher Art im ersuchten Staat zu erstatten. Grundvoraussetzung für das Eingreifen dieser Kostenbefreiung ist, dass Ursprungs- und Empfangsmitgliedstaat Vertragsparteien des HZPÜ sind und dieses im Verhältnis zwischen beiden Mitgliedstaaten Anwendung findet. Ist dies der Fall, kommt eine Kostenbefreiung in Betracht, wenn (1) derjenige, in dessen Interesse eine Zustellung erfolgt (Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020: „Antragsteller“) die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaats des HZPÜ, nicht notwendig eines Mitgliedstaats (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42), besitzt.12 Weiter muss (2) dem Antragsteller durch den Ursprungsmitgliedstaat das Armenrecht mit der Folge gewährt worden sein, dass der Ursprungsmitgliedstaat die Kosten von sich auf ein Verfahren beziehenden Zustellungen zu tragen hat. Soweit die Gewährung des Armenrechts nicht die Kosten von Zustellungen umfasst, greift Art. 24 HZPÜ nicht ein, weil es an einer Verpflichtung des Ursprungsmitgliedstaats fehlt, anstelle des Antragstellers nach Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 Kosten zu tragen. Schließlich muss (3) eine vom Ursprungsmitgliedstaat ausgehende und im Empfangsmitgliedstaat im Wege der Rechtshilfe auszuführende Zustellung sich auf das Verfahren beziehen, für welches das Armenrecht gewährt wurde. 3. Erstreckung nach dem Übereinkommen über den internationalen Zugang zur Rechtspflege Nach Art. 13 des Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980 sind dem um eine Zustellung ersuchten Staat (Empfangsmitgliedstaat) durch den ersuchenden Staat 9 Brenn, Art. 21 EZV; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR, Art. 21 EuZVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 21 VO (EG) 1393/2007 Rz. 2 in Fn. 3; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 21 EuZVO Rz. 1. 10 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 30 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3. 11 Vgl. auch Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 21 EuZVO Rz. 1. 12 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 21 VO (EG) 1393/2007 Rz. 5.
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Art. 30 EU-ZustVO 2020 Prozesskostenhilfe (Ursprungsmitgliedstaat) keine Kosten für Zustellungen jeglicher Art im ersuchten Staat zu erstatten. Grundvoraussetzung für das Eingreifen einer Kostenbefreiung nach Art. 13 des Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980 ist, dass Ursprungs- und Empfangsmitgliedstaat Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind und dieses im Verhältnis zwischen beiden Mitgliedstaaten Anwendung findet (s. auch Rz. 3). Ist dies der Fall, kommt eine Kostenbefreiung in Betracht, wenn (1) derjenige, in dessen Interesse eine Zustellung erfolgt (Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020: „Antragsteller“), die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaats des Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980 besitzt oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat des Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980 hat (Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980).13 Der betreffende Vertragsstaat muss nicht notwendig ein Mitgliedstaat (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42) sein. Dem gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat steht gleich ein früherer gewöhnlicher Aufenthalt in einem Vertragsstaat, wenn eine Streitigkeit einen Bezug zu diesem Aufenthalt aufweist (Art. 1 Abs. 2 des Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980). Weiter muss (2) dem Antragsteller durch den Ursprungsmitgliedstaat unentgeltliche Rechtspflege auf der Grundlage von Art. 1 des Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980 mit der Folge gewährt worden sein, dass der Ursprungsmitgliedstaat die Kosten von sich auf ein Verfahren beziehenden Zustellungen zu tragen hat. Soweit die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege nicht die Kosten von Zustellungen umfasst, greift Art. 13 des Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980 nicht ein, weil es an einer Verpflichtung des Ursprungsmitgliedstaats fehlt, anstelle des Antragstellers nach Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 Kosten zu tragen. Schließlich muss (3) eine vom Ursprungsmitgliedstaat ausgehende und im Empfangsmitgliedstaat im Wege der Rechtshilfe auszuführende Zustellung sich auf das Verfahren beziehen, für welches unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde. 4. Rechtsfolge 8
Die Rechtsfolge der Vorschrift beschränkt sich darauf, den Vorrang von Art. 24 HZPÜ bzw. Art. 13 des Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980 anzuordnen. Dementsprechend folgt nicht aus der Vorschrift, sondern aus der Anwendung des vorrangigen Art. 24 HZPÜ bzw. des vorrangigen Art. 13 des Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980, wann und inwieweit Art. 15 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 nicht zur Anwendung kommt und es dementsprechend auch für Nutzung besonderer Zustellungsverfahren bzw. bei Zustellung durch besondere Zustellungsbeamte bei dem Grundsatz des Art. 15 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 (Kostenfreiheit) verbleibt.14 Dabei verstehen beide Übereinkommen nach ihrem Sinn und Zweck unter einer Erstattungspflicht des Ursprungsmitgliedstaats gegenüber dem Empfangsmitgliedstaat auch eine Zahlungspflicht des Hilfsbedürftigen, wenn der Ursprungsmitgliedstaat gegenüber dem Hilfsbedürftigen zur Freistellung oder Erstattung verpflichtet ist. Nach Art. 24 HZPÜ und Art. 13 des Übereinkommens über den internationalen Zugang zur Rechtspflege vom 25.10.1980 bestimmt sich auch, inwieweit es dem Empfangsmitgliedstaat verwehrt ist, Vorschüsse auf die Zustellungskosten einzufordern.
III. Praktische Handhabung 9
Die tatsächliche Inanspruchnahme der Kostenbefreiung in Anwendung der beiden Rechtsinstrumente setzt voraus, dass der Ursprungsmitgliedstaat gegenüber dem Empfangsmitgliedstaat darlegt, dass die Voraussetzungen für die Erstreckung der Kostenhilfe auf den Empfangsmitgliedstaat gegeben sind. Die Verordnung sieht hierfür kein Formblatt und in Formblatt A auch keine Rubrik vor, in welcher entsprechende Angaben gemacht werden können. Die durch den Einsatz von Formblättern angestrebte Beschleunigung wird daher insoweit nicht erreicht. 13 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 21 VO (EG) 1393/2007 Rz. 5. 14 Vgl. Brenn, Art. 21 EZV; Zöller/Geimer, Art. 21 EuZustVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 21 VO (EG) 1393/2007 Rz. 1, 5.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 31 EU-ZustVO 2020
Kommt die Inanspruchnahme der Kostenbefreiung in Betracht, ist nach § 79 Abs. 4 ZRHO dem Zu- 10 stellungsersuchen eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung über die Bewilligung von Prozessoder Verfahrenskostenhilfe beizufügen.15 Dies schließt freilich, insbesondere im direkten Verkehr mit als Empfangsstellen benannten Zustellungspersonen des Empfangsmitgliedstaats (vgl. Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a EU-ZustVO 2020), verzögernde Rückfragen und Diskussionen über eine Vorschusspflicht nicht aus.16 Es ist daher anzuraten, die Kostenbefreiung in einer Anlage zum Ersuchen gesondert zu begründen. Vermeiden lassen sich mit Diskussionen über das Eingreifen einer Kostenbefreiung verbundene Zustellungen durch Wahl einer Form der Direktzustellung.17
Artikel 31 Schutz übermittelter Informationen (1) Die nach dieser Verordnung durchgeführte Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich des Austausches oder der Übermittlung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden, erfolgt gemäß der Verordnung (EU) 2016/679. Der Austausch oder die Übermittlung von Informationen durch die zuständigen Stellen auf Ebene der Union erfolgt gemäß der Verordnung (EU) 2018/1725. Personenbezogene Daten, die für die Bearbeitung eines einzelnen Falls nicht relevant sind, werden sofort gelöscht. (2) Die nach nationalem Recht zuständige Behörde oder zuständigen Behörden gilt bzw. gelten für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der vorliegenden Verordnung als Verantwortliche im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679. (3) Unbeschadet der Absätze 1 und 2 darf die Empfangsstelle die nach dieser Verordnung übermittelten Informationen nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie übermittelt wurden. (4) Die Empfangsstellen stellen die Vertraulichkeit derartiger Informationen nach Maßgabe ihres nationalen Rechts sicher. (5) Die Absätze 3 und 4 berühren nicht das Auskunftsrecht von Betroffenen über die Verwendung der nach dieser Verordnung übermittelten Informationen, das ihnen nach dem nationalen Recht zusteht. (6) Die Richtlinie 2002/58/EG bleibt von dieser Verordnung unberührt. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
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II. Rechtsrahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Verantwortliche Stellen . . . . . . . . . . . . . 11 IV. Zweckbindung und Vertraulichkeit . . . . . . 12
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck Gegenstand der Vorschrift ist der Schutz der auf Grundlage der Verordnung im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Zustellungen zwischen den Mitgliedstaaten übermittelten personenbezogenen Daten (Datenschutz, vgl. noch die Überschriften von Art. 22 EG-ZustVO 2000 und Art. 22 EGZustVO 2007; vgl. auch Erwägungsgrund 3 S. 1, 41 f. EU-ZustVO 2020).
15 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 30 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5. 16 Auf Probleme in der Praxis verweist Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 21 EuZVO Rz. 2. 17 Vgl. Gebauer/Wiedmann/Sujecki, Art. 21 EuZVO Rz. 2.
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Art. 31 EU-ZustVO 2020 Schutz übermittelter Informationen 2
In den Blick nimmt die Vorschrift, dass mit jeder nach der Verordnung erfolgenden Übermittlung und Zustellung ein Eingriff in das Recht auf Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre und die Gefahr einer weitergehenden Beeinträchtigung dieses Rechts verbunden ist.1 Zugleich aber ist der Austausch personenbezogener Daten unverzichtbare Voraussetzung für die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts.2 Übermittelt werden im Rahmen der Verordnung neben dem zuzustellenden gerichtlichen oder außergerichtlichen Schriftstück, welches regelmäßig personenbezogene Daten enthält, auch Formblätter, welche solche Daten enthalten. Dagegen umfassen die nach Art. 34 Abs. 3, 4 EU-ZustVO 2020 zu übermittelnden Informationen keine personenbezogenen Daten, sondern lediglich statistische Kennzahlen;3 ebenfalls keine personenbezogenen Daten umfassen die Mitteilungen nach Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 3 EU-ZustVO 2020, Art. 17 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 19 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 20 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 22 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 3 EU-ZustVO 2020, Art. 33 Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 2 EU-ZustVO 2020. Weiter nimmt die Vorschrift in den Blick, dass unter Nutzung eines dezentralen IT-Systems erfolgende Datenübermittlungen mit spezifischen Risiken verbunden sind.4
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Vor diesem Hintergrund legt die Vorschrift in Abs. 1 Unterabs. 1, 2 zunächst durch (deklaratorischen) Verweis auf die DSGVO bzw. die VO (EU) 2018/1725 den für die Mitgliedstaaten bzw. die EU (s. Rz. 8) maßgeblichen rechtlichen Rahmen für die Datenverarbeitung nach der Verordnung fest und widmet in Abs. 1 Unterabs. 3 der Datensparsamkeit besondere Aufmerksamkeit durch ein Löschungsgebot (vgl. Erwägungsgrund 42 S. 2 EU-ZustVO 2020). Entsprechend dem Vorschlag des EU-Datenschutzbeauftragten legt Abs. 2 die für den Datenschutz verantwortlichen Stellen fest (vgl. auch Erwägungsgrund 14 EU-ZustVO 2020). Durch Abs. 3 werden im Rahmen der Verordnung übermittelte Daten einer strengen, die allgemeinen Erlaubnistatbestände, welche die in Abs. 1 Unterabs. 1, 2 benannten Rechtsakte vorsehen, ausschließenden Zweckbindung unterworfen. Abs. 4 verpflichtet die Mitgliedstaaten bzw. ihre zuständigen Stellen dazu, durch geeignete Maßnahmen die Vertraulichkeit der übermittelten Informationen zu sichern. Die hieran zu stellenden Anforderungen werden durch Abs. 4 nicht harmonisiert.5 Vielmehr wird im Sinne einer Kollisionsregel das Recht des Empfangsmitgliedstaats als von den Empfangsstellen zu beachtender Maßstab bestimmt. Von den dem Schutz personenbezogener Daten dienenden Vorgaben bleiben nach nationalem Recht bestehende Auskunftsrechte unberührt (Abs. 5). Abs. 6 stellt klar, dass die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation durch die Verordnung unberührt bleibt, d.h. nicht eingeschränkt wird. 2. Entstehungsgeschichte
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Die Vorschrift geht in Abs. 3–6 zurück auf Art. 22 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)6 und auf Art. 22 EG-ZustVO 2000.7 Die dort jeweils in den Abs. 1 bis 4 enthaltenen Regelungen haben, bei Berücksichtigung der Ablösung der Richtlinie 95/46/EG und der Richtlinie 97/66/EG durch die DSGVO und die Richtlinie 2002/58/EG, Eingang (in Abs. 1 Unterabs. 1 und) in Abs. 3–6 gefunden. Nicht den Vorgängerverordnungen entnommen, sondern neu geschaffen wurden Abs. 1, 2, deren Aufnahme im Zusammenhang damit steht, dass nach Ablauf einer Übergangsfrist die direkte Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen im Grundsatz unter obligatorischer Nutzung eines dezentralen IT-Systems erfolgt (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 11 ff.).
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Obwohl die Digitalisierung der direkten Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen eines der Kernanliegen des Kommissionsentwurfs war, sah dieser noch keine Überarbeitung von Art. 22 EG-ZustVO 2007 vor, sondern verwies nur auf die Regelung der DSGVO und deren ausschließliche Geltung auf nationaler Ebene.8 Die Stellungnahme erster Lesung des Parla-
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Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 22 EG-ZustVO 2007 Rz. 1. EDPS, Ratsdok. 12245/19 (16.9.2019), Ziff. 9. Vgl. EDPS, Ratsdok. 12245/19 (16.9.2019), Ziff. 23. Vgl. COM(2018) 379 final, S. 10; EDPS, Ratsdok. 12245/19 (16.9.2019), Ziff. 15. Brenn, Art. 22 EZV Anm. c). Vgl. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 31 EuZVO 2022 Rz. 1. Zur Entstehung von Art. 22 EG-ZustVO 2000 vgl. Brenn, Art. 22 EZV Anm. a). COM(2018) 379 final, S. 10 f. Krit. dazu EDPS, Ratsdok. 12245/19 (16.9.2019), Ziff. 14.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 31 EU-ZustVO 2020
ments schlug vor, dem Datenschutz einen neuen Erwägungsgrund zu widmen.9 Stärker in den Fokus geriet der Datenschutz aufgrund der Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten10 und infolge der Beratungen im Rat über die Frage der Ausgestaltung der Digitalisierung der direkten Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen, wie in der Allgemeinen Ausrichtung des Rates erster Lesung erkennbar wird.11 Diese sah u.a. als Art. 18b Abs. 1 lit. e vor, dass die Kommission durch einen Durchführungsrechtsakt die datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeiten bestimmen darf (s. auch Art. 25 EU-ZustVO 2020 Rz. 2). In seinem Standpunkt erster Lesung ging der Rat dann der Empfehlung des EU-Datenschutzbeauftragten folgend von diesem Ansatz ab und nahm unmittelbar im Basisrechtsakt (in den beiden neuen Absätzen der Vorschrift) die notwendigen (s. aber Rz. 8) Klärungen auf. Der weiteren Empfehlung des EU-Datenschutzbeauftragten, in der Verordnung zumindest abstrakt die an das dezentrale IT-System im Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit zu stellenden Anforderungen zu regeln, hat der Verordnungsgeber im verfügenden Teil der Verordnung nicht entsprochen. Er hat allerdings in den Erwägungsgründen Aussagen zu diesen Fragen getroffen (Erwägungsgrund 12 EU-ZustVO 2020), welche die Kommission im Rahmen des Erlasses von Durchführungsrechtsakten nach Art. 25 EU-ZustVO 2020 zu berücksichtigen hat.
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II. Rechtsrahmen Nach Abs. 1 Unterabs. 1 unterliegt die im Rahmen der Verordnung erfolgende Datenverarbeitung im 7 Regelfall den Regelungen der DSGVO. Die Vorschrift enthält insoweit eine (deklaratorische) Rechtsgrundverweisung, d.h. die Vorschriften der DSGVO finden nur in dem Umfang Anwendung, wie ihr Anwendungsbereich eröffnet ist. Den Vorgaben der DSGVO unterfallen im Rahmen der Verordnung erfolgende Datenverarbeitungen i.S.v. Art. 2 Abs. 1 DSGVO der Mitgliedstaaten und ihrer Stellen ebenso wie die Datenverarbeitung durch Private (vgl. Art. 20, 21 EU-ZustVO 2020). Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens erfolgende Zustellungen (gerichtlicher Schriftstücke) sind dem Anwendungsbereich der DSGVO nicht entzogen – die DSGVO enthält keinen Anwendungsausschluss zugunsten von durch ein gerichtliches Verfahren bedingten Datenverarbeitungen.12 Vielmehr enthält lediglich Art. 23 Abs. 1 lit. f DSGVO eine Öffnungsklausel, welche den Mitgliedstaaten ermöglicht, durch den Anforderungen des Art. 23 Abs. 2 DSGVO entsprechende spezifische Regelungen bestimmte Rechte und Pflichten nach der DSGVO einzuschränken. Soweit hiervon nicht wirksam Gebrauch gemacht wurde, sind mithin auch für Datenverarbeitungen im Rahmen von gerichtlichen Verfahren die Anforderungen der DSGVO zu beachten und bestehen die Betroffenenrechte nach der DSGVO.13 Nicht den Regelungen der DSGVO unterfallen Datenverarbeitungen auf der Ebene der EU, d.h. durch 8 Organe oder sonstige Stellen der EU. Diesbezüglich ordnet Abs. 1 Unterabs. 2 deshalb (deklaratorisch) an, dass die gegenüber der DSGVO vorrangigen Regelungen der VO (EU) 2018/1725 gelten. Für eine entsprechende Klarstellung besteht allerdings keine Notwendigkeit, weil Stellen der EU im Rahmen der Verordnung keine personenbezogenen Daten verarbeiten (vgl. Erwägungsgrund 10 S. 4 EU-ZustVO 2020). Die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation bzw. die ihrer Umsetzung dienenden Vor- 9 schriften finden ausweislich Abs. 6 neben DSGVO bzw. der VO (EU) 2018/1725 Anwendung. Dem Gedanken der Datensparsamkeit folgend, verpflichtet zudem Abs. 1 Unterabs. 3 ergänzend zu den sich nach diesem Rechtsrahmen ergebenden Vorgaben die für die im Rahmen der unter der Verordnung erfolgenden Datenverarbeitung verantwortlichen Stellen dazu, personenbezogene Daten, die nicht (mehr) benötigt werden, unverzüglich und unabhängig von einer hierauf gerichteten Aufforderung des Betroffenen zu löschen.
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P8_TA(2019)0104, S. 9. EDPS, Ratsdok. 12245/19 (16.9.2019), Ziff. 12, 16 ff. Vgl. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 2, 10, 17, 33, 36. Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 22 EuZVO Rz. 4. Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 22 EuZVO Rz. 4.
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Art. 31 EU-ZustVO 2020 Schutz übermittelter Informationen 10
Nationales Datenschutzrecht (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 2 lit. b BDSG) einschließlich nationaler Erlaubnistatbestände (z.B. §§ 13, 17 Nr. 2 EGGVG) findet neben den vorgenannten unionsrechtlichen Rechtsakten nur nach allgemeinen Grundsätzen Anwendung. Die vormals für den Datenschutz bei der Zustellung durch Postdienste auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu beachtende PDSV wurde mit Rücksicht auf das Inkrafttreten der DSGVO aufgehoben.14 Aus Gründen der Klarstellung oder im Hinblick auf in der DSGVO enthaltene Öffnungsklauseln vorgesehene Datenschutzregelungen für Postdienste finden sich inzwischen in §§ 41 ff. PostG.15
III. Verantwortliche Stellen 11
Nach Abs. 2 ist Verantwortlicher i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DSGVO die nach nationalem Recht für die Datenverarbeitung unter der Verordnung zuständige Behörde bzw. die zuständigen Behörden (vgl. Erwägungsgrund 14 EU-ZustVO 2020). Dies gilt auch im Rahmen der Kommunikation unter Nutzung des dezentralen IT-Systems, welche ohne Einschaltung einer Stelle der EU erfolgt (Erwägungsgrund 10 S. 4 EU-ZustVO 2020). Der Zuständigkeitsbereich der beteiligten Mitgliedstaaten umfasst jeweils das nationale IT-System einschließlich der genutzten Back-End-Software und die durch die Mitgliedstaaten eingerichteten Zugangspunkte. Die danach verantwortlichen Behörden treffen die durch die DSGVO dem Verantwortlichen auferlegten Pflichten. Erfolgen Datenverarbeitungen auf der Ebene der EU (s. Rz. 8), bestimmt sich der Verantwortliche nach Art. 3 Nr. 8 VO (EU) 2018/1725.
IV. Zweckbindung und Vertraulichkeit 12
Nach Abs. 3 unterliegen die im Rahmen der Verordnung einer Empfangsstelle übermittelten personenbezogenen Daten einer strikten Zweckbindung. Hierdurch wird eine weitergehende Datenverarbeitung auf der Grundlage der allgemeinen Erlaubnistatbestände, welche die in Abs. 1 benannten Rechtsakte vorsehen, oder auf der Grundlage nationaler Erlaubnistatbestände (z.B. §§ 12 ff. EGGVG) ausgeschlossen.16 Zudem hat die Empfangsstelle über Abs. 3 hinaus die sich nach Abs. 1, 2, d.h. aus dem einschlägigen unionalen Datenschutzrecht ergebenden Beschränkung zu wahren, von welchen Abs. 3 nicht befreit. Die Empfangsstelle darf danach die ihr nach dieser Verordnung übermittelten Informationen nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie übermittelt wurden. Dies bedeutet, dass die Daten verarbeitet werden dürfen allein für die Ausführung derjenigen Zustellung, für welche die Daten übermittelt wurden. Übermittelte Informationen dürfen dagegen nicht für ähnliche oder andere Zwecke verwendet werden. Z.B. dürfen übermittelte Adressen auch nicht zur Bewirkung einer anderen Zustellung verwendet werden.17 Auch folgt hieraus, dass die durch ein Zustellungsersuchen erlangte Kenntnis von einer bislang unbekannten Anschrift des Zustellungsadressaten (durch die Stellen des Empfangsmitgliedstaats) nicht für eine Strafverfolgung genutzt werden dürfen.18 Unberührt bleibt die Nutzung identischer Daten, wenn sie auf einem Weg unabhängig von der Übermittlung im Rahmen der Verordnung erlangt wurden.
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Empfangsstellen haben nach Abs. 4 die Vertraulichkeit der ihnen im Rahmen der Verordnung übermittelten Informationen sicherzustellen. Dies bedeutet, dass sie zu diesem Zweck geeignete und angemessene Maßnahmen zu ergreifen haben, um zu verhindern, dass Dritte Kenntnis von den übermittelten Informationen erlangen können, ohne dass diese Kenntnis zur Erreichung des Zwecks der Datenübermittlung erforderlich ist. Insbesondere darf eine Empfangsstelle die ihr übermittelten Daten nur insoweit weiterübermitteln, wie dies zur Erreichung des Zwecks der Datenübermittlung im Rahmen der Verordnung erforderlich ist. Hinsichtlich von Einzelheiten und des dabei zu beachtenden Maßstabs (nicht dagegen auch hinsichtlich des Datenschutzes im Übrigen) verweist die Kollisionsregel in Abs. 4 auf das für die jeweilige Empfangsstelle geltende Recht. Deshalb muss z.B. der Ver14 Übersehen von Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 22 EuZVO Rz. 2. 15 BR-Drucks. 430/18, 505. 16 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 22 EuZVO Rz. 1. Unklar Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 31 EuZVO 2022 Rz. 1: entspricht dem Anliegen von Art. 5 DSGVO. 17 Zu Recht kritisch Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 22 EuZVO Rz. 1, 4. 18 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 31 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 32 EU-ZustVO 2020
traulichkeit übermittelter Informationen im Rahmen der Kommunikation per E-Mail im Empfangsmitgliedstaat keine größere Aufmerksamkeit als bei der E-Mailkommunikation, die ohne Bezug zur Verordnung erfolgt, gewidmet werden.19 Der Verweis auf das für die Empfangsstelle geltende Recht steht unter dem Vorbehalt des effet utile. Für die Empfangsstellen geltende Vertraulichkeitsbestimmungen können die Regelungen der Verordnung nicht einschränken. Durch Abs. 5 wird klargestellt, dass die Zweckbindung sowie das Gebot der Vertraulichkeit nach Sinn und Zweck nicht ausschließen die den Betroffenen nach nationalem Recht zustehenden Informationsrechte über die Verwendung der übermittelten Informationen (z.B. auch Akteneinsicht).20 Daraus, dass sich Abs. 5 nur zu entsprechenden Informationsrechten im Empfangsmitgliedstaat verhält, folgt nicht, dass keine solchen Rechte im Ursprungsmitgliedstaat bestehen, sondern ist allein dem Umstand geschuldet, dass Abs. 3, 4 sich allein auf den Empfangsmitgliedstaat beziehen. Dass Abs. 5 nur Auskunftsrechte nach nationalem Recht anspricht, bedeutet nicht, dass solche nach Unionsrecht (z.B. Art. 15 DSGVO) nicht unberührt bleiben, sondern trägt nur dem Anwendungsvorrang des Unionsrechts (Verordnung) vor dem nationalen Recht Rechnung, welcher im Verhältnis verschiedener Normen des Unionsrechts nicht besteht. Betroffener i.S.v. Abs. 5 ist dabei nicht allein diejenige Person, auf welche sich ein personenbezogenes Datum bezieht, sondern ebenso diejenigen Personen, welche an dem (Verfahrens-)Rechtsverhältnis, auf welches sich die Zustellung, zu deren Durchführung Daten übermittelt wurden, bezieht, beteiligt sind.
14
Artikel 32 Achtung der Grundrechte nach dem Unionsrecht Die Grundrechte und Grundfreiheiten aller beteiligten Personen, insbesondere das Recht auf gleichberechtigten Zugang zur Justiz, das Recht auf Nichtdiskriminierung und das Recht auf Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre, sind nach Maßgabe des Unionsrechts uneingeschränkt zu wahren und zu achten. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 1
2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
2
II. Klarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Schrifttum: Geiger/Khan/Kotzur/Kirchmaier, EUV AEUV, Vertrag über die Europäische Union Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 7. Aufl. 2023. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck Die Vorschrift stellt im Anschluss an Erwägungsgrund 41 EU-ZustVO 2020 eine Selbstverständlichkeit klar.1 Die Rechtslage wäre ohne die Vorschrift keine andere. Zur Gestaltung der Rechtslage ist die Vorschrift mithin entbehrlich. Ihre Bedeutung liegt in einem Appell an alle die Verordnung anwendenden Stellen.2 Dazu verweist sie zunächst auf die in der Grundrechtscharta geregelten Grundrechte. Daneben nimmt sie Bezug auf die im AEUV geregelten Grundfreiheiten. Ausweislich des erläuternden Halbsatzes versteht sie den Begriff der Grundfreiheiten dabei nicht eng beschränkt auf die im Rahmen des Binnenmarktes bedeutsamen wirtschaftlichen Grundfreiheiten (Art. 45 ff. AEUV), 19 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 31 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5. 20 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 31 VO (EU) 2020/1784 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 22 EG-ZustellVO Rz. 2. 1 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 32 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 32 EuZVO 2022 Rz. 1. 2 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 32 EuZVO 2022 Rz. 1.
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1
Art. 32 EU-ZustVO 2020 Achtung der Grundrechte nach dem Unionsrecht sondern weit unter Einschluss auch der persönlichen Grundfreiheiten aus Art. 18, 21 AEUV.3 Einzelne Rechte aus dem Bereich der Grundrechte und Grundfreiheiten hebt ein erläuternder Halbsatz heraus, weil ihnen aus Sicht der Verordnungsgebers im Kontext der Verordnung besondere Bedeutung zukommt (vgl. auch Erwägungsgrund 41 EU-ZustVO 2020). Hieraus folgt nicht, dass den genannten Rechten im Kollisionsfall Vorrang vor nicht gesondert genannten Rechten zukommt (zum Erfordernis einer Bewertung s. auch Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 40). Vielmehr sollen die Anwender für die benannten Rechte lediglich besonders sensibilisiert werden. 2. Entstehungsgeschichte 2
Die Vorschrift wurde neu eingefügt. Die beiden Vorgängerverordnungen enthielten keine vergleichbare gesonderte Klarstellung einer Selbstverständlichkeit und zwar noch nicht einmal in den Erwägungsgründen.4 Auch im verfügenden Teil des Kommissionsentwurfs war eine entsprechende Vorschrift noch nicht enthalten. Allerdings ging der Kommissionsentwurf in den Erwägungsgründen auf die Grundrechtsrelevanz der Verordnung ein und betonte die Wahrung der Grundrechte.5 Der Vorschlag des Parlaments erster Lesung verstärkte die Betonung der Grundrechte und sah als Art. 3a Abs. 4a bereits eine mit der Vorschrift vergleichbare Klarstellung vor.6 In seiner Allgemeinen Ausrichtung erster Lesung beließ es der Rat bei dem vom Kommissionsentwurf vorgesehenen Erwägungsgrund. In den Standpunkt des Rates erster Lesung wurde nach den geführten Triloggesprächen dann die geltende Fassung einschließlich der Verdopplung durch Erwägungsgrund 41 EU-ZustVO 2020 aufgenommen.
II. Klarstellung 3
Die Vorschrift stellt lediglich klar, was sich bereits aus Art. 2 EUV, Art. 3 Abs. 2 EUV, Art. 6 Abs. 1 EUV und der Bindung des Verordnungsgebers sowie der Normanwender an die Verträge und die Grundrechtscharta ergibt. Sie erweitert insbesondere nicht den Anwendungsbereich des Unionsrechts über Art. 51 GRCh hinaus. Aus dem Verweises der Norm auf das Unionsrecht folgt auch nicht, dass in dem durch die Verordnung geregelten Bereich die von einzelnen Mitgliedstaaten gegenüber der Grundrechtscharta erklärten Vorbehalte ihre Wirkungen, soweit ihnen solche nach dem Unionsrecht zukommen sollten,7 verlieren.
4
Gesonderte Berücksichtigung finden insbesondere die im erläuternden Halbsatz namentlich benannten Rechte anderweitig in der Verordnung. Der gleichberechtigte Zugang zur Justiz ist Gegenstand insbesondere von einerseits auch Art. 15, 30 EU-ZustVO 2020 und andererseits von Art. 12, 22 EU-ZustVO 2020.8 Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung liegt der gesamten Verordnung insoweit zugrunde, als diese davon ausgeht, dass eine Zustellung in einem Mitgliedstaat eine Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat im Grundsatz substituieren kann9 und der Staatsangehörigkeit der Beteiligten grundsätzlich (s. aber Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 f.) keine Relevanz zukommt. Er wird zudem in besonderer Weise aufgegriffen in der verordnungsautonomen und gegen fiktive Zustellungen gerichteten Fassung des grenzüberschreitenden Elements durch Erwägungsgrund 7, Art. 1 Abs. 1 EU-ZustVO 202010 sowie in Art. 7,11 19, 20 EU-ZustVO 2020. Dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre soll gesondert Rechnung tragen die Vorschrift des Art. 31 EU-ZustVO 2020.
3 4 5 6 7 8 9 10 11
Vgl. COM(2018) 379 final, S. 10. A.A. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 32 EuZVO 2022 Rz. 1. COM(2018) 379 final, S. 9 f., 17 f. P8_TA(2019)0104, S. 9, 14. Vgl. dazu Geiger/Khan/Kotzur/Kirchmaier/Geiger/Kirchmaier, Art. 6 EUV Rz. 11 ff. COM(2018) 379 final, S. 10; SWD(2018) 286 final, S. 5; SWD(2018) 287 final, S. 22, 69, 166. Speziell zu Art. 14 EG-ZustVO 2007 SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 62. COM(2018) 379 final, S. 10; SWD(2018) 287 final, S. 17 f. COM(2018) 379 final, S. 10.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 33 EU-ZustVO 2020
Artikel 33 Mitteilung, Veröffentlichung und Handbuch (1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission die Angaben nach den Artikeln 3, 7, 12, 14, 17, 19, 20 und 22 mit. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission mit, ob ihr nationales Recht die Zustellung eines Schriftstücks nach Artikel 12 Absatz 5 und Artikel 13 Absatz 2 innerhalb einer bestimmten Frist erfordert. (2) 1Sind Mitgliedstaaten in der Lage, den Betrieb des dezentralen IT-Systems früher als in dieser Verordnung vorgeschrieben aufzunehmen, so können sie das der Kommission mitteilen. 2Die Kommission stellt diese Informationen auf elektronischem Wege zur Verfügung, insbesondere im Europäischen Justizportal. (3) Die Kommission veröffentlicht die nach Absatz 1 mitgeteilten Angaben im Amtsblatt der Europäischen Union, mit Ausnahme der Anschriften und sonstigen Kontaktdaten der Stellen und der Zentralstellen und deren örtlichen Zuständigkeitsbereiche. (4) 1Die Kommission erstellt und aktualisiert regelmäßig ein Handbuch, das die Angaben nach Absatz 1 enthält. 2Sie stellt das Handbuch in elektronischer Form bereit, insbesondere über das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen und über das Europäische Justizportal. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendungsinformationen . . . . . c) Nichtausschöpfung Übergangsfrist . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
1 1 1 2 5 6
II. Mitteilungspflichten der Mitgliedstaaten (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 9
2. Inhalt; Korrekturen und Aktualisierungen . . 12 3. Rechtswirkungen der Mitteilung . . . . . . . . 14 III. Verarbeitungs- und Publikationspflicht der Kommission (Abs. 3, 4) . . . . . . . . . . . . . 1. Erstellung und Aktualisierung Handbuch . . . 2. Elektronische Publikation . . . . . . . . . . . . 3. Veröffentlichung im Amtsblatt . . . . . . . . .
16 16 18 19
IV. Anzeigebefugnis (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . 20
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck a) Überblick Die Vorschrift soll die praktische Anwendung der Verordnung fördern.1 In Abs. 1, 3 und 4 zielt sie dazu auf die Transparenz des rechtlichen Rahmens, der für grenzüberschreitende Zustellungen zwischen den Mitgliedstaaten maßgeblich ist, und soll überdies erleichtern, sich über diesen und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände (z.B. Adressen) zu informieren.2 Vergleichbar dazu soll Abs. 2 gewährleisten, dass die betroffenen Stellen Kenntnis davon erlangen, inwieweit Mitgliedstaaten bereits vor Ablauf der insoweit vorgesehenen Übergangsfrist über das dezentrale IT-System erreichbar sind.
1
b) Anwendungsinformationen In ihrem Abs. 1 Unterabs. 1 fasst die Vorschrift zusammen und wiederholt die den Mitgliedstaaten bereits in Art. 3, 7, 12, 14, 17, 19, 20, 22 EU-ZustVO 2020 gegenüber der Kommission auferlegten
1 Vgl. Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/4. 2 Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 23 EuZVO Rz. 1: „Transparenz und Zugänglichkeit“. Vgl. auch ABl. EG 1997 C 261/29; KOM(1999) 219 endg.
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Art. 33 EU-ZustVO 2020 Mitteilung, Veröffentlichung und Handbuch Mitteilungspflichten. Erweitert wird dieses Kreis in Abs. 1 Unterabs. 2 um zusätzliche Angaben, zu deren Mitteilung die Mitgliedstaaten nicht bereits nach anderen Vorschriften verpflichtet sind. Durch Abs. 1 nicht aufgegriffen werden dagegen die die Mitgliedstaaten nach Abs. 2, Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 EU-ZustVO 2020, Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 3 EU-ZustVO 2020 und Art. 29 Abs. 3 EU-ZustVO 2020 gegenüber der Kommission treffenden Mitteilungspflichten. Auch greift Abs. 1 nicht die Benennungspflicht nach Art. 4 EU-ZustVO 2020 auf, welche neben einer Zuständigkeitsübertragung auch eine Mitteilungspflicht umfasst (s. Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 5, 8). Hintergrund für diese Vorgehensweise ist, dass Abs. 1 diejenigen Mitteilungspflichten zusammenfasst, an welche die Verordnung in Abs. 3, 4 der Vorschrift anknüpft. Die Zusammenfassung soll also die Bezugnahme erleichtern. Sie ist dagegen nicht Ausdruck einer unterschiedlichen Verbindlichkeit der in der Verordnung vorgesehenen Mitteilungspflichten. 3
Die von den Mitgliedstaaten nach Abs. 1 geschuldeten Mitteilungen sollen der Kommission Kenntnis davon verschaffen, ob und wie die Mitgliedstaaten (anderweitig, s. Rz. 14 f.) von ihnen durch die Verordnung eingeräumten Gestaltungsspielräumen gebraucht gemacht haben bzw. welchen Inhalt das durch die Verordnung im Rahmen einer Verweisung in Bezug genommene nationale Recht hat. Darüber hinaus sollen sie der Kommission (zum Zweck der Weitervermittlung, s. Rz. 4) Informationen vermitteln, welche tatsächlich erforderlich sind für die Anwendung der Verordnung.3 Erst anhand dieser Informationen ergibt sich das Gesamtbild des für grenzüberschreitende Zustellungen zwischen den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsrahmens.
4
Anknüpfend an Abs. 1, nicht aber an Abs. 2 oder sonst in der Verordnung begründete Mitteilungspflichten der Mitgliedstaaten begründen Abs. 3 und Abs. 4 für die Kommission Verpflichtungen zur Verarbeitung der empfangenen Informationen. Im Vordergrund steht dabei, dass die durch die Kommission von den einzelnen Mitgliedstaaten empfangenen und damit bei der Kommission zentral vorliegenden Informationen durch die Kommission dann allen (jeweils anderen) Mitgliedstaaten, allen an der Durchführung der Verordnung beteiligten Stellen sowie allen sonst mit der Anwendung der Verordnung konfrontierten Normunterworfenen (z.B. Beteiligte eines Rechtsstreits, Rechtsbeistände) bekannt bzw. zugänglich gemacht werden. Dabei sind alle nach Abs. 1 übermittelten Informationen von der Kommission zu ordnen und zu einem „Handbuch“ zusammenzufassen. Dieses ist dann nach Maßgabe von Abs. 4 in elektronischer Form bekannt zu machen, um jedermann liquide und kostenfrei Zugang zu den Informationen zu verschaffen. Daneben sind die nach Abs. 1 gemeldeten Informationen, mit Ausnahme der nach Art. 3 Abs. 4 zu machenden Mitteilungen, im Amtsblatt der EU zu veröffentlichen (Abs. 3). c) Nichtausschöpfung Übergangsfrist
5
Hintergrund von Abs. 2 ist die mit einer Übergangsfrist verbundene Einführung der im Grundsatz obligatorischen Kommunikation der am Rechtshilfeverkehr beteiligten Stellen über das dezentrale IT-System (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10). Die Regelung nimmt in den Blick, dass eine Übergangsfrist ausgeschöpft werden darf, nicht aber ausgeschöpft werden muss. Soweit einzelne Mitgliedstaaten die Übergangfrist nicht ausschöpfen wollen, können sie dies der Kommission entsprechend mitteilen. Diese hat eine dazu eingehende Anzeige zu publizieren, damit die anderen (die Übergangsfrist ebenfalls nicht ausschöpfenden) Mitgliedstaaten Kenntnis davon erlangen, dass ein Mitgliedstaat auch vor Ablauf der Übergangsfrist bereits über das dezentrale IT-System kommunizieren kann (und will).4 Mit Abs. 1, 3 und 4 teilt Abs. 2 lediglich, dass die Mitgliedstaaten eine Mitteilung an die Kommission machen (Abs. 2 S. 1) und die Kommission eine empfangene Mitteilung zu verarbeiten hat (Abs. 2 S. 2). Im Übrigen unterscheidet sich Abs. 2 aber dadurch, dass er nicht eine Mitteilungspflicht begründet, sondern eine Möglichkeit zur Mitteilung benennt. Weiter unterscheidet er sich dadurch, dass der von Abs. 2 ermöglichten Anzeige nur einmalig Bedeutung zukommt und Abs. 2 nicht auf eine andauernde Aktualität von Informationen ausgerichtet ist.
3 Vgl. auch Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht, Rz. VII/4: ohne weitere detaillierte Informationen nicht handhabbar. 4 Knöfel, RIW 2021, 473, 479.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 33 EU-ZustVO 2020
2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift geht zurück auf Art. 23 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)5 sowie auf Art. 17 lit. a, b 6 EG-ZustVO 2000, Art. 23 EG-ZustVO 2000.6 Bereits nach diesen Vorschriften hatten die Mitgliedstaaten der Kommission für die Durchführung der Verordnung relevante Informationen zu melden und hatte die Kommission diese Informationen im Amtsblatt zu veröffentlichen und zu einem Handbuch zusammenzufassen und dieses zu veröffentlichen. Nach Art. 17 lit. a EG-ZustVO 2000 war das Handbuch dabei angelegt als Unterstützung der direk- 7 ten Kommunikation zwischen den Übermittlungs- und Empfangsstellen; es war im Kern ein Adressverzeichnis zu den für die Durchführung der Verordnung benannten Stellen. Ergänzend zum Handbuch sah Art. 17 lit. b EG-ZustVO 2000 vor die Erstellung eines Glossars als Übersetzungs- und Verständnishilfe zu den wichtigsten Ausdrücken der Rechtssprache im Zusammenhang mit den nach der Verordnung zuzustellenden gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücke.7 Die Beiträge der Mitgliedstaaten zu diesem nur Informationszwecken dienenden, nicht aber rechtsverbindlichen Glossar ließen teilweise sehr unterschiedliche Begriffsverständnisse erkennen.8 In Ermangelung weiterer Vorgaben wurde ausgehend vom Begriff Handbuch überwiegend angenommen, dass die Kommission das Verzeichnis in Papierform herausgeben musste. Dafür sprach tendenziell auch, dass eine jährliche Erscheinungsweise vorgesehen war.9 Art. 17 EG-ZustVO 2007 behielt Art. 17 lit. a, b EG-ZustVO 2000 nicht bei. Vielmehr nahm Art. 23 EG-ZustVO 2007 aus Art. 17 lit. a EG-ZustVO 2000 die Erstellung des Handbuchs auf. Die Zusammenstellung eines Glossars entfiel.10 Aufgrund der Zusammenführung von Art. 17 lit. a EG-ZustVO mit Art. 23 EG-ZustVO 2000 in Art. 23 EG-ZustVO 2007 wurde der Inhalt des Handbuchs erweitert auf alle von den Mitgliedstaaten zur Ausnutzung der eröffneten Gestaltungsspielräume zu meldenden Angaben. Zugleich wurde klargestellt, dass das Handbuch (lediglich) in elektronischer Form veröffentlicht werden muss (Art. 23 Abs. 3 EG-ZustVO 2007). An die Vorgängerregelung knüpft die Vorschrift an. Dabei erweitert sie einerseits die vorherige Rege- 8 lung um die Mitteilungen zur Unterstützung bei der Ermittlung von Anschriften (Art. 7 EU-ZustVO 2020)11 und den im Zusammenhang mit der Digitalisierung der direkten Kommunikation zwischen den Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen stehenden Abs. 2.12 Andererseits bezieht sie sich im Unterschied zur Vorgängerregelung nicht mehr auf die Benennung der Zentralstellen nach Art. 4 EU-ZustVO 2020 und auch nicht mehr auf die Mitteilung der Zustellungskosten nach Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 3 EU-ZustVO 2020.13 Diese Änderungen sahen der Kommissionsentwurf und der Standpunkt des Parlaments in erster Lesung noch nicht vor.14 Die Regelung in Abs. 2 wurde eingefügt während der Beratungen erster Lesung im Rat mit der Allgemeinen Ausrichtung.15 Die weiteren Änderungen sind erst erfolgt im nach Abschluss der Triloggespräche16 beschlossenen Standpunkt erster Lesung des Rates, ohne dass sich den veröffentlichten Materialen des Verordnungsverfahrens
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 33 EuZVO 2022 Rz. 1. Krit. zu diesen Regelungen der Evaluationsbericht, KOM(2004) 603 endg., S. 8. ABl. EG 1997 C 261/35; KOM(1999) 219 endg.; Brenn, Art. 20 EZV Anm. c). EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 42 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 47 – Roda Golf & Beach Resort SL; Knöfel, IPRax 2017, 245, 252. ABl. EG 1997 C 261/30; KOM(1999) 219 endg.; Bataller, ABl. EG 1999 C 368/49; Brenn, Art. 17 EZV Anm. b). GA Bot, Schlussanträge v. 4.6.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:364 Rz. 18, 37 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez; Knöfel, IPRax 2017, 245, 252; Mankowski, EuZW 2015, 950. – A.A. inzident Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 17 EG-ZustVO 2007 Rz. 1. A.A. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 33 EuZVO 2022 Rz. 1. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 33 EuZVO 2022 Rz. 1. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 33 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4. – A.A. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 33 EuZVO 2022 Rz. 1. COM(2018) 379 final, S. 27; Cofferati, A8-0001/2019. Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 36. Die Einschränkungen gegenüber der Vorgängerregelung waren noch nicht enthalten in Ratsdok. 9238/20 (30.6.2020), S. 152 f.
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Art. 33 EU-ZustVO 2020 Mitteilung, Veröffentlichung und Handbuch eine Begründung hierfür entnehmen lässt.17 Dass Abs. 1 Unterabs. 1 nicht auf Art. 4 EU-ZustVO 2020 verweist, ließe sich mit der geringeren Bedeutung, welche Zentralstellen mit dem Beginn der direkten Kommunikation über das dezentrale IT-System zukommt, erklären. Dafür, dass Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 3 EU-ZustVO 2020 nicht in Bezug genommen wird, lässt sich ein sachlicher Grund nicht erkennen. Es liegt daher für beide Fälle als Erklärung näher, dass sie infolge mangelnde Sorgfalt im Verordnungsverfahren (Berücksichtigung der kurzfristig erfolgten Einstellung des Vorschlags für Art. 1 Abs. 4 als eigener Art. 2 EU-ZustVO 2020, s. Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 a.E.) nicht mehr erwähnt werden.18 Da die Angaben zu den Zustellungskosten für Normunterworfene (insbesondere für die zeitsparende Einzahlung von Kostenvorschüssen ohne Kostenanforderung) von praktischem Interesse ist, gleicht die Kommission diesen Mangel des Verordnungsverfahrens durch eine freiwillige Publikation aus.
II. Mitteilungspflichten der Mitgliedstaaten (Abs. 1) 1. Gegenstand 9
Nach Abs. 1 obliegen den Mitgliedsstaaten verschiedene Mitteilungspflichten gegenüber der Kommission. In Abs. 1 Unterabs. 1 wird dies für die dort genannten Mitteilungen lediglich wiederholt. Bereits in den in Bezug genommenen Vorschriften wird jeweils eine entsprechende Mitteilungspflicht begründet, welche unabhängig von Abs. 1 rechtsverbindlich ist. Eigenständig begründet Abs. 1 Unterabs. 2 weitere Pflichten für die Mitgliedstaaten.
10
Die in Abs. 1 Unterabs. 1 zusammengefassten Mitteilungen betreffen (mit Ausnahme von Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 3 EU-ZustVO 2020: Übersetzung des Formblatts L in die Sprache eines Drittstaates) die den Mitgliedstaaten durch die Verordnung belassenen Gestaltungsspielräume: – Bestimmung der zuständigen Übermittlungsstellen (s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 ff.) sowie der zuständigen Empfangsstellen, ihrer Zuständigkeitsbereiche, der für die Kommunikation mit ihnen zugelassenen Sprachen sowie der verfügbaren Empfangseinrichtungen (Art. 3 Abs. 4 EU-ZustVO 2020, s. Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 26 f.); dagegen werden mangels eines Verweises auf Art. 4 EU-ZustVO 2020 anders als nach Art. 23 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 nicht mehr erfasst Benennungen der Zentralstellen (s. Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 21 f.); – Mittel der Unterstützung bei der Adressermittlung, insoweit zuständige Stellen und Hinweis auf amtswegige Adressermittlung (Art. 7 Abs. 2 EU-ZustVO 2020); – weitere Ausfüllsprachen für Formblatt K (Art. 14 Abs. 2 S. 2 EU-ZustVO 2020); – Vorbehalt gegenüber Direktzustellung auf diplomatischem oder konsularischem Weg (Art. 17 Abs. 2 EU-ZustVO 2020); – Bedingungen unter denen eine Zustellung auf elektronischem Weg per E-Mail bewirkt werden kann (Art. 19 Abs. 2 EU-ZustVO 2020); – Berufsgruppen oder qualifizierte Personen, welche unmittelbare Zustellungen vornehmen dürfen, wenn unmittelbare Zustellungen zugelassen sind (Art. 20 Abs. 2 EU-ZustVO 2020); – Zulassung der Entscheidung bei Nichteinlassung des Beklagten ohne Empfangsnachweis (Art. 22 Abs. 2 EU-ZustVO 2020, s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 69); – Befristung Wiedereinsetzungsrecht bei Entscheidung trotz Nichteinlassung (Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 3 EU-ZustVO 2020, s. Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 112);
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Gegenstand der in Abs. 1 Unterabs. 2 eigenständig begründeten Mitteilungspflicht ist der Inhalt des nationalen Rechts der Mitgliedstaaten dazu, inwieweit Zustellungen nicht (nur) Fristen auslösen, sondern (auch) i.S.v. Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 und Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO zur Wahrung einer Frist erforderlich sind und daher sich der Zeitpunkt der Zustellung auch nach dem Recht des eine entsprechende Zustellungslast begründenden Rechts richtet. Ein großer praktischer Nutzen ist mit der Mitteilung und nachfolgenden Veröffentlichung dieser Information nicht verbunden. Darin, dass Abs. 1 Unterabs. 2 überflüssigerweise gleichwohl eine entsprechende Mitteilungspflicht begrün17 Ratsdok. 9434/20 (8.7.2020), S. 44; Ratsdok. 9890/20 (20.10.2020), S. 47. 18 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 33 VO (EU) 2020/1784 Rz. 4.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 33 EU-ZustVO 2020
det, scheint durch das auch Erwägungsgrund 27 S. 3, 4 EU-ZustVO 2020 zugrunde liegende Missverständnis des Konzepts des doppelten Datums (s. Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 6, 8 f.). 2. Inhalt; Korrekturen und Aktualisierungen Zur Mitteilung verpflichtet sind alle Mitgliedstaaten (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42). Die Verord- 12 nung sieht keine bestimmte Form der Mitteilung und auch nicht die obligatorische Nutzung eines bestimmten Kommunikationswegs vor (anders z.B. Art. 22 Abs. 1 EU-UrkVO). Hinsichtlich des Zeitpunkts der Mitteilung macht die Vorschrift keine Vorgaben. Dies bedeutet, dass die Mitteilungspflicht sogleich mit dem Beginn der zeitlichen Geltungsbereichs der Vorschrift zu erfüllen war. Nach Sinn und Zweck wirkte eine Erfüllung der Mitteilungspflicht aus Art. 23 EG-ZustVO 2007, soweit kein Ergänzungs-, Änderungs- oder Korrekturbedarf besteht, als Erfüllung der Verpflichtung aus der Vorschrift fort. Keine ausdrückliche Aussage trifft Abs. 1 dazu, inwieweit die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, anfänglich inhaltlich unzutreffende Mitteilungen zu korrigieren bzw. im Falle von sich ergebenden Änderungen inhaltlich unzutreffend gewordene Mitteilung zu aktualisieren. Bereits aus Sinn und Zweck der Mitteilungspflichten ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, inhaltlich unrichtige Mitteilungen zu korrigieren. Hinsichtlich der nach Abs. 1 geschuldeten Mitteilungen sind die Mitgliedstaaten darüber hinaus auch zu einer Änderungsmitteilung verpflichtet, soweit sich die mitzuteilenden Umstände gegenüber dem Inhalt der früheren Mitteilung geändert haben.19 Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 2 EU-ZustVO 2020 und Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 2 EU-ZustVO 2020 ordnen dies ausdrücklich an. Der Pflicht nach Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 3 EU-ZustVO 2020 ist immanent, sie im Falle jeder Neuübersetzung zu erfüllen. Hinsichtlich der nach Art. 14, 17 und 19 EU-ZustVO 2020 zu machenden Mitteilungen fehlt zwar eine ausdrückliche Anordnung und den Regelungen ist auch nicht immanent, dass Änderungsmitteilungen zu machen sind. Gleichwohl ist von einer entsprechenden Verpflichtung der Mitgliedstaaten auszugehen. Dies ergibt sich aus Sinn und Zweck der Mitteilungspflichten. Mit ihnen soll sichergestellt werden, dass die Kommission sich ein vollständiges und zutreffendes Bild über die bestehende Rechtslage machen und hierüber zutreffend informieren kann. Dies soll die Anwendung der Verordnung erleichtern. Da dieses Ziel dauerhaft während der Geltung der Verordnung erreicht werden soll, muss die Kommission sich dauerhaft ein zutreffendes Bild verschaffen können. Nicht zuletzt weist in diese Richtung auch Abs. 4, wonach die Kommission das Handbuch fortlaufend zu aktualisieren hat.
13
3. Rechtswirkungen der Mitteilung Die Erfüllung der Verpflichtung aus Abs. 1 dient allein der Informationsvermittlung. Sie wirkt als 14 solche (auch in Verbindung mit der Publikation von Mitteilungen durch die Kommission) nicht rechtsgestaltend.20 Weder bewirken Mitteilungen (i.V.m. einer Publikation) eine Änderung der Rechtslage noch ist eine Änderung der Rechtslage von ihrer Mitteilung (i.V.m. einer Publikation) abhängig. Dadurch, dass ein Mitgliedstaat mitteilt, ob und inwieweit er einen ihm durch die Verordnung eingeräumten Gestaltungsspielraum ausgenutzt hat oder welchen Inhalt sein durch die Verordnung in Bezug genommenes nationalen Rechts hat, wird mithin nicht die Rechtslage in diesem Mitgliedstaat bzw. im Rechtsverkehr mit diesem Mitgliedstaat entsprechend dem Inhalt der Mitteilung geändert. Derartiges sieht die Vorschrift nicht vor. Dafür spricht zunächst, dass die Vorschrift an die Mitteilung keine entsprechende Rechtsfolge knüpft. Daneben weist die Heterogenität der in 19 Vgl. SWD(2018) 287 final, Annex 8: Evaluation Report, S. 44. 20 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 23 EG-ZustVO 2007 Rz. 2; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 33 VO (EU) 2020/1784 Rz. 7; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 23 EuZVO Rz. 1. Vgl. auch EuGH v. 25.6.2009 – C-14/08, ECLI:EU:C:2009:395 Rz. 46 f. – Roda Golf & Beach Resort SL; EuGH v. 11.11.2015 – C-223/14, ECLI:EU:C:2015:744 Rz. 42 – Tecom Mican SL, José Arias Domínguez, IPRax 2017, 272. – A.A. tendenziell GA Bobek, Schlussanträge v. 26.11.2020 – C-307/19, ECLI:EU:C:2020:971 Rz. 102 – Obala i lucˇice d.o.o./NLB Leasing d.o.o.; LG Berlin v. 20.8.2002 – 15 O 562/01, BeckRS 2002, 16588 Rz. 70; Brenn, Art. 23 EZV Anm. 2. b) zu Art. 23 EG-ZustVO 2000. – Für die EG-ZustVO 2007 differenzierend Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 23 EuZVO Rz. 2. – Unklar Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 23 EG-ZustellVO Rz. 1 f.: (Mitteilung mit Vorbehaltscharakter, Mitteilung mit regelndem Charakter, aber Verbindlichkeit des nationalen Rechtsakts).
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Art. 33 EU-ZustVO 2020 Mitteilung, Veröffentlichung und Handbuch der Vorschrift zusammengefassten Mitteilungspflichten in diese Richtung. Jedenfalls für einzelne von ihnen liegt die Anknüpfung einer Rechtsgestaltung an die Mitteilung fern (z.B. Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. b EU-ZustVO 2020, Art. 12 Abs. 2 Unterabs. 3 EU-ZustVO 2020), ohne dass die Vorschrift einen Anhaltspunkt dafür liefert, dass an verschiedene Mitteilungen unterschiedliche Rechtsfolgen anknüpfen. 15
Den Mitteilungen wird eine rechtsgestaltende Wirkung auch nicht durch andere Vorschriften beigemessen (anders z.B. Art. 7 Abs. 1 EU-UrkVO). Dies ergibt die Auslegung der Vorschriften der Verordnung, insbesondere der in Abs. 1 Unterabs. 1 genannten Vorschriften. Ihnen ist, soweit Mitteilungen zu Rechtsfolgen bzw. zur Rechtslage vorgesehen sind, zu entnehmen, dass die Mitgliedstaaten die Kommission von anderweitig herbeigeführten Rechtsfolgen unterrichten. Dafür spricht der Wortlaut der Vorschriften, nachdem die Mitgliedstaaten etwas „mitteilen“, nicht dagegen etwas (gestaltend) erklären. Hierin unterscheidet sich namentlich der an Art. 22 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 in der Formulierung angepasste Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 3 EU-ZustVO 2020 von Art. 19 Abs. 4 Unterabs. 3 EG-ZustVO 2007, zu welchem der EuGH in der Rechtssache Emmanuel Lebek/Janusz Domino21 angenommen hatte, dass mit Rücksicht auf die Rechtssicherheit die Mitteilung eines Mitgliedstaats die Rechtslage bestimme. Neben der Wendung „mitteilen“ spricht die Anordnung einer Verpflichtung zur Änderungsmitteilung (Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 2 EU-ZustVO 2020 und Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 2 EU-ZustVO 2020) dafür, dass über eine erfolgte Rechtsänderung zu unterrichten und nicht die Rechtslage umzugestalten ist. In Art. 14 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 spricht das Zusammenspiel von „zugelassen“ und „gibt an“ dafür, dass die Mitteilung einer anderweitig erfolgten Zulassung nachfolgt. Vergleichbares gilt für das Zusammenspiel von „festlegen“ und „mitteilen“ in Art. 19 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 und von „zulässt“ und „informiert … darüber“ in Art. 20 Abs. 2 EU-ZustVO 2020. In Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 3 EU-ZustVO 2020 spricht S. 3 („Informationen“) gegen eine rechtsgestaltende Wirkung. Für Art. 17 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 lässt sich eine vergleichbare Bekräftigung der Wendung „mitteilen“ zwar nicht anführen. Bei Berücksichtigung des in den anderen Vorschriften erkennbar gewordenen Regelungsmusters der Verordnung bedarf es einer solchen aber auch nicht. Entgegen der Annahme des EuGH in der Rechtssache Emmanuel Lebek/Janusz Domino spricht auch die Form der Verordnung nicht dafür, den Mitteilungen der Mitgliedstaaten gestaltende Wirkung beizulegen. Zwar trifft es zu, dass unmittelbar geltende Verordnungen in besonderer Weise auf eine Harmonisierung zielen. Dem kommt allerdings dort keine Bedeutung zu, wo den Mitgliedstaaten Gestaltungsspielräume eingeräumt sind. Abweichendes wird entgegen der Annahme des EuGH auch nicht durch das Interesse an Rechtssicherheit geboten. Der Rechtssicherheit wird durch die Ablehnung einer gestaltenden Wirkung nicht weniger gedient. Denn die Rechtsfolgen bestimmen sich dann zweifelsfrei allein nach dem nationalen Recht und nicht nach den Mitteilungen. Betroffen wird allein das Vertrauen in die Richtigkeit der Mitteilungen. Wird dieses enttäuscht, ist dem nicht durch Vertrauensentsprechung, sondern durch einen Amtshaftungsanspruch als in die nationalen Verfassungsordnungen (Gewaltenteilung) weniger intensiv eingreifende Rechtsfolge Rechnung zu tragen.
III. Verarbeitungs- und Publikationspflicht der Kommission (Abs. 3, 4) 1. Erstellung und Aktualisierung Handbuch 16
Die Kommission ist nach Abs. 4 S. 1 verpflichtet, ein Handbuch zur Verordnung zu erstellen (Erwägungsgrund 36 S. 1 EU-ZustVO 2020). Dabei versteht die Verordnung unter einem Handbuch eine nach sachlichen Kriterien geordnete Informationssammlung betreffend die Verordnung, welche die rechtssichere Anwendung der Verordnung für die hiermit befassten Stellen erleichtern soll. Hinsichtlich des Inhalts fordert Abs. 4 S. 1 lediglich, dass das Handbuch die von den Mitgliedstaaten nach Abs. 1 mitgeteilten Informationen enthält. Weitere Inhalte muss das Handbuch nicht enthalten. Zugleich ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Kommission weitere Inhalte in das Handbuch aufnimmt. Dabei kann es sich handeln u.a. um Angaben zu den nach Art. 15 Abs. 2 Unterabs. 2 S. 3 EU-ZustVO 2020 mitgeteilten Festgebühren, um Angaben zu den Zentralstellen und zu neben der Verordnung anwendbaren völkerrechtlichen Übereinkommen (vgl. Art. 29 Abs. 2 EU-ZustVO 2020). 21 EuGH v. 7.7.2016 – C-70/15, ECLI:EU:C:2016:524 Rz. 50 ff. – Emmanuel Lebek/Janusz Domino; folgend Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 23 EuZVO Rz. 2.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 33 EU-ZustVO 2020
Weiter kann es sich handeln um die Auslegung klärende Entscheidungen des EuGH, aber auch um durch die Kommission oder in ihrem Auftrag erarbeitete (und sich erkennbar keine Rechtsverbindlichkeit beimessende) Erläuterungen des Rechtsakts. Darüber hinaus ist die Kommission nach Abs. 4 S. 1 verpflichtet, das Handbuch regelmäßig zu aktuali- 17 sieren; die Mitgliedstaaten haben sie durch Art und Weise der Erfüllung der sie treffenden Verpflichtungen hierbei zu unterstützen (Erwägungsgrund 36 S. 2 EU-ZustVO 2020). Einen bestimmten Rhythmus legt die Verordnung dafür nicht fest (anders noch Art. 17 lit. a EG-ZustVO 2000).22 Aus Sinn und Zweck der Pflicht zur Aktualisierung folgt, dass die Kommission unverzüglich tätig werden muss, wenn sich ein Anlass zur Aktualisierung ergibt, d.h. der Inhalt des Handbuches infolge von Sach- oder Rechtsänderungen nicht mehr aktuell ist. Ein entsprechender Anlass kann sich insbesondere daraus ergeben, dass Mitgliedstaaten eine Änderungsmitteilung (s. Rz. 13) übermitteln. Hat die Kommission in das Handbuch z.B. Entscheidungen des EuGH aufgenommen, kann sich ein Änderungsbedarf ergeben aus einem Rechtsprechungswandel. 2. Elektronische Publikation Nach Abs. 4 S. 2 hat die Kommission das von ihr erstellte bzw. aktualisierte Handbuch in elektroni- 18 scher Form bereit zu stellen, d.h. zu publizieren. Dies muss zumindest erfolgen über das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen und über das Europäische Justizportal. Die Kommission ist aber weder auf die elektronische Publikation noch auf die beiden Publikationsorgane beschränkt, sondern kann die Informationen auch zusätzlich an anderer Stelle und in einer anderen Form publizieren. 3. Veröffentlichung im Amtsblatt Die nach Abs. 1 von den Mitgliedstaaten mitgeteilten Informationen sind von der Kommission im Amtsblatt zu veröffentlichen. Hiervon ausgenommen sind die Angaben nach Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a, b, c EU-ZustVO 2020. Überdies sind ausgenommen die Anschriften und sonstigen Kontaktdaten der Zentralstellen (Art. 4 EU-ZustVO 2020). Freilich besteht in Ansehung dieser ohnehin keine Veröffentlichungspflicht (Abs. 1 verweist nicht auf Art. 4 EU-ZustVO 2020; anders noch Art. 23 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 mit Verweis auf Art. 3 EG-ZustVO 2007).
19
IV. Anzeigebefugnis (Abs. 2) Nach Abs. 2 S. 1 ist jeder Mitgliedstaaten berechtigt, nicht aber verpflichtet, der Kommission anzuzeigen, dass er willens und in der Lage ist, sich vor Ablauf der Übergangsfrist am dezentralen ITSystem (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10) zu beteiligen. Zwar scheint der Wortlaut von Abs. 2 S. 1 allein auf das Vorliegen der objektiven Voraussetzungen dafür, sich vorfristig am dezentralen IT-System zu beteiligen, abzustellen. Daraus, dass keine Mitteilungspflicht, sondern nur ein Recht zur Mitteilung begründet wird, ergibt sich aber, dass letztlich die Anzeige selbst die Kundgabe des entsprechenden Willens voraussetzt und umfasst. Da die Anzeige zum Gegenstand hat eine Verkürzung der Übergangsfrist, geht die Regelung von einer einmaligen Anzeige aus mit der Folge, dass eine Pflicht zur Korrektur-, nicht aber auch zur Aktualisierungsmitteilung (s. Rz. 13) bestehen kann.
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Die Übergangsfrist als solche bleibt von Abs. 2 ebenso wie von den Mitteilungen der Mitgliedstaaten 21 unberührt. Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, vorzeitig die Voraussetzungen für die Teilnahme am dezentralen IT-System zu schaffen. Sie müssen auch nicht, wenn sie vorzeitig die objektiven Voraussetzungen für die Teilnahme am dezentralen IT-System geschaffen haben, sich vor Ablauf der Übergangsfrist am dezentralen IT-System beteiligen. Entscheiden sie sich vor Ablauf der Übergangsfrist für eine Teilnahme und teilen sie dies der Kommission nach Abs. 2 mit, folgt hieraus nicht, dass die Nutzung des dezentralen IT-Systems vor Ablauf der Übergangfrist obligatorisch ist. Eine Anzeige nach Abs. 2 begründet für den anzeigenden Mitgliedstaat nach Sinn und Zweck allerdings eine passive Nutzungspflicht – über das dezentrale IT-System (als geeignetem Übermittlungsweg i.S.v. Art. 4 22 Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 23 EuZVO Rz. 3.
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Art. 34 EU-ZustVO 2020 Monitoring Abs. 2 EG-ZustVO 2007) eingehende zuzustellende Schriftstücke, Ersuchen, Bestätigungen, Empfangsbestätigungen, Bescheinigungen und Mitteilungen sind zu bearbeiten.23 22
Nach Abs. 2 S. 2 hat die Kommission Mitteilungen, welche sie nach Abs. 2 S. 1 empfangen hat, elektronisch zu publizieren und zwar zumindest im Europäischen Justizportal. Die Kommission ist aber weder auf die elektronische Publikation noch auf die Publikation im Europäischen Justizportal beschränkt, sondern kann die Informationen auch an anderer Stelle und in einer anderen Form publizieren.
Artikel 34 Monitoring (1) Die Kommission erstellt bis zum 2. Juli 2023 ein ausführliches Programm für das Monitoring der Leistungen, der Ergebnisse und der Wirkung dieser Verordnung. (2) 1In dem Monitoring-Programm wird festgelegt, welche Maßnahmen die Kommission und die Mitgliedstaaten zum Monitoring der Leistungen, der Ergebnisse und der Wirkung dieser Verordnung zu treffen haben. 2Darin wird festgelegt, wann die in Absatz 3 genannten Daten erstmals zu erfassen sind – spätestens bis zum 2. Juli 2026 – und in welchen weiteren Zeitabständen diese Daten zu erfassen sind. (3) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission je nach Verfügbarkeit folgende für die Zwecke des Monitorings erforderliche Daten: a) die Anzahl der nach Artikel 8 übermittelten Ersuchen um Zustellung von Schriftstücken; b) die Anzahl der nach Artikel 11 ausgeführten Ersuchen um Zustellung von Schriftstücken; c) die Anzahl der Fälle, in denen das Ersuchen um Zustellung von Schriftstücken mit anderen Mitteln als dem dezentralen IT-System nach Artikel 5 Absatz 4 übermittelt wurde; d) die Anzahl der eingegangenen Bescheinigungen über die Nichtzustellung von Schriftstücken; e) die Anzahl der Fälle, in denen die Annahme von Schriftstücken, die bei den Übermittlungsstellen eingegangen sind, aus sprachlichen Gründen verweigert wurde. (4) Die Referenzimplementierungssoftware und – soweit es dafür ausgerüstet ist – das nationale Back-End-System erfassen die in Absatz 3 Buchstaben a, b und d genannten Daten durch entsprechende Programmierung und übermitteln sie regelmäßig der Kommission. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
1 1 3
II. Aufstellung eines Monitoringprogramms (Abs. 1, 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
III. Datenübermittlung durch die Mitgliedstaaten (Abs. 3, 4) . . . . . . . . . . . . . . . .
9
Schrifttum: S. das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift dient wie Art. 35 EU-ZustVO 2020 der tatsächlichen Verwirklichung der Ziele der Verordnung (vgl. Erwägungsgrund 3 EU-ZustVO 2020).1 Sie enthält wie Art. 35 EU-ZustVO 2020 einen Teil der aus Art. 24 EG-ZustVO 2000 und Art. 24 EG-ZustVO 2007 bekannten Überprüfungspflicht. Während die Vorgängervorschriften zum Gegenstand haben eine kontinuierliche Betrachtung des Er23 Vgl. auch Geimer/Schütze/Okonska, Art. 33 VO (EU) 2020/1784 Rz. 5. 1 Vgl. Erwägungsgrund 11 Kommissionsentwurf, COM(2018) 379 final, S. 18; COM(2018) 379 final, S. 12; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 34 EuZVO 2022 Rz. 1.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 34 EU-ZustVO 2020
folgs der Verordnung über längere Zeit und die Entwicklung von Vorschlägen zur Verbesserung der Verordnung, zielt das Monitoring (systematische Betrachtung) lediglich darauf, durch fortlaufende Beobachtung zeitnah Anzeichen für etwaige Fehlentwicklungen zu erkennen, um sich bei Bedarf näher mit diesen zu beschäftigen.2 Bedeutung erlangt dies u.a. im Zusammenhang mit der Einführung einer obligatorischen Nutzung des dezentralen IT-Systems – insoweit fehlen bislang praktische Erfahrungen vollständig. In Abs. 1 legt die Vorschrift der Kommission die Verpflichtung auf, ein ausführliches Programm zur systematischen Beobachtung der sich während der praktischen Anwendung der Verordnung zeigenden Leistungen, Ergebnisse und Wirkung zu erstellen.3 Ausweislich Abs. 2 begründet Abs. 1 im entsprechenden Umfang aber nicht nur eine Verpflichtung, sondern enthält zugunsten der Kommission zugleich eine Kompetenzregelung, um für sich selbst und die Mitgliedstaaten rechtliche Verpflichtungen im Rahmen der Umsetzung des erarbeiteten Beobachtungsprogramms zu begründen. Abs. 3 enthält einen Katalog der von den Mitgliedstaaten zum Zweck der systematischen Beobachtung nach Möglichkeit zu erhebenden und an die Kommission zu übermittelnden Daten.4 Entsprechend modernen technischen Möglichkeiten gibt Abs. 4 vor, einen Teil der durch die Mitgliedstaaten zu erhebenden und zu übermittelnden Daten vorzugsweise automatisch zu erheben und an die Kommission zu übermitteln (vgl. Erwägungsgrund 43 S. 3 f. EU-ZustVO 2020).
2
2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift wurde neu eingefügt. Die beiden Vorgängerverordnungen enthielten keine direkte Entsprechung (vgl. Anhang III). Freilich übernimmt die Neuregelung abgeschichtete Teile der zuvor in Art. 24 EG-ZustVO 2000/EG-ZustVO 2007 vorgesehenen Überprüfungspflicht.5 Zurück geht die Neuregelung auf Art. 1 Änderungsvorschlag 15 des Kommissionsentwurfs (Einfügung von Art. 23a).6 Danach sollte die Kommission ein detailliertes Monitoringprogramm innerhalb von zwei Jahren nach Geltungsbeginn der Änderungsverordnung erstellen. Ein Katalog der durch die Mitgliedstaaten zu übermittelnden Daten (heute Abs. 3) sowie eine Klausel zur automatischen Datenerhebung und -übermittlung (heute Abs. 4) waren noch nicht vorgesehen. Im Übrigen entsprach der Kommissionsentwurf praktisch bereits dem geltenden Verordnungstext. Das Parlament sprach sich dafür aus, die Frist zur Erstellung eines Monitoringprogramms auf ein Jahr ab Inkrafttreten zu verkürzen.7 Der Rat sah eine Reihe von Konkretisierungen der Regelung vor, insbesondere schlug er den Katalog in Abs. 3 vor.8
3
II. Aufstellung eines Monitoringprogramms (Abs. 1, 2) Nach Abs. 1 ist die Kommission verpflichtet, ein ausführliches Monitoringprogramm zu erstellen. Die Pflicht ist bis spätestens zum 2.7.2023 zu erfüllen. Abs. 2 räumt der Kommission die Kompetenz ein, dem Monitoringprogramm Rechtsverbindlichkeit auch gegenüber den Mitgliedstaaten zu verleihen.
4
Die Verpflichtung umfasst zunächst, dass die Kommission festlegt, anhand welcher qualitativen und quantitativen Indikatoren (Kennzahlen)9 Leistungen, Ergebnisse und Wirkung der Verordnung be-
5
2 Vgl. SWD(2018) 287 final, S. 53. 3 Vgl. COM(2018) 379 final, S. 11. 4 Die Regelung reagiert damit auf in der Vergangenheit offenbar gewordene Schwierigkeiten, statistische Daten von Stellen der Mitgliedstaaten zu erlangen (vgl. dazu European Commission, Directorate-General for Justice and Consumers/Gascón Inchausti/Hess/Cuniberti et al., An evaluation study of national procedural laws and practices in terms of their impact on the free circulation of judgments and on the equivalence and effectiveness of the procedural protection of consumers under EU consumer law: strand 1: mutual trust and free circulation of judgments, Publications Office, 2017, Rz. 30). 5 Abw. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 34 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1; Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 34 EuZVO 2022 Rz. 1. 6 COM(2018) 379 final, S. 15, 27. 7 P8_TA-PROV(2019)0104, S. 33. 8 Ratsdok. 14599/19 (28.11.2019), S. 37. 9 Vgl. dazu SWD(2018) 287 final, S. 54 f.
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Art. 34 EU-ZustVO 2020 Monitoring urteilt werden sollen.10 Weiter muss die Kommission ein klares, strukturiertes Berichterstattungsverfahren festlegen11 und bestimmen, ob die erforderlichen Kennzahlen direkt erhoben werden oder aus Hilfskennzahlen abgeleitet werden. Die Kommission ist dabei nicht auf die in Abs. 3 benannten Informationen beschränkt, sondern darf und muss erforderlichenfalls auch weitere Kennzahlen in die Planung der Beobachtung einbeziehen. Darüber hinaus muss die Kommission festlegen, an welchen Stellen die Kennzahlen zu welchem Zeitpunkt und in welchem Intervall erhoben werden sollen (vgl. Abs. 2 S. 2). Überdies muss die Kommission Festlegungen dazu treffen, mit welchem Ziel, unter Anwendung welcher Methoden und in welchen Intervallen die Daten ausgewertet und bewertet werden. Sie hat gegebenenfalls Referenz- und Schwellenwerte zu den Kennzahlen festzulegen, deren Verfehlung bzw. Überschreitung als Anzeichen für eine Fehlentwicklung gilt und bestimmte weitere Maßnahmen auslöst. 6
Hierauf aufbauend hat die Kommission diejenigen konkreten Einzelmaßnahmen zu erarbeiten, welche von ihr (insbesondere Empfang, Aggregation und Speicherung von Daten, Auswertung von Daten) bzw. den Mitgliedstaaten (insbesondere Datenerhebung und -übermittlung) im Rahmen der systematischen Beobachtung zu ergreifen sind. Dies umfasst gegebenenfalls auch Vorgaben zur Verwendung bestimmter Formulare oder Schnittstellen zur Datenerhebung und -übermittlung.
7
Die vorgenannten Entscheidungen muss die Kommission unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Beobachtung und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes treffen und berücksichtigen, dass die Ergebnisse der Beobachtung eine Qualitätsbeurteilung aus Sicht der beteiligten Interessen ermöglichen sollen. Daneben hat die Kommission zu berücksichtigen den entstehenden Aufwand und den möglichen Nutzen und hat beides in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Dies erlangt Bedeutung insbesondere für die Bestimmung des Umfangs der zu erhebenden Kennzahlen sowie das Intervall von Datenerhebungen.
8
Die von der Kommission im Monitoringprogramm festgelegten Einzelmaßnahmen sind rechtsverbindlich entsprechend der von der Kommission gewählten Rechtsform sowohl für die Kommission als auch für die Mitgliedstaaten. Die Kommission ist im Rahmen der Vorschrift zum Erlass eines Durchführungsrechtsakts berechtigt. Sie darf nach Sinn und Zweck einen solchen Durchführungsrechtsakt auch ändern.
III. Datenübermittlung durch die Mitgliedstaaten (Abs. 3, 4) 9
Nach Abs. 3 sind die Mitgliedstaaten im Rahmen des Monitoringprogramms verpflichtet, der Kommission die im Katalog benannten Kennzahlen zu übermitteln. Diese Verpflichtung kann die Kommission durch das von ihr nach Abs. 1, 2 aufzustellende Monitoringprogramm konkretisieren (z.B. hinsichtlich der Datengewinnung, welche Daten verfügbar macht, oder hinsichtlich von Zeitpunkt und Form der Datenübermittlung) und auch erweitern (z.B auf weitere nach dem Programm erforderliche Kennzahlen). Die Mitgliedstaaten sind gegenüber der Kommission verpflichtet, die Daten entsprechend dem Monitoringprogramm zu übermitteln.
10
Abs. 4 formuliert in erster Linie eine von der Kommission bei Erstellung der Referenzimplementierungssoftware (s. Art. 27 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff.) zu beachtende Vorgabe und daneben einen inhaltsgleichen Appell an die Mitgliedstaaten, sofern diese sich dafür entscheiden, nicht die Referenzimplementierungssoftware, sondern eine andere Back-End-Software einzusetzen (vgl. Erwägungsgrund 43 S. 3 f. EU-ZustVO 2020). Die Kommission muss bei der Entwicklung der Referenzimplementierungssoftware sicherstellen, dass diese bestimmte Daten automatisch erhebt und an die Kommission übermittelt. Die Mitgliedstaaten werden aufgerufen, eine von ihnen entwickelte BackEnd-Software, welche anstelle der Referenzimplementierungssoftware eingesetzt wird, ebenso zu gestalten. Hierdurch soll die Datenerhebung und -übermittlung automatisiert und der damit verbundene Aufwand reduziert werden.
10 COM(2018) 379 final, S. 12; SWD(2018) 287 final, S. 53. 11 COM(2018) 379 final, S. 12; SWD(2018) 287 final, S. 53.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 35 EU-ZustVO 2020
Artikel 35 Bewertung (1) Spätestens fünf Jahre nach Geltungsbeginn des Artikels 5 gemäß Artikel 37 Absatz 2 führt die Kommission eine Bewertung dieser Verordnung durch und legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht mit ihren wichtigsten Ergebnissen – gegebenenfalls zusammen mit einem Legislativvorschlag – vor. (2) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission die Angaben, die für die Ausarbeitung des in Absatz 1 genannten Berichts erforderlich sind. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2
II. Evaluation durch die Kommission (Abs. 1) . III. Unterstützungsverpflichtung der Mitgliedstaaten (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 8
Schrifttum: Rühl, Bessere und intelligente Rechtsetzung: Die Evaluation von Verordnungen zum Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, ZVglRWiss 115 (2016) 499. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck Die Vorschrift dient wie Art. 34 EU-ZustVO 2020 der tatsächlichen Verwirklichung der Ziele der Verordnung (vgl. Erwägungsgrund 3 EU-ZustVO 2020).1 Sie begründet im Einklang mit Erwägungsgrund 6 und Ziffern III. (22) und (23) der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtssetzung vom 13.4.20162 in Abs. 1 die einmalige Verpflichtung der Kommission, die Verordnung zu evaluieren, d.h. nach Ablauf eines Langfristbeobachtungszeitraums Feststellungen zu ihrem praktischen Funktionieren zu treffen, dieses zu bewerten, in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht bestehende Schwachstellen zu identifizieren und gegebenenfalls Vorschläge für Verbesserungen zu unterbreiten (Erwägungsgrund 43 S. 1 EU-ZustVO 2020).3 Abs. 2 begründet für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, die Erarbeitung einer Bewertung durch die Kommission durch die Übermittlung der erforderlichen Angaben (zur praktischen Anwendung der Verordnung) zu unterstützen. Ergänzend und vorbereitend zur einmalig zu erfüllenden Pflicht zur Bewertung sieht Art. 34 EU-ZustVO 2020 vor die Einführung eines Monitorings, dessen Umsetzung eine kontinuierliche Überwachung der Praxistauglichkeit der Verordnung ermöglicht (s. Art. 34 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 f.).4
1
2. Entstehungsgeschichte Die Vorschrift geht zurück auf Art. 24 EG-ZustVO 2007 (vgl. Anhang III)5 und Art. 24 EG-ZustVO 2000. Nach diesen beiden Vorschriften war die Kommission zur kontinuierlichen6 Überprüfung der jeweiligen Verordnung im Rhythmus von fünf Jahren, jeweils beginnend ca. 2,5 bzw. 3 Jahre nach Inkrafttreten verpflichtet.7 Tatsächlich wurde zu jeder Vorgängerverordnung aber nur ein Überprü-
1 Vgl. Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 24 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Schlosser/Hess/Schlosser/ Hess, Art. 35 EuZVO 2022 Rz. 1. 2 ABl. EU 2016 L 123/1. Entgegen KOM(1999) 219 endg.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 24 EG-ZustellVO Rz. 1 ergibt sich eine entsprechende Verpflichtung nicht bereits aus Art. 211 EGV bzw. Art. 17 EUV; diese Regelungen umfassen vielmehr nur eine entsprechende Kompetenz, vgl. Rühl, ZVglRWiss 115 (2016), 499, 506, 509. 3 COM(2018) 379 final, S. 11, 15. Vgl. auch Rühl, ZVglRWiss 115 (2016), 499, 499 f. 4 Vgl. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 35 EuZVO 2022 Rz. 1. 5 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 35 EuZVO 2022 Rz. 1. 6 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 24 EG-ZustellVO Rz. 1. 7 Vgl. Brenn, Art. 24 EZV Anm. a).
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Art. 35 EU-ZustVO 2020 Bewertung fungsbericht vorgelegt.8 Der auf der Grundlage von Art. 24 EG-ZustVO 2000 vorzulegende Bericht wurde am 1.10.2004 mit lediglich geringer Verspätung veröffentlicht.9 Der auf der Grundlage von Art. 24 EG-ZustVO 2007 vorzulegende Evaluationsbericht wurde mit erheblich größerer Verzögerung erst am 4.12.2013 veröffentlicht.10 Die Vorgängerregelungen wurden ersetzt durch eine Vorschrift über die Einführung eines kontinuierlichen Monitorings und gesondert hiervon eine einmalig zu erfüllende Evaluierungspflicht. Dies geht zurück auf den Kommissionsentwurf (Art. 23a, 24 Kommissionsentwurf).11 Dabei sah dieser allerdings noch vor, dass die Evaluation „frühestens“12 fünf Jahre nach Geltungsbeginn der angestrebten Änderungsverordnung zu erfolgen habe. Da eine besondere Übergangsfrist für die Etablierung einer obligatorischen Kommunikation über ein dezentrales IT-System nicht vorgesehen war (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 f., Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 2), nahm die Evaluierungspflicht hierauf noch keine Rücksicht. Auch sah der Kommissionsvorschlag noch nicht vor, dass gegebenenfalls ein Legislativvorschlag zu unterbreiten ist. Die Stellungnahme des EWSA ging hierauf nicht ein. Die Stellungnahme erster Lesung des Parlaments forderte nicht nur, dass anstatt einer Mindest- ein Höchstfrist vorgesehen wird, sondern auch eine Verkürzung der Frist auf vier Jahre und die Vorlage eines Legislativvorschlags.13 Die Allgemeine Ausrichtung zur Stellungnahme erster Lesung des Rats verwarf die Forderungen des Parlaments und schloss sich dem Kommissionsvorschlag an. Im Rahmen der weiteren Beratungen im Rat, der geführten Triloggespräche und im Zusammenhang mit der Entscheidung, anstatt einer Änderungsverordnung eine Neufassung zu beschließen (vgl. Erwägungsgründe 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020), wurden die Forderungen des Parlaments mit Ausnahme der Fristverkürzung von fünf auf vier Jahre aufgegriffen und erhielt die Vorschrift ihre geltende Fassung. 3
Der auf Grundlage von Art. 24 EG-ZustVO 2000 am 1.10.2004 veröffentlichte Evaluationsbericht,14 für dessen Erstellung die Kommission so viele Informationen wie möglich zusammengetragen und eine Studie15 in Auftrag gegeben hatte,16 gelangte zwar zu dem Ergebnis, dass die Anwendung der EG-ZustVO 2000 im Allgemeinen die Übermittlung und Zustellung von Schriftstücken verbessert und beschleunigt hat (Verkürzung der Zustellungszeit im Allgemeinen auf ein bis drei Monate).17 Als wesentliche Gründe dafür hob er heraus die Einführung unmittelbarer Kontakte zwischen den lokalen Stellen, die Möglichkeit zur Zustellung durch die Post, die unmittelbare Zustellung sowie die Einführung von Standardformblättern.18 Allerdings wurde auch eine Vielzahl von Problemen bei der Anwendung der EG-ZustVO 2000 festgestellt.19 Die von dieser vorgesehenen Fristen wurden nicht selten überschritten.20 Grenzüberschreitende Zustellungen dauerten mitunter noch sechs Monate.21 Teilweise wurde dies dem Umstand zugeschrieben, dass die Untersuchung sich auf die Phase der Anpassung an die neue und vielfach noch nicht vertraute Verordnung bezog.22 Daneben wurden aber auch einige Artikel identifiziert, deren Änderung erwogen werden sollte. Dies betraf das Annahme-
8 Vgl. Ising/Schulze in Leible/Terhechte, EnzEur Bd. 3 (2020), § 24 Rz. 9. – Vgl. aber Deloitte, Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Verbraucher, Study to support the preparation of an evaluation and impact assessment for the modernisation of the judicial cooperation in civil and commercial matters, service of document, Publications Office, 2018; SWD(2018) 287 final, S. 171 ff.; vgl. weiter Simoni/Pailli, Study on the Service of Documents – Comparative legal analysis of the relevant laws and practices of the Member States, 2016 und dazu Kern in FS Geimer, S. 311, 312 ff. 9 KOM(2004) 603 endg. 10 COM(2013) 858 final. 11 COM(2018) 379 final, S. 27. 12 Anders freilich COM(2018) 379 final, S. 11: „spätestens“. 13 A8-0001/2019, S. 34. 14 KOM(2004) 603 endg. 15 MainStrat, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1348/2000 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matter (März 2004). 16 KOM(2004) 603 endg., S. 2. 17 KOM(2004) 603 endg., S. 3, 4, 9. 18 KOM(2004) 603 endg., S. 4, 9. 19 KOM(2004) 603 endg., S. 9. 20 KOM(2004) 603 endg., S. 2. 21 KOM(2004) 603 endg., S. 4. 22 KOM(2004) 603 endg., S. 2, 3, 9.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 35 EU-ZustVO 2020
verweigerungsrecht (Art. 8 EG-ZustVO 2000),23 die Zustellungskosten (Art. 11 EG-ZustVO 2000),24 die Empfangsbestätigung bei der direkten Postzustellung (Art. 14 EG-ZustVO 2000),25 die Vorbehaltsmöglichkeit bei der unmittelbaren Zustellung (Art. 15 Abs. 2 EG-ZustVO 2000),26 die Bereitstellung von Informationen zur Verordnung (Art. 17 EG-ZustVO 2000)27 sowie den Schutz des Beklagten bei Nichteinlassung (Art. 19 EG-ZustVO 2000).28 Daneben wurde die Regelung zum „zweifachen“ bzw. „doppelten“ Datum (Art. 9 EG-ZustVO 2000)29 sowie Gestaltung und Anzahl der Formblätter kontrovers diskutiert.30 Der Evaluationsbericht vom 1.10.2004 bildete eine wesentliche Grundlage für die Reform der EG-ZustVO 2000 durch die EG-ZustVO 2007,31 welche einen Großteil des im Evaluationsbericht aufgeworfenen Änderungsbedarfs aufgriff und für welche die Kommission am 7.7.2005 einen Vorschlag beschloss.32 Auf Grundlage von Art. 24 EG-ZustVO 2007 wurde am 4.12.2013 ein Evaluationsbericht veröffent- 4 licht,33 für dessen Erstellung die Kommission erneut eine Studie in Auftrag gegeben hatte.34 In ihm ist die Kommission dazu gelangt, dass die EG-ZustVO 2007 im Allgemeinen gut funktioniert und die Behörden der Mitgliedstaaten die Verordnung in zufriedenstellender Weise angewendet haben.35 Grenzüberschreitende Zustellungen konnten trotz Anstiegs ihrer Anzahl beschleunigt werden.36 Allerdings wurde auch eine Reihe von Defiziten, insbesondere im Bereich der Klarheit des Verordnungstextes, ausgemacht, durch deren Abbau sich die rechtssichere Anwendung steigern und die Dauer grenzüberschreitender Zustellungen weiter verkürzen ließe.37 Unklarheiten im Verordnungstext wurden zunächst in Bezug auf den Anwendungsbereich ausgemacht.38 Punktuell hatten sie zwar bereits eine Klärung durch den EuGH erfahren. Von herausgehobener Bedeutung war insoweit die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 9). Durch die vom EuGH dort entwickelte Auslegung wurde letztlich auch der in Art. 19 EG-ZustVO 2007 vorgesehene Schutz des Beklagten bei Nichteinlassung von einer zentralen Schwäche, welche nach herrschendem Verständnis dem Regelungsvorbild in Art. 15 HZÜ anhaftet,39 befreit.40 Im Verordnungstext bestanden die Unklarheiten unbeschadet der Klärung durch den EuGH aber fort (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 14). Darüber hinaus zeigten sich im Zusammenhang mit dem Annahmeverweigerungsrecht unklare bzw. missglückte Formulierungen.41 Als unzureichend präzise bzw. missverständlich wurden weiter die Vorschrift zum Zustellungs23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41
KOM(2004) 603 endg., S. 5, 9. KOM(2004) 603 endg., S. 2, 6 f., 9. KOM(2004) 603 endg., S. 7, 9. KOM(2004) 603 endg., S. 7, 9 f. KOM(2004) 603 endg., S. 8, 9. KOM(2004) 603 endg., S. 8, 9. Die von der Kommission in Auftrag gegebene Studie kam – unverständlicherweise – zu dem Ergebnis, dass die Anwendung von Art. 9 EG-ZustVO 2000 („doppeltes“ Zustellungsdatum) nicht zufriedenstelle – dem schloss sich die Kommission in ihren Schlussfolgerungen zu Recht nicht an, vgl. KOM(2004) 603 endg., S. 5 f., 9. KOM(2004) 603 endg., S. 8 f. Fasching/Konecny/Bajons (2010), Art. 24 EuZVO Rz. 4; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR, (2015), Art. 24 EG-ZustVO 2007 Rz. 1. KOM(2005) 305 endg./2; Peer in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (10. Lfg. 02/2010), Art. 24 EuZVO Rz. 1. COM(2013) 858 final. – Vgl. COM(2018) 379 final, S. 2. – Zitiert (i.Erg. ablehnend) wird der Evaluationsbericht von GA Whatelet, Schlussanträge v. 22.1.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:33 Rz. 31 – Alpha Bank Cyprus Ltd/Senh Dau Si u.a. MainStrat/Universität des Baskenlandes, Study on the application of Council Regulation (EC) No 1393/2007 on the service of judicial and extra judicial documents in civil or commercial matters: final report, Publications Office, 2014. COM(2013) 858 final, S. 4, 18; COM(2018) 379 final, S. 2. COM(2013) 858 final, S. 9. COM(2013) 858 final, S. 4, 18; COM(2018) 379 final, S. 2. COM(2013) 858 final, S. 5 ff.; SWD(2018) 287 final, S. 21. Vgl. Hess, NJW 2001, 15, 17; Schack, IZVR, Rz. 736 ff. Zustimmend Knöfel, RIW 2021, 473, 475; Schack, IZVR, Rz. 741, 744. Im Vorfeld krit. Geimer, IPRax 2010, 224, 225 f. COM(2013) 858 final, S. 11 ff.
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Art. 35 EU-ZustVO 2020 Bewertung datum sowie der sich hierauf beziehende Erwägungsgrund 15 EG-ZustVO 2007 identifiziert.42 Darüber hinaus wurde als defizitär erkannt die überaus praxisrelevante Regelung zur Zustellung durch Postdienste.43 Änderungsbedarf zur textlichen Abstimmung mit anderen Instrumenten des Europäischen Zivilverfahrensrechts wurde zudem zur Regelung betreffend die Nichteinlassung des Beklagten benannt.44 Außerdem wurde festgestellt, dass die Zustellung über Übermittlungs- und Empfangsstellen noch verhältnismäßig lange dauert,45 was in mangelnden Sprachkenntnissen und unverändert unzureichenden Kenntnissen der Verordnung gründet.46 Als weitere Ursache für Verzögerungen wurde erkannt eine unzulängliche Ausstattung der Zentralstellen, welche teilweise nicht über Computer verfügten.47 Verbesserungsbedarf wurde auch im Rahmen der zur Unterstützung der Anwendung der Verordnung verfügbar gemachten Informationen gesehen.48 Umsetzungsdefizite zeigten sich zudem im Bereich der Zustellungskosten.49 Der Evaluationsbericht vom Dezember 2013 bildete eine wesentliche Grundlage für die Reform der EG-ZustVO 2007, welche einen Großteil des im Evaluationsbericht aufgeworfenen Änderungsbedarfs aufgriff, insbesondere im Bereich der Etablierung einer elektronischen Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen die Vorschläge des Evaluationsberichts aber auch weiterentwickelte.
II. Evaluation durch die Kommission (Abs. 1) 5
Abs. 1 begründet eine Evaluationspflicht der Kommission gegenüber dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss. Ihr Gegenstand ist die Anwendung der gesamten Verordnung (und nicht nur des neuen Art. 5 EU-ZustVO 2020) in der Praxis. Zu genügen ist ihr durch Erstellung und Vorlage eines nach wissenschaftlichen Kriterien erarbeiteten Berichts, welcher neben einer Sammlung praktischer Erfahrungen aus dem Berichtszeitraum eine anhand von Indikatoren erfolgende Bewertung von Relevanz, Wirksamkeit und Effizienz der Verordnung50 umfassen soll. Dabei sind nicht nur bewährte Regelungen und Schwachstellen zu identifizieren, sondern es sind zu ausgemachten Schwachstellen auch Verbesserungsvorschläge einschließlich eines Legislativvorschlags zu erarbeiten. Eine Pflicht, förmlich ein Verordnungsverfahren einzuleiten (Art. 294 Abs. 2 AEUV), umfasst dies aber nicht.51
6
Abweichend von Art. 24 EG-ZustVO 2007 muss der Evaluationspflicht nur einmalig und nicht kontinuierlich entsprochen werden. Diese Einschränkung wird dadurch kompensiert, dass die Kommission nach Art. 34 EU-ZustVO 2020 verpflichtet ist, bis 2.7.2023 ein ausführliches Programm zur fortlaufenden Überwachung der Leistungen, Ergebnisse und Wirkung der Verordnung (Monitoring) zu erarbeiten und dieses nachfolgend dauerhaft anzuwenden (s. Art. 34 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 ff.).52 Hierdurch können fortwährend und kurzfristig Schwachstellen erkannt werden und kann auf diese bei Bedarf reagiert werden.
7
Die sich aus Abs. 1 ergebende Pflicht zur einmaligen Evaluation ist zu erfüllen spätestens mit Ablauf von fünf Jahren seit dem Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs von Art. 5 EU-ZustVO 2020 (s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4), d.h. spätestens zum 30.4.2030.53 Die Anknüpfung an die zeitliche Geltung von Art. 5 EU-ZustVO 2020 gewährleistet, dass die Verordnung in Gänze einen hinreichend langen Zeitraum Anwendung gefunden hat, um ihr Funktionieren zu bewerten. Zugleich legt die Anknüpfung an die Geltung von Art. 5 EU-ZustVO 2020 nahe, dass ein Schwerpunkt der Bewertung 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53
COM(2013) 858 final, S. 13. COM(2013) 858 final, S. 14 f.; SWD(2018) 287 final, S. 21. COM(2013) 858 final, S. 16 f. Vgl. COM(2013) 858 final, S. 19: Auftragsbearbeitung durch italienische Empfangsstellen: 3–6 Monate (Spanien 3–5 Monate), Auftragsbearbeitung durch portugiesische Übermittlungsstellen: 9 Monate. COM(2013) 858 final, S. 9 f. COM(2013) 858 final, S. 10. COM(2013) 858 final, S. 11, 16; SWD(2018) 287 final, 19. COM(2013) 858 final, S. 13 f. COM(2018) 379 final, S. 11. Unklar Geimer/Schütze/Okonska, Art. 37 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3. Vgl. Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 24 EuZVO Rz. 4. BT-Drucks. 20/1110, 23; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 35 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 36 EU-ZustVO 2020
sein soll, inwieweit die Kommunikation über ein dezentrales IT-System die erwarteten Vorteile gebracht hat.54 Innerhalb des von Abs. 1 vorgegebenen Zeitraums ist der geforderte Bericht nicht nur in Auftrag zu geben, sondern vorzulegen. Dafür spricht neben dem Wortlaut der Verordnung auch ihre Genese (s. Rz. 2: „spätestens“ anstatt „frühestens“). Im Widerspruch zur sich aus Art. 2 S. 1 EUV ergebenden Verpflichtung auf die Rechtstaatlichkeit sowie zur sich aus Art. 17 Abs. 1 S. 2, 3 EUV ergebenden Stellung als Hüterin des Unionsrechts nimmt sich die Kommission freilich unbeschadet ihrer gesonderten Zusage in Ziff. II (21) Abs. 2 der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtssetzung vom 13.4.201655 vielfach die Freiheit, für sie verordneten Fristen zu ignorieren und Evaluationsberichte erst dann vorzulegen, wenn ihr dies opportun erscheint (z.B. wurde der nach Art. 24 EG-ZustVO 2007 bis zum 1.6.2011 vorzulegende Bericht erst am 4.12.2013, d.h. mit einer Verzögerung von mehr als zwei Jahren vorgelegt und ein Folgebericht wurde entgegen Art. 24 EG-ZustVO 2007 bis zum Geltungsende der Norm gar nicht vorgelegt).56
III. Unterstützungsverpflichtung der Mitgliedstaaten (Abs. 2) Nach Abs. 2 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission (auf Aufforderung) die ihnen vorliegenden Angaben zu übermitteln, die für die Ausarbeitung des in Abs. 1 genannten Berichts erforderlich sind. Dieser Verpflichtung haben die Mitgliedstaaten innerhalb angemessener Frist zu genügen. Sie sind zu einer vollständigen und richtigen Information der Kommission verpflichtet.
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Artikel 36 Aufhebung (1) Die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 wird mit dem Tag des Beginns der Geltung der vorliegenden Verordnung aufgehoben, mit Ausnahme der Artikel 4 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 1393/ 2007, die mit dem Tag des Geltungsbeginns der Artikel 5, 8 und 10 nach Artikel 37 Absatz 2 der vorliegenden Verordnung aufgehoben werden. (2) Bezugnahmen auf die aufgehobene Verordnung gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang III zu lesen. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2
II. Beendigung der Geltung der EG-ZustVO 2007 (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auslegung von Bezugnahmen (Abs. 2) . . . .
3 5
Schrifttum: Fabig/Windau, Die Neufassungen der Europäischen Zustellungs- und Beweisaufnahmeverordnungen, NJW 2022, 1977. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck Die Vorschrift enthält gemeinsam mit Art. 37 EU-ZustVO 2020 das Übergangsrecht betreffend die Ablösung der EG-ZustVO 2007.1 Dabei ist Gegenstand von Abs. 1 die Begrenzung des zeitlichen Gel54 Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 35 EuZustVO Rz. 1. 55 ABl. EU 2016 L 123/1. 56 Verständnisvoll aber Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 24 EuZVO Rz. 1; Rühl, ZVglRWiss 115 (2016), 499, 522. Vgl. auch Rühl, ZVglRWiss 115 (2016), 499, 509 f.: vorläufiger Verzicht steht im Ermessen des Verpflichteten. 1 Abw. Fabig/Windau, NJW 2022, 1977: „Übergangsvorschriften enthalten die Verordnungen nicht.“
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Art. 36 EU-ZustVO 2020 Aufhebung tungsbereichs (dazu s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 1) der EG-ZustVO 2007 nach ihrem Ende hin (zum Anfang vgl. Art. 26 EG-ZustVO 2007). Abs. 2 enthält (i.V.m. der Entsprechungstabelle in Anhang III) eine verbindliche Anordnung zur Auslegung anderer Unionsrechtsakte, soweit diese auf die EG-ZustVO 2007 Bezug nehmen bzw. auf diese verweisen. 2. Entstehungsgeschichte 2
Vorläufer der Vorschrift ist Art. 25 EG-ZustVO 2007 (vgl. auch Anhang III),2 welcher das Ende des zeitlichen Geltungsbereichs der EG-ZustVO 2000 bestimmte. Die EG-ZustVO 2000 enthielt keine vergleichbare Regelung, weil sie die Frage grenzüberschreitender Zustellungen auf der Ebene des Unionsrechts erstmalig regelte und daher nicht den zeitlichen Geltungsbereich eines unionsrechtlichen Vorgängers begrenzen musste. Die Neuregelung geht zurück auf die Beratungen des Rats in erster Lesung und die geführten Triloggespräche.3 Der Entwurf der Kommission enthielt noch keinen entsprechenden Regelungsvorschlag, weil er ausgerichtet war auf eine Änderung der EG-ZustVO 2007 und noch nicht auf den Erlass einer Neufassung (Erwägungsgründe 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020). Es bedurfte danach noch keiner Aussage zur Aufhebung des vorherigen Rechtsakts, sondern lediglich einer Aussage zu Inkrafttreten und Geltung der vorgeschlagenen Änderungsverordnung (vgl. Art. 2 des Kommissionsvorschlags).4
II. Beendigung der Geltung der EG-ZustVO 2007 (Abs. 1) 3
Das Ende des zeitlichen Geltungsbereichs der EG-ZustVO 2007 bestimmt Abs. 1 anknüpfend an Art. 37 EU-ZustVO 2020. Zum Beginn desjenigen Tages, zu dem nach Art. 37 EU-ZustVO 2020 der zeitliche Geltungsbereich der (entsprechenden) Regelungen der EU-ZustVO 2020 beginnt, endet der zeitliche Geltungsbereich der (entsprechenden) Regelungen der EG-ZustVO 2007. Der Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs der (entsprechenden) Regelungen der EU-ZustVO 2020 ist zu unterscheiden vom ebenfalls in Art. 37 EU-ZustVO 2020 geregelten und durch Art. 36 EU-ZustVO 2020 („Geltungsbeginns“) nicht als Anknüpfungspunkt gewählten Zeitpunkt des Inkrafttretens der EU-ZustVO 2020 (dazu s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 1).
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Im Grundsatz endet der zeitliche Geltungsbereich der EG-ZustVO 2007 nach Abs. 1 i.V.m. Art. 37 Abs. 1 Unterabs. 2 EU-ZustVO 2020 mit dem Beginn des 1.7.2022 (zu Zustellungen im Übergangszeitraum bzw. zum für die Beurteilung maßgeblichen Punkt des gestreckten Lebenssachverhalts Zustellung s. Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 5). Als Ausnahme hierzu endet der zeitliche Geltungsbereich der die Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen ordnenden Regelungen in Art. 4, 6 EG-ZustVO 2007 erst mit dem Beginn des 1.5.2025 (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10), um den Mitgliedstaaten und der Kommission ausreichende Zeit für die Vorbereitung und Einführung der direkten elektronischen Kommunikation zu lassen.5 Dies bedeutet, dass sich die Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen auch nach dem 1.7.2022 zunächst weiter nach Art. 4, 6 EG-ZustVO 2007 richtet (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10).
III. Auslegung von Bezugnahmen (Abs. 2) 5
Abs. 2 entspricht der im Unionsrecht verbreiteten Rechtssetzungstechnik, bei der Änderungen eines in Bezug genommenen Rechtsakts nicht durch eine Folgeänderung im Bezug nehmenden Rechtsakt nachvollzogen, sondern in dem einen in Bezug genommenen Rechtsakt ablösenden Rechtsakt verbindlich angeordnet wird, inwieweit Bezugnahmen auf den abgelösten Rechtsakt als Bezugnahme auf den ablösenden Rechtsakt zu lesen sind.6 Diese Technik vereinfacht zwar die Rechtssetzung, er2 3 4 5 6
Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 36 EuZVO 2022 Rz. 1. Vgl. Ratsdok. 9890/20 (22.10.2020), S. 50. COM(2018) 379 final, S. 27. Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 37 EuZustVO Rz. 1. Vgl. dazu Nr. 7 lit. b der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 28.11.2001, ABl. EG 2002 C 77/2.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 36 EU-ZustVO 2020
schwert aber zugleich das Normverständnis (zum Erfordernis der Normklarheit7 vgl. auch Erwägungsgründe 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020), weil Rechtsakte nicht mehr aus sich heraus verständlich sind.8 Dies gilt in besonderer Weise für Bezugnahmen auf die Vorgängerregelung zur EG-ZustVO 2007 (vgl. z.B. Art. 27 EG-MahnVO), welche gegebenenfalls erst nach wiederholter Konsultation von Entsprechungstabellen verständlich werden. In seiner Rechtsfolge ordnet Abs. 2 verbindlich an, dass Bezugnahmen auf die EG-ZustVO 2007 als 6 Bezugnahmen auf die Verordnung zu lesen sind.9 Eine Bezugnahme in diesem Sinne liegt dabei auch in Regelungen der EG-ZustVO 2007, welche sich auf die EG-ZustVO 2007 als solche oder deren Regelungen beziehen. Deshalb ist z.B. Art. 27 EG-MahnVO10 im Ergebnis so zu lesen, dass die Anwendung der Verordnung unberührt bleibt. Denn nach Abs. 2 ist Art. 25 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 so zu lesen, dass nach der dortigen Rechtsfolgenanordnung die Bezugnahme auf die EG-ZustVO 200011 als Bezugnahme auf die Verordnung zu lesen ist. Soweit nicht auf die EG-ZustVO 2007, sondern auf einzelne Regelungen der EG-ZustVO 2007 Bezug genommen wird, sind solche Bezugnahmen unter Berücksichtigung der insoweit maßgeblichen Entsprechungstabelle in Anhang III zu lesen, d.h. z.B. dass eine Bezugnahme auf Art. 9 EG-ZustVO 2007 als Bezugnahme auf Art. 13 EU-ZustVO 2020 zu lesen ist; für den Fall einer Bezugnahmen auf Einzelregelungen der EG-ZustVO 2000 ist in zwei Schritten vorzugehen und ist zunächst anhand der Entsprechungstabelle in Anhang III EG-ZustVO 2007 die Folgeregelung der EG-ZustVO 2007 zur in Bezug genommenen Einzelregelung der EG-ZustVO 2000 zu bestimmen.12 Der Anordnung in Abs. 2 ist dagegen nicht zu entnehmen, dass die Formblätter verschiedener Fassungen der Zustellungsverordnung gleichwertig sind und daher anstatt der Formblätter zur Verordnung im zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung auch die Formblätter zur EG-ZustVO 2007 weiterverwendet werden können.13 Die Gegenansicht findet bereits im Wortlaut von Abs. 2 keine Grundlage, weil dort nicht angeordnet wird, dass Verweise der Verordnung auf Regelungen der Verordnung als Verweisungen auf die entsprechende Norm der EG-ZustVO 2007 zu lesen sind, und ist überdies mit dem Telos von Abs. 2 nicht vereinbar. Schließlich ordnet Abs. 2 nicht verbindlich an, dass die Rechtsprechung zu Vorschriften der EG-ZustVO 2007 auch für die Auslegung der entsprechenden Regelungen der Verordnung zu beachten ist. Allerdings ergibt sich aus dem Umstand, dass die Verordnung aus der EG-ZustVO 2007 und diese aus der EG-ZustVO 2000 entwickelt wurde, dass die Rechtsprechung zur EG-ZustVO 2007 und zur EG-ZustVO 2000 weiter maßgeblich bleibt, soweit die jeweiligen Vorschriften gleichwertig sind (s. Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 31 a.E.). Unbeschadet des insoweit unbeschränkten Wortlauts ist die Rechtsfolgenanordnung von Abs. 2 aus 7 kompetenzrechtlichen Gründen auf Bezugnahmen auf die EG-ZustVO 2007 durch Unionsrechtsakte beschränkt und gilt nicht für die Bezugnahme auf die EG-ZustVO 2007 durch nationale Rechtsvorschriften.14 Den Mitgliedstaaten steht frei, auf außer Kraft getretenes Unionsrecht Bezug zu nehmen. Zudem entscheiden im Ausgangspunkt die Mitgliedstaaten und nicht die EU darüber, inwieweit Bezugnahmen auf Unionsrecht dynamisch oder statisch erfolgen. Unberührt bleibt aber, dass eine Bezugnahme auf die EG-ZustVO 2007 im nationalen Recht als eine dynamische Bezugnahme und dementsprechend im Einklang mit Abs. 2 als Verweisung auf die jeweils entsprechende Nachfolgeregelung auszulegen ist.
7 Dazu auch I. (3) Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtssetzung vom 13.4.2016, ABl. EU 2016 L 123/2. 8 Krit. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 25 EG-ZustellVO Rz. 1. 9 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 36 EuZVO 2022 Rz. 1: normative Kraft. 10 Vgl. dazu EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 39 f. – Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s r.o.; GA Wathelet, Schlussanträge v. 29.5.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:341 Rz. 80 – Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s r.o. 11 Vgl. EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 Rz. 39 f. – Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s r.o.; GA Wathelet, Schlussanträge v. 29.5.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:341 Rz. 80 – Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s r.o. 12 Geimer/Schütze/Okonska, Art. 36 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. 13 A.A. OLG Köln v. 29.11.2017 – 7 VA 16/17, BeckRS 2017, 143743 Rz. 21. 14 A.A. tendenziell Geimer/Schütze/Okonska, Art. 36 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2.
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Art. 37 EU-ZustVO 2020 Inkrafttreten und Geltung
Artikel 37 Inkrafttreten und Geltung (1) Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 1. Juli 2022. (2) Artikel 5, 8 und 10 gelten ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Zeitraum von drei Jahren nach dem Tag des Inkrafttretens der in Artikel 25 genannten Durchführungsrechtsakte folgt. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . .
1 1 2
II. Zeitpunkt des Inkrafttretens (Abs. 1 Unterabs. 1) . . . . . . . . . . . . . . .
3
III. Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs (Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 2) . . . . . . . . . .
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Schrifttum: Fabig/Windau, Die Neufassungen der Europäischen Zustellungs- und Beweisaufnahmeverordnungen, NJW 2022, 1977; Hess, Die intertemporale Anwendung des europäischen Zivilprozessrechts in den EU-Beitrittsstaaten, IPRax 2004, 374. S. auch das bei der Einleitung aufgeführte Schrifttum.
I. Allgemeines 1. Normzweck 1
Die Vorschrift enthält gemeinsam mit Art. 36 EU-ZustVO 2020 das Übergangsrecht betreffend die Ablösung der EG-ZustVO 2007.1 In Abs. 1 Unterabs. 1 wird der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung bestimmt. Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 2 bestimmen den hiervon zu unterscheidenden2 Zeitpunkt des Beginns des zeitlichen Geltungsbereichs der Verordnung (vgl. auch Art. 36 Abs. 1 EU-ZustVO 2020: „Geltungsbeginns“).3 Der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung bestimmt, wann diese ihre äußere Wirksamkeit als Rechtsakt erlangt, d.h. Rechtswirkungen gegenüber Normunterworfenen entfaltet. Demgegenüber bestimmt der Zeitpunkt des Beginns des zeitlichen Geltungsbereichs, ab wann die sachlich, räumlich und persönlich in ihren Anwendungsbereich fallenden Sachverhalte durch sie rechtlich geordnet, d.h. von den normativen Wirkungen der Vorschriften der Verordnung erfasst werden. Dass der zeitliche Geltungsbereich der Verordnung zu einem im Vergleich zum Inkrafttreten späteren Zeitpunkt beginnt, erlaubt die organisatorische Vorbereitung der Anwendung der Verordnung.4 Anknüpfend an den Zeitpunkt des Beginns des zeitlichen Geltungsbereichs der Regelungen der Verordnung bestimmt Art. 36 EU-ZustVO 2020 das Ende des zeitlichen Geltungsbereichs der Regelungen der EG-ZustVO 2007. 2. Entstehungsgeschichte
2
In Abs. 1 Unterabs. 1 folgt die Vorschrift auf Art. 26 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 (vgl. auch Anhang III)5 und Art. 25 EG-ZustVO 2000. Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 2 folgen auf Art. 26 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 (vgl. auch Anhang III). Die EG-ZustVO 2000 enthielt keine vergleichbare Regelung. Da die 1 Abw. Fabig/Windau, NJW 2022, 1977: „Übergangsvorschriften enthalten die Verordnungen nicht.“; ähnlich BeckOK/ZPO/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 37 EuZVO 2022 Rz. 1; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.23. 2 Vgl. GA Mengozzi, Schlussanträge v. 6.9.2011 – C-412/10 ECLI:EU:C:2011:546 Rz. 35 ff. – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA. 3 Vgl. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 37 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1 f.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 26 EGZustellVO Rz. 1. Ohne Unterscheidung dagegen Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 37 EuZustVO Rz. 1. 4 Vgl. EuGH v. 17.11.2011 – C-412/10 ECLI:EU:C:2011:747 Rz. 24 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA; GA Mengozzi, Schlussanträge v. 6.9.2011 – C-412/10 ECLI:EU:C:2011:546 Rz. 22 – Deo Antoine Homawoo/ GMF Assurances SA; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 37 VO (EU) 2020/1784 Rz. 2. 5 Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 37 EuZVO 2022 Rz. 1.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 37 EU-ZustVO 2020
EG-ZustVO 2000 die Frage grenzüberschreitender Zustellungen erstmalig auf der Ebene des Unionsrechts regelte, bedurfte es keiner ausdifferenzierten Übergangsregelung. Die Neuregelung geht zurück auf Art. 2 des Kommissionsentwurfs, welcher sich mit Inkrafttreten und Geltung der vorgeschlagenen Änderungsverordnung befasste, dabei allerdings noch keine gesonderte Übergangsfrist für die Vorschriften betreffend die Kommunikation über das dezentrale IT-System vorsah.6 Die Aufnahme der entsprechend differenzierenden Vorschrift erfolgte während der Beratungen erster Lesung im Rat, nachdem dort eine Einigung über die Einführung eines dezentralen IT-Systems erzielt worden war und sich überdies in den geführten Triloggesprächen die Ansicht durchsetzte, anstatt einer Änderungsverordnung zur EG-ZustVO 2007 eine Neufassung des Rechtsinstruments zu beschließen (vgl. Erwägungsgründe 1 S. 2, 46 EU-ZustVO 2020).7
II. Zeitpunkt des Inkrafttretens (Abs. 1 Unterabs. 1) Nach Abs. 1 Unterabs. 1 ist die Verordnung am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft getreten. Da die Verordnung am 2.12.2020 im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde, ist sie am 22.12.2020 in Kraft getreten.8 Seit diesem Zeitpunkt entfaltet sie die in der Schlussformel wiederholten Wirkungen nach Art. 288 Unterabs. 2 AEUV (s. auch Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 27).9
3
III. Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs (Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 2) Im Grundsatz ist Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs der Verordnung der Beginn des 1.7.2022 (Abs. 1 Unterabs. 2), d.h. grundsätzlich ab diesem Zeitpunkt werden die in den sachlichen, räumlichen und persönlichen Anwendungsbereich der Verordnung fallenden Sachverhalte (s. Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff., Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 ff.) von ihren Regelungen erfasst.10 Als Ausnahme hierzu verortet Abs. 2 den Beginn des zeitlichen Geltungsbereich von Art. 5, 8 und 10 EU-ZustVO 2020, d.h. der die Kommunikation zwischen Übermittlungs-, Empfangs- und Zentralstellen hin zur im Grundsatz obligatorischen Nutzung eines dezentralen IT-Systems ordnenden Vorschriften, auf den Beginn des 1.5.2025 (s. Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 10).11 Hierdurch soll den Mitgliedstaaten und der Kommission ein ausreichender zeitlicher Vorlauf für die Vorbereitung und Einrichtung der Kommunikation über ein dezentrales IT-System einschließlich der Erstellung einer Referenzimplementierungssoftware oder einer sonstigen Back-End-Software verschafft werden.12 Erweitert sich der territoriale Anwendungsbereich der Verordnung durch Beitritt weiterer Mitgliedstaaten, gilt die Verordnung – vorbehaltlich abweichender Regelungen anlässlich des Beitritts (und nur im Rahmen ihres allg. zeitlichen Anwendungsbereichs) – sogleich ab dem Tag des Beitritts.13
4
Im Unterschied zu Art. 66 Abs. 1 Brüssel Ia-VO trifft Abs. 1 Unterabs. 2 keine ausdrückliche Aussage 5 dazu, ausgehend von welchem Punkt eines gestreckten Lebenssachverhalts (Übermittlung, Zustellung) zu beurteilen ist, ob dieser in den durch Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 2 begrenzten zeitlichen Gel-
6 7 8 9 10 11 12 13
COM(2018) 379 final, S. 27. Vgl. Ratsdok. 9890/20 (22.10.2020), S. 50. Knöfel, RIW 2021, 473, 474. Vgl. GA Bot, Schlussanträge v. 20.9.2012 – C-325/11, ECLI:EU:C:2012:583 Rz. 14 – Krystyna Alder, Ewald Alder/Sabina Orłowska, Czeslaw Orłowski. Vgl. EuGH v. 7.7.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:527 Rz. 9 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a.; GA Pikamäe, Schlussanträge v. 10.3.2022 – C-7/21, ECLI:EU:C:2022:185 Rz. 10 – LKW WALTER Internationale Transportorganisation AG/CB u.a. Geimer/Schütze/Okonska, Art. 37 VO (EU) 2020/1784 Rz. 1. – A.A. Schlosser/Hess/Schlosser/Hess, Art. 37 EuZVO 2022 Rz. 2; Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 37 EuZustVO Rz. 1: 1.4.2025 – dabei aber nicht zwischen Erlass und Inkrafttreten des Durchführungsrechtsakts unterscheidend. Vgl. Stadler/Krüger in Musielak/Voit, Art. 37 EuZustVO Rz. 1. Vgl. OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu I. 1. der Gründe; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 26 VO (EG) 1393/2007 Rz. 3.
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Art. 37 EU-ZustVO 2020 Inkrafttreten und Geltung tungsbereich der Verordnung fällt.14 Als Anknüpfungspunkt in Betracht kommen insbesondere der (gegebenenfalls näher zu definierende) Beginn einer Übermittlung bzw. Zustellung,15 der Tag des Eingangs eines zuzustellenden Schriftstücks bei einer bestimmten Stelle im Empfangsmitgliedstaat (vgl. in diesem Sinne z.B. Art. 68 lit. a BrexitAbk.), der Tag der Zustellung (Art. 13 Abs. 1 EU-ZustVO 2020, Art. 9 Abs. 1 EG-ZustVO 2007 bzw. der Vollendung des Tatbestands der Zustellung einschließlich Heilung (vgl. Art. 12 Abs. 5 EU-ZustVO 2020, Art. 8 Abs. 3 EG-ZustVO 2007)16 sowie der Zeitpunkt des Eintritts der Zustellungswirkungen (vgl. auch Art. 13 Abs. 2 EU-ZustVO 2020; Art. 9 Abs. 2 EG-ZustVO 2007). Vorzugswürdig erscheint, nicht einen dieser Punkte einheitlich als maßgeblich für die zeitliche Anwendung der gesamten Verordnung anzusehen, sondern für jede Regelung der Verordnung an die Vollendung ihres Tatbestands, mit dem bestimmte Rechtsfolgen bewirkt werden, anzuknüpfen.17 Dieser differenzierende Ansatz entspricht der Differenzierung in Abs. 1 Unterabs. 2 und Abs. 2. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Geschehen zu Brüssel am 25. November 2020. Im Namen des Europäischen Parlaments Der Präsident D. M. Sassoli
Im Namen des Rates Der Präsident M. Roth
14 Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 37 EuZuStVO Rz. 1. 15 Dafür Stein/Jonas/Domej (2021), Art. 25 EuZVO Rz. 1; Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 25 EG-ZustVO 2007 Rz. 1; Hess, IPRax 2004, 374, 376; Sengstschmid in Mayr, Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 14.23. Zum deutschen intertemporalen Prozessrecht dafür auch BGH v. 2.2.2011 – VIII ZR 190/10, NJW 2011, 1885 Rz. 11. 16 Dafür Nordmeier in Thomas/Putzo, Art. 37 EuZuStVO Rz. 1; Geimer/Schütze/Okonska, Art. 36 VO (EU) 2020/1784 Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 26 EG-ZustellVO Rz. 1; BeckOK/ZPO/Ruster, Ed. 47 (1.12.2022), Art. 36 EuZVO 2022 Rz. 1 f.; vgl. auch OLG München v. 9.5.2012 – 7 U 2640/10, BeckRS 2012, 10102 Rz. 18. 17 Vgl. auch OGH v. 27.11.2014 – 2Ob101/14p zu I. 9. der Gründe.
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Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen vom 19.10.2005 ABl. EU 2005 L 300/55 Materialien: 1. Abkommen: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark zur Ausdehnung der Verordnung (EG) 1348/2000 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten auf Dänemark, Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark zur Ausdehnung der Verordnung (EG) 1348/2000 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten auf Dänemark, 18.4.2005, KOM (2005) 146; Beschluss 2005/794/EG des Rates vom 20. September 2005 über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, ABl. EU 2005 L 300/53; Gauzès, Rechtsausschuss, Europäisches Parlament, Bericht über den Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark zur Ausdehnung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten auf Dänemark, 24.2.2006, A6-0039/2006; Beschluss 2006/326/EG des Rates vom 27. April 2006 über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, ABl. EU 2006 L 120/23; Unterrichtung über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, ABl. EU 2007 L 94/70; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung zum Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, ABl. EU 2008 L 331/21; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung zum Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, ABl. EU 2021 L 19/1. 2. Umsetzung zum Abschluss konkurrierender internationaler Übereinkommen: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über die Änderung des Beschlusses 2006/326/EG zwecks Festlegung eines Verfahrens zur Umsetzung von Artikel 5 Absatz 2 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, 4.3.2009, KOM (2009) 100; Geringer de Oedenberg, Rechtsausschuss, Europäisches Parlament, Bericht zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Änderung des Beschlusses 2006/326/EG zwecks Festlegung eines Verfahrens zur Umsetzung von Artikel 5 Absatz 2 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, 12.11.2009, A7-0058/2009; Beschluss 2009/943/EG des Rates vom 30. November 2009 zur Änderung des Beschlusses 2006/326/EG zwecks Festlegung eines Verfahrens zur Umsetzung des Artikels 5 Absatz 2 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen, ABl. EU 2009 L 331/26.
DIE EUROPÄISCHE GEMEINSCHAFT, nachstehend „Gemeinschaft“ genannt, einerseits und DAS KÖNIGREICH DÄNEMARK, nachstehend „Dänemark“ genannt, andererseits, in dem Wunsch, die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Ziviloder Handelssachen zwischen Dänemark und den anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zu verbessern und zu beschleunigen, in der Erwägung, dass die Übermittlung zu diesem Zweck direkt zwischen den von den Vertragsparteien benannten örtlichen Stellen zu erfolgen hat, Pabst
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Zust EU-DK Abk Erwägungsgründe in der Erwägung, dass eine schnelle Übermittlung den Einsatz aller geeigneten Mittel erfordert, wobei bestimmte Anforderungen an die Lesbarkeit und die Übereinstimmung der empfangenen Schriftstücke mit dem Inhalt der versandten Schriftstücke zu beachten sind, in der Erwägung, dass das zu übermittelnde Schriftstück aus Sicherheitsgründen mit einem Formblatt versehen sein muss, das in der Sprache des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll, oder in einer anderen vom Empfängerstaat anerkannten Sprache auszufüllen ist, in der Erwägung, dass die Möglichkeit der Ablehnung der Zustellung von Schriftstücken zur Wahrung der Wirksamkeit dieses Abkommens auf Ausnahmefälle beschränkt sein sollte, in der Erwägung, dass das mit Rechtsakt des Rates der Europäischen Union vom 26. Mai 1997 erstellte Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union1 noch nicht in Kraft getreten ist und dass die Kontinuität der Ergebnisse der Verhandlungen über den Abschluss des Übereinkommens gewahrt werden sollte, in der Erwägung, dass das Übereinkommen im Wesentlichen in die Verordnung (EG) Nr. 1348/ 2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten2 (nachstehend „die Zustellungsverordnung“ genannt) übernommen wurde, gestützt auf das Protokoll über die Position Dänemarks im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union und zum Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (nachstehend „das Protokoll über die Position Dänemarks“ genannt), gemäß dem die Zustellungsverordnung für Dänemark nicht bindend oder anwendbar ist, in dem Wunsch, dass die Zustellungsverordnung sowie künftige Änderungen und Durchführungsbestimmungen dazu nach dem Völkerrecht auf die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und Dänemark als Mitgliedstaat mit Sonderstellung in Bezug auf Titel IV des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft anwendbar sein sollen, in dem Bewusstsein der Bedeutung einer angemessenen Koordinierung zwischen der Gemeinschaft und Dänemark im Hinblick auf die Aushandlung und den Abschluss internationaler Übereinkommen, die den Anwendungsbereich der Zustellungsverordnung berühren oder ändern können, in dem Wunsch, dass Dänemark von der Gemeinschaft geschlossenen internationalen Übereinkommen beitreten sollte, wenn seine Teilnahme an solchen Übereinkommen für die kohärente Anwendung der Zustellungsverordnung und dieses Abkommens von Bedeutung ist, in der Erwägung, dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zuständig sein sollte, um die einheitliche Anwendung und Auslegung dieses Abkommens einschließlich der Zustellungsverordnung und aller Durchführungsbestimmungen der Gemeinschaft, die Teil dieses Abkommens sind, zu gewährleisten, im Hinblick darauf, dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gem. Artikel 68 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft über Vorabentscheidungsfragen zur Gültigkeit und Auslegung von auf Titel IV des Vertrags gestützten Rechtsakten der Organe der Gemeinschaft, einschließlich der Gültigkeit und Auslegung dieses Abkommens, zuständig ist und dass diese Bestimmung entsprechend dem Protokoll über die Position Dänemarks für Dänemark nicht bindend oder anwendbar ist, in der Erwägung, dass der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zu denselben Bedingungen für Vorabentscheidungen zu Fragen eines dänischen Gerichts über die Gültigkeit und Auslegung dieses Abkommens zuständig sein sollte und dass dänische Gerichte daher zu denselben Bedingungen wie die Gerichte anderer Mitgliedstaaten Vorabentscheidungen über die Auslegung der Zustellungsverordnung und ihrer Durchführungsbestimmungen beantragen sollten, im Hinblick darauf, dass der Rat der Europäischen Union, die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gem. Artikel 68 Absatz 3 des 1 Amtliche Fußnote: ABl. C 261 vom 27.8.1997, S. 1. Zeitgleich zur Erstellung des Übereinkommens nahm der Rat den erläuternden Bericht zum Übereinkommen (s. Seite 26 des genannten Amtsblatts) zur Kenntnis. 2 Amtliche Fußnote: ABl. Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 37.
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Zustellungs EU-DK Abkommen
Art. 1 Zust EU-DK Abk
Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Fragen zur Auslegung von auf Titel IV des Vertrags gestützten Rechtsakten der Organe der Gemeinschaft, einschließlich der Auslegung dieses Abkommens, zur Entscheidung vorlegen können und dass diese Bestimmung entsprechend dem Protokoll über die Position Dänemarks für Dänemark nicht bindend oder anwendbar ist, in der Erwägung, dass Dänemark zu denselben Bedingungen wie andere Mitgliedstaaten in Bezug auf die Zustellungsverordnung und ihre Durchführungsbestimmungen die Möglichkeit erhalten sollte, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Fragen zur Auslegung dieses Abkommens vorzulegen, in dem Wunsch, dass die dänischen Gerichte nach Maßgabe dänischen Rechts bei der Auslegung dieses Abkommens einschließlich der Zustellungsverordnung und aller Durchführungsbestimmungen der Gemeinschaft, die Teil dieses Abkommens sind, die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und der Gerichte der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften in Bezug auf die Zustellungsverordnung und alle Durchführungsbestimmungen der Gemeinschaft berücksichtigen sollten, in der Erwägung, dass es möglich sein sollte, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften mit Fragen über die Erfüllung der Pflichten aus diesem Abkommen nach Maßgabe der Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft zur Regelung der Verfahren vor dem Gerichtshof zu befassen, in dem Bewusstsein, dass dieses Abkommen gemäß Artikel 300 Absatz 7 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für die Mitgliedstaaten verbindlich ist, sollte Dänemark im Fall der Nichterfüllung der Pflichten durch einen Mitgliedstaat in der Lage sein, die Kommission in ihrer Eigenschaft als Hüterin des Vertrags anzurufen – SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:
Artikel 1 Ziel (1) Ziel dieses Abkommens ist es, die Zustellungsverordnung und ihre Durchführungsbestimmungen gemäß Artikel 2 Absatz 1 dieses Abkommens auf die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und Dänemark anzuwenden. (2) Die Vertragsparteien streben eine einheitliche Anwendung und Auslegung der Zustellungsverordnung und ihrer Durchführungsbestimmungen in allen Mitgliedstaaten an. (3) Die Artikel 3 Absatz 1, Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 5 Absatz 1 dieses Abkommens ergeben sich aus dem Protokoll über die Position Dänemarks. Die EU-ZustVO beruht auf der räumlich eingeschränkten Kompetenz der Art. 67 ff. AEUV (ex Art. 61 ff. EGV). Nachdem die dänische Bevölkerung 1992 die Reformen des europäischen Primärrechts durch den Vertrag von Maastricht ablehnte, beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme von bestimmten Maßnahmen der EU. Die genannte Kompetenz bezieht sich gemäß des dem Amsterdamer Vertrag beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks nicht auf Dänemark.1 Dänemark besitzt danach bezüglich einzelner Maßnahmen (wie die EU-ZustVO) auch keine opt-in-Möglichkeit. Dänemark kann allein zu einem späteren Zeitpunkt erklären, dass es insgesamt oder zum Teil von diesem Protokoll keinen Gebrauch mehr machen will (Art. 7 Protokoll über die Position Dänemarks). Dann ist es aber verpflichtet, alle von der EU getroffenen einschlägigen Maßnahmen, die bis dahin in Kraft getreten sind, in vollem Umfang anzuwenden. Eine solche Erklärung hat Dänemark bisher jedoch nicht abgegeben.2 Dass Dänemark nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon
1 Vertrag von Amsterdam 1997, Protokoll über die Position Dänemarks, Abl. 1997 C 340/101. 2 Auch nicht in Bezug auf den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen; die Hoffnung von Basedow, CMLRev. 2000, 687, 696; Basedow in Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht (2002) S. 19, 29, der einen entsprechenden baldigen Verzicht Dänemarks auf die Anwendung des Protokolls in
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Art. 1 Zust EU-DK Abk Ziel die Möglichkeit zur Modifizierung des benannten Protokolls nutzen3 und von einer anschließend bestehenden singulären opt-in-Möglichkeit in Bezug auf einzelne Maßnahmen des EuZPR Gebrauch machen würde, erschien bereits 2005 nicht wahrscheinlich. Nachdem sich Ende 2015 die dänische Bevölkerung in einem Referendum gegen Änderungen des Sonderstatus in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen aussprach,4 sind auch bis heute keine weiteren Schritte ergriffen worden. Mithin kann die EU-ZustVO im Verhältnis zu Dänemark nicht unmittelbar in Kraft treten. 2
Die EU-ZustVO soll die Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke zwischen den EU-Mitgliedstaaten verbessern und beschleunigen. Sie ist wichtig für das gute Funktionieren des Binnenmarktes und für den Aufbau eines europäischen Rechtsraums; nähme Dänemark nicht an dieser Verordnung teil, führte dies zu einer komplizierten Rechtslage: Die anderen Mitgliedstaaten wären verpflichtet, für Zustellungen mit Bezug zu Dänemark andere Bestimmungen, als hinsichtlich der restlichen EU anzuwenden.5 Die EG-ZustVO bzw. heute die EU-ZustVO hat zudem eine wichtige Rolle für das Funktionieren des Brüssel I-Systems. Die Brüssel I-Verordnungen verweisen auf die EG/ EU-ZustVO (heute Art. 28 Abs. 3 Brüssel Ia-VO).
3
Zwar galt die Brüssel I-VO und gilt die sie reformierende Brüssel Ia-VO ebenfalls lediglich für alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks. Sie änderte und aktualisiert jedoch das EuGVÜ, dessen Vertragsstaat alle Mitgliedstaaten der EU-15 einschließlich Dänemark waren. Eine Nichtanwendung der Brüssel I/Ia-VO in Dänemark hätte zu der höchst unbefriedigenden rechtlichen Situation geführt, dass im Verhältnis zu Dänemark weiterhin das EuGVÜ zu berücksichtigen wäre und so in der Europäischen Union unterschiedliche Normen zur gerichtlichen Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen in Geltung wären. Bedenkt man, dass vor Inkrafttreten der Brüssel I-VO das EuGVÜ einheitlich in allen Mitgliedstaaten galt, hätte dies einen Rückschritt dargestellt und die Einheitlichkeit und Rechtssicherheit der Gemeinschaftsnormen beeinträchtigt.6 Daher wurde durch das Brüssel I EU-DK Abk letztlich der räumliche Anwendungsbereich der Brüssel I/Ia-VO auf Dänemark erstreckt.
4
Aus diesen Gründen bekundete Dänemark mehrmals sein Interesse, auch an den neuen Regelungen der EG-ZustVO teilzunehmen.7 Nach eingehenden Diskussionen erklärte sich die Europäische Kommission bereit, Parallelabkommen mit Dänemark auszuhandeln, sofern diese Lösung eine Ausnahme darstelle und nur für einen Übergangszeitraum gelte, die Teilnahme Dänemarks an der EG-ZustVO gänzlich im Interesse der Gemeinschaft und ihrer Bürger erfolge8 und die Pflichten Dänemarks mit den Pflichten aller anderen Mitgliedstaaten identisch seien, um sicherzustellen, dass in Dänemark und den anderen Mitgliedstaaten Vorschriften gleichen Inhalts gelten.9 Im Ergebnis war die Europäische Kommission der Auffassung, dass die Ausdehnung der EG/EU-ZustVO im Gemeinschaftsinteresse liege; insbesondere müsse aber bei einer Ausdehnung der Brüssel I/Ia-VO auf Dänemark angesichts der engen Verbindung der beiden Rechtsakte auch die EG/EU-ZustVO auf Dänemark ausgedehnt werden.10
5
Nachdem der Rat der EU am 8.5.2003 die Europäische Kommission ausnahmsweise zur Aushandlung eines Abkommens mit Dänemark zur Anwendung der EG-ZustVO ermächtigte,11 wurde dieses Erstreckungsübereinkommen ausgearbeitet. Mit ihm konnte der räumliche Anwendungsbereich der EG-ZustVO 2000 und in der Folge der EG-ZustVO 2007 sowie der EU-ZustVO 2020 auf Dänemark ausgedehnt werden.
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diesem Gebiet erwartete, verwirklichte sich nicht. Ebenfalls kritisch Tagaras in Nuyts/Watté (Hrsg.), International civil litigation in Europe and relations with third states (2005) S. 563, 565. S. Art. 1 Abs. 21 lit. k, l Prot. Nr. 1 Vertrag von Lissabon 2007. Wagner, NJW 2016, 1774. Gauzès, Rechtsausschuss, Europäisches Parlament, 24.2.2006, A6-0039/2006, 6. Europäische Kommission, 18.4.2005, COM (2005) 146, 2. Europäische Kommission, 18.4.2005, COM (2005) 146, 2. Dies bestätigt Gauzès, Rechtsausschuss, Europäisches Parlament, 24.2.2006, A6-0039/2006, 6. Europäische Kommission, 18.4.2005, COM (2005) 146, 2. Europäische Kommission, 18.4.2005, COM (2005) 146, 2. Gauzès, Rechtsausschuss, Europäisches Parlament, 24.2.2006, A6-0039/2006, 6.
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Zustellungs EU-DK Abkommen
Art. 2 Zust EU-DK Abk
Artikel 2 Zusammenarbeit bei der Zustellung von Dokumenten (1) Die diesem Abkommen beigefügte Zustellungsverordnung, die Teil des Abkommens ist, deren gemäß Artikel 17 (heute Art. 23) der Verordnung angenommene Durchführungsbestimmungen sowie etwaige von Dänemark gemäß Artikel 4 dieses Abkommens umgesetzte Durchführungsbestimmungen, die nach Inkrafttreten dieses Abkommens angenommen werden, und die Angaben, die von den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 23 (heute Art. 33) der Verordnung mitgeteilt werden, sind nach dem Völkerrecht auf die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und Dänemark anwendbar. (2) Es gilt der Tag des Inkrafttretens dieses Abkommens anstelle des in Artikel 25 der Verordnung genannten Zeitpunkts.
I. Völkerrechtlicher Charakter Die Norm macht deutlich, dass die EG/EU-ZustVO, von der EU aufgrund dieser Verordnungen oder von Dänemark aufgrund Art. 4 nach Inkrafttreten des Zust EU-DK Abk angenommene Durchführungsbestimmungen und von allen Mitgliedstaaten aufgrund dieser Verordnungen vorgenommene Mitteilungen gegenüber der Europäischen Kommission allein eine völkerrechtliche, keine europarechtliche Rechtsnatur besitzen.
1
Die enthaltenen Verweise bezogen sich auf die EG-ZustVO 2000. Sie waren zunächst als Verweise 2 auf die EG-ZustVO 2007 gemäß deren Anhang III zu lesen (Art. 25 Abs. 2 EG-ZustVO 2007). Heute müssen sie in einem zweiten Schritt in einen Verweis auf die EU-ZustVO 2020 gemäß deren Anhang III (Art. 36 Abs. 2 EU-ZustVO) transformiert werden. Die entsprechenden Verweise auf die EU-Zust-VO 2020 sind daher im Artikeltext in Klammern kursiv aufgeführt.
II. Intertemporale Fragen Das in der europäischen Verordnung enthaltene Zustellungsregime konnte im Verhältnis zu Dänemark erst mit dem Inkrafttreten dieses Abkommens – in völkerrechtlichem Gewand – zur Anwendung gelangen. Soweit dabei (in intertemporalen Fragen) der Zeitpunkt des Inkrafttretens der EG-ZustVO 2000 von Bedeutung ist, muss dieser durch den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Abkommens ersetzt werden. (Abs. 2). Das Abkommen ist gem. Art. 10 Zust. EU-DK Abk. am 1.7.2007 in Kraft getreten.1 Mit diesem Zeitpunkt war die EG-ZustVO 2000 als völkerrechtliche Vereinbarung zwischen der EU und Dänemark anwendbar.
3
Für intertemporale Fragen im Verhältnis zwischen den verschiedenen Zustellungsverordnungen ergeben sich hingegen keine Besonderheiten im Verhältnis zu Dänemark. Hier bleibt es bei den auch für alle übrigen Mitgliedstaaten geltenden Regelungen. Der Verweis in Abs. 2 ist aufgrund seines besonderen Zwecks für das erstmalige Inkrafttreten dieses Zustellungsregimes im Verhältnis zu Dänemark entsprechend nicht an die neueren Verordnungen anzupassen. Die EG-ZustVO 2007 ersetzt wie in der gesamten übrigen EU auch in Dänemark seit dem 13.11.2008 die EG-ZustVO 2000. Sie ist aufgrund Art. 3 Zust EU-DK Abk. und der entsprechenden von Dänemark abgegebenen Mitteilung im Verhältnis zu Dänemark als völkerrechtliche Vereinbarung auf Grundlage dieses Abkommens anwendbar. Die EG-ZustVO 2007 wurde ihrerseits ab dem 1.7.2022 durch die EU-ZustVO 2020 ersetzt. Aufgrund Art. 3 Zust EU-DK Abk und der entsprechenden von Dänemark abgegebenen Mitteilung ist letztere nun im Verhältnis zu Dänemark als völkerrechtliche Vereinbarung auf Grundlage dieses Abkommens anwendbar.
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1 ABl. EU 2007 L 94/70.
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Art. 3 Zust EU-DK Abk Änderungen der Zustellungsverordnung
III. Brexit 5
Das Vereinigte Königreich ist mit Ablauf des 31.1.2020 aus der EU ausgetreten.2 Dem Brexit schloss sich gem. Art. 126 UK-EU Austrittsabkommen3 bis zum 31.12.2020 ein Übergangszeitraums an, in dem das EU-Recht im Vereinigten Königreich im Wesentlichen weiter anwendbar war (Art. 127 UK-EU Austrittsabkommen). Das EU-UK-Handels- und Kooperationsabkommen4 enthält für die Zeit ab dem 1.1.2021 keine Bestimmungen zum Europäischen Zivilprozessrecht.
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Die EG-ZustVO findet gem. Art. 68 lit. a UK-EU Austrittsabkommen jedoch auch nach dem Brexit und dem Ablauf des Übergangszeitraums auf Zustellungen aus dem und in das Vereinigte Königreich Anwendung, wenn das gerichtliche und außergerichtliche Schriftstück, vor dem 1.1.2021 zum Zwecke der Zustellung bei einer Empfangsstelle, bei einer Zentralstelle des Staates, in dem die Zustellung erfolgen soll, oder bei diplomatischen oder konsularischen Vertretungen, Postdiensten oder Amtspersonen, Beamten oder sonstigen zuständigen Personen des Empfangsmitgliedstaats i.S.v. Art. 13, 14, 15 EG-ZustVO 2007 eingegangen ist. Dies gilt gem. Art. 69 Abs. 3 UK-EU Austrittsabkommen auch für Zustellungen aus und nach Dänemark aufgrund des Zust EU-DK Abk. Auch im Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und Dänemark ist für den zeitlichen Anwendungsbereich damit allein entscheidend, wann der erste Eingang der relevanten Schriftstücke bei einer mit dem Verfahren befassten Stelle erfolgte, nicht aber die tatsächliche Zustellung. Diese kann deutlich nach dem endgültigen Ausscheiden des Vereinigten Königreiches aus der EU liegen.
Artikel 3 Änderungen der Zustellungsverordnung (1) Dänemark beteiligt sich nicht an der Annahme von Änderungen der Zustellungsverordnung; etwaige Änderungen sind für Dänemark nicht bindend oder anwendbar. (2) Bei jeder Annahme von Änderungen der Verordnung teilt Dänemark der Kommission mit, ob es diese Änderungen umsetzen wird. Die Mitteilung erfolgt zum Zeitpunkt der Annahme der Änderungen oder binnen 30 Tagen nach der Annahme. (3) Beschließt Dänemark die Umsetzung der Änderungen, so muss die Mitteilung Angaben darüber enthalten, ob dazu ein Verwaltungsakt genügt oder die Zustimmung des Parlaments erforderlich ist. (4) Geht aus der Mitteilung hervor, dass die Umsetzung im Wege eines Verwaltungsakts erfolgen kann, so muss darin außerdem mitgeteilt werden, dass alle erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen zeitgleich mit den Änderungen der Verordnung in Kraft treten oder dass sie am Tag der Mitteilung in Kraft getreten sind, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist. (5) Geht aus der Mitteilung hervor, dass in Dänemark das Parlament der Umsetzung zustimmen muss, gelten folgende Regeln: a) Legislativmaßnahmen treten in Dänemark am Tag des Inkrafttretens der Änderungen der Verordnung oder binnen 6 Monaten nach der Mitteilung in Kraft, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist. b) Dänemark teilt der Kommission mit, zu welchem Zeitpunkt die für die Umsetzung erforderlichen Legislativmaßnahmen in Kraft treten.
2 Beschluss (EU) 2019/1810 des Europäischen Rates, im Einvernehmen mit dem Vereinigten Königreich gefasst, vom 29.10.2019 zur Verlängerung der Frist nach Art. 50 Abs. 3 EUV, ABl. 2019 L 278I/1. 3 Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl. 2020 L 29/7, in Kraft getreten am 1.2.2020, ABl. 2020 L 29/189. 4 Abkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits, ABl. 2021 L 149/10, vorläufig angewendet ab 1.1.2021 (Art. 12 Beschluss (EU) 2020/2252, ABl. 2020 L 444/2), in Kraft getreten am 1.5.2021, ABl. 2021 L 149/2560.
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Zustellungs EU-DK Abkommen
Art. 3 Zust EU-DK Abk
(6) Eine Mitteilung Dänemarks, der zufolge die Änderungen in Dänemark nach den Absätzen 4 und 5 umgesetzt worden sind, schafft gegenseitige völkerrechtliche Verpflichtungen zwischen Dänemark und der Gemeinschaft. Die Änderungen der Verordnung gelten dann als Änderungen dieses Abkommens und als Anhang zu diesem Abkommen. (7) Für den Fall, dass a) Dänemark seine Entscheidung mitteilt, die Änderungen nicht umzusetzen, oder b) Dänemark keine Mitteilung binnen der in Absatz 2 genannten Frist von 30 Tagen vornimmt, oder c) die Legislativmaßnahmen in Dänemark nicht innerhalb der Fristen des Absatzes 5 in Kraft treten, gilt das Abkommen als beendet, sofern die Parteien nicht binnen 90 Tagen etwas anderes beschließen oder, im Falle des Buchstaben c, Dänemark nicht innerhalb dieses Zeitraums Legislativmaßnahmen in Kraft setzt. Die Beendigung des Abkommens wird drei Monate nach Ablauf der Frist von 90 Tagen wirksam. (8) Ersuchen, die vor dem Zeitpunkt der Beendigung des Abkommens gemäß Absatz 7 übermittelt wurden, bleiben hiervon unberührt.
I. Normzweck Die Norm trägt einerseits dafür Sorge, dass Anpassungen und Reformen im europäischen Zustellungsregime ohne ein langwieriges neuerliches Ausarbeiten von Erstreckungsabkommen auch im Verhältnis zu Dänemark Anwendung finden können, sichert andererseits aber auch die Kohärenz des europäischen Zustellungsregimes, indem ältere Fassungen nicht im Verhältnis allein zu Dänemark weiter anwendbar bleiben.1 Abs. 1 wiederholt den europarechtlichen Zustand: Verordnungsänderungen des europäischen Gesetzgebers sind auch nach dem Abschluss dieses Erstreckungsabkommens für Dänemark nicht unmittelbar bindend und anwendbar.
1
II. Fristgebundenes Mitteilungsverfahren Die Abs. 2–6 schaffen jedoch bei Verordnungsänderungen ein fristgebundenes Mitteilungsverfahren: 2 Dänemark muss binnen 30 Tagen ab Annahme der Änderungsverordnung im europäischen Verordnungssetzungsverfahren mitteilen, ob es diese Änderungen umsetzen wird (Abs. 2). Gemäß Abs. 6 begründet die dänische Mitteilung gegenseitige völkerrechtliche Verpflichtungen zwischen Dänemark und der EU. Die Änderungen der Verordnung gelten als Änderung des Abkommens und als Anhang zu diesem. Nach dem Erlass der EG-ZustVO 2007 am 13.11.2007 teilte Dänemark gem. Abs. 2 am 20.11.2007 der 3 Europäischen Kommission mit, dass es den Inhalt der neuen Verordnung umsetzen wird.2 Damit stellte die EG-ZustVO 2007 eine Änderung dieses Abkommens dar und galt anstelle der EG-ZustVO 2000 als Bestandteil dieses Abkommens. Nach dem Erlass der EU-ZustVO 2020 am 25.11.2020 teilte Dänemark gem. Abs. 2 am 22.12.2020 der Europäischen Kommission mit, dass es auch den Inhalt dieser Verordnung umsetzen wird.3 Damit ist auch die EU-ZustVO 2020 eine Änderung dieses Abkommens und gilt nunmehr anstelle der EG-ZustVO 2007 als Bestandteil dieses Abkommens. Im Sinne von Abs. 4 geht aus den Mitteilungen Dänemarks jeweils hervor, dass eine Umsetzung im Wege von Verwaltungsmaßnahmen erfolgt, welche jeweils am Tag des Inkrafttretens der EG-ZustVO 2002 bzw. der EU-ZustVO 2020 in Kraft traten.
1 Auf das Bedürfnis, künftige Änderungen an der Verordnung auch im Abkommen zu berücksichtigen weist auch Gauzès, Rechtsausschuss, Europäisches Parlament, 24.2.2006, A6-0039/2006, 6 hin. 2 ABl. EU 2008 L 331/21. 3 ABl. EU 2021 L 19/1.
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Art. 4 Zust EU-DK Abk Durchführungsbestimmungen
III. Sanktion 4
Sanktioniert wird das einseitige Verfahren mit einer grundsätzlichen Beendigung des Abkommens bei negativer oder ausbleibender Mitteilung oder nicht rechtzeitiger parlamentarischer Umsetzung (Abs. 7). Die Beendigung des Abkommens tritt bei Bedingungseintritt automatisch ein, es bedarf keiner Kündigung oder sonstiger Erklärungen einer Partei. Vielmehr ist allein vorgesehen, dass die Parteien in einem solchen Fall durch aktive Vereinbarung binnen 90 Tagen ab Eintritt eines der in Abs. 7 lit. a–c beschriebenen Ereignisse eine Beendigung verhindern können. Nach 3 weiteren Monaten, mithin ca. 6 Monate nach dem in Abs. 7 lit. a–c beschriebenen Ereignis, würde das Abkommen und damit die Erstreckung der EU-ZustVO auf Dänemark außer Kraft treten.
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Die Übergangsregelung hierfür enthält Abs. 8: Vor dem Außerkrafttreten übermittelte Ersuchen bleiben unberührt. Im Vergleich zum Außerkrafttreten im Vereinigten Königreich aufgrund des Brexit (s. Art. 2 Zust EU-DK Abk Rz. 5 f.) käme es hier nicht auf die Einreichung des zuzustellenden Schriftstücks vor dem Außerkrafttreten bei der ersten zuständigen Stelle an. Vielmehr müsste auch die Übermittlung noch vor dem Außerkrafttreten erfolgt sein, damit die Zustellung noch an der EU-ZustVO zu messen ist.
Artikel 4 Durchführungsbestimmungen (1) Dänemark beteiligt sich nicht an der Annahme von Stellungnahmen des in Artikel 18 (heute Art. 26) der Zustellungsverordnung genannten Ausschusses. Gemäß Artikel 17 (heute Art. 23) der genannten Verordnung angenommene Durchführungsbestimmungen sind für Dänemark nicht bindend und anwendbar. (2) Werden Durchführungsbestimmungen gemäß Artikel 17 (heute Art. 23) der Verordnung angenommen, so werden diese Dänemark mitgeteilt. Dänemark teilt der Kommission seine Entscheidung über die Umsetzung oder Nicht-Umsetzung dieser Durchführungsbestimmungen mit. Die Mitteilung erfolgt bei Erhalt der Durchführungsbestimmungen oder binnen 30 Tagen danach. (3) In der Mitteilung wird mitgeteilt, dass alle erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen in Dänemark zeitgleich mit den Durchführungsbestimmungen in Kraft treten oder dass sie am Tag der Mitteilung in Kraft getreten sind, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist. (4) Eine Mitteilung Dänemarks, der zufolge die Durchführungsbestimmungen in Dänemark umgesetzt worden sind, schafft gegenseitige völkerrechtliche Verpflichtungen zwischen Dänemark und der Gemeinschaft. Die Durchführungsbestimmungen sind dann Teil dieses Abkommens. (5) Für den Fall, dass a) Dänemark seine Entscheidung, die Durchführungsbestimmungen nicht umzusetzen, mitteilt, oder b) Dänemark keine Mitteilung binnen der in Absatz 2 genannten Frist von 30 Tagen vornimmt, gilt das Abkommen als beendet, sofern die Parteien nicht binnen 90 Tagen etwas anderes beschließen. Die Beendigung des Abkommens wird drei Monate nach Ablauf der Frist von 90 Tagen wirksam. (6) Ersuchen, die vor dem Zeitpunkt der Beendigung des Abkommens gemäß Absatz 5 übermittelt wurden, bleiben hiervon unberührt. (7) Erfordert die Umsetzung in Ausnahmefällen die Zustimmung des dänischen Parlaments, so gibt Dänemark dies in seiner Mitteilung gemäß Absatz 2 an; in diesem Fall findet Artikel 3 Absätze 5 bis 8 Anwendung. (8) Dänemark teilt der Kommission die Angaben gemäß den Artikeln 2, 3, 4, 9, 10, 13, 14, 15, 17 Buchstabe a und Artikel 19 (heute Art. 3, 4, 8, 14, 17, 20, 22) der Zustellungsverordnung mit. Die Kommission veröffentlicht diese Angaben gemeinsam mit den entsprechenden Angaben der anderen Mitgliedstaaten. Das Handbuch und das Glossar gemäß Artikel 17 (heute wohl Art. 33 Abs. 4) der genannten Verordnung enthalten auch die Angaben über Dänemark. 490
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Zustellungs EU-DK Abkommen
Art. 4 Zust EU-DK Abk
I. Anpassung der Verweise Die in der Norm auf die „Zustellungsverordnung“ zeigenden Verweise bezogen sich auf die EG-ZustVO 2000. Sie waren zunächst als Verweise auf die EG-ZustVO 2007 gemäß deren Anhang III zu lesen (Art. 25 Abs. 2 EG-ZustVO 2007). Heute müssen sie in einem zweiten Schritt in einen Verweis auf die EU-ZustVO 2020 gemäß deren Anhang III (Art. 36 Abs. 2 EU-ZustVO) transformiert werden. Die entsprechenden Verweise auf die EU-Zust-VO 2020 sind im Artikeltext in Klammern kursiv aufgeführt.
1
II. Erstreckung von Durchführungsbestimmungen An von der Kommission gem. Art. 23 EU-ZustVO 2020 erlassenen Durchführungsbestimmungen muss Dänemark sich ebenso beteiligen, wie an Änderungen der EG/EU-ZustVO. Abs. 2–4, 7 zeichnet hierfür das in Art. 3 Zust EU-DK Abk enthaltene fristgebundene Mitteilungsverfahren nach Abs. 5 sanktioniert die fehlende Mitteilung zur Beteiligung (und die damit fehlende Begründung völkerrechtlicher Verpflichtungen) mit der Beendigung des gesamten Zust EU-DK Abk. Die Beendigungsfrist, Abwendungsmöglichkeit und die in Abs. 6 enthaltene intertemporale Regelung zum Außerkrafttreten entspricht den Bestimmungen in Art. 3 Zust EU-DK Abk.
2
III. Mitteilungen an die Kommission Gleich den anderen Mitgliedstaaten verpflichtet Abs. 8 auch Dänemark zur Mitteilung bestimmter nationaler Umsetzungsfestlegungen an die Kommission. Zudem muss nach Sinn und Zweck der Norm Abs. 8 analog auch auf die weiteren in Art. 33 EU-ZustVO 2020 genannten Mitteilungen angewendet werden.
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Zusätzliche Mitteilungen Dänemarks an die Kommission müssen daher für die Angaben gem. Art. 7, 12, 15, 19 EU-ZustVO 2020 erfolgen; diese Mitteilungspflichten hatten keine Entsprechung in der EG-ZustVO 2000. Gleiches gilt für die Pflicht zur Mitteilung, ob das nationale Recht Dänemarks die Zustellung eines Schriftstücks nach Art. 12 Abs. 5 Zust EU-DK Abk und Art. 13 Abs. 2 Zust EU-DK Abk innerhalb einer bestimmten Frist erfordert.
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Zudem sieht Art. 29 EU-ZustVO 2020 (ex Art. 20 EG-ZustVO 2000/2007) vor, dass die Mitgliedstaa- 5 ten der Kommission eine Abschrift von zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen oder zu schließenden Übereinkünften übermitteln, die der Beschleunigung oder weiteren Vereinfachung der Übermittlung von Schriftstücken dienen, sofern diese Übereinkünfte mit der EU-ZustVO vereinbar sind. Zu übermitteln sind auch diesbezügliche Kündigungen oder Änderungen sowie Entwürfe von geplanten Übereinkünften. Diese Mitteilungspflicht wurde nicht gesondert im Zust EU-DK Abk benannt. Hinsichtlich bereits geschlossener Übereinkommen greift auch Art. 5 Zust EU-DK Abk. nicht. Mit der Anwendbarkeit der EU-ZustVO trifft die Mitteilungspflicht dennoch auch Dänemark, welches ausweislich der von der Kommission im Europäischen Justizportal veröffentlichten Informationen das Nordische Übereinkommen vom 26.4.1974 über die Rechtshilfe bei der Zustellung von Schriftstücken und der Beweisaufnahme notifiziert hat. Dessen weitere Vertragsstaaten sind Finnland, Island, Norwegen und Schweden.
IV. Handbuch Die Idee eines Glossars hat bereits die EG-ZustVO 2007 aufgegeben. Die Pflicht zur Erstellung eines Handbuchs besteht für die Kommission auch nach der EU-ZustVO 2020 fort; jedoch folgt dies nunmehr (abweichend von den Entsprechungstabellen im Anhang III der EG-ZustVO 2007 und EU-ZustVO 2020) aus Art. 33 Abs. 4 EU-ZustVO 2020. Der Verweis in Abs. 8 S. 3 ist daher entgegen Anh. III EU-ZustVO 2020 mittels teleologischer Auslegung auf diese Norm korrigiert zu lesen. Die
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Art. 5 Zust EU-DK Abk Internationale Übereinkommen Angaben finden sich heute im Europäischen Justizportal.1 Dort sind auch die Angaben zu Dänemark mit aufgenommen; auch diese werden in die anderen Amtssprachen der Europäischen Union übersetzt.
V. Einrichtung eines dezentralen IT-Systems 7
Mit der EU-ZustVO sollen künftig zuzustellende Schriftstücke, Ersuchen, Bestätigungen, Empfangsbestätigungen, Bescheinigungen und Mitteilungen zwischen den Übermittlungs- und Empfangsstellen, zwischen diesen Stellen und den Zentralstellen oder zwischen den Zentralstellen der verschiedenen Mitgliedstaaten über ein sicheres und zuverlässiges dezentrales IT-System übermittelt werden. Auf Grundlage von Art. 25 EU-ZustVO 2020, der in dieser Verordnung neu eingeführt wurde und keine Entsprechung in den früheren EG-ZustVO besitzt, hat die Kommission dazu die erforderliche Durchführungsverordnung erlassen.2 Die entsprechenden Vorschriften der EU-ZustVO treten am 1.5.2025 in Kraft.3
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Nach Abs. 2 ist Dänemark nur verpflichtet, sich an Durchführungsbestimmungen gem. Art. 23 EU-ZustVO 2020 zu beteiligen, nicht aber an solchen gem. Art. 25 EU-ZustVO 2020. Zwar ist eine Mitteilung Dänemarks über eine Teilnahme an dieser DVO nicht ersichtlich, jedoch greift aufgrund der anderen Kompetenzgrundlage das im Übrigen auch für Durchführungsbestimmungen bestehende fristgebundene Mitteilungsverfahren gem. Abs. 2–4 nicht ein. Demzufolge wird das Abkommen bei fehlender Mitteilung auch nicht gem. Abs. 5 beendet.
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Auch wenn keine formale Pflicht Dänemarks besteht, sich an der DVO (EU) 2022/423 zu beteiligen, so ist dennoch zu erwarten, dass Dänemark die dort festgelegten technischen Spezifikationen, Maßnahmen und sonstige Anforderungen für die Umsetzung des dezentralen IT-Systems beachten wird, da entsprechende Übermittlungen aufgrund des Inkrafttretens der weiteren Bestimmungen der EU-ZustVO 2020 ab 2025 auch von und nach Dänemark erfolgen müssen.
Artikel 5 Internationale Übereinkommen, die Auswirkungen auf die Zustellungsverordnung haben (1) Internationale Übereinkommen, die die Gemeinschaft in Ausübung ihrer Außenzuständigkeit auf der Grundlage der Zustellungsverordnung geschlossen hat, sind für Dänemark nicht bindend und anwendbar. (2) Dänemark enthält sich des Abschlusses internationaler Übereinkommen, die möglicherweise den Anwendungsbereich der diesem Abkommen beigefügten Zustellungsverordnung berühren oder ändern, es sei denn, die Gemeinschaft erteilt ihr Einverständnis dazu und es werden zufrieden stellende Lösungen mit Blick auf das Verhältnis zwischen diesem Abkommen und dem in Rede stehenden internationalen Übereinkommen gefunden. (3) Handelt Dänemark internationale Übereinkommen aus, die möglicherweise den Anwendungsbereich der diesem Übereinkommen beigefügten Zustellungsverordnung berühren oder ändern, so stimmt es seine Haltung mit der Gemeinschaft ab und enthält sich aller Handlungen, die die Ziele einer von der Gemeinschaft in ihrem Zuständigkeitsbereich bei solchen Verhandlungen vertretenen Position gefährden würden.
1 https://e-justice.europa.eu/38580/DE/serving_documents_recast (2.11.2022). 2 Durchführungsverordnung (EU) 2022/423 der Kommission vom 14.3.2022 zur Festlegung der technischen Spezifikationen, Maßnahmen und sonstigen Anforderungen für die Umsetzung des dezentralen IT-Systems nach der Verordnung (EU) 2020/1784 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU 2022 L 87/9. 3 Art. 37 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 i.V.m. Art. 2 DVO (EU) 2022/423.
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Zustellungs EU-DK Abkommen
Art. 5 Zust EU-DK Abk
I. Beschränkte EU-Außenkompetenz Eine Außenzuständigkeit der EU für den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen ergibt sich nicht allein aus einer ausdrücklichen Zuweisung im europäischen Primärrecht, sondern auch stillschweigend aus anderen Primärrechtsbestimmungen und den in ihrem Rahmen ergangenen Sekundärrechtsakten.1 Immer dann, wenn das Primärrecht den Organen der EU im Hinblick auf ein bestimmtes Ziel im Inneren eine Zuständigkeit verleiht, ist die EU auch befugt, die zur Erreichung dieses Zieles erforderlichen völkerrechtlichen Verpflichtungen einzugehen, auch wenn insoweit eine ausdrückliche Bestimmung fehlt.2
1
Diese Außenzuständigkeit ist zudem dann eine ausschließliche, wenn gemeinsame Rechtsnormen er- 2 lassen worden sind und diese durch das von einem Mitgliedstaat beabsichtigte völkerrechtliche Abkommen mit einem Drittstaat beeinträchtigt werden.3 Grundsätzlich hat die EU mit dem Erlass der EG/EU-ZustVO daher soweit eine ausschließliche Außenkompetenz bezüglich des Abschlusses völkerrechtlicher Abkommen erworben, wie der Anwendungsbereich der EU-ZustVO betroffen ist. Die Rechtsetzungskompetenz aus den Art. 67 ff. AEUV, auf welcher auch die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen innerhalb der EU beruht, ist jedoch räumlich eingeschränkt und besteht nicht in Bezug auf Dänemark (s. Art. 1 Zust EU-DK Abk Rz. 1). Daher besteht auch keine unmittelbare Geltung der EU-ZustVO bezüglich Dänemark. Insoweit kann die EU mithin auch keine Außenkompetenz durch den Erlass der EG/EU-ZustVO erlangen. Auch der Abschluss dieses Zust EU-DK Abk. – welches aus Sicht der EU ein internationales Übereinkommen und gerade kein europäisches Sekundärrecht darstellt – begründet keine solche Außenkompetenz der EU in Bezug auf Dänemark. Abs. 1 stellt dies klar und verdeutlicht, dass mittels der durch den Erlass der EG/EU-ZustVO manifestierten Außenkompetenz von der EU geschlossene Internationale Übereinkommen nicht in Bezug auf Dänemark Geltung erlangen.
3
II. Genehmigungsvorbehalt und Wohlverhalten bei Abkommen mit Drittstaaten Abs. 2 unterstellt den Abschluss von völkerrechtlichen Abkommen durch Dänemark, welche mögli- 4 cherweise den Anwendungsbereich der EU-ZustVO berühren oder ändern, einem Genehmigungsvorbehalt durch die EU. Da weder im Beschluss des Rates über den Abschluss des Zust EU-DK Abk (Beschluss des Rates 2006/326/EG4) noch im Zust EU-DK Abk selbst ein Verfahren für die Zustimmung der EU geregelt ist, wurde zur Umsetzung von Abs. 2 durch Beschluss des Rates 2009/943/EG5 dieses Verfahren festgelegt, indem in den Beschluss des Rates 2006/326/EG6 über den Abschluss des Zust. EU-DK Abk. folgende Artikel eingefügt worden: Artikel 1a (1) Zum Zwecke der Anwendung des Artikels 5 Absatz 2 des Abkommens prüft die Kommission, bevor sie eine Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung der Gemeinschaft trifft, ob das von Dänemark in Aussicht genommene völkerrechtliche Übereinkommen das Abkommen in sei1 EuGH v. 7.2.2006 – Gutachten 1/03, ECLI:EU:C:2006:81 – Neues Übereinkommen von Lugano Rz. 114; EuGH v. 31.3.1971 – Rs. 22/70, ECLI:EU:C:1971:32 – Kommission der Europäischen Gemeinschaften vs. Rat der Europäischen Gemeinschaften Rz. 16. 2 EuGH v. 7.2.2006 – Gutachten 1/03, ECLI:EU:C:2006:81 – Neues Übereinkommen von Lugano, Rz. 114; EuGH v. 19.3.1993 – Gutachten 2/91, ECLI:EU:C:1993:106 – Übereinkommen Nr. 170 der Internationalen Arbeitsorganisation über Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit, Rz. 7; EuGH v. 26.4.1974 – Gutachten 1/76, ECLI:EU:C:1977:63 – Übereinkommen über die Errichtung eines Europäischen Stilllegungsfonds für die Binnenschifffahrt Rz. 3. 3 EuGH v. 7.2.2006 – Gutachten 1/03, ECLI:EU:C:2006:81 – Neues Übereinkommen von Lugano, Rz. 116; EuGH v. 31.3.1971 – 22/70, ECLI:EU:C:1971:32 – Kommission der Europäischen Gemeinschaften vs. Rat der Europäischen Gemeinschaften Rz. 17. 4 V. 27.4.2006, ABl. EU 2006 L 120/23. 5 V. 30.11.2009, ABl. EU 2009 L 331/26. 6 V. 27.4.2006, ABl. EU 2006 L 120/23.
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Art. 6 Zust EU-DK Abk Rechtsprechung zur Auslegung ner Wirkung nicht beeinträchtigen und das reibungslose Funktionieren des durch dessen Vorschriften errichteten Systems nicht beeinträchtigen würde. (2) Die Kommission trifft innerhalb von 90 Tagen ab der Unterrichtung durch Dänemark über dessen Absicht, dem fraglichen völkerrechtlichen Übereinkommen beizutreten, eine begründete Entscheidung. Erfüllt das fragliche völkerrechtliche Übereinkommen die Voraussetzungen nach Absatz 1, so wird in der Entscheidung der Kommission die Zustimmung der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 5 Absatz 2 des Abkommens erteilt. Artikel 1b Die Kommission unterrichtet die Mitgliedstaaten über die völkerrechtlichen Übereinkommen, zu deren Abschluss Dänemark im Einklang mit Artikel 1a ermächtigt wurde. 5
Abs. 3 enthält für den Fall, dass eine Genehmigung nach Abs. 2 erteilt wird, eine Wohlverhaltensklausel. Soweit Dänemark entsprechende völkerrechtliche Abkommen aushandelt, verpflichtet es sich seine Haltung mit der EU abzustimmen und sich aller Handlungen zu enthalten, die die Ziele der EU im Bereich der EU-ZustVO gefährden würde.
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Die Teilnahme Dänemarks an einem künftigen Übereinkommen, mit welchem die EU-ZustVO der Sache nach auch auf die EFTA-Staaten Island, Norwegen und die Schweiz ausgedehnt werden soll (vergleichbar dem LugÜbk 2007 für die Brüssel I-VO),7 würde in den Anwendungsbereich der Norm fallen. Dänemark ist in die Verhandlungen von vornherein mit einbezogen. Diese dauern an; einen Durchbruch gab es wohl immer noch nicht.8
Artikel 6 Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Auslegung des Abkommens (1) Wird in einem bei einem dänischen Gericht anhängigen Fall die Frage der Gültigkeit oder Auslegung dieses Abkommens aufgeworfen, so ersucht das betreffende Gericht den Gerichtshof um eine Entscheidung in dieser Frage, wenn unter denselben Umständen ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union im Hinblick auf die Zustellungsverordnung sowie die dazu gehörigen Durchführungsbestimmungen nach Artikel 2 Absatz 1 dieses Abkommens dies ebenfalls tun müsste. (2) Die dänischen Gerichte tragen entsprechend dem dänischen Recht der Rechtsprechung des Gerichtshofs im Zusammenhang mit der Zustellungsverordnung und allen Durchführungsbestimmungen der Gemeinschaft angemessen Rechnung. (3) Wie der Rat, die Kommission und jeder Mitgliedstaat kann Dänemark den Gerichtshof um eine Entscheidung in einer Frage der Auslegung dieses Abkommens ersuchen. Die Entscheidung, die der Gerichtshof auf ein solches Ersuchen hin trifft, ist auf bereits rechtskräftige Urteile von Gerichten der Mitgliedstaaten nicht anwendbar. (4) Dänemark ist berechtigt, dem Gerichtshof in Fällen, in denen ein Gericht eines Mitgliedstaats diesem eine Frage zur Vorabentscheidung zur Auslegung aller in Artikel 2 Absatz 1 genannten Bestimmungen stellt, Bemerkungen vorzulegen. (5) Das Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und die Verfahrensordnung des Gerichtshofs sind anwendbar.
7 Empfohlen von der Kommission im Jahr 2012, vgl. Europäische Kommission, 14.12.2013, COM (2013) 858, 18. 8 Wagner, NJW 2021, 1926, 1928.
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Zustellungs EU-DK Abkommen
Art. 6 Zust EU-DK Abk
(6) Bei Änderungen der Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft über Entscheidungen des Gerichtshofs, die Auswirkungen auf Entscheidungen betreffend die Zustellungsverordnung haben, kann Dänemark der Kommission seine Entscheidung mitteilen, die betreffenden Änderungen in Bezug auf dieses Abkommen nicht umzusetzen. Die Mitteilung erfolgt zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungen oder binnen 60 Tagen nach deren Inkrafttreten. In diesem Fall gilt dieses Abkommen als beendet. Die Beendigung des Abkommens wird drei Monate nach der Mitteilung wirksam. (7) Ersuchen, die vor dem Zeitpunkt der Beendigung des Abkommens gemäß Absatz 6 übermittelt wurden, bleiben hiervon unberührt.
I. Verfahren vor dänischen Gerichten Abs. 1 setzt hinsichtlich der Bestimmungen der EG/EU-ZustVO durch, dass auch dänische Gerichte 1 in gleicher Weise wie andere mitgliedstaatliche Gerichte nach Art. 267 AEUV ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH einleiten müssen. Dänischen Gerichten wird damit die Möglichkeit den EuGH anzurufen dann eingeräumt, wenn es sich um letztinstanzliche Verfahren handelt; nur in diesen Fällen ist auch ein mitgliedstaatliches Gericht zur Vorlage verpflichtet. Dies stand bei Schaffung des Abkommens im Einklang mit der Situation in der übrigen EU; Art. 68 EGV beschränkte die Möglichkeit zum Vorabentscheidungsverfahren auf letztinstanzliche Verfahren. Mit dem Vertrag von Lissabon wurde Art. 68 EGV ersatzlos gestrichen, so dass heute gem. Art. 267 Abs. 2 AEUV auch unterinstanzliche Gerichte zur Vorabentscheidung vorlegen können. Diese Erweiterung ist nicht auf dänische Gerichte übertragen worden. Dänemark wird durch Abs. 2 zudem verpflichtet, die zur EG/EU-ZustVO ergehende Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen. So wird eine einheitliche Auslegung der EG/EU-ZustVO unter Einschluss Dänemarks gesichert.
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II. Verfahren vor sonstigen mitgliedstaatlichen Gerichten In Verfahren vor mitgliedstaatlichen Gerichten, die wegen ihres Bezugs zu Dänemark nicht der EG/ EU-ZustVO unmittelbar, sondern aufgrund dieses Abkommens unterfallen, besteht die Berechtigung und Verpflichtung zur Anrufung des EuGH nach den allgemeinen Vorschriften des Art. 267 AEUV. Das Zust. EU-DK Abk. ist insoweit eine „Handlung der Organe“ i.S.v. Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV. Hierzu zählen als integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung auch die von Unionsorganen geschlossenen und für die Union bindenden völkerrechtlichen Abkommen.1
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III. Beteiligung des dänischen Staates Dänemark wird den anderen Mitgliedstaaten auch hinsichtlich seines eigenen Rechts, den EuGH um Auslegung zu ersuchen (Abs. 3), als auch hinsichtlich der Beteiligung an Vorabentscheidungsverfahren die EG/EU-ZustVO betreffend (Abs. 4) gleichgestellt.
1 EuGH v. 10.1.2006 – C-344/04, ECLI:EU:C:2006:10 – The Queen, auf Antrag von International Air Transport Association, European Low Fares Airline Association/Department for Transport Rz. 36, EuZW 2006, 112, 115; Calliess/Ruffert/Wegener, EUV/AEUV6 (2022), Art. 267 AEUV Rz. 11.
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Art. 7 Zust EU-DK Abk Rechtsprechung zur Einhaltung
Artikel 7 Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zur Einhaltung des Abkommens (1) Die Kommission kann beim Gerichtshof Klage gegen Dänemark wegen Nichterfüllung seiner Verpflichtungen aus diesem Abkommen erheben. (2) Dänemark kann bei der Kommission Beschwerde gegen einen Mitgliedstaat wegen Nichterfüllung seiner Verpflichtungen aus diesem Abkommen einlegen. (3) Die einschlägigen Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft über die Verfahren beim Gerichtshof, das Protokoll über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und die Verfahrensordnung des Gerichtshofs finden Anwendung. 1
Die Norm überträgt inhaltlich das im europäischen Primärrecht enthaltene Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258 AEUV) auf das Zust EU-DK Abk. Auf eine dem EuGH-Verfahren zwingende vorgelagerte Anhörung Dänemarks, begründete Stellungnahme der Kommission und Abhilfemöglichkeit Dänemarks wird jedoch verzichtet. Bei Nichterfüllung der Pflichten aus dem Abkommen steht der Kommission unmittelbar der Weg zum EuGH offen (Abs. 1).
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Im Gegenzug steht Dänemark bei Nichterfüllung der Verpflichtungen durch andere Mitgliedstaaten allein eine Beschwerde bei der Kommission zur Verfügung (Abs. 2). Die eigenständige Klagemöglichkeit zum EuGH (wie Art. 259 AEUV sie grundsätzlich kennt) wird Dänemark nicht eingeräumt.
Artikel 8 Räumlicher Geltungsbereich Dieses Abkommen findet auf die in Artikel 299 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (heute Art. 52 EUV, Art. 349, 355 AEUV) aufgeführten Gebiete Anwendung. 1
Art. 299 EGV wurde mit dem Vertrag von Lissabon ersetzt durch Art. 52 EUV, Art. 349, 355 AEUV.1
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Für die Europäische Union unter Ausschluss Dänemarks gilt hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs das gleiche wie für die anderen Verordnungen im Bereich des EuZPR/EuIPR. Auf die Ausführungen dort kann daher verwiesen werden.2
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Im Umkehrschluss folgt aus der Norm auch, dass für Dänemark das Abkommen nicht in Grönland (Art. 355 Abs. 2 AEUV i.V.m. Anh. II AEUV) und nicht auf den Färöer (Art. 355 Abs. 5 lit. a AEUV) gilt.
Artikel 9 Beendigung des Abkommens (1) Das Abkommen wird beendet, wenn Dänemark den anderen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 7 des Protokolls über die Position Dänemarks mitteilt, dass es von Teil I des Protokolls keinen Gebrauch mehr machen will. (2) Jede Vertragspartei kann dieses Abkommen durch Notifizierung an die andere Vertragspartei kündigen. Die Kündigung wird sechs Monate nach der Notifizierung wirksam. (3) Ersuchen, die übermittelt wurden, bevor das Übereinkommen gemäß Absatz 1 oder 2 beendet wird, bleiben davon unberührt. 1 S. Übereinstimmungstabelle ABl. EU 2008 C 115/361. 2 S. im Einzelnen Art. 2 EG-VollstrTitelVO Rz. 14–25.
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Zustellungs EU-DK Abkommen
Art. 11 Zust EU-DK Abk
I. Beendigung des Abkommens wegen Verzicht auf Protokoll Dänemark kann den übrigen Mitgliedstaaten jederzeit mitteilen, dass es von dem Protokoll über die 1 Position Dänemarks insgesamt oder zum Teil keinen Gebrauch mehr machen will (Art. 7 Protokoll über die Position Dänemarks). Eine solche Erklärung hat Dänemark bisher nicht abgegeben, auch nicht in Bezug auf den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen. Im Anschluss wäre Dänemark verpflichtet, alle von der EU getroffenen einschlägigen Maßnahmen, die bis dahin in Kraft getreten sind, in vollem Umfang anzuwenden. Hierunter würde auch die EU-ZustVO fallen, so dass es des Zust EU-DK Abk nicht mehr bedürfte. Entsprechend ordnet Abs. 1 für diesen Fall die Beendigung des Zust EU-DK Abk an.
II. Kündigung des Abkommens Zum anderen steht es nach Abs. 2 beiden Parteien des Abkommens jederzeit frei, das Zust EU-DK Abk mit einer Frist von 6 Monaten zu kündigen.
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III. Intertemporale Regelung Im Falle der Beendigung des Abkommens nach Art. 9 Zust EU-DK Abk kommt die gleiche intertemporale Regelung wie bei einer Beendigung nach Art. 3 Zust EU-DK Abk oder Art. 4 Zust EU-DK Abk zur Anwendung: Nach Abs. 3 bleiben vor dem Außerkrafttreten übermittelte Ersuchen unberührt.
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Sollte das Zust EU-DK Abk nach Abs. 1 beendet werden, weil Dänemark auf den Gebrauch des Pro- 4 tokolls über die Position Dänemarks verzichtet hat, besteht kein praktisches Übergangsproblem. Die Zustellung erfolgt nach der EU-ZustVO, welche allein ihre Rechtsnatur von einer völkervertraglichen zu einer europarechtlichen ändert. Bei einer Beendigung aufgrund Kündigung nach Abs. 2 werden hingegen nur noch die bereits vor 5 dem Außerkrafttreten übermittelten Schriftstücke nach der EU-ZustVO zugestellt. Im Vergleich zum Außerkrafttreten im Vereinigten Königreich aufgrund des Brexit (s. Art. 2 Zust EU-DK Abk Rz. 5 f.) würde hier nicht die Einreichung des zuzustellenden Schriftstücks vor dem Außerkrafttreten bei der ersten zuständigen Stelle genügen, damit die Zustellung noch an der EU-ZustVO zu messen ist.
Artikel 10 Inkrafttreten (1) Dieses Abkommen wird von den Vertragsparteien nach ihren eigenen Verfahren angenommen. (2) Das Abkommen tritt am ersten Tag des sechsten Monats nach Notifizierung des Abschlusses der erforderlichen Verfahren durch die Vertragsparteien in Kraft. Das Abkommen ist am 1.7.2007 in Kraft getreten.1
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Artikel 11 Echtheit des Wortlauts Dieses Abkommen ist in zwei Urschriften in dänischer, deutscher, englischer, estnischer, finnischer, französischer, griechischer, italienischer, lettischer, litauischer, maltesischer, niederländischer, polnischer, portugiesischer, schwedischer, slowakischer, slowenischer, spanischer, tschechischer und ungarischer Sprache abgefasst, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist. 1 ABl. EU 2007 L 94/70.
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Art. 11 Zust EU-DK Abk Echtheit des Wortlauts 1
Die verschiedenen aufgeführten und authentischen Sprachfassungen entsprechen den Amtssprachen der Europäischen Union im Zeitpunkt der Zeichnung des Abkommens. Für die später im Jahr 2007 (bulgarisch, irisch und rumänisch) und 2013 (kroatisch) hinzutretenden EU-Amtssprachen ist keine Anpassung des Abkommens erfolgt, so dass diese Fassungen des Zust EU-DK Abk gegenüber Dänemark nicht verbindlich sind. Innerhalb der EU wurden nach den jeweiligen Beitritten jedoch entsprechende offizielle Fassungen auch in diesen Sprachen erstellt und veröffentlicht.
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Soweit diese weiteren Sprachen für die praktische Anwendung der EU-ZustVO von Bedeutung sind, wurden sie in die Anhänge der EU-ZustVO mit integriert. Zudem trifft die EU-ZustVO zahlreiche eigene Regelungen, welche (Amts-)sprache in welchem Zusammenhang genutzt werden darf oder muss. Insoweit wirken auch die neueren Amtssprachen der EU gegenüber Dänemark. Auf den verbindlichen Wortlaut des Übereinkommens kommt es insoweit nicht an. Hecho en Bruselas, el diecinueve de octubre del dos mil cinco. V Bruselu dne devatenáctého rˇíjna dva tisíce peˇt. Udfærdiget i Bruxelles den nittende oktober to tusind og fem. Geschehen zu Brüssel am neunzehnten Oktober zweitausendfünf. Kahe tuhande viienda aasta oktoobrikuu üheksateistkümnendal päeval Brüsselis. ‚cime stir Brunkker, stir dka emma Oktybrou d@o wikider pmte. Done at Brussels on the nineteenth day of October in the year two thousand and five. Fait à Bruxelles, le dix-neuf octobre deux mille cinq. Fatto a Bruxelles, addì diciannove ottobre duemilacinque. Brisele¯, divtu¯kstosˇ piekta¯ gada devin, padsmitaja¯ oktobrı¯. Priimta du tu¯kstancˇiai penktu˛ metu˛ spalio devyniolikta˛ diena˛ Briuselyje. Kelt Brüsszelben, a ketto˝ezer ötödik év október tizenkilencedik napján. Magh ¯ mul fi Brussel, fid-dsatax jum ta’ Ottubru tas-sena elfejn u ¯hamsa. Gedaan te Brussel, de negentiende oktober tweeduizend vijf. Sporza˛dzono w Brukseli dnia dziewie˛tnastego paz´dziernika roku dwa tysia˛ce pia˛tego. Feito em Bruxelas, em dezanove de Outubro de dois mil e cinco. V Bruseli dnˇa devätnásteho októbra dvetisícpät’. V Bruslju, devetnajstega oktobra leta dva tisocˇ pet. Tehty Brysselissä yhdeksäntenätoista päivänä lokakuuta vuonna kaksituhattaviisi. Som skedde i Bryssel den nittonde oktober tjugohundrafem. Por la Comunidad Europea Za Evropské spolecˇenství For Det Europæiske Fællesskab Für die Europäische Gemeinschaft Euroopa Ühenduse nimel Cia tgm Eurypa & idigr;k Joimtgta For the European Community Pour la Communauté européenne Per la Comunità europea Eiropas Kopienas va¯rda¯ Europos bendrijos vardu Az Európai Közösség részéro˝l Gh ¯ all-Komunità Ewropea Voor de Europese Gemeenschap W imieniu Wspólonoty Europejskiej Pela Comunidade Europeia Za Európske spolocˇenstvo Za Evropsko skupnost Euroopan yhteisön puolesta På Europeiska gemenskapens vägnar 498
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Por el Reino de Dinamarca Za Dánské království For Kongeriget Danmark Für das Kölnigreich Dänemark Taani Kuningriigi nimel Cia to Baskeio tgr Damar For the Kingdom of Denmark Pour le Royaume de Danemark Per il Regno di Danimarca Da¯nijas Karalistes va¯rda¯ Danijos Karalyste˙s vardu A Dán Királyság részéro˝l Gh ¯ ar-Renju tad-Danimarka Voor het Koninkrijk Denemarken W imieniu Królestwa Danii Pelo Reino da Dinamarca Za Dánske král’ovstvo Za Kraljevino Dansko Tanskan kuningaskunnan puolesta På Konungariket Danmarks vägnar
Gesetzesanhang Zivilprozessordnung Buch 11 Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union Abschnitt 1 Zustellung nach der Verordnung (EU) 2020/1784 Eingefügt durch Art. 1 Gesetz zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz) v. 4.11.2003, BGBl. 2003 I 2166 Neu bekannt gemacht am 5.12.2005, BGBl. 2005 I 3202 Geändert durch Art. 1 Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung v. 30.10.2008, BGBl. 2008 I 2122 Geändert durch Art. Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften v. 8.7.2014, BGBl. 2014 I 890 Geändert durch Art. 1 Gesetz zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts v. 11.6.2017, BGBl. 2017 I 1607 Geändert durch Art. 1 Gesetz zur Durchführung der Verordnungen über grenzüberschreitende Zustellungen und grenzüberschreitende Beweisaufnahmen in Zivil- oder Handelssachen, zur Änderung der Zivilrechtshilfe, des Vormundschafts- und Betreuungsrechts, zur Anpassung von Rechtsvorschriften zum Verbraucherschutz und zur Verbraucherrechtsdurchsetzung sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften v. 24.6.2022, BGBl. 2022 I 959. § 1067 Zustellung durch Auslandsvertretungen (1) Eine Zustellung nach Art. 17 der Verordnung (EU) 2020/1784 durch die zuständige deutsche Auslandsvertretung soll nur im begründeten Ausnahmefall erfolgen. Eine Zustellung nach Satz 1 an einen Adressaten, der nicht deutscher Staatsangehöriger ist, ist nur zulässig, sofern der Mitgliedstaat, in dem die Zustellung erfolgen soll, dies nicht durch eine Erklärung nach Art. 33 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) 2020/1784 ausgeschlossen hat. (2) Eine Zustellung nach Art. 17 der Verordnung (EU) 2020/1784, die in der Bundesrepublik Deutschland bewirkt werden soll, ist nur zulässig, wenn der Adressat des zuzustellenden Schriftstücks Staatsangehöriger des Übermittlungsstaats ist. § 1068 Elektronische Zustellung An Adressaten in der Bundesrepublik Deutschland dürfen gerichtliche elektronische Schriftstücke nur nach Art. 19 Abs. 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) 2020/1784 elektronisch zugestellt werden. § 1069 Zuständigkeiten nach der Verordnung (EU) 2020/1784; Verordnungsermächtigungen (1) Für Zustellungen im Ausland sind als deutsche Übermittlungsstelle i.S.v. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2020/1784 zuständig: 1. für gerichtliche Schriftstücke das die Zustellung betreibende Gericht und 2. für außergerichtliche Schriftstücke dasjenige AG, in dessen Bezirk die Person, welche die Zustellung betreibt, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat; bei notariellen Urkunden auch dasjenige AG, in dessen Bezirk der beurkundende Notar seinen Amtssitz hat; bei juristischen Personen tritt an die Stelle des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts der Sitz; die Landesregierungen können die Aufgaben der Übermittlungsstelle einem AG für die Bezirke mehrerer AG durch Rechtsverordnung zuweisen. (2) Für Zustellungen in der Bundesrepublik Deutschland ist als deutsche Empfangsstelle i.S.v. Art. 3 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2020/1784 die Geschäftsstelle desjenigen AG zuständig, in dessen Bezirk das Schriftstück zugestellt werden soll. Die Landesregierungen können die Aufgaben der Empfangsstelle einem AG für die Bezirke mehrerer AG durch Rechtsverordnung zuweisen. (3) Die Landesregierungen bestimmen durch Rechtsverordnung die Stelle, die in dem jeweiligen Land als deutsche Zentralstelle nach Art. 4 der Verordnung (EU) 2020/1784 zuständig ist. Die Aufgaben der Zentralstelle können in jedem Land nur einer Stelle zugewiesen werden. (4) Zentralstelle des Bundes nach Art. 4 der Verordnung (EU) 2020/1784 ist das Bundesamt für Justiz. Es unterstützt bei Bedarf die zuständigen Behörden der Länder.
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Gesetzesanhang
Gesetzesanhang
(5) Die Landesregierungen können die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 1 einer obersten Landesbehörde übertragen. § 1070 Sprache eingehender Anträge, Bescheinigungen und Mitteilungen Aus dem Ausland eingehende Zustellungsanträge, Bescheinigungen über die Zustellung sowie sonstige Mitteilungen nach der Verordnung (EU) 2020/1784 müssen in deutscher oder in englischer Sprache abgefasst oder von einer Übersetzung in die deutsche oder englische Sprache begleitet sein. § 1071 Zustellung nach dem Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark vom 19.10.2005 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen Wenn die Verordnung (EU) 2020/1784 im Verhältnis zu Dänemark auf Grund des Art. 2 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark v. 19.10.2005 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen anwendbar ist, gelten die Vorschriften der §§ 1067 bis 1070 entsprechend.
Rechtspflegergesetz (Auszug) § 29 neu gefasst durch Art. 2 Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 und zur Neuordnung bestehender Aus- und Durchführungsbestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts v. 23.5.2011, BGBl. 2011 I 898. Neu bekannt gemacht am 14.4.2013, BGBl. 2013 I 778 § 3 Übertragene Geschäfte Dem Rechtspfleger werden folgende Geschäfte übertragen: (…) 4. die in den §§ 29 und 31 dieses Gesetzes einzeln aufgeführten Geschäfte a) im internationalen Rechtsverkehr, (…) § 29 Geschäfte im internationalen Rechtsverkehr Dem Rechtspfleger werden folgende Aufgaben übertragen: 1. die der Geschäftsstelle des AG gesetzlich zugewiesene Ausführung ausländischer Zustellungsanträge; (…)
Arbeitsgerichtsgesetz (Auszug) § 13a eingefügt durch Art. 2 Abs. 2 Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) v. 18.8.2005, BGBl. 2005 I 2477; § 13a geändert durch Art. 4 Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung v. 30.10.2008, BGBl. 2008 I 2122. § 13a Internationale Verfahren Die Vorschriften des Buches 11 der Zivilprozessordnung über die justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union finden in Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen Anwendung, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
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Stichwortverzeichnis Bearbeiter: Patrick Zobel
Abkommen EU-Dänemark (Zustellung)
Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 44 – Anwendungsbereich, zeitlich Art. 9 Zust EU-DK Abk Rz. 3 ff.; Art. 10 Zust EU-DK Abk Rz. 1 – Änderungsvorbehalte Art. 3 Zust EU-DK Abk Rz. 1 ff. – Beendigung Art. 9 Zust EU-DK Abk Rz. 1 ff. – Drittstaatenabkommen Art. 5 Zust EU-DK Abk Rz. 1 ff. – Durchführungsbestimmungen Art. 4 Zust EU-DK Abk Rz. 1 ff. – EuGH-Rechtsprechung Art. 7 Zust EU-DK Abk Rz. 1 ff. – Sprachfassungen Art. 11 Zust EU-DK Abk Rz. 1 f. – Verweis auf EU-ZustellVO Art. 2 Zust EU-DK Abk Rz. 1 ff. – Vorabentscheidungsverfahren Art. 6 Zust EU-DK Abk Rz. 1 ff. – Ziel Art. 1 Zust EU-DK Abk Rz. 1 ff. Adhäsionsverfahren Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 26 Andorra Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 43 Annahmeverweigerung – ~sgrund Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 35 ff. – ~srecht Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 31 ff.; Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 36; Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 25; Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 – Ausübung der ~ Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 81 f. – Belehrungspflicht Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 62 ff.; Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 36; Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 38 – Berechtigter Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 79 f. – diplomatische und konsularische Zustellung Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 107 ff. – Form Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 85 – Frist Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 86 ff. – Heilung der Zustellung Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 94 ff. – Inhalt Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 83 f. – Rechtsfolgen Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 90 ff. – Schutz des Zustellungsadressaten Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 – Übersetzungsobliegenheit Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 – unberechtigte ~ Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 34 – Verfahren ohne beteiligte Empfangsstelle Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 107 ff. – Voraussetzungen Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 78 Antragsteller Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff. Anwendungsbereich, persönlich Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 Anwendungsbereich, räumlich Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 ff.; Art. 8 Zust EU-DK Abk Rz. 1 ff. Anwendungsbereich, sachlich Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff.
– Adhäsionsverfahren Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 26 – außergerichtliche Schriftstücke Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 29 f., 32 – Doppelnatur Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 21 – gerichtliche Schriftstücke Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 29 f., 31 – grenzüberschreitende Zustellung Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff. – Staatshaftung Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 25 – unbekannte Anschrift Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 59 ff. – Zivil- und Handelssache Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff. – Zustellung an Vertreter Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 65 ff. Anwendungsbereich, zeitlich Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 41; Art. 36 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff.; Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff.; Art. 9 Zust EU-DK Abk Rz. 3 ff.; Art. 10 Zust EU-DK Abk Rz. 1 – Beginn Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 f. außergerichtliche Schriftstücke Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 29 f., 32; Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Annahmeverweigerungsrecht siehe dort – Ausführung der Zustellung Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 20 ff. – Begriff Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 29 f., 32; Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 8, 10 ff. – Kosten der Zustellung Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 23 – Rechtserheblichkeit Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 ff. – Übermittlung und Zustellung Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff.
Befugnisübertragung an EU-Kommission
Art. 24 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Ausschussbeteiligung Art. 26 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Bewertung Art. 35 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Dauer Art. 24 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 f. – Monitoring Art. 34 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Publikationspflichten Art. 33 EU-ZustVO 2020 Rz. 18 f. – Rechtsetzungspflichtzu Durchführungsrechtsakten Art. 25 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 f. – Rechtsetzungsverfahren Art. 24 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 f. – Referenzimplementierungssoftware Art. 27 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Verarbeitungspflicht Art. 33 EU-ZustVO 2020 Rz. 16 f. Belgien – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17
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Stichwortverzeichnis – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Beschleunigungsgebot Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 25 f.; Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 f.; Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 26 ff. – Höchstfrist Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 30 ff. Brexit siehe Vereinigtes Königreich Bulgarien – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22
Datum, doppeltes
Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 6; Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 21 Datumsspreizung Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 6 Dänemark Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 44; siehe auch Abkommen EU-Dänemark (Zustellung) – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Datenschutz Art. 31 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Auskunftsrechte Art. 31 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 – Rechtsrahmen Art. 31 EU-ZustVO 2020 Rz. 7 – Verantwortliche Stellen Art. 31 EU-ZustVO 2020 Rz. 11 – Vertraulichkeit Art. 31 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 – Zweckbindung Art. 31 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 Deutschland – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 26 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 ff. – Zentralstellen Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 21 Dezentrales IT-System Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 f. – Ausnahmen Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 ff. – Beweiswirkungen Art. 6 EU-ZustVO 2020 Rz. 7 ff. – Kosten Art. 28 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – obligatorische Nutzung Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 11 ff. – rechtlicher Rahmen Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 ff. – Rechtswirkungen Art. 6 EU-ZustVO 2020 Rz. 7 ff. – Übermittlung eines Schriftstücks Art. 6 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 ff.
E-CODEX-System Art. 25 EU-ZustVO 2020 Rz. 6 EG-Zustellungsübereinkommen Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff. EG-Zustellungsverordnung 2000 (VO (EG) Nr. 1348/2000) Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 11 ff. EG-Zustellungsverordnung 2007 (VO (EG) Nr. 1393/2007) Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 15 ff. – Aufhebung Art. 36 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. Einschreiben mit Empfangsbestätigung Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 16 ff., 21 ff. elektronische Zustellung siehe Zustellung, elektronische Empfänger Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 ff. Empfangsbestätigung Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 ff.; Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 21 ff. Empfangsmitgliedstaat Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 f. 502
– Recht des ~ Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 4, 18 – Zustellung nach nationalem Recht Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 15 ff. Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 18 ff., 27 – Aufgaben Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 18 ff. – Entgegennahme von Schriftstücken Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Empfangsbestätigung Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 ff. – Nachbesserungsverlangen Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 21 ff. – Rücksendung bei Undurchführbarkeit Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 31 ff. – Verweisung bei Unzuständigkeit Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 46 ff. – Konzentrationsbefugnis Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 28 ff. – Mitteilungspflicht Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 32 ff. – Pflicht zur Rechtshilfegewährung Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 ff. – Begrenzung der Pflicht Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 37 ff. Entgegennahme von Schriftstücken siehe Empfangsstelle Entscheidungshindernis, dilatorisches Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 60 Ermittlung von Anschriften – Mitteilungen der Mitgliedstaaten Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 30 f. – Unterstützung durch Mitgliedstaaten Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Amtshilfe für Übermittlungsstellen Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 ff. – Informationen über Möglichkeiten zur ~ Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 20 f. – Unmittelbares Auskunftsersuchen mittels Standardformular Art. 7 EU-ZustVO 2020 Rz. 16 Estland – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 EU-Kommission siehe Befugnisübertragung an EU-Kommission EU-ZustellVO 2020 – Änderung FormblätterAnhang I Art. 23 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Anwendungsvorrang Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Auslegung Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 29 ff. – Befugnisübertragung an EU-Kommission Art. 24 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff., siehe auch dort – Bewertung Art. 35 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Brüssel Ia-VO und ~ Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 76 ff. – Brüssel IIb und ~ Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 76 ff. – Datenschutz siehe dort – Durchführungsverordnung Art. 25 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff.
Stichwortverzeichnis – Durchführungsvorschriften Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 98 ff. – EG-BagatellVO und ~ Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 86 ff. – EG-MahnVO und ~ Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 83 ff. – EG-UntVO und ~ Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 80 ff. – EG-VollstrTitelVO und ~ Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 83 ff. – EU-InsVO und ~ Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 90 ff. – EU-KPfVO und ~ Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 88 ff. – Geltungsbeginn Art. 37 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Geltungsbereich Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 41 ff. – Gesetzgebungsprozess Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 18 ff. – Grundrechteachtung Art. 32 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – HZPÜ, HZÜ und ~ Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 91 f. – Inhalt Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 56 ff. – Kompetenzgrundlage Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Mitteilungspflichten der Mitgliedsstaaten Art. 33 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Monitoring Art. 34 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Rechtsentwicklung Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 4 ff. – Systematik Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 65 ff. – Verhältnis zum nationalen Recht Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 93 ff. – Verordnungsform Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 27 ff. – Ziele Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 48 ff.
Finnland
Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Forummitgliedstaat Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 ff. Frankreich Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Überseegebiete Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 43 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Frist – Annahmeverweigerung Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 86 ff. – Wiedereinsetzung Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 108 ff. – Zustellung durch Empfangsstelle Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 30 ff. – Zustellungsbescheinigung Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 11
Gerichtliche Schriftstücke
Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 29 f., 31 – Befreiung von Beglaubigung u.ä. Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 ff. – Übermittlung von ~ Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Obliegenheit zur Übermittlung eines zweiten Stückes Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 30 ff.
– Pflicht zur unmittelbaren und schnellstmöglichen Übermittlung Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 23 ff. – Übersetzung siehe Übersetzung von Schriftstücken – Rechtshilfeersuchen Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 ff. grenzüberschreitende Zustellung Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff. – Zeitpunkt, maßgeblicher Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 55 Griechenland – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22
Haager Übereinkommen über den Zivilprozess vom 1.3.1954 Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 5 Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 15.11.1965 (HZÜ) Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 6, 91 f. – Verhältnis zu EU-ZustellVO Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 91 f.; Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. Handelssache siehe Zivil- und Handelssache Heilung siehe Zustellung
Irland Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 45 – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Island Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 47 Italien – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Kosten – dezentrales IT-System Art. 28 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Heilung der Zustellung Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 106 – Prozesskostenhilfe Art. 30 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff.; siehe auch dort – Übersetzung von Schriftstücken Art. 9 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 ff. – Zustellungskosten Art. 15 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Ausnahmen Art. 15 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 ff. – außergerichtliche Schriftstücke Art. 21 EU-ZustVO 2020 Rz. 23 – Festgebühren Art. 15 EU-ZustVO 2020 Rz. 21 – Grundsatz Art. 15 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 ff. – unmittelbare Zustellung Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 26 – Zustellungspersonen, besondere Art. 15 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 f. – Zustellungsverfahren, besondere Art. 15 EU-ZustVO 2020 Rz. 16 f. 503
Stichwortverzeichnis Kroatien – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22
Lettland – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Litauen – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Luxemburg – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22
Malta – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Monaco Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 43
Nachbesserungsverlangen
Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 21 ff. Nichteinlassung des Beklagten Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Anwendungsbereich Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 15 ff. – Bedeutung Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 – Begriff Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 37 ff. – Beklagter Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 40 ff. – Entscheidungshindernis Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 60 ff. – Gleichwohlentscheidung, optionale Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 67 ff. – Provokation der Einlassung Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 43 ff. – Verfahren Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 36 ff. – Verhältnis zu weiteren Rechtsakten Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 29 ff. – Verhinderung Anerkennungs- und Vollstreckungsversagung Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 f. – Verhinderung hinkender Entscheidungswirkung Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 7 – Wiedereinsetzung Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 80 ff., siehe auch dort Niederlande – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Norwegen Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 47
Ordre public – präventive Prüfung Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 50 Österreich – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 504
Parteizustellung siehe Zustellung, unmittelbare Polen – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Portugal Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Postbedienstete siehe Zustellung, durch Postbedienstete Prozesskostenhilfe Art. 30 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – erfasste Übereinkommen Art. 30 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 ff. – HZPÜArt. 30 EU-ZustVO 2020 Rz. 6 – Praktische Handhabung Art. 30 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 f. – Rechtsfolge Art. 30 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 – Übereinkommen über den internationalen Zugang zur Rechtspflege Art. 30 EU-ZustVO 2020 Rz. 7 Qualifizierter Dienst für elektronische Einschreiben Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 24 ff.
Referenzimplementierungssoftware
Art. 27 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. Reziprozität Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 15 Rücksendung bei Undurchführbarkeit Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 31 ff. Rumänien – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22
Saint Barthelmy
Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 43 San Marino Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 43 Schriftstück Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 30, siehe auch außergerichtliches bzw. gerichtliches Schriftstück – Entgegennahme von ~en siehe Empfangsstelle Schweden – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Schweiz Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 47 Slowakei – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Slowenien – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Spanien Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 42 – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Sprachkompetenz, individuelle Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 39 ff. Steuersachen Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 25
Stichwortverzeichnis
Tschechische Republik – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Übereinkünfte – bilaterale Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 7; Art. 29 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 – regionale Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 7 Übermittlung auf diplomatischem oder konsularischem Weg Art. 16 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Rechtsfolgen Art. 16 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff. – Voraussetzungen Art. 16 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff. Übermittlungsmitgliedstaat Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 16 Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff. – Aufgaben Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 5 ff. – diplomatische bzw. konsularische Bedienstete siehe Übermittlung auf diplomatischem oder konsularischem Weg – Konzentrationsbefugnis Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 28 ff. – Liste der ~n Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Mitteilungspflicht Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 32 ff. – Wahlrecht der Zustellungsweise Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 ff. Übersetzung von Schriftstücken Art. 9 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Belehrungspflicht Art. 9 EU-ZustVO 2020 Rz. 6 ff. – fehlende ~ Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 55 ff. – mangelhafte ~ Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 60 f. – Obliegenheit zur ~ Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 4 – Kosten Art. 9 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 ff. Ungarn – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Unmittelbarkeitsprinzip Art. 8 EU-ZustVO 2020 Rz. 24 Ursprungsmitgliedstaat Art. 2 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 f.
Vatikan Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 43 Vereinigtes Königreich Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 46; Art. 2 Zust EU-DK Abk Rz. 5 f. Verweisung bei Unzuständigkeit Art. 10 EU-ZustVO 2020 Rz. 46 ff. Wiedereinsetzung – – – – – –
Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 80 ff. Frist Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 108 ff. verordnungsautonomes Recht Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 83 ff. Personenstand und Rechtsfähigkeit Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 84 ff. Rechtsfolge Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 101 ff. Verhältnis zur ~ nach nationalem Recht Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 113 f. Verfahren Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 104 ff.
– Voraussetzungen Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 88 ff. – Zuständigkeit Art. 22 EU-ZustVO 2020 Rz. 107
Zentralstelle – Auskunfterteilung Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 f. – Liste der ~n Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 – Lösungssuche Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 15 ff. – Übermittlung durch ~ Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 18 ff. – Unterstützungspflicht Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 ff. Zivil- und Handelssache Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff. Zollsache Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 25 Zustelladresse – Begriff Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 44, 51 – bekannt Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 46 ff., 54 – Ermittlung von ~ siehe Ermittlung von Anschriften – unbekannt Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 50 ff., 59 ff. Zustellung – Annahmeverweigerung siehe dort – an Vertreter Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 65 ff. – Bescheinigung siehe Zustellungsbescheinigung – besondere Verfahren Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 20 ff. – Datum Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 6; Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 35; Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 36 f.; Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 24; siehe auch Zustellungszeitpunkt – diplomatische und konsularische ~ siehe Zustellung, diplomatische und konsularische – Direkt~ Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 71 ff. – elektronischesiehe Zustellung, elektronische – erneute ~ Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 96 ff. – Ersatz~ Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 25 ff. – Rechtsfolgen Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 31 ff. – Voraussetzungen und Modalitäten Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 ff. – grenzüberschreitende ~ Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 33 ff. – Heilung der ~ Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 94 ff. – Höchstfrist Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 30 ff. – Kollisionsrecht siehe Zustellungskollisionsrecht – Kosten siehe dort – nach Recht des Empfangsmitgliedsstaats Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 15 ff. – öffentliche Art. 1 EU-ZustVO 2020 Rz. 58 – Personen, besondere siehe Kosten – Pflicht zur Rechtshilfegewährung durch Empfangsstellen Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 ff. – Begrenzung der Pflicht Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 37 ff. – Postbedienstete siehe Zustellung, durch Postbedienstete – Rechtshilfe, durch Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 69 f. – Tag der ~ Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – umittelbare ~ siehe Zustellung, unmittelbare – Unmöglichkeit der ~ Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 23 505
Stichwortverzeichnis – Verfahren, besondere siehe Kosten – Zeitpunkt siehe Zustellungszeitpunkt – Zustellungsweise Art. 11 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 ff. Zustellung, diplomatische und konsularische Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 72; Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Annahmeverweigerung Art. 12 EU-ZustVO 2020 Rz. 107 ff. – Ausführung Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 f. – Prinzip der Reziprozität Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 15 – Souveränitätseinschränkung Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 6 ff. – Vorbehalt Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 13 ff. – Zwangsmittel, ohne Art. 17 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 Zustellung, durch Postbedienstete Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 73; Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Anwendungsbereich Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 6 – Ausführung Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff. – Begriff Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 15 – Belehrung bezgl. Annahmeverweigerungsrecht Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 36 – Datum Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 35 – Einschreiben mit Empfangsbestätigung Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 16 ff., 21 ff. – Ersatzzustellung siehe Zustellung, Ersatzzustellung – Ort Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 34 – Praxisrelevanz Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 3 – veranlassende Stelle Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff. Zustellung, elektronische Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 74; Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Anwendungsbereich Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 – Ausführung Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 ff. – Belehrung bezgl. Annahmeverweigerungsrecht Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 38 – Datum Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 36 f. – E-Mail gegen Empfangsbestätigung Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 ff. – Mindestanforderungen Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 18, 22 f. – Mittel, elektronische Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 16 f. – Möglichkeiten Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 ff. – Qualifizierter Dienst Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 24 ff. – Sicherheitsanforderungen Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 30 ff. – veranlassende Stelle Art. 19 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 ff. Zustellung, unmittelbare Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 75; Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff.
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– Annahmeverweigerungsrecht Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 25 – Antragsteller Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 21 – Anwendungsbereich Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 6 – Datum Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 24 – Kosten Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 26 – Parteizustellung Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 ff. – Zulässigkeit im Empfangsmitgliedstaat Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 ff. – Zulässigkeit im Ursprungsmitgliedstaat Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 f. – Zulässigkeitsdivergenz Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 20 – Zulassung Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 7 ff. – Zulassungsstelle, zuständige Art. 20 EU-ZustVO 2020 Rz. 22 Zustellungsbescheinigung Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Berechtigter Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 – Erteilungsvoraussetzungen Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 8 ff. – Frist Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 11 – Inhalt Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 12 ff. – Pflicht zur Erteilung der ~ Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 11 – Rechtswirkungen Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 19 f. – Sprache Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 15 ff. – Übersendungspflicht Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 18 – Verpflichteter Art. 14 EU-ZustVO 2020 Rz. 9 Zustellungskollisionsrecht Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 111; Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. – Ausnahme Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 5, 19 ff. – Grundsatz Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 4, 18 – Prinzip des doppelten Datums Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 6 – Vorrang autonomer Regelungen Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 16 ff. Zustellungszeitpunkt Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff.; Art. 18 EU-ZustVO 2020 Rz. 35, siehe auch Zustellungskollisionsrecht – Anwendungsbereich Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 10 ff. – Prinzip des doppelten Datums Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 6 – Regelungen Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 14 ff. – Vorrang autonomer Regelungen Art. 13 EU-ZustVO 2020 Rz. 16 ff. Zypern Einl. EU-ZustVO 2020 Rz. 43 – Empfangsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 27 – Übermittlungsstelle Art. 3 EU-ZustVO 2020 Rz. 17 – Zentralstelle Art. 4 EU-ZustVO 2020 Rz. 22