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German Pages 1434 Year 2022
Europäisches Zivilprozessund Kollisionsrecht EuZPR / EuIPR Kommentar Band II–1 EG-VollstrTitelVO • EG-MahnVO • EG-BagatellVO • EU-KPfVO • HProrogÜbk 2005 • HAVÜ 2019 • EU-BewVO 2020 • EuInsVO
Das Gesamtwerk EuZPR / EuIPR mit den Bänden Band I:
Zivilverfahren I: Brüssel Ia-VO, Brüssel I EU-DK Abk, LugÜbk 2007
Band II–1: Zivilverfahren II – Insolvenz: EG-VollstrTitelVO, EG-MahnVO, EG-BagatellVO, EU-KPfVO, HProrogÜbk 2005, HAVÜ 2019, EU-BewVO 2020, EuInsVO Band II–2: Zivilverfahren II – EU-ZustVO 2020: EU-ZustellVO 2020, Zust EU-Dk Abk Band III:
Internationales Schuldrecht: Rom I-VO, Rom II-VO
Band IV:
Ehescheidung – Güterrecht: Brüssel IIb-VO, Rom III-VO EG-UntVO, EU-EheGüterVO, EU-LP-GüterVO
Band V:
Sonstiges FamR – Erbrecht: EG-UntVO, HUntVerfÜbk 2007, HUntStProt 2007, KSÜ, ErwSÜ, EU-ErbVO, EU-SchutzMVO
wird herausgegeben von Prof. Dr. Dr. hc. Thomas Rauscher, Rechtsanwalt in München
Europäisches Zivilprozessund Kollisionsrecht EuZPR / EuIPR Kommentar Band II–1 EG-VollstrTitelVO • EG-MahnVO • EG-BagatellVO • EU-KPfVO HProrogÜbk 2005 • HAVÜ 2019 • EU-BewVO 2020 • EuInsVO 5. Auflage (2022)
Herausgegeben von
Thomas Rauscher Kommentiert von Markus Fehrenbach • Urs Peter Gruber • Jan von Hein • Gerald Mäsch Steffen Pabst • István Varga • Matthias Weller • Denise Wiedemann
Zitierempfehlung: Mäsch in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2022), Einl. EuInsVO Rz. 1 Wiedemann in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2022), Art. 1 EU-KPfVO Rz. 1 Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2022), Vorbem. Anh. EG-VollstrTitelVO Rz. 1 Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2022), Einf. HAVÜ 2019 Rz. 1
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http:// dnb.d-nb.de abrufbar.
Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-943 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN (print) 978-3-504-47209-2 ISBN (eBook) 978-3-504-38642-9 ©2022 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und säurefrei, alterungsbeständig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: WMTP, Birkenau Druck und Verarbeitung: Eberl & Kœsel FinePrints, Krugzell Printed in Germany
Bearbeiterverzeichnis Band II–1: Zivilverfahren II – Insolvenz Steffen Pabst
EG-VollstrTitelVO
Urs Peter Gruber
EG-MahnVO
István Varga
EG-BagatellVO
Denise Wiedemann
EU-KPfVO
Matthias Weller
HProrogÜbk 2005
Matthias Weller
HAVÜ 2019
Jan von Hein
EU-BewVO 2020
Gerald Mäsch
Einl., Art. 1–55 EuInsVO
Markus Fehrenbach Art. 56–92 EuInsVO
Bearbeiterverzeichnis Band II–2: Zivilverfahren II – EU-ZustVO 2020 Steffen Pabst Bernhard Ulrici
Zust EU-DK Abk EU-ZustVO 2020*
Abkürzungsempfehlungen Brüssel Ia-VO
EU-LP-GüterVO
Brüssel IIb-VO
EU-SchutzMVO
EG-BagatellVO
EU-ZustVO 2020*
EG-MahnVO
ErwSÜ
EG-UntVO
HProrogÜbk 2005
EG-VollstrTitelVO
HUntStProt 2007
EU-BewVO 2020
HUntVerfÜbk 2007
EU-EheGüterVO
LugÜbk 2007
EU-ErbVO
Rom I-VO
EuInsVO
Rom II-VO
EU-KPfVO
Rom III-VO
* Die EG-ZustVO 2007 wird in der 5. Auflage nicht mehr kommentiert. Die Kommentierung zur ab dem 1.7.2020 geltenden EU-ZustVO 2020 wird nach dem Geltungsbeginn im 2. Halbjahr 2022 in einem eigenen Band veröffentlicht.
V
Kommentatorinnen und Kommentatoren des Gesamtwerkes Dr. iur. Marianne Andrae em. Professorin an der Universität Potsdam
Dr. iur. Peter Mankowski Professor an der Universität Hamburg
Dr. iur. Kathrin Binder Rechtsanwältin in Wien und niedergelassene europäische Rechtsanwältin in Vaduz
Dr. iur. Gerald Mäsch Professor an der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster Richter am Oberlandesgericht Hamm a.D.
Dr. iur. Markus Fehrenbach Professor an der Ruhr-Universität Bochum Dr. iur. Robert Freitag, Maître en droit (Bordeaux) Professor an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-NürnbergRichter am Oberlandesgericht Nürnberg Dr. iur. Urs Peter Gruber Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Dr. iur. Steffen Pabst, LL.M. (Stockholm) Konzernjurist bei der LVV Leipziger Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH, Leipzig Dr. iur. Peter Georg Picht, LL.M. (Yale) Professor an der Universität Zürich Associated Research Fellow, Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb
Dr. iur. Bettina Heiderhoff Professorin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster
Dr. iur. Dr. iur. h.c. Thomas Rauscher Professor a.D. an der Universität Leipzig Professor h.c. an der ELTE Universität Budapest Dipl. Math. Rechtsanwalt in München
Dr. iur. Jan von Hein Professor an der Universität Freiburg
Dr. iur. Johannes Scheller Notar in Hamburg
Dr. iur. Tobias Helms Professor an der Universität Marburg
Dr. iur. Ansgar Staudinger Professor an der Universität Bielefeld
Christian Hertel, LL.M. (George Washington Universität, Washington D.C.) Notar, Weilheim i. OB
Dr. iur. Karsten Thorn, LL.M. (Georgetown) Professor an der Bucerius Law School Hamburg
Dr. iur. Christoph Alexander Kern, LL.M. (Harvard) Professor an der Universität Heidelberg Dr. iur. Kathrin Kroll-Ludwigs Professorin an der Fachhochschule Aachen Dr. iur. Stefan Leible Professor, Präsident der Universität Bayreuth Dr. iur. Martin Löhnig Professor an der Universität Regensburg Dr. iur. Sven Loose Rechtsanwalt bei BSKP, Dresden Lehrbeauftragter an der Universität Leipzig Dr. iur. Katharina Lugani Professorin an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Dr. iur. Robert Magnus Professor an der Universität Bayreuth
VI
Dr. iur. Bernhard Ulrici Privatdozent an der Universität Leipzig Rechtsanwalt Dr. iur. István Varga Professor an der ELTE Universität Budapest Rechtsanwalt bei PROVARIS, Budapest Dipl. Phil. Dr. iur. Matthias Weller, Mag. rer. publ. Direktor des Instituts für deutsches und internationales Zivilverfahrensrecht an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Dr. iur. Domenik Henning Wendt, LL.M. Professor an der Frankfurt University of Applied Sciences Dr. iur. Denise Wiedemann, LL.M. (Lissabon) Wiss. Referentin und Leiterin des Kompetenzzentrums Lateinamerika am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Hamburg Dipl. Rpfl.
Systematik des Gesamtkommentars (Stand: Januar 2022) Band I: Zivilverfahren I I.1 I.2 I.3
Brüssel Ia-VO Brüssel I EU-DK Abk LugÜbk 2007
Bände II–1 und II–2: Zivilverfahren II (Insolvenz und EU-ZustVO 2020) A. Zuständigkeit, Anerkennung, Vollstreckung II.1 EG-VollstrTitelVO II.2 EG-MahnVO II.3 EG-BagatellVO II.4 EU-KPfVO II.5 HProrogÜbk 2005 II.6 HAVÜ 2019 B. Rechtshilfe II.7 EU-ZustVO 2020 (Band II–2, 2022) II.8 Zust EU-DK Abk (Band II–2, 2022) II.9 EU-BewVO 2020 C. Insolvenz II.10 EuInsVO Band III: Internationales Schuldrecht III.1 Rom I-VO III.2 Rom II-VO Band IV: Ehescheidung – Güterrecht A. Ehescheidung IV.1 Brüssel IIb-VO IV.2 Rom III-VO B. Güterrecht IV.3 EU-EheGüterVO IV.4 EU-LP-GüterVO Band V: Sonstiges FamR – Erbrecht A. Unterhalt V.1 EG-UntVO V.2 HUntVerfÜbk 2007 B. Kindes- und Erwachsenenschutz V.3 HUntStProt 2007 V.4 KSÜ V.5 ErwSÜ V.6 EU-SchutzMVO C. Erbrecht V.7 EU-ErbVO
VII
Inhaltsverzeichnis Seite
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kommentarliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XXI XLIII
EG-VollstrtitelVO Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
Kapitel I Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen Artikel 1 Artikel 2 Artikel 3 Artikel 4
Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungstitel, die als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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22 23 31 41
Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel . . . . . Kosten in Verbindung mit dem gerichtlichen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Teilbarkeit der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel . Wirkung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . .
51 58 72 77 78 85 94
Kapitel II Der Europäische Vollstreckungstitel Artikel 5 Artikel 6 Artikel 7 Artikel 8 Artikel 9 Artikel 10 Artikel 11
Kapitel III Mindestvorschriften für Verfahren über unbestrittene Forderungen Artikel 12 Artikel 13 Artikel 14 Artikel 15 Artikel 16 Artikel 17 Artikel 18 Artikel 19
Anwendungsbereich der Mindestvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellung mit Nachweis des Empfangs durch den Schuldner . . . . . . . . . . Zustellung ohne Nachweis des Empfangs durch den Schuldner . . . . . . . . . Zustellung an die Vertreter des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ordnungsgemäße Unterrichtung des Schuldners über die Forderung . . . . . Ordnungsgemäße Unterrichtung des Schuldners über die Verfahrensschritte zum Bestreiten der Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heilung der Nichteinhaltung von Mindestvorschriften . . . . . . . . . . . . . . Mindestvorschriften für eine Überprüfung in Ausnahmefällen . . . . . . . . .
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96 98 102 109 111
... ... ...
113 117 122
IX
Inhaltsverzeichnis Seite
Kapitel IV Vollstreckung Artikel 20 Artikel 21 Artikel 22 Artikel 23
Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Verweigerung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . Vereinbarungen mit Drittländern . . . . . . . . . . Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung
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126 135 139 140
Gerichtliche Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentliche Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
146 151
Kapitel V Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden Artikel 24 Artikel 25
Kapitel VI Übergangsbestimmung Artikel 26
Übergangsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
157
Kapitel VII Verhältnis zu anderen Rechtsakten der Gemeinschaft Artikel 27 Artikel 28
Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161 164
Kapitel VIII Allgemeine und Schlussbestimmungen Artikel 29 Artikel 30 Artikel 31 Artikel 32 Artikel 33
Informationen über Vollstreckungsverfahren und -behörden Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen . . . . Änderungen der Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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166 167 197 197 200
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208 212 217 226 230 233 234 241 253 255 257 258 264
EG-MahnVO Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens Einleitung Artikel 1 Artikel 2 Artikel 3 Artikel 4 Artikel 5 Artikel 6 Artikel 7 Artikel 8 Artikel 9 Artikel 10 Artikel 11 Artikel 12 X
................................... Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzüberschreitende Rechtssachen . . . . . . . . . . . . Europäisches Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls Prüfung des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vervollständigung und Berichtigung des Antrags . . . . Änderung des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zurückweisung des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis Seite
Artikel 13 Artikel 14 Artikel 15 Artikel 16 Artikel 17 Artikel 18 Artikel 19 Artikel 20 Artikel 21 Artikel 22 Artikel 23 Artikel 24 Artikel 25 Artikel 26 Artikel 27 Artikel 28 Artikel 29 Artikel 30 Artikel 31 Artikel 32 Artikel 33
Zustellung mit Nachweis des Empfangs durch den Antragsgegner . . . . . Zustellung ohne Nachweis des Empfangs durch den Antragsgegner . . . . Zustellung an einen Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einspruch gegen den Europäischen Zahlungsbefehl . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen der Einlegung eines Einspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschaffung des Exequaturverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überprüfung in Ausnahmefällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verweigerung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zum nationalen Prozessrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationen zu den Zustellungskosten und zur Vollstreckung . . . . . . Angaben zu den zuständigen Gerichten, den Überprüfungsverfahren, den Kommunikationsmitteln und den Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Änderung der Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausübung der Befugnisübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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272 273 274 274 279 284 288 289 310 313 323 324 325 326 327 328
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328 329 329 330 330
EG-BagatellVO Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
340
Kapitel I Gegenstand und Anwendungsbereich Artikel 1 Artikel 2 Artikel 3
Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grenzüberschreitende Rechtssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
360 361 368
Kapitel II Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen Artikel 4 Artikel 5 Artikel 6 Artikel 7 Artikel 8 Artikel 9 Artikel 10 Artikel 11 Artikel 12 Artikel 13 Artikel 14
Einleitung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abschluss des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mündliche Verhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertretung der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hilfestellung für die Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellung von Schriftstücken und sonstiger Schriftverkehr Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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372 377 382 384 385 387 391 392 393 394 396 XI
Inhaltsverzeichnis Seite
Artikel 15 Artikel 15a Artikel 16 Artikel 17 Artikel 18 Artikel 19
Vollstreckbarkeit des Urteils . . . . . . . . . . . Gerichtsgebühren und Zahlungsmethoden . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überprüfung des Urteils in Ausnahmefällen . Anwendbares Verfahrensrecht . . . . . . . . . .
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398 399 401 403 403 407
Kapitel III Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat Artikel 20 Artikel 21 Artikel 21a Artikel 22 Artikel 23 Artikel 23a
Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . . Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Sprache der Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . Ablehnung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung Gerichtliche Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . .
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408 410 412 412 414 416
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417 418 463 464 464 465
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
481
Kapitel IV Schlussbestimmungen Artikel 24 Artikel 25 Artikel 26 Artikel 27 Artikel 28 Artikel 29
Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Änderung der Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausübung der Befugnisübertragung . . . . . . . . . . . . . . Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
EG-KPfVO Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen
Kapitel 1 Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen Artikel 1 Artikel 2 Artikel 3 Artikel 4
Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . Grenzüberschreitende Rechtssachen . Begriffsbestimmungen . . . . . . . . .
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488 491 499 502
Kapitel 2 Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung Artikel 5 Artikel 6 Artikel 7 Artikel 8 XII
Verfügbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedingungen für den Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung . . . . . . .
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513 513 521 526
Inhaltsverzeichnis Seite
Artikel 9 Artikel 10 Artikel 11 Artikel 12 Artikel 13 Artikel 14 Artikel 15 Artikel 16 Artikel 17 Artikel 18 Artikel 19 Artikel 20 Artikel 21
Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einleitung des Verfahrens in der Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners . . . . . . . . . . . . . . . Sicherheitsleistung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haftung des Gläubigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ersuchen um Einholung von Kontoinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zinsen und Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parallele Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidung über den Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Für die Entscheidung über einen Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung geltende Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Form und Inhalt des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung . . . . . . . . . . . . . Geltungsdauer der vorläufigen Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsbehelf gegen eine Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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533 536 542 544 548 555 562 563
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568 570 573
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Kapitel 3 Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung Artikel 22 Artikel 23 Artikel 24 Artikel 25 Artikel 26 Artikel 27 Artikel 28 Artikel 29 Artikel 30 Artikel 31 Artikel 32
Anerkennung und Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung . . . . . . . . . . . Ausführung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung . . . . . . . . . . . . Erklärung betreffend die vorläufige Pfändung von Geldern . . . . . . . . . Haftung der Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflicht des Gläubigers, die Freigabe überschüssiger vorläufig gepfändeter Beträge zu beantragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zustellung an den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übermittlung von Schriftstücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorläufige Pfändung bei Gemeinschaftskonten und Treuhandkonten . . . Von der vorläufigen Pfändung ausgenommene Beträge . . . . . . . . . . . . Rang des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . .
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576 579 584 588 590
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592 594 597 599 601 603
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610 614 616 619 619 621
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623 623 624 625 627
Kapitel 4 Rechtsbehelfe Artikel 33 Artikel 34 Artikel 35 Artikel 36 Artikel 37 Artikel 38 Artikel 39
Rechtsbehelf des Schuldners gegen den Beschluss zur vorläufigen Pfändung . Rechtsbehelfe des Schuldners gegen die Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Rechtsbehelfe für den Gläubiger und den Schuldner . . . . . . . . . . Verfahren für die Rechtsbehelfe gemäß den Artikeln 33, 34 und 35 . . . . . . . Rechtsmittel gegen Entscheidungen über den Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . Sicherheitsleistung anstelle der vorläufigen Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . Rechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kapitel 5 Allgemeine Bestimmungen Artikel 40 Artikel 41 Artikel 42 Artikel 43 Artikel 44
Legalisation oder ähnliche Förmlichkeiten . Rechtliche Vertretung . . . . . . . . . . . . . . Gerichtsgebühren . . . . . . . . . . . . . . . . Den Banken entstehende Kosten . . . . . . . Von den Behörden erhobene Gebühren . . .
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XIII
Inhaltsverzeichnis Seite
Artikel 45 Artikel 46 Artikel 47 Artikel 48 Artikel 49 Artikel 50 Artikel 51 Artikel 52 Artikel 53
Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zum nationalen Prozessrecht . . . . . . . . . . . Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen Rechtsakten . . . . . . . . . . . . . . . Sprachenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Erstellung und spätere Änderung der Formblätter . . . . . Ausschussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überwachung und Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . .
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628 628 629 630 633 635 636 636 637
Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
638
Kapitel 6 Schlussbestimmungen Artikel 54
HProrogÜbk 2005 Haager Übereinkommen vom 30.6.2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
641
Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen Artikel 1 Artikel 2 Artikel 3 Artikel 4
Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschluss vom Anwendungsbereich . . . . . . Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen Sonstige Begriffsbestimmungen . . . . . . . . .
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644 646 649 653
Zuständigkeit des vereinbarten Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflichten eines nicht vereinbarten Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einstweilige Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
654 656 660
Kapitel II Zuständigkeit Artikel 5 Artikel 6 Artikel 7
Kapitel III Anerkennung und Vollstreckung Artikel 8 Artikel 9 Artikel 10 Artikel 11 Artikel 12 Artikel 13 Artikel 14 Artikel 15
XIV
Anerkennung und Vollstreckung . . . . . . . . . . Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtliche Vergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . Vorzulegende Schriftstücke . . . . . . . . . . . . . Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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661 664 668 669 669 670 671 672
Inhaltsverzeichnis Seite
Kapitel IV Allgemeine Vorschriften Artikel 16 Artikel 17 Artikel 18 Artikel 19 Artikel 20 Artikel 21 Artikel 22
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672 673 673 674 675 676
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677 680 680 681 682
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685 685 686
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686 686 687 687 687
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
694 735
Artikel 23 Artikel 24 Artikel 25 Artikel 26
Übergangsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherungs- und Rückversicherungsverträge . . . . . . . . . . . . Keine Legalisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Zuständigkeit beschränkende Erklärungen . . . . . . . . . . . . Die Anerkennung und Vollstreckung beschränkende Erklärungen Erklärungen in Bezug auf besondere Rechtsgebiete . . . . . . . . . Gegenseitige Erklärungen über nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einheitliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung der praktischen Durchführung des Übereinkommens . . Nicht einheitliche Rechtssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu anderen internationalen Rechtsinstrumenten . . . .
Kapitel V Schlussbestimmungen Artikel 27 Artikel 28 Artikel 29 Artikel 30 Artikel 31 Artikel 32 Artikel 33 Artikel 34
Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung oder Beitritt . . . . Erklärungen in Bezug auf nicht einheitliche Rechtssysteme . . . . . . . . . . Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration . . . . . . . . . . . . . Beitritt einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration ohne ihre Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notifikationen durch den Verwahrer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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HAVÜ 2019 Haager Übereinkommen vom 2.7.2019 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
XV
Inhaltsverzeichnis Seite
EU-BewVO 2020 Verordnung (EU) 2020/1783 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2020 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (Beweisaufnahme) (Neufassung) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
758
Kapitel I Allgemeine Bestimmungen Artikel 1 Artikel 2 Artikel 3 Artikel 4
Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unmittelbarer Geschäftsverkehr zwischen Gerichten Zentralstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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761 795 799 802
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Kapitel II Übermittlung und Erledigung der Ersuchen Abschnitt 1 Übermittlung von Ersuchen Artikel 5 Artikel 6 Artikel 7 Artikel 8
Form und Inhalt von Ersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übermittlung von Ersuchen und sonstigen Mitteilungen . Rechtswirkung elektronischer Schriftstücke . . . . . . . . .
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814 822 825 829
Artikel 9 Artikel 10 Artikel 11
Entgegennahme von Ersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unvollständige Ersuchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vervollständigung des Ersuchens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
830 833 834
Abschnitt 2 Entgegennahme von Ersuchen
Abschnitt 3 Beweisaufnahme durch das ersuchte Gericht Artikel 12 Artikel 13 Artikel 14 Artikel 15 Artikel 16 Artikel 17 Artikel 18
Allgemeine Bestimmungen über die Erledigung eines Ersuchens . . . . . . . . . Beweisaufnahme in Anwesenheit und unter Beteiligung der Parteien . . . . . . Beweisaufnahme in Anwesenheit und unter Beteiligung von Beauftragten des ersuchenden Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablehnung der Erledigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitteilung über Verzögerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren nach Erledigung des Ersuchens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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835 850
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856 861 864 874 875
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Abschnitt 4 Unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht und Beweisaufnahme durch Bedienstete diplomatischer oder konsularischer Vertretungen Artikel 19 Artikel 20 Artikel 21
XVI
Unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht . . . . . . . . . . . . . Unmittelbare Beweisaufnahme per Videokonferenz oder mittels anderer Fernkommunikationstechnologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisaufnahme durch Bedienstete diplomatischer oder konsularischer Vertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
875 885 889
Inhaltsverzeichnis Seite
Abschnitt 5 Kosten Artikel 22
Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
894
Kapitel III Schlussbestimmungen Artikel 23 Artikel 24 Artikel 25 Artikel 26 Artikel 27 Artikel 28 Artikel 29 Artikel 30 Artikel 31 Artikel 32 Artikel 33 Artikel 34 Artikel 35 Anhang
Handbuch und Änderung des Anhang I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausübung der Befugnisübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erlass von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission . . . . . . . . . . . Ausschussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Referenzimplementierungssoftware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten des dezentralen IT-Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu Übereinkünften oder Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten Schutz übermittelter Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkrafttreten und Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..................................................
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896 897 897 898 899 899 899 901 903 903 904 907 907 908
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
928
EUInsVO Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung)
Kapitel I Allgemeine Bestimmungen Artikel 1 Artikel 2 Artikel 3 Artikel 4 Artikel 5 Artikel 6 Artikel 7 Artikel 8 Artikel 9 Artikel 10 Artikel 11 Artikel 12 Artikel 13 Artikel 14
Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prüfung der Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtliche Nachprüfung der Entscheidung zur Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeit für Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und in engem Zusammenhang damit stehen . . . . . . . . Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dingliche Rechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vertrag über einen unbeweglichen Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . Zahlungssysteme und Finanzmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkung auf eintragungspflichtige Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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933 946 959 978
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985 992 1000 1008 1012 1015 1018 1019 1024
XVII
Inhaltsverzeichnis Seite
Artikel 15 Artikel 16 Artikel 17 Artikel 18
Europäische Patente mit einheitlicher Wirkung und Gemeinschaftsmarken Benachteiligende Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schutz des Dritterwerbers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtstreitigkeiten und Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . 1027 . . . . 1030 . . . . 1036 . . . . 1038
Kapitel II Anerkennung der Insolvenzverfahren Artikel 19 Artikel 20 Artikel 21 Artikel 22 Artikel 23 Artikel 24 Artikel 25 Artikel 26 Artikel 27 Artikel 28 Artikel 29 Artikel 30 Artikel 31 Artikel 32 Artikel 33
Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Befugnisse des Verwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachweis der Verwalterbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herausgabepflicht und Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einrichtung von Insolvenzregistern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vernetzung von Insolvenzregistern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten für die Einrichtung und Vernetzung der Insolvenzregister . . . . . Voraussetzungen für den Zugang zu Informationen über das System der Vernetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentliche Bekanntmachung in einem anderen Mitgliedstaat . . . . . . . Eintragung in öffentliche Register eines anderen Mitgliedstaats . . . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leistung an den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung und Vollstreckbarkeit sonstiger Entscheidungen . . . . . . . Öffentliche Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1042 1047 1051 1056 1059 1064 1068 1069
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1070 1073 1077 1081 1082 1085 1091
Kapitel III Sekundärinsolvenzverfahren Artikel 34 Artikel 35 Artikel 36 Artikel 37 Artikel 38 Artikel 39 Artikel 40 Artikel 41 Artikel 42 Artikel 43 Artikel 44 Artikel 45 Artikel 46 Artikel 47 Artikel 48 Artikel 49 Artikel 50 Artikel 51 Artikel 52
XVIII
Verfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Recht, zur Vermeidung eines Sekundärinsolvenzverfahrens eine Zusicherung zu geben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Recht auf Beantragung eines Sekundärinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . Entscheidung zur Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens . . . . . . . . Gerichtliche Nachprüfung der Entscheidung zur Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kostenvorschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenarbeit und Kommunikation der Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenarbeit und Kommunikation der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Verwaltern und Gerichten . Kosten der Zusammenarbeit und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . Ausübung von Gläubigerrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aussetzung der Verwertung der Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Recht des Verwalters, Sanierungspläne vorzuschlagen . . . . . . . . . . . . . . . Auswirkungen der Beendigung eines Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . Überschuss im Sekundärinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachträgliche Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . Umwandlung von Sekundärinsolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . 1100 . . . 1107 . . . 1108 . . . 1122 . . . 1126 . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
1133 1135 1136 1144 1147 1150 1152 1155 1159 1163 1165 1165 1166 1168
Inhaltsverzeichnis Seite
Kapitel IV Unterrichtung der Gläubiger und Anmeldung ihrer Forderungen Artikel 53 Artikel 54 Artikel 55
Recht auf Forderungsanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1172 Pflicht zur Unterrichtung der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1174 Verfahren für die Forderungsanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1178
Kapitel V Insolvenzverfahren über das Vermögen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe Abschnitt 1 Zusammenarbeit und Kommunikation Vorbemerkung zu Art. 56–77 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Artikel 56 Zusammenarbeit und Kommunikation der Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . Artikel 57 Zusammenarbeit und Kommunikation der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . Artikel 58 Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Verwaltern und Gerichten . . Artikel 59 Kosten der Zusammenarbeit und Kommunikation bei Verfahren über das Vermögen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe . . . . . . . . . . . . . . Artikel 60 Rechte des Verwalters bei Verfahren über das Vermögen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
1183 1200 1212 1219
. . 1221 . . 1222
Abschnitt 2 Koordinierung Unterabschnitt 1 Verfahren Artikel 61 Artikel 62 Artikel 63 Artikel 64 Artikel 65 Artikel 66 Artikel 67 Artikel 68 Artikel 69 Artikel 70
Antrag auf Eröffnung eines Gruppen-Koordinationsverfahrens . . . . . Prioritätsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mitteilung durch das befasste Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einwände von Verwaltern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen eines Einwands gegen die Einbeziehung in ein Gruppen-Koordinationsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahl des Gerichts für ein Gruppen-Koordinationsverfahren . . . . . . Folgen von Einwänden gegen den vorgeschlagenen Koordinator . . . . Entscheidung zur Eröffnung eines Gruppen-Koordinationsverfahrens Nachträgliches Opt-in durch Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empfehlungen und Gruppen-Koordinationsplan . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
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1230 1237 1239 1243
. . . . . .
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1247 1248 1252 1254 1258 1264
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. . . . . . .
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1266 1270 1283 1286 1288 1292 1293
Unterabschnitt 2 Allgemeine Vorschriften Artikel 71 Artikel 72 Artikel 73 Artikel 74 Artikel 75 Artikel 76 Artikel 77
Der Koordinator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben und Rechte des Koordinators . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenarbeit zwischen den Verwaltern und dem Koordinator Abberufung des Koordinators . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schuldner in Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kosten und Kostenaufteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XIX
Inhaltsverzeichnis Seite
Kapitel VI Datenschutz Artikel 78 Artikel 79 Artikel 80 Artikel 81 Artikel 82 Artikel 83
Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten in nationalen Insolvenzregistern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben der Kommission im Zusammenhang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Speicherung personenbezogener Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zugang zu personenbezogenen Daten über das Europäische Justizportal . . . . .
. 1300 . 1302 . . . .
1305 1306 1307 1307
. . . . . . . . .
1308 1311 1315 1317 1318 1319 1322 1324 1325
Kapitel VII Übergangs- und Schlussbestimmungen Artikel 84 Artikel 85 Artikel 86 Artikel 87 Artikel 88 Artikel 89 Artikel 90 Artikel 91 Artikel 92
Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verhältnis zu Übereinkünften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Informationen zum Insolvenzrecht der Mitgliedstaaten und der Union . Einrichtung der Vernetzung der Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erstellung und spätere Änderung von Standardformularen . . . . . . . . Ausschussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überprüfungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Gesetzesanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1341 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1365
XX
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.A. A.A. a.a.O. ABl.EG ABl.EU abl. Abs. abw.M. A.C. A.D. A.D.I. ADR ADSp AdWirkG a.E. A.E.D.I.Pr. AEntG AEUV a.F. AfP African J.Comp.L. AG AG AG AGG AGS AiB AIDA AJP A.K. AL All E.R. All E.R. (Comm.) allg. allg.M. Alt. AMG Am.J.Comp.L. Am.J.Int.L. AMPreisVO Am.Rev.Int.Arb. An.Der.Mar. Anh. Ank.L.Rev. Anm. Ann.Inst.Dr.int. AnwBl. AöR AP App.
am Anfang anderer Ansicht Ars Aequi am angegebenen Ort Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union ablehnend Absatz abweichende Meinung The Law Reports. Appeal Cases Arbetsdomstolen Actas de Derecho Industrial Alternative Dispute Resolution Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen Gesetz über die Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (Adoptionswirkungsgesetz) am Ende Anuario Español de Derecho Internacional Privado Arbeitnehmerentsendegesetz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Zeitschrift für Medien- und Kommunikationsrecht African Journal of Comparative Law Amtsgericht (mit Ortsname) Ausführungsgesetz (mit Gesetzesname) Die Aktiengesellschaft Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Anwaltsgebühren spezial Arbeitsrecht im Betrieb Association Internationale du Droit d'Auteur Aktuelle juristische Praxis Astikos Kodix (griechisches Bürgerliches Gesetzbuch) Ad Legendum All England Law Reports All England Law Reports, Commercial Cases allgemein(-e, -er) allgemeine Meinung Alternative Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz) American Journal of Comparative Law American Journal of International Law Arzneimittelpreisverordnung American Review of International Arbitration Anuario de Derecho Maritimo Anhang Ankara Law Review Anmerkung Annuaire de l'Institut de Droit international Anwaltsblatt Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsgerichtliche Praxis Corte di Appello XXI
Abkürzungsverzeichnis
AppG Arb. ArbG ArbGG AR-Blattei Arb.Int. ArbRB ArbVG arg. Art. A.S.A. Bull. ASVG AuA Aud. Prov. AÜG
AVRAG AWD AWG
Appellationsgericht Arbitration Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbeitsrechts-Blattei Arbitration International Arbeits-Rechts-Berater Arbeitsverfassungsgesetz (Österreich) argumentum Artikel Association of Swiss Arbitrators Bulletin Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (Österreich) Arbeit und Arbeitsrecht Audiencia Provincial Gesetz zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) Arbeit und Recht ausführlich Ausführungsgesetz Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen ausnahmsweise Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz) (Österreich) Australian Law Journal Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungsund Vollstreckungsausführungsgesetz) Gesetz zur Änderung von Vorschriften auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (Österreich) Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters Außenwirtschaftsgesetz
BAG BAGE BÄrzteO BauR BayJMBl BayObLG BayVBl BB BC B.C.C. B.C.L.C. Bd. BDGesVR Bearb. BeckRS Belg. Belgrade L.Rev. BerGesVR Bespr.
Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesärzteordnung Zeitschrift für das gesamte öffentliche und zivile Baurecht Bayerisches Justizministerialblatt Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter Betriebs-Berater Bilanzbuchhalter und Controller British Commercial Cases Butterworth's Company Law Cases Band Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bearbeitung Beck'scher Rechtsprechungsservice belgisch (-e, -es) Belgrade Law Review Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Besprechung
AuR ausf. AusfG AuslInvestmG ausnw. AußStrG Australian L.J. AVAG
AVAuslEntschG
XXII
Abkürzungsverzeichnis
BetrVG BezG BG BGB BGBl. BGE BGH BGHR BGHZ B.I.E. BJM BKR Bl. BörsG BRAK BRAK-Mitt. BRAO BR-Drucks. Brook.J.Int.L. BRTV-Bau Brüssel I EU-DK Abk
Brüssel I-VO Brüssel Ia-VO Brüssel II-VO
Brüssel IIa-VO
Brüssel IIb-VO
BSGE Bspr. BT-Drucks. BtMG Bull. Bull.Civ. Bull. Comp.Lab.Rel. Bull.Joly sociétés Bus.L.Rev. BVerfG BVerfGE B.W. B.W.Krant Jaarboek
Betriebsverfassungsgesetz Bezirksgericht Schweizerisches Bundesgericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof BGH-Report Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bijblad bij de Industriëele Eigendom Basler Juristische Mitteilungen Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Blatt Börsengesetz Bundesrechtsanwaltskammer Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer Bundesrechtsanwaltsordnung Bundesrats-Drucksache Brooklyn Journal of International Law Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 19.10.2005 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25.6.2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen Entscheidungen des Bundessozialgerichts Besprechung Bundestags-Drucksache Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetz) Bulletin Bulletin des arrêts civiles Bulletin of Comparative Labour Relations Bulletin Joly des sociétés Business Law Review Bundesverfassungsgericht Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Burgerlijk Wetboek (Niederlande) Burgerlijk Wetboek Krant Jaarboek XXIII
Abkürzungsverzeichnis
BWNotZ B.Y.I.L. bzgl. bzw.
Zeitschrift für das Notariat Baden-Württemberg British Yearbook of International Law bezüglich beziehungsweise
C.A. Cah.dr.eur. Cambridge Yb.Eur.Leg.Stud. Cass. Cass.civ. Cass.com. Cass.mixte Cass.soc. C.B. (N.S.) C.C.
Court of Appeal; Cour d'appel Cahier de droit européen Cambridge Yearbook of European Legal Studies
C.D.E. Ch. Ch.D. CIM CISG CIV
civ. C.J. C.J.Q. C.L.C. C.L.J. CLNI C.L.P. C.L.Pracz. Clunet C.M.L.Rev. CMNI CMR col. Col.Jur. Columb.L.Rev. C.O.M.I. comm. Comp.Jur.Rev. CornellInt'l L.J. XXIV
Cour de Cassation; Corte di Cassazione Cour de Cassation, chambre civile Cour de Cassation, chambre commerciale Cour de Cassation, chambre mixte Cour de Cassation, chambre sociale Common Bench Reports, New Series Code Civil (Frankreich), codice civile (Italien), Código Civil (Spanien), Código Civil (Portugal) Cahiers de droit européen The Law Reports, Chancery Division High Court of Justice, Chancery Division Règles uniformes concernant le contrat de transport international ferroviaire des marchandises (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern), Anh B COTIF Convention on Contracts for the International Sale of Goods (Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf) vom 11.4.1980 Règles uniformes concernant le contrat de transport international ferroviaire des voyageurs (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck), Anh A COTIF Chambre civile code judiciaire (Belgien) Civil Justice Quarterly Commercial Law Cases Cambridge Law Journal Convention de Strasbourg sur la limitation de la responsabilité en navigation intérieure (Straßburger Übereinkommen über die Beschränkungen der Haftung in der Binnenschifffahrt) vom vom 4.11.1988 Current Legal Problems Common Law Practice Journal du droit international, fondée par E Clunet Common Market Law Review Convention de Budapest relative au contract de transport de marchandises en navigation interieure (Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschiffahrt) vom 22.6.2001 Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route (Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr) vom 19.5.1956 i.d.F. des Protokolls vom 5.7.1978 colonne Colectânea de Jurisprudência Columbia Law Review center of main interests Chambre commerciale Comparative Juridical Review Cornell International Law Journal
Abkürzungsverzeichnis
Corp.Rescue & Insol. COTIF c.p.c. CPR CR CRTD
ct. CVR
D. D.aff. DAR DAVorm DB dbr DGVZ d.h. DienstleistungsRL
Corporate Rescue and Insolvency Convention relative aux transports internationaux ferroviaires (Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr) vom 9.5.1980 i.d.F. vom 3.9.1999 Código de Processo Civil (Portugal), Code de procédure civile (Frankreich, Belgien, Luxemburg), codice di procedura civile (Italien) Civil Procedure Rules Computer und Recht Convention sur la responsabilite civile pour les dommages causes au cours du transport de marchandises dangereuses par route, rail et bateaux de navigation interieure (UN-Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für Schäden bei der Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, der Schiene und auf Binnenschiffen) vom 10.9.1989 Court Convention relative au contrat de transport international de voyageurs et de bagages par route (Übereinkommen über den Vertrag über die internationale Beförderung von Personen und Gepäck auf der Straße) vom 1.3.1973
Dir.comm.int. Dir.com.scambi int. Dir.mar. Diss. D.J. D.Jur. D.M.F. Doc.Dir.Comp. D&P DRiZ Dr.soc. Dr.sociétés DS D.S. D.S.Jur. DStR DuD DVBl DZWIR DZWiR
Recueil Dalloz Dalloz Affaires Deutsches Autorecht Der Amtsvormund Der Betrieb Der Betriebsrat Deutsche Gerichtsvollzieher Zeitung das heißt Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt Diritto del commercio internazionale Diritto comunitario e degli scambi internazionali Diritto marittimo Dissertation Deutsche Justiz Recueil Dalloz. Jurisprudence Droit maritime français Documentação e Direito Comparado (Boletim do Ministério da Justiçia) Droit & Patrimoine Deutsche Richterzeitung Droit social Droit des sociétés Der Sachverständige Recueil Dalloz Sirey. hebdomadaire Reuceil Dalloz Sirey. Jurisprudence Deutsches Steuerrecht Datenschutz und Datensicherheit Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
E.A.T. EB ebd. ebf.
Employment Appeal Tribunal Empfangsbestätigung ebenda ebenfalls
XXV
Abkürzungsverzeichnis
E-CommerceRL
ed(s). E.E.D. EFZG EG EG EG-BagatellVO EG-BewDG EG-BewVO EGBGB EGGVG EGHGB EG-IAS-VO EGInsO EuInsVO EuInsVO 2000 EG-MahnVO EGMR EG-PKH-RL
EG-PKHVV EG-UntVO EGV EG-VollstrTitelDG EG-VollstrTitelVO EGZPO EG-ZustDG
XXVI
Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“) editor(s) Episkopissi Emporikou Dikaiou Gesetz über die Zahlung des Arbeitsentgelts an Feiertagen und im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) Einführungsgesetz Europäische Gemeinschaften Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines Verfahrens für geringfügige Forderungen Gesetz zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz) Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.7.2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung) Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Richtlinie 2003/8/EG des Rates vom 27.1.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen EG-Prozesskostenhilfevordruckverordnung Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen Gesetz betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung Gesetz zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Zustellungsdurchführungsgesetz)
Abkürzungsverzeichnis
EG-ZustVO 2000 EG-ZustVO 2007
EheG EheSchlRG Einl. einschl. E.I.P.R. E.J.C.C.L. Electr.J.Comp. L. Emory Int'l L.Rev. EMRK EntsendeRL EO EP EPÜ ERA E.R.C.L. Erg.-Lfg. E.R.P.L. ErwGr. E.S.Z.B. etc. ETR EU EU-BewVO 2020
EU-EheGüterVO
EU-ErbVO
EuGH EuGHE EuGH-VerfO EuGrCh EuGVÜ EuInsÜ
Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates Ehegesetz (Schweden) Eheschließungsrechtsgesetz Einleitung einschließlich European Intellectual Property Review European Journal of Commercial Contract Law Electronic Journal of Comparative Law Emory International Law Review Europäische Menschenrechtskonvention Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen Exkutionsordnung (Österreich) Europäisches Parlament Übereinkommen über die Erteilung Europäischer Patente (Europäisches Patentübereinkommen) vom 5.10.1973 i.d.F. vom 29.11.2000 Europäische Rechtsakademie European Review of Contract Law Ergänzungslieferung European Review of Private Law Erwägungsgrund (-grundes, -gründe) Europäisches System der Zentralbanken et cetera Europäisches Transportrecht Europäische Union Verordnung (EU) 2020/1783 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2020 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen (Beweisaufnahme) (Neufassung) Verordnung (EU) 2016/1103 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen des ehelichen Güterstandes Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses Gerichtshof der Europäischen Union Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der EG und des Europäischen Gerichts Erster Instanz Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofes Charta der Grundrechte der Europäischen Union EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen („Brüsseler Übereinkommen“) vom 27.9.1968 EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren vom 23.11.1995 XXVII
Abkürzungsverzeichnis
EuIPR EU-KPfVO
EuLF EU-LP-GüterVO
EuR Eur.Bus.L.Rev. Eur.J.L.Reform Eur.J.Migr.&L. Eur.L.Rpter. Europ.Trans.L. EU-SchutzMVO EuSorgeÜbk 1980 EUV EuVollstrTitel EuZ EuZA EuZPR EU-ZustVO 2020
EuZVR EuZW EVÜ E.W.C.A. EWGV E.W.H.C. EWiR EWIV-VO EWR EWS EzA EZB EZB F. f. FactÜbk Fallimento
XXVIII
Europäisches Internationales Privatrecht Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen European Legal Forum Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates vom 24.6.2016 zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften Europarecht European Business Law Review European Journal of Law Reform European Journal of migration and law European Law Reporter European Transport Law: Journal for Law and Economics Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.6.2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen Europäisches Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses vom 20.5.1980 Vertrag über die Europäische Union Europäischer Vollstreckungstitel Zeitschrift für Europarecht Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht Europäisches Zivilprozessrecht Verordnung (EU) 2020/1784 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2020 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) (Neufassung) Europäisches Zivilverfahrensrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom-Übereinkommen“) vom 19.6.1980 England and Wales Court of Appeal Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft High Court of England and Wales Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht Europäischer Zahlungsbefehl Europäische Zentralbank Federal Reporter folgende Ottawaer UNIDROIT-Übereinkommen über das internationale Factoring vom 28.5.1988 Il fallimento (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
FamFG FamG Fam. Law Fam.L.Q. FamRÄndG FamRB.int. FamRZ Fasc. FernabsatzRL FF ff. FFE FG FG FG FGG FinDAG F.J.R. F.L.A. Fla.L.Rev. F.L.D.A. F.L.R. FlRG Fn. Foro it. Foro pad. Forum Int. R. FPR FS F.S.R. FuR GA GAin GATT Gaz.Pal. Gaz.Pal.Doctr. GebrMG G.E.D.I.P. gem. GenTG GeschmMG GeschmMV GewSchG G.F.S.
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Familiengesetz (Finnland) Family Law Familiy Law Quarterly Gesetz zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher Vorschriften (Familienrechtsänderungsgesetz) Der Familienrechtsberater – Beilage zum internationalen Familienrecht Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fascicule Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz Forum Familienrecht folgende Forum Familien- und Erbrecht Festgabe Finanzgericht Freiwillige Gerichtsbarkeit Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Gesetz über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz) Tijdschrift voor Familie- en Jeugdrecht Family Law Act (Vereinigtes Königreich) Florida Law Review Family Law Divorce Act (Irland) Family Law Reports Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) Fußnote Il Foro Italiano Il Foro padano Forum des Internationalen Rechts Familie, Partnerschaft, Recht Festschrift Fleet Street Reports Familie und Recht Generalanwalt Generalanwältin General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen) La gazette du palais et du notariat Gazette du Palais, Doctrine Gebrauchsmustergesetz Groupe européen de droit international privé gemäß Gesetz zur Regelung der Gentechnik (Gentechnikgesetz) Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz) Verordnung zur Ausführung des Geschmacksmustergesetzes (Geschmacksmusterverordnung) Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz) Gedächtnis- und Festschrift XXIX
Abkürzungsverzeichnis
GG ggf. ggü. GGVO
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls gegenüber Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12.12.2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster Giur.Comp.dir.int.priv. Giurisprudenza Comparata di diritto internazionale privato Giur.it. Giurisprudenza italiana GKG Gerichtskostengesetz G.L.J. German Law Journal GmbHR GmbH-Rundschau GMVO Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26.2.2009 über die Gemeinschaftsmarke GoA Geschäftsführung ohne Auftrag GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union grds. grundsätzlich GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRURInt Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil GRUR-RR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Rechtsprechungs-Report GS Gedächtnisschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen H. h.A. HAdoptÜbk 1993 HambR HandelsvertreterRL HarvLRev HausratsVO HAVE HBÜ Hdb. IZVR HErwSÜbk 2000 HG HGB High Ct. HKaufStÜbk 1955 HKindEntfÜbk h.L. H.L. h.M. HmbSchRZ HOAI Hof van Cass. HProdHPflÜbk 1973
XXX
Heft herrschende Ansicht Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29.5.1993 UN-Convention on the Carriage of Goods by Sea – Hamburg Rules (UNÜbereinkommen über die Beförderung von Gütern auf See) vom 31.3.1978 Richtlinie 86/653/EG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter Harvard Law Review Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats nach der Scheidung (Hausratsverordnung) Haftung und Versicherung Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Ziviloder Handelssachen vom 18.3.1970 Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom 13.1.2000 Handelsgericht Handelsgesetzbuch High Court Haager Übereinkommen betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anzuwendende Recht vom 15.6.1955 Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 herrschende Lehre House of Lords herrschende Meinung Hamburger Zeitschrift für Schifffahrtsrecht Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen Hof van Cassatie Haager Übereinkommen über das auf die Produkthaftpflicht anzuwendende Recht vom 2.10.1973
Abkürzungsverzeichnis
HProrogÜbk 2005 Hrsg. Hs. HStVÜbk 1971 HTrustÜbk 1985 HUntAVÜbk 1958 HUntAVÜbk 1973 HUntStProt 2007 HUntStÜbk 1956 HUntStÜbk 1973 HUntVerfÜbk 2007 HUrtÜbk HZivPrÜbk 1954 HZÜ
I.A.C.P.I.L. IBR ICC ICC Int.Ct.Arb.Bull. I.C.C.L.R. I.C.L.Q. i.d.F. i.d.R. I.D.R. i.E. I.E.R. I.E.S.C. iFamZ I.F.L. IHR I.I.C. I.L.M. I.L.Pr. I.L.R.M. ILSA J.Int.&Comp.L. I.L.T. insbes. InsO Int.Arb.L.Rev. Int.Co.&Comm.L.Rev.
Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30.6.2005 Herausgeber Halbsatz Haager Übereinkommen über das auf Straßenverkehrsunfälle anzuwendende Recht vom 4.5.1971 Haager Übereinkommen über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung vom 1.7.1985 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Unterhaltspflicht gegenüber Kindern vom 15.4.1958 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 23.11.2007 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern anzuwendende Recht vom 24.10.1956 Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973 Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23.11.2007 Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 2.7.2019 Haager Übereinkommen über den Zivilprozeß vom 1.3.1954 Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965 Interdisplinary Association of Comparative and Private International Law Immobilien- & Baurecht International Chamber of Commerce ICC International Court of Arbitration Bulletin International Company and Commercial Law Review International and Comparative Law Quarterly in der Fassung in der Regel Journal of International Dispute Resolution im Ergebnis Intellectuele eigendom & reclamerecht Supreme Court of Ireland Decisions Interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht International Family Law Internationales Handelsrecht International Review of Intellectual Property and Competition Law International Legal Materials International Litigation Procedure Irish Law Reports Monthly ILSA (International Law Students' Association) Journal of International and Comparative Law Irish Law Times insbesondere Insolvenzordnung International Arbitration Law Review International Company and Commercial Law Review XXXI
Abkürzungsverzeichnis
Int.Constr.L.Rev. IntFamG IntFamRVG
I.R. I.R. i.R.d. i.S.d. i.S.v. i.V.m. IZ IZPR IZVR i.Zw.
The International Construction Law Review Gesetz zum Internationalen Familienrecht Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz) International Litigation Procedure The International Lawyer International Lis International Review of Industrial Property and Copyright Law Internationale Urteilsanerkennung Investmentgesetz Insolvenz und Vollstreckung Intellectual Property Quarterly Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts IPR-Gesetz Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen Privatrechts Informations rapides Irish Reports im Rahmen des/der im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit Zeitschrift für den Internationalen Eisenbahnverkehr Internationales Zivilprozessrecht Internationales Zivilverfahrensrecht im Zweifel
J. JAmt JAP Jap. J.A.R. Jb.Ital.R. Jb.J.Ziv.R.Wiss. J.B.L. J.Bl. Jb.Prax.Sch. Jb.R.Soz. JCl.Droit.Int. JCl.Droit int.fasc. J.Cl.P. J.Cl.P. (C) J.Cl.P. (E) J.Cl.P. (G) J.Cl.P. (S) jdf. J.D.I. J.Empir.Leg.Stud. Jh.J.B. J.I.B.F.L. J.I.B.L.R. J.I.M.L. J.Int.Arb.
Justice Zeitschrift für Jugendhilfe und Familienrecht Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung japanisch (-er, -es) Jaarboek voor Arbeidsrecht Jahrbuch für italienisches Recht Jahrbuch Junger Zivilrechtswissenschaftler Journal of Business Law Juristische Blätter Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie Juris-Classeur, Droit international Juris-Classeur, Droit international fascicule Juris-Classeur Périodique Juris-Classeur Périodique, édition Civil Juris-Classeur Périodique, édition Entreprise Juris-Classeur Périodique, édition Générale Juris-Classeur Périodique, édition Social jedenfalls Journal du droit international Journal of Empirical Legal Studies Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts Journal of International Banking and Financial Law Journal of International Banking Law and Regulation Journal of International Maritime Law Journal of International Arbitration
Int.Litig.Proc. Int'l Lawyer Int'l Lis Int.Rev.Ind.Cop.R.L. Int.Urt.Anerk. InvG InVo I.P.Q. IPR IPRax IPRG IPRspr
XXXII
Abkürzungsverzeichnis
J.Int.Bank.L. J.M.L.B. J.M.L.C. J.N. J.O. Jo.B.L. J.P.A. J.P.I.L. J.Pr.I.L. J.R. J.T. J.T.dr.europeen. JuMiG JURA Jur.Büro Jur.comm.belge JuS J.W.T.L. JZ
Journal of International Banking Law Jurisprudence de Mons, Liège et Bruxelles Journal of Maritime Law and Commerce Jurisdiktionsnorm (Österreich) Journal officiel Journal of Business Law Jurisprudence de port d'Anvers Journal of Public and International Law Journal of Private International Law Juristische Rundschau Journal des tribunaux Journal des tribunaux (droit europeen) Justizmitteilungsgesetz Juristische Ausbildung Das Juristische Büro Jurisprudence commerciale belge Juristische Schulung Journal of World Trade: law, economics, public policy Juristenzeitung
KantonsG Kap. KapMuG Kapstadt-Übk
Kantonsgericht Kapitel Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz Cape Town Convention on International Interests in Mobile Equipment (Kapstädter Übereinkommen über internationale Sicherungsrechte an beweglicher Ausrüstung) vom 16.11.2001 K.B. Kings Bench K.C.L.J. The King's College Law Journal KfzPflVV Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (Kraftfahrzeug-Pflichtversicherungsverordnung) KG Kammergericht KGR Report des Kammergerichts King's Coll.LJ. King's College Law Journal KlauselRL Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen KOM Dokumentenkennung der Kommission der EG KonsG Gesetz über die Konsularbeamten, ihre Aufgaben und Befugnisse (Konsulargesetz) K.P.D. Kodix Politikis Dikonomias (Griechenland) K&R Kommunikation & Recht krit. kritisch Krit.Justiz Kritische Justiz KrWaffKontrG Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen KSchG Kündigungsschutzgesetz KSÜ Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 Ktg. Kantongerecht KTS Konkurs, Treuhand, Schiedsgerichtswesen KulturgüterrückgabeRL Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15.3.1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern KWG Gesetz über das Kreditwesen
XXXIII
Abkürzungsverzeichnis
LA LAG LAGE LandesG L.E.C. LFGB Lit. L.J. L.J.J. LJZ Lloyd's Rep. L.M. L.M.C.L.Q. L.M.K. L.O.P.J. Loyola L.A.In'l & Comp.Rev. LPartG L.Q.Rev. LuftVG LugÜbk 1988 LugÜbk 2007 luxemb. m. MaBV m. Anm. MarkenG Marq. L. Rev. m.a.W. MDR MDStV Med.-Arb. MHG Mich.L.Rev. MittBayNot Mitt.Pat. MittRhNotK M.J. MMR Mod.L.Rev. MoMiG Montr.Übk MR XXXIV
liber amicorum Landesarbeitsgericht Entscheidungssammlung der Landesarbeitsgerichte Landesgericht Ley de Enjuiciamiento Civil (Spanien) Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch Litera Lord Justice Lord Justices Liechtensteinische Juristenzeitung Lloyd's Reports liber memorialis Lloyd's Maritime and Commercial Law Quarterly Lindenmaier-Möhring, Kommentierte Rechtsprechung Ley Orgánica del Poder Judicial (Spanien) Loyola of Los Angeles International and Comparative Law Review Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft Law Quarterly Review Luftverkehrsgesetz Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.1988 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30.10.2007 luxemburgisch mit Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehens- und Anlagenvermittler, Anlageberater, Bauträger und Baubetreuer (Makler- und Bauträgerverordnung) mit Anmerkung Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz) Marquette Law Review mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Staatsvertrag über Mediendienste (Mediendienstestaatsvertrag) Mediation-Arbitration Gesetz zur Regelung der Miethöhe (Miethöhegesetz) Michigan Law Review Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungen der deutschen Patentanwälte Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Maastricht Journal of European and Comparative Law Multimedia und Recht Modern Law Review Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommen) vom 28.5.1999 Medien und Recht
Abkürzungsverzeichnis
MSA
MuSchG m.w.N.
Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5.10.1961 UN-Convention on International Multimodal Transport of Goods (UNÜbereinkommen über die internationale multimodale Güterbeförderung) vom 24.5.1980 Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) mit weiteren Nachweisen
Nachw. n.c.p.c. Ned.Jbl. Ned.Jur. NEheG N.I.L.R. N.I.P.R. N.I.Q.B. N.J. N.J. N.J.A. NJOZ NJW NJW-RR NotBZ Nr. N.S.A. NSW N.T.B.R. N.T.E.R. N.T.H.R. Nuove leggi civ.Com. NVwZ Nw.J.Int'l L.&Bus. N.Y.U.L.Rev. NZA NZA-RR NZFam NZG NZI NZM NZV
Nachweis(e) Nouveau Code de procédure civile (Frankreich) Nederlands Juristenblad Nederlandse Jurisprudentie Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder Netherlands International Law Review Nederlands Internationaal Privaatrecht Northern Ireland Queen's Bench Division Nederlandse Jurisprudentie Neue Justiz Nytt Jurisdik Arkiv Neue Juristische Online-Zeitschrift Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Zeitschrift für die notarielle Beratungs- und Beurkundungspraxis Nummer(n) Naczelny Sa˛d Administracyjny (polnisches Oberstes Verwaltungsgericht) Nachschlagewerk der Rechtsprechung zum Gemeinschaftsrecht Nederlands Tijdschrift voor Burgerlijk Recht Nederlands Tijdschrift voor Europees Recht Nederlands Tijdschrift voor Handelsrecht Le Nuove Leggi Civili Commentate Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Northwestern Journal of International Law and Business New York University Law Review Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungs-Report Neue Zeitschrift für Familienrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht Neue Zeitschrift für Mietrecht Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht
o. o.ä. öAnwBl ö.A.w.E. ÖBA ObG Obs. OGH O.H. Ohio St.L.J. ÖJZ ÖKSchG Ø.L.D.
oben oder ähnliches Österreichisches Anwaltsblatt öffentliche Aufgabe wahrnehmende Einrichtung Österreichisches Bank Archiv Obergericht Observations Österreichischer Oberster Gerichtshof Court of Session, Outer House Ohio State Law Journal Österreichische Juristenzeitung Konsumentenschutzgesetz (Österreich) Østre Landsret Dom
MTC
XXXV
Abkürzungsverzeichnis
OLG OLG-NL OLGR O.R. ÖRZ öst.
Oberlandesgericht OLG-Rechtsprechung Neue Länder OLG-Report Obligationenrecht (Schweiz) Österreichische Richterzeitung österreichisch (-er, -es)
p. PECL PflVG
Prot.EuGVÜ ProzRB
page Principles of European Contract Law Gesetz über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) Pensionskassengesetz Präsident Protokoll Protokoll über die Position Dänemarks, beigefügt dem Amsterdamer Vertrag vom 2.10.1997 Protokoll zum EuGVÜ vom 27.9.1968 Der Prozess-Rechtsberater
Q.B. Q.B.D. Q.C.
The Law Reports, Queen's Bench Division High Court of Justice, Queen's Bench Division Queen's Counsel
PKG Präs. Prot. Prot.Dk.
RabelsZ
Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel Rb. Rechtbank Rb. Kh. Rechtbank van Koophandel RBÜ Berner Übereinkommen über den Schutz von Werken der Literatur und Kunst vom 9.9.1886 i.d.F. vom 2.10.1979 RdA Recht der Arbeit R.D.C.B. Revue de droit commercial belge RDG Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz) RdU Recht der Umwelt RdW Recht der Wirtschaft Rec. Recueil des Cours de l'Academie de droit international R.E.D.I. Revista espanola de derecho internacional Rel. Tribunal da Relação Rev.Arb. Revue d'arbitrage Rev.belgedr.int. Revue belge de droit international Rev.crit.Dip. Revue critique de droit international privé Rev.crit.Jur.belge Revue critique de jurisprudence belge Rev.der.com.eur. Revista de derecho comunitario europeo Rev.dr.aff.int. Revue de droit des affaires internationales Rev.dr.fr.comm. Revue de droit français commerciale Rev.dr.int.dr.comp. Revue de droit international et de droit comparé Rev.dr.trav. Revue de droit du travail Rev.dr.unif. Revue de droit uniforme Rev.Fac.Dir.Univ.Lisboa Revista da Faculdade de Direito da Universidade de Lisboa Rev.gén.dr. civ.belge Revue générale de droit civil belge Rev.int.dr.comp. Revue internationale de droit comparé Rev.Inst.belge Revue d'Institut Belge Rev.int.y integr. Revista internacional y integración Rev.Lamy dr.aff. Revue Lamy de Droit des affaires Rev.MUE Revue du Marché Unique Européen XXXVI
Abkürzungsverzeichnis
Rev.ord.adv. Rev.proc.Coll. Rev.Scapel Rev.soc. Rev.trim.dr.civ. Rev.trim.dr.eur. Rev.trim.dr.fam. R.F.D.A. RG RGBl. R.G.D.A. RGZ R.H.D.I. R.I.D.C. Ritsum.L.Rev. Riv.Arb. Riv.dir.eur. Riv.dir.fall.soc.com. Riv.dir.int. Riv.dir.int.priv.proc. Riv.dir.proc. Riv.notariato Riv.trim.dir.proc.civ. RIW RL Rom I-VO
R.P.C. Rpfleger RPflG RpflStud. RRa Rs. R+S R.S.D.A. Rspr. RTD com. RTD eur. RVG R.V.J. R.W. Rz.
Revista da Ordem dos Advogados Revue des procédures collectives civiles et commerciales Revue Scapel Revue des sociétés Revue trimestrielle de droit civil Revue trimestrielle de droit européen Revue trimestrielle de droit familial Revue française de droit administratif Reichsgericht Reichsgesetzblatt Revue générale du droit des assurances Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Revue hellénique de droit international Revue international de droit comparé Ritsumeikan Law Review (International Edition) Rivista d'arbitrato Rivista di diritto europeo Rivista di diritto fallimentare e della societá commerciale Rivista di diritto internazionale Rivista di diritto internazionale privato e processuale Rivista di diritto processuale Rivista del Notariato Rivista trimestrale di diritto e procedura civile Recht der Internationalen Wirtschaft Richtlinie Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“) Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20.12.2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts Reports of Patent Cases Der Deutsche Rechtspfleger Rechtspflegergesetz Rechtspfleger – Studienhefte Reiserecht aktuell Rechtssache Recht und Schaden Revue Suisse de droit des affaires et du marché financier Rechtsprechung Revue trimestrielle de droit commercial et de droit économique Revue trimestrielle de droit européen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz Revue valaisanne de jurisprudence Rechtskundig Weekblad Randziffer
S. S. s. SAE Sc.
Satz Seite siehe Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen scilicet (lat nämlich)
Rom II-VO Rom III-VO
XXXVII
Abkürzungsverzeichnis
S.C. SchiedsVZ SchuldRAnpG Schw. SchwJZ S.C.L.R. Sem.jud. SE-VO SGB sic! SJ SJZ Soc. sog. Somm. SorgeRÜbkAG
SortenschutzVO SortSchG Sp. Span. SpuRt S&S st. StaZ S.T.J. Str. Sv.J.T. SVR Sw.J.L.&Trade in the Americas S.Z. SZIER SZW SZZP T.B.H. TDG Temp.L.Rev. Texas Int'l L.J. T.f.R. T.G.I. Time-Sharing-RL 1994
XXXVIII
Supreme Court Zeitschrift für Schiedsverfahren Gesetz zur Anpassung schuldrechtlicher Nutzungsverhältnisse an Grundstücken im Beitrittsgebiet (Schuldrechtsanpassungsgesetz) schweizerisch (-e, -es) Schweizerische Juristenzeitung Scottish Civil Law Reports Semaine judiciaire Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Sozialgesetzbuch sic! (Zeitschrift) Steuer-Journal Schweizer Juristenzeitung chambre sociale sogenannt Sommaires Gesetz zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und des Europäischen Übereinkommens vom 20.5.1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (SorgerechtsübereinkommensAusführungsgesetz) Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27.7.1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz Sortenschutzgesetz Spalte Spanien (-s) Zeitschrift für Sport und Recht Schip en Schade ständige Das Standesamt (Zeitschrift für Standesamtwesen) Supremo Tribunal de Justicia Spiegelstrich Svensk Juristtidning Straßenverkehrsrecht – Zeitschrift für die Praxis des Verkehrsjuristen Southwestern Journal of Law and Trade in the Americas Sammlung der Rechtsprechung des Österreichischen Obersten Gerichtshofs in Zivilsachen Schweizerische Zeitschrift für Internationales und Europäisches Recht Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozessrecht Tijdschrift voor Belgisch handelsrecht Gesetz über die Nutzung von Telediensten (Teledienstegesetz) Temple Law Review Texas International Law Journal Tidsskrift for Rettsvitenskap Tribunal de grande instance Richtlinie 94/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.1994 zum Schutz der Erwerber im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Verträgen über den Erwerb von Teilzeitnutzungsrechten an Immobilien
Abkürzungsverzeichnis
Time-Sharing-RL 2009 Richtlinie 2008/122/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.1.2009 über den Schutz der Verbraucher im Hinblick auf bestimmte Aspekte von Teilzeitnutzungsverträgen, Verträgen über langfristige Urlaubsprodukte sowie Wiederverkaufs- und Tauschverträgen T.I.P. Tijdschrift voor Internationaal Privaatrecht TMG Telemediengesetz TranspR Transportrecht Trav.Com.fr.DIP Travaux de Comité français de droit international privé Trib. Tribunal, Tribunale Trib.app. Tribunale di appello Trib.cant. Tribunal cantonal Trib.comm. Tribunal de commerce Trib.Sup. Tribunal Supremo Trib.trav. Tribunal de travail Tru.L.I. Trust Law International Trusts att.Fid. Riviste Trusts e attività fiduciarie Tulane J.Int'l&Comp.L. Tulane Journal of International and Comparative Law Tul.L.Rev. Tulane Law Review T.V.I. Tijdschrift voor Insolventierecht TzBfG Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge u. u.a. u.ä. UAbs. Übk UCC UFITA U.f.R. UhVorschG U.K.H.L. UKlaG U.L.R. Unif. L.Rev. UN-KinderrechteÜbk UNÜ U.Pa.LRev. UrhG u.U. v. v. v.a. VAG Va.J.Int'lL Vand.J.Transn.L. Var. VerbraucherkreditRL
unten und andere und ähnliches Unterabsatz Übereinkommen Uniform Commercial Code Archiv für Urheber- und Medienrecht Ugeskrift for Retsvaesen Gesetz zur Sicherung des Unterhalts von Kindern allein stehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfalleistungen United Kingdom House of Lords Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen Utrecht Law Review Uniform Law Review Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 University of Pennsylvania Law Review Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) unter Umständen versus von, vom vor allem Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz) Virginia Journal of International Law Vanderbilt Journal of Transitional Law Variante Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.4.2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates XXXIX
Abkürzungsverzeichnis
VerbrauchsgüterkaufRL Richtlinie 99/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter verb. Rs. verbundene Rechtssache VerkProspG Wertpapier-Verkaufsprospektgesetz (Verkaufsprospektgesetz) VermG Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (Vermögensgesetz) VersR. Versicherungsrecht VersRAI Versicherungsrecht Beilage Ausland vgl. vergleiche VO Verordnung VOB/B Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen Vorbem. Vorbemerkung(en) vorl. vorläufig vs. versus VuR Verbraucher und Recht VV Vergütungsverzeichnis VVG Gesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz) V.W. Versicherungswirtschaft Vzngr. Voorzieningenrechter Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.6.1971 zur Anwendung Wanderarbeitnehmer-VO der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern WarschAbk wbl WiB WiRO W.L.R. WM wobl WpHG W.P.N.R. WRP W.R.V. WSA WTO WuB WÜD WÜK WuW WVRK
Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 12.10.1929 Wirtschaftsrechtliche Blätter Wirtschaftsrechtliche Beratung Wirtschaft und Recht in Osteuropa The Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Wohnrechtliche Blätter Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandelsgesetz) Weekblad voor privaatrecht, notariaat en registratie Wettbewerb in Recht und Praxis Wetboek van Rechtsvorderingen (Niederlande) Wirtschafts- und Sozialausschuss World Trade Organization (Welthandelsorganisation) Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 Wirtschaft und Wettbewerb Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.5.1969
YBCom.Arb. YBConsL. YBE.L. YBIntL. YBP.I.L.
Yearbook of Commercial Arbitration Yearbook of Consumer Law Yearbook of European Law Yearbook of International Law Yearbook of Private International Law
Zak ZAP z.B. ZBB
Zivilrecht aktuell Zeitschrift für anwaltliche Praxis zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft
XL
Abkürzungsverzeichnis
ZBernJV ZBVR ZESAR ZEuP ZEuS ZEV ZfA ZfBR ZfIR ZfRV ZfV ZGR ZHR ZIAS Ziff. ZIK ZInsO ZIP ZivG ZJapanR ZKM ZLR ZLW ZMR ZPO ZR ZRHO ZSR z.T. ZUM zust. Zust. EU-DK Abk ZustRG zutr. ZVersWiss ZVGB ZVglRWiss ZVI ZWeR ZZP ZZPInt
Zeitschrift des Bernischen Juristen-Vereins Zeitschrift für Betriebsverfassungsrecht Zeitschrift für Europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für deutsches und internationals Bau- und Vergaberecht Zeitschrift für Immobilienrecht Zeitschrift für Rechtsvergleichung, internationales Recht und Europarecht Zeitschrift für Versicherungswesen Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Zeitschrift für ausländisches und internationales Arbeits- und Sozialrecht Ziffer Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilgericht Zeitschrift für Japanisches Recht Zeitschrift für Konflikt-Management Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht Zeitschrift für Miet- und Raumrecht Zivilprozessordnung Blätter für Zürcherische Rechtsprechung Rechtshilfeordnung in Zivilsachen Zeitschrift für Schweizerisches Recht zum Teil Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht zustimmend Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen vom 19.10.2005 Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz) zutreffend Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft Zivilverfahrensgesetzbuch Polen Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Verbraucher- und Privat-Insolvenzrecht Zeitschrift für Wettbewerbsrecht Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International
XLI
Kommentarliteratur Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Insolvenzrecht (4. Aufl. 2020) zitiert: Bearbeiter in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier/ Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, ZPO (79. Aufl. 2021) zitiert: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle/Bearbeiter Bork/van Zwieten, Commentary on the European Insolvency Regulation (2016) zitiert: Bearbeiter in Bork/van Zwieten Braun, Insolvenzordnung (8. Aufl. 2020) zitiert: Bearbeiter in Braun Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer, Internationales Zivilverfahrensrecht (Loseblatt, Stand 2020) zitiert: Burgstaller/Neumayr/Bearbeiter Callies/Ruffert, EUV/EGV (5. Aufl. 2016) zitiert: Callies/Ruffert/Bearbeiter Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht (4. Aufl. 2015) zitiert: Czernich/Kodek/Mayr/Bearbeiter Dauner-Lieb/Heidel/Ring, NomosKommentar Bürgerliches Gesetzbuch: BGB (Bd.1-4: 4. Aufl. 2015–2021, Bd. 5: 5. Aufl. 2018, Bd. 6: 3. Aufl. 2019) zitiert: NK-BGB/Bearbeiter Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen (2. Aufl. 2002-2011, 3. Aufl. 2013 ff.) zitiert: Fasching/Konecny/Bearbeiter Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss (2. Aufl. 2010), Europäisches Zivilrecht (3. Aufl. 2021) zitiert: Gebauer/Wiedmann/Bearbeiter; Gebauer/Wiedmann/Bearbeiter (3. Aufl.) Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht (4. Aufl. 2020) zitiert: Geimer/Schütze/Bearbeiter, EuZVR Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Loseblatt, Stand 2021) zitiert: Geimer/Schütze/Bearbeiter Goette/Habersack/Kalss, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz (5. Aufl. 2019–2021) zitiert: MünchKommAktG/Bearbeiter Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV (Loseblatt, Stand 2021) zitiert: Grabitz/Hilf/Nettesheim/Bearbeiter Graf-Schlicker, InsO (5. Aufl. 2020) zitiert: Graf-Schlicker/Bearbeiter Hirte/Mülbert/Roth, AktG (5. Aufl. 2015 ff.) zitiert: Bearbeiter in Hirte/Mülbert/Roth Kayser/Thole, Insolvenzordnung (10. Aufl. 2020) zitiert: Bearbeiter in HK-InsO Kindl/Meller-Hannich, Gesamtes Recht der Zwangsvollstreckung (4. Aufl. 2021) zitiert: NK-ZV/Bearbeiter Koller/Lovrek/Spitzer, IO – Insolvenzordnung (2019) zitiert: Koller/Lovrek/Spitzer/Bearbeiter Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht (9. Aufl. 2011) zitiert: Kropholler/von Hein Krüger/Rauscher, Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung (Bd. 1–2: 6. Aufl. 2020, Bd. 3: 5. Aufl. 2017) zitiert: MünchKommZPO/Bearbeiter Kübler/Prütting/Bork, InsO (Loseblatt, Stand 2021) zitiert: Bearbeiter in Kübler/Prütting/Bork Magnus/Mankowski, Brussels Ibis Regulation (3. Aufl. 2016) zitiert: Magnus/Mankowski/Bearbeiter Mankowski/Müller/Schmidt, EuInsVO 2015 (2016) zitiert: Bearbeiter in Mankowski/Müller/Schmidt
XLIII
Kommentarliteratur Moss/Fletcher/Isaacs, The EU Regulation on Insolvency Proceedings (3. Aufl. 2016) zitiert: Bearbeiter in Moss/Fletcher/Isaacs Musielak/Voit, ZPO (18. Aufl. 2020) zitiert: Musielak/Voit/Bearbeiter Nerlich/Römermann, Insolvenzordnung (Loseblatt, Stand 42. Lfg. Februar 2021) zitiert: Nerlich/Römermann/Bearbeiter Rauscher, Münchener Kommentar zum FamFG (3. Aufl. 2018-2019) zitiert: MünchKommFamFG/Bearbeiter Paulus, EuInsVO (6. Aufl. 2021) zitiert: Paulus Prütting/Gehrlein, ZPO (12. Aufl. 2020) zitiert: Prütting/Gehrlein/Bearbeiter Säcker/Rixecker/Oetker/Limperg, Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch (8. Aufl. 2019–2021) zitiert: MünchKommBGB/Bearbeiter Saenger, NomosKommentar Zivilprozessordnung: ZPO (8. Aufl. 2019) zitiert: NK-ZPO/Bearbeiter Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht (4. Aufl. 2015) zitiert: Schlosser/Hess/Bearbeiter Schmidt, EuInsVO (2020) zitiert: Bearbeiter in Schmidt, EuInsVO Schmidt, InsO (19. Aufl. 2016) zitiert: Bearbeiter in Schmidt Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz (7. Aufl. 2020) zitiert: Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Bearbeiter Staudinger, Kommentar zum BGB (1993 ff) zitiert: Staudinger/Bearbeiter (Jahr) Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung: ZPO (Bd. 1–6, 8–12: 23. Aufl. 2014–2020, Bd. 7: 22. Aufl. 2002) zitiert: Stein/Jonas/Bearbeiter (Jahr) Streinz, EUV/AEUV (3. Aufl. 2018) zitiert: Streinz/Bearbeiter Stürner/Eidenmüller/Schoppmeyer, Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung (4. Aufl. 2019 ff.) zitiert: MünchKommInsO/Bearbeiter Thomas/Putzo, ZPO (42. Aufl. 2021) zitiert: Thomas/Putzo/Bearbeiter Uhlenbruck/Hirte/Vallender, InsO (15. Aufl. 2019-2020) zitiert: Bearbeiter in Uhlenbruck Vallender, EuInsVO (2. Aufl. 2020) zitiert: Bearbeiter in Vallender Wieczorek/Schütze, ZPO (Bd. 1, 11: 5. Aufl. 2020, Bd. 2–10, 12–14: 4. Aufl. 2013–2018) zitiert: Wieczorek/Schütze/Bearbeiter (Jahr) Wimmer, FK-InsO – Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung (9. Aufl. 2018) zitiert: Bearbeiter in FK-InsO Zöller, ZPO (33. Aufl. 2020) zitiert: Zöller/Bearbeiter Zöllner/Noack, Kölner Kommentar zum Aktiengesetz (3. Aufl. 2004–2020) zitiert: Bearbeiter in KölnKomm/AktG
XLIV
Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen ABl. EU 2004 L 143/15 Art. 16 lit. c (de) berichtigt ABl. EU 2005 L 97/64 Anh. I–VI geändert durch VO (EG) Nr. 1869/2005 v. 16.11.2005 ABl. EU 2005 L 300/6 Anh. I Nr. 12.1 Alt. 3 (de) berichtigt ABl. EU 2008 L 50/71 Art. 31, 32 geändert durch Anh. Nr. 4 VO (EG) Nr. 1103/2008 v. 22.10.2008 ABl. EU 2008 L 304/80 Schrifttum: 1. Verordnungsentwurf: Boschiero, The forthcoming European enforcement order. Towards a European law-enforcement area, Riv. dir. int. 2003, 394; Coester-Waltjen, Einige Überlegungen zu einem künftigen europäischen Vollstreckungstitel, in: FS Kostas E Beys (2003) 183; Eichele, Aktuelle Entwicklungen im Europäischen Zivilprozessrecht – Auf dem Weg zum Europäischen Vollstreckungstitel –, BRAK-Mitt. 2003, 53; Geimer, Das Brüssel I-System und seine Fortentwicklung im Lichte der Beschlüsse von Tampere, in: FS János Németh (2003) 231; Heß, Neues deutsches und europäisches Zustellungsrecht, NJW 2002, 2417; Kohler, Systemwechsel im europäischen Anerkennungsrecht: Von der EuGVVO zur Abschaffung des Exequaturs, in: Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht (2002) 147; Kohler, Von der EuGVVO zum Europäischen Vollstreckungstitel – Entwicklungen und Tendenzen im Recht der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen –, in: Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2004) 63; Storme, Ein einheitlicher Europäischer Vollstreckungstitel als Vorbote eines weltweiten Titels, in: FS Hideo Nakamura (1996) 581; Tarzia, L’ordine europeo del processo civile, Riv. dir. proc. 2001, 903. 2. Einführungen und Erläuterungen: Arnold in Geimer/Schütze (Hrsg.), Internationaler Rechtsverkehr (Stand: 54. Erg.-Lfg., Februar 2018), B Vor I 11, Einl. – Art. 5, Art. 12 – Art. 19; d’Avout, La circulation automatique des titres exécutoires impose par le règlement 805/2004 du 21 avril 2004, Rev. crit. dip. 2006, 1; Bach, Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa (2008); Bach, Die EuVTVO im System des Europäischen Zivilverfahrensrechts, RIW 2018, 549-554; Bittmann, Anforderungen an einen Rechtsbehelf i.S.v. Art. 19 EuVTVO und Kompetenz zur Bestätigung gerichtlicher Entscheidungen als Europäische Vollstreckungstitel, IPRax 2016, 563; Bittmann, Die Zulässigkeit materiellrechtlicher Einwendungen gegen einen Europäischen Vollstreckungstitel im Vollstreckungsstaat, IPRax 2015, 129; Baumert, Die EuVTVO im System des Europäischen Zivilverfahrensrechts – Ein Kommentar aus Sicht der Praxis, RIW 2018, 555; Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren (2008); Bittmann in Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss2 (2010), EuVTVO; Brenn, Europäischer Zivilprozess (2005) Rz. 150–185, zitiert: Brenn, EuZP; Burgstaller/Neumayr, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, ÖJZ 2006, 179; Coester-Waltjen, Der neue europäische Vollstreckungstitel, JURA 2005, 394; Coester-Waltjen, Der Europäische Vollstreckungstitel – Bestandsaufnahme und kritische Bewertung, in: FS Tug˘rul Ansay (2006) 47; Costa e Silva, O Titulo Executivo Europeu (2005); Crifo, First steps towards the Harmonization of Civil Procedure: The Regulation creating an European Enforcement Order for uncontested claims, CJQ 2005, 200; van Drooghenbroeck/Brijs, Un titre exécutoire européen (2006); Ernst, Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, JurBüro 2005, 568; Freudenthal, De Europese Executoriale Titel en de Europese betalingsbevelprocedure: afstemming van Europese rechtsmaatregelen, NIPR 2004, 393; Freudenthal, De Europese Executoriale Titel: twijfelachtige aanwinst, Advocatenblad 2005, 302; Gebauer, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, NJ 2006, 103; Gebauer, Vollstreckung von Unterhaltstiteln nach der EuVTVO und der geplanten Unterhaltsverordnung, FPR 2006, 252; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht8 (2020), zitiert: Geimer, IZPR; Geimer, Verbesserung der Rechtsverfolgung über die Grenze in der Europäischen Union – Einige Bemerkungen zum Europäischen Vollstreckungstitel, in: FS Max Vollkommer (2006) 385; Gerling, Die Gleichstellung ausländischer mit inländischen Vollstreckungstiteln durch die Verordnung zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (2006), zitiert: Gerling; Giebel, Fünf Jahre Europäischer Vollstreckungstitel in der deutschen Gerichtspraxis – Zwischenbilanz und fortbestehender Klärungsbedarf, IPRax 2011, 529; Gottwald in Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht8 (2020) § 14 IV, zitiert: Nagel/Gottwald, IZPR; Hannemann-Kacik, Die EU-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (2011), zitiert: Hannemann-Kacik; von Hein in Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht9 (2011), EuVTVO; Heringer, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (2007), zitiert: Heringer; Hilbig in Geimer/Schütze (Hrsg.), Internationaler Rechtsverkehr (Stand: 54. Erg.-Lfg., Februar 2018), B Vor I 11, Art. 6–Art. 11, Art. 20–Art. 23; Hök, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, ZAP 2005, 1099; Höllwerth in Burgstaller/Neumayr (Hrsg.), Internationales Zivilverfahrensrecht (März 2006), Kap. 35; Hüßtege, Braucht die Verordnung über den europäischen Vollstreckungstitel eine ordre-public-Klausel?, in: FS Erik Jayme (2004) 371; Hüßtege, Der europäische Vollstreckungstitel, in:
Pabst
1
EG-VollstrTitelVO
Schrifttum
Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) 113; Hüßtege, Der Europäische Vollstreckungstitel in der Praxis, IPRax 2009, 321; Hüßtege in Thomas/Putzo (Begr.), ZPO42 (2021), EuVTVO; Jennissen, Der Europäische Vollstreckungstitel (Teil 1 & 2), InVO 2006, 218 & 263; Jennissen/Eichel in Schuschke/Walker/Kessen/Thole (Hrsg.), Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz7 (2020), EuVTVO; Kaar, Nieuw Brussels procesrecht: de Europese Executoriale Titel en het Europese betalingsbevel, NTER 2005, 32; Knittel, Vollstreckung dynamischer Unterhaltstitel im Ausland – Neue Aufgaben für die Urkundspersonen beim Jugendamt, JAmt 2006, 477; Kramer, De europese Executoriale Titel: een nieuwinstrument ter verwenlijking van het Europees procesterritoir, NTBR 2005, 375; Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 8–48; Leible/Lehmann, Die Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen und ihre Auswirkungen auf die notarielle Praxis, NotBZ 2004, 453; Luckey, Der Europäische Vollstreckungstitel (EG-VO Nr. 805/2004), ZGS 2005, 420; Luckey, Gerichtsvollzieher ohne Grenzen – Die EG-VO Nr. 805/2004 zum Europäischen Vollstreckungstitel, ProzRB 2005, 242; Mankowski, Wie viel Bedeutung verliert die EuGVVO durch den Europäischen Vollstreckungstitel?, in: FS Jan Kropholler (2008) 829; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht2 (2020) S. 384–404, zitiert: Mayr, EuZPR; Meyer-Berger, Mahnverfahren und Vollstreckung (2007) § 7-8; Nardone, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, AL 2007, 8; Nordmeier, Verordnungsveranlasstes Zivilprozessrecht: Zum Einfluss der EuVTVO auf die Auslegung von § 338 S. 2 ZPO, GPR 2011, 158; Oberhammer, Der Europäische Vollstreckungstitel: Rechtspolitische Ziele und Methoden, JBl ´ bezspornych, Rejent 2007, 90; Peiffer, Grenzüber2006, 477; Okon´ska, Europejski tytuł egzekucyjny dla roszczen schreitende Titelgeltung in der Europäischen Union (2008) §§ 12, 13, zitiert: Peiffer; Pfeiffer, Europa als einheitlicher Vollstreckungsraum, BauR 2005, 1541; Pietsch, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen im Jahre 2005, FF 2005, 180; Ptak, Der Europäische Vollstreckungstitel und das rechtliche Gehör des Schuldners (2014); Rausch, Vereinfachte Unterhaltsvollstreckung in der EU mit dem neuen Europäischen Vollstreckungstitel, FuR 2005, 437; Rausch, Unterhaltsvollstreckung im Ausland, FPR 2007, 448; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (2004), zitiert: Rauscher, EuVollstrTitel; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, GPR 2003/04, 286; Rauscher, Ehegüterrechtlicher Vertrag und Verbraucherausnahme? – Zum Anwendungsbereich der EuVTVO, IPRax 2011, 484; Rechberger in Fasching (Hrsg.), Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2 – Band 5 (2008), EuVTVO; Rechberger, Die neue Generation – Bemerkungen zu den Verordnungen Nr. 805/2004, Nr. 1896/2006 und Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates, in: FS Dieter Leipold (2009) 301; Rechberger, Die Verordnung zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen und die europäische Rechtskultur, in: FS Konstantinos Kerameus (2009) 1141; Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, Der Europäische Vollstreckungstitel – Eine Annäherung, in: FS Peter Fischer (2004) 399; Rellermeyer, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rpfleger 2005, 389; Riedel, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (2005), zitiert: Riedel; Riedel, Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen – VO (EG) 805/2004, ProzRB 2005, 324; Rijavec/Jelinek/Brehm, Die Erleichterung der Zwangsvollstreckung in Europa (2012), zitiert: Rijavec/Jelinek/Brehm; Ringwald, Der Europäische Vollstreckungstitel nach der EuVTVO und Rechtsbehelfe des Schuldners (2011); Rosner, Cross-Border Recognition and Enforcement of Foreign Judgements in Civil and Commercial Matters (2004) S. 175–183, zitiert: Rosner, Money Judgements; Roth, Probleme um die Bestätigung als Europäischer Volstreckungstitel nach der EuVTVO, IPRax 2013, 239; Röthel/Sparmann, Der europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, WM 2006, 2285; Schmidt, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Geldforderungen – Hinweis für Beistände in den Jugendämtern, JAmt 2005, 445; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht4 (2015), EuVTVO; Sima, Der Europäische Vollstreckungstitel, ZIK 2005, 55; Stadler, Das Europäische Zivilprozessrecht – Wie viel Beschleunigung verträgt Europa?, IPRax 2004, 2; Stadler, Der Europäische Vollstreckungstitel – eine kritische Würdigung der Verordnung 805/2004, ERA-Forum 2005, 468; Stadler, Kritische Anmerkungen zum Europäischen Vollstreckungstitel, RIW 2004, 801; Stein, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen tritt in Kraft – Aufruf zu einer nüchternen Betrachtung, IPRax 2004, 181; Stein, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen tritt in Kraft – Einstieg in den Ausstieg aus dem Exequaturverfahren bei Auslandsvollstreckung, EuZW 2004, 679; Stürner in Kindl/MellerHannich (Hrsg.), NomosKommentar Zwangsvollstreckung4 (2021), EuVTVO; Stürner, Der Anwendungsbereich der EU-Verordnungen zur grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung, ZVglRWiss 119 (2020) 143; Stürner, Die EuVTVO als Baustein des Europäischen Zivilprozessrechts, FS Daphne-Ariane Simotta (2012) 587; Tarzia, Il Titolo esecutivo Europeo per i crediti non conestati, in: FS Peter Schlosser (2005) 985; Wagner, Der Europäische Vollstreckungstitel, NJW 2005, 1157; Wagner, Der Europäische Vollstreckungstitel – Neue Aufgaben für die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, RpflStud. 2005, 147; Wagner, Die neue EG-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2005, 189; Wagner, Vom Brüsseler Übereinkommen über die Brüssel I-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2002, 75; Windolf/Zemmrich, Der Europäische Vollstreckungstitel – Schon jetzt ein „Dauerbrenner“ im Europäischen Zivilprozessrecht?, JuS 2007, 803; Yessiou-Faltsi, Die Folgen des Europäischen Vollstreckungstitels für das Vollstreckungsrecht in Europa, in: Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) 213; Zenker in Geimer/Schütze (Hrsg.), Internationaler Rechtsverkehr (Stand: 54. Erg.-Lfg., Februar 2018), B Vor I 11, Art. 24-Art. 33; Zilinsky, De EETVerordening en het vrije verkeer van vomnissen, NTHR 2005, 166; Zilinsky, De Europese Executoriale Titel (2005);
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Pabst
Schrifttum
EG-VollstrTitelVO
Zilinsky, De Europese Executoriale Titel: grensoverschrijdende tenuitvoerlegging van vermogensrechtelijke beslissningen zonder hindernissen, WPNR 2005, 789. 3. Nationale Durchführungsbestimmungen: Coester-Waltjen, Und noch einmal: Der europäische Vollstreckungstitel, in: FS Pelayia Yessiou-Faltsi (2007) 39; König, Der Europäische Vollstreckungstitel: Haben wir gehörig vorgesorgt?, in: König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich (2007) 113; Reichel, Das EGVollstreckungstitel-Durchführungsgesetz und die Auswirkungen auf das arbeitsgerichtliche Verfahren, NZA 2005, 1096; Rijavec, Der Europäische Vollstreckungstitel – am Beispiel Sloweniens, ZZPInt 2007, 155; Sujecki, Niederländisches Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2006, 525; Taborowski, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen – ein kurzer Überblick aus polnischer Sicht, IPRax 2007, 250; Wagner, Das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zum Europäischen Vollstreckungstitel – unter besonderer Berücksichtigung der Vollstreckungsabwehrklage, IPRax 2005, 401. 4. Vollstreckung in den Mitgliedstaaten: Belgien: Laenens, Le titre exécutoire Européen en Belgique, FS DaphneAriane Simotta (2012) 689. Bulgarien: Natov/Musseva/Tsenova/Sabrinova/Yanakiev/Pandov, Application oft he EU Private International Lae instruments in Bulgaria, YB PIL 2011, 443, 445 (VI). Griechenland: Tsikrkas, Die Einlegung von Rechtsbehelfen im Vollstreckungsverfahren aufgrund eines europäischen Vollstreckungstitels, ZZPInt 2006, 51. Niederlande: Seggewiße, Die Vollstreckung deutscher Titel in den Niederlanden, NJW 2008, 2156. Spanien: Löber/Lozano/Steinmetz, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Titel in Spanien, NJOZ 2008, 4874. Ungarn: Schwenzfeier, Zwangsvollstreckung aus deutschen Titeln in Ungarn, DGVZ 2006, 97. Vereinigtes Königreich: Buchhold, Die Vollstreckung deutscher Titel in Großbritannien, NJW 2007, 2734. Materialien: Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen, britischen und schwedischen Delegation, 12.1.2001, 5259/01; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 27.2.2001, 6183/01; Rat der Europäischen Union, Aufzeichnung des Vorsitzes, 11.6.2001, 9577/01; Rat der Europäischen Union, Aufzeichnung des Vorsitzes, 29.6.2001, 10480/01; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, 18.4.2002, KOM (2002) 159; Rat der Europäischen Union, Schreiben der Ständigen Vertreterin, Frau Anne Anderson, 12.7.2002, 10756/02; Rat der Europäischen Union, Vermerk der finnischen und der schwedischen Delegation, 16.10.2002, 13182/02; Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 17.10.2002, 13218/02; Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 7.11.2002, 13903/02; Rat der Europäischen Union, Vermerk der niederländischen Delegation, 7.11.2002, 13904/02; Rat der Europäischen Union, Vermerk der französischen Delegation, 11.11.2002, 14091/02; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 20.12.2002, 15783/02; Wirtschafts- und Sozialausschuß, Stellungnahme zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates [wie vorstehend], 11.12.2002, ABl. EU 2003 C 85/1; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Auswirkungen des Inkrafttretens des Vertrages von Nizza auf die laufenden Legislativverfahren, 6.2.2003, KOM (2003) 61; Wuermeling, Europäisches Parlament, Ausschuß für Recht und Binnenmarkt, Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates [wie vorstehend], 26.3.2003, A5-0108/2003; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 23.5.2003, 9728/03; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 3.6.2003, 9728/03 ADD 1; Rat der Europäischen Union, Korrigendum zum Vermerk des Vorsitzes, 5.6.2003, 9728/03 COR 1(de); Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 13.6.2003, 10427/03; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Geänderter Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates [wie vorstehend], 11.6.2003, KOM (2003) 341; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 30.6.2003, 10660/03; Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 28.7.2003, 11813/03; Rat der Europäischen Union, Vermerk der österreichischen Delegation, 4.9.2003, 12222/03; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 16.10.2003, 13335/03; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 17.10.2003, 13334/03; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 6.11.2003, 14172/03; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 7.11.2003, 14172/03 ADD 1; Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 7.11.2003, 14461/03; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 18.11.2003, 14746/03; Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation, 24.11.2003, 15202/1/03 REV 1; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 25.11.2003, 15226/03; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 25.11.2003, 15226/03 ADD 1; Rat der Europäischen Union, Korrigendum zum Vermerk des Vorsitzes, 27.11.2003, 15336/03 ADD 1 COR 1; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 8.12.2003, 15737/03; Rat der Europäischen Union, Gemeinsamer Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlament und des Rates [wie vorstehend], 3.2.2004, 16041/03; Rat der Europäischen Union, Gemeinsamer Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlament und des Rates [wie vorstehend], 5.2.2004, 16041/03 COR 1; Rat der Europäischen Union, Entwurf der Begründung des Rates, 30.1.2004, 16041/03 ADD 1; Rat der Europäischen Union, Korrigendum zum Entwurf der Begründung des Rates, 3.2.2004, 16041/03 ADD 1 COR 1; Rat der Europäischen Union, Entwurf der Begründung des Rates, 6.2.2004, 16041/03 ADD 1 REV 1; Rat der Europäischen Union, Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 6.2.2004 im Hinblick auf den Erlaß der Verordnung des Europäischen Parlament und des Rates [wie vorstehend], 6.2.2004, 16041/1/03 REV 1; Rat der Europäischen Union, Begründung des Rates, 6.2.2004, 16041/1/03 REV 1 ADD 1; Rat der Europäi-
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Erwägungsgründe
schen Union, Vermerk der finnischen Delegation, 6.2.2004, 5971/04; Rat der Europäischen Union, Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 19/2004, ABl. EU 2004 C 79E/59; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament … betreffend den gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates [wie vorstehend], 9.2.2004, KOM (2004) 90; Wuermeling, Europäisches Parlament, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Empfehlung für die zweite Lesung betreffend den Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates [wie vorstehend], 18.3.2004, A5-0187/2004.
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION – gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Art. 61 Buchstabe c) und Art. 67 Abs. 5 zweiter Gedankenstrich, auf Vorschlag der Kommission,1 nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,2 gemäß dem Verfahren des Art. 251 des Vertrags,3 in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Gemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dazu erlässt die Gemeinschaft u.a. im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen. (2) Am 3.12.1998 nahm der Rat den Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts4 an (Wiener Aktionsplan). (3) Auf seiner Tagung vom 15. und 16.10.1999 in Tampere bekräftigte der Europäische Rat den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen als Eckpfeiler für die Schaffung eines echten europäischen Rechtsraums. (4) Am 30.11.2000 verabschiedete der Rat ein Programm über Maßnahmen zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.5 Dieses Programm sieht in seiner ersten Phase die Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens, d.h. die Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen vor. (5) Der Begriff „unbestrittene Forderung“ sollte alle Situationen erfassen, in denen der Schuldner Art oder Höhe einer Geldforderung nachweislich nicht bestritten hat und der Gläubiger gegen den Schuldner entweder eine gerichtliche Entscheidung oder einen vollstreckbaren Titel, der die ausdrückliche Zustimmung des Schuldners erfordert, wie einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde, erwirkt hat. (6) Ein fehlender Widerspruch seitens des Schuldners i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchstabe b) liegt auch dann vor, wenn dieser nicht zur Gerichtsverhandlung erscheint oder einer Aufforderung des Gerichts, schriftlich mitzuteilen, ob er sich zu verteidigen beabsichtigt, nicht nachkommt. (7) Diese Verordnung sollte auch für Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden über unbestrittene Forderungen und solche Entscheidungen gelten, die nach Anfechtung von als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden ergangen sind. (8) Der Europäische Rat hat in seinen Schlussfolgerungen von Tampere die Auffassung vertreten, dass der Zugang zur Vollstreckung einer Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem die Entscheidung ergangen ist, durch den Verzicht auf die dort als Voraussetzung einer 1 Amtliche Fußnote: ABl. C 203 E vom 27.8.2002, S. 86. 2 Amtliche Fußnote: ABl. C 85 vom 8.4.2003, S. 1. 3 Amtliche Fußnote: Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 8.4.2003 (ABl. C 64 E vom 12.3.2004, S. 79). Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 6.2.2004 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 30.3.2004 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). 4 Amtliche Fußnote: ABl. C 19 vom 23.1.1999, S. 1. 5 Amtliche Fußnote: ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 1.
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Erwägungsgründe
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Vollstreckung erforderlichen Zwischenmaßnahmen beschleunigt und vereinfacht werden sollte. Eine Entscheidung, die vom Gericht des Ursprungsmitgliedstaats als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, sollte im Hinblick auf die Vollstreckung so behandelt werden, als wäre sie im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen. So erfolgt beispielsweise im Vereinigten Königreich die Registrierung einer bestätigten ausländischen Entscheidung nach den gleichen Vorschriften wie die Registrierung einer Entscheidung aus einem anderen Teil des Vereinigten Königreichs und darf nicht mit einer inhaltlichen Überprüfung der ausländischen Entscheidung verbunden sein. Die Umstände der Vollstreckung dieser Entscheidung sollten sich weiterhing* nach innerstaatlichem Recht richten. (9) Dieses Verfahren sollte gegenüber dem Vollstreckbarerklärungsverfahren der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen6 einen erheblichen Vorteil bieten, der darin besteht, dass auf die Zustimmung des Gerichts eines zweiten Mitgliedstaats mit den daraus entstehenden Verzögerungen und Kosten verzichtet werden kann. (10) Auf die Nachprüfung einer gerichtlichen Entscheidung, die in einem anderen Mitgliedstaat über eine unbestrittene Forderung in einem Verfahren ergangen ist, auf das sich der Schuldner nicht eingelassen hat, kann nur dann verzichtet werden, wenn eine hinreichende Gewähr besteht, dass die Verteidigungsrechte beachtet worden sind. (11) Diese Verordnung soll der Förderung der Grundrechte dienen und berücksichtigt die Grundsätze, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Sie zielt insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren, wie es in Art. 47 der Charta verankert ist, zu gewährleisten. (12) Für das gerichtliche Verfahren sollten Mindestvorschriften festgelegt werden, um sicherzustellen, dass der Schuldner so rechtzeitig und in einer Weise über das gegen ihn eingeleitete Verfahren, die Notwendigkeit seiner aktiven Teilnahme am Verfahren, wenn er die Forderung bestreiten will, und über die Folgen seiner Nichtteilnahme unterrichtet wird, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung treffen kann. (13) Wegen der Unterschiede im Zivilprozessrecht der Mitgliedstaaten, insbesondere bei den Zustellungsvorschriften, müssen die Mindestvorschriften präzise und detailliert definiert sein. So kann insbesondere eine Zustellungsform, die auf einer juristischen Fiktion beruht, im Hinblick auf die Einhaltung der Mindestvorschriften nicht als ausreichend für die Bestätigung einer Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel angesehen werden. (14) Alle in den Art. 13 und 14 aufgeführten Zustellungsformen sind entweder durch eine absolute Gewissheit (Art. 13) oder ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit (Art. 14)** dafür gekennzeichnet, dass das zugestellte Schriftstück dem Empfänger zugegangen ist. In der zweiten Kategorie sollte eine Entscheidung nur dann als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, wenn der Ursprungsmitgliedstaat über einen geeigneten Mechanismus verfügt, der es dem Schuldner unter bestimmten Voraussetzungen ermöglicht, eine vollständige Überprüfung der Entscheidung gem. Art. 19 zu verlangen, und zwar dann, wenn das Schriftstück dem Empfänger trotz Einhaltung des Art. 14 ausnahmsweise nicht zugegangen ist. (15) Die persönliche Zustellung an bestimmte andere Personen als den Schuldner selbst gem. Art. 14 Abs. 1 Buchstaben a) und b) sollte die Anforderungen der genannten Vorschriften nur dann erfüllen, wenn diese Personen das betreffende Schriftstück auch tatsächlich erhalten haben. (16) Art. 15 sollte auf Situationen Anwendung finden, in denen der Schuldner sich nicht selbst vor Gericht vertreten kann, etwa weil er eine juristische Person ist, und in denen er durch eine gesetzlich bestimmte Person vertreten wird, sowie auf Situationen, in denen der Schuldner eine * So die Amtsblattfassung, dabei handelt es sich offensichtlich um einen Rechtschreibfehler, richtig: weiterhin. ** Die schwedische Fassung war hier zu berichtigen. Man hatte es im ersten Satz des ErwGr. 14 EG-VollstrTitelVO versäumt, die Artikelnummern an die Neunumerierung, welche nach dem kontroversen Verordnungsgebungsverfahren erfolgte, anzupassen und verwies noch auf die Art. 11 und 12 EG-VollstrTitelVO anstelle von Art. 13 und 14 EG-VollstrTitelVO, ABl. EU 2005 L 97/64 (schwedische Ausfertigung). 6 Amtliche Fußnote: ABl. Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1496/2002 der Kommission (ABl. Nr. L 225 vom 22.8.2002, S. 13).
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Erwägungsgründe
andere Person, insbesondere einen Rechtsanwalt, ermächtigt hat, ihn in dem betreffenden gerichtlichen Verfahren zu vertreten. (17) Die für die Nachprüfung der Einhaltung der prozessualen Mindestvorschriften zuständigen Gerichte sollten gegebenenfalls eine einheitliche Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausstellen, aus der die Nachprüfung und deren Ergebnis hervorgeht. (18) Gegenseitiges Vertrauen in die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten rechtfertigt es, dass das Gericht nur eines Mitgliedstaats beurteilt, ob alle Voraussetzungen für die Bestätigung der Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel vorliegen, so dass die Vollstreckung der Entscheidung in allen anderen Mitgliedstaaten möglich ist, ohne dass im Vollstreckungsmitgliedstaat zusätzlich von einem Gericht nachgeprüft werden muss, ob die prozessualen Mindestvorschriften eingehalten worden sind. (19) Diese Verordnung begründet keine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten, ihr innerstaatliches Recht an die prozessualen Mindestvorschriften in dieser Verordnung anzupassen. Entscheidungen werden in anderen Mitgliedstaaten jedoch nur dann effizienter und schneller vollstreckt, wenn diese Mindestvorschriften beachtet werden, so dass hier ein entsprechender Anreiz für die Mitgliedstaaten besteht, ihr Recht dieser Verordnung anzupassen. (20) Dem Gläubiger sollte es frei stehen, eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen zu beantragen oder sich für das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 oder für andere Gemeinschaftsrechtsakte zu entscheiden. (21) Ist ein Schriftstück zum Zwecke der Zustellung von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat zu versenden, so sollte diese Verordnung, insbesondere die darin enthaltenen Zustellungsvorschriften, zusammen mit der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten,7 und insbesondere mit deren Art. 14 in Verbindung mit den Erklärungen der Mitgliedstaaten nach deren Art. 23, gelten. (22) Da die Ziele der beabsichtigten Maßnahmen auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Art. 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. (23) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28.6.1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse8 erlassen werden. (24) Gemäß Art. 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands haben diese Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. (25) Dänemark beteiligt sich gemäß den Art. 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks nicht an der Annahme dieser Verordnung, die für Dänemark somit nicht bindend oder anwendbar ist. (26) Gemäß Art. 67 Abs. 5 zweiter Gedankenstrich des Vertrags ist für die in dieser Verordnung geregelten Maßnahmen ab dem 1.2.2003 das Mitentscheidungsverfahren anzuwenden – HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
7 Amtliche Fußnote: ABl. Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 37. 8 Amtliche Fußnote: ABl. Nr. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.
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Einleitung
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Einleitung I. Entwicklung bis zum VO-Vorschlag . II. Europäisierung von Titeln . . . . . . . 1. Ziele der Europäisierung . . . . . . . . . a) Erwirken einer Entscheidung . . . . b) Vollstreckung nach Erlass einer Entscheidung . . . . . . . . . . . . . 2. Nationales Verfahren . . . . . . . . . . . 3. Abschaffung des Exequatur . . . . . . . 4. Systemwechsel im Anerkennungsrecht . 5. Vertrauensdogma . . . . . . . . . . . . . 6. Schuldner- und Gläubigerinteressen . . a) Aussichten des Schuldners . . . . . . b) Vorteile des Gläubigers . . . . . . . .
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III. Rechtsetzungskompetenz . . . . . . . . . . . 21 1. Mitentscheidungsverfahren . . . . . . . . . . 21 2. Vereinigtes Königreich, Irland und Dänemark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 IV. Rechtsetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . 26 V. Praktische Bedeutung der VO . . . . . . . . 29 VI. Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . 33 VII. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
1. Europäisierung der Überprüfung? . . . . . . 2. EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prüfungsmöglichkeiten des EuGH . . . . b) Klagebefugnis zum EuGH . . . . . . . . . c) Der EuGH als europäisches Verfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IX. Nationale Ausführungsbestimmungen . . . 47 1. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 X. Überblick über die Systematik der Verordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . 2. Bestätigungsvoraussetzungen . . . . . . . 3. Verhältnis zum Exequaturverfahren . . . 4. Mindeststandards für rechtliches Gehör . 5. Durchführung der Vollstreckung . . . . . 6. Vergleiche und Urkunden . . . . . . . . . 7. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . 8. Andere Rechtsinstrumente, Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . 58
VIII. Gerichtliche Nachprüfung . . . . . . . . . . 40
I. Entwicklung bis zum VO-Vorschlag Bereits in den Anfangsjahren der Europäischen Gemeinschaft waren die Mitgliedstaaten der Überzeugung, dass für einen gemeinsamen Wirtschaftsmarkt auch eine Zusammenarbeit im Bereich der Zivilrechtspflege unabdingbar sei. Urteile in Zivil- und Handelssachen müssen unabhängig von nationalen rechtlichen Schranken in der Gemeinschaft zirkulieren können. Nur so kann eine gleiche Behandlung aller Marktteilnehmer gewährleistet werden. Allerdings bestand für derartige Aufgaben keine Rechtsetzungskompetenz der Gemeinschaft, vielmehr waren die Mitgliedstaaten aus Art. 293 (ex Art. 220) EGV dazu angehalten, in eigenständigen völkerrechtlichen Verträgen eine vereinfachte Anerkennung und Vollstreckung richterlicher Entscheidungen zu erzielen. Ergebnis der daraufhin aufgenommenen Arbeiten war das 1968 gezeichnete EuGVÜ, welches gegenüber den nationalen Rechtsordnungen die Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln erheblich vereinfachte.1 Politisch rechtfertigt man diese Vereinfachung mit einem erheblichen Maß an gegenseitigem Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten, welches kontinuierlich weiter wachse und gestärkt werde.2
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In den Jahren nach dem Vertrag von Maastricht,3 den Jahren, in denen die politische Integration mit großen Schritten immer weiter vorangetrieben wurde, diskutierten sowohl die Wissenschaft4 als auch die Organe der europäischen Gemeinschaft5 die Idee eines Europäischen Vollstreckungstitels und die damit verbundene Abschaffung des Exequaturverfahrens, ohne dass es zu konkreten Ergebnissen kam.
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1 Siehe dazu Kropholler/von Hein, Einl. Brüssel I-VO Rz. 13 ff. 2 Rat der EU, Vermerk der deutschen, britischen und schwedischen Delegation, 12.1.2001, 5259/01, Nr. 1.2. 3 Vertrag von Maastricht vom 7.2.1992, BGBl. 1992 II 1253, ABl. EG 1992 C 191/1, in Kraft seit 1.11.1993, BGBl. 1993 II 1947, ABl. EG 1993 L 293/61. 4 Wagner, IPRax 2002, 75; Tarzia, ZEuP 1996, 231, 233. 5 Europäische Kommission, 26.11.1997, COM (1997) 609, 8 Nr. 9; Rat der EU, 14.10.1996, ABl. EG 1996 C 319/1 Nr. 3.1.c; Rat der EU, 18.12.1997, ABl. EG 1998 C 11/1 Nr. 5.1.b.
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Einleitung
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Mit dem Vertrag von Amsterdam6 wurde in Art. 61 EGV das politische Ziel des Aufbaus eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufgenommen und zu diesem Zweck die Kompetenz zum Erlass von Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen eingeführt (Art. 61 lit. c EGV). Diese umfasst insbesondere Maßnahmen zur Verbesserung und Vereinfachung der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Art. 65 lit. a Str. 3 EGV). Auf dieser Grundlage wurde zunächst zum 1.3.2002 das als eigenständiger völkerrechtlicher Vertrag geltende EuGVÜ weitgehend durch die Brüssel I-VO ersetzt. Zwar wurde dort die Prüfung der Anerkennungsversagungsgründe auf das Rechtsbehelfsverfahren verlagert, das grundsätzliche Prinzip der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsmitgliedstaat wurde aber ebenso wenig angetastet wie die wichtigsten Anerkennungsversagungsgründe.
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Noch vor Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam nahm der Rat der Europäischen Union am 3.12.1998 den Wiener Aktionsplan7 an, der bereits deutlich machte, dass der Rat und die Kommission gewillt waren, die neue Rechtsetzungskompetenz umfassend zu gebrauchen. Die Abschaffung des Exequaturverfahrens wurde dort noch nicht ausdrücklich angesprochen. Auf dem Sondergipfel des Europäischen Rates in Tampere am 15./16.10.19998 wurde der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung als Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen herausgestellt und die Kommission ausdrücklich aufgefordert, einen Vorschlag vorzulegen, mit dem in einem ersten Schritt das Zwischenverfahren für Titel aufgrund geringfügiger verbraucher- oder handelsrechtlicher Ansprüche abgeschafft wird. Derartige Entscheidungen würden automatisch unionsweit anerkannt, ohne dass es irgendwelche Zwischenverfahren oder Gründe für die Verweigerung der Vollstreckung geben würde.9 Es wurde in Tampere zudem zur Annahme eines Maßnahmenprogramms aufgefordert.10 Der Entwurf eines solchen Programms wurde vom Rat vorgelegt.11 Dieser wurde im Folgenden jedoch stets als endgültiges Programm behandelt. Aufgrund des ausdrücklichen Auftrages beschäftigt das Programm sich intensiv mit dem Europäischen Vollstreckungstitel. Die Abschaffung des Exequaturverfahrens für unbestrittene Forderungen wurde als vordringliches Ziel der Gemeinschaft formuliert12 und als Pilotprojekt für andere Rechtsgebiete vorgestellt.13 Es wird betont, dass die rasche Beitreibung ausstehender Forderungen eine absolute Notwendigkeit für den Handel und den an einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts interessierten Wirtschaftskreisen seit jeher ein Anliegen sei.14 Es soll gezeigt werden, dass das gegenseitige Vertrauen noch weiter zugenommen habe.15
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Unter der schwedischen Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2001 wurden die Arbeiten in Richtung eines einheitlichen Europäischen Vollstreckungstitels forciert16 und im April 2002 von der Kommission der erste Vorschlag für diese Verordnung vorgelegt.17 Die Verordnung versteht sich als Ergebnis der vorgenannten Programme des Rates (ErwGr. 1–4 EG-VollstrTitelVO).
6 Vertrag von Amsterdam vom 2.10.1997, BGBl. 1998 II 387 berichtigt BGBl. 1999 II 416, ABl. EG 1997 C 340/1, in Kraft seit 1.5.1999, BGBl. 1999 II 296. 7 Rat der EU, Wiener Aktionsplan, 3.12.1998, ABl. EG 1999 C 19/1. 8 Bei dem die Fachminister nicht anwesend waren, Jayme/Kohler, IPRax 2000, 454, 465. 9 Europäischer Rat (Tampere), Schlussfolgerungen des Vorsitzes, 15./16.10.1999, NJW 2000, 1925 Nr. 33 f. 10 Europäischer Rat (Tampere), Schlussfolgerungen des Vorsitzes, 15./16.10.1999, NJW 2000, 1925 Nr. 37. 11 Rat der EU, Maßnahmenprogramm, ABl. EG 2001 C 12/1; der Entwurfscharakter ergibt sich erst aus der Berichtigung, ABl. EG 2001 C 115/4. 12 Rat der EU, Maßnahmenprogramm, ABl. EG 2001 C 12/1, 4 Nr. 3. 13 Rat der EU, Maßnahmenprogramm, ABl. EG 2001 C 12/1, 9: als 3. Maßnahmenstufe wurde für alle Rechtsgebiete die Abschaffung des Exequaturverfahrens gefordert; auch Wagner, IPRax 2002, 75; Heß, JZ 2001, 573, 578. 14 Rat der EU, Maßnahmenprogramm, ABl. EG 2001 C 12/1, 4 Nr. 3. 15 Rat der EU, Vermerk der deutschen, britischen und schwedischen Delegation, 12.1.2001, 5259/01, Nr. 1.2. 16 Rat der EU, Vermerk der deutschen, britischen und schwedischen Delegation, 12.1.2001, 5259/01; Rat der EU, Aufzeichnung des Vorsitzes, 11.6.2001, 9577/01; Rat der EU, Aufzeichnung des Vorsitzes, 29.6.2001, 10480/01; dazu Boschiero, Riv. dir. int. 2003, 394, 409 f. 17 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159; dazu sehr kritisch Jayme/Kohler, IPRax 2002, 461, 465.
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Einleitung
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II. Europäisierung von Titeln 1. Ziele der Europäisierung Die EU verfolgt unter dem Begriff „Europäischer Vollstreckungstitel“ grundsätzlich zwei Ziele.18 Bei der Umsetzung erfasste sie dabei nicht sofort das gesamte Zivilprozessrecht, sondern griff bestimmte Teilgebiete als Pilotprojekte heraus. Sie war und ist dabei an das politisch Mögliche gebunden.
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a) Erwirken einer Entscheidung Zum einen sollen einheitliche Verfahren geschaffen werden, aus denen in allen Mitgliedstaaten un- 7 mittelbar vollstreckbare Entscheidungen hervorgehen.19 Hier ist der effiziente Zugang zum Recht betroffen; mittels des Verfahrens soll zunächst einmal überhaupt eine Entscheidung erwirkt werden, unabhängig davon, ob diese im Ausland vollstreckt werden muss oder nicht.20 Dieses weitgefasste Ziel konnte mit dieser VO – entgegen dem, was der Titel vermuten ließe – noch nicht in Angriff genommen werden.21 Dem Beginn seiner Verwirklichung widmen sich die dieser VO historisch nachfolgenden, zwischenzeitlich in Kraft getretenen EG-MahnVO und EG-BagatellVO.
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b) Vollstreckung nach Erlass einer Entscheidung Zum anderen soll, nachdem eine Entscheidung ergangen ist, ungeachtet der Art des Verfahrens, aus dem der Titel stammt, dieser Titel unionsweit frei zirkulieren können und den Zugang zur Vollstreckung in allen Mitgliedstaaten ohne Prüfung von weiteren Voraussetzungen ermöglichen.22 Lediglich diesem zweiten Ziel widmet sich diese VO. Der in einem Mitgliedstaat ergangene Titel wird in allen anderen Mitgliedstaaten wie ein inländischer Titel behandelt.23
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2. Nationales Verfahren Das Zustandekommen des Vollstreckungstitels ist auch nach dieser VO nicht europäisch.24 Es handelt sich um ein nationales Verfahren, aus dem ein nationaler Titel hervorgeht. Die VO verlangt lediglich in einer ex-post-Betrachtung, dass dieses nationale Verfahren bestimmten, in der VO definierten Mindestanforderungen genügt. Ob dem so ist und ob die Mitgliedstaaten ihr Zivilprozessrecht unter Umständen anpassen, damit eine Erfüllung der Mindeststandards möglich ist, steht diesen frei.25
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Grundsätzlich muss einem Titel eines Staates, der in einem anderen Staat vollstreckt werden soll, die 11 Vollstreckbarkeit im Rahmen eines gesonderten Exequaturverfahrens im Vollstreckungsstaat verliehen werden. Von diesem originären Prinzip des Vollstreckungsrechts weicht die VO erstmals in allgemeinen Zivil- und Handelssachen ab. Dazu wird im Ursprungsmitgliedsstaat, also in dem Staat, in dem das Verfahren durchgeführt wurde, nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens ein neues Verfahren eingeführt: das Bestätigungsverfahren. In diesem wird dem Titel die Qualität als „Europäischer Vollstreckungstitel“ verliehen, durch die der Titel eine EU-weite Geltung erlangt. Der nationale Titel bekommt bei Erfüllung der Mindeststandards den Status eines europäischen Titels, der unmittelbar in allen anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar ist. Der potentielle Vollstreckungsmitgliedstaat ist da-
18 Dazu Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 3; WSA, 11.12.2002, ABl. EU 2003 C 85/1, 2 Nr. 1.3.1. 19 Zu einem EuVollstrTitel auf dieser Basis s. Correa Delcasso, RIDC 2001, 61. 20 Eichele, BRAK 2003, 53, 54. 21 Coester-Waltjen, FS Ansay (2006) 47. 22 Eichele, BRAK 2003, 53, 54; zeitig setzte sich schon Storme, FS Nakamura (1996) 581 für einen einheitlichen Europäischen Vollstreckungstitel ein. 23 Brenn, EuZP Rz. 150. 24 Heringer, S. 50; Peiffer, Rz. 1151; über dieses mögliche Missverständnis war sich die Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 3, durchaus im Klaren. 25 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 5.
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ran nicht beteiligt. Grundsätzlich bestehende Souveränitätsüberlegungen stellen innerhalb der EU kein Hindernis dar.26 3. Abschaffung des Exequatur 12
Das Exequatur als Vorbedingung für die Vollstreckung eines Titels aus einem anderen Mitgliedstaat im Vollstreckungsstaat wird im Anwendungsbereich der VO abgeschafft. Der Titel betrifft Forderungen, die vom Schuldner nachweislich nicht bestritten wurden. Gläubiger können ohne ein vorheriges Anerkennungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren direkt die Vollstreckung in allen Mitgliedstaaten einleiten, nahezu jegliche Kontrolle im Zweitstaat, insbesondere die Überprüfung anhand des ordre public entfällt.27 Dies soll eine erhebliche Kosten- und Zeitersparnis bei der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung im Binnenmarkt zur Folge haben.28 Das Herkunftslandprinzip soll so auch im internationalen Zivilprozessrecht verwirklicht werden.29 Entsprechend ist – zusammen mit der EG-MahnVO, der EG-BagatellVO und der EG-UntVO – auch von einer „zweiten Generation“ der EuZPR-Verordnungen die Rede.30 4. Systemwechsel im Anerkennungsrecht
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Zwar ist auch im klassischen System des Exequatur, also auch unter der Brüssel I-VO, kein gesondertes Anerkennungsverfahren notwendig. Über die Anerkennung entscheidet dort aber der Vollstreckungsmitgliedstaat implizit im Rahmen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens (vgl. Art. 33 ff. Brüssel I-VO, dem gleichen System folgend auch Art. 21 ff. Brüssel IIa-VO). Im Vergleich zum nationalen Recht sind die Voraussetzungen der Anerkennung und damit der Vollstreckung reduziert. Gleichwohl ist noch ein Zwischenverfahren zur Vollstreckbarkeitserklärung im Vollstreckungsmitgliedstaat vonnöten, welches mit einem gewissen Zeitaufwand und Kosten verbunden ist. Die Grundsätze des klassischen Anerkennungs- und Vollstreckungssystems, die Verteilung der Aufgaben zwischen Erst- und Zweitstaat, wurden insoweit nicht angetastet.
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Die EG-VollstrTitelVO lässt nun diese im Vergleich zu inländischen Titeln bisher erforderlichen Verfahrensschritte entfallen.31 Sie verzichtet auf jegliche Art von Zwischenverfahren im Vollstreckungsmitgliedstaat. Hierin liegt ein völliger Systemwechsel im Anerkennungsrecht:32 Nunmehr hat der Vollstreckungsmitgliedstaat keine Kontroll- und Einflussnahmemöglichkeit mehr. Er ist verpflichtet die Vollstreckung des „Europäischen Vollstreckungstitels“ zu betreiben. Er wird damit zum hoheitlichen Durchsetzungsgehilfen ohne generelle Kontrollbefugnis.33 Der Titel betritt den Staat bereits mit den gleichen Möglichkeiten der Vollstreckbarkeit, die ein in diesem Staat erlassener Titel hat. Die Prüfung der Anerkennungsversagungsgründe wird in den Ursprungsmitgliedstaat verlagert. Als die Regel bestätigende systemimmanente Ausnahme verbleibt allein die Prüfung der Unvereinbarkeit der zu vollstreckenden Entscheidung mit einer Entscheidung des Vollstreckungsstaates bzw. einer dort anzuerkennenden Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat (s. Art. 21 EG-VollstrTitelVO).34
26 Coester-Waltjen, FS Ansay (2006) 47. 27 BGH v. 24.4.2014 – VII ZB 28/13, Rz. 14, EuZW 2014, 557; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 1 Rz. 2. 28 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 1; Heß, NJW 2002, 2417, 2425; Hüßtege in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 113, 115. 29 Fasching/Rechberger, Vor Art. 1 Rz. 1; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 454; Jayme/Kohler, IPRax 2002, 461, 465. 30 Frattini, ZEuP 2006, 225, 230; McGuire, ecolex 2008, 100, 104. 31 Rat der EU, Vermerk der deutschen, britischen und schwedischen Delegation, 12.1.2001, 5259/01, Nr. 1.2; Boschiero, Riv. dir. int. 2003, 394, 411 f. 32 Saffenreuther/Kruis, FAZ 4.8.2004 S. 19 sprachen gar von einer „kopernikanischen Wende“. 33 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 13; inhaltlich ebenso Stadler, IPRax 2004, 2, 6; Schack, FS Leipold (2009) 317, 333. 34 Rechberger, FS Leipold (2009), 301, 303.
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5. Vertrauensdogma Begründet wird dieser Systemwechsel mit einem Dogma, verkündet in ErwGr. 18 EG-VollstrTitelVO: Gegenseitiges Vertrauen in die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten rechtfertige es, dass nur Gerichte des Ursprungsmitgliedstaates beurteilen, ob alle Voraussetzungen für die Bestätigung der Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel vorliegen. Eine zusätzliche gerichtliche Nachprüfung der prozessualen Mindestvoraussetzungen im Vollstreckungsmitgliedstaat sei aufgrund dieses Vertrauens nicht mehr notwendig.35 Hier greift die Europäische Union erneut weit in die Zukunft. Ziel war unter Geltung des EGV der Aufbau eines einheitlichen Rechtsraums in den Mitgliedstaaten (Art. 61 EGV). Genau dieser wurde aber fiktiv bereits bei Verabschiedung der VO im Jahre 2004 angenommen, um sich gegenseitig zu bescheinigen, dass die Voraussetzungen für einen weiteren Schritt auf das Ziel hin gegeben sind. Es entsteht der Eindruck, dass eine petitio principii vorliegt.36
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Bereits das EuGVÜ hatte ein gewisses Maß an gegenseitigem Vertrauen in die Zivilrechtspflege vo- 16 rausgesetzt. Jedoch konnte hier mit jedem einzelnen (Beitritts-)Übereinkommen das Bestehen einer gleichwertigen Zivilrechtspflege in einer überschaubaren Anzahl von (Beitritts-)Ländern überprüft werden. Grundlage für den nun viel weitergehenden Schritt ist die Annahme, dass das gegenseitige Vertrauen in die Zivilrechtspflege der anderen Mitgliedstaaten ein Niveau erreicht habe, welches es erlaube, auf den Schutz des eigenen ordre public zu verzichten und den Schutz des Vollstreckungsschuldners in die Hände des Staates zu legen, aus dem der zu vollstreckende Titel stammt. Die Gleichwertigkeit der Rechtspflege in den Mitgliedstaaten ist jedoch nicht Realität,37 sondern lediglich Ziel. Die VO steht damit nicht auf einem sicheren Befund, sondern auf einer Simulation gleichwertiger Bedingungen.38 Dem sind sich offensichtlich auch die Organe der EU bewusst, wenn sie durch flankierende Maßnahmen versuchen wollen, gemeinsame Standards im Zivilprozess zu erreichen.39 Fraglich bleibt, ob der problematische Systemwechsel mit einem ausreichenden Effizienzgewinn gerechtfertigt werden kann. Bereits beim Übergang vom EuGVÜ zur Brüssel I-VO wurde das Vollstreckbarerklärungsverfahren erheblich gestrafft.40 Der jetzt noch zu erzielende Gewinn an Beschleunigung ist fraglich und müsste immerhin die Risiken des Systemwechsels rechtfertigen (dazu unten Rz. 29).
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6. Schuldner- und Gläubigerinteressen a) Aussichten des Schuldners Der europäische Gesetzgeber geht dabei davon aus, dass der Schuldner sich bewusst für das Nicht- 18 bestreiten, mithin für sein passives Verhalten im Prozess entschieden hat. Motivation dafür sind entweder die Anerkennung der Forderung als begründet oder aber das bewusste Ignorieren der Forderung. Umfassende, klare Angaben über das zum Titel führende Verfahren in der VO als Voraussetzung für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel sollen sicherstellen, dass die dem Schuldner unterstellte Motivation auch tatsächlich vorlag.41 Allein aus der korrekten, fristgerechten Zustellung der Schriftstücke, mit denen der Schuldner über die Forderung, seine Verfahrensrechte und -pflichten und die Folgen eines Fernbleibens in Kenntnis gesetzt wurde, sowie in Ermangelung einer eindeutigen Reaktion des Schuldners ergebe sich der Beweis, dass er in der Lage war, sich in voller Kenntnis der Sachlage für ein Fernbleiben vom Prozess zu entscheiden. 35 Fasching/Rechberger, Vor Art. 1 Rz. 1; vgl. zum Vertrauen im EuZPR: Freitag, JbJZivRWiss 2004, 399. 36 Kritisch hierzu auch Stadler, ERA-Forum 2005, 468, 470. 37 Vgl. Schack, FS Leipold (2009) 317, 333; Roth, IPRax 2006, 466; Kohler in Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2004) S. 63, 75: „Sprung ins Dunkle“; ebenso stellt Mankowski, RIW 2004, 587, 588 die Frage, ob der Rechtsschutz in allen Mitgliedstaaten tatsächlich gleichwertig sei. 38 Kohler in Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht (2002) S. 147, 156. 39 Rat der EU, Wiener Aktionsplan, 3.12.1998, ABl. EG 1999 C 19/1, 10 Nr. 41 d); Rat der EU, Maßnahmenprogramm, ABl. EG 2001 C 12/1, 5, 9; Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 4. 40 Kohler in Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2004) S. 63, 78 hält die Prämisse, die Zwischenverfahren behinderten die Urteilsfreizügigkeit nach den Änderungen in der Brüssel I-VO, nicht mehr für überzeugend. 41 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 5; WSA, 11.12.2002, ABl. EU 2003 C 85/1, 2 Nr. 1.4.
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Mit dem Wegfall des Vollstreckbarerklärungsverfahrens entfällt für den Schuldner auch die Möglichkeit, sich noch im Vollstreckungsstaat auf Versagungsgründe zu berufen. Alle Einwände sind bereits im Ursprungsmitgliedstaat geltend zu machen. Das Bestätigungsverfahren selbst läuft sogar ohne Beteiligung des Schuldners ab. Auch einen echten Rechtsbehelf gegen die Bestätigung einer Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel sieht die VO nicht vor. Der Schuldner muss darauf vertrauen, dass im Bestätigungsverfahren alle Voraussetzungen richtig geprüft werden. Angreifen kann er lediglich die Entscheidung im Ausgangsstaat. Erreicht er dabei eine Beschränkung der Vollstreckbarkeit, so ist vorgesehen, dass er eine Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung erhalten kann (Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO), welche er im Vollstreckungsmitgliedstaat der Vollstreckung entgegenhalten kann. Die Obliegenheiten des Schuldners im (unter Umständen in der stets größer werdenden EU weit entfernten und sprachlich für ihn fremden) Ausland werden durch die VO deutlich erhöht. Der Beklagtenschutz wird so jedenfalls erheblich eingeschränkt und geschwächt.42 b) Vorteile des Gläubigers
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Dem Gläubiger ermöglicht die VO hingegen eine zügige und effiziente Vollstreckung im Ausland.43 Er bekommt für bestimmte Entscheidungen ein zweites, neben die Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO gestelltes System der Anerkennung und Vollstreckung. Aufgrund des neuen Systems der VO benötigt er keine Entscheidungen eines Gerichts im Vollstreckungsmitgliedstaat mehr. Er kann am Gericht des Erkenntnisverfahrens einen in der gesamten EU direkt vollstreckbaren Titel erhalten. Vorteilhaft ist dies insbesondere, wenn eine Vollstreckung des Titels in mehreren EU-Staaten erfolgen soll. Dann ist einmalig eine Bestätigung des Titels einzuholen, während das nach der Brüssel I-VO in jedem einzelnen Vollstreckungsstaat erforderliche Vollstreckbarerklärungsverfahren entfällt bzw. Vollstreckungsversagungsgründe nach der Brüssel Ia-VO nicht geltend gemacht werden können. Die Position des Gläubigers wird damit erheblich gestärkt.44 Berechtigt ist dies zweifelsfrei nur bei Schuldnern, die mittels der verschiedenen Verfahrensschritte allein Zeit gewinnen wollten, ohne inhaltlich der Forderung etwas entgegnen zu können; diesen ist nun besser als mit dem alten System beizukommen.45
III. Rechtsetzungskompetenz 1. Mitentscheidungsverfahren 21
Die VO wurde auf der Grundlage der Art. 61 lit. c, 65 lit. a Spiegelstrich 3 EGV erlassen.46 Sie ist überdies die erste VO zum EuZPR, welche im Mitentscheidungsverfahren vom Rat gemeinsam mit dem Europäischen Parlament beschlossen wurde.
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Vor dem 1.2.2003 besaß das Europäische Parlament lediglich ein Anhörungsrecht, es galt das Konsultationsverfahren. Nach diesem wurde das Rechtsetzungsverfahren für diese VO eingeleitet. Mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Nizza47 wurde Art. 67 EGV dahingehend geändert, dass nach Art. 67 Abs. 5 EGV nunmehr Maßnahmen nach Art. 65 EGV im Mitentscheidungsverfahren (Art. 251 EGV) zu treffen sind.48 Eine zeitliche Übergangsregelung sah der Vertrag von Nizza nicht vor. Auch wenn das Gesetzgebungsverfahren bereits vor seinem Inkrafttreten eingeleitet war, so war es doch nach den 42 Heß, NJW 2002, 2417, 2426; Stadler, IPRax 2004, 2, 10; Kropholler/von Hein, Art. 1 Rz. 5; vgl. aber Kropholler/ von Hein, Art. 5 Rz. 14: Das Integrationsbewusstsein der Bürger werde sich durch die verschärfte Prozessführungslast im EU-Ausland schrittweise vertiefen. 43 WSA, 11.12.2002, ABl. EU 2003 C 85/1, 2 Nr. 1.4; Gebauer, FPR 2006, 252. 44 Allein diese scheint die Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag, http:// www.brak.de/w/files/01_ueber_die_brak/Ausschuss%20Europa%2030_090525.pdf (23.6.2021) S. 2 bei ihrer positiven Bewertung der VO im Blick zu haben. 45 Kropholler/von Hein, Art. 1 Rz. 3 f.; Stadler, IPRax 2004, 2, 10. 46 Kritisch zur Reichweite der Kompetenz aus Art. 65 EGV Leible/Staudinger, EuLF 2000/01, 225, 228; Schack, ZEuP 1999, 805; Basedow, C.M.L.Rev. 2000, 687; Heß, IPRax 2001, 389, 393; Tagaras in Nuyts/Watté (Hrsg.), International civil litigation in Europe and relations with third states (2005) S. 563, 568. 47 Vertrag von Nizza vom 16.2.2001, BGBl. 2001 II 1667, ABl. EG 2001 C 80/1, in Kraft seit 1.2.2003, BGBl. 2003 II 1503. 48 Zur Anwendung von Art. 67 Abs. 5 EGV vgl. Streinz/Weiß, EUV/EGV1 (2003) Art. 67 EGV Rz. 16 f.
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neuen Vorschriften zu Ende zu führen, weshalb das Mitentscheidungsverfahren unmittelbar anwendbar wurde. Das Rechtsetzungsverfahren wurde daher von der Kommission übergeleitet, das Europäische Parlament verlangte zutreffend eine Anpassung des Verordnungstextes.49 2. Vereinigtes Königreich, Irland und Dänemark Die Kompetenzen aus Art. 61 ff. EGV (nunmehr Art. 67 ff. AEUV) beziehen sich gemäß zweier dem Amsterdamer Vertrag beigefügter Protokolle nicht auf das Vereinigte Königreich (vor dem BREXIT), Irland50 und Dänemark51.
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Sowohl das Vereinigte Königreich wie auch Irland52 haben jedoch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich an der Annahme und Anwendung der VO zu beteiligen (ErwGr. 24).53 Das Vereinigte Königreich ist jedoch mit Ablauf des 31.1.2020 aus der EU ausgetreten.54 Zwar schloss sich dem BREXIT ein Übergangszeitraums an, in dem das EU-Recht im Vereinigten Königreich im Wesentlichen weiter Geltung hatte, dieser endete jedoch gemäß Art 126 UK-EU Austrittsabkommen55 am 31.12.2020. Seit dem 1.1.2021 ist die VO im Vereinigten Königreich nicht mehr anwendbar. Das EU-UK-Handels- und Kooperationsabkommen56 enthält keine Bestimmungen zum Europäischen Zivilprozessrecht.
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Dänemark hat nach dem benannten Protokoll keine vergleichbare opt-in-Möglichkeit. Vielmehr kann Dänemark nur zu einem späteren Zeitpunkt erklären, dass es insgesamt oder zum Teil von diesem Protokoll keinen Gebrauch mehr machen will (Art. 7 Protokoll über die Position Dänemarks). Dann ist es verpflichtet, alle von der EU getroffenen einschlägigen Maßnahmen, die bis dahin in Kraft getreten sind, in vollem Umfang anzuwenden. Dies hat Dänemark bisher nicht getan.57 Mithin kann auch diese VO im Verhältnis zu Dänemark derzeit nicht in Kraft treten. Es ist daher wie ein sonstiger Drittstaat zu behandeln (ErwGr. 25 EG-VollstrTitelVO, Art. 2 Abs. 3 EG-VollstrTitelVO). Dass Dänemark nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon die Möglichkeit zur Modifizierung des benannten Protokolls nutzt58 und von der anschließend bestehenden singulären opt-in-Möglichkeit in naher Zukunft Gebrauch machen wird, erscheint kurzfristig nicht wahrscheinlich.
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IV. Rechtsetzungsverfahren Der Weg zwischen erstem Kommissionsvorschlag und endgültiger Verabschiedung der VO durch Rat und Europäisches Parlament war von zahlreichen kontroversen Vorschlägen und Gegenvorschlägen 49 Europäische Kommission, 6.2.2003, COM (2003) 61, 2; Wuermeling, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Europäisches Parlament, 26.3.2003, A5-0108/2003, 5 (Änderungsantrag 1); Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 2. 50 Vertrag von Amsterdam 1997, Protokoll über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands, ABl. 1997 C 340/99. 51 Vertrag von Amsterdam 1997, Protokoll über die Position Dänemarks, ABl. 1997 C 340/101. 52 Rat der EU, Schreiben der Ständigen Vertreterin, Frau Anne Anderson, 12.6.2002, 10756/01. 53 Auf der Tagung des Rats „Justiz und Inneres“ am 12.3.1999 teilten beide Staaten mit, dass sie sich an der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in vollem Umfang beteiligen möchten, Europäische Kommission, 14.7.1999, COM (1999) 348, 5; Leible/Staudinger, EuLF 2000/01, 225, 226. 54 Beschluss (EU) 2019/1810 des Europäischen Rates, im Einvernehmen mit dem Vereinigten Königreich gefasst, vom 29. Oktober 2019 zur Verlängerung der Frist nach Art. 50 Abs. 3 EUV, ABl. 2019 L 278I/1. 55 Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl. 2020 L 29/7, in Kraft getreten am 1.2.2020, ABl. 2020 L 29/189. 56 Abkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits, ABl. 2021 L 149/10. 57 Auch nicht in Bezug auf den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen; die Hoffnung von Basedow, C.M.L.Rev. 2000, 687, 696; Basedow in Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht (2002) S. 19, 29, der einen entsprechenden baldigen Verzicht Dänemarks auf die Anwendung des Protokolls in diesem Gebiet erwartete, verwirklichte sich nicht. Ebenfalls kritisch Tagaras in Nuyts/Watté (Hrsg.), International civil litigation in Europe and relations with third states (2005) S. 563, 565. 58 S. Art. 1 Abs. 21 lit. k, l Prot. Nr. 1 Vertrag von Lissabon 1999.
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geprägt.59 Bereits unmittelbar nach Vorlage des ersten Vorschlages gab es verschiedene Anregungen durch die nationalen Delegationen im Europäischen Rat,60 weshalb bereits Ende 2002 ein im Rat überarbeiteter Textvorschlag notwendig wurde.61 Der WSA stimmte dem Projekt auf seiner Tagung vom 11.12.2002 zu,62 gleiches erfolgte grundsätzlich vom Europäischen Parlament, das jedoch eine Reihe von Abänderungen beschloss.63 Diese bezogen sich insgesamt auf die Anforderungen an das Bestätigungsverfahren im Ursprungsmitgliedstaat. Die grundsätzliche Abkehr von der zweitstaatlichen Anerkennungskontrolle wurde nicht in Frage gestellt. Aufgrund der zahlreichen strittigen Punkte musste die Kommission im Juni 2003 einen geänderten Vorschlag vorlegen.64 27
Die Diskussionen im Rat hielten über das gesamte Jahr 2003 an,65 letztlich wurde ein politischer Kompromiss gefunden, der in einen Gemeinsamen Standpunkt des Rates am 6.2.2004 mündete,66 welcher zahlreiche neue Bestimmungen enthielt, die der inzwischen aufgekommenen Kritik an dem Vorschlag Rechnung trugen.67 In der anschließenden Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament68 ließ diese deutlich ihr Unbehagen an den Modifikationen erkennen. Die Kommission hebt hervor, dass sie den Änderungen nur beitreten könne, weil am grundsätzlichen Anspruch festgehalten wurde, das Exequaturverfahren sowie jede Art von Kontrolle, die auf den ordre public Bezug nimmt, abzuschaffen.69 Offen bleibt damit auch vor dem Hintergrund des bis zuletzt strittigen Verfahrens die Grundsatzfrage, ob die EU reif war für die Umsetzung dieser weitreichenden Schritte (zum postulierten Vertrauen in der EU Rz. 15).70
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Der Gemeinsame Standpunkt des Rates wurde vom Europäischen Parlament im Anschluss gebilligt und war damit wortgleich als VO verabschiedet. Es kann in diesem Zusammenhang nicht als Erfolg gewertet werden, dass bereits diese erste im Mitentscheidungsverfahren erlassene EuZPR-VO im Rat nicht einstimmig zustande kam, da die Niederlande gegen den Gemeinsamen Standpunkt stimmten.71 Auch dies zeigte, dass der propagierte „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ ohne Rücksicht auf Widerstände etabliert werden sollte und dazu alle Verfahrensspielräume genutzt wurden. Wohlbegründete Sachbedenken wurden hierbei zu „Bauchschmerzen“72 oder „Fundamentalopposition“73 degradiert.74
V. Praktische Bedeutung der VO 29
Mit der VO wird jedes Zwischenverfahren zur Erlangung der Vollstreckbarkeitserklärung abgeschafft und die hiermit verbundenen Verzögerungen und Kosten vermieden. Zweifelhaft ist, ob der
59 Vgl. dazu die Vielzahl von EU-Dokumenten, aufgelistet oben unter Materialien. 60 Rat der EU, Vermerk der finnischen und schwedischen Delegation, 16.10.2002, 13182/02; Rat der EU, Vermerk der deutschen Delegation, 17.10.2002, 13218/02; Rat der EU, Vermerk der deutschen Delegation, 7.11.2002, 13903/02; Rat der EU, Vermerk der niederländischen Delegation, 7.11.2002, 13904/02; Rat der EU, Vermerk der französischen Delegation, 11.11.2002, 14091/02. 61 Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 20.12.2002, 15783/02. 62 WSA, 11.12.2003, ABl. EU 2003 C 85/1. 63 Wuermeling, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Europäisches Parlament, 26.3.2003, A5-0108/2003, 5 ff. 64 Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341. 65 S. dazu die Auflistung der zahlreichen Dokumente am Anfang der Kommentierung unter Materialien. 66 ABl. EU 2004 C 79E/59. 67 Vgl. die ansehnliche Liste in der Mitteilung der Europäischen Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 7 ff. an das Europäische Parlament. 68 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90. 69 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 4. 70 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 10. 71 Fasching/Rechberger, Vor Art. 1 Rz. 2; Stein, IPRax 2004, 181, 182; Wagner, IPRax 2005, 189, 190 Fn. 16. 72 Stein, IPRax 2004, 181, 183, trotz derer am durch die verschiedenen Maßnahmenprogramme vorgezeichneten Weg unbeirrbar festgehalten wird. 73 Stein, IPRax 2004, 181, 185 betreffend Stimmen im Rat, die den ordre public Vorbehalt erhalten wollten. 74 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 11; eher resignierend Kropholler/von Hein, Art. 5 Rz. 14, einzelne Ungereimtheiten seien durch Nachbesserungen beseitigbar und im Übrigen werde nunmehr das Gesamtkonzept in der überwältigenden Mehrzahl der Anwendungsfälle nicht mehr in Frage gestellt.
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erwünschte Zeitgewinn eintritt: Das Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der Brüssel I-VO ist bereits sehr effizient gestaltet. Im Vergleich zum EuGVÜ wurde die Prüfung der Anerkennungsversagensgründe in das Beschwerdeverfahren verlegt, die Vollstreckbarerklärung erfolgt auf Antrag des Gläubigers allein nach Prüfung der formellen Voraussetzungen. Demgegenüber bedarf auch die Prüfung der Mindeststandards vor der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel eines gewissen Zeitaufwandes, sie ist komplex und durchaus fehlerträchtig.75 Selbst der nach Art. 43 Brüssel I-VO mögliche Rechtsbehelf muss nicht mehr Zeit in Anspruch nehmen, als das Bestätigungsverfahren nach der VO. Im Normalfall der Auslandsvollstreckung in nur einem anderen Mitgliedstaat dürfte eine Beschleunigung kaum erreicht werden.76 Anders verhält es sich, wenn aus einem Titel in verschiedenen Mitgliedstaaten zu vollstrecken ist. Hier kann der Ansatz des Europäischen Vollstreckungstitels durchaus reizvoll sein. Es ist nicht mehr in jedem einzelnen Vollstreckungsstaat ein Zwischenverfahren durchzuführen, mit der einmaligen Bestätigung des Titels ist die Vollstreckbarkeit in allen Mitgliedstaaten gewährleistet. Aufgrund der in allen Amtssprachen der EU identisch zur Verfügung stehenden Formblätter im An- 30 hang der VO werden sich Übersetzungen – soweit erforderlich, dazu Art. 20 EG-VollstrTitelVO Rz. 12 ff. – des EuVollstrTitels leicht erstellen lassen. Auch wenn die VO nur auf unbestrittene Forderungen anwendbar ist, dürfte, da hierbei auch insbesondere Versäumnisurteile miterfasst werden, ihre praktische Relevanz erheblich sein: Über 90 % der beantragten Vollstreckungen von zivil- und handelsrechtlichen Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten beziehen sich auf solche unbestrittenen Forderungen.77 Der Erfolg der VO hängt davon ab, inwieweit die Mitgliedstaaten ihr nationales Verfahren konform 31 zu den Mindeststandards der VO (Art. 12–19 EG-VollstrTitelVO) gestalten. Nur wenn diesen Standards im mitgliedstaatlichen Verfahren genüge getan wird, kommt eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel in Betracht. Eine direkte Verpflichtung der Mitgliedstaaten hierzu ist nicht vorgesehen. Ein indirekter Druck besteht gleichwohl. Titel aus Staaten, die die Mindeststandards im Erkenntnisverfahren erfüllen, werden zur Vollstreckung in alle Mitgliedstaaten gelangen, Titel aus anderen Mitgliedstaaten nicht.78 Teilweise wird gerügt, die VO gehe nicht weit genug,79 da die Mitgliedstaaten Ermessen besitzen, ob 32 sie den Mindeststandards genügen wollen. Gefordert wird eine weitreichende Harmonisierung der nationalen Verfahrensvorschriften. Dies lässt befürchten, dass die Ideen einer weiteren Europäisierung im Anerkennungs- und Vollstreckungsrecht bereits geboren sind und womöglich der Testlauf mit der praktisch schon weitreichenden VO nicht abgewartet werden soll.80
VI. Verfassungsrechtliche Bedenken Aus deutscher Sicht wurden mehrfach Bedenken vorgebracht, die VO könnte Verfassungsprinzipien verletzen. Ein Verstoß gegen das Demokratieprinzip wird dabei ausgeschlossen,81 eine Verletzung
75 Kohler in Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2004) S. 63, 79; Coester-Waltjen, FS Beys (2003) 183, 186 f. 76 Kohler in Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2004) S. 63, 79. 77 WSA, 11.12.2003, ABl. EU 2003 C 85/1, 4 Nr. 3.1; Correa Delcasso, RIDC 2001, 61, 66 gibt einen statistischen Überblick zu der Häufigkeit nationaler (unbestrittener) gerichtlicher Mahnverfahren; aufgrund des insoweit identischen Anwendungsbereich (s. Art. 2 EG-VollstrTitelVO Rz. 5 ff.) unterfallen mithin ca 90 % der Entscheidungen, die nach der Brüssel I-VO vollstreckt werden können, auch dieser VO; dagegen Coester-Waltjen, FS Beys (2003) 183, 185: „kleiner Ausschnitt des Zivilverfahrensrechts“. 78 Heß, NJW 2002, 2417, 2425; Stadler, IPRax 2004, 2, 4; Coester-Waltjen, FS Beys (2003) 183, 185. 79 WSA, 11.12.2003, ABl. EU 2003 C 85/1, 7 Nr. 5.2 ff. 80 Heß, NJW 2002, 2417, 2426 geht davon aus, dass der Anwendungsbereich der VO innerhalb kurzer Zeit auf alle Zivil- und Handelssachen erweitert wird; Stadler, IPRax 2004, 2, 4 hingegen vermutet ein perfides Vorgehen der EU, die mittels singulärer Verordnungen und Mindeststandards letztendlich nur ein insgesamt vereinheitlichtes Zivilprozessrecht anstrebe, ohne dies offen nach außen zu tragen. 81 Den ausführlichen Nachweis erbringt Pfeiffer, FS Jayme (2004) S. 675, 676 unter der Frage „Jurisdiction without representation?“.
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der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG hingegen ernsthaft diskutiert.82 Eine unmittelbare Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile ohne jegliche Kontrolle erscheine mit dem GG nicht vereinbar. 34
Sowohl die Anerkennung als auch die Verleihung der Vollstreckbarkeit und der Zugriff deutscher Vollstreckungsorgane sind Ausübung öffentlicher Gewalt i.S.v. Art. 19 Abs. 4 GG.83 Die einzige einschlägige Entscheidung des BVerfG, ergangen zum Rechtshilfevertrag mit Österreich, statuiert in ihrer Kernaussage jedoch, dass es im Lichte von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht in beliebigem Umfang gestattet sei, „durch entsprechende Fassung des Tatbestandes der gesetzlichen Eingriffsgrundlage die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung von in der Bundesrepublik Deutschland zu vollstreckenden Titeln auf wenige, unter Umständen nur formelle Punkte zu beschränken und damit den wirklichen Gehalt der Entscheidung […] richterlicher Überprüfung vorzuenthalten“.84 Wenn es nun gar vollständig an einer Anerkennungsentscheidung fehlt, fällt es schwer, eine Vereinbarkeit mit dem GG anzunehmen,85 zumal auch innerhalb der VO die Rechtsschutzmöglichkeiten des Schuldners nahezu vollständig beseitigt sind (vgl. dazu Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rz. 2).
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Gerade um diese Rechtsschutzmöglichkeiten geht es selbst dann, wenn man es aufgrund von Art. 23 GG für zulässig erachten wollte, die Überprüfung in bestimmtem Umfang auf ausländische Hoheitsträger zu übertragen.86 Allein aus dem Staatsziel der Verwirklichung des Vereinten Europas und der daraus gefolgerten Notwendigkeit des Verzichts auf nationale Souveränität die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG als nicht mehr entscheidend anzusehen, erscheint zu wenig. Die Ansicht, auf nationale Kontrolle müsste verzichtet werden, um einen einheitlichen europäischen Justizraum zu schaffen,87 erscheint zu kurz gegriffen. Der Verzicht erscheint frühestens dann gerechtfertigt, wenn auf europäischer Ebene ein vergleichbarer Grundrechtsschutz nicht allein grundsätzlich garantiert, sondern auch durchsetzbar ist.88 Daran fehlt es heute jedoch noch. Die nationale Kontrolle ist daher derzeit entscheidend. Man wird abwarten müssen, ob das BVerfG an seiner alten Rechtsprechung festhält und die Grenzen seiner Solange-Rechtsprechung nunmehr als erreicht ansieht. Ausgeschlossen ist dies nicht.89
VII. Auslegung 36
Mit der wachsenden Zahl von Verordnungen im EuZPR wird es zunehmend wichtiger auf eine einheitliche Auslegung der Begriffe innerhalb des Systems des EuZPR zu achten. Eine Standardisierung von Rechtsbegriffen ist dringend erforderlich.90 Für die Auslegung der VO sind dieselben Techniken zu verwenden wie bei der Brüssel Ia-VO.91 Die verwendeten Begriffe sind grundsätzlich autonom aus dem europäischen Kontext heraus auszulegen. Dabei ist auf die Zielsetzung der VO sowie allgemeine, den verschiedenen Rechtordnungen gemeinsam zugrunde liegende Rechtsgrundsätze zurückzugrei-
82 Kohler in Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht (2002) S. 147, 159; ausführlich Stadler, IPRax 2004, 2, 8; a.A. Kropholler/von Hein, Art. 5 Rz. 12; Wagner, IPRax 2002, 75, 87; Stein, IPRax 2004, 181, 186. 83 Stadler, IPRax 2004, 2, 8. 84 BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, 376. 85 Zu verfassungsrechtlichen Problemen auch gegenüber der Brüssel II-VO: Rauscher, FS Geimer (2002) 883. 86 Wobei wohl fraglich ist, ob mit der Übertragung der Kompetenz in Art. 81 AEUV (ex Art. 65 EGV) durch den Bund auch die gerichtliche Kontrolle der Anerkennungsfähigkeit mitübertragen wurde. Eine Verfassungswidrigkeit aufgrund der Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 23 GG verneinen: Wagner, IPRax 2002, 75, 87; Stein, IPRax 2004, 181, 186; Geimer, IZPR Rz. 3180a. 87 So aber Geimer, IZPR Rz. 3180a. 88 S. dazu Pabst, Entscheidungszuständigkeit und Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit in Ehesachen mit Europabezug (2009) Rz. 91 ff. 89 So auch Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht (2004) S. 280; Pfeiffer, FS Jayme (2004) 675, 689 f., der die Entscheidung des BVerfG in Abhängigkeit vom Vorgehen des EuGH erwartet; Schack, FS Leipold (2009) 317, 333. 90 Vgl. auch Rauscher/Rauscher (2015), Einl. Brüssel IIa-VO Rz. 34. 91 Dazu und zu den Methodenfragen s. Rauscher/Staudinger (2021), Einl. Brüssel Ia-VO Rz. 35 ff.
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fen.92 Eine Auslegung nach dem Recht des Ursprungs- oder Vollstreckungsmitgliedstaates würde die Freizügigkeit der Titel in der Gemeinschaft behindern.93 Übereinstimmende Tatbestandsmerkmale sollten in allen VOen zum EuZPR gleich ausgefüllt wer- 37 den.94 Auf entsprechendes Schrifttum und Rechtsprechung, insbesondere EuGH-Judikatur, ist daher zurückzugreifen.95 Im Bezug auf den EGV, nunmehr AEUV hat der Verordnungsgeber bereits klargestellt, dass er eine einheitliche Ausfüllung von Verordnungsbegriffen und den gleichen Begriffen im EGV/AEUV wünscht.96 Dies erfordert auch der Gedanke der primärrechtskonformen Interpretation. Die Verordnung muss im Einklang mit höherrangigem Europarecht stehen.97 Dabei ist besonderes Augenmerk auf den für den Erlass der VO relevanten Kompetenztitel im EGV/AEUV und die damit bezweckten Ziele zu legen. Die Vorlagemöglichkeit an den EuGH bestimmte sich ursprünglich nach Art. 234 EGV und unterlag 38 der Einschränkung aus Art. 68 EGV.98 Danach mussten99 letztinstanzliche Gerichte Auslegungsfragen in einem schwebenden Verfahren, die das Gericht für den Erlass des Urteils für erforderlich hält, dem EuGH vorlegen. Gerichte, gegen deren Entscheidung noch Rechtsmittel zur Verfügung stehen, durften dagegen dem EuGH nicht vorlegen.100 Für die Frage der Letztinstanzlichkeit war die konkrete Betrachtung im jeweiligen Verfahren entscheidend.101 Mit dem Inkrafttreten des Vertrages v. Lissabon wurde Art. 68 EGV ersatzlos gestrichen. Nunmehr ist es daher jedem Gericht möglich, Auslegungsfragen dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen (Art. 267 Abs. 2 AEUV). Letztinstanzliche Gerichte sind dazu weiterhin verpflichtet (Art. 267 Abs. 3 AEUV).
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Der EuGH hat festgestellt, dass das Bestätigungsverfahren kein Verwaltungsverfahren, sondern insbesondere wegen der Prüfung der Einhaltung der Mindeststandards und der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des vorangegangenen Verfahrens einschließlich von Zuständigkeitsregeln ein gerichtliches Verfahren sei. Zudem sei der Begriff „Erlass eines Urteils“ i.S.v. Art. 267 Abs. 2 AEUV weit auszulegen; das Bestätigungsverfahren sei aus funktionaler Sicht daher kein vom vorangegangenen gerichtlichen Verfahren verschiedenes, sondern dessen letzte Phase, welche zur Gewährleistung seiner vollen Wirksamkeit erforderlich sei. Erst die Bestätigung lasse die Entscheidung im europäischen Rechtsraum frei zirkulieren. Mithin bestehe die Befugnis des Gerichts dem EuGH im Bestätigungsverfahren Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.102
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92 EuGH v. 14.10.1976 – Rs. 29/76, ECLI:EU:C:1976:137 – LTU Lufttransportunternehmen GmbH & Co KG vs. Eurocontrol Rz. 3, EuGHE 1976, 1541 = NJW 1977, 489 m. Anm. Geimer 492; EuGH v. 21.4.1993 – C-172/91, ECLI:EU:C:1993:144 – Volker Sonntag vs. Hans Waidmann, Elisabeth Waidmann, Stefan Waidmann Rz. 18, EuGHE 1993 I 1990 = IPRax 1994, 37 m. Anm. Heß, 10; EuGH v. 22.5.2003 – C-266/01, ECLI:EU:C:2003:282 – Préservatrice foncière TIARD SA vs. Staat der Nederlanden Rz. 20, EuGHE 2003 I 4881 = IPRax 2003, 528 m. Anm. Geimer 512, 514; EuGH v. 16.6.2016 – C-511/14, ECLI:EU:C:2016:448 – Pebros Servizi vs. Aston Martin Lagonda Rz. 36, NJW 2016, 2311, 2312; Kropholler/von Hein, Einl. Brüssel I-VO Rz. 69; Schlosser/Hess/Schlosser, Einl. Rz. 29 ff. 93 Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 391. 94 Zu den Grenzen der rechtsaktübergreifenden Auslegung jedoch Stadler, IPRax 2015, 203. 95 Borrás-Bericht ABl. EG 1998 C-221/27 Nr. 6; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR Art. 1 Brüssel IIa-VO Rz. 9. 96 Europäische Kommission, 14.7.1999, COM (1999) 348, 27 (Art. 57). 97 Rauscher/Staudinger (2021), Einl. Brüssel Ia-VO Rz. 41, vergleicht dies mit dem Prinzip der verfassungskonformen Auslegung von einfachgesetzlichen Bestimmungen. 98 Kritisch hierzu: Tagaras in Nuyts/Watté (Hrsg.), International civil litigation in Europe and relations with third states (2005) S. 563, 566. 99 Streinz/Weiß, EUV/EGV1 (2003), Art. 68 EGV Rz. 7; Dörr/Mager, AöR 125 (2000) 386, 389; Eidenmüller, IPRax 2001, 2, 7; vorsichtiger Kohler, NJW 2001, 10, 14; Leible/Staudinger, EuLF 2000/01, 225, 227. 100 Diese Regelung bleibt bedauerlicherweise deutlich hinter dem EuGVÜ, Protokoll betreffend die Auslegung (ABl. EG 1975 L 204/28, i.d.F. des 4. BeitrittsÜ ABl. EG 1998 C 27/28) zurück; dazu Leible/Staudinger, EuLF 2000/01, 225, 226. 101 Streinz/Weiß, EUV/EGV1 (2003) Art. 68 EGV Rz. 3; zur Vorlageberechtigung und -verpflichtung s. Rauscher/ Staudinger (2021) Einl. Brüssel Ia-VO Rz. 45 ff. 102 EuGH v. 16.6.2016 – C-511/14, ECLI:EU:C:2016:448 – Pebros Servizi vs. Aston Martin Lagonda Rz. 26 ff., NJW 2016, 2311, 2312.
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VIII. Gerichtliche Nachprüfung 1. Europäisierung der Überprüfung? 40
Die gerichtliche Überprüfung der durch eine Bestätigung des Titels erreichten Europäisierung durch nationale Gerichte ist in der VO erheblich eingeschränkt (s. Art. 10 Abs. 4 EG-VollstrTitelVO, der jegliche über die in Art. 10 EG-VollstrTitelVO selbst gegebenen Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat gegen die ausgestellte Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel unterbindet, und Art. 5 EG-VollstrTitelVO, der die Nachprüfung im Vollstreckungsmitgliedstaat abschneidet). Die Kontrolle auf europäischer Ebene erlangt dadurch an Bedeutung. Dem steht derzeit freilich eine geringe Dichte dieser europäischen Kontrolle gegenüber. 2. EuGH a) Prüfungsmöglichkeiten des EuGH
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Der EuGH kann derzeit nur die VO selbst an dem von ihm entwickelten und an Art. 6 EUV orientierten Grundrechtsschutz messen. Er überprüft das sekundäre Gemeinschaftsrecht auf Konformität mit dem primären, einschließlich individuell an einzelne Bürger gerichteter hoheitlicher Akte von EU-Organen.103 Er könnte daher zwar entscheiden, ob die Abschaffung des ordre public Vorbehalts als solche dem europäischen Grundrechtsschutz widerspricht, nicht aber, ob einzelne mitgliedstaatliche Urteile und Entscheidungen diesen Schutz verletzen.104 b) Klagebefugnis zum EuGH
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Selbst hierzu müsste der EuGH eine Möglichkeit zur Entscheidung bekommen. Der einzelne Schuldner oder Gläubiger selbst können diese nicht herbeiführen. Für die Nichtigkeitsklage gegen die VO nach Art. 263 AEUV (ex Art. 230 EGV) sind die Mitgliedstaaten und die Organe der EU klagebefugt, juristische und natürliche Personen dagegen nur, wenn sie unmittelbar und individuell betroffen sind. Von der VO ist der Bürger zwar unproblematisch unmittelbar betroffen, es bedarf keines weiteren Umsetzungsaktes, sie begründet Rechte und Pflichten unmittelbar für und gegen ihn. Jedoch fehlt es an der individuellen Betroffenheit. Diese ist nur gegeben, wenn besondere Umstände die Person aus dem Kreis aller übrigen Personen herausheben und sie in ähnlicher Weise individualisieren wie einen Adressaten.105 Damit sind die Fälle gemeint, in denen der wahre Charakter der europäischen Maßnahme als an einen konkreten Adressaten gerichtete Entscheidung lediglich verschleiert wird.106 c) Der EuGH als europäisches Verfassungsgericht
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Verletzungen der verschiedenen Ausformungen des Rechtsstaatsprinzips und damit verbunden Verletzungen seiner Verfahrensgrundrechte in konkreten Gerichtsverfahren kann der Bürger derzeit nicht vor den EuGH bringen, da dieser bisher nicht als europäisches Verfassungsgericht ausgestaltet ist. Hier zeigt sich ein grundsätzliches Problem, das umso drängender wird, je mehr die Organe der EU für das Ziel der Beschleunigung von Vollstreckungsverfahren bereit sind, Rechtsstaatlichkeit zu reduzieren.107 Auch wenn parallel auf europäischer Ebene Grundrechte mittels der EuGrCh ein stärkeres Gewicht bekommen, so kann bis heute kein oberste Justizorgan der Union Wächter über die Beach-
103 Zum Prüfungsmaßstab des EuGH Streinz/Ehricke, EUV/AEUV3 (2018) Art. 263 AEUV Rz. 73 ff.; vgl. zur zunehmenden Herausarbeitung gemeinschaftlicher Grundrechte Schwarze, NJW 2005, 3459. 104 Pfeiffer, FS Jayme (2004) 675, 682, der auch die Abschaffung der zweitstaatlichen Kontrolle für grundrechtskonform hält, wenn im Erststaat ein effektiver und fairer Rechtsschutz garantiert ist. Daran bestehen jedoch erhebliche Zweifel, s. Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rz. 37. 105 EuGH v. 15.7.1963 – 25/62, ECLI:EU:C:1963:17 – Plaumann & Co vs. Kommission, EuGHE 1963, 217, 238; EuGH v. 18.5.1994 – C-309/89, ECLI:EU:C:1994:197 – Codorniu SA vs. Rat der Europäischen Union Rz. 20, EuGHE 1994 I, 1879. 106 Streinz/Ehricke, EUV/AEUV3 (2018), Art. 263 AEUV Rz. 62 ff. 107 S. dazu Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rz. 5 ff.
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tung der elementaren Bürgerrechte sein.108 Es fehlt der EU ein EuGH, der über ihr als Verfassungsgericht schwebt.109 3. EGMR Derzeit ist Schutz lediglich mittels der Individualbeschwerde zum EGMR nach Art. 34 EMRK zu erzielen, bei der sich der Beschwerdeführer auf seine Rechte aus Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) berufen kann. Der EGMR wird so zu einem wichtigen, im System der EU benötigten Organ, das eher zufällig bereit steht, da alle Mitgliedstaaten der EU zugleich der EMRK angehören.
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Mangels anderer Alternativen ist in praxi dieser Weg zu nutzen, auch wenn das Fehlen eines EU-internen Kontrollsystems nicht befriedigen kann. Die verbindlich für alle Mitgliedstaaten in der EMRK verankerten elementaren Verfahrensgrundrechte gewähren letztendlich die von der EU noch nicht gewährleistete Rechtsstaatlichkeit.
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Fraglich ist jedoch die Effizienz des Rechtsschutzes zum EGMR. Die Individualbeschwerde hat keine 46 unmittelbaren Auswirkungen auf die Vollstreckbarkeit des EuVollstrTitels. Entschädigungsansprüche, die zudem erst nach geraumer Zeit ausgeurteilt werden, genügen dem Bedürfnis eines effizienten Grundrechtsschutzes nicht. Dem Vollstreckungsmitgliedstaat dürfen nicht derart die Hände gebunden sein, dass er selbst einen grundrechtswidrigen Titel aus dem Ursprungsmitgliedstaat nicht abwehren kann und dem Schuldner allein im Nachhinein vor dem EGMR Gerechtigkeit widerführe.110 Dieses Zeitproblem lässt sich aufgrund der erforderlichen gründlichen Vorbereitung einer Individualbeschwerdeentscheidung im Vergleich zum tendenziell zügigen Vollstreckungsverfahren nicht ohne weiteres lösen. Es fehlt an einer verfahrensrechtlichen Verknüpfung zwischen Individualbeschwerde und Fortgang der Vollstreckung.111 Art. 23 EG-VollstrTitelVO bietet freilich einen Ausweg, wenn man unter den dort benannten Rechtsbehelf auch die Individualbeschwerde zum EGMR subsumiert.
IX. Nationale Ausführungsbestimmungen Die VO lässt sowohl für das Bestätigungsverfahren dem Ursprungsmitgliedstaat als auch für das Vollstreckungsverfahren dem Vollstreckungsmitgliedstaat Raum für eigene Regelungen, erwartet andererseits jedoch auch, dass die Mitgliedstaaten diesen Raum ausfüllen. So wird insbesondere regelmäßig allein die Antragszuständigkeit geregelt, die Entscheidungszuständigkeit jedoch den Mitgliedstaaten überlassen.
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1. Deutschland In Deutschland sind sowohl die Ausführungsbestimmungen zur VO als auch Anpassungen am nationalen Verfahrensrecht zur Erfüllung der von der VO aufgestellten Mindeststandards durch das EGVollstrTitelDG112 erlassen worden. Die Ausführungsbestimmungen sind dabei als neuer Abschnitt in das Buch 11 der ZPO (§§ 1079–1086 ZPO, s. im Gesetzesanhang dieses Bandes) eingestellt worden.113 Gleichzeitig wurden diese Bestimmungen auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren durch die Schaffung von § 13a ArbGG für anwendbar erklärt.
108 S. zu den europäischen Grundrechtsquellen und der möglichen Grundrechtsdurchsetzung Pabst, Entscheidungszuständigkeit und Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit in Ehesachen mit Europabezug (2009) Rz. 75 ff. 109 Vgl. auch bei Kerameus, RabelsZ 66 (2002) 1, 10 f.; auch Stadler, IPRax 2004, 2, 10 fordert mehr Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene um elementare Justizrechte abzusichern. 110 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 25. 111 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 27. 112 V. 18.8.2005, BGBl. 2005 I 2477. 113 Entgegen Luckey, ProzRB 2005, 242, 245 ist das Buch 11 der ZPO hier nicht erst geschaffen worden. Dies ist bereits einige Jahre zuvor durch das EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz v. 4.11.2003, BGBl. 2003 I 2166 erfolgt.
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2. Österreich 49
In Österreich wurden zwingend notwendige Ausführungsbestimmungen durch die EO-Novelle 2005 in die österrEO114 eingestellt. Hierdurch wurden insbesondere § 2 Abs. 2, § 7a österrEO erlassen. Anpassungen im Hinblick auf die Mindeststandards der VO erfolgten nicht.
X. Überblick über die Systematik der Verordnung 1. Anwendungsbereich 50
Kapitel I beschreibt den Anwendungsbereich und enthält Begriffsbestimmungen. Art. 2 Abs. 3 EG-VollstrTitelVO stellt klar, dass Dänemark nicht an der Anwendung der VO teilnimmt. Der Anwendungsbereich der VO wird in Art. 2 EG-VollstrTitelVO zunächst parallel zur Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO eröffnet und anschließend in Art. 3 EG-VollstrTitelVO auf unbestrittene Forderungen eingeschränkt. Dabei kann der Schuldner die Forderung durch aktives Verhalten (ausdrückliches Anerkenntnis) unstreitig stellen (Art. 3 Abs. 1 lit. a, d EG-VollstrTitelVO) oder aber passiv durch Nichtwidersprechen im oder Nichtteilnahme am gerichtlichen Verfahren unbestritten lassen (Art. 3 Abs. 1 lit. b, c EG-VollstrTitelVO). 2. Bestätigungsvoraussetzungen
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Kapitel II stellt die Voraussetzungen für die Bestätigung von Entscheidungen als EuVollstrTitel auf und benennt die Wirkungen des EuVollstrTitels. Art. 6 EG-VollstrTitelVO beschreibt die Voraussetzungen für eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel. Generell muss die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sein (Art. 6 Abs. 1 lit. a EG-VollstrTitelVO) und darf nicht den Zuständigkeitsregeln der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO für Versicherungssachen und ausschließliche Zuständigkeiten widersprechen (Art. 6 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO). Hat der Schuldner im Verfahren die Forderung nicht aktiv anerkannt, so müssen die Mindestvoraussetzungen des Kapitels III der VO im erststaatlichen Verfahren eingehalten sein (Art. 6 Abs. 1 lit. c EG-VollstrTitelVO). Richtet sich die Forderung aus einem Verbrauchervertrag gegen den Verbraucher und hat dieser die Forderung nicht aktiv im Verfahren anerkannt, so ist die Entscheidung nur als Europäischer Vollstreckungstitel zu bestätigen, wenn sie im Wohnsitzland des Schuldners ergangen ist (Art. 6 Abs. 1 lit. d EG-VollstrTitelVO). 3. Verhältnis zum Exequaturverfahren
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Art. 5 EG-VollstrTitelVO verbietet bei Nutzung eines EuVollstrTitel im Vollstreckungsmitgliedstaat die Durchführung eines Exequaturverfahrens. Die Entscheidung wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt ohne Vollstreckbarerklärung und ohne Möglichkeit der Anfechtung der Anerkennung. Der EuVollstrTitel hat zu jeder Zeit nur die Wirkungen, die die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat besitzt. Er nimmt also an allen Wirkungsveränderungen der Entscheidung (z.B. aufgrund von Rechtsmitteln) teil (Art. 11 EG-VollstrTitelVO). Ein Rechtsbehelf gegen die Bestätigung als EuVollstrTitel ist ausdrücklich (Art. 10 Abs. 4 EG-VollstrTitelVO) nicht möglich. Allein bei eindeutig zu Unrecht erteilter Bestätigung kann diese widerrufen werden (Art. 10 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO). 4. Mindeststandards für rechtliches Gehör
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Kapitel III enthält die von Art. 6 Abs. 1 lit. c EG-VollstrTitelVO geforderten Mindeststandards im Erkenntnisverfahren. Sie stellen sicher, dass der Schuldner von dem Verfahren in Kenntnis gesetzt wurde und ausreichende Möglichkeiten besaß, seine Verteidigung zu betreiben. Art. 13–15 EG-VollstrTitelVO sehen dazu bestimmte Formen der Zustellung für das verfahrenseinleitende Schriftstück und die Ladung zur Verhandlung vor. Es werden nur solche Zustellungen als ausreichend erachtet, 114 Exekutionsordnungs-Novelle 2005, österrBGBl. I Nr. 68/2005 v. 5.7.2005.
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bei denen absolute Gewissheit (Art. 13 EG-VollstrTitelVO) oder ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit (Art. 14 EG-VollstrTitelVO) geboten wird, dass das zugestellte Schriftstück dem Empfänger zugegangen ist. Zustellungsfiktionen genügen nicht.115 Art. 16, 17 EG-VollstrTitelVO stellen inhaltliche Anforderungen an die zuzustellenden Schriftstücke, so dass der Schuldner sicher über die Parteien des Rechtsstreites, die Höhe der Forderung, den Forderungsgrund und mögliche Zinsen informiert ist, sowie über die von ihm im Verfahren vorzunehmenden Schritte und über die Folgen seines Nichttätigwerdens belehrt wurde, bevor ein EuVollstrTitel gegen ihn erlassen werden kann. Das Verfahren nach dem deutschen Prozessrecht entspricht (nachdem geringfügige Anpassungen durch Art. 1 EG-VollstrTitelDG zum 21.10.2005 erfolgten) weitgehend den Mindestvorschriften, so dass deutsche Titel, die in einem mit dem deutschen Prozessrecht konformen Verfahren ergangen sind, grundsätzlich als EuVollstrTitel bestätigt werden können.
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5. Durchführung der Vollstreckung Kapitel IV unterstellt die Vollstreckung dem nationalen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates 55 (Art. 20 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO). Der EuVollstrTitel wird also so behandelt, wie ein im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangener Titel. In Deutschland gelten, soweit die VO nicht in diesem Kapitel etwas anderes bestimmt, die allgemeinen Vorschriften der ZPO über die Zwangsvollstreckung im Inland. Die vom Gläubiger beizubringenden Unterlagen sind in Art. 20 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO aufgelistet. Weitere nationale Voraussetzungen (z.B. die Erteilung der Vollstreckungsklausel) sind nicht zu erfüllen.116 Art. 21 EG-VollstrTitelVO normiert abschließend die Fallgruppen, in denen eine Vollstreckung auf Antrag des Schuldners dennoch verweigert werden kann. Einzige Fallgruppe ist die Unvereinbarkeit mit einer früheren Entscheidung. Es können jedoch in keiner Weise andere Anerkennungsversagungsgründe wie die aus Art. 34, 35 Brüssel I-VO bzw. Art. 45 Brüssel Ia-VO geltend gemacht werden, auch keine Verstöße gegen den ordre public. 6. Vergleiche und Urkunden Kapitel V bezieht gerichtliche Vergleiche (Art. 24 EG-VollstrTitelVO) und öffentliche Urkunden (Art. 25 EG-VollstrTitelVO) als mögliche EuVollstrTitel ein. Es werden die Vorschriften der Kapitel II und III mit Ausnahme der speziell auf Entscheidungen bezogenen Regelungen für anwendbar erklärt.
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7. Zeitlicher Anwendungsbereich Kapitel VI (Art. 26 EG-VollstrTitelVO) bestimmt den intertemporalen Anwendungsbereich. Als EuVollstrTitel können nur Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche oder öffentliche Urkunden bestätigt werden, die nach dem 21.1.2005 ergangen sind. Die Bestätigung selbst kann aber erst nach dem 21.10.2005 erfolgen, da die wesentlichen Vorschriften der VO erst ab diesem Datum gelten (Art. 33 EG-VollstrTitelVO).
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8. Andere Rechtsinstrumente, Zusammenarbeit Kapitel VII klärt das Verhältnis zur Brüssel I-VO (einschließlich der Brüssel Ia-VO) und zur EG-Zust- 58 VO. Es wird klargestellt, dass der Gläubiger die freie Wahl hat zwischen der Anerkennung und Vollstreckung seines Titels nach der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO oder nach der EG-VollstrTitelVO. Kapitel VIII enthält die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit und Informationsbereitstellung, verfahrensrechtliche Bestimmungen zur Anpassung der im Anhang enthaltenen Formblätter und das Inkrafttreten der VO.
115 Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 119; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389. 116 Kropholler/von Hein, Rz. 12.
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Art. 1 EG-VollstrTitelVO Gegenstand
Kapitel I Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (Art. 1–Art. 4)
Artikel 1 Gegenstand Mit dieser Verordnung wird ein Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen eingeführt, um durch die Festlegung von Mindestvorschriften den freien Verkehr von Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden in allen Mitgliedstaaten zu ermöglichen, ohne dass im Vollstreckungsmitgliedstaat ein Zwischenverfahren vor der Anerkennung und Vollstreckung angestrengt werden muss.
I. Regelungszweck 1
Art. 1 EG-VollstrTitelVO umschreibt, auf 26 Erwägungsgründe folgend, ein weiteres Mal allgemein die Aufgabe der Verordnung. Er besitzt keinen eigenständigen Regelungsgehalt,1 fällt vielmehr in die Kategorie der in EU-Gesetzeswerken nicht unüblichen Prosateile und stellt lediglich eine Zielbestimmung dar.
2
Art. 1 EG-VollstrTitelVO war im Rechtssetzungsverfahren im Rat nicht unumstritten. Der erste Entwurf der Kommission enthielt Art. 1 EG-VollstrTitelVO mit einem ähnlichen Wortlaut,2 welcher auch im geänderten Vorschlag noch identisch enthalten war.3 Im Rat wurde derweil bereits eine Textfassung diskutiert, in der Art. 1 EG-VollstrTitelVO ersatzlos gestrichen wurde.4 Auf Initiative der deutschen Delegation5 wurde Art. 1 EG-VollstrTitelVO dann jedoch auch im Rat zunächst ohne ausdrücklichen Verweis auf die Mindeststandards wiederbelebt6 und im Folgenden zur endgültigen Textfassung entwickelt.7
3
Sprachlich ist die Norm nicht sonderlich geglückt. Der freie Verkehr der Entscheidungen, Vergleiche und Urkunden wird gerade nicht durch die Festlegung von Mindestvorschriften ermöglicht, da die Einhaltung der Mindeststandards zwar Voraussetzung der Bescheinigung als EuVollstrTitel ist, aber die Mindeststandards nicht in europäische Mindestvorschriften umgesetzt werden. Die VO ermöglicht also die freie Zirkulation des Titels (Art. 5 EG-VollstrTitelVO), sofern in bestimmten Fällen (dazu Art. 6 EG-VollstrTitelVO Rz. 27 ff.) Mindestanforderungen im Erkenntnisverfahren eingehalten werden (Art. 12–19 EG-VollstrTitelVO).
II. Zielbestimmung 4
Ziel ist es, Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden (zur Definition der Begriffe teilweise Art. 4 EG-VollstrTitelVO) innerhalb der EU frei verkehren zu lassen. Dazu wird mit der VO ein Europäischer Vollstreckungstitel (EuVollstrTitel) eingeführt. Art. 1 EG-VollstrTitelVO betont, was die nachfolgenden Regelungen der VO letztlich bewirken: Eines Zwischenverfahrens vor der Anerkennung und Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat bedarf es nicht (Art. 5 EG-VollstrTitelVO).
1 2 3 4 5 6 7
Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 1. Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 21. Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 11. Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 20.12.2002, 15783/02. Rat der EU, Vermerk der deutschen Delegation, 28.7.2003, 11813/03. Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 17.10.2003, 13334/03, 2. Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 6.11.2003, 14172/03, 6; Rat der EU, Gemeinsamer Standpunkt, 3.2.2004, 16041/03, 8.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 2 EG-VollstrTitelVO
Mit der VO wird freilich nicht zum ersten Mal das Exequaturverfahren innerhalb der EU abgeschafft. 5 Für einen sehr begrenzten Anwendungsbereich ist dies auch in der Brüssel IIa-VO ab 1.3.2005 erfolgt. Art. 41 Brüssel IIa-VO erklärt Umgangsrechtsentscheidungen unter bestimmten Voraussetzungen in allen Mitgliedstaaten für unmittelbar vollstreckbar.8 Mit der vorliegenden VO aber wird der Anwendungsbereich aus einer Spezialmaterie heraus in das allgemeine Zivilrecht verlagert. Der EuVollstrTitel wird mithin erstmals im allgemeinen Zivil- und Handelsrecht etabliert. Jedoch bleibt er Ausnahmetatbestand im Vergleich zum System der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO als Grundsystem. Eine Umkehrung dieses Regel-Ausnahmeverhältnisses wurde aufgrund der Maßnahmenprogramme der EU erwartet.9 Die Einführung von Schuldnerrechtsbehelfen im Vollstreckungsstaat in der Brüssel IaVO zeigt jedoch, dass man sich nach heftigen Diskussionen in den vergangenen Jahren von einer völligen Titelfreizügigkeit verabschiedet hat.
Artikel 2 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta jure imperii“). (2) Diese Verordnung ist nicht anzuwenden auf a) den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, die ehelichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts; b) Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren; c) die soziale Sicherheit; d) die Schiedsgerichtsbarkeit. (3) In dieser Verordnung bedeutet der Begriff „Mitgliedstaaten“ die Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks. I. 1. 2. 3.
Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . 1 Parallelität zur Brüssel Ia-VO . . . . . . . . . . 2 Zivil- und Handelssachen (Abs. 1 S. 1) . . . . 5 Ausschluss von öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Abs. 1 S. 2) . . . . . . . . . . . . . . 6 4. Ausgeschlossene zivilrechtliche Materien (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 a) Parallele zur Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO . 8 b) Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO . . 9 c) Unterhaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . 10
d) Konkurssachen . . . . . . . . . . . . . . . . 12 II. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . 1. Titel aus Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . 2. Erfasste exterritoriale Gebiete einzelner Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gebiete, in denen die VO nicht anzuwenden ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 14 . 14 . 19 . 22
III. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . 26 IV. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . 28
Schrifttum: Bittmann, Die Vollstreckbarerklärung von Ordnungsgeldbeschlüssen gemäß § 890 ZPO nach der EuGVVO, GPR 2012, 84; Bittmann, Ordnunggeldbeschlüsse nach § 890 ZPO als Europäische Vollstreckungstitel?, IPRax 2012, 62; Rauscher, Ehegüterrechtlicher Vertrag und Verbraucherausnahme? – Zum Anwendungsbereich der EuVTVO, IPRax 2011, 484; Sack, Europas Zwerge – Die Sonderbeziehungen der EG zu den europäischen Zwergstaaten und teilautonomen Gebieten von Mitgliedstaaten, EuZW 1997, 45; Zenker, Zur Vollstreckbarkeit insolvenzrechtlicher Titel nach der EuVTVO – zugleich ein Beitrag zur Auslegung von Art. 25 EuInsVO, in: FS Daphne-Ariane Simotta (2012) 741.
8 Dazu Rauscher/Rauscher (2015), Art. 41 Brüssel IIa-VO Rz. 1 f. 9 Europäischer Rat (Tampere), Schlussfolgerungen des Vorsitzes, 15./16.10.1999, NJW 2000, 1925 Nr. 33 f.; Rat der EU, Maßnahmenprogramm, ABl. EG 2001 C 12/1, 9, das als 3. Maßnahmenstufe für alle Rechtsgebiete die Abschaffung des Exequaturverfahrens vorsieht.
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Art. 2 EG-VollstrTitelVO Anwendungsbereich
I. Sachlicher Anwendungsbereich 1
Die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereiches erfolgt in zwei Schritten. Zunächst beschreibt Art. 2 EG-VollstrTitelVO den Anwendungsbereich anhand erfasster Rechtsgebiete. In einem zweiten Schritt erfolgt eine Eingrenzung auf den Typus der unbestrittenen Forderung (Art. 3 EG-VollstrTitelVO). Diese Aufspaltung hat historische Gründe. Art. 2 EG-VollstrTitelVO stammt inhaltlich aus Art. 1 Brüssel I-VO. Die Übernahme verdeutlicht, dass beide Verordnungen dieselben Rechtsgebiete erfassen. 1. Parallelität zur Brüssel Ia-VO
2
Art. 2 EG-VollstrTitelVO entspricht nahezu wörtlich Art. 1 Brüssel I-VO und ähnelt stark Art. 1 Brüssel Ia-VO. Jedoch wird nicht die Anwendung der Zuständigkeitsbestimmungen der Brüssel I-VO/ Brüssel Ia-VO im Erkenntnisverfahren vorausgesetzt. Auch wenn das Gericht sich aufgrund nationaler Regeln für zuständig erklärte (weil es sich z.B. um einen reinen Inlandsfall handelte) ist im Bestätigungsverfahren der sachliche Anwendungsbereich ausschließlich nach Art. 2 EG-VollstrTitelVO zu prüfen.1
3
Die VO ist nicht lex specialis zur Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO. Jedes Verfahren nach dieser VO fällt auch in den sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO, die freilich keine weiteren den sachlichen Anwendungsbereich des Art. 1 Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO einschränkenden Regelungen enthält. Ihr Anerkennungs- und Vollstreckungsregime ist sowohl für Entscheidungen (Art. 33, 38 Brüssel I-VO) als auch für gerichtliche Vergleiche (Art. 58 Brüssel I-VO) und öffentliche Urkunden (Art. 57 Brüssel I-VO) anwendbar. Gleiches gilt für die Brüssel Ia-VO.
4
Liegen die Voraussetzungen der Art. 2 EG-VollstrTitelVO und Art. 3 EG-VollstrTitelVO vor, so ist es dem Vollstreckungsgläubiger freigestellt, nach welchem Verfahren er die Vollstreckbarkeit erreichen möchte. Bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen der VO kann er zu dem gegenüber der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO nochmals deutlich vereinfachten Europäischen Vollstreckungstitel greifen. Dies stellt Art. 27 EG-VollstrTitelVO ausdrücklich klar. Fehlt es an den besonderen Voraussetzungen der EG-VollstrTitelVO, so bleibt nur der Weg des Exequaturverfahrens nach der Brüssel I-VO bzw. künftig des Verfahrens nach der Brüssel Ia-VO. 2. Zivil- und Handelssachen (Abs. 1 S. 1)
5
Die VO ist anwendbar in Zivil- und Handelssachen (Abs. 1 Satz 1). Für die Ausfüllung dieser Begriffe, insbesondere für die Abgrenzung zu hoheitlichen Tätigkeiten, ist auf die Ausfüllung derselben Begriffe in der Brüssel Ia-VO zurückzugreifen.2 Die umfangreiche Rechtsprechung des EuGH zu diesem Thema, bereits zum insoweit inhaltsgleichen EuGVÜ ergangen, kann daher genutzt werden.3 Auf die Art der Gerichtsbarkeit kommt es nicht an. Aus dem Anwendungsbereich der VO scheiden also Titel noch nicht deshalb aus, weil sie in Adhäsionsverfahren zu Strafprozessen,4 Arbeits-,5 Verwaltungs-, oder Sozialverfahren oder in Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit erlassen wurden. Entscheidend ist, ob sie der Sache nach Zivil- und Handelssache sind und die weiteren Kriterien der VO erfüllen.
5a
Neben Vollstreckungsbescheiden, Anerkenntnisurteilen, Versäumnisurteilen, Prozessvergleichen und öffentlichen Urkunden sind auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse als Zivilsachen zu qualifizieren.6 Ebenso zählen aufgrund ihrer privatnützigen Beugefunktion, dem Charakter als Parteiverfahren und 1 2 3 4 5
Hök, ZAP 2005, 1099, 1101. Dazu Rauscher/Mankowski (2021), Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 1 ff. Hüßtege, FS Jayme (2004) 371, 372. Okon´ska, Rejent 2007, 90, 103. Dies wird auch durch den vom EG-VollstrTitelDG eingefügten § 13a ArbGG deutlich, der das 11. Buch der ZPO vor den ArbG zur Anwendung bringt. 6 BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, IPRax 2013, 267 = NJW 2012, 858; OLG Stuttgart v. 3.6.2008 – 8 W 223/08, NJW-RR 2009, 934, 935; OLG München v. 30.4.2007 – 6 W 687/07, NJW-RR 2007, 1582, 1583; OLG Stuttgart v. 24.5.2007 – 8 W 184/07, NJW-RR 2007, 1583, 1584.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 2 EG-VollstrTitelVO
der systematischen Wertung von Art. 49 Brüssel I-VO/Art. 55 Brüssel Ia-VO Zwangs- und Ordnungsgeldbeschlüsse nach §§ 888, 890 ZPO zu den Zivilsachen im Sinne der Verordnung.7 3. Ausschluss von öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Abs. 1 S. 2) Die in Abs. 1 Satz 2 ausgeschlossenen öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten umfassen neben den 6 auch in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 Brüssel Ia-VO ausdrücklich genannten Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten8 auch ausdrücklich die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta iure imperii“). Die Erwähnung im Normtext geht auf die deutsche Delegation im Rat zurück.9 Durch die ausdrückliche Aufnahme in den Verordnungstext sollte klargestellt werden, dass Entscheidungen, in denen der Staat wegen deutscher Kriegsverbrechen haftbar gemacht wird,10 nicht als EuVollstrTitel bestätigt werden können.11 Zwar ist die Staatshaftung in der Brüssel I-VO nicht explizit genannt, jedoch wurde bereits Art. 1 Brüssel I-VO in ständiger Rechtsprechung dahin ausgelegt, dass die Staatshaftung nicht in den Anwendungsbereich fällt.12 Die ausdrückliche Aufnahme hier sollte allein klarstellende Funktion besitzen13 und sich nicht als Umkehrschluss auf die Brüssel I-VO auswirken.14 Art. 1 Abs. 1 Brüssel IaVO wurde um den in dieser VO enthaltenen Passus ergänzt. Es besteht mithin insoweit kein Unterschied im Anwendungsbereich der drei Verordnungen. Ausgeschlossen sind Ansprüche, die aufgrund der Ausübung hoheitlicher Befugnisse entstanden sind; eingeschlossen sind dagegen Ansprüche aus privatrechtlicher Tätigkeit der öffentlichen Hand.15
7
4. Ausgeschlossene zivilrechtliche Materien (Abs. 2) a) Parallele zur Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO Die in Abs. 2 aufgeführten vom Anwendungsbereich ausgeschlossenen Materien entsprechen denen in Art. 1 Abs. 2 Brüssel I-VO, welche auch in Art. 1 Abs. 2 Brüssel Ia-VO übernommen wurden, so
7 EuGH v. 18.10.2011 – C-406/09, ECLI:EU:C:2011:668 – Realchemie Nederland BV vs. Bayer CropScience AG Rz. 44, NJW 2011, 3568; BGH v. 25.3.2010 – Az I ZB 116/08, FamRZ 2010, 890 = NJW 2010, 1883, 1884 f.; NK-ZV/Stürner, Rz. 2a; Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 4; Giebel, IPRax 2011, 529, 530; Bittmann, IPRax 2012, 62, 65; Bittmann, GPR 2012, 84, 86; Böttger, GRUR-Prax. 2013, 484; a.A. Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 34a; Strasser, Rpfleger 2009, 397. 8 VGH München v. 10.10.2016 – 4 ZB 16.1295, NJW 2017, 344, 345; im Einzelnen s. Rauscher/Mankowski (2021), Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 29 ff. 9 Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 30.6.2003, 10660/03, 2 (Art. 2 Abs. 2 lit. e); Rat der EU, Vermerk der deutschen Delegation, 28.7.2003, 11813/03, 2 (Art. 2). 10 Jayme/Kohler, IPRax 2004, 481, 486; nach Ansicht des BGH fällt diese Materie nicht in den Anwendungsbereich der Brüssel I-VO: BGH v. 26.6.2003 – III ZR 245/98, BGHZ 155, 279; nun auch klargestellt vom EuGH v. 15.2.2007 – C-292/05, ECLI:EU:C:2007:102 – Lechouritou u.a. vs. Bundesrepublik Deutschland Rz. 37 ff. 11 Kropholler/von Hein, Rz. 2; Fasching/Rechberger, Rz. 2. 12 EuGH v. 14.10.1976 – Rs. 29/76, ECLI:EU:C:1976:137 – LTU Lufttransportunternehmen GmbH & Co KG vs. Eurocontrol Rz. 4, EuGHE 1976, 1541 = NJW 1977, 489 m. Anm. Geimer 492; EuGH v. 16.12.1980 – C-814/79, ECLI:EU:C:1980:291 – Niederlande vs. Reinhold Rüffer Rz. 8 ff., EuGHE 1980, 3807 = IPRax 1981, 169 stellen klar, dass jedes hoheitliche Tätigwerden den Anwendungsbereich ausschließt; EuGH v. 21.4.1993 – C-172/91, ECLI:EU:C:1993:144 – Volker Sonntag vs. Hans Waidmann, Elisabeth Waidmann, Stefan Waidmann Rz. 19 ff., EuGHE 1993 I 1990 = IPRax 1994, 37 m. Anm. Heß, 10 zieht dann ausdrücklich die Grenze zwischen eingeschlossenen acta iure gestionis und ausgeschlossenen acta iure imperii. 13 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 8 (Art. 2); EuGH v. 15.2.2007 – C-292/05, ECLI:EU:C: 2007:102 – Lechouritou u.a. vs. Bundesrepublik Deutschland Rz. 45; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 180. 14 Diese Möglichkeit sieht Tagaras in Nuyts/Watté (Hrsg.), International civil litigation in Europe and relations with third states (2005) S. 563, 572. 15 Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 15; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 391; Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1543 nennt beispielhaft Bauverträge mit der öffentlichen Hand als regelmäßig nicht-hoheitliche Handlungen.
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8
Art. 2 EG-VollstrTitelVO Anwendungsbereich dass die dort bereits erfolgte Begriffsausfüllung zu übertragen ist.16 Nebenforderungen wie z.B. Anwaltsgebühren, die für sich nicht in den Anwendungsausschluss fallen würden, folgen der Hauptforderung, so dass der Anwendungsbereich auch insoweit nicht eröffnet ist.17 Ebenso folgen Sekundäransprüche wie gesetzliche oder vertragliche Schadensersatzansprüche stets der Natur des Hauptanspruches.18 b) Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO 9
Insbesondere ist der gesamte Anwendungsbereich der Brüssel IIa-VO von der VO nicht erfasst. Dort bleibt es bei dem Anerkennungsverfahren nach der Brüssel IIa-VO als einzigem zur Verfügung stehendem Verfahren, soweit nicht die Brüssel IIa-VO selbst – für Kindesherausgabe- und Umgangsregelungen – das Modell des Vollstreckungstitels einsetzt.19 c) Unterhaltssachen
10
Unterhaltsentscheidungen waren ursprünglich umfassend von der VO ebenso erfasst, wie sie von der Brüssel I-VO erfasst waren.20 Zwar hatten im Rechtssetzungsverfahren verschiedene Delegationen im Rat einen Ausschluss von Unterhaltssachen vorgeschlagen.21 Der Normtext wie auch dessen Sinn und Zweck gaben jedoch keinen Anlass zu einer von Art. 1 Brüssel I-VO abweichenden Beurteilung. Art. 4 Nr. 3 lit. b EG-VollstrTitelVO lieferte sogar ein vergleichbares Argument wie Art. 5 Nr. 2 Brüssel I-VO. Vor einer Verwaltungsbehörde geschlossene und von ihr beurkundete Unterhaltsvereinbarungen sind ausdrücklich als öffentliche Urkunde i.S.d. VO anzusehen. Mithin musste das Unterhaltsrecht auch im Übrigen in den sachlichen Anwendungsbereich fallen.
11
Ist die EG-VollstrTitelVO anwendbar, so können auch im Zusammenhang mit Statusentscheidungen, also im Verbund mit einer Ehe- oder Kindschaftssache ergangene Titel, soweit sie den Unterhalt betreffen, als EuVollstrTitel bestätigt werden.22 Die einzelnen Folgesachen im Verbund mit der Ehesache werden also auch in Ansehung des sachlichen Anwendungsbereichs der EG-VollstrTitelVO getrennt behandelt. Die Brüssel IIa-VO erfasst lediglich die Ehesache als Statusverfahren und Entscheidungen über die elterliche Verantwortung. Sie stellt keinen umfassenden Scheidungsverbund her. Unterhaltssachen werden ausdrücklich (ErwGr. 11 Brüssel IIa-VO) von deren Anwendungsbereich ausgegrenzt und wurden damit seinerzeit innerhalb der Brüssel I-VO und damit auch der EG-VollstrTitelVO belassen.
11a
Mit dem Inkrafttreten der EG-UntVO am 18.6.2011 (Art. 76 Abs. 3 EG-UntVO) wird die EG-VollstrTitelVO jedoch in Unterhaltssachen verdrängt, soweit nach der EG-UntVO Titel in Mitgliedstaaten, die an das HUntStProt 2007 gebunden sind, ausgestellt werden (Art. 68 Abs. 2 EG-UntVO). Eine entsprechende Anpassung des Wortlauts der EG-VollstrTitelVO erfolgte nicht. Die EG-UntVO stellt für Mitgliedstaaten, die an das HUntStProt 2007 gebunden sind, ein der EG-VollstrTitelVO vergleichbares Verfahren der unmittelbaren Vollstreckbarkeit in den anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung (Art. 17 ff. EG-UntVO). Dieses Verfahren kommt in den bezeichneten Mitgliedstaaten zur Anwendung, wenn das Erkenntnisverfahren ab dem 18.6.2011 eingeleitet wurde, ein gerichtlicher Vergleich ab diesem Datum gebilligt oder geschlossen wurde oder eine öffentliche Urkunde ab diesem Datum ausgestellt wurde (Art. 75 Abs. 1 EG-UntVO). Soweit diese Voraussetzungen erfüllt sind, kommt eine Bestätigung nach der EG-VollstrTitelVO nicht in Betracht. 16 Giebel, IPRax 2011, 529, 530. 17 Nagel/Gottwald, IZPR § 14 Rz. 14.38. 18 Rauscher, IPRax 2011, 484, 488; a.A. KG v. 24.6.2010 – 3 WF 49/10, NJOZ 2010, 2516, 2517 (Schadensersatz für Kosten der Rechtsverfolgung hinsichtlich eines Zugewinnanspruchs). 19 Die Brüssel IIa-VO stellt in Art. 40 ff. für Umgangsrechtssachen und Kindesherausgabesachen ein der VO vergleichbares Verfahren ohne Exequatur zur Verfügung. 20 Fasching/Rechberger, Rz. 1; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 2; Knittel, JAmt 2006, 477; Rausch, FuR 2005, 437, 438; Rausch, FPR 2007, 448, 450. 21 Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 20.12.2002, 15783/02, 2; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 17.10.2003, 13334/03, 2. 22 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 43.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 2 EG-VollstrTitelVO
Im Übrigen bleibt die EG-VollstrTitelVO in Unterhaltssachen anwendbar. Dies gilt folglich für alle vor dem Stichtag eingeleiteten Verfahren unabhängig vom Urteilszeitpunkt sowie für alle vor dem Stichtag gebilligten und geschlossenen gerichtlichen Vergleiche und ausgestellten öffentlichen Urkunden. Dies galt ebenso für Unterhaltstitel aus dem Vereinigten Königreich, welches kein opt-in für die Ratifizierung des HUntStProt 2007 durch die EU erklärte und dies auch eigenständig nicht vorgenommen hat. Für das Vereinigte Königreich blieb es daher bei einem Vollstreckungssystem mit Exequaturverfahren (Art. 23 ff. EG-UntVO).Zur Anwendbarkeit nach dem BREXIT s. nun aber Art. 26 EG-VollstrTitelVO Rz. 9a.
11b
d) Konkurssachen Die VO gilt nicht für Konkursverfahren.23 Jedoch findet sie aufgrund der Verweisung aus Art. 32 12 Abs. 1 S. 2 EuInsVO 2015 (ex Art. 25 Abs. 1 S. 2 EG-InsVO 2000) auf Vollstreckungsverfahren aus den dort aufgeführten Titeln24 Anwendung. Die Verweisung ging in der EG-InsVO ihrem Wortlaut nach in das EuGVÜ, war aber nach Erlass der Brüssel I-VO als Verweisung auf diese VO zu verstehen und nach Inkrafttreten der Brüssel Ia-VO auch als Verweis auf jene. Mit der Neufassung der EuInsVO richtet sich heute auch der Verweis direkt auf die Brüssel Ia-VO. Da Art. 2 EG-VollstrTitelVO einen mit der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO parallelen Anwendungsbereich sicherstellen soll, sind Art. 25 Abs. 2 S. 2 EG-InsVO und Art. 32 Abs. 1 S. 2 EuInsVO auch in der Weise dynamisch zu verstehen, dass nunmehr auch auf die EG-VollstrTitelVO verwiesen wird.25 Nur so kann ein Gleichlauf der sachlichen Anwendungsbereiche der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO und der EG-VollstrTitelVO sichergestellt werden. Ausgeschlossen sind jedoch Einzelverfahren, z.B. Anfechtungsklagen, die sich auf ein Insolvenzverfahren beziehen, wenn sie unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und sich eng innerhalb des Rahmens eines Insolvenzverfahrens halten, insbesondere, wenn diese nicht auch ohne Insolvenzeröffnung erhoben werden können.26 S. im Übrigen bei Rauscher/Mankowski (2021), Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 148.
13
II. Räumlicher Anwendungsbereich 1. Titel aus Mitgliedstaaten Die VO ist anwendbar, wenn die Entscheidung innerhalb ihres räumlichen Anwendungsbereichs ergangen, der Vergleich räumlich dort geschlossen oder die öffentliche Urkunde dort aufgenommen wurde. Der räumliche Anwendungsbereich reicht grundsätzlich so weit wie der des AEUV27 und bezieht sich in gleicher Weise auf die Herkunft des Titels und die Vornahme der Vollstreckung wie im Anerkennungs- und Vollstreckungssystem der Brüssel I- und der Brüssel IIa-VO.
14
Abs. 3 stellt klar, dass – aufgrund der räumlich eingeschränkten Kompetenz der Art. 67 ff. AEUV (ex Art. 61 ff. EGV), auf der die VO beruht – in und gegenüber Dänemark die VO nicht anwendbar ist (vgl. Einl. EG-VollstrTitelVO Rz. 25). Zum einen können daher als EuVollstrTitel bestätigte Entscheidungen, Vergleiche und Urkunden nicht aufgrund der Bestätigung unmittelbar in Dänemark vollstreckt werden; zum anderen ist es nicht möglich, dänische Entscheidungen, Vergleiche und Urkun-
15
23 Aktivprozesse des Insolvenzverwalters fallen jedoch nicht in diese Ausnahme, die VO ist anwendbar, Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1543. 24 Vgl. dazu Rauscher/Mäsch, Art. 32 EuInsVO Rz. 3 f. 25 LG Aachen v. 17.7.2015 – Az 6 T 44/15, NZI 2015, 871; Schollmeyer, IPRax 2003, 227, 230; Schlosser/Hess/ Schlosser, Rz. 1; mit detaillierter dogmatischer Begründung Zenker, FS Simotta (2012) 741; dem zugeneigt König, IPrax 2008, 141, 142; a.A. Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 11. 26 Fasching/Rechberger, Rz. 2. 27 EuGH v. 16.2.1978 – 61/77, ECLI:EU:C:1978:29 – Kommission vs. Irland, EuGHE 1978, 417 Rz. 45/51, NJW 1978, 1737; Streinz/Kokott, EUV/AEUV3 (2018) Art. 52 EUV Rz. 1.
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Art. 2 EG-VollstrTitelVO Anwendungsbereich den für die Vollstreckung in einem Mitgliedstaat als EuVollstrTitel zu bestätigen.28 Die Erstreckung der VO mittels eines völkerrechtlichen Vertrages29 ist nicht vorgesehen.30 16
Im Übrigen gilt die VO unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der EU. Es bedarf keiner Umsetzung durch die nationalen Gesetzgeber. Dies betrifft sowohl die Staaten, die nach der Verabschiedung der VO der EU am 1.5.2004 beitraten – hier gilt hinsichtlich Inkrafttreten und Geltungsbeginn das gleiche wie für die 15 Altstaaten31 – als auch die erst nach dem ersten Inkrafttreten der VO der EU beitretenden Staaten – hier gilt die VO vom Tag des Beitritts an32 (s. Art. 26 EG-VollstrTitelVO Rz. 4). Seit 1.1.2007 beansprucht sie so auch in und gegenüber Bulgarien und Rumänien Geltung, seit 1.7.2013 in und gegenüber Kroatien.33 Beitrittsverträge mit weiteren Staaten sind derzeit nicht geschlossen.
17
In den Beitrittsakten 2003, 2005 und 2011 für die im Jahre 2004, 2007 bzw. 2013 in die EU aufgenommenen Mitgliedstaaten wurde die Möglichkeit einschränkender Schutzmaßnahmen vorgesehen, die gegenüber einzelnen Staaten für einen Übergangszeitraum ergriffen werden können.34 Trotz zum Teil gravierender Bedenken ist hiervon kein Gebrauch gemacht worden.35
18
Nationale Vollstreckungstitel, die in Drittstaaten entstanden sind, können nicht als EuVollstrTitel bestätigt werden und mithin in keinem Mitgliedstaat aufgrund der VO unmittelbar vollstreckt werden. 2. Erfasste exterritoriale Gebiete einzelner Mitgliedstaaten
19
In den in Art. 355 Abs. 1 AEUV genannten Gebieten ist das EU-Recht vollständig anwendbar, es sei denn, es wird eine besondere Maßnahme vom Rat nach Art. 349 AEUV beschlossen. Die VO gilt folglich für Frankreich auch in Guadeloupe, Guyana, Martinique, Réunion, Saint Martin. Seit dem 1.1.2014 gilt sie auch in Mayotte.36 Saint Barthélemy schied am 1.1.2012 aus.37 Für Portugal gilt die VO auf den Azoren und Madeira, für Spanien auf den Kanarischen Inseln.38 Die VO gilt zudem in den nordafrikanischen Exklaven Ceuta und Melilla, die integraler Bestandteil des spanischen Staates sind.39
20
Hinsichtlich Finnlands ist auch für die Ålandinseln der AEUV und damit das diese VO einschließende europäische Sekundärrecht anzuwenden (Art. 355 Abs. 4 AEUV).40
21
Mit dem Vereinigten Königreich erstreckten sich die Wirkungen des AEUV und dieser VO auch auf Gibraltar (Art. 355 Abs. 3 AEUV).41 Die in Art. 28 Beitrittsakte 197242 gemachten Ausnahmen sind für das EuZPR nicht einschlägig. Aufgrund des BREXIT ist die VO jedoch auch dort seit dem 1.1.2021 nicht mehr anwendbar, s. Art. 26 Rz. 9a.
28 Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 1 Rz. 10. 29 Vgl. für die Erstreckungsübereinkommen für die Brüssel I-VO (ABl. EU 2005 L 299/62, in Kraft getreten am 1.7.2007, ABl. EU 2007 L 94/70) und die EG-ZustVO (ABl. EU 2005 L 300/55, in Kraft getreten am 1.7.2007, ABl. EU 2007 L 94/70). 30 Fasching/Rechberger, Rz. 3. 31 Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 181. 32 Hess, FS Leipold (2009) 237, 243; Hess, IPRax 2004, 374. 33 Art. 4 Abs. 2 Beitrittsvertrag 2005, ABl. 2005 L 157/11. 34 Art. 39 Beitrittsakte 2003, Art. 38 Beitrittakte 2005, Art. 39 Beitrittsakte 2011; dazu Zila, Die neuen Schutznormen der Beitrittsabkommen der Europäischen Union (2007) S. 111 ff. 35 Hess, FS Leipold (2009) 237, 244; s. jedoch zu Problemen in Rumänien Schwarz, FAZ 17.7.2008 S. 3. 36 Art. 1 Beschluss 2012/419/EU, ABl. EU 2012 L 204/131. 37 Art. 1 Beschluss 2010/718/EU, ABl. EU 2010 L 325/4. 38 Streinz/Kokott, EUV/AEUV3 (2018) Art. 355 AEUV Rz. 4. 39 Art. 25 Beitrittsakte 1985, ABl. 1985 L 302/23; Sack, EuZW 1997, 45, 49. 40 Sack, EuZW 1997, 45, 49; Streinz/Kokott, EUV/AEUV3 (2018), Art. 355 AEUV Rz. 9. 41 Gibraltar ist der einzige Anwendungsfall dieser Vorschrift, die ursprünglich für das Saarland geschaffen wurde, Sack, EuZW 1997, 45, 50; Streinz/Kokott, EUV/AEUV3 (2018), Art. 355 AEUV Rz. 7. 42 ABl. EG 1972 L 73/1.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 2 EG-VollstrTitelVO
3. Gebiete, in denen die VO nicht anzuwenden ist Zweifelsfrei nicht vom EU-Recht erfasst werden Andorra und der Vatikan. Diese Gebiete sind, wenngleich gänzlich von EU-Staaten umgeben, eigenständige Staaten, die ihre Souveränität vollständig ausüben. Monaco und San Marino sind teilweise mit Frankreich bzw. Italien verbunden, nehmen ihre auswärtigen Beziehungen jedoch selbst wahr, weswegen als Umkehrschluss aus Art. 355 Abs. 3 AEUV das EU-Recht keine Anwendung findet.43
22
Art. 355 Abs. 2 AEUV bestimmt für die in Anhang II zum AEUV genannten Gebiete ein besonderes Assoziierungssystem. Folglich ist der AEUV als Ganzes und damit die VO, erlassen aufgrund der allgemeinen Kompetenzen des AEUV (ex EGV), in diesen Gebieten nicht anwendbar.44 Dies betrifft die überseeischen Gebiete Frankreichs,45 der Niederlande46 und des Vereinigten Königreiches (auch vor dem BREXIT).47
23
In denjenigen Teilen Zyperns, in denen die Regierung der Republik Zypern keine tatsächliche Kontrolle ausübt und in denen die Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstandes ausgesetzt ist (das von der Türkei besetzte Nordzypern), findet die VO keine Anwendung.48 Betreffend die britischen Hoheitsgebiete auf Zypern (Akrotiri und Dhekelia) finden nach Maßgabe des Protokolls Nr. 3 zur Beitrittsakte 200349 nur sehr restriktiv Regelungen des AEUV Anwendung (Art. 355 Abs. 5 lit. b EGV). Art. 81 AEUV (ex Art. 65 EGV) zählt nicht dazu, die auf diesem Kompetenztitel beruhende VO findet daher in den genannten Gebieten keine Anwendung.
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Für die Zeit bis zum 31.12.2020 war problematisch, ob auf den zum Vereinigten Königreich gehörenden Kanalinseln (Guernsey, Jersey, Alderney und Sark) und der Isle of Man die VO anwendbar ist. Art. 355 Abs. 5 lit. c AEUV ordnet eine eingeschränkte Geltung des AEUV nach Maßgabe des Protokolls Nr. 3 zur Beitrittsakte 197250 an. Danach finden die Vorschriften der Gemeinschaft „zur Gewährleistung des freien Warenverkehrs und der Einhaltung normaler Wettbewerbsbedingungen im Handel“ Anwendung. Auch wenn man berücksichtigt, dass für Maßnahmen nach Art. 81 AEUV (ex Art. 65 EGV) in der Regel das Erfordernis der Maßnahme für das „reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes“ notwendig ist, so kann der Binnenmarkt nicht mit dem freien Warenverkehr und den Wettbewerbsbedingungen gleichgesetzt werden. Der Binnenmarkt umfasst sämtliche Grundfreiheiten der Gemeinschaft, der freie Warenverkehr und das Wettbewerbsrecht bilden lediglich einen Ausschnitt. Art. 81 AEUV (ex Art. 65 EGV), der auch die Kompetenz für den Erlass familienrechtlicher Normen schafft, kann nicht mehr unter die restriktiven Anwendungsregeln des Protokolls Nr. 3 zur Beitrittsakte 1972 gefasst werden. Die VO fand somit dort auch vor dem BREXIT keine Anwendung.51
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III. Persönlicher Anwendungsbereich Die Verordnung sieht hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereiches keine Einschränkungen vor. Es kommt für die Bestätigung als EuVollstrTitel wie auch für die Vollstreckung aus diesem also auf keine Eigenschaften in der Person des Gläubigers oder Schuldners an. Diese müssen weder ihren 43 Streinz/Kokott, EUV/AEUV3 (2018), Art. 355 AEUV Rz. 8. 44 Streinz/Kokott, EUV/AEUV3 (2018), Art. 355 AEUV Rz. 6. 45 Neukaledonien und Nebengebiete, Französisch-Polynesien, Französische Süd- und Antarktisgebiete, Wallis und Futuna, St. Pierre und Miquelon sowie seit 1.1.2012 Saint Barthélemy (Beschluss 2010/718/EU, ABl. EU 2010 L 325/4); Mayotte wurde zum 1.1.2014 Teil der EU (Art. 1 Beschluss 2012/419/EU, ABl. EU 2012 L 204/131). 46 Aruba, Curaçao, Sint Maarten, Bonaire, Sint Eustatius und Saba. 47 Anguilla, den Kaimaninseln, den Falklandinseln, Südgeorgien und den südlichen Sandwichinseln, Montserrat, Pitcairn, St. Helena und Nebengebieten, dem britischen Antarktis-Territorium, dem britischen Territorium im Indischen Ozean, den Turks- und Caicosinseln, den Britischen Jungferninseln und Bermuda. 48 Beitrittsakte 2003, Protokoll Nr. 10 über Zypern, ABl. 2003 L 236/955; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 390. 49 Beitrittsakte 2003, Protokoll Nr. 3 über die Hoheitszonen des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland auf Zypern, ABl. 2003 L 236/940. 50 Beitrittsakte 1972, Protokoll Nr. 3 betreffend die Kanalinseln und die Insel Man, ABl. EG 1972 L 73/164. 51 Im Ergebnis ebenso Kropholler/von Hein, Einl. Brüssel I-VO Rz. 52.
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Art. 2 EG-VollstrTitelVO Anwendungsbereich (gewöhnlichen) Aufenthalt oder Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben, noch müssen sie die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates besitzen. Beklagte aus Drittstaaten müssen daher, wenn sie sich dem Prozess in einem Mitgliedstaat der EU nicht stellen, befürchten, dass die Vollstreckung in ihr gesamtes in der EU (mit Ausnahme Dänemarks) belegenes Vermögen erfolgt. Die EU stellt insoweit nach außen einen einheitlichen Rechtsraum dar. Einschränkungen ergeben sich aber hinsichtlich von Verbrauchern aus Art. 6 Abs. 1 lit. d EG-VollstrTitelVO (s. Art. 6 EG-VollstrTitelVO Rz. 31 ff.). 27
Dies entspricht dem Anwendungsbereich der Anerkennungs- und Vollstreckungsvorschriften der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO. Auch dort kommt es nur noch darauf an, dass die Entscheidung in einem Mitgliedstaat ergangen ist. Nicht entscheidend sind – anders als für die Vorschriften über die Zuständigkeit (Art. 3, 4 Brüssel I-VO/Art. 5, 6 Brüssel Ia-VO) – in der Person der Parteien liegende Voraussetzungen. Eine Bestätigung als EuVollstrTitel ist also durchaus auch dann möglich, wenn die Zuständigkeit für das Ausgangsverfahren sich nach dem nationalen Prozessrecht gerichtet hat, etwa, wenn der Beklagte Wohnsitz in einem Drittstaat hat. Zwar wird das Bedürfnis für eine Bestätigung als EuVollstrTitel nur auftreten, wenn der Beklagte zumindest verwertbares Vermögen in einem Mitgliedstaat hat, Anwendungsvoraussetzung ist dies jedoch nicht.
27a
Soweit darauf hingewiesen wird, dass „reine Inlandsfälle“ nicht in den Anwendungsbereich der EG-VollstrTitelVO fallen,52 ist dies richtig, aber auch selbstverständlich. Die Vollstreckung im Ursprungsmitgliedstaat erfolgt aufgrund der dortigen nationalen Volltreckungsvoraussetzungen, nicht aber aufgrund einer dort erfolgten Bestätigung als EuVollstrTitel. Die Verordnung setzt es als selbstverständlich voraus, dass Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat verschieden sind. Dies folgt bereits aus der für den Erlass der Verordnung maßgeblichen Kompetenzgrundlage, die grenzüberschreitende Bezüge verlangt und nicht die umfassende Regelung des nationalen Zivilverfahrensrechtes durch europäisches Recht gewährt (Art. 81 Abs. 1 AEUV).
27b
Sobald jedoch die Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat erfolgen soll, kann die Verordnung zur Anwendung gelangen. Ein Auslandsbezug bereits während des Erkenntnisverfahrens bis hin zum Urteil ist nicht erforderlich.53 Die Rechtsprechung verlangt vom Gläubiger bereits frühzeitig einen Hinweis, dass eine solche Vollstreckung im Ausland und daher eine Bestätigung als EuVollstrTitel beabsichtigt ist, um das Erkenntnisverfahren in einer Art und Weise durchzuführen, dass es einer Überprüfung im Bestätigungsverfahren standhält.54 Dem kann so nicht zugestimmt werden. Wird ein einheitlicher Rechtsraum postuliert, so ist auch allgemein darauf zu achten, dass stets eine Vollstreckung nach den europäischen Vorschriften möglich ist. Vom Gläubiger ist hierfür kein ausdrücklicher Hinweis zu verlangen, zumal es sich auch zu einem späteren Zeitpunkt erst ergeben kann, dass eine Vollstreckung im EU-Ausland notwendig wird. Jedenfalls bei Vorliegen eines Hinweises ist aufgrund der verfassungsrechtlichen Justizgewährungsanspruches von einer Pflicht des Gerichts auszugehen, die Anforderungen im Bestätigungsverfahren bereits im Erkenntnisverfahren zu beachten. Bei einer Pflichtverletzung können Amtshaftungsansprüche gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG ausgelöst werden.55
IV. Zeitlicher Anwendungsbereich 28
Die VO enthält eine ausdrückliche Übergangsbestimmung in Art. 26 EG-VollstrTitelVO (s. dort).
52 S. OLG Hamm v. 30.10.2007 – 21 U 80/07, BeckRS 2007, 18789; Giebel, IPRax 2011, 529, 530. 53 Hof Amsterdam, NIPR 2010 Nr. 199; Kropholler/von Hein, Art. 3 Rz. 1; Fasching/Rechberger, Art. 3 Rz. 2. 54 OLG Düsseldorf v. 17.3.2010, Az I-24 W 17/10, Rpfleger 2010, 604: „Die Gläubigerin hat es sich selbst zuzuschreiben, dass sie bei der Einleitung des Kostenfestsetzungsverfahrens nicht auf ihre Absicht, den Kostenfestsetzungsbeschluss außerhalb Deutschlands in der Europäischen Union vollstrecken zu lassen, hingewiesen hat.“ 55 Giebel, IPRax 2011, 529, 530; s. auch Papier/Shirvani in MünchKomm/BGB/, § 839 BGB Rz. 263, 297; Zöller/ Geimer, Art. 17 Rz. 2.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 3 EG-VollstrTitelVO
Artikel 3 Vollstreckungstitel, die als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden (1) Diese Verordnung gilt für Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden über unbestrittene Forderungen. Eine Forderung gilt als „unbestritten“, wenn a) der Schuldner ihr im gerichtlichen Verfahren ausdrücklich durch Anerkenntnis oder durch einen von einem Gericht gebilligten oder vor einem Gericht im Laufe eines Verfahrens geschlossenen Vergleich zugestimmt hat oder b) der Schuldner ihr im gerichtlichen Verfahren zu keiner Zeit nach den maßgeblichen Verfahrensvorschriften des Rechts des Ursprungsmitgliedstaats widersprochen hat oder c) der Schuldner zu einer Gerichtsverhandlung über die Forderung nicht erschienen oder dabei nicht vertreten worden ist, nachdem er zuvor im gerichtlichen Verfahren der Forderung widersprochen hatte, sofern ein solches Verhalten nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats als stillschweigendes Zugeständnis der Forderung oder des vom Gläubiger behaupteten Sachverhalts anzusehen ist oder d) der Schuldner die Forderung ausdrücklich in einer öffentlichen Urkunde anerkannt hat. (2) Diese Verordnung gilt auch für Entscheidungen, die nach Anfechtung von als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen oder öffentlichen Urkunden ergangen sind. I. Bestätigungsfähige Titel . . . . . . . . . . .
1
II. Titel über Forderung . . . . . . . . . . . . .
3
III. Forderung blieb unbestritten . . . . . . . . 1. Schuldner wirkt aktiv mit . . . . . . . . . . a) Aktives Nichtbestreiten . . . . . . . . . . b) Anerkenntnisurteil (Abs. 1 S. 2 lit. a Alt. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . c) Gerichtlicher Vergleich (Abs. 1 S. 2 lit. a Alt. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . (3) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . d) Anerkenntnis in öffentlicher Urkunde (Abs. 1 S. 2 lit. d) . . . . . . . . . . . . . . 2. Schuldner bleibt passiv . . . . . . . . . . . . a) Passivität als Interpretationsgrundlage für Nichtbestreiten . . . . . . . . . . . . . b) Schuldner hat im Verfahren nicht widersprochen (Abs. 1 S. 2 lit. b) . . . . . . . .
4 5 5 6 6 9 10 10 13 16 17 18 18
(1) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fallgruppen . . . . . . . . . . . . . . . (3) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . (4) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schuldner erscheint nach Widerspruch nicht zum Termin (Abs. 1 lit. c) . . . . . (1) Definition . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Deutschland . . . . . . . . . . . . . . (3) Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . (5) Italien und Polen . . . . . . . . . . . . (5) Irland . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsbehelfsentscheidungen (Abs. 2) . . . 1. Normgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestätigung von Rechtsmittelentscheidungen als EuVollstrTitel . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsmittel gegen als EuVollstrTitel bestätigte Entscheidung . . . . . . . . . . b) Verhältnis von Abs. 2 zu Abs. 1 . . . . . . c) Form der Bestätigung . . . . . . . . . . .
19 22 26 30 33 33 36 42 43 44 44a 45 45 46 46 48 51
19
I. Bestätigungsfähige Titel Von der VO werden im Rahmen ihres sachlichen Anwendungsbereiches (Art. 2 EG-VollstrTitelVO) erfasst: Entscheidungen (Art. 4 EG-VollstrTitelVO Rz. 3 ff.), gerichtliche Vergleiche (dieser wird in Art. 4 EG-VollstrTitelVO nicht definiert; der Begriff ging über den des Art. 58 Brüssel I-VO hinaus, Art. 2 lit. b Brüssel Ia-VO hat mit seiner Begriffserweiterung ein einheitliches Verständnis hergestellt,1
1 Rauscher/Staudinger (2021), Art. 2 Brüssel Ia-VO Rz. 26.
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1
Art. 3 EG-VollstrTitelVO Vollstreckungstitel, die als EuVollstrTitel bestätigt werden s. zur Definition Rz. 10 ff. sowie Art. 24 EG-VollstrTitelVO Rz. 1) und öffentliche Urkunden (Art. 4 EG-VollstrTitelVO Rz. 26 ff.). 2
Gerichtliche Entscheidungen werden nach Art. 5 ff. EG-VollstrTitelVO bestätigt. Die Bestätigung gerichtlicher Vergleiche unterliegt Art. 24 EG-VollstrTitelVO, die öffentlicher Urkunden Art. 25 EGVollstrTitelVO.
II. Titel über Forderung 3
Die in Rz. 1 genannten Titel müssen sich auf eine Forderung beziehen. Der Begriff der Forderung wird von der VO in Art. 4 Nr. 2 EG-VollstrTitelVO legaldefiniert (s. Art. 4 EG-VollstrTitelVO Rz. 8 ff.). Allein aus dieser Definition ergibt sich die Beschränkung des Anwendungsbereiches auf Geldforderungen; dies hätte zugunsten der Transparenz für den Rechtsanwender an prominenterer Stelle deutlich werden sollen.2
III. Forderung blieb unbestritten 4
Der Titel kann nur als EuVollstrTitel bestätigt werden, wenn die zugrunde liegende Forderung unbestritten geblieben ist. Der Begriff der Unbestrittenheit ist nicht im Sinne des jeweiligen nationalen Prozessrechts, sondern verordnungsautonom entsprechend der Definition in Abs. 1 S. 2 zu verstehen.3 Es werden dort unter dem Begriff „unbestrittene Forderung“ zwei verschiedene Fallgruppen erfasst. 1. Schuldner wirkt aktiv mit a) Aktives Nichtbestreiten
5
Zum einen sind Fälle aufgenommen, bei denen der Schuldner aktiv an der Entstehung des Titels mitgewirkt hat. Bei Anerkenntnisurteil, Vergleich oder vollstreckbarer Urkunde muss er eine Prozesshandlung vornehmen. Mit seinem Tätigwerden stellt er in diesen Fällen klar, dass er das Bestehen der Forderung nicht bestreitet. Die vom Schuldner vorzunehmende Prozesshandlung erfolgt regelmäßig erst nach Aufklärung durch ein Rechtspflegeorgan (Richter, Rechtspfleger, Anwalt oder Notar).4 Es steht daher innerhalb dieser Fallgruppe außer Frage, dass der Schuldner vom Verfahren wusste. b) Anerkenntnisurteil (Abs. 1 S. 2 lit. a Alt. 1) (1) Definition
6
Wann der Schuldner durch Anerkenntnis i.S.d. Abs. 1 S. 2 lit. a zugestimmt hat, muss autonom bestimmt werden. Erfasst werden muss in jedem Fall eine nach der lex fori wirksame Prozesshandlung, mit der das Bestehen der Forderung eingeräumt wird. Es werden daher aufgrund derartiger Prozesshandlungen erlassene Anerkenntnisurteile eingeschlossen.
7
Jedoch wird man es genügen lassen müssen, wenn der Schuldner im gerichtlichen Verfahren allein materiell-rechtlich wirksam ein Anerkenntnis erklärt hat, es jedoch an der prozessualen Wirksamkeit seiner Erklärung mangelt (z.B. die Erklärung des postulationsunfähigen Schuldners in der Parteivernahme), soweit ein den Anspruch stattgebendes Urteil erlassen wird, welches allein auf diesem Anerkenntnis beruht.5 2 Hingewiesen wurde die Kommission hierauf bereits während des Verordnungsgebungsverfahrens, s. Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag, http://www.brak.de/w/files/01_ueber_die_ brak/Ausschuss%20Europa%2030_090525.pdf (23.6.2021) S. 2. 3 EuGH v. 16.6.2016 – C-511/14, ECLI:EU:C:2016:448 – Pebros Servizi vs. Aston Martin Lagonda Rz. 37, 45, NJW 2016, 2311, 2312 f.; Rausch, FuR 2005, 437, 439. 4 Heß, NJW 2002, 2417, 2425. 5 Fasching/Rechberger, Rz. 5; a.A. Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 5.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 3 EG-VollstrTitelVO
Es ist unerheblich, wann das Anerkenntnis erklärt wird. Dies kann auch erst in der Rechtsmittelinstanz erfolgen. Es ist nicht erforderlich, dass die Forderung zu keiner Zeit bestritten wurde, entscheidend ist allein, dass sie nunmehr anerkannt ist.6
8
(2) Deutschland Das Anerkenntnisurteil nach § 307 ZPO erfüllt die Voraussetzungen des Abs. 1 S. 2 lit. a Alt. 1.
9
c) Gerichtlicher Vergleich (Abs. 1 S. 2 lit. a Alt. 2) (1) Definition Dem ausdrücklichen Anerkenntnis im Prozess wird der gerichtliche Vergleich gleichgestellt. Auch 10 mit diesem erkennt der Schuldner die darin titulierte Forderung ausdrücklich an. Der Begriff gerichtlicher Vergleich wird von der VO nicht definiert, in den Katalog des Art. 4 EG-VollstrTitelVO wurde er nicht aufgenommen. Auch dieser Begriff muss autonom ausgefüllt werden, der Wortlaut macht dabei deutlich, dass der Begriff weiter gehen muss als in Art. 58 Brüssel I-VO. Art. 2 lit. b Brüssel IaVO übernimmt den hier in der EG-VollstrTitelVO genutzten Begriff. Zum einen ist der im Laufe eines Verfahrens vor einem Gericht geschlossene Vergleich, der Prozess- 11 vergleich, erfasst.7 Darüber hinaus wird aber auch der außergerichtliche Vergleich, der von einem Gericht gebilligt wurde, eingeschlossen.8 Mit Billigung durch ein Gericht ist aber nicht inhaltliche Einflussnahme oder Akzeptanz gemeint.9 Selbst der Prozessvergleich ist im Wesentlichen vertraglicher Natur und wird vom Willen der Parteien bestimmt. Darüber kann bei dem außergerichtlichen Vergleich nicht hinausgegangen werden. Das zu Protokoll nehmen genügt daher.10 Die Mitwirkung eines Gerichts, sei es auch nur formell, ist dabei verbindlich vorgeschrieben.11 Dies bedeutet jedoch nicht zwingend die Mitwirkung eines Richters, auch vor dem Rechtspfleger innerhalb seiner Zuständigkeit geschlossene Vergleiche sind erfasst.12 Erforderlich ist nicht, dass durch den Vergleich das Verfahren ganz oder teilweise erledigt wird.13 Der VO unterfallen gerichtliche Vergleiche nur insoweit, wie der Anwendungsbereich der VO eröffnet ist. Insbesondere gerichtliche Vergleiche aus den in Art. 2 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO genannten Rechtsgebieten können nicht nach der VO bestätigt werden.
12
(2) Deutschland Im deutschen Recht zählen zu den vor Gericht geschlossenen Vergleichen die nach § 794 Abs. 1 13 Nr. 1 ZPO bezeichneten einschließlich derer im PKH-Bewilligungsverfahren nach § 118 Abs. 1 S. 3 ZPO und solcher im selbständigen Beweisverfahren nach § 492 Abs. 3 ZPO.14 Von der Verordnung wird die Mitwirkung des Gerichts verlangt, nicht des Richters. Die Tätigkeit des Rechtspflegers im Rahmen der ihm übertragenen Befugnisse genügt daher.15 Ein Vergleich kann auch in der Weise geschlossen werden, dass das Gericht einen Vergleichsvorschlag schriftlich unterbreitet und die Parteien diesen durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt sodann Zustandekommen und Inhalt des Vergleiches durch Beschluss fest (§ 278
6 Fasching/Rechberger, Rz. 5. 7 Allein diesen wollte der erste Kommissionsvorschlag Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 32 (Art. 25) erfassen. 8 Kropholler/von Hein, Art. 24 Rz. 2; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 456; Coester-Waltjen, FS Ansay (2006) 47, 50. 9 Wagner, IPRax 2005, 189, 192; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 181; Heringer, S. 73. 10 Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 456. 11 Kropholler/von Hein, Art. 24 Rz. 2. 12 Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 392; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR Art. 59 Brüssel Ia-VO Rz. 4. 13 Geimer/Schütze/Zenker, Art. 24 Rz. 10; Riedel, S. 5. 14 Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 392. 15 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Art. 3, 4 Rz. 4; Jennissen, InVO 2006, 218, 220.
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14
Art. 3 EG-VollstrTitelVO Vollstreckungstitel, die als EuVollstrTitel bestätigt werden Abs. 6 ZPO). Dieser ist der Kategorie gerichtlich gebilligter Vergleich unterzuordnen.16 Der Privatoder Anwaltsvergleich nach § 796a ZPO erfüllt diese Voraussetzungen dagegen nicht.17 Vollstreckungstitel wird er erst durch den Gerichtsbeschluss nach § 796b ZPO, der die Vollstreckbarkeit dieses Vergleichs ausspricht und ihn damit zu einem gerichtlich gebilligten werden lässt.18 14a
Bereits nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (Art. 2 Abs. 2 lit. d EG-VollstrTitelVO) fallen Vergleiche aus Schiedsverfahren. Daher sind geschlossene Vergleiche im Arbeitsrecht nach § 107 ArbGG oder § 111 Abs. 2 ArbGG auch nach der Erklärung der Vollstreckbarkeit gem. § 109 ArbGG durch den Vorsitzenden des für die Geltendmachung des Anspruchs zuständigen ArbG hier nicht erfasst.19
15
Nicht dem Begriff gerichtlicher Vergleich unterzuordnen ist der von einem Notar nach § 796c ZPO für vollstreckbar erklärte Anwaltsvergleich oder der von einer Gütestelle im obligatorischen Vorverfahren gem. § 15a Abs. 6 S. 2 EGZPO protokollierte Vergleich.20 Es fehlt an der Beteiligung eines Gerichts. Jedoch können solche Vergleiche als öffentliche Urkunden in den Anwendungsbereich von Art. 25 EG-VollstrTitelVO fallen (dazu Art. 4 EG-VollstrTitelVO Rz. 39 f.). (3) Österreich
16
In Österreich wird sowohl der prätorische Vergleich nach § 433 österrZPO als auch der gerichtliche Vergleich nach §§ 204 ff. österrZPO erfasst.21 d) Anerkenntnis in öffentlicher Urkunde (Abs. 1 S. 2 lit. d)
17
Der Begriff öffentliche Urkunde wird von der VO in Art. 4 Nr. 3 EG-VollstrTitelVO autonom definiert (Art. 4 EG-VollstrTitelVO Rz. 26 ff.). Die Forderung gilt als unbestritten, wenn sie in einer öffentlichen Urkunde anerkannt wurde. Hierin liegt jedoch keine Beschränkung auf Schuldanerkenntnisse; jegliche in die Urkunde aufgenommenen Forderungen sind erfasst, solange sich aus der Urkunde die Zustimmung des Schuldners ergibt.22 Derartige Anerkenntnisse in öffentlichen Urkunden bedürfen nach lit. d keiner Mitwirkung eines Gerichts, um die VO zur Anwendung zu bringen (Art. 25 EG-VollstrTitelVO).
17a
An einem Anerkenntnis durch den Schuldner fehlt es jedoch, wenn der Notar einen öffentliche Urkunde allein auf Grundlage einer „glaubwürdigen Urkunde“ ausstellt und diese eine vom Gläubiger einseitig erstellte Rechnung ist. Aus der notariellen Urkunde ergibt sich dann gerade nicht, dass der Schuldner die Forderung ausdrücklich anerkannt hätte. Auch ein fehlender Widerspruch des Schuldners gegen diese Urkunde kann einer ausdrücklichen Anerkennung der Forderung nicht gleichstellt werden; die Anerkennung muss in der zu bestätigenden öffentlichen Urkunde enthalten sein.23 2. Schuldner bleibt passiv a) Passivität als Interpretationsgrundlage für Nichtbestreiten
18
Art. 3 EG-VollstrTitelVO erfasst als zweite Fallgruppe unbestrittener Forderungen Fälle, in denen der Schuldner passiv geblieben ist (Versäumnisurteil, Vollstreckungsbescheid). Diese sind problema-
16 Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 392; Jennissen, InVO 2006, 218, 220. 17 A.A. Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 24 Rz. 3; Rausch, FPR 2007, 448, 450; Gebauer, NJ 2006, 103, 104. 18 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Art. 3, 4 Rz. 6; Musielak/Voit/Lackmann, Art. 24, 25 Rz. 1; Wagner, IPRax 2005, 189, 192; Heringer, S. 78; a.A. Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 392, der aber eine öffentliche Urkunde annimmt. 19 Geimer/Schütze/Zenker, Art. 24 Rz. 8; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Art. 24 Rz. 3. 20 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Art. 3, 4 Rz. 4; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 456; Gebauer, NJ 2006, 103, 104. 21 Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 9. 22 Franzmann, MittBayNot 2005, 470, 471. 23 EuGH v. 9.3.2017 – C-484/15, ECLI:EU:C:2017:199 – Zulfikarpasˇic´ vs. Gajer Rz. 57, 58, EuZW 2017, 689, 692.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 3 EG-VollstrTitelVO
tisch, da aus dem Verhalten des Schuldners nur mittelbar der Schluss gezogen wird, dass er die Forderung nicht bestreitet, da eine positive Aussage des Schuldners hierzu nicht erfolgt ist. Hier muss sichergestellt werden, dass der Schuldner zuvor über die Einleitung des Verfahrens informiert wurde und ihm eine ausreichende Zeit zur Einlassung auf das Verfahren zur Verfügung stand, damit er zumindest die Möglichkeit einer effektiven Verteidigung hatte.24 Diese Fallgruppe macht den umfangreichen Katalog von Mindestanforderungen an das durchgeführte Erkenntnisverfahren notwendig, durch die eine Kenntnis sichernde Zustellung und ausreichende Verteidigungsmöglichkeiten sichergestellt werden sollen, die über die Anforderungen an eine Zustellung als Voraussetzung für das Exequatur nach der Brüssel I-VO hinausgehen (Kapitel III). b) Schuldner hat im Verfahren nicht widersprochen (Abs. 1 S. 2 lit. b) (1) Definition Die Forderung gilt als unbestritten, wenn der Schuldner ihr im gerichtlichen Verfahren zu keiner Zeit widerspricht.25 Als Verfahren ist der gesamte Instanzenzug zu betrachten, so dass auch die Einlegung eines Rechtsmittels als Bestreiten zu verstehen ist. Sollte jedoch zuvor eine Bestätigung bereits erfolgt sein, so ist Abs. 2 zu beachten (s. Rz. 46 ff.).26
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Der Schuldner muss der Forderung im Verfahren widersprechen. Bestreitet der Schuldner die Forde- 20 rung vor dem gerichtlichen Verfahren, in welcher Form auch immer, oder in außergerichtlicher Korrespondenz, so ist dies unbeachtlich.27 Das Mahnverfahren dagegen ist bereits ein gerichtliches Verfahren, mithin genügt der Widerspruch in diesem, um die Forderung den Voraussetzungen von Abs. 1 lit. b zu entziehen,28 auch wenn der Schuldner sich im nachfolgenden Hauptsacheverfahren nicht mehr äußert. Gleiches gilt, wenn zwar gegen den Mahnbescheid kein Widerspruch, aber gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch eingelegt wird.29 In welcher Art und Weise der Widerspruch prozessual zu erfolgen hat, bestimmt sich nach den Ver- 21 fahrensvorschriften des Ursprungsmitgliedstaates, also nach der lex fori. Sie entscheidet insbesondere über besondere Anforderungen und Förmlichkeiten an das Bestreiten,30 so auch ob das Bestreiten substantiiert sein muss.31 Die lex fori entscheidet auch darüber, ob ein verspäteter Widerspruch ein noch wirksames Bestreiten darstellt oder nicht.32 Der Verweis auf die lex fori erschöpft sich aber auch bei den Verfahrensmodalitäten, insbesondere die Rechtsfolgen eines Fehlenden Bestreitens bzw. der Abwesenheit des Schuldners vom Verfahren bestimmen sich autonom nach der Verordnung.33
24 Heß, NJW 2002, 2417, 2425. 25 Deutlich hiergegen Mankowski, RIW 2004, 587, 588: „Nichtbeteiligung und Schweigen im Erststaat heißen eben nicht Zustimmung.“ 26 Fasching/Rechberger, Rz. 8; Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 10; anders noch in der 3. Aufl. 27 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 56; Fasching/Rechberger, Rz. 7; Kropholler/von Hein, Rz. 4; Burgstaller/Neumayr/ Höllwerth, Rz. 13; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 4; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393. 28 Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 3 (Abänderung 2); Kropholler/von Hein, Rz. 4. 29 Pietsch, FF 2005, 180, 181. 30 EuGH v. 16.6.2016 – C-511/14, ECLI:EU:C:2016:448 – Pebros Servizi vs. Aston Martin Lagonda Rz. 42, NJW 2016, 2311, 2313; Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 3 (Abänderung 2); Fasching/Rechberger, Rz. 11; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 56; Georganti, Die Zukunft des ordre public-Vorbehalts im Europäischen Zivilprozessrecht (2006) S. 17; den Verweis auf die lex fori ausdrücklich bedauernd Tagaras in Nuyts/ Watté (Hrsg.), International civil litigation in Europe and relations with third states (2005) S. 563, 575. 31 Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, FS Fischer (2004) 399, 405; Nagel/Gottwald, IZPR § 14 Rz. 14.36 wollen dagegen unsubstantiiertes Bestreiten genügen lassen. 32 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 56. 33 EuGH v. 16.6.2016 – C-511/14, ECLI:EU:C:2016:448 – Pebros Servizi vs. Aston Martin Lagonda Rz. 42, NJW 2016, 2311, 2313.
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Art. 3 EG-VollstrTitelVO Vollstreckungstitel, die als EuVollstrTitel bestätigt werden (2) Fallgruppen 22
Die alleinige Erhebung der Zuständigkeitsrüge genügt nicht, um die geltend gemachte Forderung derart zu bestreiten, dass der Anwendungsbereich des Abs. 1 S. 2 lit. b ausgeschlossen wird.34
23
Die hilfsweise – auf Klageabweisung gerichtete – Einlassung zur Sache dagegen genügt, um die Forderung als wirksam bestritten anzusehen. Hilfsweise Einlassung zur Sache erhält damit unter der VO eine zusätzliche, in der Praxis bedeutsame Funktion.35
24
Ausreichend für ein Widersprechen ist auch das Verteidigungsvorbringen des Schuldners, er könne aufgrund Zahlungsschwierigkeiten dem Anspruch nicht nachkommen und erbitte Stundung oder Ratenzahlung.36 Nach dem ursprünglichen Wortlaut des Entwurfs sollte dieser Fall ausdrücklich im Bereich der unbestrittenen Forderung belassen werden. Eine derartige Verteidigung sollte danach nicht ausreichen, denn der Schuldner stelle damit allenfalls die Vollstreckbarkeit der Forderung in Frage.37 Im Gemeinsamen Standpunkt wurde diese Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten jedoch gestrichen.38 Da sogar der sonst von der Kommission häufig vorgebrachte Hinweis fehlt, damit solle keine inhaltliche Änderung erfolgen, wird man davon ausgehen müssen, dass damit eine Änderung beabsichtigt war. Hierfür spricht auch, dass anderenfalls der ehrliche Schuldner gegenüber einem Schuldner schlechter gestellt würde, der aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten schlicht behauptet, die Forderung würde gar nicht bestehen.
25
Eine davon zu unterscheidende Frage ist jedoch, ob dieses Bestreiten materiell begründet ist, ob also Unvermögen von der Leistungspflicht befreit oder wie im deutschen Recht der Schuldner „Geld zu haben hat“. Darüber entscheidet als eine Frage der Begründetheit der Einwendung die lex causae.39 Die hier vertretene weite Sicht des Bestreitens vermeidet also vor allem, dass bestimmte Einwendungen autonom abgeschnitten werden, die lege causae möglicherweise Erfolg versprechen. (3) Deutschland
26
Im Anwaltsprozess ist seitens des Beklagten erfolgtes eigenes Bestreiten nicht ausreichend, da dieser nicht postulationsfähig ist.40
27
An einem genügenden Bestreiten fehlt es, wenn der Schuldner gegen einen Mahnbescheid keinen Widerspruch einlegt. Der daraufhin nach § 699 ZPO beantragte und erlassene Vollstreckungsbescheid kann unmittelbar als EuVollstrTitel bestätigt werden.41
28
Der im Mahnverfahren erfolgte verspätete Widerspruch wird als Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid behandelt (§ 694 Abs. 2 ZPO). Mit dem Vollstreckungsbescheid liegt somit zunächst einmal ein Titel über eine unbestrittene Forderung vor, der grundsätzlich bestätigungsfähig ist.
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Am Bestreiten fehlt es auch, wenn der Schuldner der Aufforderung des Gerichts, schriftlich die Verteidigungsbereitschaft mitzuteilen, nicht nachkommt und gegen sich ein Versäumnisurteil ergehen lässt. Es bleibt dann ohne Bedeutung, ob dieses auf schriftliches Verfahren hin oder nach mündlicher Verhandlung ergangen ist.42
34 Fasching/Rechberger, Rz. 7; Kropholler/von Hein, Rz. 5; Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 15; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393; Riedel, S. 6; Jennissen, InVO 2006, 218, 222; a.A. Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 4; Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 11. 35 Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 4; Kropholler/von Hein, Rz. 5; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 55; Jennissen, InVO 2006, 218, 222; Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 20. 36 So auch Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 12; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393; a.A. Kropholler/von Hein, Rz. 5; Geimer, IZVR Rz. 3180c Fn. 1040; Musielak/Voit/Lackmann, Rz. 4. 37 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 22 (Art. 3 Nr. 4 lit. b), 6. 38 Dazu Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 4 (Abänderung 2). 39 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 57. 40 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 4; Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 20. 41 Strasser, Rpfleger 2008, 547, 548. 42 Kropholler/von Hein, Rz. 6; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393; Jennissen, InVO 2006, 218, 222.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 3 EG-VollstrTitelVO
(4) Österreich Ein nach § 244 Abs. 1 österrZPO erlassener Zahlungsbefehl, gegen den kein Einspruch eingelegt wurde, ist unbestritten i.S.v. Abs. 1 lit. b. Der Einspruch gegen den Zahlungsbefehl im bezirksgerichtlichen Verfahren genügt. Nach § 448 Nr. 1 österrZPO ist ein bestimmter Inhalt nicht vorgeschrieben, so dass eine besondere Substantiierung des Bestreitens nicht verlangt wird.43 Der Einspruch gegen einen Zahlungsbefehl im Gerichtshofverfahren muss dagegen gem. § 248 Abs. 1 österrZPO den Inhalt einer Klagebeantwortung aufweisen, so dass hier allein ein substantiiertes Bestreiten als Widerspruch genügt.
30
Ebenso sind unbestrittene Forderungen i.S.v. Abs. 1 lit. b der Zahlungsauftrag nach § 548 österrZPO, gegen den der Schuldner keine (wirksamen) Einwendungen erhoben hat, das Versäumungssurteil gem. § 396 Abs. 1 österrZPO bei nicht (rechtzeitiger) Klagebeantwortung im Gerichtshofverfahren und das Versäumnisurteil nach § 442 österrZPO bei Versäumung der vorbereitenden Tagsatzung durch den Beklagten im bezirksgerichtlichen Verfahren.44
31
Außerdem werden Säumnisbeschlüsse nach § 17 österrAußStrG erfasst, wenn keine Äusserung des Schuldners zum Antrag der anderen Partei oder zum Inhalt der Erhebungen erfolgt.45
32
c) Schuldner erscheint nach Widerspruch nicht zum Termin (Abs. 1 lit. c) (1) Definition Abs. 1 lit. c erklärt auch solche Forderungen als unbestritten, denen der Schuldner zwar zunächst widersprochen hat, weshalb sie nicht mehr nach Abs. 1 lit. b unwidersprochen sind. Anschließend aber hat er es versäumt, zu einer Verhandlung zu erscheinen. Dem steht gleich, wenn er in einem Anwaltsprozess ohne Rechtsanwalt und mithin nicht postulationsfähig erscheint.46
33
Eine Säumnis bewirkt jedoch nur dann, dass nach der VO die Forderung wieder als unbestritten be- 34 trachtet wird, wenn diese Säumnis nach der lex fori als stillschweigendes Zugeständnis der Forderung oder des vom Gläubiger behaupteten Sachverhaltes gewertet wird.47 Insbesondere im Rechtsmittelverfahren kann die lex fori durchaus vorsehen, dass eine Säumnis kein stillschweigendes Zugeständnis bedeutet. Die VO übernimmt insoweit die Struktur des nationalen Verfahrensrechts, das darüber zu entscheiden hat, ob der frühere Widerspruch bzw. das Bestreiten ein für allemal die Forderung als bestritten ausweist oder ob der Schuldner in einem späteren Verfahrensstadium die Konsequenz eines stillschweigenden Zugeständnisses nur durch erneutes Bestreiten vermeiden kann. Führt insbesondere die Säumnis lege fori lediglich zu einer Verwerfung des Rechtsmittels, so ist die Forderung jedenfalls nicht nach Abs. 1 lit. c unbestritten.48 Ohne Bedeutung sind die Gründe, aus denen der Schuldner säumig ist. Der Änderungsvorschlag des Europäischen Parlaments, nur die verschuldete Säumnis einzubeziehen,49 wurde nicht übernommen.50 Weder im Erkenntnis- noch im Bestätigungsverfahren erscheint es möglich, bei Nichterscheinen des Schuldners seine Gründe von Amts wegen zu ermitteln.51 Relevanz erlangt das Verschulden
43 Fasching/Rechberger, Rz. 7; Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, FS Fischer (2004) 405. 44 Fasching/Rechberger, Rz. 9. 45 Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 17; König in König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich (2007) S. 113, 119 Fn. 22; Rechberger/Rechberger, AußStrG (2006), § 17 AußStrG Rz. 1, 6. 46 Kropholler/von Hein, Rz. 8. 47 Die Verweisung auf die lex fori wurde notwendig, da einige Mitgliedstaaten eine einmal bestrittene Forderung unabhängig vom weiteren Prozessverlauf als stets bestritten ansehen und so an die Grenzen ihres Begriffsverständnisses für „unbestritten“ stießen, Stein, IPRax 2004, 181, 188; Stein, EuZW 2004, 679. 48 Ein deutsches Versäumnisurteil gegen den Berufungskläger nach § 539 Abs. 1 ZPO kann daher nicht als EuVollstrTitel bestätigt werden, Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 60; Rauscher, GPR 2003/04, 286, 288. 49 Wuermeling, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Europäisches Parlament, 26.3.2003, A5-0108/2003, 6 (Änderungsantrag 3). 50 Fasching/Rechberger, Rz. 14. 51 Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 6 (Abänderung 3); Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 7 (Abänderung 3); Stein, IPRax 2004, 181, 188.
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Art. 3 EG-VollstrTitelVO Vollstreckungstitel, die als EuVollstrTitel bestätigt werden jedoch im Rahmen von Art. 19 EG-VollstrTitelVO. Bei unverschuldetem Fernbleiben ist dem Schuldner eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit zu gewähren, wenn der Titel nach der VO bestätigt werden soll (s. dazu Art. 19 EG-VollstrTitelVO Rz. 4).52 (2) Deutschland 36
Im deutschen Verfahren genügt damit der routinemäßige Widerspruch im Mahnverfahren zwar, um Abs. 1 lit. b auszuschließen, nicht jedoch, um das Verfahren insgesamt der VO zu entziehen; die Säumnis im streitigen Verfahren (auch erst in der Rechtsmittelinstanz) kann zum Erlass eines Versäumnisurteils führen, welches aufgrund Abs. 1 S. 2 lit. c von der Verordnung erfasst wird.53
37
Wird bei Säumnis des Beklagten Versäumnisurteil beantragt, so gilt das Klägervorbringen gem. § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO als zugestanden. Das daraufhin erlassene Versäumnisurteil ist mithin eine Entscheidung i.S.v. Abs. 1 lit. c.
38
Wird das Versäumnisurteil nach erfolgreichem Einspruch am Ende aufrechterhalten, so besteht das Versäumnisurteil nicht mehr aufgrund der Geständnisfunktion des § 331 Abs. 1 S. 1 ZPO fort. Es handelt sich nunmehr um ein streitiges Sachurteil, in dem der Beklagte unterliegt. Es ist daher dem Anwendungsbereich der VO entzogen.54
39
Die Entscheidung nach Aktenlage aufgrund § 331a ZPO führt hingegen nicht zu einer unbestrittenen Forderung nach Abs. 1 lit. c. Die Säumnis hat gerade nicht die Wirkung eines Zugeständnisses; vielmehr wird der nach Aktenlage streitige Vortrag zur Entscheidungsgrundlage gemacht.55
40
Auch die Säumnis eines Berufungsklägers kann nicht zu einem bestätigbaren Urteil führen, da nach § 539 Abs. 1 ZPO die Berufung lediglich zu verwerfen und die Säumnis nicht als stillschweigendes Zugeständnis anzusehen ist.56
41
Ergeht jedoch bei Säumnis des Berufungsbeklagten nach § 539 Abs. 2 ZPO ein der Berufung stattgebendes Versäumnisurteil, so ist die Forderung nunmehr nach Abs. 1 S. 2 lit. c unbestritten und fällt daher in den Anwendungsbereich der VO. (3) Österreich
42
Ergeht Versäumungsurteil nach rechtzeitig erstatteter Klagebeantwortung gem. § 396 österrZPO, so enthält auch das österreichische Recht die notwendige Geständnisfunktion,57 so dass die ausgeurteilte Forderung als unbestritten i.S.v. Abs. 1 S. 2 lit. c gilt.58 (4) Frankreich
43
In Frankreich wird, nachdem die Forderung einmal bestritten wurde, der Säumnis keine Geständisfiktion zugebilligt (Art. 472, 468 franzNCPC).59 Da die Säumnis nach der lex fori so nicht als stillschweigendes Zugeständnis der Forderung oder des vom Gläubiger behaupteten Sachverhaltes gewertet wird, ist diese nicht unbestritten i.S.v. Abs. 1 S. 2 lit. c.
52 Der Schuldner bleibt auch bei unverschuldeter Säumnis auf das Rechtsmittel im (für ihn weit entfernten) Ursprungsmitgliedstaat verwiesen, Riedel, S. 7. 53 Jennissen, InVO 2006, 218, 222. 54 Heringer, S. 67; eine Bestätigung nach Art. 3 Abs. 2 scheidet nach hier vertretener Ansicht ebenso aus, s. Rz. 49. 55 So auch Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 11; Jennissen, InVO 2006, 218, 223; Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 20. 56 Wagner, IPRax 2005, 189, 193; Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 20. 57 Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, FS Fischer (2004) 405 weisen darauf hin, dass gar weitergehende Folgen als allein ein Zugeständis angeordnet werden. 58 Ausführlich König in König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich (2007) S. 113, 118 f. 59 Stadler, IPRax 2006, 116, 120; ausführlich Steinhauer, Versäumnisurteile in Europa (1996) S. 130 f.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 3 EG-VollstrTitelVO
(5) Italien und Polen Das italienische Prozessrecht billigt dem Nichterscheinen ebenfalls keine Geständnisfunktion zu, der 44 Beweis wird nicht entbehrlich. Das Verfahren wird fortgesetzt, wie wenn der Beklagte erschienen wäre und den klägerischen Vortrag bestritten hätte.60 Entsprechende Säumnisurteile können daher nicht als unbestritten i.S.v. Abs. 1 S. 2 lit. c angesehen werden. Gleiches gilt für das polnische Verfahrensrecht.61 (6) Irland In Irland wurde festgestellt, dass jegliche Art der Teilnahme am Verfahren, wie gering sie auch sein möge, genügend ist. Besondere qualitative Anforderungen an die Teilnahme am Verfahren würden nicht gestellt. Insbesondere sei nachdem die Forderung einmal bestritten wurde, keine weitere inhaltliche Beteiligung erforderlich. Unschädlich sei daher das Vorbringen von Gegenargumenten, das Aufbieten von Zeugen oder das ein Kreuzverhör von zeugen der Gegenseite zu unterlassen. in einem solchen Verhalten könne auch kein stillschweigenden Zugeständis gesehen werden.62
44a
IV. Rechtsbehelfsentscheidungen (Abs. 2) 1. Normgeschichte Abs. 2 bezieht auch Rechtsbehelfentscheidungen unter bestimmten Voraussetzungen in den Begriff des Titels über eine unbestrittene Forderung ein. Die Vorschrift wurde erst mit dem Gemeinsamen Standpunkt eingefügt. Ursprünglich sollten Rechtsbehelfsentscheidungen gänzlich dem Anwendungsbereich der VO entzogen sein. Man befürchtete jedoch, dadurch dem Schuldner einen einfachen Weg aus dem Anwendungsbereich der VO heraus zu bieten. Mit Rechtsmitteln angefochtene Titel sollen nach der endgültigen Fassung dem Anwendungsbereich der VO nicht dadurch entzogen werden, dass der Schuldner lediglich ein Rechtsmittel einlegt und sich sodann erneut und weiterhin passiv verhält.63 Nicht durchsetzen konnten sich die Delegationen Deutschlands, Österreichs und der Niederlande, die lediglich solche Entscheidungen aus dem Rechtsmittelverfahren in der VO belassen wollten, die die in erster Instanz ergangene Entscheidung bestätigen.64
45
2. Bestätigung von Rechtsmittelentscheidungen als EuVollstrTitel a) Rechtsmittel gegen als EuVollstrTitel bestätigte Entscheidung Abs. 2 setzt voraus, dass bereits eine Entscheidung ergangen, ein gerichtlicher Vergleich geschlossen oder eine öffentliche Urkunde aufgenommen und als EuVollstrTitel bestätigt worden ist. Hat der Schuldner diese Entscheidung anschließend angefochten, so kann auch die daraufhin neu ergehende Entscheidung als EuVollstrTitel bestätigt werden. Abs. 2 stellt klar, dass allein in der Anfechtung einer Entscheidung nach bereits erfolgter Bestätigung noch kein ausreichendes Bestreiten der Forderung zu sehen ist.65
46
Die Bestätigung der ersten Entscheidung muss vor der Anfechtung erfolgt sein. Der bloße Antrag auf Bestätigung genügt nicht. War die Bestätigung der ersten Entscheidung vor der Anfechtung noch nicht erlassen, so kommt eine (Ersatz)Bestätigung als EuVollstrTitel nicht mehr in Betracht.66 Die
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60 61 62 63 64 65
Steinhauer, Versäumnisurteile in Europa (1996) S. 144. Okon´ska, Rejent 2007, 90, 104. Cort of Appeal (Irland) v. 9.11.2020, [2020] IECA 301. Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 25.11.2003, 15226/03, 3 Rz. 15. Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 25.11.2003, 15226/03, 3 Rz. 12. Etwas Anderes sagen auch die Erläuterungen der Materialien nicht. Die Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 8 (Art. 2a) spricht nur an, dass die Forderung allein durch die Anfechtung bereits durchaus zu einer bestrittenen Forderung werde, dies aber innerhalb der VO noch unerheblich sein solle. 66 Nach Stein, EuZW 2004, 679, 680 soll diese Ansicht dem Schuldner einen Anreiz geben, mit seinem Bestreiten nicht zum Zwecke des Zeitgewinns bis zum letztmöglichen Zeitpunkt zu warten, was eine unzulässige Euro-
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Art. 3 EG-VollstrTitelVO Vollstreckungstitel, die als EuVollstrTitel bestätigt werden Fiktion aus Abs. 2, dass die Einlegung eines Rechtsmittels noch kein Bestreiten der Forderung darstelle, greift nach ihrem klaren Wortlaut in solchen Fällen nicht ein.67 b) Verhältnis von Abs. 2 zu Abs. 1 48
Eine verbreitete Ansicht, die auf die Einschätzung der Kommission zurückgeht, welche wiederum die Normgeschichte ignoriert, hält Abs. 2 für eine Spezialregelung im Verhältnis zu Abs. 1. Danach fiele die Rechtsmittelentscheidung, sofern nur die mit Rechtsmitteln angefochtene Entscheidung bereits als EuVollstrTitel bestätigt war, auch dann in den Anwendungsbereich der VO, wenn die Forderung im Zeitpunkt des Erlasses der Rechtsmittelentscheidung nicht mehr unbestritten ist.68
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Dem kann nicht gefolgt werden: Abs. 2 verdrängt nicht Abs. 1, sondern stellt lediglich klar, dass nicht bereits die Einlegung eines Rechtsmittels die Forderung zur bestrittenen macht, nicht aber, dass jede Rechtsmittelentscheidung zu bestätigen ist, nur weil die erstinstanzliche Entscheidung bestätigungsfähig war.69 Wird das Rechtsbehelfsverfahren streitig durchgeführt, entzieht der Schuldner damit die erneute Entscheidung dem Anwendungsbereich der VO, da die Forderung nicht bis zuletzt unbestritten i.S.d. Abs. 1 geblieben ist.70
50
Die vorstehend genannte Ansicht überdehnt den Anwendungsbereich der VO und greift überdies unzulässig in die Gestaltung der Rechtsmittel in den Prozessordnungen der Mitgliedstaaten ein. Die EG-VollstrTitelVO beruht zwar auf dem Prinzip, dass der Schuldner sich nur im Ursprungsmitgliedstaat gegen den Anspruch verteidigen kann. Ihm kann aber nicht über das Prozessrecht dieses Staates hinaus die Verteidigungsmöglichkeit beschnitten werden. Soweit das Prozessrecht des Ursprungsmitgliedstaates Rechtsbehelfe gegen eine Säumnisentscheidung vorsieht, muss auch die VO es hinnehmen, dass das Verfahren wieder offen ist, der Schuldner also den Anspruch im Rechtsbehelfsverfahren noch bestreiten kann. Dem Gläubiger geschieht in diesem Fall kein unzumutbarer Nachteil: Abs. 2 schützt ihn gegen hinhaltendes Taktieren eines Schuldners, der gegen eine bestätigte Entscheidung Rechtsmittel einlegt und sodann erneut untätig bleibt. Hingegen kann der Gläubiger nicht erwarten, dass die VO dem Prinzip „einmal säumig – immer säumig“ zur Geltung verhilft, obgleich das nationale Verfahrensrecht dies nicht tut. Dadurch, dass das maßgebliche Prozessrecht nach Erlass des Säumnisurteils auf den Rechtsbehelf hin eine neue Tatsacheninstanz eröffnet, ist die Säumnis auch für Zwecke der VO verbraucht. c) Form der Bestätigung
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Die Bestätigung für eine (im Anwendungsbereich der VO verbliebene) Rechtsmittelentscheidung erfolgt durch die Ersatzbestätigung nach Art. 6 Abs. 3 EG-VollstrTitelVO (s. Art. 6 EG-VollstrTitelVO Rz. 52 ff.).
67 68
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päisierung des Verspätungsprinzips bedeutet und in Konflikt gerät mit der Idee von Rechtsmittelfristen, die Rechtsklarheit bewirken, weshalb „Anreize“ für ihre Verkürzung mit dem Prinzip eines fairen Verfahrens schwerlich vereinbar sind. Kropholler/von Hein, Rz. 14; Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 22; NK-ZV/Stürner, Rz. 5; a.A. Schlosser/Hess/ Schlosser, Rz. 8. Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 3 (entgegen der Intention des Rates, vgl. bei Rz. 45 in ihren allgemeinen Ausführungen); Kropholler/von Hein, Rz. 12; Coester-Waltjen, JURA 2005, 394; Coester-Waltjen, FS Ansay (2006) 47, 52; Coester-Waltjen, FS Yessiou-Faltsi (2007) 39, 40; Stein, IPRax 2004, 181, 187 Fn. 46; Stein, EuZW 2004, 679, 680; Wagner, IPRax 2005, 189, 193; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 5; Georganti, Die Zukunft des ordre public-Vorbehalts im Europäischen Zivilprozessrecht (2006) S. 17. Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 25.11.2003, 15226/03, 4 Rz. 14 ff. Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 23; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 28; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 7; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 75 ff.; so auch Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 393, 397; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 182.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 4 EG-VollstrTitelVO
Artikel 4 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen: 1. „Entscheidung“: jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wie Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl oder Vollstreckungsbescheid, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten. 2. „Forderung“: eine Forderung auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme, die fällig ist oder deren Fälligkeitsdatum in der Entscheidung, dem gerichtlichen Vergleich oder der öffentlichen Urkunde angegeben ist. 3. „Öffentliche Urkunde“: a) ein Schriftstück, das als öffentliche Urkunde aufgenommen oder registriert worden ist, wobei die Beurkundung i) sich auf die Unterschrift und den Inhalt der Urkunde bezieht und ii) von einer Behörde oder einer anderen von dem Ursprungsmitgliedstaat hierzu ermächtigten Stelle vorgenommen worden ist; oder b) eine vor einer Verwaltungsbehörde geschlossene oder von ihr beurkundete Unterhaltsvereinbarung oder -verpflichtung. 4. „Ursprungsmitgliedstaat“: der Mitgliedstaat, in dem eine Entscheidung ergangen ist, ein gerichtlicher Vergleich gebilligt oder geschlossen oder eine öffentliche Urkunde ausgestellt wurde und in dem diese als Europäischer Vollstreckungstitel zu bestätigen sind. 5. „Vollstreckungsmitgliedstaat“: der Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung der/des als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten Entscheidung, gerichtlichen Vergleichs oder öffentlichen Urkunde betrieben wird. 6. „Ursprungsgericht“: das Gericht, das mit dem Verfahren zum Zeitpunkt der Erfüllung der Voraussetzungen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben a), b), und c) befasst war. 7. Bei den summarischen Mahnverfahren in Schweden (betalningsföreläggande) umfasst der Begriff „Gericht“ auch die schwedische kronofogdemyndighet (Amt für Beitreibung). I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
III. IV. 1. 2. 3.
Entscheidung (Nr. 1) . . . . . . . . . Forderung (Nr. 2) . . . . . . . . . . . Bestimmte Geldforderungen . . . . . Fälligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . a) Dynamisierte Unterhaltstitel . . . b) Dynamischer gesetzlicher Zinssatz c) Unterwerfungsklauseln . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
3 8 8 14 16 16 21 25
V. Öffentliche Urkunde (Nr. 3) . . . . . . . . . 26 1. Allgemeine Definition . . . . . . . . . . . . . 26 a) Sachlicher Anwendungsbereich der VO . 27
2. 3.
4. 5.
b) Reichweite der Beurkundung . . . c) Ausstellende Stellen . . . . . . . . . d) Vollstreckbarkeit der Urkunde . . Sonderfall: Unterhaltsvereinbarungen Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermächtigte Stellen . . . . . . . . . b) Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . Schottland . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
29 30 35 36 37 37 38 43 45
VI. Ursprungsmitgliedstaat, Vollstreckungsmitgliedstaat (Nr. 4, 5) . . . . . . . . . . . . 46 VII. Ursprungsgericht (Nr. 6) . . . . . . . . . . . 47 VIII. Verwaltungsbehörde als „Gericht“ (Nr. 7) . 50
Schrifttum: Adolphsen/Bachmann, Die Bestätigung von Zug-um-Zug-Titeln als Europäische Vollstreckungstitel, IPRax 2014, 267.
I. Allgemeines In Art. 4 EG-VollstrTitelVO werden in angelsächsischer Tradition verschiedene Begriffsbestimmungen an den Anfang der VO gestellt. Werden teils auch hilfreiche Klarstellungen gegeben, so enthalten Pabst
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1
Art. 4 EG-VollstrTitelVO Begriffsbestimmungen insbesondere Nr. 4–6 Definitionen für grundsätzlich sich selbst erklärende Begriffe, welche die VO eher füllig werden lassen, ohne einen Beitrag zur Klarheit der Anwendung zu leisten.
II. Gericht 2
Von der VO nicht definiert, sondern vorausgesetzt wird der Begriff des Gerichts. Er ist hier in gleicher Weise wie in der Brüssel Ia-VO zu verstehen.1 Die in der Brüssel IIa-VO erfolgte erweiternde Definition (s. Art. 2 Nr. 1 Brüssel IIa-VO), nach der auch Behörden, die in Rechtssachen des Anwendungsbereiches der Verordnung tätig werden, als Gerichte zu verstehen sind, kann nicht übertragen werden. Der Verordnungsgeber wollte dort auf die nationalen Besonderheiten in Ehesachen und in Angelegenheiten der elterlichen Verantwortung Rücksicht nehmen, nicht jedoch den Gerichtsbegriff allgemein erweitern. Dies wird auch durch Nr. 7 deutlich, wo einzig das schwedische Amt für Beitreibung, eine Verwaltungsbehörde, allein bei Tätigwerden im summarischen Mahnverfahren in den Gerichtsbegriff einbezogen wird. Darüber hinaus müssen im Umkehrschluss Verwaltungsbehörden grundsätzlich ausgeklammert bleiben. Mit der Aufnahme des Notars beim Tätigwerden in summarischen Mahnverfahren in Ungarn in den Gerichtsbegriff der Brüssel Ia-VO sollte der Begriff dieser VO jedoch in gleicher Weise erweitert werden (s. Rz. 51). Die autonome Definition2 des Gerichts ist im klassischen Sinn vorzunehmen. Um den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in die ordnungsgemäße Rechtspflege der Mitgliedstaaten zu wahren, muss der Begriff des Gerichts dabei restriktiv ausgelegt werden. Entscheidungen, um deren Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat ersucht wird, müssen in einem Verfahren ergangen sein, welches Gewähr für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bietet und in dem der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens gewahrt wird. Den nationalen Behörden muss es zudem möglich sein, die von den Gerichten anderer Mitgliedstaaten erlassenen Entscheidungen auch als solche zu identifizieren.3 Eingeschlossen sind daher allein Rechtsprechungsorgane, die kraft ihres Auftrages selbst über Streitigkeiten zwischen den Parteien entscheiden.4
2a
Insbesondere mangels eines kontradiktorischen Verfahrens hat der EuGH festgestellt, dass kroatische Notare, die entsprechend der ihm nach nationalem Recht im Zwangsvollstreckungsverfahren eingeräumten Befugnisse auf der Grundlage einer „glaubwürdigen Urkunde“ tätig werden, nicht unter den Gerichtsbegriff zu subsumieren sind. Ein Verfahren, bei dem das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Schuldner nicht zugestellt und der Schuldner vorab nicht über die Forderung unterrichtet wird, so dass er erst mit Zustellung des Vollstreckungsbefehls von der geltend gemachten Forderung Kenntnis erlangt, könne nicht als kontradiktorisch eingestuft werden.5
III. Entscheidung (Nr. 1) 3
Nr. 1 übernimmt die tautologische Begriffsbestimmung aus Art. 32 Brüssel I-VO/Art. 2 lit. a Brüssel Ia-VO, die der EuGH gleichwohl mit Sinn erfüllt hat.6 Erfasst werden allein Akte, die von einem Gericht stammen (s.o. Rz. 2). Die funktionelle Zuständigkeit innerhalb des Gerichtes ist nicht von
1 S. dazu Rauscher/Leible (2021), Art. 2 Brüssel Ia-VO Rz. 19a ff. 2 EuGH v. 9.3.2017 – C-484/15, ECLI:EU:C:2017:199 – Zulfikarpasˇic´ vs. Gajer Rz. 32, EuZW 2017, 689, 690. 3 EuGH v. 9.3.2017 – C-484/15, ECLI:EU:C:2017:199 – Zulfikarpasˇic´ vs. Gajer Rz. 43, EuZW 2017, 689, 691; EuGH v. 9.3.2017 – C-551/15, ECLI:EU:C:2017:193 – Pula Parking d.o.o. vs. Tederahn Rz. 54, EuZW 2017, 686, 689. 4 EuGH v. 2.6.1994 – C-414/92, ECLI:EU:C:1994:221 – Solo Kleinmotoren GmbH vs. Emilio Boch Rz. 17, EuGHE 1994 I 2247 = IPRax 1995, 241; EuGH v. 14.10.2004 – C-39/02, ECLI:EU:C:2004:615 – Mærsk Olie & Gas A/S vs. de Haan en W de Boer Rz. 45, EuGHE 2004 I 9686. 5 EuGH v. 9.3.2017 – C-484/15, ECLI:EU:C:2017:199 – Zulfikarpasˇic´ vs. Gajer Rz. 46, 49, EuZW 2017, 689, 691; EuGH v. 9.3.2017 – C-551/15, ECLI:EU:C:2017:193 – Pula Parking d.o.o. vs. Tederahn Rz. 58 f., EuZW 2017, 686, 689. 6 EuGH v. 21.5.1980 – C-125/79, ECLI:EU:C:1980:130 – Bernard Denilauler vs. S.N.C. Couchet Frères Rz. 8 ff., EuGHE 1980, 1553 = IPRax 1981, 95.
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Pabst
Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 4 EG-VollstrTitelVO
Bedeutung.7 Entscheidungen des Rechtspflegers sind mithin erfasst,8 Entscheidungen von Verwaltungsbehörden dagegen nicht. Die Gerichtskostenrechnung des Justizfiskus fällt daher nicht in den Anwendungsbereich der VO. Sie ist Akt der Justizverwaltung und somit öffentlich-rechtlicher Titel.9 Auf die Bezeichnung der Entscheidung kommt es nicht an. Allein exemplarisch genannt werden die Begriffe Urteil, Beschluss, Zahlungsbefehl und Vollstreckungsbescheid. Dies schließt auch den Kostenfestsetzungsbeschluss mit ein (s. dazu Art. 7 EG-VollstrTitelVO Rz. 18 ff.).10
4
Der deutsche Vollstreckungsbescheid ist daher Entscheidung im Sinne der VO. Legt der Schuldner im Mahnverfahren keinen Widerspruch ein, so kann der daraufhin zu erlassende Vollstreckungsbescheid als EuVollstrTitel bestätigt werden. Dem Antragsteller ist bei zu erwartender Notwendigkeit einer Auslandsvollstreckung zu empfehlen, bereits zusammen mit dem Vollstreckungsbescheid auch die Bestätigung zu beantragen.
5
Entscheidungen i.S.d. VO sind grundsätzlich auch solche, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erlassen werden.11 Einstweilige Verfügungen und Anordnungen sind damit grundsätzlich als „Entscheidung“ vom Anwendungsbereich der VO erfasst. Allerdings wird es häufig an den Voraussetzungen für eine Bestätigung als EuVollstrTitel fehlen. Insbesondere die Mindestvorschriften für die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes an den Schuldner sowie über die Belehrungen des Schuldners werden regelmäßig nicht erfüllt sein, denn der Überraschungseffekt, der mit einer einstweiligen Anordnung oft verfolgt wird, ist gerade bei vorheriger Anhörung des Schuldners nicht zu erreichen.
6
Im Übrigen sei auf die Darstellung zu Art. 2 lit. a Brüssel Ia-VO verwiesen.12
7
IV. Forderung (Nr. 2) 1. Bestimmte Geldforderungen Von der VO erfasst werden nur Geldforderungen, die in praxi durchaus die wichtigste Gattung von 8 Forderungen darstellen. Hierin liegt eine entscheidende Einschränkung des Anwendungsbereiches der VO, die zugunsten der Transparenz für den Rechtsanwender an prominenterer Stelle bereits im Titel der EG-VollstrTitelVO hätte eingestellt werden sollen.13 Unbestrittene Herausgabeansprüche, Ansprüche auf Lieferung, überhaupt Sachleistungsansprüche werden nicht erfasst.14 Auch Titel auf Zahlung einer Geldleistung Zug um Zug gegen eine Gegenleistung sind ausgeschlossen. Es handelt sich dabei nicht um uneingeschränkte Zahlungstitel, wie sie Art. 4 Nr. 2 EG-VollstrTitelVO beschreibt, da zuvor eine Gegenleistung zu erbringen ist.15 Ursprünglich sollten nur „bezifferte“ Geldforderungen nach Nr. 2 einbezogen werden.16 Dies wurde 9 im Laufe des Verfahrens auf „bestimmte“ Geldsummen abgeändert. Die inhaltliche Bedeutung der 7 Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 391; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 455; zur Brüssel Ia-VO: Gottwald in MünchKomm/ZPO, Art. 2 Brüssel Ia-VO Rz. a; Zöller/Geimer, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rz. 10. 8 Okon´ska, Rejent 2007, 90, 101. 9 BGH v. 20.6.2000 – X ZR 113/99, IPRspr. 2000 Nr. 178; OLG Schleswig v. 15.3.1996 – 9 B 7b 2/96, RIW 1997, 513; Trittmann/Merz, IPRax 2001, 180, 182. 10 Rausch, FuR 2005, 437, 438. 11 BGH v. 25.3.2010 – I ZB 116/08, FamRZ 2010, 890 = NJW 2010, 1883, 1885; Kropholler/von Hein, Rz. 2; Leible/ Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 14; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 392; Riedel, ProzRB 2005, 324, 325; Giebel, IPRax 2011, 529, 531; a.A. Fasching/Rechberger, Rz. 2; Wagner, IPRax 2002, 75, 89; Gebauer, FPR 2006, 252, 253. 12 Rauscher/Leible (2021) Art. 2 Brüssel Ia-VO Rz. 5 ff. 13 Ebenso Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag, http://www.brak.de/w/files/ 01_ueber_die_brak/Ausschuss%20Europa%2030_090525.pdf (23.6.2021), S. 2. 14 Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 19; Boschiero, Riv. dir. int. 2003, 394, 414 f.; eine entsprechende Erweiterung der VO wünschte sich die Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag, http://www.brak.de/w/files/01_ueber_die_brak/Ausschuss%20Europa%2030_090525.pdf (23.6.2021), S. 2. 15 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR Rz. 3; Wagner, IPRax 2005, 189, 192. 16 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 5 (Forderung).
Pabst
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Art. 4 EG-VollstrTitelVO Begriffsbestimmungen Änderung ist unklar. Theoretisch betrachtet bedarf es nicht der Bezifferung, es genügt Bestimmtheit, nicht jedoch bloße Bestimmbarkeit.17 10
Jedenfalls genügend, nicht jedoch erforderlich ist damit, dass die Forderung im Titel numerisch beziffert ist. Einbezogen sind auch Titel, aus denen sich die Forderung unmittelbar durch im Titel angegebene Rechenoperationen bestimmen lässt.18 Dies ermöglicht es, auch Zinsforderungen, die als im Titel bestimmter Prozentsatz oder als bestimmter Prozentsatz über dem Basiszins der EZB19 für bestimmte Zeiträume angegeben sind, mit zu berücksichtigen.20 Ausreichend und gleichzeitig erforderlich muss sein, dass sich die Forderung allein mittels des Titels berechnen und so konkret beziffern lässt. So ist es auch dem ausländischen Schuldner unproblematisch möglich, die Reichweite der gegen ihn geltend gemachten Ansprüche zu erkennen.
11
Kann jedoch die Forderung erst unter Heranziehung nationaler Rechtsnormen, deren Inhalt aus dem Titel nicht ersichtlich ist, errechnet werden, so muss die Bestimmtheit der Forderung i.S.d. VO abgelehnt werden.21 Ebenso ist die Einbeziehung von Forderungen abzulehnen, die lediglich aus Umständen, die außerhalb des Titels liegen, bestimmbar sind.22 Die Forderung muss sich allein aus dem Titel heraus bestimmen lassen. Es kann sich nicht darauf zurückgezogen werden, dass im Bestätigungsverfahren eine Konkretisierung im Ursprungsmitgliedstaat erfolgen könne und müsse. Hierfür lässt das formalisierte Bestätigungsverfahren der VO keinen Raum, die vorzunehmenden Verfahrensund Prüfungsschritte, welche auch in den Formblättern niedergelegt sind, sehen eine derartige Bestimmung nicht vor.23
12
Jedoch kann das nationale Recht Zwischenschritte vorsehen, die aus einer derartig unbestimmten Forderung eine bestimmte werden lassen, so dass im Anschluss die Anforderungen der VO erfüllt sind und ein Bestätigungsverfahren durchgeführt werden kann.
13
Die Höhe der Forderung ist ohne Bedeutung. Die VO setzt keine Ober- oder Untergrenze.24 2. Fälligkeit
14
Die Forderung muss fällig sein oder es muss ein Fälligkeitsdatum in der Entscheidung, dem gerichtlichen Vergleich oder der öffentlichen Urkunde angegeben sein. Noch nicht fällige Forderungen können also als EuVollstrTitel bestätigt werden, sofern sich der Zeitpunkt der Fälligkeit konkret aus dem Titel ergibt. Andere noch nicht fällige Forderungen sind hingegen nicht bestätigbar.25 Insbesondere Zug-um-Zug-Verurteilungen stellen, da einredebehaftet, keine fällige Forderung dar und werden daher von der VO nicht erfasst.26 Fälligkeit ist insoweit nicht im Sinne des deutschen Verständisses, sondern autonom als nicht einredebehaftet zu verstehen.27 Im Bestätigungsverfahren muss allerdings nicht über die Angaben im vollstreckbaren Titel hinaus gesondert geprüft werden, ob Fälligkeit gege17 Über die Definition der Forderung findet die Voraussetzung der Bestimmtheit des Vollstreckungstitels Eingang in die VO, dies übersieht Gerling, S. 79 f. 18 Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008), § 5 Rz. 18; a.A. Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 3 Rz. 2; Fasching/Rechberger, Rz. 3; Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 8, die allein bezifferte Forderungen genügen lassen. 19 Vgl. die Formblätter im Anhang der VO, die diese Angabe ausdrücklich vorsehen. 20 Für eine derartige Berechenbarkeit der Forderungen spricht auch, dass die Formblätter ausdrücklich Zinsen in Prozent vorsehen: Anhang I (Nr. 5.2.), Anhang II (Nr. 5.2.), Anhang III (Nr. 5.2.) und Anhang V (Nr. 3.2.). 21 Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 18; Rijavec/Jelinek/Brehm, S. 88; zu Zweifeln des deutschen Gesetzgebers: BT-Drucks. 15/5222, 12 (zu Nr. 6). 22 So wohl auch Jennissen, InVO 2006, 218, 221. 23 A.A. Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 392; Heringer, S. 59, die eine Konkretisierung im Bestätigungsverfahren für möglich erachten; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 3, der den titulierten „gesetzlichen Zins“ als bestimmt erachtet. 24 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 5 (Forderung); Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 8. 25 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 9 (Art. 3). 26 Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 34; Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 16; Kropholler/von Hein, Rz. 5; Wagner, IPRax 2005, 189, 192; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 51; Nagel/Gottwald, IZPR § 14 Rz. 14.37a; Rijavec/ Jelinek/Brehm, S. 87; a.A. OLG Karlsruhe v. 25.4.2013 – 8 W 6/13, BeckRS 2014, 09856; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 20. 27 Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 16; Geimer/Schütze/Zenker, Art. 24 Rz. 18.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 4 EG-VollstrTitelVO
ben ist. Wenn sich aus der Entscheidung etc. keine Einschränkung der Fälligkeit ergibt, ist die Fälligkeit anzunehmen.28 Regelmäßig wiederkehrende Verpflichtungen (z.B. Unterhaltsansprüche oder private Rentenleistungen, ebenso Ratenzahlungsvereinbarungen, wenn diese nicht bei Zahlungsverzug von selbst insgesamt fällig werden) können als EuVollstrTitel bestätigt werden,29 wenn die Fälligkeit der ersten Rate, der regelmäßig zu zahlende Betrag, das Zahlungsintervall sowie die Laufzeit der Forderung in der Entscheidung etc. angegeben sind. Die Formblätter in den Anhängen I–III sehen jeweils unter Punkt 5.1.2. notwendige Angaben bei regelmäßig wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen vor. Nicht bestätigt werden können dagegen Verpflichtungen zur Zahlung künftiger (Unterhalts-)Beträge, soweit die Angabe der jeweiligen Fälligkeit fehlt.30
15
3. Deutschland a) Dynamisierte Unterhaltstitel Kindesunterhalt kann nach § 1612a BGB derart ausgeurteilt werden, dass er als Vomhundertsatz 16 des sächlichen Existenzminimums eines Kindes (Kinderfreibetrag) nach § 32 Abs. 6 S. 1 EStG festgesetzt wird. Der Titel kann dann nicht als „bestimmt“ angesehen werden. Für die konkrete Berechnung des Unterhaltsanspruches muss § 32 Abs. 6 S. 1 EstG herangezogen werden. Das darin genannte Existenzminimum des Kindes basiert auf dem Existenzminimumbericht, der von der Bundesregierung alle 2 Jahre erstellt wird. Nach diesem Bericht erfolgt jeweils eine entsprechende Anpassung von § 32 Abs. 6 S. 1 EStG. Sinn und Zweck des so ausgeurteilten Unterhaltes ist eine Dynamisierung der Forderung. Sie wird damit entsprechend flexibel und passt sich den jeweiligen Lebensumständen an. Im Gegenzug ist sie zwar bestimmbar, nicht jedoch im Titel selbst ausreichend bestimmt. Deutschland scheiterte seinerzeit im Rat mit dem Versuch,31 derartig dynamisierte Forderungen in den Anwendungsbereich der EG-VollstrTitelVO einzubeziehen. Mit der durch das EG-VollstrTitelDG in § 790 ZPO32 neu eingefügten, nunmehr dort aufgehobenen und in § 245 FamFG eingestellten Bestimmung wird eine Bezifferung erlaubt, welche zweifelsfrei die Anwendung der VO ermöglicht:33 Sollen derartige dynamisierte Unterhaltstitel im Ausland vollstreckt werden, so kann auf Antrag der geschuldete Unterhalt auf dem Titel beziffert werden. Ohne Bezifferung genügt der Titel den Anforderungen der VO nicht, da die Forderung nicht aus dem Titel selbst heraus bestimmbar ist.34 Mit Bezifferung handelt es sich sodann nicht mehr lediglich um eine bestimmbare, sondern um eine bestimmte Geldsumme. Die Bezifferung selbst ist noch keine Bestätigung als EuVollstrTitel, jedoch kann nunmehr in einem zweiten Schritt grundsätzlich eine derartige Bestätigung erfolgen.35
17
§ 245 FamFG (ex § 790 ZPO) ist eine Reaktion auf den gescheiterten Versuch der deutschen Delegation im Rat,36 eine Regelung in der VO zu erreichen, nach der dynamisierte Unterhaltstitel unmittelbar der VO unterfallen sollten. Die Berücksichtigung der Vollstreckung im Ausland ist dem deutschen Verfahrensrecht nicht wesensfremd,37 so dass § 245 FamFG (ex § 790 ZPO) trotz der außerhalb des deutschen Verfahrens liegenden Zielsetzung kein Fremdkörper ist.38
18
28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 51; Geimer/Schütze/Zenker, Art. 24 Rz. 20. Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 9 (Art. 3); Kropholler/von Hein, Rz. 5. Rausch, FuR 2005, 437, 439. Rat der Europäischen Union, Vermerk der Deutschen Delegation, 17.10.2002, 13218/02. BT-Drucks. 15/5222, 12 (zu Nr. 6). Hohloch, FPR 2006, 244, 249. Offenlassen, ob die Bestimmbarkeit sich aus dem Titel oder auch durch Heranziehung nationaler Rechtsnormen ergeben muss Geimer, IZVR Rz. 3187 Fn. 1065. Knittel, JAmt 2006, 477, 480. Dennoch spricht sich Wagner, FS Sonnenberger (2004) 727, 741 dafür aus, auch weiter auf europäischer und internationaler Ebene dafür zu werben, dass dynamisierte Unterhaltstitel in vereinfachte Anerkennungs- und Vollstreckungssyteme einbezogen werden. § 313a Abs. 4, 5, § 313b Abs. 3 ZPO berücksichtigen auch besondere Probleme der Auslandsvollstreckung. BT-Drucks. 15/5222, 12 (zu Nr. 6).
Pabst
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Art. 4 EG-VollstrTitelVO Begriffsbestimmungen 19
Für die Bezifferung nach § 245 FamFG sind dieselben Stellen zuständig wie für die Bestätigung als EuVollstrTitel nach § 1079 ZPO.39 Daher ist keine weitere Verzögerung zu erwarten, Bezifferungsund Bestätigungsantrag können auch gemeinsam gestellt werden. Die Bezifferung ist auf dem Titel zu vermerken (§ 245 Abs. 1 FamFG), ein zweiter Vollstreckungstitel wird dadurch also nicht geschaffen.
20
Fraglich ist jedoch, wie sich die Bezifferung auf dem Originaltitel auf spätere Dynamisierungsschritte auswirkt. Klar ist, dass der bestätigte Titel nicht an weiteren Dynamisierungen teilnimmt. Andererseits ergibt sich aus dem begrenzten Zweck des § 245 FamFG, dass die Bezifferung nach dieser Vorschrift den Titel für Zwecke der Inlandsvollstreckung nicht der Dynamisierung beraubt. Er nimmt daher an den nächstfolgenden Indexanpassungen teil.40 Anschließend ist eine erneute Bezifferung nach § 245 FamFG und eine erneute Bestätigung als EuVollstrTitel möglich. b) Dynamischer gesetzlicher Zinssatz
21
Einem dynamisierten Unterhaltstitel ähnlich ist die dynamische Zinsentscheidung nach deutschem Recht: Soweit die Zinshöhe dynamisch unter Verweis auf den jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB zu berechnen ist, fehlt es an einer sich allein aus dem Titel ergebenden bestimmten (Zins-)Forderung. Die Situation ist mit den dynamisierten Unterhaltstiteln (s. Rz. 16) vergleichbar, jedoch hat es der deutsche Gesetzgeber hier übersehen, eine dem § 245 FamFG (ex § 790 ZPO) vergleichbare Bestimmung zu schaffen.
22
Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der deutsche Gesetzgeber entsprechende Zinstitel nicht als EuVollstrTitel bestätigt sehen wollte. Vielmehr ist von einem Versehen des Gesetzgebers auszugehen, der hinsichtlich dynamischer Titel andere Fallgruppen als Unterhaltstitel übersah. Man wird das gerade hierfür geschaffene, aufgrund des Versehens des Gesetzgebers jedoch auf Unterhaltstitel nach § 1612a BGB beschränkte Bezifferungsverfahren verallgemeinern und § 245 FamFG (ex § 790 BGB) analog heranziehen müssen.41 Derartige dynamisierte Zinstitel sind daher von der für die Bestätigung als EuVollstrTitel zuständigen Stelle auf dem Titel zu beziffern und können im Anschluss als EuVollstrTitel bestätigt werden (vgl. Rz. 17 ff.).
23
Die Bezifferung kann dabei verordnungskonform dynamisch erfolgen, indem der Zinssatz als x Prozentpunkte über dem Basiszins der EZB angegeben wird. Dies hat den Vorteil, dass der bezifferte Titel damit auch in der Zukunft dynamisiert bleibt. Die VO sieht eine derartige Dynamisierung in ihren Formblättern ausdrücklich vor, weshalb insoweit die Anforderungen an das Bestimmtheitserfordernis als erfüllt angesehen werden müssen.
24
Zu beachten ist, dass Zinsen ausgedrückt als x Prozentpunkte über dem Basiszins nach § 247 BGB nicht gleichzusetzen sind mit x Prozentpunkten über dem Basiszins der EZB. Der Basiszinsatz nach BGB ist von dem (auch in den Formblättern im Anhang der VO angesprochenen) Basissatz der EZB verschieden; der BGB-Basiszinssatz beträgt, solange die Bezugsgröße und der Anpassungszeitraum in § 247 BGB nicht geändert werden, 0,88 Prozentpunkte weniger als der EZB-Basiszinssatz. Seinen Ursprung hat die Differenz in der Normgeschichte von § 247 BGB. Der erste dort genannte Zinssatz war der letzte nach dem Diskont-Überleitungs-Gesetz berechnete Zinssatz.42 Dieser war von dem Basiszins der EZB verschieden. Die Anpassungen erfolgen nicht durch unmittelbare Übernahme des EZB-Basiszinses, sondern lediglich durch Addition der Veränderung des Zinssatzes für die jüngste Hauptrefinanzierungsoperation der EZB im halbjährlichen Anpassungszeitraum. Ist der Zinssatz im Titel mit (x) Prozentpunkte über dem Basiszins nach § 247 BGB angegeben, müssen auf dem Titel als dynamische Bezifferung (x-0,88) Prozentpunkte über dem Basiszins der EZB vermerkt werden.
39 Einschließlich der funktionalen Zuständigkeit des Rechtspflegers, § 20 Nr. 11 RPflG. 40 Knittel, JAmt 2006, 477, 479. 41 Ähnlich auch Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde4 (2019) Rz. 54.12; eine Analogie zu § 245 FamFG lehnt Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 13 ab, er leitet die Befugnis aus Art. 6 i.V.m. den insoweit flexiblen Formblättern her. 42 Grundmann in MünchKomm/BGB, § 247 BGB Rz. 7 f.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 4 EG-VollstrTitelVO
Dieser Betrag kann dann im anschließenden Bestätigungsverfahren in den entsprechenden Feldern der Formblätter eingesetzt werden. c) Unterwerfungsklauseln In notariellen Urkunden ist eine Unterwerfungsklausel in die Zwangsvollstreckung „wegen sämtli- 25 cher Ansprüche aus dieser Urkunde“ üblich. Die Forderung ist insoweit i.S.d. VO bestimmt, als sich die Verbindlichkeit konkret aus der Urkunde ergibt (z.B. Darlehensrückzahlung, sofern die Fälligkeit nicht von einer Gegenleistung abhängt). Darüber hinausgehende, nicht allein aus der Urkunde bestimmbare Sekundäransprüche (z.B. Schadensersatz, Nutzungen) stellen jedoch keine Forderungen i.S.d. VO dar.43
V. Öffentliche Urkunde (Nr. 3) 1. Allgemeine Definition Nr. 3 lit. a definiert allgemein den Begriff öffentliche Urkunde. Im Gegensatz zum EuGVÜ und zur 26 Brüssel I-VO, welche keine generelle Definition für die öffentliche Urkunde enthalten, wurden in Nr. 3 lit. a die vom EuGH44 aufgestellten Kriterien übernommen.45 Art. 2 lit. c Brüssel I-VO enthält eine zwar im Wortlaut abweichende Definition, mit der jedoch wohl kein inhaltlich abweichendes Begriffsverständnis geschaffen werden sollte.46 a) Sachlicher Anwendungsbereich der VO Erfasst werden nur Urkunden, die auch in den sachlichen Anwendungsbereich der VO fallen, also sich auf Zivil- und Handelssachen beziehen und nicht in die ausgeschlossenen Rechtsgebiete fallen (Art. 2 EG-VollstrTitelVO).47 Diese enge Auslegung auch hinsichtlich Urkunden wird umso bedeutsamer, als in Zukunft auch öffentliche Urkunden dem sachlichen Anwendungsbereich verschiedener Rechtsinstrumente unterfallen (Brüssel I-VO, EG-VollstrTitelVO einerseits, EG-UntVO andererseits). Die verschiedenen Verordnungen wollen Konflikte möglichst bereits auf der Ebene des Anwendungsbereichs ausschließen. Um dies zu gewährleisten müssen die Anwendungsausschlüsse auch hinsichtlich öffentlicher Urkunden beachtet werden.
27
Problematisch ist, wenn der Anwendungsbereich für einen Teil der Urkunde eröffnet ist, so bspw wenn 28 eine Scheidungsvereinbarung eine Verpflichtung zur Zahlung eines Pauschalbetrags zur Abgeltung aller Ansprüche (Unterhalt, Zugewinn, Versorgungsausgleich) und die Unterwerfung des SchuldnerEhegatten unter die sofortige Zwangsvollstreckung in sein Vermögen enthält. Ist Aufteilung auf die einzelnen Ansprüche nicht möglich, so wird man, auch wenn von den erfassten Ansprüchen (nur) ein Teil in den Anwendungsbereich der VO fällt, den Anwendungsbereich hier weit auslegen und die Urkunde als Ganzes erfasst sehen müssen.48 Ist eine Aufteilung der Summe möglich, so ist nur der sich auf den Unterhalt beziehende Teil von der VO erfasst.
43 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 53. 44 Zu Art. 50 EuGVÜ: EuGH v. 17.6.1999 – C-260/97, ECLI:EU:C:1999:312 – Unibank A/S vs. Christensen Rz. 15 ff., EuGHE 1999 I 3724 = IPRax 2000, 409; dazu: Geimer, IPRax 2000, 366; Fleischhauer, DNotZ 1999, 925; vgl. auch Jenard/Möller-Bericht ABl. EG 1990 C 189/57 Nr. 72. 45 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 6 (öffentliche Urkunde). 46 So auch Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 23; Gottwald in MünchKomm/ZPO, Art. 2 Brüssel Ia-VO Rz. 31. 47 Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 23; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 183; a.A. Franzmann, MittBayNot 2005, 471 der die Ausnahmen des Art. 2 Abs. 2 für öffentliche Urkunden nicht anwenden will; zum vergleichbaren Problem unter der Brüssel Ia-VO wie hier Rauscher/Staudinger (2021), Art. 58 Brüssel Ia-VO Rz. 1; Schlosser/ Hess/Schlosser, Art. 2 Brüssel Ia-VO Rz. 25; Kropholler/von Hein, Art. 57 Brüssel I-VO Rz. 1; Fleischhauer, MittBayNot 2002, 15, 20; a.A. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 83. 48 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR Art. 58 Brüssel Ia-VO Rz. 24; Geimer, IPRax 2000, 366, 368; a.A. Münch, FS Rechberger (2005) 395, 403 f.
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47
Art. 4 EG-VollstrTitelVO Begriffsbestimmungen b) Reichweite der Beurkundung 29
Notwendig ist die Beurkundung, die sich sowohl auf die Unterschrift als auch auf den Inhalt beziehen muss (Nr. 3 lit. a sublit. i).49 Eine Beglaubigung allein ist nicht ausreichend, Unterschriftsbeglaubigungen auf privatschriftlichen Schuldanerkenntnissen genügen dem Urkundsbegriff nicht.50 c) Ausstellende Stellen
30
Das Schriftstück muss von einer Behörde oder einer anderen von dem Ursprungsmitgliedstaat ermächtigten Stelle beurkundet worden sein (Nr. 3 lit. a sublit. ii). Nicht behördliche Stellen sind nach dem klaren Wortlaut vom Ursprungsstaat zu ermächtigen. Damit kommen allein Stellen im Ursprungsstaat in Betracht, jenseits der Staatsgrenzen fehlt dem Ursprungsstaat die notwendige Souveränität zu einer derartigen Ermächtigung. Hinsichtlich der Behörde ergibt der Wortlaut nicht klar, ob dies eine Behörde des Ursprungsmitgliedstaates sein muss oder ob es sich auch um eine drittstaatliche Behörde handeln kann. Historisch waren unter der Brüssel I-VO allein mitgliedstaatliche Urkunden erfasst (Art. 57 Abs. 1 S. 1 Brüssel I-VO). Aus den Motiven ergibt sich nicht, dass der Verordnungsgeber hier jegliche Behörden als genügend sehen wollte. Vielmehr wurde im Gesamtkontext vorausgesetzt, dass allein Behörden des Ursprungsmitgliedstaates gemeint waren. Die Behörde steht insofern im Einklang mit der anderen Stelle, beide sollen ihre Befugnis von dem Ursprungsmitgliedstaat beziehen. Nr. 3 lit. a sublit. ii ist entsprechend teleologisch zu reduzieren.
31
Urkunden aus Nichtmitgliedstaaten scheiden daher grundsätzlich aus (s. aber Rz. 32), auch wenn diese im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sind.51
32
Anders ist allein bei konsularischen Urkunden zu entscheiden, die durch Konsuln eines Mitgliedstaates im Ausland in den Grenzen des Art. 5 lit. f WÜK aufgenommen worden. Sind diese aufgrund des Rechts des Entsendestaates (Heimatrecht) hierzu befugt (z.B. § 10 KonsG), so handelt es sich um eine vom Ursprungsmitgliedstaat ermächtigte Stelle. Die im Ausland aufgenommene Urkunde steht insofern einer inländischen gleich.
33
Sonstige Beurkundungen außerhalb des Staatsgebietes sind i.d.R. völkerrechtswidrig und daher unwirksam.52 Entscheidend ist grundsätzlich der wahre Ort der Ausstellung, nicht der in der Urkunde angegebene. Bei sukzessiven Verfahren ist der Zeitpunkt entscheidend, in dem endgültige Perfektion hergestellt wird.53
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Privaturkunden werden nicht erfasst, auch hier genügt die Vollstreckbarkeit nach dem nationalen Recht allein nicht.54 d) Vollstreckbarkeit der Urkunde
35
Um den Anforderungen an eine öffentliche Urkunde i.S.v. Art. 4 Nr. 3 EG-VollstrTitelVO zu genügen, muss die Urkunde nicht zwingend bei Errichtung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sein.55 Vollstreckbarkeit ist jedoch im Zeitpunkt der Bestätigung als EuVollstrTitel notwendig (Art. 25 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO, s. Art. 25 EG-VollstrTitelVO Rz. 5).
49 Rausch, FuR 2005, 437, 438. 50 Geimer, IPRax 2000, 366, 367; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 456; Coester-Waltjen, FS Ansay (2006) 47, 50. 51 A.A. Münch, FS Rechberger (2005) 395, 399 f., der allein auf Art. 25 EG-VollstrTitelVO abstellt und dabei Art. 4 Nr. 3 EG-VollstrTitelVO übersieht. 52 Münch, FS Rechberger (2005) 395, 399; Geimer, DNotZ 1975, 461, 472 f.; Geimer, IPRax 2000, 366, 368 f. 53 Münch, FS Rechberger (2005) 395, 399. 54 Coester-Waltjen, FS Ansay (2006) 47, 50; Yessiou-Faltsi in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 213, 229 mit rechtsvergleichenden Hinweisen auf verschiedene vollstreckbare Privaturkunden. 55 Für die Brüssel I-VO wird dies bereits mit in die Definition der „öffentlichen Urkunde“ gelegt, Geimer, IPRax 2000, 366, 367.
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Kap. I: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 4 EG-VollstrTitelVO
2. Sonderfall: Unterhaltsvereinbarungen Nr. 3 lit. b entsprach Art. 57 Abs. 2 Brüssel I-VO, dessen Inhalt sich heute in Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b 36 EG-UntVO findet, so dass Gleichlauf zwischen allen drei Verordnungen hergestellt wurde.56 Aus Nr. 3 lit. b folgt, dass auch Unterhaltsentscheidungen grundsätzlich von der VO mit erfasst sind (s. jedoch Art. 68 Abs. 2 EG-UntVO, dazu Art. 2 EG-VollstrTitelVO Rz. 10 ff.). Der Wortlaut der Nr. 3 lit. b ließe es auch – anders als für die übrigen öffentlichen Urkunden nach Nr. 3 lit. a – zu, von der Verwaltungsbehörde nicht beurkundete, sondern lediglich vor ihr geschlossene, also von ihr vermittelte Unterhaltsvereinbarungen zu erfassen. Dies kann jedoch schwerlich dem Zweck entsprechen, den eine öffentliche Urkunde erfüllen soll, weshalb solche Vereinbarungen nicht erfasst sind.57 Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. b EG-UntVO korrigiert insoweit den Definitionstext, dass nicht vor, sondern eine mit einer Verwaltungsbehörde des Ursprungsmitgliedstaats geschlossene Unterhaltsvereinbarung erfasst werden; mithin muss die Verwaltungsbehörde Teil der Vereinbarung sein.58 3. Deutschland a) Ermächtigte Stellen Generell sind die von einem Notar aufgenommenen Urkunden i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO ein- 37 schließlich der von ihm beurkundeten Anerkenntnisse bestätigungsfähig.59 Ebenfalls zur Beurkundung ermächtigt sind Gütestellen i.S.v. § 15a Abs. 6 S. 2 EGZPO;60 von ihnen protokollierte Vergleiche sind daher auch der Bestätigung zugängliche öffentliche Urkunden.61 Eingeschlossen werden aber auch gerichtliche Urkunden nach § 62 Abs. 1 Nr. 2, 3 BeurkG. Ebenso einbezogen sind im Ausland aufgenommene konsularische Urkunden nach § 10 KonsG, die dem Entsendestaat zuzurechnen sind und den von einem inländischen Notar aufgenommenen Urkunden gleichstehen.62 b) Einzelfälle Die notariellen Niederschriften, welche eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO enthalten, stellen öffentliche Urkunden i.S.d. VO dar. Entsprechend ist die notariell ausgefertigte Grundschuld mit persönlicher Zwangsvollstreckungsunterwerfung eine öffentliche Urkunde i.S.d. VO.63
38
Der deutsche Anwaltsvergleich ist keine öffentliche Urkunde i.S.d. VO.64 Er wird jedoch zur öffentlichen Urkunde, wenn er vom Notar (§ 796a i.V.m. § 796c ZPO) für vollstreckbar erklärt wird.65 Wird er dagegen vom Prozessgericht (§ 796a i.V.m. § 796b ZPO) für vollstreckbar erklärt, handelt es
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56 57 58 59 60
61 62 63 64 65
Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 6 (öffentliche Urkunde). Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 43. Rauscher/Andrae (2015), Art. 2 EG-UntVO Rz. 11. Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 456. I.V.m. Landesrecht: Bayern Art. 5 baySchlG; Brandenburg § 3 bbgSchlG, §§ 1, 2 bbgGüteStG; Hessen § 3 hessSchlichtG; Mecklenburg-Vorpommern § 34a Abs. 1 i.V.m. § 1 meck-vorpomSchStG; Niedersachsen § 1 Abs. 1 ndsSchlG; Nordrhein-Westfalen §§ 55 nrwJustizG; Rheinland-Pfalz § 3 rh-pfLSchlG; Saarland § 37b saarAGJusG; Sachsen-Anhalt § 34c sachs-anhSchStG; Schleswig-Holstein § 3 schl-holLSchliG. Baden-Würtemberg hat sein Schlichtungsgesetz aufgehoben; die Gütestellen nach § 2 bawüSchlG wurden damit nur in Schlichtungsverfahren tätig, deren Antrag auf Einleitung vor dem 1.5.2013 gestellt wurde (Gesetz zur Aufhebung des Schlichtungsgesetzes v. 16.4.2013, bawüGBl 2013, 53). Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 456. Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 392. Gutachten des DNotI, DNotI-Report 2007, 121, 122. Geimer, IPRax 2000, 366, 367. Trittmann/Merz, IPRax 2001, 180, 183; Kropholler/von Hein, Art. 58 Brüssel I-VO Rz. 1a; Franzmann, MittBayNot 2005, 470, 471; Heringer, S. 79 f.; zweifelnd: Fleischhauer, DNotZ 1999, 925, 930; Geimer, IPRax 2000, 366, 367; a.A. Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde4 (2019) Rz. 54.31, 53.21, der eine – nicht-gerichtliche – Entscheidung annimmt, da es an der Freiwilligkeit auf Seiten des Schuldners hinsichtlich der Vollstreckbarerklärung fehlt.
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Art. 4 EG-VollstrTitelVO Begriffsbestimmungen sich zwar nicht um eine öffentliche Urkunde i.S.d. VO, jedoch um einen gerichtlich gebilligten Vergleich i.S.d. Art. 24 EG-VollstrTitelVO.66 40
Vergleiche, die in einem dem Klageverfahren nach Landesrecht obligatorisch vorgelagerten Güteverfahren (§ 15a EGZPO) vor den durch Landesrecht eingerichteten und anerkannten Gütestellen geschlossen werden, sind aufgrund § 15a Abs. 6 S. 2 EGZPO vollstreckbare öffentliche Urkunden i.S.v. Art. 4 Nr. 3 EG-VollstrTitelVO und so nach Art. 25 EG-VollstrTitelVO grundsätzlich bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen bestätigbar.67
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Wechsel und Schecks, auch wenn sie nach dem nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaates Vollstreckungstitel sind, werden nicht erfasst.68 Der protestierte Wechsel ist zwar eine öffentliche Urkunde, jedoch ist die Forderung in ihr nicht durch einen Schuldner (Akzeptant oder Rückgriffsverpflichteter) anerkannt worden; der Anwendungsbereich der VO ist daher ausgeschlossen, so dass eine Bestätigung als EuVollstrTitel nicht in Betracht kommt.69
42
Urkunden über Unterhaltsverpflichtungen i.S.v. § 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 4 SGB-VIII, die von einem Beamten oder Angestellten des Jugendamts innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen wurden (§ 60 S. 1 SGB-VIII), sind öffentliche Urkunden und als EuVollstrTitel nach Art. 25 EG-VollstrTitelVO bestätigbar, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 60 S. 1 SGB-VIII vorliegen, insbesondere die Unterwerfung in die sofortige Zwangsvollstreckung erfolgte.70 4. Österreich
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Die vollstreckbaren Notariatsakte sind aufgrund § 3 österrNO, § 1 Nr. 17 österrEO öffentliche Urkunden und daher grundsätzlich bestätigungsfähig.71
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Die gem. § 214 Abs. 2 S. 2 österrABGB vor dem Jugendwohlfahrtsträger abgeschlossenen Unterhaltsvereinbarungen sind öffentliche Urkunden i.S.v. Nr. 3 lit. b.72 5. Schottland
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Ausnahmsweise kann es auch genügen, wenn nicht die Urkunde selbst von einer Behörde errichtet ist, jedoch von einer Behörde registriert wurde: So sind die in Schottland erstellten Registerauszüge für eingetragene Urkunden als von einer derartigen Stelle erstellt und mithin als öffentliche Urkunde i.S.d. VO zu behandeln.73
VI. Ursprungsmitgliedstaat, Vollstreckungsmitgliedstaat (Nr. 4, 5) 46
Nr. 4 und 5 beschreiben in selbsterklärender Weise die beteiligten Staaten. Der Ursprungsmitgliedstaat eines Titels steht jeweils fest; dort ist die Entscheidung ergangen, der Vergleich gebilligt oder die öffentliche Urkunde erstellt worden. Zum Vollstreckungsmitgliedstaat kann jeder Mitgliedstaat werden, in dem aufgrund der universellen Wirkung der Bestätigung der Titel vollstreckt werden soll.
66 So auch Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1079 ZPO Rz. 1; a.A. Wieczoreck/Schütze/Schütze, (2016) § 796b ZPO Rz. 14, der den Anwaltsvergleich der notariellen Urkunde vollstreckungsrechtlich gleichstellt. 67 Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 23; Jennissen, InVO 2006, 218, 221. 68 So in Frankreich, Italien und Spanien, Fleischhauer, DNotZ 1999, 925, 930. 69 Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 3 Rz. 6; a.A. vBernstorff, RIW 2008, 548, 550. 70 Kropholler/von Hein, Rz. 8; Rausch, FPR 2007, 448, 450; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 392; Pietsch, FF 2005, 180, 181; Rausch, FuR 2005, 437, 438. 71 Fasching/Rechberger, Art. 3 Rz. 4. 72 Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 15. 73 Schlosser-Bericht ABl. EG 1979 C 59/71 Nr. 226; Geimer, IPRax 2000, 366, 367; Fleischhauer, DNotZ 1999, 925, 929; Gottwald in MünchKomm/ZPO, Art. 58 Brüssel Ia-VO Rz. 3; erläuternd zum schottischen Registrierungssystem Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr (1997) S. 139.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 5 EG-VollstrTitelVO
VII. Ursprungsgericht (Nr. 6) Ursprungsgericht ist das Gericht, das mit dem Verfahren zum Zeitpunkt der Erfüllung der Vorausset- 47 zungen nach Art. 3 Abs. 1 lit. a bis c EG-VollstrTitelVO befasst war. Wird die Forderung durch Säumnis ab initio „unbestritten“ (Art. 3 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO), so ist dies regelmäßig das Gericht erster Instanz. Dies gilt auch, wenn ein Fall des Art. 3 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO vorliegt und der Schuldner in der Rechtsmittelinstanz weiter säumig geblieben ist. Wird die Forderung hingegen durch Säumnis in einem späteren Verfahrensstadium (Art. 3 Abs. 1 lit. c EG-VollstrTitelVO) oder durch Anerkenntnis (Art. 3 Abs. 1 lit. a EG-VollstrTitelVO) „unbestritten“, so ist Ursprungsgericht das Gericht – ggf. auch des höheren Rechtszuges – vor dem dieses Ereignis eingetreten ist.
48
Bei Anerkenntnis der Forderung in öffentlicher Urkunde (Art. 3 Abs. 1 lit. d EG-VollstrTitelVO) gibt es kein Ursprungsgericht, es sei denn, ein mit dem Anspruch zu diesem Zeitpunkt befasstes Gericht erlässt auf der Grundlage dieses Anerkenntnisses ein Urteil.
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VIII. Verwaltungsbehörde als „Gericht“ (Nr. 7) Für summarische Mahnverfahren in Schweden (betalningsföreläggande) enthält Nr. 7 eine Sonderregelung. Das schwedische Amt für Beitreibung (kronofogdemyndighet), eine Verwaltungsbehörde, ist in diesen Verfahren als „Gericht“ i.S.d. VO zu behandeln (s. Rz. 2). Eine entsprechende Regelung findet sich auch in Art. 3 lit. b Brüssel Ia-VO.74
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In summarischen Mahnverfahren in Ungarn (fizetési meghagyásos eljárás) umfasst der Begriff „Ge- 51 richt“ i.S.d. Brüssel Ia-VO auch den Notar (közjegyzo˝) (Art. 3 lit. a Brüssel Ia-VO). Im Vergleich zur Brüssel I-VO wurde der Gerichtsbegriff der Brüssel Ia-VO insoweit erweitert. In die EG-VollstrTitelVO wurde diese Erweiterung nicht ausdrücklich aufgenommen. Jedoch enthält die VO – neben der ausdrücklichen Klarstellung in Nr. 7 – keine Legaldefinition des Begriffes „Gericht“. Soweit keine besonderen Gründe vorliegen, ist ein gleiches Verständnis gleichlautender Begriffe in den EuZPR/ EuIPR-Verordnungen anzustreben. Im Wege der Auslegung sollte die Erweiterung des Gerichtsbegriffs der Brüssel Ia-VO daher auch auf die EG-VollstrTitelVO übertragen werden.
Kapitel II Der Europäische Vollstreckungstitel (Art. 5–Art. 11)
Artikel 5 Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens Eine Entscheidung, die im Ursprungsmitgliedstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. I. Abschaffung der Überprüfung im Vollstreckungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . .
1
II. Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
III. Keine Anerkennungsversagungsgründe . . . 10 1. Ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
a) Sinn und Zweck der ordre publicKontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Europäisierung der Grundrechtskontrolle . c) Zwang zum grundrechtswidrigen Verhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Individualisierung des ordre public . . . .
12 14 15 19
74 S. dazu Rauscher/Staudinger (2021), Art. 3 Brüssel Ia-VO Rz. 1; die gleiche Regelung ist auch bereits in Art. Va Prot.-EuGVÜ i.d.F. des 4. BeitrittsÜ (ABl. EG 1998 C 24/27) enthalten.
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Art. 5 EG-VollstrTitelVO Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens e) Verbleibende Lücken im Beklagtenschutz . 21 2. Verletzung von rechtlichem Gehör und Zuständigkeitsnormen . . . . . . . . . . . . . . 23
3. Unvereinbarkeit mit einer früheren Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4. Keine weiteren Versagungsgründe . . . . . . . 25
Schrifttum: Becker, Grundrechtsschutz bei der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht (2004); Freitag, Anerkennung und Rechtskraft europäischer Titel nach EuVTVO, EuMahnVO und EuBagatellVO, in: FS Jan Kropholler (2008) 759; Georganti, Die Zukunft des ordre public-Vorbehalts im Europäischen Zivilprozessrecht (2006); Kohler, Herkunftslandprinzip und Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen im europäischen Justizraum, in: Reichelt (Hrsg.), Das Herkunftslandprinzip im Europäischen Gemeinschaftsrecht (2006) 71; Peiffer, Grenzüberschreitende Titelgeltung in der Europäischen Union (2008) § 13, zitiert: Peiffer; Pfeiffer, Einheitliche unmittelbare und unbedingte Urteilsgeltung in Europa, in: FS Erik Jayme (2004) 675; Sujecki, Die Möglichkeiten und Grenzen der Abschaffung des ordre public-Vorbehalts im Europäischen Zivilprozessrecht, ZEuP 2008, 458.
I. Abschaffung der Überprüfung im Vollstreckungsmitgliedstaat 1
Art. 5 EG-VollstrTitelVO statuiert den entscheidenden Systemwechsel im Recht der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung (dazu Einl. EG-VollstrTitelVO Rz. 13 ff.). Eine als EuVollstrTitel bestätigte Entscheidung unterliegt in anderen Mitgliedstaaten weder einem Anerkennungs-, noch einem Vollstreckbarerklärungsverfahren.1 Art. 5 EG-VollstrTitelVO verhindert jegliche Nachprüfung der Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat. Alle traditionell der Vollstreckung ausländischer Urteile vorgeschalteten Verfahrensschritte, einschließlich der inzidenten Anerkennungsprüfung oder der unter der Brüssel I-VO praktizierten inzidenten Prüfung gewisser Mindestvoraussetzungen, sind gestrichen.2
2
Die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus dem Bestätigungsverfahren im Ursprungsmitgliedstaat. Die Prüfung der Voraussetzungen einer Vollstreckbarerklärung wird vollständig auf die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaates verlagert.3 Alle Einwendungen sind dort geltend zu machen. Auch bei den besonders groben Verfahrensverstößen, welche nach den Art. 34, 35 Brüssel I-VO/Art. 45 Brüssel Ia-VO eine Verweigerung bzw. Versagung der Anerkennung und Vollstreckung nach sich ziehen, kann im Anwendungsbereich der VO keine Korrektur mehr erfolgen.
3
Im Vollstreckungsmitgliedstaat verliert der Schuldner im Vergleich zum Exequatursystem der Brüssel I-VO insbesondere die Möglichkeit, sich auf eine mangelhafte oder nicht rechtzeitige Zustellung zu berufen; er verliert ebenfalls den Schutz des ordre public. Der Europäische Vollstreckungstitel ist einem inländischen Vollstreckungstitel in jeder Hinsicht gleichgestellt.
4
In Deutschland findet daher, ohne dass es einer Vollstreckungsklausel bedarf (§ 1082 ZPO),4 unmittelbar aus dem EuVollstrTitel die Zwangsvollstreckung statt.
II. Anerkennung im Verhältnis zur Vollstreckbarkeit 5
Die VO erfasst nach dem Wortlaut des Art. 5 EG-VollstrTitelVO sowohl die Anerkennung als auch die Vollstreckung von Entscheidungen.5 Dies wirft Zweifelsfragen auf, weil einerseits die Vollstreckbarkeit eines Titels dessen Anerkennung voraussetzt, andererseits die Frage der Anerkennung sich auch außerhalb des Vollstreckungsverfahrens stellen kann und es überdies (Gestaltungs-)Titel gibt, 1 OGH v. 22.2.2007 – 3 Ob253/06m, ECLI:AT:OGH0002:2007:0030OB00253.06M.0222.000, IPRax 2008, 440, 442; ausführlich zu den Funktionen des Vollstreckbarerklärungsverfahrens Oberhammer, JBl 2006, 477, 482 ff. 2 Schack, FS Leipold (2009) 317, 333; Schack, RitsumLRev 2009, 111, 126 spricht daher von einer Entmachtung des Vollstreckungsstaates und einer Degradierung der Organe des Vollstreckungsstaates zu bloßen Handlangern des Urteilsstaates. 3 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 7 (Art. 4). 4 Kropholler/von Hein, Rz. 2. 5 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 66; Kropholler/von Hein, Rz. 1; Rechberger, FS Leipold (2009) 301, 304; a.A. Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 2.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 5 EG-VollstrTitelVO
die durch Anerkennung wirken und einer Vollstreckung nicht bedürfen. Die VO hält jedoch für die (isolierte) Anerkennung eines Titels keine Regelungen bereit und bezieht sich, wie insbesondere Art. 6 Abs. 1 lit. a EG-VollstrTitelVO und Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO zeigen, nur auf vollstreckbare Titel. Teils wird vertreten, die VO regele die Anerkennung nur für Zwecke der Vollstreckung, erfasse aber 6 nicht die Anerkennung außerhalb des Vollstreckungsverfahrens. Diese beurteile sich weiter nach Art. 33 ff. Brüssel I-VO/Art. 36 ff. Brüssel Ia-VO.6 Dies könnte dazu führen, dass der Schuldner im Vollstreckungsmitgliedstaat bei Vorliegen von Anerkennungshindernissen gemäß der Art. 34, 35 Brüssel I-VO/Art. 45 Brüssel Ia-VO vom Gläubiger aufgrund Bereicherungsrechts das in der Vollstreckung Geleistete herausverlangen kann.7 Auch könnte der Schuldner im Wege der Vollstreckungsabwehrklage den dolo petit-Einwand erheben.8 Eine solche formale Beschränkung auf das Vollstreckungsverfahren als solches erscheint zu eng: Ein- 7 deutiger Zweck der VO ist es, neben die Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO ein unabhängiges zweites Vollstreckungssystem zu stellen. Bereits im ersten Kommissionsvorschlag hieß es, dass die Entscheidung „anerkannt und vollstreckt“ wird.9 Auf Vorschlag des Europäischen Parlaments wurde überdies klargestellt, dass die Wirkungen einem nationalen Vollstreckungstitel gleichstehen müssen und daher die Anerkennung nicht angefochten werden kann.10 Damit impliziert die Bestätigung als EuVollstrTitel auch die Verpflichtung zur Anerkennung der Entscheidung in allen Mitgliedstaaten und nicht nur ein Verbot der Überprüfung der Anerkennungsfähigkeit im Vollstreckungsverfahren.11 Die Eigenständigkeit des Systems der EG-VollstrTitelVO gegenüber der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO wird schließlich auch durch Art. 22 EG-VollstrTitelVO bestätigt. Die aus Art. 5 EG-VollstrTitelVO folgende Anerkennungspflicht besteht dann nicht, wenn der Vollstreckungsmitgliedstaat einem Drittstaat gegenüber in zulässiger Weise zur Nichtanerkennung der Entscheidung verpflichtet ist. Art. 22 EG-VollstrTitelVO ist Art. 72 Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO nachgebildet; dem bedürfte es aber nicht, wenn die Anerkennung nicht nach der VO erfolgen würde.12 Wurde die Bestätigung als EuVollstrTitel erteilt, ist insoweit eine Anerkennung nach der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO ausgeschlossen (s. Art. 27 EG-VollstrTitelVO Rz. 12); die Anerkennung erfolgt dann allein nach dieser VO, solange die Bestätigung nicht widerrufen ist.13 Die Anerkennungspflicht gilt damit auch für solche Verfahren, die in einem materiellen Zusammenhang zum Vollstreckungsverfahren stehen, insbesondere für die Bereicherungsklage wegen unzulässiger Vollstreckung und für die Vollstreckungsabwehrklage.14
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Die Anerkennung in sonstigen Verfahren, in denen die Anerkennungsfähigkeit des Titels Vorfrage 9 (z.B. wegen einer Gestaltungswirkung, Tatbestandswirkung oder res judicata) ist, in denen jedoch kein Bezug zu einer Vollstreckung besteht, unterliegt hingegen nicht der VO. Eine solche Anerkennung ist allein nach den Art. 33 ff. Brüssel I-VO/Art. 36 ff. Brüssel Ia-VO zu prüfen. Eine Bestätigung nach der EG-VollstrTitelVO ist in solchen Fällen ohne Bedeutung.15 Insbesondere gilt dies für Titel, die der Vollstreckung nicht bedürfen und für die eine Bestätigung als EuVollstrTitel daher nicht in Betracht kommt.16
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16
Coester-Waltjen, FS Beys (2003) 183, 197; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 188. Coester-Waltjen, FS Beys (2003) 183, 197. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 65. Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 23 (Art. 4). Wuermeling, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Europäisches Parlament, 26.3.2003, A5-0108/2003, 7 (Änderungsantrag 5); Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 3 (Abänderung 5), 13 (Art. 4). OLG Stuttgart v. 20.4.2009 – 5 W 68/08, NJW-RR 2010, 134, 135; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 66. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 68. OLG Stuttgart v. 20.4.2009 – 5 W 68/08, NJW-RR 2010, 134, 135. So auch Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 3. Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 11 Rz. 1; Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 48; Rijavec/Jelinek/Brehm, S. 196; auch Peiffer, Rz. 1346. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR Rz. 4 f.
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Art. 5 EG-VollstrTitelVO Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens
III. Keine Anerkennungsversagungsgründe 10
Da im Vollstreckungsmitgliedstaat keine Nachprüfung mehr stattfindet, hält die Verordnung auch keine mit Art. 34, 35 Brüssel I-VO/Art. 45 Brüssel Ia-VO vergleichbaren Anerkennungsversagungsgründe mehr bereit. Nur soweit dies ausdrücklich geregelt ist, wird die Prüfung vergleichbarer Gründe auf den Ursprungsmitgliedstaat und das Bestätigungsverfahren nach dieser VO verlagert. Im Übrigen entfällt die Prüfung entsprechender Anerkennungsversagungsgründe. 1. Ordre public
11
Eine ordre public-Kontrolle – gleich ob hinsichtlich des materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen ordre public – kann im Vollstreckungsmitgliedstaat nicht mehr erfolgen.17 Die VO verwirklicht so dieses langfristige europäische Ziel18 in einem weiteren19 Bereich.20 Wenn die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat bestätigt wurde, löst dies einen Automatismus aus, der dazu führt, dass sie im Vollstreckungsmitgliedstaat zu vollstrecken ist, auch wenn dies den dortigen ordre public verletzt. Diese völlige Aufgabe der ordre public-Kontrolle wird im Schrifttum überwiegend abgelehnt.21 a) Sinn und Zweck der ordre public-Kontrolle
12
Auch wenn der ordre public-Vorbehalt in der Praxis selten zum Tragen kommt, ist er doch gerade für diese Ausnahmefälle und Einzelfälle, in denen besonders eklatante rechtsstaatliche Verstöße zu verarbeiten sind, von erheblichem Gewicht.22 Die ordre public-Kontrolle verfolgt grundsätzlich zwei verschiedene Ziele: Zum einen schützt sie öffentliche Interessen, die von Amts wegen durchzusetzen sind. Diese Seite des ordre public kann durchaus schrittweise aufgrund gestiegenen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten eingeschränkt werden. Zum anderen wird durch die ordre public-Kontrolle aber auch Beklagtenschutz gewährleistet. Dieser ist durchaus individualisierbar, muss also nicht von Amts wegen erfolgen. Er kann aber nicht dem Vertrauensdogma geopfert werden; er muss vielmehr umgekehrt gerade auf höchstem Niveau vereinheitlicht und sichergestellt werden. Erst dadurch entsteht das von der VO nur postulierte notwendige Vertrauen.23
13
Auch wenn die Feststellung, die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten seien grundsätzlich rechtsstaatlich strukturiert und das jeweilige Verfahren genüge rechtsstaatlichen Anforderungen, nicht angezweifelt werden soll,24 rechtfertigt dies allein noch nicht die Abschaffung einer Kontrollmöglichkeit, welche Ausnahmecharakter hat und welche für die auch im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten anzutreffenden Fälle bereit gehalten wird, in denen in einem grundsätzlich rechtsstaatlichen Verfahren ein evident rechtsstaatswidriges Urteil ergangen ist.25 Eine Art „Notbremse“ im Anerkennungs- und
17 BGH v. 24.4.2014 – VII ZB 28/13, Rz. 14, EuZW 2014, 557; Stürner, jurisPR-BGHZivilR 12/2014 Anm. 1. 18 Rat der EU, Maßnahmenprogramm, ABl. EG 2001 C 12/1, 9: Als 3. Maßnahmenstufe wird für alle Rechtsgebiete die Abschaffung des Exequaturverfahrens gefordert; fortgeschrieben im „Haager Programm“ Rat der EU, 4./5.11.2004, ABl. EU 2005 C 53/1, 13 (Pkt 3.4.2); eine Fortschreibung ist auch für das „Stockholmer Programm“ vorgesehen, Europäische Kommission, 10.6.2009, COM (2009) 262, 11. 19 Eine Abschaffung erfolgte auch bereits durch die besonderen Vollstreckungsverfahren nach Art. 40 ff. Brüssel IIa-VO für Umgangsrechtssachen und Kindesherausgabesachen. 20 Die Europäische Kommission wollte den ordre public Vorbehalt bereits bei der geplanten Revision des EuGVÜ 1998 streichen (ABl. EG 1998 C 33/20, 27 [Art. 37a Abs. 1 Nr. 1]), konnte sich damals aber nicht durchsetzen, dazu Geimer, FS Németh (2003) 229, 237 f.; Geimer, IZVR Rz. 3178. 21 Fasching/Rechberger, Vor Art. 1 Rz. 7; Wagner, IPrax 2002, 75, 90; Stadler, IPRax 2004, 2, 7; Kohler in Baur/Mansel (Hrsg.), Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht (2002) S. 147, 160; Rechberger, FS Leipold (2009) 301, 305; Oberhammer, JBl 2006, 477, 497; a.A. Stein, IPRax 2004, 181, 183 ff.; Hüßtege in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 113, 137; Hüßtege, FS Jayme (2004) 371, 385. 22 Stadler, IPRax 2004, 2, 8; Stadler, RIW 2004, 801, 803. 23 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 16. 24 So bereits Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 17. 25 Vgl. dazu z.B. die Entscheidungen EuGH v. 28.3.2000 – C-7/98, ECLI:EU:C:2000:164 – Dieter Krombach vs. André Bamberski, EuGHE 2000 I 1956 = ZIP 2000, 859 m. Anm. Geimer 863; OLG Zweibrücken v. 10.5.2005
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 5 EG-VollstrTitelVO
Vollstreckungsrecht erscheint bereits aufgrund der Unterschiede in den Rechtskulturen notwendig,26 jedenfalls aber, wie der Fall Krombach27 zeigt, wegen der Möglichkeit von vereinzelten elementar rechtsstaatswidrigen Prozessen in einem Mitgliedstaat. Noch größer ist die Gefahr von Fehlentscheidungen,28 die gerade bei Versäumnisentscheidungen nicht notwendig im Ursprungsmitgliedstaat einer Kontrolle im Instanzenzug unterliegen. Schließlich kann auch die Anwendung von materiellem Recht eines Drittstaates aufgrund eines im Einzelfall weniger sensiblen ordre public im Ursprungsmitgliedstaat oder die Betroffenheit gesetzlicher Verbote29 den ordre public des Vollstreckungsmitgliedstaats verletzen. Daneben kann allein die Möglichkeit einer ordre public Kontrolle den Schuldner präventiv vor besonders offensichtlichen Fehlurteilen schützen.30 b) Europäisierung der Grundrechtskontrolle Das Vorhandensein derartiger Fälle allein spricht noch nicht für eine Beibehaltung der ordre publicKontrolle (auch wenn dies das klassische Mittel zur Abwehr grob rechtsstaatswidriger Urteile ist). Ein Verzicht ist vielmehr vorstellbar, wenn andere Instrumentarien zur Verfügung stehen, mit denen eine ähnliche Wirkung erzielt werden kann. Denkbar ist insbesondere eine von den Nationalstaaten gelöste Grundrechtskontrolle auf europäischer Ebene. Allein wird in der EU hier mal wieder der zweite Schritt vor dem ersten getan, man gibt zuerst die Anerkennungskontrolle auf, ehe man einen effektiven Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene installiert hat. Der EuGH kann dies bisher nicht übernehmen (s. Einl. EG-VollstrTitelVO Rz. 41 f.) und der Schutz durch die Individualbeschwerde zum EGMR erscheint in seiner Wirkung zumindest zweifelhaft (s. Einl. EG-VollstrTitelVO Rz. 46).
14
c) Zwang zum grundrechtswidrigen Verhalten? Das Verbot jeglicher Nachprüfung kann im Vollstreckungsmitgliedstaat sogar dazu führen, dass die- 15 ser zu einem grundrechtswidrigen Handeln gezwungen wird. Als Beispiel lässt sich die Situation aus dem vom BGH dem EuGH vorgelegten Krombach-Fall anführen:31 Der Angeklagte stellte sich einem französischen Strafverfahren nicht. Im nach französischem Recht zugelassenen Annexverfahren wurde er zivilrechtlich zu Schadensersatz verurteilt. Der EuGH sah bereits in der Versagung des (zivil-)rechtlichen Gehörs einen Verstoß gegen das Verteidigungsrecht des Beklagten nach der EMRK. Er bescheinigte Frankreich inzident ein elementar menschenrechtswidriges Urteil. Unter der Brüssel I-VO kann darauf der Vollstreckungsmitgliedstaat mit dem ordre public-Vorbehalt aus Art. 34 Nr. 1 Brüssel I-VO reagieren und die Anerkennung und Vollstreckung verweigern. Unter der Brüssel Ia-VO verbleibt Art. 45 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO. Unter der EG-VollstrTitelVO würde der Vollstreckungsmitgliedstaat auch das französische Krombach-Urteil direkt vollstrecken müssen. Dies, obgleich die von der VO auferlegte Obliegenheit zur zivilrechtlichen Verteidigung vom Schuld-
26
27 28 29 30 31
– 3 W 165/04, IPRspr. 2005 Nr. 151; OLG Köln v. 3.1.2003 – 16 W 42/02, IPRspr. 2003 Nr. 179; Ct of Appeal England & Wales Maronier/Larmer [2002], EWCA Civ 774. Coester-Waltjen, FS Beys (2003) 183, 193 verweist auf Wertungsunterschiede bei der Gestaltung der nationalen Verfahren; vgl. illustrierend (wenn auch hinsichtlich eines australischen Ursprungsverfahrens) für einem zu beachtenden ordre public-Verstoß im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach dem HUntAVÜbk 1973 BGH v. 2.9.2009 – XII ZB 50/06, FamRZ 2009, 2069 = NJW 2010, 153 (der Schuldner war der Aufforderung des Gerichts zu bestimmten Mitwirkungen nicht nachgekommen und wurde wegen Missachtung des Gerichts [contempt of court] vom Ursprungsverfahren ausgeschlossen). EuGH v. 28.3.2000 – C-7/98, ECLI:EU:C:2000:164 – Dieter Krombach vs. André Bamberski, EuGHE 2000 I 1956 = ZIP 2000, 859 m. Anm. Geimer, 863; dazu auch Geimer, FS Németh (2003) 229, 240. Etwa eines vom Gericht im Versäumnisverfahren nicht erkannten Prozessbetrugs. Wie sollte ein deutsches Vollstreckungsorgan verfahren, wenn etwa ein im europäischen Ausland zum Teil durchaus vorstellbares Urteil auf Zahlung des Kaufpreises für einen Posten nationalsozialistischer Abzeichen oder des Buches „Mein Kampf“ als EuVollstrTitel bestätigt würde? Darauf weisen Stürner, FG 50 Jahre BGH Bd. 3 (2000) 677, 690 f. und Wagner, IPRax 2002, 75, 91 hin; s. auch Rechberger, FS Leipold (2009) 301, 305 Fn. 27; Oberhammer, JBl 2006, 477, 497. EuGH v. 28.3.2000 – C-7/98, ECLI:EU:C:2000:164 – Dieter Krombach vs. André Bamberski, EuGHE 2000 I 1956 = ZIP 2000, 859 m. Anm. Geimer, 863; vgl. Wagner, IPRax 2002, 75, 92; Stadler, IPRax 2004, 2, 8.
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Art. 5 EG-VollstrTitelVO Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens ner nicht wahrgenommen werden könnte, ohne sich nach nationalem Verfahrensrecht dem Risiko einer langjährigen Haftstrafe auszusetzen. Weil das Urteil aber nach nationaler Prozessrechtslage korrekt ist, wären Rechtsbehelfe vor den französischen Gerichten (Ursprungsmitgliedstaat) aussichtslos. Die unmittelbar erfolgende Vollstreckung würde sich als erneuter Grundrechtseingriff darstellen; da ein einheitlicher Rechtsraum in Europa noch nicht besteht, bedeutet die Vollstreckung, anders als ggf. im nationalen Recht, nicht nur eine Perpetuierung des bereits erfolgten Grundrechtseingriffes. Damit verbleibt die Verantwortung für die Verletzung der im Gemeinschaftsrecht verankerten Grundrechte bei den einzelnen Mitgliedstaaten,32 die dieser Verantwortung aber, der ordre public-Kontrolle beraubt, nicht mehr gerecht werden können. 17
Dies macht deutlich, dass es, um Verstöße gegen die durch die EMRK verbürgten Justizgrundrechte zu vermeiden, einer ordre public-Kontrolle weiter bedürfte. Nach dem Stand der VO hingegen kann lediglich die Individualbeschwerde des Schuldners zum EGMR eine Menschenrechtsverletzung verhindern. Der EGMR ist die letzte und hier auch einzige „Notbremse“ zur Durchsetzung elementarer Verfahrensgrundrechte.33 Damit dieser Rechtsschutz nicht regelmäßig zu spät kommt, weil das Verfahren beim EGMR länger dauert als die von keiner Prüfung abhängige Durchführung der Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat, muss man dem Vollstreckungsmitgliedstaat im Fall der Individualbeschwerde des Schuldners zum EGMR die Möglichkeit einräumen, die Vollstreckung auf Antrag nach Art. 23 EG-VollstrTitelVO auszusetzen (dazu Art. 23 EG-VollstrTitelVO Rz. 13 ff.).
18
Die Systematik der EG-VollstrTitelVO hätte nicht zwangsläufig zur Aufgabe des ordre public Vorbehalts führen müssen. Bedingt wird mit Art. 21 EG-VollstrTitelVO (s. Rz. 24) auch von der EGVollstrTitelVO die Möglichkeit von begrenzten Einschränkungen im Vollstreckungsmitgliedstaat vorgesehen. Von der Verordnung wird so selbst erkannt, dass eine strenge Durchhaltung ihrer Systematik nicht möglich ist. In gleicher Weise hätte man mit dem ordre public Vorbehalt verfahren können, der, wie vom EuGH34 bestätigt, sicher Ausnahmecharakter hat und weshalb die Befürchtung einer übermäßigen Behinderung des europäischen Rechtsverkehrs sicher nicht gerechtfertigt ist.35 d) Individualisierung des ordre public
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Es bleibt allein der Initiative des Schuldners überlassen, auf Umwegen den Wegfall der ordre public Prüfung in seinen Folgen durch Einlegung von gleichzeitig zwei Rechtsbehelfen zu mildern. Er muss die Individualbeschwerde zum EGMR einlegen und den Aussetzungsantrag für die Vollstreckung stellen.36 Die damit verbundene völlige Individualisierung des ordre public kann jedoch wohl hingenommen werden, auch wenn damit Fälle, in denen nur öffentliche Interessen des Vollstreckungsmitgliedstaats betroffen sind,37 ggf. nicht lösbar sind.
20
Diese Individualisierung ist bereits in der Brüssel I-VO angelegt. Auch dort erfolgt die ordre publicKontrolle nur noch im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Vollstreckbarerklärung (Art. 41, 43 Brüssel I-VO). Der Wechsel der Methodik trägt zudem dem Umstand Rechnung, dass sich die praktische Relevanz stark auf den Beklagten schützende verfahrensrechtliche Vorschriften verlagert hat. Die seltenen Fälle, in denen der ordre public des Vollstreckungsmitgliedstaates ohne Verletzung der Verfahrensgrundrechte einer Partei betroffen ist, wird man mit dem Hinweis, dass sich die Mitgliedstaaten im Rat ihres wechselseitigen Vertrauens versichert haben und sich nunmehr daran messen lassen müssen, bewältigen können.38
32 Kohler in Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2004) S. 63, 77. 33 So auch Stein, IPRax 2004, 181, 186. 34 EuGH v. 28.3.2000 – C-7/98, ECLI:EU:C:2000:164 – Krombach vs. Bamberski, Rz. 37, IPRax 2000, 406, 408; EuGH v. 2.5.2006 – C-341/04, ECLI:EU:C:2006:281 – Eurofood IFSC Ltd. Rz. 62, IPRax 2007, 120, 124. 35 Fasching/Rechberger, Vor Art. 1 Rz. 7; Oberhammer, JBl 2006, 477, 499. 36 Georganti, Die Zukunft des ordre public-Vorbehalts im Europäischen Zivilprozessrecht (2006) S. 161 ff. diskutiert, ob ein mit Art. 23 EG-VollstrTitelVO vergleichbares, auf Antrag des Schuldners durchzuführendes Verfahren zum ordre public-Vorbehalt zu schaffen wäre. 37 Z.B. in dem oben in Fn. 29 gebildeten Beispiel. 38 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 31.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 5 EG-VollstrTitelVO
e) Verbleibende Lücken im Beklagtenschutz Auch wenn mit der Individualbeschwerde zum EGMR und dem Aussetzungsantrag nach Art. 23 21 EG-VollstrTitelVO ein erträgliches Schutzniveau für den Beklagten erreicht wird, steht dieses hinter dem bisherigen zurück.39 Es besteht insbesondere das Risiko, dass der EGMR auf Grundlage von Art. 6 EMRK einem höheren Grundrechtsstandard des Vollstreckungsmitgliedstaates nicht folgt.40 Hier zeigt sich freilich nur erneut das Problem der Verlagerung des Grundrechtsschutzes auf die EU, die zu einer Nivellierung auf dem kleinsten gemeinsamen Niveau führen kann. Zudem wird der Beklagte verpflichtet, den Instanzenzug im Ursprungsmitgliedstaat zu erschöpfen, selbst wenn dies angesichts der dortigen Rechtslage offensichtlich sinnlos sein mag oder auch sein Vertrauen in das dortige Rechtssystem aus gutem Grund erschöpft ist.41 Hier zeigt sich, dass das Vertrauensdogma der EU nicht die Freiheit der Bürger stärkt, sondern dem Bürger ein nicht nachweislich berechtigtes Vertrauen abverlangt.
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2. Verletzung von rechtlichem Gehör und Zuständigkeitsnormen Praktisch wichtigster Anerkennungsversagungsgrund in der Brüssel I-VO ist Art. 34 Nr. 2 Brüssel I- 23 VO, die Verletzung des rechtlichen Gehörs des Beklagten aufgrund nicht ordnungsgemäßer Zustellung. Er bleibt auch im neuen System der Brüssel Ia-VO mit Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO erhalten. Dieser Schutz soll unter der VO durch die Beachtung der Mindestvorschriften nach Art. 6 Abs. 1 lit. c EG-VollstrTitelVO i.V.m. Kapitel III gewährt werden. Gleiches gilt, soweit unter der Brüssel IVO im Exequaturverfahren noch Zuständigkeitsvorschriften überprüfbar sind. Hier soll vergleichbarer Schutz durch Art. 6 Abs. 1 lit. b, d EG-VollstrTitelVO gewährt werden. 3. Unvereinbarkeit mit einer früheren Entscheidung Art. 21 EG-VollstrTitelVO regelt den einzigen Fall, in dem unter der VO die Vollstreckung verweigert werden darf. Voraussetzung ist, dass zwischen denselben Parteien wegen desselben Streitgegenstandes eine frühere Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen ist oder in diesem die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung erfüllt sind und die Unvereinbarkeit im Ausgangsverfahren nicht geltend gemacht werden konnte. Dadurch wird eingeschränkt der Schutz gegen widersprechende Titel aus Art. 34 Nr. 3, 4 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. c, d Brüssel Ia-VO gewährleistet. Gegenüber der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO ist auch diese Kontrolle eingeschränkt: Die Vollstreckung kann auch bei einer inländischen Entscheidung nur verweigert werden, wenn diese früher ergangen ist. Die Vollstreckung darf überdies nur versagt werden, wenn die Unvereinbarkeit nicht schon im Ausgangsverfahren geltend gemacht werden konnte.42
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4. Keine weiteren Versagungsgründe Der in Art. 21 EG-VollstrTitelVO geregelte Fall der Verweigerung der Vollstreckung wegen Unvereinbarkeit mit einer früheren Entscheidung kann nicht im Wege der Analogie auf andere Versagungsgründe ausgedehnt werden. Selbst wenn die bestätigte Entscheidung nicht in den sachlichen oder zeitlichen Anwendungsbereich der VO fällt, es sich also z.B. nicht um eine i.S.d. Art. 3 EG-VollstrTitelVO „unbestrittene“ Forderung handelt, kann deshalb nicht im Vollstreckungsmitgliedstaat die Vollstreckung verweigert werden.43 Es bleibt allein der Angriff mittels der Möglichkeiten aus der VO (Widerruf, Art. 10 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO) im Ursprungsmitgliedstaat.
39 Teilweise ist man aber ausdrücklich bereit, diesen für das Ziel des „Vereinten Europas“ einzuschränken, Geimer, FS Németh (2003) 229, 241. 40 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 34. 41 Stadler, IPRax 2004, 2, 8 führt als Beispiele Prozessbetrug oder Korruption in erster Instanz an; vgl. auch Coester-Waltjen, FS Beys (2003) 183, 193. 42 Kropholler/von Hein, Rz. 7. 43 Kropholler/von Hein, Rz. 9; a.A. Jayme/Kohler, IPRax 2004, 481, 486 Fn. 73.
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Art. 6 EG-VollstrTitelVO Voraussetzungen für die Bestätigung als EuVollstrTitel
Artikel 6 Voraussetzungen für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel (1) Eine in einem Mitgliedstaat über eine unbestrittene Forderung ergangene Entscheidung wird auf jederzeitigen Antrag an das Ursprungsgericht als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt, wenn a) die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist, und b) die Entscheidung nicht im Widerspruch zu den Zuständigkeitsregeln in Kapitel II Abschnitte 3 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 steht, und c) das gerichtliche Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat im Fall einer unbestrittenen Forderung im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) oder c) den Voraussetzungen des Kapitels III entsprochen hat, und d) die Entscheidung in dem Mitgliedstaat ergangen ist, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz im Sinne von Artikel 59 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 hat, sofern – die Forderung unbestritten im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) oder c) ist, – sie einen Vertrag betrifft, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann und – der Schuldner der Verbraucher ist. (2) Ist eine als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung nicht mehr vollstreckbar oder wurde ihre Vollstreckbarkeit ausgesetzt oder eingeschränkt, so wird auf jederzeitigen Antrag an das Ursprungsgericht unter Verwendung des Formblatts in Anhang IV eine Bestätigung der Nichtvollstreckbarkeit bzw. der Beschränkung der Vollstreckbarkeit ausgestellt. (3) Ist nach Anfechtung einer Entscheidung, die als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß Absatz 1 bestätigt worden ist, eine Entscheidung ergangen, so wird auf jederzeitigen Antrag unter Verwendung des Formblatts in Anhang V eine Ersatzbestätigung ausgestellt, wenn diese Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist; Artikel 12 Absatz 2 bleibt davon unberührt. I. II. 1. 2. 3. 4.
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1 2 2 5 6 8
III. Bestätigungsvoraussetzungen . . . . . . . . 1. Vollstreckbare Entscheidung (Abs. 1 lit. a) 2. Prüfung der Zuständigkeit (Abs. 1 lit. b) . a) Ausschließliche Zuständigkeiten . . . . . b) Zuständigkeiten in Versicherungssachen c) Zuständigkeiten in Verbrauchersachen . d) Sonstige Verstöße gegen Zuständigkeitsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zuständigkeiten in Arbeitssachen . . . . f) Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . g) Vermerk im Formblatt . . . . . . . . . . . 3. Einhaltung der Mindestvorschriften (Abs. 1 lit. c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verbrauchersachen (Abs. 1 lit. d) . . . . . . a) Eingeschränkte Einbeziehung von Verbrauchersachen . . . . . . . . . . . . .
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10 10 16 17 18 21
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Voraussetzungen der Bestätigung Antrag auf Bestätigung . . . . . . Antragszeitpunkt . . . . . . . . . Antragsausschluss . . . . . . . . . Antragsberechtigung . . . . . . . Antragsempfänger . . . . . . . . .
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b) Anerkenntnisurteile gegen Verbraucher c) Versäumnisurteile gegen Verbraucher . (1) Titel gegen Verbraucher . . . . . . . (2) Wohnsitz des Schuldners . . . . . . 5. Prüfungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verordnungsautonome Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nationale Verfahrensvoraussetzungen . . . 4. Wirkungen im nationalen Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ersatzbestätigung (Abs. 3) . . . . . . . . . . 1. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verordnungsautonome Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nationale Verfahrensvorschriften . . . . . .
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33 39 39 41 45
. 46 . 46 . 47 . 49 . . . .
51 52 52 53
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 6 EG-VollstrTitelVO
Schrifttum Mankowski, Europäischer Vollstreckungstitel und prozessualer Verbraucherschutz, in: FS Konstantinos Kerameus (2009) 785.
I. Voraussetzungen der Bestätigung Art. 6 EG-VollstrTitelVO benennt – in seiner Funktion vergleichbar zu Art. 34, 35 Brüssel I-VO1/ 1 Art. 45 Abs. 1 Brüssel Ia-VO – die Voraussetzungen, unter denen eine Entscheidung als EuVollstrTitel zu bestätigen ist, sofern sie in den sachlichen Anwendungsbereich der VO fällt, insbesondere also eine unbestrittene Forderung nach Art. 3 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO vorliegt. Art. 6 EG-VollstrTitelVO enumeriert damit, umgekehrt betrachtet, abschließend die Gründe, aus denen die Bestätigung als EuVollstrTitel versagt werden darf, wobei das Kernstück der im Ausgangsverfahren zu wahrenden Mindestvorschriften allerdings durch Verweisung auf das III. Kapitel geregelt ist. Entsprechend dem Gesamtkonzept der VO wird die Prüfung der Voraussetzungen der Bestätigung vollständig auf den Ursprungsmitgliedstaat übertragen.
II. Antrag auf Bestätigung 1. Antragszeitpunkt Die Bestätigung als EuVollstrTitel erfolgt auf Antrag (Abs. 1 Satz 1). Dieser kann jederzeit gestellt 2 werden, ist insbesondere nicht an eine Frist gebunden.2 Dem Gläubiger steht es frei, erst dann, wenn er einen in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckbaren Titel benötigt, den Titel als EuVollstrTitel bestätigen zu lassen. Es besteht keine Pflicht, bereits während des Erkenntnisverfahrens die beabsichtigte spätere Bestätigung eines zu erlangenden Titels als EuVollstrTitel zu offenbaren oder gar zu beantragen.3 Der Antrag kann aber andererseits auch bereits vor Erlass der Entscheidung für den Fall des Nicht- 3 bestreitens (zusammen mit der Klage) gestellt werden.4 Es bedarf dabei keines Auslandsbezuges der Sache.5 Der notwendige grenzüberschreitende Bezug6 wird bei Nutzung des EuVollstrTitels zur Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat hergestellt. Diese Verfahrensweise dürfte den Vorzug haben, dass dem Gericht im Erkenntnisverfahren bewusst ist, dass die für die Bestätigung erforderlichen Voraussetzungen, insbesondere des III. Kapitels, einzuhalten sind. Fraglich ist, welche Möglichkeiten dem Gläubiger unter Umständen hinsichtlich von Staatshaftungsansprüchen offen stehen, wenn das Gericht dennoch die Mindeststandards z.B. hinsichtlich der Zustellung oder Belehrung nicht beachtet, so dass eine Bestätigung als EuVollstrTitel nach dem abgeschlossenen Erkenntnisverfahren ausscheidet. Wurden die Mindeststandards jedoch beachtet, kann dann die Bestätigung in engem Zusammenhang mit der Entscheidung ergehen und dem Gläubiger liegt der EuVollstrTitel bereits kurz nach der Entscheidung vor.7 Der früheste mögliche Zeitpunkt für die Bestätigung besteht jedoch erst nach dem Ergehen der Entscheidung, also erst nachdem diese nach der lex fori Außenwirkungen entfaltet. Die Antragsstellung (und anschließende Bestätigung) kann auch erfolgen, wenn die Entscheidung zwischenzeitlich mit Rechtsmitteln angegriffen wurde. Das Rechtsmittel beseitigt die ursprüngliche Entscheidung zunächst nicht, diese bleibt vorerst bestehen und stellt mithin weiter eine Entscheidung 1 Mankowski, FS Kerameus (2009) 785, 788 f. 2 Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 46; Gebauer, FPR 2006, 252, 253; Knittel, JAmt 2006, 477, 478. 3 EuGH v. 17.12.2015 – C-300/14, ECLI:EU:C:2015:825 – Imtech Marine Belgium vs. Radio Hellenic Rz. 49, EuZW 2016, 235, 237; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 1 Rz. 7. 4 BGH v. 25.3.2010 – I ZB 116/08, IPRax 2012, 72 = FamRZ 2010, 890 = NJW 2010, 1883, 1885; Schlosser/Hess/ Schlosser, Rz. 1a; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 2a; Nagel/Gottwald, IZPR § 14 Rz. 14.40; Gebauer, FPR 2006, 252, 253; Knittel, JAmt 2006, 477, 478; Faetan, JAmt 2007, 181, 186. 5 Fasching/Rechberger, Art. 3 Rz. 2. 6 Nur bei Maßnahmen mit grenzüberschreitenden Bezügen besteht eine Kompetenz der EG, Art. 81 AEUV (ex Art. 65 EGV). 7 Kropholler/von Hein, Rz. 2; Stein, EuZW 2004, 679, 680; Wagner, IPRax 2005, 189, 191.
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Art. 6 EG-VollstrTitelVO Voraussetzungen für die Bestätigung als EuVollstrTitel über eine unbestrittene Forderung dar.8 Der Antrag auf Erteilung eines und die Bestätigung als EuVollstrTitel kann für ein Versäumnisurteil daher auch nach Einlegung des Einspruches erfolgen. Die Bestätigungsvoraussetzungen (insbesondere die Vollstreckbarkeit) müssen jedoch im Zeitpunkt der Bestätigung weiter gegeben sein. 2. Antragsausschluss 5
Die Möglichkeit jederzeitiger Antragstellung bedeutet jedoch nicht, dass der nationale Gesetzgeber keine Präklusionswirkungen vorsehen dürfte, wenn bereits ein Bestätigungsantrag für denselben Titel erfolglos geblieben ist.9 Der Gläubiger hat keinen Anspruch aus der VO, die nationalen Gerichte immer wieder mit erneuten Anträgen zum selben Titel zu befassen (dazu Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 11, Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 25, Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 32). 3. Antragsberechtigung
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Antragsberechtigt ist allein der in der Entscheidung genannte Titelgläubiger,10 mithin derjenige an den der Schuldner aufgrund des Titels leisten muss. Eine Antragstellung zugunsten eines Dritten wird nicht vorgesehen.
7
Jedoch wird der Unterlassungsgläubiger dem bei einem Ordnungsmittelbeschluss gleichgestellt, auch wenn das verhängte Ordnungsgeld der Staatskasse und nicht dem ursprünglichen Gläubiger zugute kommt und dieser daher allein mittelbar Begünstigter des Ordnungsmittelbeschlusses, aber nicht Gläubiger des Ordnungsgeldes ist.11 4. Antragsempfänger
8
Der Antrag ist an das Ursprungsgericht zu richten. Dieser ist nach Einreichung dem Schuldner nicht zuzustellen. Wollte das Europäische Parlament ursprünglich ein autonomes Erfordernis der Zustellung des Antrags auf Bestätigung an den Schuldner in den Verordnungsvorschlag einführen12 und wurde dabei auch von der Kommission unterstützt,13 so entfiel dieses im Gemeinsamen Standpunkt zur Effizienzsteigerung wieder.14
9
Von der VO wird nur geregelt, wohin der Antrag zu richten ist, nicht jedoch wer über diesen entscheidet. Jedoch muss der Verordnung entnommen werden, dass jedenfalls die eigentliche Bestätigung, bei der die Einhaltung der Mindeststandards geprüft wird, nicht einem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle anvertraut werden kann; etwas anderes gilt allein für den der materiellen Bestätigung nachfolgenden Akt der formellen Ausstellung des entsprechenden Formblattes.15 Die Bestimmung, ob der die ursprüngliche Entscheidung erlassende Spruchkörper, ein anderer Spruchkörper desselben
8 Coester-Waltjen, FS Ansay (2006) 47, 52; a.A. OLG Wien v. 14.6.2007 – 1 R 85/07p, ECLI:AT:OLG0009:2007: RW0000389, Pkt 2.2 (RIS); Pichler, GPR 99, 100; Fasching/Rechberger, Art. 3 Rz. 8; Geimer, IZPR Rz. 3180e; Geimer, FS Vollkommer (2006) 385, 399, die die Unbestrittenheit mit Einlegung des Rechtsmittels entfallen lassen; Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Art. 3 Rz. 14 sieht Erkenntnis- und Bestätigungsverfahren als ein Verfahren i.S.d. VO. 9 Zöller/Geimer, § 1079 ZPO Rz. 12; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1a. 10 Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 26; Strasser, Rpfleger 2009, 397. 11 BGH v. 25.3.2010 – I ZB 116/08, FamRZ 2010, 890 = NJW 2010, 1883, 1885; Stürner, FS Simotta (2012) 587, 589 f.; Giebel, IPRax 2009, 324, 326 f., der eine Vollstreckungsstandschaft als gemeinschaftsrechtlich geboten ansieht; a.A. OLG München v. 3.12.2008 – 6 W 1956/08, Rpfleger 2009, 396, 397; OLG Hamm v. 2.10.2008 – 19 W 21/08, BeckRS 2008, 23378; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 34a; Bittmann, IPRax 2012, 62, 65; Bittmann, GPR 2012, 84, 86. 12 Vgl. Wuermeling, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Europäisches Parlament, 26.3.2003, A5-0108/2003, 8 (Änderungsantrag 7). 13 Im geänderten Vorschlag der Europäischen Kommission 11.6.2003, COM (2003) 341, 5, 14 (Art. 6a). 14 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 6 (Abänderung 7). 15 EuGH v. 17.12.2015 – C-300/14, ECLI:EU:C:2015:825 – Imtech Marine Belgium vs. Radio Hellenic Rz. 45 ff., EuZW 2016, 235, 237.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 6 EG-VollstrTitelVO
Gerichts oder ein anderes Gericht über die Bestätigung entscheidet, ist den einzelnen Mitgliedstaaten überlassen.16 (S. dazu Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 12 ff., Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 28).
III. Bestätigungsvoraussetzungen 1. Vollstreckbare Entscheidung (Abs. 1 lit. a) Es muss eine Entscheidung ergangen sein; den Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung Außenwirkung entfaltet, bestimmt die lex fori.17 Die zu bestätigende Entscheidung muss im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sein. Entgegen ursprünglichen Vorschlägen18 ist Rechtskraft nicht erforderlich.19 Vorläufige Vollstreckbarkeit genügt also. Wann Vollstreckbarkeit vorliegt, bestimmt sich nach der lex fori des Ursprungsmitgliedstaates.20
10
Die Durchsetzbarkeit der nicht rechtskräftigen, allein vorläufig vollstreckbaren Entscheidung ist im Ursprungsmitgliedstaat regelmäßig an Schutzmaßnahmen für den Schuldner geknüpft, um diesen für den Fall, dass die Entscheidung auf sein Rechtsmittel hin in höherer Instanz aufgehoben wird, zu sichern. Derartige Schutzmaßnahmen des Rechts des Ursprungsmitgliedstaates sind jedoch weder Gegenstand der Bestätigung noch werden sie von der VO autonom als Einschränkung der Bestätigungsfähigkeit vorgesehen. Es ist Sache des Vollstreckungsmitgliedstaates entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen (s. Art. 23 EG-VollstrTitelVO Rz. 6).21
11
Fehlt es an der (vorläufigen) Vollstreckbarkeit, so ist eine Bestätigung nicht möglich. Da die EGVollstrTitelVO keine isolierte Anerkennung regelt, sondern nur die inzidente Anerkennung für Zwecke der Vollstreckung,22 ist für eine Anerkennung ohne Vollstreckbarkeit kein Raum.
12
Vollstreckbarkeit des Titels im Vollstreckungsmitgliedstaat ist hingegen Folge, nicht Voraussetzung der Bestätigung. Dies ist für den individuellen Titel selbstverständlich, gilt aber auch für Kategorien von Titeln, die im Vollstreckungsmitgliedstaat nicht vollstreckbar wären. Die Bestätigung als EuVollstrTitel erstreckt die Vollstreckbarkeit auf alle Mitgliedstaaten, mögen auch Titel derselben Gattung in einzelnen Mitgliedstaaten nicht vollstreckbar sein. Dies bedeutet, dass ein bestätigter deutscher Titel, der §§ 704 ff. ZPO, insbesondere auch § 794 ZPO unterfällt, in allen Mitgliedstaaten vollstreckt werden muss, einerlei ob das dortige Recht derartige Titel zur Vollstreckung zulässt oder nicht.23
13
Im deutschen Recht liegt Vollstreckbarkeit jedenfalls vor, wenn eine Vollstreckungsklausel erteilt wurde. Bei noch nicht erteilter Klausel kann sie für die Bestätigung nicht verlangt werden. Es sind dann im Bestätigungsverfahren alle Voraussetzungen zu prüfen, die für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung erforderlich sind. Nur wenn diese gegeben sind, liegt eine in Deutschland vollstreckbare Entscheidung vor.24
14
16 Kropholler/von Hein, Rz. 3; Stein, EuZW 2004, 689, 690; Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 9 (Art. 5) wonach dieser Spielraum den Mitgliedstaaten erst im Gemeinsamen Standpunkt des Rates überlassen wurde. Zuvor stellte die Kommission auf das Gericht ab, welches für die Entscheidung zuständig ist; dies übersehen wohl Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 457, die aus Art. 6 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO die Zuständigkeit für die Bestätigung ableiten. 17 Rauscher, GPR 2003/04, 286, 288; Peiffer, Rz. 1151; vgl. dazu Art. 26 EG-VollstrTitelVO Rz. 7. 18 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 23 (Art. 5 lit. a). 19 Coester-Waltjen, JURA 2005, 394. 20 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 2; Hüßtege in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 113, 125; Hüßtege, FS Jayme (2004) 371, 376; Rosner, Money Judgements S. 178; Georganti, Die Zukunft des ordre public-Vorbehalts im Europäischen Zivilprozessrecht (2006) S. 20 ff.; Mayr, EuZPR Rz. IV/204. 21 Coester-Waltjen, JURA 2005, 394, 395; Coester-Waltjen, FS Yessiou-Faltsi (2007) 39, 40. 22 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 48; Gerling, S. 79. 23 Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 457. 24 Riedel, S. 10; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 2.
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Art. 6 EG-VollstrTitelVO Voraussetzungen für die Bestätigung als EuVollstrTitel 15
Hängt die Vollstreckbarkeit in Deutschland vom Eintritt einer vom Gläubiger zu beweisenden Tatsache ab,25 so ist die Entscheidung in Deutschland erst vollstreckbar, wenn der Eintritt dieser Tatsache durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen wurde (§ 726 ZPO). Dieser Nachweis ist in der entsprechenden Form auch für die Bestätigung der Entscheidung als EuVollstrTitel zu führen.26 2. Prüfung der Zuständigkeit (Abs. 1 lit. b)
16
Im Bestätigungsverfahren wird die Einhaltung der auch im Anerkennungsverfahren nach der Brüssel I-VO (Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. e Brüssel Ia-VO) beachtlichen ausschließlichen Zuständigkeiten (Kapitel II Abschnitt 6 Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO)27 und der Zuständigkeiten in Versicherungssachen (Kapitel II Abschnitt 3 Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO) überprüft. a) Ausschließliche Zuständigkeiten
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Die ausschließliche Zuständigkeit aus Art. 22 Nr. 1 Brüssel I-VO/Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO kann erhebliche Bedeutung erlangen; insbesondere Titel über Mietzinsforderungen (wenn das Mietverhältnis nicht nur vorübergehend i.S.d. Art. 22 Brüssel I-VO/Art. 24 Brüssel Ia-VO ist) sind nur bestätigbar, wenn sie von einem Gericht in dem Mitgliedstaat stammen, in dem sich die Mietwohnung befindet. b) Zuständigkeiten in Versicherungssachen
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In Versicherungssachen können nur Titel bestätigt werden, die von einem nach Art. 8 ff. Brüssel IVO/Art. 10 ff. Brüssel Ia-VO zuständigen Gericht stammen. Gerichtsstandsvereinbarungen gem. Art. 23 Brüssel I-VO/Art. 25 Brüssel Ia-VO werden von Art. 13 Brüssel I-VO/Art. 15 Brüssel Ia-VO unter Aufstellung weiterer Voraussetzungen von diesem Zuständigkeitssystem eingeschlossen.28 Insbesondere sind danach nachträgliche Vereinbarungen möglich. Unter Geltung der Brüssel I-VO wird eine rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO durch Art. 13 Brüssel I-VO dagegen nicht zugelassen, weil sie nicht der Form des Art. 23 Brüssel I-VO genügt,29 so dass ein für die Zwecke des Bestätigungsverfahrens beachtlicher Zuständigkeitsverstoß vorliegt, auch wenn sich der Schuldner rügelos eingelassen hat. Dagegen spricht nicht der Zweck der vorliegenden VO: Ein Widerspruch zu den besonderen Zuständigkeitsregeln wird nach der Systematik der Art. 3 EG-VollstrTitel-VO und Art. 6 Abs. 1 EG-VollstrTitel-VO offensichtlich auch in Fällen des Anerkenntnisurteils für möglich gehalten, denn Abs. 1 lit. b enthält insbesondere keine Einschränkung auf Fälle des Art. 3 Abs. 1 lit. b und c EG-VollstrTitel-VO. Im Fall des Anerkenntnisurteils nach Art. 3 Abs. 1 lit. a EG-VollstrTitel-VO wird nun aber regelmäßig der Fall vorliegen, dass der Schuldner die Zuständigkeit nicht gerügt hat, sich also, fehlende Zuständigkeit im Übrigen unterstellt, rügelos eingelassen hätte. Bei dieser Auslegung wird man auch unter Geltung der Brüssel Ia-VO bleiben müssen. Es besteht weiter ein Verstoß gegen Kapitel II Abschnitt 3 Brüssel Ia-VO. Dass die rügelose Einlassung von Art. 26 Brüssel Ia-VO unter weiteren Voraussetzungen nunmehr zugelassen wird, kann hieran nichts ändern. Raum, um diese Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 2 Brüssel Ia-VO zu prüfen, bietet lit. b nicht. Der Import von zu überprüfenden Belehrungsanforderungen aus der Brüssel Ia-VO würde dem Sinn der klar von der EGVollstrTitelVO definierten (Mindest-)Voraussetzungen zuwiderlaufen.
25 Wobei die Tatsache nicht eine Sicherheitsleistung des Gläubigers betrifft, § 726 Abs. 1 ZPO. 26 Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 399. 27 Diese sind neben den Zuständigkeiten in Versicherungssachen überprüfbar, a.A. Ernst, JurBüro 2005, 568, 570 ohne Angabe von Gründen. 28 So auch Kropholler/von Hein, Art. 13 Brüssel I-VO Rz. 1. 29 A.A. Hüßtege in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 113, 126; Hüßtege, FS Jayme (2004) 371, 377 f., der den Konflikt zwischen Art. 8–14 Brüssel I-VO einerseits und Art. 24 Brüssel I-VO andererseits zugunsten von Art. 24 Brüssel I-VO gelöst sieht und nunmehr konsequenterweise innerhalb der VO entsprechend entscheidet; ebenso Kropholler/von Hein, Rz. 8; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 4.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 6 EG-VollstrTitelVO
Teilweise wird vertreten, dass diese Bestätigungsvoraussetzung derart teleologisch zu reduzieren sei, 19 dass eine Prüfung nur erfolge, wenn der Schuldner der Versicherungsnehmer, mithin die potentiell schwächere Partei sei.30 Eine entsprechende Einschränkung seitens des EuGH ist auch zur Brüssel I/Ia-VO bisher nicht erfolgt.31 Anhaltspunkte für eine derartige Auslegung finden sich weder hier noch in der Brüssel I/Ia-VO, weshalb eine derartige Forderung allein de lege ferenda möglich erschien.32 Abs. 1 lit. b hat als zu überprüfende Vorschriften ausdrücklich den gesamten Abschnitt 3 des Kapitels II Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO aufgenommen, nicht allein Art. 11 Abs. 2, Art. 12 Brüssel I-VO/Art. 13 Abs. 2, Art. 14 Brüssel Ia-VO. Zudem sind auch Gründe gegen eine derartige Reduktion ersichtlich: Entgegen den allgemeinen Regelungen zur Zuständigkeit wird der Versicherer aufgrund des Sonderregimes an weiteren Orten gerichtspflichtig. Da der Grundsatz der Zuständigkeit am Beklagtensitz so aufgehoben wird, kann eine schnellere falsche Annahme der Zuständigkeit befürchtet werden, als dies unter dem allgemeinen Regime der Art. 2, 5–7 Brüssel I-VO/Art. 4, 7–9 Brüssel Ia-VO der Fall ist. Im Gegenzug für die erweiterte Gerichtspflichtigkeit verdient nunmehr im Anerkennungsstadium nicht mehr allein die schwächere Partei einen besonderen Schutz, sondern beide Seiten in gleicher Weise. Durch Abs. 1 lit. b wird auch der Versicherer vor einer über das Sonderregime noch hinausgehenden weitergehenden Inanspruchnahme geschützt. Die Norm kann so auch als Ausdruck der Interessenabwägung zwischen Klägerbevorzugung aufgrund grundsätzlich schwächerer Position und gleichzeitig noch zu gewährendem Schuldnerschutz der potentiell als stärker geltenden Partei gesehen werden. Eine teleologische Reduktion muss daher ausgeschlossen werden. In gleicher Weise entschied auch Art. 35 Brüssel I-VO. Art. 45 Abs. 1 lit. e sublit. i Brüssel Ia-VO nimmt dort nunmehr die angesprochene Einschränkung vor. Mit Inkrafttreten der Brüssel Ia-VO wird man daher von einer Neubewertung des Gesetzgebers ausgehen und sodann auch hier eine teleologische Reduktion bejahen können. Einhellig anerkannt ist jedoch, dass die Überprüfung der Zuständigkeit im Vollstreckbarerklärungs- 20 verfahren nach Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. e Brüssel Ia-VO sich allein auf die internationale Zuständigkeit bezieht; Verstöße gegen die teilweise mitgeregelte örtliche Zuständigkeit sind nicht nachprüfbar.33 In gleicher Weise muss Abs. 1 lit. b ausgelegt werden: Die örtliche Zuständigkeit ist auch in Versicherungssachen im Bestätigungsverfahren nicht nachzuprüfen.34 c) Zuständigkeiten in Verbrauchersachen Die Verbraucherzuständigkeiten der Art. 15 ff. Brüssel I-VO/Art. 17 ff. Brüssel Ia-VO sind in Art. 6 Abs. 1 lit. b nicht genannt. Dies beruht darauf, dass die VO für Verbraucher einen weitergehenden Schutzmechanismus in Abs. 1 lit. d vorsieht (s. Rz. 31 ff.). Vgl. zur analogen Anwendung von Abs. 1 lit. b bei Anerkenntnisurteilen gegen Verbraucher aber Rz. 33 ff.
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d) Sonstige Verstöße gegen Zuständigkeitsregeln Im Übrigen hindern Verstöße gegen Zuständigkeitsregeln die Bestätigung als EuVollstrTitel nicht.35 Dies gilt auch, wenn Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO verletzt sind und das 30 Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR Rz. 11; Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 24; Geimer, IZPR Rz. 3182a; Geimer, FS Vollkommer (2006) 385, 401; in gleicher Weise zu Art. 35 Brüssel I-VO Geimer/Schütze/Tschauner, Art. 35 Brüssel I-VO Rz. 5; offen gelassen von Kropholler/von Hein, Art. 35 Brüssel I-VO Rz. 8. 31 Der BGH v. 2.5.1979 – VIII ZB 1/79, NJW 1980, 1223, 1224 nahm keine derartige Reduktion vor, legte dem EuGH die Sache jedoch auch nicht zur Vorabentscheidung vor. 32 Im Ergebnis so auch Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 10; zu Art. 45 Brüssel Ia-VO wie hier: Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 45 Brüssel Ia-VO Rz. 29. 33 Rauscher/Leible (2021) Art. 45 Brüssel Ia-VO Rz. 76; Gottwald in MünchKomm/ZPO, Art. 45 Brüssel Ia-VO Rz. 61; Kropholler/von Hein, Art. 35 Brüssel I-VO Rz. 9. 34 Geimer, FS Vollkommer (2006) 385, 401. 35 Hüßtege in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 113, 126; Coester-Waltjen, JURA 2005, 394, 395; a.A. Hohloch, FPR 2006, 244, 250; Rausch, FuR 2005, 437, 439; Rausch, FPR 2007, 448, 450; Faetan, JAmt 2007, 181, 186, die entgegen dem klaren Wortlaut der VO stets eine Internationale Zuständigkeit des Ursprungsmitgliedstaates nach der Brüssel I-VO verlangen.
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Art. 6 EG-VollstrTitelVO Voraussetzungen für die Bestätigung als EuVollstrTitel Gericht seine Zuständigkeit auf nationale, u.U. exorbitante Zuständigkeitsgründe gestützt hat.36 Insofern besteht eine weitere Parallele zur Brüssel I-VO, denn auch dort hindert lediglich die Nichtbeachtung der ausschließlichen Zuständigkeiten, der Zuständigkeiten in Versicherungssachen und in Verbrauchersachen die Anerkennung und das Exequatur (Art. 35 Abs. 3 Brüssel I-VO) bzw. gewährt die Versagung (Art. 45 Abs. 3 Brüssel Ia-VO). e) Zuständigkeiten in Arbeitssachen 23
Nicht berücksichtigt werden auch Zuständigkeitsverstöße in Arbeitssachen. Die Nichtbeachtung der besonderen Arbeitnehmer schützenden Zuständigkeitsregeln des Kapitels II Abschnitt 5 hat bereits unter der Brüssel I-VO keine Auswirkungen im Anerkennungsverfahren. Entsprechend verhält es sich nun auch bei der Bestätigung als EuVollstrTitel. Die bereits bei Erlass der Brüssel I-VO angenommene Prämisse, Schuldner vollstreckbarer Titel werde der Arbeitgeber sein, wurde – so irrig sie war – vorbehaltlos in die VO übertragen.37 Richtigerweise bedürfte der Arbeitnehmer eines mit Versicherungsnehmern und Verbrauchern vergleichbaren Schutzes. Denn auch er kann der Schuldner einer arbeitsvertraglichen Geldforderung sein. Zu denken sei nur an Schadensersatzansprüche eines Arbeitgebers gegen den bei ihm beschäftigten Fernfahrer, geltend gemacht im (unter Umständen weit entfernten) Deliktsgerichtsstand des Art. 5 Nr. 3 Brüssel I-VO, der nach Art. 18 Abs. 1 Brüssel I-VO ausgeschlossen ist, weil der Arbeitnehmer nur in seinem Wohnsitzstaat (Art. 20 Abs. 2 Brüssel I-VO) verklagt werden kann. Die Bestätigung einer so ergangenen Entscheidung als EuVollstrTitel ist jedoch ebenso möglich wie deren Anerkennung nach der Brüssel I-VO möglich war.
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Da hierdurch offenbar der Schutz des Arbeitnehmers, der mit der Einführung des Kapitel II Abschnitt 5 Brüssel I-VO gestärkt werden sollte, in manchen Fällen nicht gewährleistet ist und dies schon in der Brüssel I-VO weniger auf der gereiften Einsicht als auf der eher hektischen Suche nach Kompromissen beruhte, hätte man gut daran getan, die neue VO zum Anlass zu nehmen, diesen Mangel zu beheben.
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Mit der Brüssel Ia-VO wird dort nun eine Korrektur vorgenommen (Art. 45 Abs. 1 lit. e sublit. i Brüssel Ia-VO). Eine Übertragung auf die EG-VollstrTitelVO erfolgte jedoch nicht. Zum Teil wird vertreten, dass aufgrund der dynamischen Bezugnahme in Art. 80 S. 2 Brüssel Ia-VO nunmehr auch in lit. b ein Verweis auf Kapitel II Abschnitte 5 Brüssel Ia-VO hineinzulesen sei.38 Der Verweis erfolgt jedoch anhand der Entsprechungstabelle in Anhang III Brüssel Ia-VO. Wird diese angewandt, ergibt sich auch weiterhin kein Verweis auf die Zuständigkeitsvorschriften für individuelle Arbeitsverträge der Brüssel Ia-VO. Der klare Wortlaut lässt keine Möglichkeit einer erweiternden Auslegung. Es wäre Aufgabe des Verordnungsgebers gewesen bei der Reform der Brüssel I-VO auch die EG-VollstrTitelVO entsprechend mit anzupassen. Dieses Versäumnis lässt sich nicht mittels Auslegung überwinden. Der Verordnungsgeber ist daher immer noch gefordert. f) Prüfungsmaßstab
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Maßstab für die Zuständigkeitsüberprüfung ist, soweit eine solche Prüfung stattfindet, die Brüssel IVO/Brüssel Ia-VO. Nicht übernommen wurde allerdings die in Art. 35 Abs. 2 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 2 Brüssel Ia-VO vorgesehene Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des Ursprungsgerichts, aufgrund derer die Zuständigkeit angenommen wurde. Im Rahmen des Bestätigungsverfahrens kann daher auch eine andere Bewertung der der Zuständigkeit zugrunde liegenden Tatsachen (z.B. des Wohnsitzes) erfolgen.39 Jedoch wird es dabei, da die Bestätigung (anders als ein Exequatur) im Ursprungsmitgliedstaat oft vom ursprünglichen Gericht (z.B. § 1079 ZPO) ausgestellt wird, selten zu einer anderen Beurteilung kommen. Hier liegt freilich auch eine der Gefahren des EuVollstrTitels: Die 36 37 38 39
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Coester-Waltjen, FS Ansay (2006) 47, 54. Ebenso kritisch Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 23. Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 12. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 92; Fasching/Rechberger, Rz. 10; Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 22; Rijavec/Jelinek/ Brehm, S. 122; a.A. Kropholler/von Hein, Rz. 7; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 12, die im Interesse der Beschleunigung die Parallelität zur Brüssel I-VO auf Art. 35 Abs. 2 Brüssel I-VO erstrecken wollen. Eine andere rechtliche Bewertung soll danach gleichwohl zulässig sein.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 6 EG-VollstrTitelVO
eingeschränkte Zuständigkeitskontrolle durch den zweiten Richter entfällt gänzlich; Fehler, die bereits im Erkenntnisverfahren unterlaufen sind, werden im Bestätigungsverfahren vom gleichen Gericht nicht selten schlicht wiederholt werden.40 So verstärkt sich, trotz formaler Parallele zu Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. e Brüssel Ia-VO, das faktische Risiko, dass im Bestätigungsverfahren schwere Zuständigkeitsfehler unerkannt bleiben. Unbeachtet bleibt schließlich, dass dem bestätigenden Gericht die Beurteilungsgrundlagen für die Zuständigkeit womöglich nicht zur Verfügung stehen.41 g) Vermerk im Formblatt Die Einhaltung der relevanten Zuständigkeitsvorschriften ist unter Ziff. 9 des Formblattes in An- 26 hang I bei der Bestätigung ausdrücklich zu vermerken. Der Anreiz zu einer genauen Prüfung wird durch den Aufbau des Formblattes allerdings nicht gefördert, denn es muss nur der vorgedruckte Text unberührt gelassen, jedoch keine positive Aussage zur Zuständigkeit getroffen werden. Eine Differenzierung nach Versicherungssachen und ausschließlichen Zuständigkeiten mit der Notwendigkeit, diese wenigstens anzukreuzen, hätten dem Zweck der VO sicher nicht widersprochen.42 3. Einhaltung der Mindestvorschriften (Abs. 1 lit. c) Die Mindeststandards des Kapitels III sind abhängig von der zu Art. 3 EG-VollstrTitel-VO vorgenom- 27 menen Unterscheidung von aktiv unbestrittenen Forderungen und bloßer Passivität des Schuldners im Bestätigungsverfahren (vgl. Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rz. 5, Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rz. 18) zu prüfen. Auf die Wahrung dieser Standards kommt es nur an, wenn der Schuldner sich passiv verhalten hat und es deshalb auf die Information des Schuldners über das Verfahren ankommt (Art. 3 Abs. 1 lit. b, c EG-VollstrTitel-VO). Hat der Schuldner hingegen aktiv die Forderung durch Anerkenntnis, Prozessvergleich oder öffentliche Urkunde anerkannt (Art. 3 Abs. 1 lit. a, d EG-VollstrTitelVO), so ist die Einhaltung der Mindeststandards aus Kapitel III nicht von Bedeutung, denn der Schuldner hat seine Kenntnis vom Verfahren positiv bestätigt. Zweck der Regelung ist es, die Verteidigungsrechte des Schuldners zu sichern, auch ohne dass eine nachgeschaltete Kontrolle der Zustellung in einem Exequaturverfahren (vgl. Art. 34 Nr. 2 Brüssel IVO/auch Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO) erfolgt. Um sicherzustellen, dass der Schuldner von dem Verfahren Kenntnis erlangt hat und sich auf das Verfahren einlassen konnte, werden nur Titel bestätigt, die auf einer Zustellung beruhen, die positive Kenntnis des Schuldners vom laufenden Verfahren ebenso gewährleistet wie Kenntnis der gegenständlichen Forderung und der Verteidigungsmöglichkeiten.
28
Die Systematik des Art. 6 Abs. 1 lit. c EG-VollstrTitel-VO im Verhältnis zum Kapitel III zeigt erneut, 29 dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, ihr Erkenntnisverfahren konform zu den Anforderungen des Kapitels III zu gestalten. Kapitel III setzt lediglich Standards, an denen der Titel vor Bestätigung zu messen ist. War das Verfahren anders gestaltet, so kann der Titel über eine passiv unbestrittene Forderung lediglich nicht als EuVollstrTitel bestätigt werden. Eine Anerkennung und anschließende Vollstreckung der Entscheidung nach der Brüssel I-VO/Brüs- 30 sel Ia-VO ist damit nicht ausgeschlossen. Eine Zustellung, die nicht Art. 13, 14 EG-VollstrTitel-VO entspricht, kann durchaus ordnungsgemäß sein. Art. 16 EG-VollstrTitel-VO entsprechende Unterrichtungsobliegenheiten kennt die Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO schon deshalb nicht, weil die Problematik ausreichender Verteidigungsmöglichkeit im Rahmen des Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO ex post individuell-konkret nachgeprüft werden kann, während sie hier abstrakt generalisiert werden muss.
40 Nach Kohler in Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2004) S. 72, 75 ist der Geprüfte selbst Prüfer. 41 Kohler in Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2004) S. 72, 75; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 80. 42 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 89.
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Art. 6 EG-VollstrTitelVO Voraussetzungen für die Bestätigung als EuVollstrTitel 4. Verbrauchersachen (Abs. 1 lit. d) a) Eingeschränkte Einbeziehung von Verbrauchersachen 31
Die höchst unglücklich formulierte Regelung in Abs. 1 lit. d regelt für Titel über passiv unbestrittene Forderungen den Schutz gegen Verletzung von Verbraucherzuständigkeiten. Dieser wird – die richtige Anwendung der VO vorausgesetzt (s. Art. 20 EG-VollstrTitelVO Rz. 22)43 – gegenüber der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO sogar erhöht.44 Andererseits wurden damit Verbrauchersachen nicht gänzlich aus dem Anwendungsbereich der VO genommen, wie dies durchaus erwogen worden war.45
32
Ein der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO vergleichbarer Schutz wäre, entsprechend der Behandlung von Versicherungssachen, auch hier durch Einbeziehung der Verbraucherzuständigkeiten in die Prüfung nach Abs. 1 lit. b möglich gewesen. Bemerkenswert ist, dass insoweit durchaus die Ungewissheit einer verlässlichen Prüfung im Bestätigungsverfahren gesehen wurde. Da diese sowohl im Bestätigungs- als auch im Säumnisverfahren als nicht unbedingt gewährleistet angesehen wurde,46 reduziert Abs. 1 lit. d die Zuständigkeitsprüfung in Verbrauchersachen auf ein sehr einfaches Kriterium: Der Bestätigung zugänglich sind nur Titel aus dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers. Der EG-VollstrTitelVO wird so ein weites Anwendungsfeld entzogen.47 b) Anerkenntnisurteile gegen Verbraucher
33
Abs. 1 lit. d ist nur einschlägig, wenn der Schuldner im Prozess passiv geblieben ist, die Forderung also nach Art. 3 Abs. 1 lit. b oder c EG-VollstrTitelVO unbestritten ist (Abs. 1 lit. d Str. 1; dazu unten Rz. 39 ff.). Hinsichtlich aktiv vom Schuldner anerkannter Forderungen (durch Anerkenntnisurteil Art. 3 Abs. 1 lit. a EG-VollstrTitelVO) ist Abs. 1 lit. d nicht anwendbar.
34
Da Abs. 1 als Katalog positiver Bestätigungsvoraussetzungen gefasst ist und lit. d im selben Stil nur eine positive Bestätigungsregel für passiv unbestrittene Forderungen normiert, wäre daraus sprachlogisch eigentlich zu folgern, dass Anerkenntnisurteile gegen Verbraucher überhaupt nicht als EuVollstrTitel bestätigt werden können. Die Normgebungsgeschichte zeigt hingegen, dass lit. d nur ein zusätzliches Kriterium für passiv unbestrittene Titel gegen Verbraucher aufstellt, was auch durchaus zweckentsprechend ist.48
35
Damit aber fehlt es für nach Art. 3 Abs. 1 lit. a EG-VollstrTitelVO unbestrittene Forderungen an einer Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. e sublit. i Brüssel Ia-VO entsprechenden Regelung, wie sie Abs. 1 lit. b für Versicherungssachen enthält. Ein gegen Art. 15 ff. Brüssel I-VO/Art. 17 ff. Brüssel Ia-VO verstoßendes Anerkenntnisurteil gegen einen Verbraucher könnte als EuVollstrTitel bestätigt werden, die Vollstreckung nach der Brüssel I-VO ist hingegen auf Rechtsbehelf des Schuldners nach Art. 43 Brüssel I-VO hin zu verweigern, bzw. nach Art. 46 Brüssel Ia-VO zu versagen. Der Verstoß gegen die Verbraucherzuständigkeiten ist nicht nach Abs. 1 lit. b zu prüfen,49 der besondere Verbraucherschutz nach Abs. 1 lit. d ist für anerkannte Forderungen nicht einschlägig.
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Diese Lücke lässt sich unter der Brüssel I-VO auch nicht mit dem Argument erklären, der die Forderung anerkennende Verbraucher habe sich auf das Verfahren (rügelos) eingelassen. Wie Art. 13 Brüs43 Eine sorgfältige Prüfung der Verbrauchereigenschaft und des Wohnsitzes mahnt auch Coester-Waltjen, FS Yessiou-Faltsi (2007) 39, 43 an. 44 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 3; Georganti, Die Zukunft des ordre public-Vorbehalts im Europäischen Zivilprozessrecht (2006) S. 23. 45 Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 18.11.2003, 14746/03, 3. 46 Stein, IPRax 2004, 181, 189, der darauf hinweist, dass im Säumnisverfahren dem Gericht Informationen fehlen könnten, die zur Ablehnung der Zuständigkeit führen und im Bestätigungsverfahren das Gericht u.U. nicht bereit ist, einem eigenen zuvor trotz Unzuständigkeit erlassenen Urteil die Bestätigung zu verweigern; Kropholler/von Hein, Rz. 12. 47 Krit. Mes/Schütze, Beck’sches Prozessformularbuch14 (2019), Kap. I U 15 Anm. 1. 48 Ebenso sehen Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, FS Fischer (2004) 409 Anerkenntnisurteile mit erfasst; zur sprachlichen Gestaltung des Abs. 1 lit. d Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 95. 49 Mit Einführung des Abs. 1 lit. d wurde in Abs. 1 lit. b die Beachtlichkeit der Verbraucherzuständigkeiten gestrichen, vgl. den ursprünglichen Verordnungsvorschlag Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 23 (Art. 5 lit. b), in dem noch ein Gleichlauf mit Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO geplant war.
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sel I-VO für Versicherungssachen (oben Rz. 18 ff.) erlaubt Art. 17 Nr. 1 Brüssel I-VO ein Abweichen vom ausschließlichen System der Verbraucherzuständigkeiten nur durch nach Art. 23 Brüssel I-VO formgerechte nachträgliche Zuständigkeitsvereinbarung,50 nicht aber durch rügelose Einlassung nach Art. 24 Brüssel I-VO.51 Der Schutz des Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO bleibt dem Verbraucher also auch bei rügeloser Einlassung erhalten. Im Verordnungsgebungsverfahren war der Gleichlauf mit Art. 35 Brüssel I-VO zunächst dadurch 37 gewährleistet, dass die Beachtung der Verbraucherzuständigkeiten in Abs. 1 lit. b integriert wurde.52 Um den Verbraucherschutz weiter zu erhöhen,53 wurde dann die nunmehr VO gewordene Regelung geschaffen. Dass dabei für Anerkenntnisurteile der Verbraucherschutz abgesenkt wurde, weil die Prüfung der Verbraucherzuständigkeiten aus Abs. 1 lit. b gestrichen wurde, kann nur ein Redaktionsversehen sein.54 Daher ist Abs. 1 lit. b analog anzuwenden auf Anerkenntnisurteile gegen Verbraucher und die Bestätigung nur zu erteilen, wenn die Bestimmungen des Kapitels II, Abschnitt 4 Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO gewahrt wurden.55 In diesem Zusammenhang erweist sich auch das Formblatt in Anhang I als unzureichend. Sowohl Ziff. 8 als auch Ziff. 10 unterscheiden nicht zwischen den verschiedenen Kategorien des Art. 3 Abs. 1 lit. a EG-VollstrTitelVO auf der einen und lit. b, c auf der anderen Seite. Eine ordnungsgemäß ausgefüllte Bestätigung über eine aktiv unbestrittene (anerkannte) Forderung gegen einen Verbraucher, die nicht aus dessen Wohnsitzstaat stammt, erscheint fehlerhaft, weil das Formblatt nicht verhindert, dass die nur Abs. 1 lit. d betreffenden Fragen beantwortet werden müssen, obwohl diese Bestimmung im konkreten Fall nicht anwendbar ist. Das Kreuz bei Ziff. 10.2. darf also nicht gesetzt werden, sein Fehlen macht aber die Bestätigung widersprüchlich, denn das Formblatt ist so gestaltet, dass bei Bejahung von Ziff. 10.1. in einer ordnungsgemäßen Bestätigung auch Ziff. 10.2. anzukreuzen ist. Zweck dieser Frage ist es, dem Aussteller und dem Adressaten der Bescheinigung zu verdeutlichen, dass eine Bestätigung von Versäumnisurteilen gegen Verbraucher nur möglich ist, wenn der Titel aus dem Wohnsitzstaat des Verbrauchers stammt.56
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c) Versäumnisurteile gegen Verbraucher (1) Titel gegen Verbraucher Die Entscheidung muss eine Verbrauchersache betreffen (Abs. 1 lit. d Str. 2). Die Definition ist aus 39 Art. 15 Abs. 1 Halbs. 1 Brüssel I-VO/Art. 17 Abs. 1 Halbs. 1 Brüssel Ia-VO entnommen und wie dort auszufüllen.57 Erfasst werden so allein vertragliche Ansprüche; gegenüber außervertraglichen Ansprüchen besteht für Verbraucher wie nach der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO kein besonderes Schutzregime.58 Allerdings wurden die Einschränkungen aus Art. 15 Abs. 1 lit. a–c Brüssel I-VO/Art. 17 Abs. 1 lit. a–c Brüssel Ia-VO nicht mit in die VO übernommen, was den Anwendungsbereich des Ver50 Soweit auch Kropholler/von Hein, Art. 17 Brüssel I-VO Rz. 1. 51 A.A. Kropholler/von Hein, Rz. 15. 52 S. noch den geänderten Kommissionsvorschlag Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 13 (Art. 5 lit. b). 53 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 3. 54 A.A. Mankowski, FS Kerameus (2009) 785, 803, der es als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers ansieht, allein noch einen besonderen Verbraucherschutz bei passivem Verbraucherverhalten zu gewähren; die entstehenden Widersprüche zu den Versicherungssachen betrachtet er als fehlende innere Konsistenz der Gesetzgebung, die nicht durch Auslegung lösbar seien. 55 Zum Ganzen Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 96; Rauscher, GPR 2003/04, 286, 289; offen lassend NK-ZV/Stürner, Rz. 10; a.A. Gerling, S. 85 ff.; Kropholler/von Hein, Rz. 15; Wagner, IPRax 2005, 189, 194, die darauf abstellen, dass der Verbraucher mit der rügelosen Einlassung seinen Schutz preisgegeben habe und sich daher im Nachhinein nicht wieder darauf berufen darf; i.E. ebenso Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 6. 56 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 97; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 398; das Formblatt bedürfte einer Umgestaltung: Nach Ziff. 10 müsste eingefügt werden: „10.0. Der Verbraucher hat die Forderung nicht bestritten gem. Art. 3 Abs. 1 lit. a, gem. Art. 3 Abs. 1 lit. b, gem. Art. 3 Abs. 1 lit. c; 10.1. und 10.2. sind nur zu beantworten, wenn Art. 3 Abs. 1 lit. b oder Art. 3 Abs. 1 lit. c anzukreuzen war.“ 57 Dazu Rauscher/Staudinger, (2021) Art. 17 Brüssel Ia-VO Rz. 1 ff. 58 Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 41; Mankowski, FS Kerameus (2009) 785, 797 ff., dort auch diskutierend, ob ein weitergehender Schutz bei deliktischen Ansprüchen notwendig sein könnte.
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Art. 6 EG-VollstrTitelVO Voraussetzungen für die Bestätigung als EuVollstrTitel braucherschutzes in der EG-VollstrTitelVO gegenüber der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO auch gegenständlich erweitert.59 Auch Titel über Forderungen aus Verträgen, die nicht unter Art. 15 Abs. 1 lit. a–c Brüssel I-VO/Art. 17 Abs. 1 lit. a–c Brüssel Ia-VO fallen, unterfallen Abs. 1 lit. d. Nicht mit erfasst werden können dabei jedoch diejenigen vertraglichen Ansprüche, die auch unter der Brüssel IVO/Brüssel Ia-VO unabhängig von den Einschränkungen des Art. 15 Abs. 1 lit. a–c Brüssel I-VO/ Art. 17 Abs. 1 lit. a–c Brüssel Ia-VO dem Anwendungsbereich des Verbraucherschutzregimes entzogen sind: Vertragliche Ansprüche aus Miete und Pacht unbeweglicher Sachen unterfallen Art. 22 Nr. 1 Brüssel I-VO/Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO, der Art. 15 Brüssel I-VO/Art. 17 Brüssel Ia-VO verdrängt.60 Derartige Verträge müssen auch hier vom Verbraucherregime ausgenommen bleiben, der notwendige Schutz wird durch Abs. 1 lit. b gewährt.61 In diesem Fall ist für die Bestätigung als EuVollstrTitel die Beachtung der sich aus Art. 22 Brüssel I-VO/Art. 24 Brüssel Ia-VO ergebenden Zuständigkeit zu überprüfen. 40
Maßgeblich ist, dass der Schuldner Verbraucher ist (Abs. 1 lit. d Str. 3). Der EuGH hat nunmehr entschieden, dass der Verbraucher mit einer Personen, die in Ausübung ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit handelt, kontrahieren muss. Sind beide Parteien Verbraucher, so finde lit. d aufgrund ihrer Schutzrichtung keine Anwendung.62 (2) Wohnsitz des Schuldners
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Der Wohnsitz des Schuldners muss in dem Mitgliedstaat liegen, in dem die Entscheidung ergangen ist (Abs. 1 lit. d). Hat der Schuldner mehrere Wohnsitze in verschiedenen Mitgliedstaaten, so können nach Sinn und Zweck der Vorschrift Entscheidungen aus jedem dieser Staaten als EuVollstrTitel bestätigt werden.63 Ob der Verbraucher im Ursprungsmitgliedstaat Wohnsitz hat, bestimmt sich nach Art. 59 Brüssel I-VO/Art. 61 Brüssel Ia-VO und damit nicht autonom, sondern nach der lex fori (Art. 59 Abs. 1 Brüssel I-VO/Art. 61 Abs. 1 Brüssel Ia-VO).
42
Der Maßgebliche Zeitpunkt muss zur Klageerhebung angenommen werden. Die wesentlichen Verbraucherschutzgesichtspunkte sind hier konzentriert. Es soll sichergestellt werden, dass sich der Verbraucher gegen die Klage effektiv verteidigen kann. Es muss auch insoweit auf den Eintritt der europäischen Rechtshängigkeit nach Art. 30 Brüssel I-VO/Art. 32 Brüssel Ia-VO abgestellt werden.64 Spätere Veränderungen des Wohnsitzes durch den Verbraucher bleiben unberücksichtigt. Insofern verdient der Gläubiger Schutz: Ist das Verfahren eingeleitet, soll es der Schuldner nicht in der Hand haben, durch eine Wohnsitzverlegung sich dem Anwendungsbereich der Verordnung im Nachhinein noch entziehen zu können. Auf den Wohnsitz zum Zeitpunkt der Bestätigung als EuVollstrTitel kommt es daher nicht an.
43
Mit diesem Kriterium wird erreicht, dass bei einer Säumnisentscheidung die automatische europaweite Vollstreckbarkeit dem Verbraucher nur droht, wenn sie in seinem Wohnsitzstaat erlassen wurde. Die Bedeutung der VO gegenüber Verbrauchern wird dadurch erheblich eingeschränkt. Da das Vermögen des Verbrauchers sich regelmäßig auch in seinem Wohnsitzstaat befindet, wird nur selten ein Bedürfnis für eine Auslandsvollstreckung einer im Wohnsitzstaat ergangenen Entscheidung bestehen.65 Ein derartiges Bedürfnis kann jedoch bestehen, wenn z.B. ein Ferienhaus in einem anderen Mitgliedstaat vorhanden ist oder der Verbraucher nach Klageerhebung seinen Wohnsitz grenzüber59 Stein, IPRax 2004, 181, 189; Wagner, NJW 2005, 1157, 1159. 60 Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 41; Rauscher/Mankowski, (2021) Art. 24 Brüssel Ia-VO Rz. 55 ff.; Mankowski, ZZPInt 2005, 309, 311. 61 Mankowski, FS Kerameus (2009) 785, 799 f. 62 EuGH v. 5.12.2013 – C-508/12, ECLI:EU:C:2013:790 – Walter Vapenik vs. Josef Thurner Rz. 38, NJW 2014, 841; OLG München v. 17.11.2015 – 7 W 1896/15, BeckRS 2015, 19355; bereits früher so Mankowski, FS Kerameus (2009) 785, 796, der für ein Abweichen vom Regelungszweck im Vergleich zu Art. 15 Brüssel I-VO eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers oder klare Hinweise in den Materialien forderte; krit. zum EuGH Stadler, IPRax 2015, 203; a.A. noch vor der Entscheidung des EuGH Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 43; Rauscher, IPRax 2011, 484, 485. 63 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 99. 64 Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 184. 65 Kropholler/von Hein, Rz. 14.
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schreitend verlegt. Hingegen können Säumnisentscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten nur unter der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO vollstreckt werden. Das Wohnsitzkriterium steht auch der Bestätigung von Titeln entgegen, die gegen den Verbraucher auf Widerklage hin ergangen sind, obgleich Art. 16 Abs. 3 Brüssel I-VO/Art. 18 Abs. 3 Brüssel Ia-VO den Verbraucher als Widerbeklagten zuständigkeitsrechtlich als weniger schutzwürdig ansieht. Ebenso sind Kostentitel gegen den Verbraucher als Unterlegenen nach einer von ihm außerhalb seines Wohnsitzstaates angestrengten Klage nicht zur Bestätigung geeignet.66
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5. Prüfungsdichte Das Verfahren der Prüfung der Voraussetzungen der Bestätigung, insbesondere die Prüfungsdichte, wird in der VO nicht geregelt. Ein effektiver Schutz gegen eine zu weite Anwendung der VO unter Verletzung der in Art. 6 EG-VollstrTitelVO genannten Kriterien kann nur erreicht werden, wenn bei der Bestätigung keine Bindung an die Feststellungen und die rechtliche Würdigung in der zugrunde liegenden Entscheidung besteht.67 So wird sich in den Entscheidungsgründen regelmäßig die Behauptung der ordnungsgemäßen Ladung finden. Ob die Zustellung tatsächlich entsprechend den Mindestvorschriften des Kapitels III erfolgt war, wird dagegen nur durch Beiziehung der Verfahrensakte des Ursprungsgerichts und eigenständige Prüfung feststellbar sein. Gerade hier zeigt sich, dass zur Qualitätssicherung die Konzentration der Bestätigungsprüfung bei einem höheren Instanzgericht hätte beitragen können. Die Möglichkeit dazu gibt die VO zwar, der deutsche Gesetzgeber hat sie jedenfalls mit § 1079 ZPO nicht genutzt. Dies erhöht das Risiko blinden Vertrauens in die Richtigkeit der in der Entscheidung getroffenen Feststellungen.68
45
IV. Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung (Abs. 2) 1. Sinn und Zweck Abs. 2 gewährt dem Schuldner Schutz gegen zu weit reichende Bestätigungen als EuVollstrTitel. Ge- 46 mäß Art. 11 EG-VollstrTitelVO hat die Bestätigung Wirkung nur im Rahmen der Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat (s. Art. 11 EG-VollstrTitelVO Rz. 1). Ändert sich diese Vollstreckbarkeit, z.B. durch eine Aussetzung oder die Anordnung einer Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung, so lässt sich dies aus der Bestätigung nicht erkennen. Die Vollstreckbarkeit kann auch ganz entfallen, etwa bei Aufhebung einer vorläufig vollstreckbaren Entscheidung auf Rechtsbehelf des Schuldners hin. Die erteilte Bestätigung ist in der Folge unrichtig, sie bezeugt eine Vollstreckbarkeit, welche so nicht mehr besteht (s. Art. 11 EG-VollstrTitelVO Rz. 2). Damit der Schuldner solche später eingetretenen Veränderungen in der Vollstreckbarkeit nachweisen kann, ist die Bescheinigung nach Abs. 2 vorgesehen, die nur auf Antrag erteilt wird. 2. Verordnungsautonome Verfahrensvorschriften Die Bescheinigung wird – wie die Bestätigung nach Abs. 1 (vgl. auch oben Rz. 2) – auf jederzeitigen Antrag erteilt. Antragsberechtigt ist der Schuldner. Der Antrag ist an das Ursprungsgericht zu richten, die Zuständigkeit für die Entscheidung regeln auch insoweit die einzelnen Mitgliedstaaten.
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Die Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung ist unter Verwendung des Formblatts in Anhang VI der VO (Abs. 2 letzter Halbs.) auszustellen. Das Formblatt ist nicht nur Hilfestellung und Richtlinie, die Bestätigung muss mittels des Formblattes erfolgen. Die Formulare der Formblätter werden als pdfDatei in allen Sprachfassungen im Europäischen Justizportal,69 einer Webseite der Europäischen Kommission, zur Verfügung gestellt; dort findet sich auch eine Online-Maske, mit deren Hilfe ein
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Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 101; a.A. Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 44. Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 5. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 85. https://e-justice.europa.eu/content_european_enforcement_order_forms-270-de.do (23.6.2021).
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Art. 6 EG-VollstrTitelVO Voraussetzungen für die Bestätigung als EuVollstrTitel ausgefülltes Formular erzeugt werden kann. In dem Formblatt sind unter Ziff. 5. (nicht abschließend, Ziff. 5.2.4.) mögliche Fallkonstellationen, welche eine Anwendungsfälle aufgelistet. 3. Nationale Verfahrensvoraussetzungen 49
In Deutschland ist auch für die Ausstellung der Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung nach § 1079 ZPO die Stelle zuständig, die für die Bestätigung des Titels zuständig ist (s. dazu für gerichtliche Entscheidungen Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 12, gerichtliche Vergleiche Art. 24 EG-VollstrTitelVO Rz. 19, öffentliche Urkunden Art. 25 EG-VollstrTitelVO Rz. 14 ff.). Wird der Antrag zurückgewiesen, so stehen die Rechtsbehelfe gem. § 1080 Abs. 2 ZPO zur Verfügung (dazu Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 21 ff.).70 Hinsichtlich der Kosten gelten für die Ausstellung einer Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung die Ausführungen zu den Kosten einer Bestätigung als EuVollstrTitel entsprechend, s. Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 26 f.
50
In Österreich ist die Zuständigkeit für die Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung nach Abs. 2 nicht explizit geregelt worden. Es wird § 7a österrEO entsprechend herangezogen, so dass die die Bestätigung ausstellende Stelle auch für die Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung zuständig ist.71 4. Wirkungen im nationalen Vollstreckungsverfahren
51
Bei Zwangsvollstreckung in Deutschland aus einem als EuVollstrTitel bestätigten ausländischen Titel ist bei Vorlage einer Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung gem. § 1085 ZPO die Zwangsvollstreckung nach § 775 ZPO einzustellen oder entsprechend zu beschränken; die Vollstreckungsmaßregeln sind nach § 776 ZPO aufzuheben. Die Beschränkungen, die in anderen Mitgliedstaaten der Vollstreckung beigegeben werden können, sind vielgestaltig und müssen nicht zwingend mit den deutschen Maßnahmen in § 775 ZPO übereinstimmen. Bei Anwendung des § 776 ZPO ist daher zunächst zu prüfen, welchem Tatbestand des § 775 ZPO die getroffene ausländische Entscheidung am ehesten entspricht. Anschließend ist die dafür in § 776 ZPO vorgesehene Rechtsfolge anzuwenden.72
V. Ersatzbestätigung (Abs. 3) 1. Sinn und Zweck 52
Lag dem Gläubiger bereits eine als EuVollstrTitel bestätigte Entscheidung vor, wurde diese mit einem Rechtsbehelf angefochten und ergeht darauf erneut eine vollstreckbare Entscheidung, so kann er die Ausstellung einer Ersatzbestätigung nach Abs. 3 verlangen. Dies bezieht sich insbesondere auf Fälle des Art. 3 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO, also auf Titel über Forderungen, die erstinstanzlich unbestritten geblieben sind und als EuVollstrTitel bestätigt wurden, dann aber mit Rechtsmitteln angegriffen wurden (vgl. dazu Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rz. 46 ff.). Die Ersatzbestätigung ersetzt die ursprüngliche Bestätigung, diese wird also gegenstandslos. 2. Voraussetzungen
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Es muss eine Entscheidung vorliegen, die bereits als EuVollstrTitel bestätigt und mit Rechtsmitteln angefochten wurde. Unklar erscheint, ob die Bestimmung nur dann gilt, wenn die Ausgangsentscheidung bereits im Zeitpunkt ihrer Anfechtung durch Rechtsmittel als EuVollstrTitel bestätigt war. Der Wortlaut spricht nicht zwingend für eine solche Auslegung, da nur durch die Verwendung des Plus70 BT-Drucks. 15/5222, 13 (zu § 1080 ZPO-E) stellt ausdrücklich klar, dass § 1080 Abs. 2 im Gegensatz zu Abs. 1 auch die Bescheinigung nach Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO erfassen soll; ebenso Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 60. 71 Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 187; Angst/Oberhammer/Jakusch, EO3 (2015) § 7a EO Rz. 12, der jedoch hinsichtlich vollstreckbarer Notariatsakte davon abweichend das Gericht oder die Behörde als berufen sieht, durch deren Einschreiten der Notariatsakt seine Vollstreckbarkeit verlor. 72 BT-Drucks. 15/5222, 15 (zu § 1085 ZPO-E); Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1085 ZPO Rz. 2; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 403.
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quamperfekts („bestätigt worden war“) eine eindeutige Reihenfolge der beiden in der Vergangenheit liegenden Ereignisse (Bestätigung, Anfechtung) herzustellen wäre. Ein Bedürfnis für eine Ersatzbestätigung besteht im Übrigen auch dann, wenn die erstinstanzliche Entscheidung im Zeitpunkt der Bestätigung bereits angefochten, aber weiterhin vorläufig vollstreckbar war. Da offenkundig die Einlegung eines Rechtsmittels nicht per se die Bestätigung als EuVollstrTitel ausschließt,73 muss auch in solchen Fällen die erste Bestätigung nach Erlass der Rechtsmittelentscheidung ersetzt werden. Teilweise wird vertreten,74 eine Ersatzbestätigung sei ohne weiteres zu erteilen, wenn nach Anfechtung einer als EuVollstrTitel bestätigten Entscheidung eine Rechtsbehelfsentscheidung ergeht, insbesondere auch dann, wenn der Schuldner im Rechtsbehelfsverfahren der Forderung widersprochen hat und das Verfahren streitig zu Ende geführt wurde.75 Diese Ansicht kann sich jedenfalls nicht auf den Wortlaut des Abs. 3 stützen, der für die Voraussetzungen der Erteilung der Bestätigung keine Regelung trifft. Ob Art. 3 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO diese Folgerung stützt, ist strittig. Nach hier vertretener Ansicht (Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rz. 49) ist auch im Fall des Art. 3 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO eine Ersatzbestätigung nur für Entscheidungen über Forderungen möglich, die bis zuletzt auch im Rechtsmittelverfahren unbestritten geblieben sind.
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Die Erteilung einer Ersatzbestätigung erfordert weiter, dass die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist. Insoweit greift Abs. 3 das Erfordernis aus Abs. 1 lit. a auf.
55
Die Voraussetzungen des Abs. 1 sind hingegen nicht erneut zu prüfen.76 Insoweit wird das Ergebnis der Prüfung, die der erstinstanzlichen Bestätigung zugrunde liegt, übernommen. Bestätigungsvoraussetzungen nach Abs. 1 lit. b und d können jedenfalls nicht im Rechtsmittelverfahren weggefallen sein, da der Instanzenzug im selben Mitgliedstaat verbleibt und eine Verbrauchersache instanziell nicht ihre Natur ändert. Eine erneute Prüfung mit anderem Ergebnis wird durch Abs. 3 ausgeschlossen.
56
Art. 12 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO bleibt jedoch vorbehalten (Abs. 3 Halbs. 2). Danach sind auch im Rechtsmittelverfahren die Mindeststandards zu wahren. Der Vorbehalt verdeutlicht, dass dies auch dann gilt, wenn die angefochtene Entscheidung bereits als EuVollstrTitel bestätigt war. Dies fügt sich logisch ein, denn die Wahrung der Mindeststandards im Rechtsmittelverfahren kann nicht anlässlich der Bestätigung des angefochtenen Titels bereits geprüft worden sein.
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3. Verordnungsautonome Verfahrensvorschriften Die Ersatzbestätigung wird wiederum auf jederzeitigen Antrag (dazu oben Rz. 2) erteilt. Wohin der Antrag zu richten ist, regelt Abs. 3 nicht, obgleich in allen anderen Fällen die Verordnung die Stelle bezeichnet, an die der Antrag zu richten ist. Vor diesem Hintergrund dürfte es nicht den Mitgliedstaaten überlassen sein zu regeln, wo der Antrag zu stellen ist.77 Vielmehr ist von einer unbewussten Regelungslücke auszugehen, die entsprechend Abs. 1 und 2 geschlossen werden kann: Antragsstelle ist auch insoweit das Gericht, das zuletzt in der Sache entschieden hat, also das Gericht, von dem die neue (Rechtsbehelfs-)Entscheidung stammt.78
58
Die Ersatzbestätigung ist unter Verwendung des Formblatts in Anhang V der VO auszustellen. Das 59 Formblatt ist nicht nur Hilfestellung und Richtlinie, die Bestätigung muss mittels des Formblattes erfolgen. Die Formulare der Formblätter werden als pdf-Datei in allen Sprachfassungen im Europäischen Justizportal,79 einer Webseite der Europäischen Kommission, zur Verfügung gestellt; dort findet sich auch eine Online-Maske, mit deren Hilfe ein ausgefülltes Formular erzeugt werden kann. Art. 10 EG-VollstrTitelVO lässt die Berichtigung und den Widerruf der Bestätigung als EuVollstrTitel zu. Als solche Bestätigung ist nicht nur diejenige nach Abs. 1, sondern auch die Ersatzbestäti73 Vgl. Coester-Waltjen, FS Ansay (2006) 47, 52. 74 So Kropholler/von Hein, Rz. 18. 75 So kann man auch die Anmerkung der Europäischen Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 10 (Art. 10) verstehen, die für ein auf die Anfechtung folgendes streitiges Verfahren feststellt, der Schuldner bedürfe des Schutzes der Mindeststandards nicht. 76 NK-ZV/Stürner, Rz. 20. 77 So aber Kropholler/von Hein, Rz. 18. 78 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 74; Rauscher, GPR 2003/04, 286, 288; Fasching/Rechberger, Rz. 20. 79 https://e-justice.europa.eu/content_european_enforcement_order_forms-270-de.do (23.6.2021).
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Art. 7 EG-VollstrTitelVO Kosten in Verbindung mit dem gerichtlichen Verfahren gung nach Abs. 3 zu verstehen. Es besteht hier das gleiche Bedürfnis zumindest in dem begrenzt eingeräumten Rahmen die erteilte Bestätigung im Ursprungsstaat überprüfen zu können.80 4. Nationale Verfahrensvorschriften 60
Das Verfahren in Deutschland für die Erteilung der Ersatzbestätigung nach Abs. 3 ist in gleicher Weise ausgestaltet wie für die Bestätigung nach Abs. 1. Insoweit wird auf die Anmerkungen bei Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 12 ff. verwiesen. Auch hinsichtlich der Kosten gelten für die Ausstellung einer Ersatzbestätigung die Ausführungen zu den Kosten einer Bestätigung als EuVollstrTitel entsprechend, s. Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 26 f.
Artikel 7 Kosten in Verbindung mit dem gerichtlichen Verfahren Umfasst eine Entscheidung eine vollstreckbare Entscheidung über die Höhe der mit dem gerichtlichen Verfahren verbundenen Kosten, einschließlich Zinsen, wird sie auch hinsichtlich dieser Kosten als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt, es sei denn, der Schuldner hat im gerichtlichen Verfahren nach den Rechtsvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats der Verpflichtung zum Kostenersatz ausdrücklich widersprochen. I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . 1. Verfahrensgegenstand im sachlichen Anwendungsbereich der VO . . . . . . . . . . . . . . 2. Kostenentscheidung als Teil der Gesamtentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unbestrittenheit der Kostenentscheidung . .
1
.
3
.
3
. .
5 8
4. 5. III. 1. 2. 3.
Bezifferte Kostenentscheidung . . . . . . . . . Kostenentscheidung und Mindestvorschriften Isolierte Kostenentscheidung . . . . . . . . . Eigenständige Entscheidung . . . . . . . . . . . Bestätigungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12 15 18 18 20 23
Schrifttum: Bittmann, Der Kostenfestsetzungsbeschluss nach § 104 ZPO als Europäischer Vollstreckungstitel, Rpfleger 2009, 369; Bittmann, Die Bestätigung deutscher Kostenfestsetzungsbeschlüsse als Europäischer Vollstreckungstitel, IPRax 2011, 361; Roth, Der Kostenfestsetzungsbeschluss für eine einstweilige Verfügung als Anwendungsfall des Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, IPRax 2008, 235.
I. Regelungszweck 1
Art. 7 EG-VollstrTitelVO erstreckt die Bestätigungsmöglichkeit als EuVollstrTitel auf zusammen mit der Hauptsacheentscheidung ergehende Kostenentscheidungen einschließlich eventueller Zinsen auf die Kosten. Art. 7 EG-VollstrTitelVO wurde für Situationen geschaffen, in denen eine Entscheidung nicht allein die Hauptforderung, sondern zusätzlich auch die vollständige Entscheidung über die von den Parteien im gegenseitigen Verhältnis zu zahlenden Kosten beinhaltet. Für diese Fälle stellt die Norm klar, dass auch die Kostenentscheidungen als EuVollstrTitel bestätigt werden kann.1
2
Art. 7 EG-VollstrTitelVO ist nicht anwendbar auf isolierte Kostenentscheidungen, dazu Rz. 18 ff.
80 Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 75. 1 Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 1.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 7 EG-VollstrTitelVO
II. Tatbestandsvoraussetzungen 1. Verfahrensgegenstand im sachlichen Anwendungsbereich der VO Der Gegenstand des Verfahrens, in dem die Kostenentscheidung ergeht, muss dem sachlichen Anwendungsbereich der VO unterfallen. Es ist daher der sachliche Anwendungsbereich des Art. 2 EGVollstrTitelVO zu prüfen.2 Das Verfahren muss eine Zivil- und Handelssache betreffen, die nicht aufgrund der Ausnahmetatbestände ausgeschlossen ist.
3
Kostenentscheidungen in Verfahren, deren Gegenstand nicht in den sachlichen Anwendungsbereich 4 des Art. 2 EG-VollstrTitelVO fällt, können nicht als EuVollstrTitel bestätigt werden. Auf die Unbestrittenheit der Forderung kommt es insoweit nicht an. Eine Bestätigung kommt daher nicht in Betracht für Kostenentscheidung in Verfahren, welche nicht Zivil- und Handelssachen betreffen (Art. 2 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO), insbesondere Kostenentscheidungen in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten.3 Nicht als EuVollstrTitel bestätigt werden können aber auch solche Kostenentscheidungen, die in einer Zivilsache ergehen, welche nach Art. 2 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO ausgeschlossen ist, insbesondere ehegüterrechtliche Ausgleichsansprüche oder erbrechtliche Zahlungsforderungen.4 2. Kostenentscheidung als Teil der Gesamtentscheidung Die Bestätigung kann allein hinsichtlich einer unbestrittenen Geldforderung erfolgen. Art. 8 EG-VollstrTitelVO macht jedoch deutlich, dass sich nicht die gesamte Entscheidung auf eine unbestrittene Geldforderung beziehen muss; soweit allein ein Teil der Entscheidung die Voraussetzungen erfüllt, so kann die Bestätigung für diesen Teil erteilt werden. Der EuGH hat jedoch klargestellt, dass Kostenentscheidungen nur insoweit als EuVollstrTitel bestätigt werden können, wie sie sich auf eine unbestrittene Forderung beziehen.5
5
Erforderlich ist daher, dass die Hauptsacheentscheidung ebenfalls die Voraussetzungen der unbestrit- 6 tenen Geldforderung i.S.d. Art. 3 EG-VollstrTitelVO erfüllt und als EuVollstrTitel bestätigt werden kann.6 Zwar spricht für die Gegenansicht, dass nach ihr eine Vollstreckung all der Teile einer Entscheidung in Verfahren über allgemeine Zivil- und Handelssachen (mit Ausnahme der in Art. 2 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO genannten Materien), die unbestrittene Geldforderungen darstellen, beschleunigt würde; auch die unbestrittene Kostenentscheidung in einem derartigen Verfahren wäre eine solche unbestrittene Geldforderung und – einerlei, ob es sich auch bei der zugrunde liegenden Hauptsache um eine unbestrittene Geldforderung handelt – ein bestätigungsfähiger Teil der Entscheidung. Jedoch ergeht die Entscheidung über die Kosten in Abhängigkeit von der Entscheidung in der Hauptsache und nur diese könne eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel rechtfertigen.7 Die Kostenentscheidung bezüglich klageabweisender Urteile, Feststellungsbeschlüssen8 oder solche Hauptsachen, die nicht auf eine Geldforderung9 lauten und daher ihrerseits nicht bestätigt werden können, können daher nicht als EuVollstrTitel bestätigt werden.
2 3 4 5 6
7 8 9
Implizit Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1. NSA v. 4.8.2008 – I OSK 852/06. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 46; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 183. EuGH v. 14.12.2017 – C-66/17, ECLI:EU:C:2017:972 – Grzegorz Chudas´ u.a. vs. DA Deutsche Allgemeine Versicherung Aktiengesellschaft Rz. 35, BeckRS 2017, 135048. EuGH v. 14.12.2017 – C-66/17, ECLI:EU:C:2017:972 – Grzegorz Chudas´ u.a. vs. DA Deutsche Allgemeine Versicherung Aktiengesellschaft Rz. 30, BeckRS 2017, 135048, der dies aus der Verwendung des Wortes „auch“ in Art. 7 EG-VollstrTitelVO folgert; Kropholler/von Hein, Rz. 1; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 6; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 2; Wagner, IPRax 2005, 189, 196, die eine limitierte Akzessorietät annehmen; a.A. Zöller/Geimer, Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 67; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 46; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 182 f.; Rijavec/Jelinek/Brehm, S. 90 f. EuGH v. 14.12.2017 – C-66/17, ECLI:EU:C:2017:972 – Grzegorz Chudas´ u.a. vs. DA Deutsche Allgemeine Versicherung Aktiengesellschaft Rz. 32, BeckRS 2017, 135048. A.A. Rausch, FPR 2007, 448, 450. Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 183; a.A. Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 67.
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7
Art. 7 EG-VollstrTitelVO Kosten in Verbindung mit dem gerichtlichen Verfahren 3. Unbestrittenheit der Kostenentscheidung 8
Soll die Entscheidung hinsichtlich der Kosten als EuVollstrTitel bestätigt werden, so muss es sich insoweit um eine unbestrittene Forderung i.S.v. Art. 3 EG-VollstrTitelVO handeln. Art. 7 EG-VollstrTitelVO macht dabei deutlich, dass grundsätzlich die Unbestrittenheit der Hauptforderung auch die Kostenentscheidung unbestritten lässt, es sei denn, der Schuldner hat der Verpflichtung zum Kostenersatz – im Gegensatz zur Hauptsacheforderung – ausdrücklich widersprochen.10 Es muss mithin für Hauptforderung und Kostenentscheidung einzeln und differenziert geprüft werden, ob es sich insoweit jeweils um eine unbestrittene Forderung i.S.d. Art. 3 EG-VollstrTitelVO handelt. Bei Vorliegen der Voraussetzungen bezüglich der Kosten kann auch dieser Teil als EuVollstrTitel bestätigt werden.11
9
Der Widerspruch muss nach den Rechtsvorschriften des Ursprungsmitgliedstaates, also nach den maßgeblichen Verfahrensvorschriften der lex fori wirksam erfolgen. Form- und Fristerfordernisse sind vom Schuldner zu beachten; anderenfalls gilt der Widerspruch als nicht erfolgt, und die Kostenentscheidung kann als EuVollstrTitel bestätigt werden. Der Rechtsgedanke des Art. 3 Abs. 1 lit. c EG-VollstrTitelVO ist – obgleich die Bestimmung nur die Formulierung aus Art. 3 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO übernimmt – auch hier anzuwenden, d.h. der Widerspruch muss nach den maßgeblichen Verfahrensvorschriften bis zum Ende des Verfahrens relevant geblieben sein.12
10
Hat der Schuldner der Kostentragungspflicht und der Kostenhöhe widersprochen, ist eine Bestätigung der Kostenentscheidung nicht mehr möglich, unabhängig davon, ob die Hauptforderung unbestritten geblieben ist. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn der Schuldner die Hauptforderung unter Verwahrung gegen die Kosten anerkannt hat.13
11
Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn der Schuldner nur der Kostenhöhe widerspricht, während sich die Kostentragungspflicht als solche aus dem Gesetz ergibt, also lege fori gar nicht bestreitbar ist. Man wird in diesem Fall ein lege fori ordnungsgemäßes Bestreiten der Kostenhöhe genügen lassen müssen.14 4. Bezifferte Kostenentscheidung
12
Art. 7 EG-VollstrTitelVO verlangt ausdrücklich, dass die Kosten im Urteil der Höhe nach angegeben sind. Nach Art. 7 EG-VollstrTitelVO (mit-)bestätigt werden können also nur Kostenentscheidungen, die nach dem maßgeblichen Zivilprozessrecht bereits in der Hauptsacheentscheidung in einer „bestimmten Geldsumme“ gem. Art. 4 Nr. 2 EG-VollstrTitelVO angegeben sind.
13
Dies ist bei Urteilen aus Deutschland regelmäßig nicht der Fall, da diese nur die Kostentragungspflicht regeln, die Höhe der Kosten jedoch dem Kostenfestsetzungsbeschluss vorbehalten.15 Eine Entscheidung einschließlich der Kosten kann jedoch angenommen werden, wenn der Kostenfestsetzungsbeschluss gem. § 105 ZPO auf das Urteil gesetzt wird.16 Kostenentscheidungen i.S.d. Art. 7 EG-VollstrTitelVO werden auch beim Vollstreckungsbescheid nach § 699 Abs. 3 ZPO und bei Festsetzungsbeschlüssen im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger nach § 253 Abs. 1 S. 2 FamFG vorgesehen.
14
Anders verhält es sich in Österreich, wo § 54 österrZPO auch bezifferte Kostenentscheidungen (und § 54a österrZPO gesetzliche Zinsen hierauf) als Nebenentscheidung vorsieht.
10 11 12 13
Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 183; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 1. Vgl. auch Musielak/Voit/Lackmann, Rz. 1. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 61. Kropholler/von Hein, Rz. 2; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 2; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 1; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 183; Wagner, IPRax 2005, 189, 196. 14 Wagner, IPRax 2005, 189, 196; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 62; Bittmann, Rpfleger 2009, 369, 371; unklar Hök, ZAP 2005, 1099, 1102, der jedenfalls den Antrag, der Gegenseite die Kosten aufzuerlegen, nicht als Bestreiten genügen lassen will, wenn die Kostenfolge zwingend aus dem Gesetz folgt. 15 Bittmann, Rpfleger 2009, 369, 370. 16 Musielak/Voit/Lackmann, Rz. 1.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 7 EG-VollstrTitelVO
5. Kostenentscheidung und Mindestvorschriften Eine ausdrückliche Normierung zur Einhaltung der Mindeststandards der Art. 12 ff. EG-Vollstr- 15 TitelVO hinsichtlich der Kosten enthält die Verordnung nicht. Aus der besonderen Aufnahme der Regelung des Art. 7 EG-VollstrTitelVO muss gefolgert werden, dass es genügt, wenn die Mindeststandards hinsichtlich der Hauptforderung erfüllt wurden, mithin die Anforderungen an die Belehrung über die Forderung und deren Bestreitensmöglichkeiten sich auf die Hauptforderung bezogen. Einer besonderen Belehrung über die Kostenforderung bedarf es nicht. Dies würde die Mitbestätigung der Kostenentscheidung ausschließen und somit Art. 7 EG-VollstrTitelVO gegenstandslos werden lassen, sind doch die Kosten regelmäßig abhängig vom Verfahrensverlauf und stehen sie daher bei Verfahrenseinleitung insbesondere der Höhe nach noch nicht fest. Es muss daher genügen, wenn die Mindestvorschriften in Ansehung der Klage, mithin der Hauptsache gewahrt sind. Soweit eine Bestätigung bei einer klageabweisenden Entscheidung gegen den Kläger in Betracht 16 kommt, kann es auf die Einhaltung der Mindeststandards nach deren Sinn und Zweck nicht ankommen. Durch die von ihm selbst erhobene Klage hat der Kläger hinreichend Kenntnis von dem Verfahren und konnte dieses entsprechend durchführen. Zustellungen und Belehrungen bedarf es hierzu nicht. Eine Kostenentscheidung gegen den Kläger kann mithin ohne Einhaltung der Voraussetzungen der Art. 12 ff. EG-VollstrTitelVO gegen den Kläger und Kostenschuldner bestätigt werden. Trifft die Kostenfolge den Kläger als Widerbeklagten, so ist für die Wahrung der Mindeststandards auf die Zustellung der Widerklage abzustellen.
17
III. Isolierte Kostenentscheidung 1. Eigenständige Entscheidung Isolierte Kostenentscheidungen unterfallen nicht Art. 7 EG-VollstrTitelVO. Es handelt sich hierbei nicht um eine Entscheidung in der Hauptsache, bei der auch über die Kosten entschieden wurde.17
18
Jedoch handelt es sich bei der isolierten Kostenentscheidung ihrerseits um eine Entscheidung i.S.d. Art. 4 Nr. 1 EG-VollstrTitelVO. Der Kostenfestsetzungsbeschluss wird dort ausdrücklich als Regelbeispiel für eine Entscheidung genannt.18 Das isolierte Kostenverfahren muss daher insgesamt als eigenständiges Verfahren betrachtet werden. Als solches kann es der Verordnung unterfallen und die isolierte Entscheidung über die Kosten sodann als eigener Titel nach den Art. 5 ff. EG-VollstrTitelVO bei Vorliegen der Voraussetzungen als EuVollstrTitel bestätigt werden.19 Ein Umkehrschluss aus einem verfehlten akzessorischen Verständnis des Art. 7 EG-VollstrTitelVO verbietet sich; die isolierte Kostenentscheidung ist unabhängig von der Hauptsacheentscheidung zu betrachten, ihre Bestätigungsfähigkeit als EuVollstrTitel ergibt sich unabhängig von der der Hauptsacheentscheidung.20 Es ist daher nicht entscheidend, welches Verfahren der isolierten Kostenentscheidung zugrunde liegt, dieses muss nicht dem Anwendungsbereich der VO unterfallen.21
19
17 Musielak/Voit/Lackmann, Rz. 1; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 1, der jedoch auch eine eigenständige Möglichkeit der Bestätigung nicht in Betracht zieht. 18 So auch Bittmann, Rpfleger 2009, 369, 370. 19 S. BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, IPRax 2013, 267 = NJW 2012, 858; OLG Stuttgart v. 3.6.2008 – 8 W 223/08, NJW-RR 2009, 934, 935; Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 15; Bittmann, Rpfleger 2009, 369, 370; Rijavec/Jelinek/Brehm, S. 92; a.A. Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 2. 20 OLG München v. 30.4.2007 – 6 W 687/07, NJW-RR 2007, 1582; OLG Stuttgart v. 24.5.2007 – 8 W 184/07, NJW-RR 2007, 1583, 1584; Bittmann, Rpfleger 2009, 369, 371; hier auch Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 3; a.A. Kropholler/von Hein, Rz. 3 und Wagner, IPRax 2005, 189, 196, die eine Bestätigung allein bei einer Bestätigungsfähigkeit der Hauptsacheentscheidung zulassen wollen. 21 Ein solches Erfordernis folgt auch nicht aus EuGH v. 14.12.2017 – C-66/17, ECLI:EU:C:2017:972 – Grzegorz Chudas´ u.a. vs. DA Deutsche Allgemeine Versicherung Aktiengesellschaft, BeckRS 2017, 135048, der EuGH betont in Rz. 36, dass die Kostenentscheidung in einem Urteil mit der Entscheidung über eine bestrittene Forderung enthalten sind; dennoch wollen Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 4 Rz. 1 und NK-ZV/Stürner, Art. 4 Rz. 5 f. nunmehr auch isolierte Kostenentscheidungen nur noch dann in den Anwendungsbereich der VO aufnehmen, bei denen dies auch für die zugrundeliegende Entscheidung gegeben ist.
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Art. 7 EG-VollstrTitelVO Kosten in Verbindung mit dem gerichtlichen Verfahren 2. Bestätigungsvoraussetzungen 20
Jedoch müssen für eine Bestätigung einer isolierten Kostenentscheidung bei dieser alle Bestätigungsvoraussetzungen vorliegen. Bei dem Kostenanspruch muss es sich daher zunächst im Rahmen des isolierten Kostenverfahrens (z.B. einem Kostenfestsetzungsverfahren) um eine unbestrittene Forderung i.S.d. Art. 3 EG-VollstrTitelVO handeln. Es kommt nicht darauf an, ob der Schuldner im Hauptsacheverfahren der Kostentragungspflicht dem Grunde nach widersprochen hat und ob im Hauptverfahren streitig entschieden wurde.22 Es können auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse bestätigt werden, wenn im Hauptsacheverfahren um die Kosten dem Grunde nach gestritten wurde. Entscheidend ist, ob im Kostenfestsetzungsverfahren die Forderung hinsichtlich der Kostenhöhe bestritten wurde oder nicht.23
21
Zudem ist, soweit im Kostenverfahren allein ein passives Nichtbestreiten durch den Kostenschuldner vorliegt, die Einhaltung der Mindeststandards zu prüfen.24 Es bedarf der Zustellung des das Kostenverfahren einleitenden Schriftstückes unter Beachtung der Art. 12 ff. EG-VollstrTitelVO,25 eine nur formlose Mitteilung des Kostenfestsetzungsantrages an den Gläubiger genügt nicht.26 Auch die Belehrungserfordernisse des Art. 17 EG-VollstrTitelVO sind dabei zu beachten, jedoch ist auch die Heilungsmöglichkeit des Art. 18 EG-VollstrTitelVO zu prüfen.
22
Nach Sinn und Zweck der Mindestvorschriften kann es auf diese jedoch dann nicht ankommen, wenn dem Kläger die Kosten auferlegt werden. Dieser ist durch die von ihm selbst erfolgte Verfahrenseinleitung hinreichend in Kenntnis gesetzt, um das Verfahren in seinem Sinne führen zu können. 3. Deutschland
23
Der in Deutschland übliche Kostenfestsetzungsbeschluss im selbstständigen Kostenfestsetzungsverfahren nach § 104 ZPO ist isolierte Kostenentscheidung in diesem Sinne.27 Problematisch ist jedoch die Einhaltung der Mindeststandards im Kostenfestsetzungsverfahren. Eine Belehrung über die Bestreitensmöglichkeiten bei Zustellung des Kostenfestsetzungsantrags gem. Art. 17 EG-VollstrTitelVO ist im deutschen Kostenfestsetzungsverfahren nicht vorgesehen, dieser Mindeststandard wird daher regelmäßig nicht gewahrt.28 Auch eine Heilung nach Art. 18 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO scheidet üblicherweise aus, da bei der Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses eine Rechtsmittelbelehrung ebenfalls nicht vorgesehen ist. Erfolgt eine Rechtsmittelbelehrung, so solle sich diese soweit die Überprüfung der Kostengrundentscheidung noch möglich ist, auch auf den Rechtsbehelf gegen diese beziehen. Allein so werde die von Art. 18 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO angestrebte uneingeschränkte Überprüfung möglich.29 Eine Heilung nach Art. 18 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO ist hinsichtlich Verstößen gegen Art. 17 EG-VollstrTitelVO nicht möglich.30 Es ist daher der deutsche Gesetzgeber gefordert, die entsprechenden Belehrungserfordernisse im Kostenfestsetzungsverfahren einzuführen, da22 Hök, ZAP 2005, 1099, 1102. Jedoch verfängt sein Argument, dass KFB aus streitigen Verfahren sonst generell nicht mehr bestätigbar wären, nicht. Solange hinsichtlich der Kosten nicht bestritten wurde, wäre der Kostenerstattungsanspruch unbestritten. Auf das Bestreiten von anderen Ansprüchen kommt es dagegen nicht an. 23 Bittmann, Rpfleger 2009, 369, 370; Hök, ZAP 2005, 1099, 1102 f.; auch Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Art. 4 Rz. 15; a.A. Wagner, IPRax 2005, 189, 196. 24 So auch Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 3. 25 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 102. 26 Hök, ZAP 2005, 1099, 1103. 27 OLG München v. 30.4.2007 – 6 W 687/07, NJW-RR 2007, 1582; OLG Stuttgart v. 24.5.2007 – 8 W 184/07, NJW-RR 2007, 1583, 1584; Musielak/Voit/Lackmann, Rz. 1; Geimer, IZPR Rz. 3180l Fn. 1186; Bittmann, Rpfleger 2009, 369, 370. 28 Vgl. BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, IPRax 2013, 267 = NJW 2012, 858; OLG Stuttgart v. 3.6.2008 – 8 W 223/08, NJW-RR 2009, 934, 935; Roth, IPRax 2008, 235, 236. 29 BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, NJW 2012, 858; a.A. Bittmann, IPRax 2011, 361, 364; Roth, IPRax 2013, 239, 240. 30 BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, IPRax 2013, 267 = NJW 2012, 858; BGH v. 25.3.2010 – I ZB 116/08, IPRax 2012, 72 = FamRZ 2010, 890 = NJW 2010, 1883, 1885; OLG Stuttgart v. 3.6.2008 – 8 W 223/08, NJW-RR 2009, 934, 935; Bittmann, Rpfleger 2009, 369, 372; a.A. Roth, IPRax 2008, 235, 236 f., der die Anforderungen an die Heilungsmöglichkeiten teleologisch reduzieren und die Voraussetzung des Art. 18 Abs. 1 lit. b EGVollstrTitelVO in Beschlussverfahren nicht anwenden will.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 8 EG-VollstrTitelVO
mit derartige Beschlüsse den Mindeststandards entsprechen und tatsächlich als EuVollstrTitel bestätigt werden können. Auch Kostenentscheidungen, nach § 91a, 269 Abs. 3, 516 Abs. 3 ZPO sind derartige Entscheidungen, deren Bestätigungsfähigkeit nach den allgemeinen Voraussetzungen geprüft werden muss.
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Artikel 8 Teilbarkeit der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel Wenn die Entscheidung die Voraussetzungen dieser Verordnung nur in Teilen erfüllt, so wird die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nur für diese Teile ausgestellt.
I. Regelungszweck Die Bestimmung ermöglicht eine teilweise Bestätigung eines Titels als EuVollstrTitel, wenn nur Teile 1 des Titels die Voraussetzungen hierfür erfüllen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Bestätigung eines Titels insgesamt scheitert, weil für einen Teil, insbesondere für einzelne titulierte Ansprüche, eine Bestätigungsvoraussetzung fehlt. Im ersten Vorschlag der Kommission war vorgesehen, die Bestimmung auch sprachlich stärker an Art. 48 Brüssel I-VO anzulehnen,1 der dort demselben Zweck dient. Inhaltlich sollte daran durch die Endfassung allerdings nichts geändert werden,2 weshalb zur Bestimmung der Reichweite des Art. 8 EG-VollstrTitelVO die ausführliche Entwurfsfassung der Vorschrift herangezogen werden kann.3
II. Anwendungsbereich Erfasst werden Entscheidungen, in denen über mehrere Ansprüche entschieden wurde. Eine Teilung durch das bestätigende Gericht hat zu erfolgen, wenn der Antrag zwar unbeschränkt gestellt wird, jedoch für einen Teil der Ansprüche die Bestätigung nicht erteilt werden kann. Dies ist der Fall, wenn nicht alle Ansprüche eine fällige bezifferte Geldforderung betreffen, wenn gemeinsam titulierte Forderungen nur in Teilen unbestritten geblieben sind oder wenn sie nur in Teilen die sonstigen Voraussetzungen für die Bestätigung als EuVollstrTitel erfüllen. Dies gilt auch, wenn die Bestätigungsvoraussetzungen nicht für alle Beklagten vorliegen.4 Im Ergebnis werden die Teile einer Entscheidung als EuVollstrTitel bestätigt, die alle notwendigen Voraussetzungen der VO erfüllen.
2
Für die Teil-Bestätigung als EuVollstrTitel geeignet sind auch Ansprüche, die im Kontext mit einer nicht in den Anwendungsbereich der VO fallenden Angelegenheit entschieden wurden,5 etwa Unterhaltsaussprüche in einem Scheidungs-Verbundurteil. Entscheidend muss sein, dass der zu bestätigende Teil auch eigenständig geltend gemacht werden könnte.
3
Der Antragsteller kann einen beschränkten Antrag auf Bestätigung von Teilen eines Titels als Eu- 4 VollstrTitel stellen.6 Die Bestimmung schränkt ihren Anwendungsbereich nicht auf Situationen ein, in denen es an der Möglichkeit der Bestätigung fehlt. Da Teilbarkeit grundsätzlich zugelassen wird, ist es im Antragsverfahren Sache des Antragstellers, die Reichweite seines Antrags zu begrenzen.
1 2 3 4 5 6
Vgl. den ersten Vorschlag der Europäischen Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 8, 23 (Art. 6). Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 9 (Art. 6). Kropholler/von Hein, Rz. 1. BGH v. 14.6.2012 – IX ZB 245/10, BeckRS 2012, 13821. Ebenso Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1. So auch der Entwurf der Europäischen Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 24 (Art. 6 Abs. 2); Schlosser/ Hess/Schlosser, Rz. 1; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 2; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 71.
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Art. 9 EG-VollstrTitelVO Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel 5
Die Entscheidung ist jedoch nicht teilbar, wenn ein vom Anwendungsbereich der VO ausgeschlossener Anspruch die Basis für einen an sich nicht ausgeschlossenen Anspruch bildet und Letzterer nur als Nebenforderung geltend gemacht wird.7
6
Zur Bestätigung von Kostenentscheidungen s. Art. 7 EG-VollstrTitelVO.
Artikel 9 Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel (1) Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel wird unter Verwendung des Formblatts in Anhang I ausgestellt. (2) Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel wird in der Sprache ausgestellt, in der die Entscheidung abgefasst ist. I. Gerichtsentscheidungen . . . . . . . . . . . . II. Verordnungsautonome Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sprachenregelung . . . . . . . . . . . . . . 3. Zustellung an Schuldner . . . . . . . . . . 4. Übersendung an den Gläubiger . . . . . . 5. Rechtsbehelfe gegen Zurückweisung der Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Erneute Antragstellung . . . . . . . . . . . III. Verfahren in Deutschland . . . . . 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Anhörung des Schuldners b) Zustellung an den Schuldner . . c) Zurückweisung des Antrags auf Bestätigung . . . . . . . . . . . .
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(1) Verweis in § 1080 ZPO . . . . . . . . (2) Sofortige Beschwerde . . . . . . . . . (3) Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel . . . . . . . . . . . . . . (4) Bestätigung gegen Rechtsnachfolger . d) Erneuter Antrag auf Bestätigung . . . . . e) Kosten und Gebühren . . . . . . . . . . . IV. Verfahren in Österreich . . . . . . . 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Anhörung des Schuldners b) Zustellung an den Schuldner . . c) Zurückweisung des Antrags auf Bestätigung . . . . . . . . . . . . d) Erneuter Antrag auf Bestätigung e) Kosten . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Gerichtsentscheidungen 1
Art. 9 EG-VollstrTitelVO bezieht sich aufgrund seiner systematischen Stellung im Kapitel II der VO allein auf Entscheidungen, welche stets nur von Gerichten erlassen werden können (Art. 4 Nr. 1 EG-VollstrTitelVO). Für gerichtliche Vergleiche gilt Art. 24 EG-VollstrTitelVO, für öffentliche Urkunden Art. 25 EG-VollstrTitelVO.
II. Verordnungsautonome Verfahrensvorschriften 1. Formblatt 2
Die Bestätigung erfolgt unter Verwendung des Formblatts in Anhang I der VO. Die Formulare der Formblätter werden als pdf-Datei in allen Sprachfassungen im Europäischen Justizportal,1 einer Webseite der Europäischen Kommission, zur Verfügung gestellt; dort findet sich auch eine OnlineMaske, mit deren Hilfe ein ausgefülltes Formular erzeugt werden kann. 7 KG v. 16.4.2010 – 3 WF 49/10, NJW-RR 2010, 1377. 1 https://e-justice.europa.eu/content_european_enforcement_order_forms-270-de.do (23.6.2021).
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 9 EG-VollstrTitelVO
Durch die Verwendung von Formblättern soll die praktische Arbeit erleichtert werden.2 Es soll gesi- 2a chert werden, dass im Bestätigungsverfahren alle erforderlichen Aspekte überprüft werden.3 Das Formblatt ist daher gleich einem Prüfungsschema gestaltet. Ist bei der Prüfung und dem dabei erfolgten Ausfüllen ein „Nein“ anzukreuzen, muss dies auch stets als Moment angesehen werden, zu überdenken, ob aus diesem Grund die Erteilung der Bestätigung als EuVollstrTitel versagt werden muss.4 Es ergibt sich daraus freilich auch ein gesteigertes Risiko bei Fehlen bestimmter Voraussetzungen dennoch die Bestätigung auszustellen. Die Verwendung von in allen Amtssprachen gleich strukturierten Formblättern soll zudem Übersetzungen abkömmlich machen. Trotz der primär praxisorientierten Zielsetzung dient die Verwendung des Formblattes jedoch nicht nur der Erleichterung. Vielmehr handelt es sich um eine zwingende Formvorschrift. Nur wenn die Bestätigung nach dem Formblatt erfolgt, liegt ein wirksamer EuVollstrTitel vor.5 Dies steht allerdings einer Verwendung des Formblatts in abweichender Optik und Schriftgestaltung, insbesondere einer Erfassung in Textprogrammen, nicht entgegen. Wird das Formblatt in dieser Weise benutzt, so ist entscheidend, dass der Text und die Nummerierung mit dem im Anhang I wiedergegebenen Formblatt übereinstimmen.
3
Beim Ausfüllen des Formblattes hinsichtlich Zinsen bezogen auf den Basiszins nach § 247 BGB ist die Differenz zum Basiszins der EZB und die Problematik der Bestimmtheit der Forderung zu beachten (s. Art. 4 EG-VollstrTitelVO Rz. 21 ff.).
4
2. Sprachenregelung Das Formblatt wird in der Sprache verwendet, in der die Entscheidung abgefasst ist (Abs. 2). Das ausstellende Gericht verwendet also auch bei der Bestätigung seine eigene Sprache. Zwar werden zum größten Teil lediglich Kreuze sowie Adressangaben und Zahlen im Formblatt eingetragen werden, eine Übersetzung für den Vollstreckungsmitgliedstaat ist dennoch regelmäßig notwendig (vgl. Art. 20 EG-VollstrTitelVO Rz. 12 ff.). Individuelle, nicht allgemein verständliche Eintragungen sind im Formblatt nicht vorgesehen, machen die Bestätigung jedoch nicht unwirksam. Sie können vielmehr den Vollstreckungsorganen im Ausland nützlich sein.6 Eine Übersetzung der Entscheidung ist nicht erforderlich, da die Vollstreckung allein aufgrund der Angaben in der Bestätigung erfolgt. Dies ist logische Konsequenz aus der Verlagerung der Überprüfung vom Exequaturstaat in den Urteilsstaat: Da keine Überprüfung im Vollstreckungsstaat erfolgt, muss dort auch keine verständliche Sprachfassung des Titels selbst vorliegen.
5
3. Zustellung an Schuldner Durch die VO wird eine Zustellung der Bestätigung an den Schuldner weder geboten noch verboten.7 Soweit die nationalen Ausführungsbestimmungen nichts anderes vorsehen, wird dem Schuldner regelmäßig keine Ausfertigung zugestellt oder zumindest eine Ablichtung zugesandt werden.8 Zum Teil wird aufgrund Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 EuGrCh verlangt, dass dem Schuldner spätestens bei Beginn der Zwangsvollstreckung im Vollstreckungsstaat eine Ausfertigung der Bestätigung zuzustellen ist.9 2 Kropholler/von Hein, Rz. 1. 3 Brenn, EuZP Rz. 156. 4 S. Anhang I Nr. 13.3. Hatte der Schuldner keine Möglichkeit zur Einlegung eines Rechtsbehelfs, so wird eine Heilung nach Art. 18 EG-VollstrTitelVO nicht möglich sein und die Bestätigung muss mithin versagt werden. Das Feld „Nein“ würde hier besser gestrichen werden, so dass, wenn „Ja“ aufgrund der Tatsachen nicht angekreuzt werden kann, offensichtlicher wird, dass die Prüfung beendet ist und die Bestätigung nicht erteilt werden kann. 5 Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 75; Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 22; NK-ZV/Stürner, Rz. 4. 6 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 398; Boschiero, Riv. dir. int. 2003, 394, 416 f. lassen ausdrücklich individuelle Ergänzungen im Formblatt zu. 7 Coester-Waltjen, JURA 2005, 394, 396; a.A. Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 187; Rechberger/FrauenbergerPfeiler, FS Fischer (2004) 408, die ein autonomes Zustellungserfordernis annehmen. 8 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 2. 9 Geimer, IZPR Rz. 3195b.
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Art. 9 EG-VollstrTitelVO Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel 4. Übersendung an den Gläubiger 7
Dem Gläubiger ist, auch wenn es an einer ausdrücklichen Regelung fehlt, eine Ausfertigung der Bestätigung zu übersenden.10 Dies folgt implizit aus Art. 20 Abs. 2 lit. b EG-VollstrTitelVO: Da er die formgerechte Bestätigung zur Vorlage im Vollstreckungsmitgliedstaat benötigt, hat er ein rechtliches Interesse an der Übersendung. Eine förmliche Zustellung ist nicht erforderlich.
8
Der Gläubiger kann mehrere Ausfertigungen der Bestätigung verlangen. Diese können benötigt werden, um die Vollstreckung durch verschiedene Vollstreckungsorgane in einem Mitgliedstaat oder aber die Vollstreckung in verschiedenen Mitgliedstaaten gleichzeitig in Angriff nehmen zu können.11 5. Rechtsbehelfe gegen Zurückweisung der Bestätigung
9
Die VO sieht keine Rechtsbehelfe für den Fall vor, dass dem Gläubiger die Bestätigung verweigert wird, enthält aber auch keinen ausdrücklichen Ausschluss solcher Rechtsbehelfe. Insbesondere bezieht sich Art. 10 Abs. 4 EG-VollstrTitelVO nur auf die Ausstellung der Bestätigung, nicht aber auf deren Versagung.12
10
Da diese Materie ausweislich der Normgebungsgeschichte von der VO bewusst nicht mit geregelt wurde,13 ist nationales Recht nicht verdrängt;14 dem Gläubiger stehen also die nach nationalem Recht bestimmten Rechtsbehelfe offen. Dies widerspricht auch nicht dem Ziel, die Vollstreckbarkeit beschleunigt herzustellen. Soweit die Bestätigung als EuVollstrTitel abgelehnt wird, kann mit einem Rechtsbehelf keine Verzögerung der Vollstreckung eintreten. Mittels einer Überprüfung kann bei ungerechtfertigter Ablehnung sogar dem Ziel schnellerer Vollstreckbarkeit noch gedient werden. 6. Erneute Antragstellung
11
Dem Gläubiger bleibt es unbenommen, nach Ablehnung seines Antrags erneut Antrag auf Bestätigung als EuVollstrTitel zu stellen (vgl. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EG-VollstrTitelVO: „jederzeit“). Jedoch kann das nationale Recht wiederholte Anträge einschränken, denn die VO unterbindet Präklusionswirkungen im nationalen Recht nicht.
III. Verfahren in Deutschland 1. Zuständigkeit 12
In Deutschland sind nach § 1079 ZPO für die Bestätigung gerichtlicher Entscheidungen die Gerichte zuständig, denen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels obliegt. Dies ist nach § 724 Abs. 2 ZPO das Gericht des ersten Rechtszuges, solange jedoch der Rechtsstreit bei einem höheren Gericht anhängig ist, dieses Gericht. Ist die Anhängigkeit dort beendet, ist wieder das erstinstanzliche Gericht zuständig. Diese Zuständigkeit ist sachgerecht, die Bestätigung als EuVollstrTitel entspricht inhaltlich der Erteilung der Vollstreckungsklausel. Bestand und Vollstreckbarkeit des Titels werden durch die Bestätigung dokumentiert.15 Allerdings ist nicht der in § 724 Abs. 2 ZPO vorgesehene Urkundsbeamte der Geschäftsstelle funktional zuständig,16 sondern der Rechtspfleger, § 20 10 BT-Drucks. 15/5222, 13 (zu § 1080 ZPO-E); Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1080 ZPO Rz. 2; Zöller/Geimer, § 1080 ZPO Rz. 2; Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 15. 11 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 4. 12 Stein, IPRax 2004, 181, 190. 13 Im Rechtssetzungsverfahren wurden durchaus Rechtsbehelfe in den Entwurfstext eingefügt, anschließend aber wieder entfernt, vgl. dazu bei Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rz. 7. 14 Kropholler/von Hein, Rz. 7; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 170; Stein, IPRax 2004, 190; Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 6 (Abänderung 16). 15 BT-Drucks. 15/5222, 13 (zu § 1079 ZPO-E); Kropholler/von Hein, Rz. 3; Zöller/Geimer, § 1079 ZPO Rz. 8; Mes/Schütze, Beck’sches Prozessformularbuch14 (2019) Kap. I U 15 Anm. 6. 16 Dies wäre jedenfalls hinsichtlich der eine gerichtliche Prüfung erforderlichen eigentlichen Bestätigung unzulässig, EuGH v. 17.12.2015 – C-300/14, ECLI:EU:C:2015:825 – Imtech Marine Belgium vs. Radio Hellenic Rz. 45 ff., EuZW 2016, 235, 237.
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Art. 9 EG-VollstrTitelVO
Nr. 11 RPflG.17 Nur ihm wird zugetraut, die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Mindeststandards zu prüfen.18 Bei der durchzuführenden Prüfung ist besondere Sorgfalt geboten, denn aus einem erteilten EuVollstrTitel kann bei allen mitgliedstaatlichen Vollstreckungsbehörden ohne jede weitere Prüfung direkt die Vollstreckung verlangt werden.19 Im Einzelfall kann es dennoch zur Entscheidung des Richters kommen. Die Möglichkeit der Vorlage an den Richter (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 RPflG)20 bzw. der Bearbeitung durch den Richter (§ 6 RPflG) wird ausweislich der Materialien zum EG-VollstrTitelDG unberührt gelassen.21 Aufgrund der funktionellen Zuständigkeit des Rechtspflegers besteht im Bestätigungsverfahren unabhängig vom sachlich zuständigen Gericht kein Anwaltszwang (§ 13 RPflG).22 Eine Vertretung durch den Anwalt ist jedoch möglich. Dabei wirkt eine für das Erkenntnisverfahren erteilte Prozessvollmacht bei beiden beteiligten Parteien fort; das Bestätigungsverfahren ist als Fortsetzung des Erkenntnisverfahrens zu betrachten.23
13
Nicht genutzt wurde die von der VO – entgegen früheren Entwürfen – eröffnete Möglichkeit einer 14 Konzentration des Bestätigungsverfahrens bei einem höheren Instanzgericht. Hierdurch hätte man der Besorgnis begegnen können, die Überprüfungsfunktion des Bestätigungsverfahrens könne leiden. Da Gegenstand der Bestätigung nicht die Ordnungsgemäßheit des Verfahrens nach dem nationalen Recht ist, sondern die Wahrung der in der VO autonom aufgestellten Voraussetzungen, insbesondere der Mindeststandards in Kapitel III,24 unterscheidet sich das Bestätigungsverfahren elementar von einer bloßen Klauselerteilung. Daher ist eine Vertrautheit mit dem Fall, welche nach Meinung der Kommission das Ursprungsgericht für die Bestätigung besonders qualifiziert,25 einer objektiven Prüfung dieser Standards eher abträglich. Die Verlagerung auf den Rechtspfleger will dieser Problematik zwar Rechnung tragen, räumt aber Risiken aufgrund interner Loyalitäten im Ursprungsgericht nicht aus. Bei Bestätigung eines Vollstreckungsbescheides haben sogar Ausstellung des Bescheides und Bestätigung durch den Rechtspfleger zu erfolgen. 2. Verfahren a) Keine Anhörung des Schuldners Die Bestätigung erfolgt ohne Anhörung des Schuldners (§ 1080 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Er kann im Bestätigungsverfahren keine Einwendungen vorbringen, weshalb eine Kenntnis des Schuldners vom Bestätigungsverfahren nicht erforderlich erschien. Dem Anspruch auf rechtliches Gehör soll in dem Verfahren, welches zur Entscheidung führte, genüge getan sein.26 Dies dient dem Beschleunigungs-
17 Eingefügt durch Art. 2 Abs. 1 EG-VollstrTitelDG; Bittmann, S. 95 ff. hat Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zuständigkeit des Rechtspflegers; als Argument gegen eine zulässige Zuweisung an den Rechtspfleger kann EuGH v. 17.12.2015 – C-300/14, ECLI:EU:C:2015:825 – Imtech Marine Belgium vs. Radio Hellenic Rz. 43 ff., EuZW 2016, 235, 236 nicht dienen, die Abrenzung Richter zu Rechtsfleger war nicht Gegenstand der Entscheidung. 18 BT-Drucks. 15/5222, 16 (zu Art. 2 Abs. 1); Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 459; daran zweifelnd und für eine Zuweisung an den Richter votierend Hüßtege in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 113, 135; Reichel, NZA 2005, 1096, 1098. 19 Strasser, Rpfleger 2008, 547, 548. 20 Eine Vorlage nach § 5 Abs. 2 RPflG kommt nicht in Betracht, da unmittelbar anwendbare EG-Verordnungen nicht als ausländisches Recht i.S.d. Norm anzusehen sind, Bassenge/Roth/Roth, FamFG/RPflG12 (2009) § 5 RPflG Rz. 7. 21 BT-Drucks. 15/5222, 16 (zu Art. 2 Abs. 1); Wagner, IPRax 2005, 401, 403. 22 Einer § 6 Abs. 3 AVAG vergleichbaren Vorschrift bedurfte es daher nicht; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 78; Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 10; a.A. Musielak/Voit/Lackmann, § 1080 ZPO Rz. 2, der Anwaltszwang bejaht, soweit nicht die AG zuständig sind. 23 Mes/Schütze, Beck’sches Prozessformularbuch14 (2019) Kap. I U 15 Anm. 7. 24 Darauf weist Stein, IPRax 2004, 181, 189 zutreffend hin. 25 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 7 (Art. 5). 26 A.A. Gebauer, FPR 2006, 252, die annimmt, dass die Wahrung des rechtlichen Gehörs des Schuldners durch das die Bestätigung ausstellende Gericht geleistet wird. Dies ist jedoch bei einer Nicht-Beteiligung des Schuldners am Bestätigungsverfahren schlicht unmöglich.
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Art. 9 EG-VollstrTitelVO Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel interesse des Gläubigers.27 Diese Verfahrensweise entspricht dem Verfahren der Erteilung der Vollstreckungsklausel, mit dem, was die Betroffenheit des Schuldners angeht, die Bestätigung als EuVollstrTitel durchaus verglichen werden kann.28 16
Im nachgelagerten Rechtsbehelfsverfahren erlangt der Schuldner zwar wieder rechtliches Gehör.29 Allerdings ist das Rechtsbehelfsverfahren sehr eingeschränkt, es finden lediglich Berichtigung und Widerruf bei eindeutig zu Unrecht erteilter Bestätigung statt (Art. 10 EG-VollstrTitelVO). Insoweit sind die Rechtsbehelfe des Schuldners gegenüber dem innerstaatlichen deutschen Recht im Klauselerteilungsverfahren (§ 732 ZPO) erheblich eingeschränkt. Zu den Rechtsbehelfen gegen die Bestätigung als EuVollstrTitel im Übrigen s. Art. 10 EG-VollstrTitelVO. b) Zustellung an den Schuldner
17
In Deutschland ist dem Schuldner eine Ausfertigung der Bestätigung als EuVollstrTitel von Amts wegen zuzustellen (§ 1080 Abs. 1 S. 2 ZPO). Dies ist auch mit der VO und ihren Zielen vereinbar.30 Jedenfalls für Bestätigungen, die in Deutschland ausgestellt werden, wird so eine Lücke geschlossen, die die Verordnung offen ließ: Der Schuldner erlangt durch die Zustellung der Bestätigung von dieser Kenntnis und wird in die Lage versetzt, die bestehenden – wenn auch stark eingeschränkten – Rechtsschutzmöglichkeiten (Berichtigung und Widerruf nach Art. 10 EG-VollstrTitelVO, Individualbeschwerde zum EGMR) zu ergreifen, aufgrund derer ihm erst eine Beschränkung bzw. Aussetzung der Vollstreckung gewährt wird (Art. 23 EG-VollstrTitelVO). § 1080 Abs. 1 S. 2 ZPO kann aufgrund dieses weitergehenden Zwecks nicht teleologisch und unter Bezugnahme auf das deutsche System der Zustellungserfordernisse in der Zwangsvollstreckung nach § 750 ZPO dahingehend ausgelegt werden, dass eine Zustellung nicht bereits im Anschluss an die Bestätigung, sondern erst spätestens mit Beginn der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgen müsse.31 Die Zustellung ist zudem bewusst als Teil des Bestätigungsverfahrens und nicht als Teil der Zwangsvollstreckung ausgestaltet. Zweitere findet bei einem in Deutschland ausgestellten EuVollstrTitel in einem anderen Mitgliedstaat der EU statt, das deutsche Zustellungserfordernis aus § 1080 Abs. 1 S. 2 ZPO kann daher als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Vollstreckung keine Bedeutung haben.32 Es handelt sich um eine dem Schuldnerschutz dienende Verpflichtung der bestätigenden Stelle, die im weiteren Verfahren jedoch sanktionslos33 ist.
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Diese Zustellung erfolgt im Inland nach den nationalen Zustellungsvorschriften, in Deutschland also nach den §§ 166 ff. ZPO.
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Ist eine grenzüberschreitende Zustellung erforderlich, so unterliegt diese der EG-ZustVO bei Zustellung in einen anderen Mitgliedstaat. Dabei ist auch die Sprachenregelung des Art. 8 EG-ZustVO 2007/Art 12 EU-ZustVO 2020 zu beachten. Dem Schuldner ist die Bestätigung danach in einer Sprache, die er versteht, oder in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats zuzustellen. Gegebenenfalls ist daher eine Übersetzung beizufügen.34
27 Nach BT-Drucks. 15/5222, 13 (zu § 1080 ZPO-E) widerspräche es dem Zweck der VO, eine Anhörung des Schuldners zu der Ausstellung der vom Gläubiger beantragten Bestätigung zuzulassen; ebenso Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1080 ZPO Rz. 1; Zöller/Geimer, § 1080 ZPO Rz. 1. 28 BT-Drucks. 15/5222, 13 (zu § 1080 ZPO-E); Yessiou-Faltsi in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 213, 232 vergleicht das Konzept des EuVollstrTitels mit den verschiedenen nationalen Systemen. 29 Kropholler/von Hein, Rz. 5. 30 Vgl. Bittmann, IPRax 2008, 445, 446 f. 31 So Strasser, Rpfleger 2007, 249, 250 f.; dem folgend Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1080 ZPO Rz. 2. 32 Dies übersieht Strasser, Rpfleger 2007, 249, 251 Fn. 27 wenn er auf eine Vollstreckung nach gleichen Bedingungen für nationale und europäische Titel verweist. Der in einem Mitgliedstaat bestätigte EuVollstrTitel ist nicht in diesem Staat zu gleichen Bedingungen zu vollstrecken, sondern in den anderen Mitgliedstaaten zu gleichen Bedingungen wie dortige nationale Titel. Der gesamten Verordnung liegt inzident die Annahme zugrunde, dass Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat verschieden sind. 33 So auch Gutachten des DNotI, DNotI-Report 2007, 121, 123. 34 A.A. Reichel, NZA 2005, 1096, 1099, der es als Sache des Schuldners ansieht, sich bei evtl bestehenden Sprachproblemen eine Übersetzung zu besorgen.
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Art. 9 EG-VollstrTitelVO
Bei Zustellung in einen Drittstaat sind die bilateralen und multilateralen Regelungen zu wahren, insbesondere das HZÜ.
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c) Zurückweisung des Antrags auf Bestätigung (1) Verweis in § 1080 ZPO § 1080 Abs. 2 ZPO sieht für den Fall der Abweisung des Antrages auf Bestätigung als EuVollstrTitel die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Anfechtung der Entscheidung über die Erteilung einer Vollstreckungsklausel vor.
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(2) Sofortige Beschwerde In erster Linie ist dies die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG.35 Sie ist binnen einer Notfrist von 2 Wochen durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder (wenn es sich nicht um einen Anwaltsprozess handelt) zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Ausgangsgericht einzulegen (§ 569 ZPO).
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(3) Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel In Fällen einer Entscheidung, deren Vollstreckung vom Eintritt einer Bedingung abhängt, steht dem Gläubiger die Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel (§ 731 ZPO) entsprechend zur Verfügung.
23
(4) Bestätigung gegen Rechtsnachfolger Hingegen steht die Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht zur Verfügung, wenn der 24 Gläubiger gegen Rechtsnachfolger (§§ 727 bis 729 ZPO) vorgehen will, da in solchen Fällen eine Bestätigung als EuVollstrTitel gegen Rechtsnachfolger oder Vermögensübernehmende in der VO nicht vorgesehen ist. Die Ausdehnungen der Klauselerteilung auf Dritte im nationalen deutschen Zivilprozessrecht können nicht auf die Bestätigung als EuVollstrTitel übertragen werden,36 soweit die VO dafür keine Grundlage bietet. d) Erneuter Antrag auf Bestätigung Von der zulässigen Möglichkeit der Präklusion eines erneuten Antrags nach Ablehnung der Bestätigung als EuVollstrTitel (s. Rz. 11) wurde in Deutschland bisher kein Gebrauch gemacht.37
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e) Kosten und Gebühren Gemäß § 22 Abs. 3 GKG schuldet der Antragsteller, mithin der Gläubiger, die Gerichtskosten für die Ausstellung einer Bestätigung als EuVollstrTitel. Die Gebühr beträgt streitwertunabhängig 22 t (Nr. 1513 GKG-KV). Zu den Kosten bei einem Berichtigungs- oder Widerrufsantrag s. Art. 10 EGVollstrTitelVO Rz. 31 ff. Im Beschwerdeverfahren wegen der Verweigerung der Bestätigung fällt bei Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde eine Festgebühr von 66 t an (Nr. 1523 GKG-KV); Kostenschuldner ist auch hier der Antragsteller (§ 22 Abs. 3 GKG). Wird dem Rechtsmittel stattgegeben entstehen keine Kosten. 35 OLG Düsseldorf v. 17.3.2010 – 24 W 17/10, NJOZ 2011, 58; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 459; Leible/ Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 30; dagegen für Klauselerinnerung nach § 732 ZPO analog Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1080 ZPO Rz. 3, jedoch bezieht sich § 732 ZPO nach seinem Wortlaut lediglich auf Einwendungen des Schuldners, steht grundsätzlich also nicht dem Gläubiger zur Verfügung. 36 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 3; a.A. Zöller/Geimer, § 1080 ZPO Rz. 5; Wieczoreck/Schütze/Schütze, (2013) § 1082 ZPO Rz. 4, der den EuVollstrTitel mit einer deutschen Vollstreckungsklausel für oder gegen eine andere als die dort benannte Person versehen will. 37 Zöller/Geimer, § 1079 ZPO Rz. 12.
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Besondere Rechtsanwaltsgebühren entstehen bei der Ausstellung der Bestätigung grundsätzlich nicht. Das Bestätigungsverfahren – einschließlich eines möglichen Berichtigungs- oder Widerrufsantrags – ist Teil des Rechtzuges (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9a lit. a RVG).38 Soweit bereits das Ursprungsverfahren durchgeführt wurde, ist es hierzu zu zählen. Erfolgt die Beauftragung allein für die Durchführung der Zwangsvollstreckung, ist es Teil des Vollstreckungsverfahrens.39 Wird vom Rechtsanwalt allein das Bestätigungsverfahren durchgeführt, so erhält er 0,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3309 RVG-VV) und ggf. 0,3 Terminsgebühr (Nr. 3310 RVG-VV) für seine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung.40 In einem Beschwerdeverfahren erhält der Rechtsanwalt 0,5 Verfahrensgebühr (Nr. 3500 RVG-VV) und ggf. 0,5 Terminsgebühr (Nr. 3513 RVG-VV).
IV. Verfahren in Österreich 1. Zuständigkeit 28
In Österreich ist für die Bestätigung gerichtlicher Entscheidungen (Exekutionstitel nach § 1 Ziff. 1–9 österrEO) das erstinstanzliche Gericht zuständig (§ 7a Abs. 1 österrEO). Das Bestätigungsverfahren wird so bei den erstinstanzlichen Gerichten konzentriert, auch wenn der Titel von einem höherinstanzlichen Gericht stammt.41 Funktional zuständig ist gem. § 16 Abs. 1 Ziff. 7 österrRPflG grundsätzlich der Rechtspfleger. Sollte die Sache ausnahmsweise (z.B. gem. § 16 Abs. 2 Ziff. 6 österrRPflG, da ausländisches Recht anzuwenden ist) dem Richter vorbehalten sein, so entscheidet beim Gerichtshof erster Instanz der Einzelrichter (§ 7a Abs. 2 JN analog). Zwar ist das Bestätigungsverfahren dort nicht explizit genannt, jedoch wird dieses als dem benannten Vollstreckbarerklärungsverfahren vergleichbar angesehen.42 2. Verfahren a) Keine Anhörung des Schuldners
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Das Verfahren wird einseitig durchgeführt, eine Anhörung des Schuldners erfolgt nicht.43 b) Zustellung an den Schuldner
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Zwar erachtet es die österreichische Literatur als einen Ausdruck kultivierter Rechtstaatlichkeit dem Schuldner eine Ausfertigung des EuVollstrTitel im Bestätigungsverfahren zuzustellen.44 Der österreichische Gesetzgeber hat eine derartige Verpflichtung jedoch nicht vorgesehen. In Österreich erfolgt daher keine Zustellung der Bestätigung an den Schuldner.45 Da der Schuldner weder im Bestätigungsverfahren beteiligt wird, noch im Anschluss Kenntnis davon erlangt, wird teilweise zumindest die Zulassung von „Schutzschriften“ verlangt.46
38 NK-ZPO/Saenger, § 1079 Rz. 6; Mes/Schütze, Beck’sches Prozessformularbuch14 (2019), Kap. I U 15 Anm. 14; Finger, FuR 2006, 56, 65. 39 Luckey, ZGS 2005, 420, 424. 40 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, § 1080 ZPO Rz. 8. 41 Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 186. 42 Angst/Oberhammer/Jakusch, EO3 (2015) § 7a EO Rz. 6. 43 Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 14. 44 Fasching/Rechberger, Vor Art. 1 Rz. 6; Oberhammer, JBl 2006, 477, 490; die Reform des nationalen Rechts verlangt auch König in König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich (2007) 113, 120. 45 OGH v. 22.2.2007 – 3 Ob 253/06m, ECLI:AT:OGH0002:2007:0030OB00253.06M.0222.000, IPRax 2008, 440, 442; Angst/Oberhammer/Jakusch, EO3 (2015) § 7a EO Rz. 8; a.A. aus Schuldnerschutzgesichtspunkten Fasching/Rechberger, Rz. 2; Angst/Oberhammer/Garber, EO3 (2015) Vor § 79 EO Rz. 264. 46 König in König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich (2007) S. 113, 120 f.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 10 EG-VollstrTitelVO
c) Zurückweisung des Antrags auf Bestätigung Dem Gläubiger steht die Möglichkeit des Rekurses gegen die Abweisung des Antrages auf Ausstellung der Bestätigung zu.47
31
d) Erneuter Antrag auf Bestätigung Von der zulässigen Möglichkeit der Präklusion eines erneuten Antrags nach Ablehnung der Bestätigung als EuVollstrTitel (s. Rz. 11) wurde in Österreich bisher kein Gebrauch gemacht. Der Gläubiger kann jederzeit einen erneuten Antrag stellen.48
32
e) Kosten Gerichtskosten für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel werden in Österreich nicht vorgesehen.49
Artikel 10 Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel (1) Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel wird auf Antrag an das Ursprungsgericht a) berichtigt, wenn die Entscheidung und die Bestätigung aufgrund eines materiellen Fehlers voneinander abweichen; b) widerrufen, wenn sie hinsichtlich der in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen eindeutig zu Unrecht erteilt wurde. (2) Für die Berichtigung oder den Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ist das Recht des Ursprungsmitgliedstaats maßgebend. (3) Die Berichtigung oder der Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel können unter Verwendung des Formblatts in Anhang VI beantragt werden. (4) Gegen die Ausstellung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ist kein Rechtsbehelf möglich. I. Regelungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . 1. Einschränkung der Rechtsbehelfe gegen die Erteilung der Bestätigung . . . . . . . . 2. Rechtsbehelfe im Ausgangsverfahren . . . .
1
II. Normgeschichte, Kritik . . . . . . . . 1. Standpunkt der Kommission: Keine rechtliche Überprüfung . . . . . . . . 2. EU-Parlament: Verweis auf nationale Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . 3. Überbeschleunigung . . . . . . . . . . 4. Lediglich Zustellung des Antrages an Schuldner? . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Berichtigung und Widerruf der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . .
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III. Berichtigung nach Abs. 1 lit. a . . . . . . .
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IV. Widerruf nach Abs. 1 lit. b . . . . . . . . . V. Berichtigungs- und Widerrufsverfahren nach der VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Antragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht des Ursprungsmitgliedstaates (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Antrag auf Formblatt (Abs. 3) . . . . . . . 4. Einstweiliger Rechtschutz . . . . . . . . . . VI. Verfahren in Deutschland . . . . . . . . . 1. Entscheidungszuständigkeit . . . . . . . . . 2. Anforderungen an den Antrag auf Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 18 18 19 21 22 23 23 25
47 Ausführlich Fasching/Rechberger, Rz. 3 f.; auch Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 18; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 188; Angst/Oberhammer/Jakusch, EO3 (2015) § 7a EO Rz. 13; Pichler, GPR 2008, 99, 100. 48 Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 19. 49 Mohr, ecolex 2005, 601, 604.
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Art. 10 EG-VollstrTitelVO
Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung als EuVollstrTitel
3. Anforderungen an den Antrag auf Berichtigung . . . . . . . . . . . . . 4. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . 6. Kosten und Gebühren . . . . . . .
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VII. Verfahren in Österreich . . . . . . . . . . .
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1. Entscheidungszuständigkeit . . . . . . . . . 2. Zustellung der Berichtigungs- oder Widerrufsentscheidung . . . . . . . . . . . VIII. Mitteilungen der Mitgliedstaaten . . . . .
33 34 36a
IX. Individualbeschwerde zum EGMR . . . .
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I. Regelungsstruktur 1. Einschränkung der Rechtsbehelfe gegen die Erteilung der Bestätigung 1
Art. 10 EG-VollstrTitelVO regelt den Rechtsschutz des Schuldners gegen die Bestätigung als EuVollstrTitel abschließend. Ihm stehen lediglich die Berichtigung und der Widerruf bei eindeutig zu Unrecht erteilter Bestätigung zur Verfügung.
2
Abs. 4 unterbindet jeden über Abs. 1 hinausgehenden Rechtsschutz. Insbesondere alle nationalen Rechtsbehelfe des Ursprungsmitgliedstaates werden von Art. 10 Abs. 4 EG-VollstrTitelVO verdrängt. Zwar versagt der Wortlaut jeden Rechtsbehelf, nach der Systematik des gesamten Art. 10 EG-VollstrTitelVO kann dies jedoch nur für andere als die in Art. 10 EG-VollstrTitelVO vorgesehenen Rechtsbehelfe gelten; anderenfalls wäre die Regelung der Art. 10 Abs. 1 bis 3 EG-VollstrTitelVO überflüssig.1 Abgesehen von Abs. 1 ist die Bestätigung also auch im Ursprungsmitgliedstaat unanfechtbar; Fehler im Bestätigungsverfahren können nicht angegriffen werden. Dies soll dem Ziel der VO dienen, die Auslandsvollstreckung zu beschleunigen,2 indem Rechtsbehelfe des Schuldners auf das ursprüngliche Verfahren beschränkt werden. Damit ist freilich die Einhaltung der Bestätigungsvoraussetzungen nicht immer zu wahren: Insbesondere die Verletzung von Mindeststandards der Zustellung oder Belehrung kann nicht erfolgreich mit Rechtsbehelfen gegen die Ausgangsentscheidung angegriffen werden, wenn die innerstaatlichen Voraussetzungen gewahrt sind, diese aber den Mindeststandards nicht genügen.3 Dann bleiben nur die Möglichkeiten aus Abs. 1, welche, um ein Mindestmaß an Rechtsstaatlichkeit zu wahren, entsprechend weit auszulegen sind (dazu unten Rz. 11 ff.).
3
Rechtsbehelfe des Gläubigers gegen die Ablehnung des Antrags sind hingegen von Art. 10 EGVollstrTitelVO nicht betroffen (s. Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 9 f.). 2. Rechtsbehelfe im Ausgangsverfahren
4
Davon unberührt bleiben Rechtsbehelfe gegen die zu bestätigende Entscheidung selbst.4 Diese sind nach der jeweiligen nationalen Verfahrensordnung möglich. Es entspricht sogar dem Zweck des Art. 10 EG-VollstrTitelVO, Rechtsbehelfe auf dieses Verfahren zu konzentrieren. Werden durch einen solchen Rechtsbehelf die Vollstreckungswirkungen der ursprünglichen Entscheidung berührt, so hat der Schuldner die Möglichkeit, sich eine Bescheinigung nach Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO über die Nichtvollstreckbarkeit bzw. die Beschränkung der Vollstreckbarkeit ausstellen zu lassen.
1 So auch Kropholler/von Hein, Rz. 10; Stein, IPRax 2004, 181, 190. 2 ZT wird gar behauptet, bei Gewährung eines Rechtsbehelfs wäre der Beschleunigungszweck der VO nicht mehr gegeben, Pietsch, FF 2005, 180, 182; auch im Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 23.5.2003, 9728/03, 9 wird ein Rechtsbehelf mit der Begründung abgelehnt, dies käme einem Abweichen von dem gegebenen Auftrag gleich und gefährde die grundlegende politische Strategie. Können aber dies Gründe sein, rechtsstaatlichen Schutz einzuschränken? 3 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 36; Stadler, IPRax 2004, 2, 8; a.A. Hüßtege, FS Jayme (2004) 371, 383, der aber zugeben muss, dass das Gericht die Prüfung „verantwortungsvoll und umfassend“ vornehmen muss. Was geschieht, wenn dies im konkreten Fall einmal nicht erfolgt, verschweigt er auch. 4 Zöller/Geimer, § 1081 ZPO Rz. 2.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 10 EG-VollstrTitelVO
II. Normgeschichte, Kritik Die Regelung war im Verordnungsgebungsverfahren erheblich umstritten. Im Ergebnis ist Art. 10 EG-VollstrTitelVO ein Kompromiss, der auf kleinstem gemeinsamem Nenner die Verabschiedung ermöglichen sollte. Obgleich die Problematik des Schuldnerschutzes im Rechtsetzungsverfahren wahrgenommen wurde, kam eine letztlich unbefriedigende Lösung zu Lasten der Rechtsstaatlichkeit zustande.
5
1. Standpunkt der Kommission: Keine rechtliche Überprüfung Im ursprünglichen Kommissionsentwurf war nur die Regelung des Abs. 4 (Art. 8 VO-E) enthalten.5 Der Schuldner sollte sich also allein gegen die Entscheidung selbst wehren und sie so dem Anwendungsbereich der VO entziehen, anderenfalls sogar fehlerhafte Bestätigungen hinnehmen müssen. Nach Ansicht der Kommission sollte das gegenseitige Vertrauen in die ordnungsgemäße Rechtspflege und die sorgfältige Prüfung der Bestätigungsvoraussetzungen dies rechtfertigen, in bestimmten Fallkonstellationen ggf. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand helfen.6 Dass diese Argumentation fehlgeht, zeigt sich schon daran, dass selbst innerstaatlich das Vertrauen in Sorgfalt – das man jedem Richter entgegenbringen sollte – Rechtsbehelfe nicht unnötig macht. Vertrauen ersetzt nicht den Mechanismus der Fehlerkorrektur, sondern setzt einen solchen Mechanismus gerade voraus. Ein Staat, der nicht überprüft, ist kein Rechtsstaat und verdient kein Vertrauen.
6
2. EU-Parlament: Verweis auf nationale Rechtsbehelfe Das Europäische Parlament forderte daher eine Ergänzung des ursprünglichen Verordnungsvorschlages dahingehend, dass sowohl dem Schuldner als auch dem Gläubiger Rechtsbehelfe nach Maßgabe der lex fori gegen die Bestätigung als EuVollstrTitel im Ursprungsmitgliedstaat offenstehen sollten. Hierzu sollte dem Schuldner der Antrag auf Bestätigung als EuVollstrTitel zugestellt werden.7 Dies hätte wohl die einfachste Lösung zur Wahrung der Rechtsschutzinteressen bedeutet und überdies die Ähnlichkeit der Bestätigung mit der Klauselerteilung mit inländischer Wirkung betont. Dem europäischen Gedanken entspräche freilich eine autonome Regelung von Rechtsbehelfen besser.
7
3. Überbeschleunigung Das gegen den Vorschlag des Parlaments erhobene zentrale Argument der Kommission, „die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs würde zu beträchtlichen Verzögerungen führen“,8 offenbart eine Tendenz zur isolierten Betrachtung des europäischen Verfahrens und zur Überbeschleunigung mit dem Ziel einer effizienten Abgrenzung gegenüber dem Exequaturverfahren nach der Brüssel I-VO.9 Der Zweck, die Vollstreckung eines Titels in anderen Mitgliedstaaten ebenso effizient zu gestalten wie im Ursprungsmitgliedstaat, rechtfertigt in keiner Weise, Rechtsschutzmöglichkeiten abzuschneiden, die dort im internen Vollstreckungswesen bestehen. Sollte es freilich zutreffen, wie die Kommission befürchtet, dass der Ablauf des nationalen Vollstreckungsverfahrens ebenso viel Zeit beansprucht wie das (mit Rechtsschutz versehene) Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nach der Brüssel IVO, so wäre ein EuVollstrTitel schlicht überflüssig. Das Verfahren aber um jeden Preis zu verkürzen,
5 Europäische Kommission, 18.4.2003, COM (2002) 159, 9 f., 24 (Art. 8); wie notwendig aber eine Korrekturmöglichkeit ist, zeigte schon sehr zeitig Coester-Waltjen, FS Beys (2003) 183, 187 auf: Wie ist eine Bescheinigung zu behandeln, bei der angekreuzte Punkte ganz deutlich zeigen, dass die Voraussetzungen eines EuVollstrTitels nicht gegeben sind, wenn keinerlei Rechtsmittel vorgesehen werden? 6 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 10. 7 Wuermeling, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Europäisches Parlament, 26.3.2003, A5-0108/2003, 8 f. (Änderungsanträge 7 und 8). 8 Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 4; sehr kritisch zur Aufgabe von Beklagtenrechten zugunsten von Beschleunigungseffekten auch Stadler, IPRax 2004, 2, 10. 9 Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 4.
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Art. 10 EG-VollstrTitelVO
Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung als EuVollstrTitel
damit das beschlossene Projekt einen Sinn hat, ist nicht nur schierer Aktionismus, sondern opfert gebotene Rechtsbehelfe dem politischen Ziel.10 4. Lediglich Zustellung des Antrages an Schuldner? 9
Die Europäische Kommission stieg von ihrem Sockel soweit hinab, es klingt fast wie ein Barmherzigkeitsakt gegenüber den Bedenkenträgern, dass sie vom Europäischen Parlament den Vorschlag, den Antrag des Gläubigers auf Bestätigung als EuVollstrTitel dem Schuldner zuzustellen, in den geänderten Vorschlag für eine VO übernahm. Dann hätte der Schuldner zumindest die Möglichkeit, dem Gericht seinen Standpunkt im Hinblick auf die Erfüllung der Voraussetzungen für die Bestätigung darzulegen, bevor es über den Antrag entscheidet.11 5. Berichtigung und Widerruf der Entscheidung
10
Im Rat war die Position der Kommission auch in der leicht modifizierten Haltung, dem Schuldner wenigstens die Bestätigung zuzustellen, um eine Gegenvorstellung zu ermöglichen (Art. 6a VO-E),12 zwar einerseits nicht konsensfähig.13 Andererseits sollte am Ausschluss von Rechtsbehelfen grundsätzlich festgehalten werden. Dies führte schließlich zu den nun geschaffenen autonomen, jedoch stark eingeschränkten Rechtschutzmöglichkeiten des Abs. 1.14 Deutlich zeigt sich in verschiedenen Ratsdokumenten, dass einerseits die Kraft nicht bestand, vom Postulat der Nichtzulässigkeit von Rechtsbehelfen abzurücken, andererseits aber rechtsstaatliche Bedenken gesehen wurden, die man mit einer weiten Auslegung des Berichtigungsbegriffs unter Einbeziehung materieller Unrichtigkeit ausräumen wollte,15 was gleichwohl strittig blieb.16 Dies stellt die Praxis letztlich vor das Problem, darüber zu befinden, bei welcher Art von besonders krassen Verstößen der Schuldner nach Abs. 1 die Möglichkeit hat, den EuVollstrTitel berichtigen oder widerrufen zu lassen.17
III. Berichtigung nach Abs. 1 lit. a 11
Der Rechtsbehelf der Berichtigung betrifft die Fälle, in denen die gerichtliche Entscheidung und die Bestätigung voneinander abweichen. Unklar bleibt, was der Wortlaut mit der Einschränkung „aufgrund eines materiellen Fehlers“ meint. Dies erschließt sich insbesondere dem Antragsteller auch nicht aus dem ihm zur Verfügung gestellten Formblatt in Anhang VI, das unter Ziff. 5 keine Regelbeispiele nennt, sondern eine Beschreibung im Klartext verlangt.
12
Wegen der eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten im Bestätigungsverfahren sowie mit Rücksicht auf das Normgebungsverfahren, das eine gewisse Tendenz zur Ausdehnung der Bestimmung im Interesse der rechtsstaatlichen Handhabung nahelegt, sind die Tatbestände des Art. 10 EG-VollstrTitelVO weit auszulegen.18 Dies gilt umso mehr, als in der Zwangsvollstreckung aufgrund eines EuVollstrTitels unter Umständen den Vollstreckungsorganen nicht einmal eine ihnen verständliche Sprachfassung des Titels vorliegt, denn Art. 20 Abs. 2 lit. c EG-VollstrTitelVO verlangt nur eine Transkription oder Übersetzung der Bestätigung. Die Vollstreckung erfolgt daher allein aufgrund der An-
10 11 12 13 14 15
Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 36. Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 5. Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 5, 14 (Art. 6a). Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 23.5.2003, 9728/03, 6 f. Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 20.12.2002, 15783/02, 6 (Art. 8, Fn. 1). Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 13.6.2002, 10427/03, 6; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 17.10.2002, 13334/02, 7 (Fn. 2, 3). 16 Rat der EU, Vermerk der österreichischen Delegation, 4.9.2003, 12222/03, 2 f.; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 6.11.2003, 14172/03, 12 f. (Art. 8 ff.); Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 18.11.2003, 14746/03, 4. 17 Stein, EuZW 2004, 679, 681 behauptet, das Widerrufsverfahren gewährleiste Schuldnerschutz im Bestätigungsverfahren vollumfänglich; Kropholler/von Hein, Rz. 10 bemerkt sehr europafreundlich, Abs. 1 zeige, dass der Schuldner „bei Rechtsanwendungsfehlern nicht absolut schutzlos ausgeliefert ist“. 18 Ebenso Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 10 EG-VollstrTitelVO
gaben in der Bestätigung, so dass Abweichungen der Bestätigung vom Titel in weitem Maß der Berichtigung zugänglich sein müssen. Daher ist jede Diskrepanz zwischen Entscheidung und Bestätigung nach Abs. 1 lit. a der Berichtigung zugänglich. Die Materialien sprechen insbesondere von „inhaltlichen Fehlern“ und Schreibfehlern.19 Jedoch sind Fehler aufgrund falscher Übertragung der Entscheidung in die Bestätigung in vollem Umfang von dem Rechtsbehelf erfasst.20 Dies betrifft alle Angaben im Formblatt Anhang I Ziff. 2 bis 6. Hierzu gehören insbesondere fehlende und fehlerhafte Angaben zur Höhe der Forderung, zu ihrer Fälligkeit und ggf. sonstigen Beschränkungen.
13
Hingegen handelt es sich bei den Angaben ab Ziff. 7 des Formblatts Anhang I nicht mehr um aus 14 der Entscheidung zu übernehmende Informationen. Insoweit kann das Tatbestandsmerkmal des Abweichens der Bestätigung von der Entscheidung nicht erfüllt sein. Die Angaben zu diesen Ziffern betreffen rechtliche Würdigungen (z.B. Rechtsmittelfähigkeit) sowie Voraussetzungen, welche im Bestätigungsverfahren zu prüfen sind (z.B. die Kriterien nach Art. 3 EG-VollstrTitelVO); sie können nicht im Berichtigungsverfahren korrigiert werden;21 grobe Fehler in diesem Bereich führen jedoch ggf. zum Widerruf.
IV. Widerruf nach Abs. 1 lit. b Die Bestätigung ist auf Antrag zu widerrufen, wenn sie „eindeutig zu Unrecht“ ausgestellt wurde. Die Einschränkung der Eindeutigkeit deutet auf eine enge Auslegung hin. Dies würde sich in das Bestreben der Kommission und partiell des Rates einfügen, die Rechtsschutzmöglichkeiten des Schuldners möglichst weit zu beschneiden. Da es sich andererseits um den einzigen die Rechtmäßigkeit der Bestätigung betreffenden Rechtsbehelf des Schuldners handelt und versucht werden muss, das Verfahren rechtsstaatlich zu halten, sind die Voraussetzungen des Widerrufs weit auszulegen und so das Kriterium der Eindeutigkeit zurückzudrängen.22
15
Die Bestätigung ist nicht nur dann zu widerrufen, wenn sich das Fehlen einer Voraussetzung ohne weiteres aus der Bestätigung selbst ergibt. Vielmehr kann das Kriterium der Eindeutigkeit nur bedeuten, dass der Widerruf erst zu erfolgen hat, wenn das Fehlen der Bestätigungsvoraussetzung zweifelsfrei festgestellt werden kann.23 Der Schuldner trägt also die Darlegungs- und Beweislast für einen Mangel. Bleibt zweifelhaft, ob die Bestätigungsvoraussetzungen gegeben waren, so ist der Antrag auf Widerruf erfolglos.24
16
Die Bestätigung ist eindeutig zu Unrecht ausgestellt, wenn eine der Bestätigungsvoraussetzungen 17 nicht vorlag.25 Dies ist insbesondere der Fall, wenn zu beachtende Mindesterfordernisse der Art. 13–17 EG-VollstrTitelVO nicht gegeben sind. Der Widerruf ist sodann auch nicht rechtsmissbräuchlich; die Mindestvorschriften sind der Disposition der Parteien entzogen und können auch nach Treu und Glauben nicht als unbeachtlich angesehen werden.26 Die Ablehnung des Widerrufes mit der Begründung, die Bestätigung sei nicht eindeutig zu Unrecht erteilt, ist in solchen Fällen kaum vorstellbar;27 dies würde die rechtsstaatswidrige Kategorie der „ein wenig unrechtmäßigen Bestätigung“ schaffen, die der Schuldner gleichwohl um des europäischen Gedankens willen zu dulden hat. 19 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 3. 20 So auch Kropholler/von Hein, Rz. 4; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 2; Stein, IPRax 2004, 181, 190; Brenn, EuZP Rz. 162. 21 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 165. 22 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 168 f.; Kropholler/von Hein, Rz. 7; Fasching/Rechberger, Rz. 3; Oberhammer, JBl 2006, 477, 492; Wagner, IPRax 2005, 189, 197 verweist darauf, dass erst der EuGH wird klarstellen können, in welchem Umfang dem Wort „eindeutig“ einschränkende Bedeutung zukommen kann. 23 Noch weitergehend sieht Wieczoreck/Schütze/Schütze, (2013) § 1081 ZPO Rz. 4 das Merkmal „eindeutig“ als völlige Leerformel. 24 Kropholler/von Hein, Rz. 7; a.A. wohl Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 3. 25 Kropholler/von Hein, Rz. 6; Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1081 ZPO Rz. 2; Stein, EuZW 2004, 679, 681; Coester-Waltjen, JURA 2005, 394, 396. 26 BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, NJW 2012, 858; Bittmann, IPRax 2012, 62, 66. 27 Kropholler/von Hein, Rz. 7; Stein, IPRax 2004, 181, 190 Fn. 65.
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Art. 10 EG-VollstrTitelVO
Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung als EuVollstrTitel
Der Widerruf ist insbesondere auszusprechen, wenn der Anwendungsbereich der VO nach Art. 2 EG-VollstrTitelVO nicht eröffnet war, wenn die Forderung vom Schuldner bestritten wurde, die Entscheidung unter Verletzung der nach Art. 6 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO zu beachtenden Zuständigkeitsregeln ergangen ist oder einer der Mindeststandards nicht erfüllt wurde.28 Mit dieser Reichweite wäre der Rechtsbehelf des Widerrufs, abgesehen von der noch anzusprechenden instanziellen Problematik, durchaus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit noch geeignet.
V. Berichtigungs- und Widerrufsverfahren nach der VO 1. Antragserfordernis 18
Die Verfahren nach Abs. 1 werden durch Antrag eingeleitet. Dieser ist an das Ursprungsgericht zu richten, also an das Gericht, welches mit dem Ausgangsverfahren zum Zeitpunkt, in dem die Forderung nach Art. 3 Abs. 1 lit. a, b, c EG-VollstrTitelVO unbestritten blieb, befasst war (Art. 4 Nr. 6 EG-VollstrTitelVO). Nicht relevant ist das Gericht, welches die Bestätigung ausgestellt hat. Insofern ist § 1081 Abs. 1 S. 1 ZPO verordnungskonform auszulegen, falls diese beiden Gerichte auseinanderfallen und jedenfalls die Einreichung beim Ursprungsgericht zuzulassen.29 Die VO bestimmt wiederum nur das Gericht, welches für die Entgegennahme des Antrages zuständig ist.30 Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag kann der einzelne Mitgliedstaat bestimmen.31 Antragsberechtigt ist in jedem Fall der Schuldner. Auch der Gläubiger kann, jedenfalls hinsichtlich der Berichtigung, ein berechtigtes Interesse haben, etwa, wenn der Forderungsbetrag zu niedrig in die Bestätigung übertragen wurde. Da Art. 10 EG-VollstrTitelVO die Rechtsbehelfe nicht auf den Schuldner beschränkt, ist auch der Gläubiger in solchen Fällen antragsberechtigt.32 2. Recht des Ursprungsmitgliedstaates (Abs. 2)
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Abs. 2 verweist für die Durchführung des Berichtigungs- und Widerrufsverfahrens auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaates. Dies entspricht allgemeinen Grundsätzen, wonach die lex fori anzuwenden ist, soweit die VO keine verfahrensrechtlichen Regelungen trifft. Es eröffnet den Mitgliedstaaten auch die Möglichkeit, innerhalb des Berichtigungs- oder Widerspruchsverfahrens Rechtsbehelfe vorzusehen. Dem steht Abs. 4 nicht entgegen, da sich dieser nur auf Rechtsbehelfe außerhalb des Berichtigungs- oder Widerspruchsverfahrens bezieht.33 Für Deutschland ist diese Verweisung in § 1081 ZPO ausgefüllt (dazu unten Rz. 29 f.).34
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Die Mitgliedstaaten sind nach Art. 30 Abs. 1 lit. a EG-VollstrTitelVO verpflichtet, ihr Berichtigungsund Widerrufsverfahren der Kommission mitzuteilen (Abdruck der Mitteilungen bei Art. 30 EGVollstrTitelVO Rz. 7 ff.). Die Kommission macht die Mitteilungen gem. Art. 30 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO öffentlich zugänglich. 3. Antrag auf Formblatt (Abs. 3)
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Sowohl Berichtigung als auch Widerruf können unter Verwendung des Formblatts in Anhang VI der VO beantragt werden. Anders als bei der Ausstellung des EuVollstrTitels ist hier die Verwendung des Formblattes nicht zwingend.35 Die Bereitstellung eines Formblattes dient lediglich der Erleichte28 OGH v. 22.2.2007 – 3 Ob 253/06m, ECLI:AT:OGH0002:2007:0030OB00253.06M.0222.000, IPRax 2008, 440, 442. 29 Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 12. 30 Kropholler/von Hein, Rz. 3. 31 Anders sehen dies wohl Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 460, die aus Abs. 1 nicht nur eine Antrags- sondern auch eine Entscheidungszuständigkeit ableiten wollen. 32 Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 9; Jennissen, InVO 2006, 263, 268. 33 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 5; Wagner, IPRax 2005, 189, 197; Wagner, IPRax 2005, 401, 404. 34 BT-Drucks. 15/5222, 13 (zu § 1081 ZPO-E). 35 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 4; Wieczoreck/Schütze/Schütze (2013) § 1081 ZPO Rz. 11; Brenn, EuZP Rz. 162.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 10 EG-VollstrTitelVO
rung für den Schuldner und damit seinem Schutz, nicht aber der Eindeutigkeit und zwischenstaatlichen Verständlichkeit bei Verwendung durch eine öffentliche Stelle. Die Formulare der Formblätter werden als pdf-Datei in allen Sprachfassungen im Europäischen Justizportal,36 einer Webseite der Europäischen Kommission, zur Verfügung gestellt; dort findet sich auch eine Online-Maske, mit deren Hilfe ein ausgefülltes Formular erzeugt werden kann. 4. Einstweiliger Rechtschutz Von der VO wird ein einstweiliger Rechtschutz nicht vorgesehen, jedoch ist die grundsätzliche Möglichkeit eines solchen als universelles Rechtsprinzip anzuerkennen.37 Die Gewährung eines einstweiligen Rechtsschutzes folgt zudem aus zwingenden verfassungsrechtlichen Vorgaben.38 Der zuständige Rechtspfleger ist daher auch ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage in dringenden Fällen zu einstweiligen Anordnungen im Sinne einer einstweiligen Berichtigung oder einem einstweiligen Widerruf befugt.39
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VI. Verfahren in Deutschland 1. Entscheidungszuständigkeit Für die Entscheidung über die Berichtigung und den Widerruf der Bestätigung als EuVollstrTitel ist in Deutschland das Gericht zuständig, das die Bestätigung ausgestellt hat (§ 1081 Abs. 1 ZPO). Der Antrag ist bei diesem Gericht einzureichen und wird auch von diesem entschieden. Funktional ist – wie für die Ausstellung – der Rechtspfleger zuständig (§ 20 Nr. 11 RPflG).
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Es findet mithin zunächst keine unabhängige Überprüfung, sondern lediglich eine Selbstkontrolle 24 durch den die Bestätigung erteilenden Spruchkörper statt, was angesichts der ohnehin im Bestätigungsverfahren eingeschränkten Rechtsbehelfsmöglichkeiten äußerst bedenklich erscheint. Erst die Rechtsbehelfe gegen eine ablehnende Berichtigungs- oder Widerrufsentscheidung (dazu Rz. 29) ermöglichen eine unabhängige Nachprüfung. Erst so wird den kritischen Stimmen40 Rechnung getragen, die in der Selbstkontrolle durch den Rechtspfleger keine wirksame Kontrolle sahen und eine echte Kontrollinstanz einforderten.41 2. Anforderungen an den Antrag auf Widerruf Für den Antrag auf Widerruf stellt § 1081 Abs. 2 ZPO besondere Anforderungen auf. Er ist nur innerhalb einer bestimmten Frist zulässig. Die Befristung gilt allein für den Antrag des Schuldners, nicht jedoch für den – zumindest theoretisch denkbaren – Widerrufsantrag des Gläubigers.42 Durch die Frist soll für den Gläubiger Rechtssicherheit geschaffen werden, der nach Fristablauf auf den Bestand der Bestätigung vertrauen darf.43 Für die Länge der Frist wird danach unterschieden, wo dem Schuldner die Bestätigung nach § 1080 Abs. 1 S. 2 ZPO zuzustellen ist. Hat die Zustellung im Inland zu erfolgen, so beträgt die Antragsfrist einen Monat. Ist im Ausland zuzustellen, so verdoppelt sich die Frist auf zwei Monate.44 Die Notfrist (§ 1081 Abs. 2 S. 3 ZPO) beginnt mit Zustellung der Bestätigung zu laufen, jedoch nicht vor Zustellung des Titels, auf den sich die Bestätigung bezieht. Damit wird sichergestellt, dass dem Schuldner während des gesamten Fristlaufs sowohl der zugrunde liegen-
36 37 38 39 40 41 42 43 44
https://e-justice.europa.eu/content_european_enforcement_order_forms-270-de.do (23.6.2021). Vgl. Collins, Provisional and Protective Measures in International Litigation, Rec. 234 (1992) 9. BVerfG v. 16.5.1995 – 1 BvR 1087/91, NJW 1995, 2477; Heinze, FG-Wiss BGH (2000) 569, 589 f. Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 4; Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 19. Stadler, RIW 2004, 801, 805; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 72. Wagner, IPRax 2005, 401, 404. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Gehle/Schmidt, § 1081 ZPO Rz. 5. BT-Drucks. 15/5222, 14 (zu § 1081 ZPO-E); Wieczoreck/Schütze/Schütze (2013) § 1081 ZPO Rz. 10. Die Länge der Frist entspricht der Rechtsmittelfrist im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 43 Abs. 5 Brüssel I-VO.
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Art. 10 EG-VollstrTitelVO
Berichtigung oder Widerruf der Bestätigung als EuVollstrTitel
de Titel als auch die Bestätigung vorliegen45 und ihm dadurch die volle Frist zur Verfügung steht, um Widersprüche zwischen Bestätigung und zugrunde liegendem Titel aufzufinden und das Vorliegen von Widerrufsgründen zu prüfen. Der Ansicht, die Einführung einer solchen Befristung der Möglichkeit des Widerrufsantrages sei europarechtswidrig,46 kann nicht gefolgt werden. Der umfassende Verweis für die Verfahrensausgestaltung auf das Recht der Mitgliedstaaten in Abs. 2 lässt diesen auch die Möglichkeit zu einer der Rechtssicherheit dienenden Antragsbefristung.47 26
In dem Antrag sind zwingend die Gründe darzulegen, aus denen die Bestätigung i.S.d. Abs. 1 lit. b „eindeutig zu Unrecht erteilt“ wurde (§ 1081 Abs. 2 S. 4 ZPO). Fehlt diese Substantiierung, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.48 3. Anforderungen an den Antrag auf Berichtigung
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Der Berichtigungsantrag ist fristlos möglich. Er bedarf auch nicht zwingend einer Substantiierung, sollte jedoch sinnvollerweise Angaben zu den zu berichtigenden Fehlern der Bestätigung unter Bezugnahme auf den Titel enthalten.49 4. Verfahren
28
Berichtigung und Widerruf sind auf der Bestätigung zu vermerken (§ 1081 Abs. 3 i.V.m. § 319 Abs. 2 ZPO). Dies erscheint für die Berichtigung schlüssig, ist jedoch hinsichtlich des Widerrufs eher merkwürdig und hat seine Ursache darin, dass auch das deutsche Verfahren in § 1081 ZPO wie die VO in Art. 10 EG-VollstrTitelVO nicht klar zwischen Berichtigungs- und Widerrufsverfahren unterscheidet.50 Nur so ist es zu verstehen, dass der Widerruf lediglich auf dem EuVollstrTitel vermerkt werden soll, der vollständig widerrufene, also als Vollstreckungsgrundlage unbrauchbare EuVollstrTitel aber nicht eingezogen wird. 5. Rechtsbehelfe
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Sowohl für die Berichtigung als auch für den Widerruf ist § 319 Abs. 3 ZPO entsprechend anzuwenden (§ 1081 Abs. 3 ZPO). Damit ist gegen die Ablehnung der Berichtigung oder des Widerrufs durch den Rechtspfleger die befristete Erinnerung statthaft (§ 319 Abs. 3 Alt. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 2 RPflG).51 Hat der Richter ausnahmsweise selbst entschieden (z.B. aufgrund Vorlage nach § 5 RPflG), besteht keine Rechtsschutzmöglichkeit.52
30
Erfolgt eine Berichtigung oder wird dem Antrag auf Widerruf stattgegeben, so findet gem. § 319 Abs. 3 Alt. 2 ZPO die sofortige Beschwerde statt.53 Dies gilt auch, wenn der Richter erst auf Erinnerung gegen die Entscheidung des Rechtspflegers die Berichtigung vornimmt oder dem Antrag auf Widerruf stattgibt.54
45 BT-Drucks. 15/5222, 14 (zu § 1081 ZPO-E). 46 So Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1081 ZPO Rz. 6; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 460 halten die Frist aufgrund der sehr eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten der VO für zumindest bedenklich. 47 Jennissen, InVO 2006, 263, 268; Wieczoreck/Schütze/Schütze, (2013) § 1081 ZPO Rz. 10; Okon´ska, Rejent 2007, 90, 115. 48 Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 33; Wieczoreck/Schütze/Schütze (2013) § 1081 ZPO Rz. 11. 49 Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 21. 50 Ebenso Kropholler/von Hein, Rz. 12; Zöller/Geimer, § 1081 ZPO Rz. 3. 51 BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, IPRax 2013, 267 = NJW 2012, 858; OLG Zweibrücken v. 16.12.2008 – 3 W 228/08, Rpfleger 2009, 222; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 5; Reichel, NZA 2005, 1096, 1099; Jennissen, InVO 2006, 263, 268; Nagel/Gottwald, IZPR § 14 Rz. 14.64. 52 BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, IPRax 2013, 267 = NJW 2012, 858; Jennissen, InVO 2006, 263, 268. 53 BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, IPRax 2013, 267 = NJW 2012, 858; OLG Stuttgart v. 24.5.2007 – 8 W 184/07, NJW-RR 2007, 1583. 54 BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, IPRax 2013, 267 = NJW 2012, 858; OLG Nürnberg v. 10.8.2009 – 3 W 483/09, IPRax 2011, 393, 394; Bittmann, IPRax 2011, 361, 362; a.A. OLG Stuttgart v. 12.5.2009 – 8 W 199/09, BeckRS 2012, 2792.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 10 EG-VollstrTitelVO
6. Kosten und Gebühren Gerichtskosten sind für das Berichtigungs- und Widerrufsverfahren nicht vorgesehen. In Rechtsmittelverfahren gegen eine Entscheidung im Berichtigungs- oder Widerrufsverfahren entsteht bei Verwerfung oder Zurückweisung des Rechtsmittels eine Festgebühr von 66 t an (Nr. 1523 GKG-KV); Kostenschuldner ist der Antragsteller (§ 22 Abs. 3 GKG). Bei erfolgreichem Rechtsmittel fallen ebenso wie bei Rücknahme des Rechtsmittels keine Kosten an.55
31
Besondere Rechtsanwaltsgebühren entstehen im Berichtigungs- und Widerrufsverfahren grundsätz- 32 lich nicht. Diese zählen wie das Bestätigungsverfahren als Teil des Rechtzuges (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9a RVG).56 Soweit bereits das Ursprungsverfahren durchgeführt wurde, ist es hierzu zu zählen. Erfolgt die Beauftragung allein für die Durchführung der Zwangsvollstreckung, ist es Teil des Vollstreckungsverfahrens.57 Wird vom Rechtsanwalt allein das Berichtigungs- oder Widerrufsverfahren durchgeführt, so erhält er 0,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3309 RVG-VV) und ggf. 0,3 Terminsgebühr (Nr. 3310 RVG-VV) für seine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung. Im Rechtsmittelverfahren erhält der Rechtsanwalt 0,5 Verfahrensgebühr (Nr. 3500 RVG-VV) und ggf. 0,5 Terminsgebühr (Nr. 3513 RVGVV).
VII. Verfahren in Österreich 1. Entscheidungszuständigkeit Für die Entscheidung über den Berichtigungs- oder Widerufsantrag ist gem. § 7a Abs. 1 S. 2, § 7 Abs. 3 S. 1 österrEO das Gericht zuständig, welches die Bestätigung als EuVollstrTitel erteilt hat. Funktional entscheidet grundsätzlich der Rechtspfleger (§ 16 Abs. 1 Ziff. 7 österrRPflG).58 Ist ausnahmsweise der Richter zuständig (z.B. aufgrund § 16 Abs. 2 Ziff. 6 österrRPflG, Anwendbarkeit ausländischen Rechts), entscheidet beim Gerichtshof erster Instanz der Einzelrichter gem. § 7a Abs. 1 S. 2, § 7 Abs. 3 S. 1 österrEO, § 7a Abs. 3 JN.
33
2. Zustellung der Berichtigungs- oder Widerrufsentscheidung Aufgrund des Verweises in § 7a Abs. 1 S. 2 EO auf den gesamten § 7 Abs. 3 EO ist auch dessen S. 2 im Berichtigungs- und Widerrufsverfahren entsprechend anzuwenden. Der ergehende Beschluss ist allen Beteiligten zuzustellen.59
34
Soweit der Antrag vom Schuldner gestellt wurde, ist dieser als Antragsteller und der Gläubiger als Bestätigungsinhaber als Beteiligter anzusehen; beiden ist der Berichtigungs- oder Widerrufsbeschluss zuzustellen.
35
Fraglich ist, wer im Falle eines Berichtigungsantrags des Gläubigers als Beteiligter anzusehen ist. Dies ist unproblematisch der Gläubiger als Antragsteller. Den Schuldner wird man hier jedoch nicht als Beteiligten ansehen können. Anders als das Vollstreckbarerklärungsverfahren ist das Bestätigungsverfahren ein einseitiges Verfahren, zu dem der Schuldner nicht hinzugezogen wird. Die österreichische Rechtsordnung geht zudem davon aus, dass dem Schuldner die Bestätigung nicht zuzustellen ist (s. Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 30), so dass eine Einbeziehung des Schuldners bis hin zum Berichtigungsverfahren nicht erfolgt ist. Die Zustellung des Beschlusses an den Schuldner ist daher nicht notwendig. Es wäre auch widersprüchlich, wenn die Bestätigung selbst nicht zuzustellen ist, dass bei der Berichtigung der nicht zugestellten Bestätigung diese sodann zuzustellen wäre.
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55 56 57 58 59
Reichel, NZA 2005, 1096, 1099. NK-ZPO/Saenger, § 1079 Rz. 6; Finger, FuR 2006, 56, 65. Luckey, ZGS 2005, 420, 424. Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 13. Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 14.
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Art. 11 EG-VollstrTitelVO
Wirkung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel
VIII. Mitteilungen der Mitgliedstaaten 36a
Nach Art. 30 EG-VollstrTitelVO sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihre jeweiligen Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf i.S.v. Art. 10 Abs. 2 Art. 10 EG-VollstrTitelVO der Kommission mitzuteilen. Die Mitteilungen werden von der Kommission veröffentlicht; sie sind ab Art. 30 EGVollstrTitelVO Rz. 8 ff. für alle Mitgliedstaaten jeweils unter 1. abgedruckt.
IX. Individualbeschwerde zum EGMR 37
Die Regelung, obgleich aufgrund von Bedenken gegen die Rechtsstaatlichkeit des Entwurfs geändert (s. oben Rz. 10), lässt Rechtsschutzlücken. Diese werden in Deutschland wie in Österreich aufgrund der allein erfolgenden Selbstkontrolle – für die Überprüfung ist das die Bestätigung ausstellende Gericht zuständig – eher gesteigert.60 Zwar wurden die zu beachtenden Kriterien in den Art. 12 ff. EG-VollstrTitelVO durchaus im Vergleich zum Normalfall des Exequatur nach der Brüssel I-VO verschärft, die rechtsstaatliche Kontrolle ihrer Einhaltung findet aber weder im Ursprungsmitgliedstaat noch im Vollstreckungsmitgliedstaat statt.61
38
Bestätigungen, die trotz Verstoßes gegen die Voraussetzungen in Art. 6 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO erteilt und nicht nach Antrag aufgrund Art. 10 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO korrigiert werden, dürften aussichtsreich mit der Individualbeschwerde zum EGMR angegriffen werden können. Bereits das Fehlen jeder instanziellen Kontrolle der Bestätigung dürfte einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK begründen. Insbesondere dürften Verstöße gegen Art. 13 ff. EG-VollstrTitelVO (Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes), Art. 17 EG-VollstrTitelVO (Belehrung über die Möglichkeiten des Bestreitens und die Konsequenzen des Nichtbestreitens) und Art. 19 EG-VollstrTitelVO (Möglichkeit der Überprüfung in der Hauptsache) Art. 6 EMRK verletzen. Sollte der EGMR wider Erwarten die zwischen den Organen der EU in einem an die Grenzen der Konsensfähigkeit gehenden Verfahren festgelegten Mindeststandards nicht als elementare Grundsätze eines fairen Verfahrens i.S.d. Art. 6 EMRK ansehen, so wäre die These der effektiven europäischen Grundrechtskontrolle offenkundig widerlegt.62 Übernimmt nicht der EGMR die Rolle des Wächters, die der EuGH nicht ausüben kann, so müsste insbesondere das BVerfG seine europafreundliche Haltung aufgeben und auf Verfassungsbeschwerde hin eingreifen.
Artikel 11 Wirkung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel entfaltet Wirkung nur im Rahmen der Vollstreckbarkeit der Entscheidung.
I. Grundsatz: Wirkungserstreckung 1
Art. 11 EG-VollstrTitelVO knüpft die Wirkungen des EuVollstrTitels an die Wirkungen der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat. Die Vollstreckbarkeit des EuVollstrTitels in anderen Mitgliedstaaten reicht nicht weiter als die des Titels im Ursprungsmitgliedstaat. Der EuVollstrTitel übernimmt damit sämtliche Einschränkungen des Titels.1 Auch hinsichtlich der Anerkennungswirkungen ist die lex fori des Ursprungsmitgliedstaates maßgeblich. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz im 60 61 62 1
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Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 38. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 39. So auch schon in Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 40. Kropholler/von Hein, Rz. 1; für den Grundsatz der Wirkungserstreckung auch Wiedemann, Vollstreckbarkeit (2017) S. 133.
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Kap. II: Der Europäische Vollstreckungstitel
Art. 11 EG-VollstrTitelVO
Anerkennungs- und Vollstreckungsrecht: Entscheidungen können im Ausland nicht leichter und nicht weiter vollstreckbar sein als im Inland.2
II. Veränderungen des Titels Der EuVollstrTitel folgt auch in der weiteren Entwicklung den Wirkungen, die der Titel im Ursprungsmitgliedstaat besitzt. Er nimmt an allen Veränderungen der Wirkungen des Titels teil. Die Bestätigung als EuVollstrTitel führt insbesondere nicht dazu, dass der Gläubiger im Zweitstaat zu einer unbeschränkten Vollstreckung berechtigt ist, wenn im Erststaat (nachträglich) eine Beschränkung eingetreten ist.3 Zum Nachweis der geänderten Verhältnisse kann sich der Schuldner nach Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO die Beschränkung oder Nichtvollstreckbarkeit bescheinigen lassen.
2
Die Vollstreckung selbst wird nach den nationalen Vollstreckungsverfahren durchgeführt (Art. 20 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO). Bei Vorlage einer Negativbescheinigung nach Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO durch den Schuldner ist die Zwangsvollstreckung in Deutschland gem. § 1085 ZPO entsprechend den §§ 775, 776 ZPO einzustellen oder zu beschränken.
3
III. Wirkungen im Übrigen Art. 11 EG-VollstrTitelVO beschränkt die Wirkungen entgegen dem missverständlichen Wortlaut 4 nicht auf das Vollstreckungsverfahren.4 Die Wirkungen sind nicht prozessual auf den „Rahmen der Vollstreckbarkeit“ begrenzt, sondern sachlich; erfasst sind also alle Vollstreckungswirkungen in dem Rahmen, in dem sie im Ursprungsmitgliedstaat eintreten. Art. 11 EG-VollstrTitelVO verweist damit hinsichtlich der Anerkennungswirkungen, auch hinsichtlich der Wirkung als res judicata und deren Durchbrechung auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaats. Auch außerhalb des Vollstreckungsverfahrens kann daher der Titel Anerkennungswirkungen entfalten, soweit diese denknotwendig der Vollstreckbarkeit vorangehen (vgl. dazu Art. 5 EG-VollstrTitelVO Rz. 5 ff.). Sinn und Zweck der VO ist es dem Gläubiger eine einfachere, schnellere, vor allem aber sichere und gegen spätere Rückforderungen aufgrund von Anerkennungsversagungsgründen geschützte Vollstreckung seiner titulierten Forderungen zu ermöglichen. Im Gegenzug soll der Schuldner verpflichtet werden, jegliche Einwände im Ursprungsmitgliedstaat geltend zu machen. Dem würde es zuwider laufen, ließe man zwar zunächst die Vollstreckung aufgrund der Bestätigung als EuVollstrTitel zu, würde sodann aber für die (Nicht-)Anerkennung der Entscheidung auf die Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO einschließlich der Anerkennungsversagungsgründe des Art. 34 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 Brüssel Ia-VO abstellen einschließlich einer bereicherungsrechtlichen Rückforderung des durch die Vollstreckung erlangten aufgrund einer erfolgten Nicht-Anerkennung. Das Ziel, Anerkennungsversagungsgründe im Vollstreckungsmitgliedstaat nicht mehr zuzulassen, würde so umgangen.5
5
Hingegen werden Gestaltungswirkungen eines Titels nicht durch seine Bestätigung als EuVollstrTitel in andere Mitgliedstaaten transportiert.
6
Unklar ist das Verhältnis der prozessualen lex fori zur lex causae, das insbesondere darüber entscheidet, welche Rechtsordnung über deliktische Klagen auf Herausgabe des Titels befindet.6 Klar erscheint, dass die Bestätigung den Titel nicht stärker unangreifbar machen kann, als er vor den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaates ist. Soweit dessen Recht ein Herausgabeverlangen lege causae zulässt, besteht diese Möglichkeit auch in anderen Mitgliedstaaten. Davon zu unterscheiden ist die Frage, wieweit im Vollstreckungsverfahren deliktische Ansprüche auf Herausgabe des Titels geltend gemacht werden können (s. dazu für Deutschland Art. 20 EG-VollstrTitelVO Rz. 37).
7
2 Stein, EuZW 2004, 679, 682; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 67. 3 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 9 (Art. 8y); Kropholler/von Hein, Rz. 1; Geimer, FS Vollkommer (2006) 385, 393. 4 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 2. 5 A.A. Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1. 6 Coester-Waltjen, FS Beys (2003) 183, 197.
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Art. 12 EG-VollstrTitelVO Anwendungsbereich der Mindestvorschriften
Kapitel III Mindestvorschriften für Verfahren über unbestrittene Forderungen (Art. 12–Art. 19)
Artikel 12 Anwendungsbereich der Mindestvorschriften (1) Eine Entscheidung über eine unbestrittene Forderung im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) oder c) kann nur dann als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, wenn das gerichtliche Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat den verfahrensrechtlichen Erfordernissen nach diesem Kapitel genügt hat. (2) Dieselben Erfordernisse gelten auch für die Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel oder einer Ersatzbestätigung im Sinne des Artikels 6 Absatz 3 für eine Entscheidung, die nach Anfechtung einer Entscheidung ergangen ist, wenn zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die Bedingungen nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) oder c) erfüllt sind. I. Mindeststandards . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
III. Anwendungsbereich der Mindestvorschriften
6
II. (Nur) mittelbare Verbindlichkeit . . . . . . . .
3
IV. Deutsches Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . .
9
Schrifttum: Klumpp, Die Zustellungsformen der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels (2009); Rauscher, Der Wandel von Zustellungsstandards zu Zustellungsvorschriften im Europäischen Zivilprozessrecht, in: FS Jan Kropholler (2008) 851.
I. Mindeststandards 1
Kapitel III setzt die in den ErwGr. 10 ff. EG-VollstrTitelVO bestimmten Postulate in Mindeststandards um. Es soll ein faires Verfahren i.S.d. Art. 47 EuGrCh gesichert werden.1 Zweck ist es, im Wesentlichen sicherzustellen, dass das rechtliche Gehör des Schuldners im Ursprungsmitgliedstaat angemessen gewahrt wird.2 Die festgelegten Mindeststandards bringen die Absicht des Gesetzgebers der Europäischen Union zum Ausdruck, Sorge dafür zu tragen, dass die Verfahren, die zum Erlass von Entscheidungen über eine unbestrittene Forderung führen, hinreichende Garantien für die Wahrung der Verteidigungsrechte im Ursprungsmitgliedstaat bieten; dies in Anbetracht des Grundsatzes, dass im Vollstreckungsmitgliedstaat keine diesbezügliche Kontrolle durchgeführt wird.3 Die Betrachtung erfolgt von einem ex post-Standpunkt. Es ist hierbei irrelevant, ob es sich ursprünglich um ein rein innerstaatliches Erkenntnisverfahren handelte oder ob bereits damals ein Auslandsbezug bestand. Die Mindestvorschriften müssen in jedem Fall beachtet worden sein, wenn eine Bestätigung als EuVollstrTitel erfolgen soll.4 Sie sind die entscheidende Grundlage für den anschließenden Verzicht auf die Kontrolle der Zustellung als Anerkennungshindernis.5
2
Der europäische Gesetzgeber hat die sich aus der Sprachenvielfalt und der Verständigung in einem Zivilprozess im Ausland ergebenden Probleme nicht geregelt. Für das rechtliche Gehör ist eine dem Beklagten verständliche Sprache jedoch von essentieller Bedeutung, ihm unverständliche Schriftstücke benachteiligen ihn. Da andererseits das Gericht im Ursprungsmitgliedstaat in Versäumnisfällen keine Kenntnis der Sprachfähigkeiten des Schuldners hat, erwartet diesen durchaus ein (nicht mehr
1 BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, IPRax 2013, 267 = NJW 2012, 858, 859. 2 Kohler in Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2004) S. 63, 72. 3 EuGH v. 28.2.2018 – C-289/17, ECLI:EU:C:2018:133 – ITM Inkasso OÜ u.a. vs. Aint u.a. Rz. 36, EuZW 2018, 341, 342; EuGH v. 9.3.2017 – C-484/15, ECLI:EU:C:2017:199 – Zulfikarpasˇic´ vs. Gajer Rz. 48, EuZW 2017, 689, 691. 4 Coester-Waltjen, FS Beys (2003) 183, 188. 5 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 102.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 12 EG-VollstrTitelVO
anfechtbarer) EuVollstrTitel, wenn er auf ihm unverständliche Schreiben nicht reagiert.6 Eine Regelung, in welcher Sprache dem Schuldner die entsprechenden Schriftstücke und Belehrungen zuzustellen sind, wäre daher in einem Katalog von Mindeststandards höchst wünschenswert gewesen.
II. (Nur) mittelbare Verbindlichkeit Für unmittelbar im Erkenntnisverfahren bindende Vorschriften, die den gesamten potentiellen Anwendungsbereich der VO abdecken, besäße die EU keine Rechtsetzungskompetenz. Art. 81 AEUV (ex Art. 65 EGV) beschränkt sich auf Streitigkeiten mit grenzüberschreitendem Bezug, der sich im Anwendungsbereich der VO aus der grenzüberschreitenden Vollstreckung ergibt.7 Das zugrunde liegende Erkenntnisverfahren kann hingegen ein reines Inlandsverfahren gewesen sein.
3
Die Mindeststandards des Kapitels III stellen daher keine direkten Anforderungen an die nationalen Verfahrensrechte.8 Es besteht keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur originären Einhaltung der Mindestvorschriften (ErwGr. 19 EG-VollstrTitelVO).9 Die Beachtung im Ausgangsverfahren ist jedoch Maßstab der ex post-Betrachtung im Bestätigungsverfahren. Die aufgestellten Standards sind also keine Entscheidungs-, sondern Beurteilungsnormen.10
4
Allerdings bewirkt diese Betrachtung im Bestätigungsverfahren einen mittelbaren Druck auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die Mindeststandards zu gewährleisten, um die Bestätigungsfähigkeit eigener Titel zu sichern.11 Eine dadurch eintretende Angleichung der nationalen Rechtsordnungen sollte hinnehmbar sein, zumal der Schuldnerschutz dadurch auch im Bereich der Inlandsverfahren gefördert wird, auf die sonst nicht vereinheitlichend zugegriffen werden kann. Das Zustellungsrecht beinhaltet vorwiegend technische Bestimmungen, die einer Vereinheitlichung innerhalb der EU ohne Aufgabe von besonderer nationaler Rechtskultur zugänglich sind.12
5
III. Anwendungsbereich der Mindestvorschriften Abs. 1 beschränkt den Anwendungsbereich der Mindeststandards des Kapitels III. Diese gelten nicht für den gesamten Anwendungsbereich der VO. Hat der Schuldner die Forderung aktiv unbestritten gestellt (Art. 3 Abs. 1 lit. a und d EG-VollstrTitelVO), so stellt sich die Frage des Schuldnerschutzes in Ansehung der Zustellung nicht. Art. 12 EG-VollstrTitelVO definiert daher einen eigenen Anwendungsbereich dahingehend, dass die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Kapitels III nur in den Fällen von Art. 3 Abs. 1 lit. b und c EG-VollstrTitelVO, also bei passiv unbestrittenen Forderungen, Bestätigungsvoraussetzung ist. Abs. 1 greift damit Art. 6 Abs. 1 lit. c EGVollstrTitelVO auf, der nur für diese Fälle im Rahmen der Bestätigungsvoraussetzungen auf Kapitel III verweist.
6
Abs. 2 verlangt die Beachtung der Mindestvorschriften auch dann, wenn eine Entscheidung vom Schuldner angefochten wurde und im anschließenden Verfahren eine Entscheidung ergeht, die sodann die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. b, c EG-VollstrTitelVO erfüllt. Dabei ist es einerlei, ob die ursprüngliche (angefochtene) Entscheidung bereits als EuVollstrTitel bestätigt wurde und eine Ersatzbestätigung nach Art. 6 Abs. 3 EG-VollstrTitelVO ausgestellt oder die Entscheidung nach Anfech-
7
6 Ausführliches Beispiel mit Aufzeigung der verschiedenen Probleme bei Stadler, RIW 2004, 801, 807. 7 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1; Kohler in Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2004) S. 63, 72; Jayme/Kohler, IPRax 2003, 485, 494; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 454; Stein, EuZW 2004, 680 geht darüber hinaus gar davon aus, dass unabhängig von der Kompetenz einheitliche Zustellungsnormen politisch gar nicht durchsetzbar gewesen wären; a.A. Brenn, EuZP Rz. 167, der kompetenzrechtliche Bedenken leichtfertig als überholt ansieht. 8 Coester-Waltjen, FS Ansay (2006) 47, 48. 9 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 11 (Art. 10); Rauscher, FS Kropholler (2008) 851, 854. 10 Kohler in Reichelt/Rechberger (Hrsg.), Europäisches Kollisionsrecht (2004) S. 63, 72; Kropholler/von Hein, Rz. 7 f. 11 Rauscher, FS Kropholler (2008) 851, 855. 12 Heß, NJW 2417, 2426; Kerameus, RabelsZ 66 (2002) 1, 5 ff.
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Art. 13 EG-VollstrTitelVO
Zustellung mit Nachweis des Empfangs durch den Schuldner
tung erstmals als EuVollstrTitel bestätigt werden soll. In beiden Fällen sind die Mindestvorschriften auch in dem auf die Anfechtung folgenden Verfahren zu beachten. 8
Hat der Schuldner sich nach der Anfechtung einer bestätigten Entscheidung erneut rein passiv verhalten, so gilt die Anfechtung als solche nicht als Bestreiten (Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rz. 46). Ist der Schuldner also nach Einlegung eines Rechtsmittels nicht zur Verhandlung erschienen oder hat er in anderer Weise nicht am Verfahren teilgenommen, so ist dies als stillschweigendes Anerkenntnis der Forderung i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. b, c EG-VollstrTitelVO anzusehen. Entsprechend sind die Mindestvorschriften auch auf das nach der Anfechtung folgende Verfahren anzuwenden.13
IV. Deutsches Verfahrensrecht 9
Im deutschen Prozessrecht bestand kein wesentlicher Anpassungsbedarf, um den Mindestvorschriften der VO zu genügen. Die Zustellungsvorschriften der ZPO erfüllen die Standards der VO.14 Lediglich im Hinblick auf die Belehrungserfordernisse nach Art. 17 EG-VollstrTitelVO mussten die Vorschriften der ZPO erweitert und marginale Anpassungen im RPflG und ArbGG vorgenommen werden. Dies ist mit dem EG-VollstrTitelDG15 geschehen. Die Änderungen traten zusammen mit dem Geltungsbeginn der VO am 21.10.200516 in Kraft. Die Anforderungen der Mindestvorschriften hindern daher bei deutschen Titeln eine Bestätigung als EuVollstrTitel nicht, sofern nur die Regelungen des deutschen Prozessrechts beachtet wurden.
Artikel 13 Zustellung mit Nachweis des Empfangs durch den Schuldner (1) Das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück kann dem Schuldner wie folgt zugestellt worden sein: a) durch persönliche Zustellung, bei der der Schuldner eine Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet, oder b) durch persönliche Zustellung, bei der die zuständige Person, die die Zustellung vorgenommen hat, ein Dokument unterzeichnet, in dem angegeben ist, dass der Schuldner das Schriftstück erhalten hat oder dessen Annahme unberechtigt verweigert hat und an welchem Datum die Zustellung erfolgt ist, oder c) durch postalische Zustellung, bei der der Schuldner die Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet und zurückschickt, oder d) durch elektronische Zustellung wie beispielsweise per Fax oder E-Mail, bei der der Schuldner eine Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet und zurückschickt. (2) Eine Ladung zu einer Gerichtsverhandlung kann dem Schuldner gemäß Absatz 1 zugestellt oder mündlich in einer vorausgehenden Verhandlung über dieselbe Forderung bekannt gemacht worden sein, wobei dies im Protokoll dieser Verhandlung festgehalten sein muss. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Zuzustellende Schriftstücke . . . . . . . . . .
3
III. Zulässige Zustellungsarten (Abs. 1) . . . . . . 1. Persönliche Zustellung mit EB (Abs. 1 lit. a) .
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13 14 15 16
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2. Persönliche Zustellung mit Protokollierung (Abs. 1 lit. b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Postalische Zustellung (Abs. 1 lit. c) . . . . . 4. Elektronische Zustellung (Abs. 1 lit. d) . . . IV. Empfangsbestätigung . . . . . . . . . . . . .
Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 10 (Art. 10); Kropholler/von Hein, Rz. 3. BT-Drucks. 15/5222, 10. V. 18.8.2005, BGBl. 2005 I 2477. In den wesentlichen Bestimmungen, vgl. Art. 33 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO.
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. 9 . 15 . 18 . 21
Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 13 EG-VollstrTitelVO
I. Normzweck Art. 13 ff. EG-VollstrTitelVO beschreiben einen Katalog von europäisch autonom definierten Zustel- 1 lungsanforderungen.1 Dadurch wird zwar kein europäisches Zustellungsrecht geschaffen, jedoch kommt zum Ausdruck, welche Zustellung in Europa als dem Schuldnerschutz genügend angesehen wird.2 Im Rahmen der VO ist die Einhaltung dieser Anforderungen mit den sich aus Art. 12 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO ergebenden Einschränkungen Voraussetzung für die Bestätigung als EuVollstrTitel. Die Zustellungsarten sind Beurteilungskriterien, die Zustellung hat im Erkenntnisverfahren nicht nach Art. 13 ff. EG-VollstrTitelVO zu erfolgen, diese erfolgt je nach Eröffnung des Anwendungsbereichs nach EG-ZustVO, HZÜ oder nationalem Recht. Sie wird aber im Bestätigungsverfahren allein an den aufgestellten Kriterien gemessen. Die Auflistung der zulässigen Zustellungsarten in Art. 13 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO und Art. 14 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO (jeweils ggf. i.V.m. Art. 15 EG-VollstrTitelVO) ist abschließend. Zustellungen auf andere Weise genügen den Anforderungen der Mindeststandards nicht.3 Dies gilt insbesondere für jede Art der Zustellungsfiktion (ErwGr. 13 EG-VollstrTitelVO). Art. 13 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO listet die Formen der Zustellung auf, die die VO genügen lässt, um sicherzustellen, dass der Schuldner nachweislich persönlich (oder sein Vertreter, Art. 15 EG-VollstrTitelVO) die notwendigen Schriftstücke erhalten hat. Zulässige Formen der Ersatzzustellung sind hingegen in Art. 14 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO geregelt.
2
II. Zuzustellende Schriftstücke Zuzustellen ist zum einen das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück (Abs. 1). Beide Begriffe sind Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO entnommen und in gleicher Weise wie dort zu verstehen.4
3
Auch die Ladung zu einer Gerichtsverhandlung ist dem Schuldner in einer Form des Abs. 1 zuzustellen (Abs. 2 Alt. 1),5 es sei denn, sie wird dem Schuldner in einer vorausgehenden Verhandlung über dieselbe Forderung mündlich bekannt gemacht und dies im Protokoll dieser Verhandlung festgehalten (Abs. 2 Alt. 2). Dies setzt voraus, dass der Schuldner oder sein Vertreter an dieser mündlichen Verhandlung teilgenommen haben.6
4
An die Rechtzeitigkeit der Zustellung werden von der VO keine Anforderungen gestellt. Auch wenn ein derartiger Mindeststandard begrüßenswert wäre, entsprechende Pläne im Kommissionsvorschlag7 wurden nicht in die endgültige Verordnung übernommen. Maßgeblich ist daher die lex fori.8
5
1 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 41. 2 Rauscher, FS Kropholler (2008) 851, 854. 3 Das Europäische Parlament wollte durch Einfügung des Wortes „insbesondere“ die Formen der Ersatzzustellung nicht abschließend aufzählen, Wuermeling, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Europäisches Parlament, 26.3.2003, A5-0108/2003, 10 (Änderungsantrag 11). Dies wäre aber mit dem Ziel, verlässliche Mindeststandards zu schaffen, nicht vereinbar gewesen, Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 6 (Änderung 11). 4 Dazu Rauscher/Leible (2021) Art. 45 Brüssel Ia-VO Rz. 40 ff. 5 OLG Stuttgart v. 23.10.2007 – 5 W 29/07, Rpfleger 2008, 319. 6 Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 3. 7 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 27 (Art. 15). 8 Rauscher, GPR 2003/04, 286, 290; Fasching/Rechberger, Rz. 3; für eine autonome Bestimmung der Rechtzeitigkeit nach den jeweiligen Umständen ohne Rückgriff auf nationale Fristbestimmungen lässt die VO keinen Raum. Die Bestätigung ist bei Erfüllung der aufgestellten Mindeststandards zu erteilen; darüber hinaus können keine weiteren hineingelesen werden. Ein Rückgriff auf die EuGH-Rechtsprechung zur Rechtzeitigkeit im Rahmen von Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ (EuGH v. 16.6.1981 – 166/80, ECLI:EU:C:1981:137 – Klomps vs. Michel, EuGHE 1981, 1593 = IPRax 1982, 14) ist daher nicht möglich.
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Art. 13 EG-VollstrTitelVO
Zustellung mit Nachweis des Empfangs durch den Schuldner
III. Zulässige Zustellungsarten (Abs. 1) 1. Persönliche Zustellung mit EB (Abs. 1 lit. a) 6
Die persönliche Zustellung erfordert lediglich die Unterzeichnung einer Empfangsbestätigung mit Angabe des Datums. Eine Rücksendung der Bestätigung ist nicht erforderlich. Dies ist auch nachvollziehbar. Wenn dem Schuldner die Unterlagen persönlich übergeben werden, lässt er bei der Amtsperson die Empfangsbestätigung unmittelbar zurück, eine Rücksendung ist daher überflüssig.
7
Abs. 1 lit. a erfasst jedoch nur die Zustellung durch eine zuständige Amtsperson; nicht hierher gehören Zustellungen unter Einschaltung eines Postdienstes, insbesondere das Übergabe-Einschreiben, bei denen keine Amtsperson tätig wird.9 Die Quittierung des Empfangs eines Einschreibens entspricht nicht der hier geforderten Unterzeichnung einer Empfangsbestätigung. Solche Zustellungen können nur als postalische Zustellungsarten nach Abs. 1 lit. c wirksam sein.10
8
Im deutschen Recht erfüllt die Zustellung nach § 174 Abs. 1 ZPO diese Form. 2. Persönliche Zustellung mit Protokollierung (Abs. 1 lit. b)
9
Anstelle der Unterzeichnung einer Empfangsbestätigung durch den Schuldner genügt es gem. Abs. 1 lit. b, wenn bei persönlicher Zustellung die die Zustellung vornehmende zuständige Person ein Zustellungsdokument unterzeichnet und das Datum angibt. Voraussetzung ist auch hier, dass dem Schuldner persönlich zugestellt wird, er also tatsächlich angetroffen wird.
10
Zuständige Person ist entweder eine Amtsperson oder jede Person, die im Zustellungsmitgliedstaat befugt ist, Zustellungen durchzuführen oder zu bescheinigen.11 Maßgeblich ist insoweit das Recht des Zustellungsmitgliedstaates. Zusätzlich ist in dem Zustellungsdokument zu vermerken, dass der Schuldner das Schriftstück erhalten hat.12
11
Wenig klar ist an dieser Stelle die Behandlung der ausdrücklich erwähnten und in dem zu errichtenden Dokument zu vermerkenden Verweigerung der Annahme. In einem solchen Fall liegt keine Zustellung, sondern lediglich ein Zustellungsversuch vor,13 der aber offenbar als ausreichend betrachtet werden soll, wenn die Weigerung unberechtigt war. Wann der Schuldner berechtigt ist, die Zustellung zu verweigern und wann umgekehrt die Verweigerung unberechtigt ist, regelt die VO nicht.14 Verweigerungsgründe können sich daher ergeben aus der lex fori des Ursprungsmitgliedstaates, aus Regelungen für die internationale Zustellung (insbesondere Art. 8 EG-ZustVO 2007/Art. 12 EU-ZustVO 2020, durfte der Schuldner nach Art. 8 EG-ZustVO 2007/Art. 12 EU-ZustVO 2020 die Annahme verweigern, so ist diese auch i.S.d. EG-VollstrTitelVO nicht unberechtigt)15 und – soweit dieses auf die Zustellung anwendbar ist (z.B. aufgrund Verweisung aus Art. 7 Abs. 1 EG-ZustVO 2007/Art. 11 Abs. 1 EU-ZustVO 2020 bzw. Art. 5 Abs. 1 lit. a HZÜ) – aus dem Recht des Zustellungsstaates, insbesondere aus Sprachregelungen und zulässig erklärten Vorbehalten.16
12
Fraglich ist, wer die Prüfungskompetenz hinsichtlich des Weigerungsrechts des Schuldners besitzt. Nach dem Wortlaut von Abs. 1 lit. b scheint es zu genügen, das die für die Zustellung zuständige Person protokolliert, dass die Weigerung der Annahme unberechtigt war. Bei der Prüfung der Berechtigung der Weigerung handelt es sich jedoch um eine Rechtsfrage, die nicht abschließend von der Zustellungsperson beantwortet werden kann. Abs. 1 lit. b ist Beurteilungsnorm im Bestätigungsver-
9 10 11 12 13 14 15 16
Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 4. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 110; Kropholler/von Hein, Rz. 3. Kropholler/von Hein, Rz. 4; Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 12. Die Möglichkeit, bei unberechtigter Verweigerung der Annahme eine wirksame Zustellung anzunehmen, wurde eingefügt aufgrund eines Änderungsantrages des Europäischen Parlaments, s. Wuermeling, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Europäisches Parlament, 26.3.2003, A5-0108/2003, 9 (Änderungsantrag 9). Stadler, RIW 2004, 801, 806. Sehr kritisch Stadler, RIW 2004, 801, 806. Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 3. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 112.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 13 EG-VollstrTitelVO
fahren. Sie ist daher dahingehend berichtigend auszulegen, dass im Bestätigungsverfahren eine Überprüfungskompetenz hinsichtlich des Weigerungsrechts besteht.17 Die VO regelt auch nicht, was mit dem zuzustellenden Schriftstück bei Annahmeverweigerung zu geschehen hat, insbesondere, ob dies am Ort der Zustellung zurückzulassen ist oder nicht.18 Zurücklassen am Ort der versuchten Zustellung ist danach nicht Voraussetzung einer nach Abs. 1 lit. b wirksamen Zustellung.19
13
Im deutschen Recht entspricht § 179 ZPO diesen Erfordernissen.
14
3. Postalische Zustellung (Abs. 1 lit. c) Die postalische Zustellung wird ausdrücklich zugelassen, erfordert aber, dass eine Empfangsbestäti- 15 gung vom Schuldner unterzeichnet, mit dem Empfangsdatum versehen und zurückgesandt wird. Das Einwurf-Einschreiben erfüllt damit diese Anforderungen nicht, es fehlt bereits an der Unterzeichnung einer Empfangsbestätigung. Aber auch das Übergabe-Einschreiben ist nicht ausreichend. Zwar quittiert der Schuldner den Erhalt (wenn auch oft nur digital auf der Schreibfläche eines Schriftscanners), jedoch fehlt es an dem Zurücksenden dieser Bestätigung.20 Ausreichend ist hingegen das Einschreiben mit Rückschein. Zwar stellt der Wortlaut nicht ausdrücklich auf einen bestimmten Absender ab. So kann die Ansicht 16 entstehen, dass es auf diesen für Abs. 1 lit. c nicht ankommt und es ausreichend wäre, wenn das entsprechende Schriftstück vom Gläubiger abgesandt wurde.21 Jedoch verlangt auch Abs. 1 lit. c eine Zustellung, nicht eine bloße Zusendung. Zustellung impliziert jedoch, dass diese auch von der für die Zustellung der entsprechenden Schriftstücke zuständigen Stelle ausgelöst wurde. Zudem verlangt Rücksendung die Übersendung an den ursprünglichen Absender. Aus der Rücksendung der Empfangsbestätigung muss sich daher auch ergeben, dass die Zustellung von einer für diese zuständigen Stelle erfolgt ist. Wer eine solche Stelle ist, bestimmt das auf die Zustellung anwendbare Recht.22 Als solche kann u.U. auch der Gläubiger berufen sein. Im deutschen Recht genügt so die Zustellung nach § 175 ZPO diesem Zustellungsmodus.
17
4. Elektronische Zustellung (Abs. 1 lit. d) Nach Abs. 1 lit. d lässt die VO auch die Möglichkeit der Zustellung mittels elektronischer Kommunikationswege genügen. Das entsprechende Schriftstück kann mittels Fax oder E-Mail übermittelt werden. Der Schuldner muss jedoch wiederum eine Empfangsbestätigung unterzeichnet, mit dem Empfangsdatum versehen und zurückgesandt haben.
18
Die Art der Rücksendung der Empfangsbestätigung regelt die VO nicht. Sie kann auf jeden Fall postalisch erfolgen. Unklar ist, ob auch eine elektronische Übermittlung der Empfangsbestätigung genügt; da die VO die Übermittlung der Zustellung zum Schuldner auf elektronischem Weg zulässt, wird man diesen Weg auch für die Bestätigung genügen lassen müssen.23 Ein vom Schuldner unterzeichnetes Fax mit den entsprechenden Angaben ist also ausreichend. Bei einer Empfangsbestätigung per E-Mail ist jedoch eine digitale Signatur zu verlangen, damit sichergestellt sein kann, dass die Empfangsbestätigung auch tatsächlich vom Schuldner stammt. Nur die digitale Signatur kann die Unterschrift des Schuldners ersetzen.24
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Zwar kennt das deutsche Zustellungsrecht eine elektronische Zustellung (noch) nicht, jedoch kann sie in Verbindung mit nach deutschem Recht zulässigen Zustellungsarten, die per se nicht die Min-
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17 18 19 20 21 22 23 24
Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 3. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 112; Kropholler/von Hein, Rz. 5. Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 3. Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 19; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 6. So Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 4. Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 20. Kropholler/von Hein, Rz. 7. Gegen die Bestätigung mittels einfacher E-Mail bereits Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 115; so auch Schlosser/ Hess/Schlosser, Rz. 5; NK-ZV/Stürner, Rz. 5; a.A. Kropholler/von Hein, Rz. 7.
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Art. 14 EG-VollstrTitelVO
Zustellung ohne Nachweis des Empfangs durch den Schuldner
desterfordernisse der VO erfüllen, ein Mittel sein, um die Bestätigung als EuVollstrTitel zu ermöglichen. Ist insbesondere der Aufenthalt des Beklagten unbekannt und nach deutscher lex fori eine öffentliche Zustellung vorzunehmen, so wird damit nur den Anforderungen im deutschen Erkenntnisverfahren genüge getan. Die parallele elektronische Übermittlung an eine gültige E-Mail-Adresse des Beklagten kann, sofern der Beklagte daraufhin das notwendige Empfangsbekenntnis zurücksendet, den Mindeststandard der VO für die Zustellung wahren. Dies gilt, obwohl die Übersendung per E-Mail aus Sicht der lex fori kein Element der Zustellung ist.
IV. Empfangsbestätigung 21
Die Empfangsbestätigung, die in jeder Alternative des Abs. 1 verlangt wird, ist nicht bloßes Beweismittel, sondern konstitutiver Teil der Zustellung und damit Teil der zu überprüfenden Mindestvoraussetzungen. Wurde die Empfangsbestätigung nicht erstellt, so genügt die Zustellung nicht Art. 13 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO.25 Die Empfangsbestätigung muss jedoch im Zeitpunkt der Bestätigung des Titels nicht im Original vorliegen; ihre ursprüngliche Existenz kann auch in anderer Weise nachgewiesen werden.
22
Die in allen Alternativen geforderte Datierung der Empfangsbestätigung ist hingegen kein konstitutives Element der Zustellung,26 solange positiv feststeht, dass das zuzustellende Schriftstück den Adressaten erreicht hat. Ist wegen Fehlens der Datierung unklar, wann die Zustellung stattgefunden hat, kann freilich nur von einer Zustellung zu dem Zeitpunkt ausgegangen werden, in dem die Empfangsbestätigung bei dem veranlassenden Gericht eintrifft. Der Verordnungsgeber wollte mit dem Datumserfordernis keine um ihrer selbst willen zu beachtende Formalie einführen. Vielmehr soll ein Zeitpunkt sicher nachgewiesen sein, zu dem die Zustellung tatsächlich erfolgt ist. Fehlt das Datum, so ist diese Sicherheit jedoch ab dem Eintreffen der Empfangsbestätigung bei dem Ursprungsgericht in gleicher Weise gegeben.
23
Einheitliche Vordrucke für die Bestätigung existieren nicht.27 Dies liegt bereits in der Natur der Sache, es wurde nicht das Zustellungsrecht vereinheitlicht, sondern lediglich nachträgliche Beurteilungskriterien eingeführt. Jede Bescheinigung nationalen Rechts genügt daher, soweit sie nur die inhaltlichen Anforderungen erfüllt. Die Zustellungsbescheinigung nach Art. 10 EG-ZustVO 2007/ Art. 14 EU-ZustVO 2020 genügt den Anforderungen des Abs. 1 lit. a, c und d hingegen nicht, da sie nicht die Unterschrift des Schuldners trägt. Häufig wird jedoch die zustellende Empfangsstelle einen ausreichenden Nachweis besitzen, der nach den Bestimmungen der EG-ZustVO nicht an die ersuchende Übermittlungsstelle weiterzuleiten ist. Das bestätigende Gericht muss daher diese Nachweise – ggf. in beglaubigter Abschrift – erst zeitaufwendig anfordern, ehe eine Bestätigung als EuVollstrTitel erfolgen kann.28
Artikel 14 Zustellung ohne Nachweis des Empfangs durch den Schuldner (1) Das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück sowie eine Ladung zu einer Gerichtsverhandlung kann dem Schuldner auch in einer der folgenden Formen zugestellt worden sein: a) persönliche Zustellung unter der Privatanschrift des Schuldners an eine in derselben Wohnung wie der Schuldner lebende Person oder an eine dort beschäftigte Person;
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Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 117; Kropholler/von Hein, Rz. 1. A.A. Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1; Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 24. Dies bemängeln Heß, NJW 2002, 2417, 2426; Hüßtege, FS Jayme (2004) 371, 379. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 134.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 14 EG-VollstrTitelVO
b) wenn der Schuldner Selbstständiger oder eine juristische Person ist, persönliche Zustellung in den Geschäftsräumen des Schuldners an eine Person, die vom Schuldner beschäftigt wird; c) Hinterlegung des Schriftstücks im Briefkasten des Schuldners; d) Hinterlegung des Schriftstücks beim Postamt oder bei den zuständigen Behörden mit entsprechender schriftlicher Benachrichtigung im Briefkasten des Schuldners, sofern in der schriftlichen Benachrichtigung das Schriftstück eindeutig als gerichtliches Schriftstück bezeichnet oder darauf hingewiesen wird, dass die Zustellung durch die Benachrichtigung als erfolgt gilt und damit Fristen zu laufen beginnen; e) postalisch ohne Nachweis gemäß Absatz 3, wenn der Schuldner seine Anschrift im Ursprungsmitgliedstaat hat; f) elektronisch, mit automatisch erstellter Sendebestätigung, sofern sich der Schuldner vorab ausdrücklich mit dieser Art der Zustellung einverstanden erklärt hat. (2) Für die Zwecke dieser Verordnung ist eine Zustellung gemäß Absatz 1 nicht zulässig, wenn die Anschrift des Schuldners nicht mit Sicherheit ermittelt werden kann. (3) Die Zustellung nach Absatz 1 Buchstaben a) bis d) wird bescheinigt durch a) ein von der zuständigen Person, die die Zustellung vorgenommen hat, unterzeichnetes Schriftstück mit den folgenden Angaben: i) die gewählte Form der Zustellung und ii) das Datum der Zustellung sowie, iii) falls das Schriftstück einer anderen Person als dem Schuldner zugestellt wurde, der Name dieser Person und die Angabe ihres Verhältnisses zum Schuldner, oder b) eine Empfangsbestätigung der Person, der das Schriftstück zugestellt wurde, für die Zwecke von Absatz 1 Buchstaben a) und b). I. Normzweck, Verhältnis zu Art. 13 EG-VollstrTitelVO . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mit Sicherheit ermittelte Anschrift (Abs. 2) . III. Zulässige Arten der Ersatzzustellung . . . . 1. Person in der Wohnung des Schuldners (Abs. 1 lit. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Person in den Geschäftsräumen des Schuldners (Abs. 1 lit. b) . . . . . . . . . . . 3. Hinterlegung im Briefkasten des Schuldners (Abs. 1 lit. c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hinterlegung bei Postamt oder Behörde (Abs. 1 lit. d) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 5
. 10 . 10 . 14 . 19
5. Postalisch ohne Nachweis (Abs. 1 lit. e) . . 6. Elektronische Zustellung (Abs. 1 lit. f) . . . a) Arten der elektronischen Übermittlung b) Automatisch erstellte Sendebestätigung c) Einverständnis des Schuldners . . . . . IV. Zustellungsbescheinigung (Abs. 3) . . . . 1. Zwingende Beweisregel . . . . . . . . . . . . 2. Bescheinigung von der zuständigen Person (Abs. 3 lit. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Empfangsbescheinigung . . . . . . . . . . .
. . . . .
. . . . .
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. . 29 . . 29 . . 30 . . 33
. 21
I. Normzweck, Verhältnis zu Art. 13 EG-VollstrTitelVO In Ergänzung zu Art. 13 EG-VollstrTitelVO, wo die Zustellungsformen geregelt sind, die den Nach- 1 weis des Empfangs der Zustellung durch den Schuldner gewährleisten, regelt Art. 14 EG-VollstrTitelVO die als Grundlage für eine Bestätigung genügenden Formen der Ersatzzustellung. Diese Formen folgen dem Grundsatz, dass der Zugang beim Schuldner zwar nicht sicher sein, jedoch ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit für den Zugang bestehen muss (ErwGr. 14 EG-VollstrTitelVO). Das Schriftstück gelangt zumindest so in den Machtbereich des Schuldners, dass es ihm obliegt, dafür zu sorgen, dass er dieses Schriftstück auch erhält.1
1 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 11 (Art. 11–14); Kropholler/von Hein, Rz. 1.
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Art. 14 EG-VollstrTitelVO
Zustellung ohne Nachweis des Empfangs durch den Schuldner
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Die Liste der möglichen Arten der Ersatzzustellung in Art. 14 EG-VollstrTitelVO ist abschließend.2 Ein entsprechender Vorschlag aus dem Europäischen Parlament, den Katalog allein als Regelbeispiele auszugestalten,3 fand in der endgültigen Verordnung keinen Niederschlag. Ähnliche Varianten nationaler Zustellungsrechte, die nicht alle Tatbestandsmerkmale erfüllen, entsprechen somit nicht den Mindeststandards.
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Erlangt der Schuldner unverschuldet keine oder nicht rechtzeitig Kenntnis von dem Schriftstück, so steht ihm im Ursprungsmitgliedstaat der nach Art. 19 Abs. 1 lit. a EG-VollstrTitelVO vorzuhaltende Rechtsbehelf zur Verfügung (s. Art. 19 EG-VollstrTitelVO Rz. 8 ff.).
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Zustellungen nach Art. 14 EG-VollstrTitelVO sind für alle Schriftstücke genügend, die nach Art. 13 EG-VollstrTitelVO der Zustellung nach den Mindeststandards der VO bedürfen, also das verfahrenseinleitende Schriftstück, das gleichwertige Schriftstück und die Ladung zu einer Gerichtsverhandlung (Abs. 1, vgl. dazu Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rz. 3 f.). Art. 14 EG-VollstrTitelVO stellt weitere alternative Formen zur Verfügung, die untereinander sowie im Verhältnis zu den Zustellungsarten des Art. 13 EG-VollstrTitelVO gleichrangig sind. Weder müssen bestimmte Arten der Ersatzzustellung vorrangig versucht werden, noch muss zuerst eine Zustellung nach Art. 13 EG-VollstrTitelVO erfolglos versucht worden sein, ehe eine Ersatzzustellung nach Art. 14 EG-VollstrTitelVO erfolgen darf.4
II. Mit Sicherheit ermittelte Anschrift (Abs. 2) 5
Fiktive Zustellungen, wie die deutsche öffentliche Zustellung oder die französische remise au parquet5 genügen den Mindestanforderungen der Art. 13 EG-VollstrTitelVO, Art. 14 EG-VollstrTitelVO nicht. Dies bestätigt Abs. 2, wonach eine die Mindestanforderungen der VO erfüllende Zustellung ausgeschlossen ist, wenn die Anschrift des Schuldners nicht mit Sicherheit ermittelt werden kann.6 Als Anschrift ist grundsätzlich die postalische Adresse zu verstehen, an der der Schuldner im Sinn des Mittelpunkts seiner Lebens- oder Geschäftsinteressen regelmäßig erreichbar ist. Dabei ist, je nach Zustellungsart, zwischen der Privatanschrift (Abs. 1 lit. a) und der Geschäftsanschrift (Abs. 1 lit. b) zu unterscheiden. Juristische Personen haben ihre Anschrift an ihrem satzungsmäßigen Sitz.
6
Soweit nach Abs. 1 lit. f eine elektronische Zustellung möglich ist, kann Abs. 2 nicht auf die postalische Anschrift bezogen werden. Zweckentsprechend ist „Anschrift“ für diese Zustellungsart dahingehend zu verstehen, dass die „elektronische Anschrift“, also die E-Mail-Adresse oder Fax-Nummer, mit Sicherheit ermittelt werden muss.7
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Auch diese Frage ist aufgrund der Struktur der Art. 13 EG-VollstrTitelVO, Art. 14 EG-VollstrTitelVO lediglich ex post im Bestätigungsverfahren zu beurteilen. Maßgeblich ist also nicht, ob das Ursprungsgericht der Überzeugung war, die Anschrift des Schuldners sei mit Sicherheit ermittelt, sondern ob dies nach dem Kenntnisstand im Zeitpunkt der Bestätigung der Fall gewesen ist.
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Wurde ohne Prüfung durch das Ursprungsgericht blind an die vom Gläubiger angegebene Anschrift zugestellt, so kann eine solche Zustellung gleichwohl den Mindeststandards genügen, wenn sich im Bestätigungsverfahren mit Sicherheit ergibt, dass diese Anschrift die des Schuldners war. Andererseits ist die Bestätigung zu versagen, wenn die Zustellungsanschrift zwar dem Erkenntnisstand
2 Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 6. 3 Wuermeling, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Europäisches Parlament, 26.3.2003, A5-0108/2003 (Änderungsantrag 11). 4 Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 13 Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 112; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 2; Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Art. 12 Rz. 7; Kropholler/von Hein, Rz. 3; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 105; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 456; anders die ersten Entwürfe der Europäischen Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 11 (Art. 11–14), 25 (Art. 12 Abs. 1); Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 6 (Abänderung 11), 16 (Art. 12 Abs. 1). 5 Stadler, IPRax 2006, 116, 121. 6 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 12; Kropholler/von Hein, Rz. 2, 26. 7 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 130; a.A. High Court (UK) v. 29.4.2016 – [2016] EWHC 983 (Ch) – Chachani Misti y Pichu Pichu SRL vs. Hostplanet Ltd. and Finn Grimpe, unalex UK-1466.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 14 EG-VollstrTitelVO
des Ursprungsgerichts entsprach, sich im Zeitpunkt der Bestätigung jedoch ergibt, dass die Zustellungsanschrift nicht (mehr) die des Schuldners war.8 Bei unbekannter Anschrift kommt eine Zustellung nach Art. 14 EG-VollstrTitelVO nicht in Betracht.9 Jedoch könnte die Kombination aus fiktiver Zustellung nach nationalem Recht und elektronischer Zustellung nach Art. 13 Abs. 1 lit. d EG-VollstrTitelVO (s. Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rz. 18) Erfolg versprechen, da so die Kenntnis einer postalischen Anschrift nicht voraussetzt wird. Auf diese Möglichkeit der elektronischen Zustellung bei unbekannter postalischer Anschrift ging der EuGH noch nicht ein.
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III. Zulässige Arten der Ersatzzustellung 1. Person in der Wohnung des Schuldners (Abs. 1 lit. a) Die Zustellung kann durch Übergabe des Schriftstückes an eine in derselben Wohnung lebende oder dort beschäftigte Person erfolgen. Dabei wird nicht an den Wohnsitz des Schuldners angeknüpft, sondern an seine Privatanschrift.
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Diesen Begriff setzt die VO als außergesetzlich definiert voraus. Er ist autonom auszufüllen. Auch 11 wenn das deutsche Verständnis nicht unmittelbar in die VO übertragen werden darf,10 wird man doch Hinweise aus der Auslegung des Begriffs Wohnung in § 178 ZPO entnehmen können.11 Als Privatanschrift wird man mithin regelmäßig den tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Schuldners annehmen können.12 Abgestellt werden muss zudem auf die konkrete Wohnung des Schuldners; nicht ausreichend ist daher die Übergabe an Personen in anderen Wohnungen desselben Gebäudes oder benachbarter Gebäude.13 Anforderungen an das Alter der Person, an die (ersatz-)zugestellt wird, setzt die VO nicht. Aus dem Zweck, mit der Ersatzzustellung ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit des Zugangs an den Schuldner zu erreichen, folgt jedoch, dass nur an solche Personen zugestellt werden kann, die zur Wahrung dieses Ziels aufgrund ausreichender Verständigkeit geeignet sind.14 Der EuGH nimmt an, dass nur „Erwachsene“ das Schriftstück in Empfang nehmen können.15
12
Die Annahmeverweigerung durch die Person, an die zugestellt werden soll, führt nicht, wie bei Art. 13 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO, zu einer wirksamen Zustellung (ErwGr. 15 EG-VollstrTitelVO). Dem Schuldner kann nicht die Annahmeverweigerung durch eine dritte Person zugerechnet werden, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Annahmeverweigerung berechtigt oder unberechtigt war.16
13
2. Person in den Geschäftsräumen des Schuldners (Abs. 1 lit. b) Ersatzzustellungen an Selbständige oder juristische Personen können persönlich in den Geschäftsräumen des Schuldners an eine vom Schuldner beschäftigte Person bewirkt werden. Nicht erforderlich ist, dass sich das Verfahren, in dem das Schriftstück zuzustellen ist, auf die geschäftliche Sphäre des 8 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 129; wohl auch Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 8, der jedenfalls darauf verweist, dass eine (zuletzt) erfolgte Bekanntgabe der Anschrift durch den Schuldner nicht genügt. 9 EuGH v. 15.3.2012 – C-292/10, ECLI:EU:C:2012:142 – G vs. Cornelius de Visser Rz. 67, EuZW 2012, 381 = IPRax 2013, 341. 10 Kropholler/von Hein, Rz. 8. 11 Dazu Häublein/Müller in MünchKomm/ZPO, § 178 ZPO Rz. 5 ff.; Musielak/Voit/Wittschier, § 178 ZPO Rz. 3 f.; Hüßtege in Thomas/Putzo, § 178 ZPO Rz. 7 ff.; Zöller/Schultzky, § 178 ZPO Rz. 3 ff. 12 Ebenso Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 4; NK-ZV/Stürner, Rz. 6. 13 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 – Andrew Marcus Henderson vs. Novo Banco SA Rz. 97, EuZW 2017, 344, 348. 14 Rauscher, EuVollstrTitelVO Rz. 123; Fasching/Rechberger, Rz. 4; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR Rz. 6; Kropholler/von Hein, Rz. 9, der pauschal ein Mindestalter von 14 annimmt. 15 EuGH v. 2.3.2017 – C-354/15, ECLI:EU:C:2017:157 – Andrew Marcus Henderson vs. Novo Banco SA Rz. 95, EuZW 2017, 344, 348. 16 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 123; Kropholler/von Hein, Rz. 7; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 2.
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Art. 14 EG-VollstrTitelVO
Zustellung ohne Nachweis des Empfangs durch den Schuldner
Zustellungsadressaten bezieht; insbesondere können auch Klagen, die gegen den Selbständigen aus Verbrauchergeschäften erhoben werden, in dieser Form zugestellt werden.17 15
Der Schuldner muss Selbständiger oder eine juristische Person sein. Der Begriff des Selbständigen umfasst zunächst natürliche Personen, die als Unternehmer tätig sind; erfasst sind Gewerbetreibende, Handwerker und Freiberufler.18 Der Begriff der juristischen Person entspricht dem in Art. 60 Abs. 1 Brüssel I-VO/Art. 63 Abs. 1 Brüssel Ia-VO; die Existenz der juristischen Person beurteilt sich nach ihrem Gesellschaftsstatut. Während juristische Personen unabhängig von ihrer Geschäftstätigkeit jedenfalls von Abs. 1 lit. b erfasst sind, dürften Gesellschaften, soweit sie nicht juristische Personen sind, nur dann in den Anwendungsbereich fallen, wenn es sich um „Selbständige“ handelt. Eine Anwaltssozietät fällt damit in den Anwendungsbereich der Bestimmung, eine nicht selbständig tätige BGB-Gesellschaft hingegen nicht.
16
Die Ersatzzustellung muss in den Geschäftsräumen erfolgen. Dies sind die Räume, in denen die Geschäfte regelmäßig ausgeübt werden, z.B. die Kanzlei, die Praxis, das Büro, der Laden oder die Werkstatt.19 Sie sind bei Selbständigen normativ von deren Privaträumen abzugrenzen, müssen aber räumlich von diesen nicht abgegrenzt sein. Auch der Messestand kann als (zeitlich begrenzt eingerichteter) Geschäftsraum angesehen werden.20 Einschränkend müssen Zweigniederlassungen beurteilt werden. Sie sind allein dann als Geschäftsräume des Schuldners anzusehen, wenn sich der Rechtstreit auf die Tätigkeit der Zweigniederlassung bezieht.21
17
An die Person, an welche in Geschäftsräumen ersatzzugestellt wird, sind die gleichen Eignungsanforderungen wie unter Abs. 1 lit. a zu stellen (s. oben Rz. 10 ff.). Beschäftigt sind alle im Geschäft des Schuldners tätigen Mitarbeiter. Auf die Rechtsstellung und Funktion im Unternehmen kommt es nicht an, erfasst sind auch Auszubildende sowie unentgeltlich mitarbeitende Familienangehörige.22
18
Im deutschen Recht genügen Zustellungen nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO diesem Mindeststandard. 3. Hinterlegung im Briefkasten des Schuldners (Abs. 1 lit. c)
19
Den Anforderungen der VO genügt es, wenn das Schriftstück im Briefkasten des Schuldners hinterlegt wird. Einem Briefkasten stehen ein Briefeinwurf oder ein Hausbrieffach funktionell gleich.23 Der Briefkasten muss dem Schuldner zuzuordnen sein. Weitere besondere Anforderungen an die Qualität des Briefkastens, insbesondere die Eignung für die sichere Aufbewahrung von Post, wurden im Verordnungsverfahren gestrichen.24 Das Risiko, dass Dritte ohne weiteres Zugriff auf den Briefkasten haben und das zugestellte Schriftstück so abhanden kommt, trägt also der Schuldner.25 Auch Erfordernisse für den Standort des Briefkastens fehlen. Eine gewisse räumliche Nähe zur Anschrift des Schuldners wird man aus dem Regelungszweck im Zusammenhang mit Abs. 2 (s. Rz. 5) herleiten müssen. Der Briefkasten muss sich also an der Wohnung oder den Geschäftsräumen befinden. Andererseits kann, auch wenn die Kommission keine größeren inhaltlichen Veränderungen erkennt,26 nicht der detaillierte Normtext des ersten Verordnungsvorschlages in den nunmehr erheblich gekürz-
17 Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 4; Fasching/Rechberger, Rz. 6; Rauscher, GPR 2003/04, 286, 290; NK-ZV/ Stürner, Rz. 7; a.A. Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 16. 18 Kropholler/von Hein, Rz. 10; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 7. 19 Kropholler/von Hein, Rz. 12. 20 Zum deutschen Recht BGH v. 5.5.2008 – X ZB 36/07, NJW-RR 2008, 1082; OLG Köln v. 13.8.2009 – 17 W 181/09, NJW-RR 2010, 646, 647. 21 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 3. 22 Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 7. 23 Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 21. 24 Anders noch der erste Kommissionsvorschlag, Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 25 (Art. 12). 25 Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 8; Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 21; Kropholler/von Hein, Rz. 17; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 125; Stadler, RIW 2004, 801, 806; kritisierend auch Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1546. 26 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 10 (Art. 12).
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 14 EG-VollstrTitelVO
ten Text hineingelesen werden. Ist der Briefkasten nach seinem objektiven und offensichtlichen Erscheinungsbild nicht mehr in Gebrauch, so kann eine Zustellung in ihm nicht mehr erfolgen.27 Die Zustellung nach § 180 ZPO im deutschen Recht stellt engere Voraussetzungen auf und genügt jedenfalls dieser Alternative.
20
4. Hinterlegung bei Postamt oder Behörde (Abs. 1 lit. d) Das zuzustellende Schriftstück kann bei einem Postamt oder bei einer zuständigen Behörde hinterlegt 21 werden. Postamt im Sinn dieser Regelung ist auch eine Poststelle, die nicht Behörde ist, weil sie von einem nicht-staatlichen Postunternehmen betrieben wird.28 Die Eignung zur Hinterlegung besteht jedoch nur dann, wenn die Poststelle auf Publikumsverkehr ausgerichtet ist und aufgrund der örtlichen Lage eine Abholung des Schriftstücks keinen unangemessenen Aufwand erfordert. Die nur zur Lagerung bis zu einem erneuten Zustellungsversuch bestimmten Lager eines Postdienstes sind nicht Postamt i.S.d. Regelung. Behörde i.S.d. Regelung ist auch jedes Gericht.29 Zusätzlich muss in den Briefkasten des Schuldners eine schriftliche Nachricht eingelegt werden. Für den Briefkasten gelten dieselben Voraussetzungen wie zu lit. c (oben Rz. 19). In der Benachrichtigung ist das Schriftstück eindeutig als gerichtliches Schriftstück zu bezeichnen oder darauf hinzuweisen, dass die Zustellung durch die Benachrichtigung als erfolgt gilt und damit Fristen zu laufen beginnen. Nach dem Wortlaut würde einer der beiden Hinweise genügen.30 Im ursprünglichen Entwurfstext31 waren beide Hinweise noch kumulativ vorgesehen („und“ statt „oder“). Die Kommission vermerkt auch hierzu ausdrücklich keine inhaltlichen Änderungen,32 was ein Redaktionsversehen nahelegt,33 zumal nur beide Hinweise im Zusammenwirken einen ausreichend warnenden Effekt haben.
22
Im deutschen Recht erfüllt eine Ersatzzustellung nach § 181 Abs. 1 ZPO diese Anforderungen nicht, da es an der eindeutigen Bezeichnung als gerichtliches Schriftstück, jedenfalls aber an dem Hinweis auf die Rechtsfolgen fehlt.
23
5. Postalisch ohne Nachweis (Abs. 1 lit. e) Die rein postalische Zustellung ohne jegliches Nachweiserfordernis (weder eine Empfangsbescheini- 24 gung des Schuldners noch eine Zustellungsbescheinigung des Postzustellers) wird nur bei reinen Inlandszustellungen zugelassen; der Schuldner muss seine Anschrift im Ursprungsmitgliedstaat haben.34 Damit werden derartige nationale Zustellungsformen als auch für den EuVollstrTitel genügend anerkannt, wenn es sich im Erkenntnisverfahren um einen reinen Inlandssachverhalt handelt. Wegen der Natur als Beurteilungsregel wird damit eine solche Form der Zustellung gerade nicht für andere Mitgliedstaaten eingeführt, sondern gilt nur für Adressaten, die in dem jeweiligen Staat wohnen. Bei Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen bleibt undeutlich, ob der Schuldner „eine“35 oder „seine“,36 mithin die einzige oder zumindest wichtigste Anschrift im Ursprungsmitgliedstaat haben muss. Soweit überhaupt davon ausgegangen wird, dass eine Person mehrere Anschriften haben kann, insbesondere im Fall der Privatanschrift i.S.v. Abs. 1 lit. a und der Geschäftsanschrift i.S.v. Abs. 1 27 Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 21. 28 Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 25; dies trifft derzeit auf die Poststellen der Deutschen Post AG zu; nach der erfolgten Beseitigung des Briefmonopols könnten auch andere Briefdienste solche „Postämter“ einrichten. 29 Kropholler/von Hein, Rz. 18; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 9. 30 In den anderen Sprachfassungen heißt es ebenfalls „oder“: Englisch „or“, Französisch „ou“, Italienisch „o“, Niederländisch „of“, Portugiesisch „ou“, Schwedisch „eller“, Spanisch „o“. 31 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 25 (Art. 12 Abs. 1 lit. d). 32 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 10 (Art. 12). 33 Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 26; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 5; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 126; Rauscher, GPR 2003/04, 286, 290; a.A. Kropholler/von Hein, Rz. 20; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 9; Heringer, S. 97 f. 34 OLG Stuttgart v. 23.10.2007 – 5 W 29/07, Rpfleger 2008, 319. 35 Im Französischen „une adresse“. 36 Im Deutschen „seine Adresse“, im Niederländischen „zijn adres“, im Schwedischen „sin adress“.
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Art. 14 EG-VollstrTitelVO
Zustellung ohne Nachweis des Empfangs durch den Schuldner
lit. b, ist es genügend, wenn sich im Ursprungsmitgliedstaat eine von mehreren für diesen Rechtsstreit maßgeblichen Adressen befindet.37 Ob die Anschrift tatsächlich besteht, muss das bestätigende Gericht wie in allen anderen Zustellungsvarianten prüfen; auch für diese Zustellungsvariante ist es Bestätigungsvoraussetzung, dass die Anschrift tatsächlich besteht.38 6. Elektronische Zustellung (Abs. 1 lit. f) a) Arten der elektronischen Übermittlung 26
Abs. 1 lit. f führt auch bei den Ersatzzustellungen eine Möglichkeit der elektronischen Übermittlung ein.39 Erfasst werden alle elektronischen Kommunikationswege, insbesondere Fax und E-Mail. b) Automatisch erstellte Sendebestätigung
27
Das Kriterium, an das die Möglichkeit der Kenntnisnahme i.S.d. Art. 14 EG-VollstrTitelVO für diese Variante anknüpft, ist die – den Zugang nicht unmittelbar nachweisende – automatisch erstellte Sendebestätigung. Nachgewiesen wird damit lediglich die Übergabe der Daten in den elektronischen Machtbereich des Empfängers der Nachricht durch ein automatisch vom elektronischen Kommunikationsmittel erstelltes Protokoll. Automatisch bedeutet dabei, dass es aufgrund einer Programmierung ohne Rücksicht auf den jeweiligen Übermittlungsfall zwingend erstellt wird. Tauglich hierzu ist auch der Sendebericht des absendenden Faxgerätes,40 soweit er die Empfangsmeldung des Adressaten-Faxes protokolliert. Bei Versendung durch E-Mail genügt die Bestätigung, die der versendende Server aufgrund der vom Empfangsserver erstellten Meldung über die erfolgreiche Übergabe zwischen den Servern aufzeichnet.41 Erst recht dürfte die halbautomatische Bestätigung durch eine automatisch abgefragte, vom Adressaten freigegebene Zugangsbestätigung aus dem Rechner des Adressaten genügen, die mangels Unterschrift nicht als „Empfangsbestätigung“ i.S.d. Art. 13 Abs. 1 lit. d EG-VollstrTitelVO genügt, jedoch eindeutiger als jedes automatische Übergabeprotokoll nachweist, dass das Schriftstück in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist. c) Einverständnis des Schuldners
28
Der Schuldner muss sich mit dieser Zustellungsform vorher ausdrücklich einverstanden erklärt haben. Dieses Einverständnis kann generell ausgesprochen worden sein, muss sich also nicht auf den konkreten Prozess beziehen. Es muss vor der Zustellung erfolgt und ausdrücklich sein. Die bloße Angabe einer E-Mail-Adresse zu Korrespondenszwecken bei der Geschäftsabwicklung kann daher nicht ausreichen.42 Einer Form bedarf das Einverständnis nicht.43 Es kann auch in AGB erteilt werden.44 Lässt sich der Verwender der AGB in diesen jedoch allein das Einverständnis der anderen Vertragspartei geben, so wird eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 BGB gegeben sein.45
IV. Zustellungsbescheinigung (Abs. 3) 1. Zwingende Beweisregel 29
Die Zustellungsarten nach Abs. 1 lit. a–d genügen als Grundlage einer Bestätigung als EuVollstrTitel nur, wenn eine Zustellungsbescheinigung ausgestellt wurde (Abs. 3). Hierbei handelt es sich zwar 37 Teilweise anders Kropholler/von Hein, Rz. 22. 38 Kropholler/von Hein, Rz. 22; kritisch, ob das Gericht die Überprüfung leisten kann, Stadler, RIW 2004, 801, 806. 39 Gegen eine derartige Zustellung spricht sich Stadler, RIW 2004, 801, 806 aus. 40 Kropholler/von Hein, Rz. 24; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 11. 41 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 128. 42 Kropholler/von Hein, Rz. 25; NK-ZV/Stürner, Rz. 13; a.A. Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 118. 43 Kropholler/von Hein, Rz. 25; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 11; Fasching/Rechberger, Rz. 11. 44 Dazu Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1546 f. 45 So auch Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 11.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 15 EG-VollstrTitelVO
nicht um ein formelles Element der Zustellung, das die VO ohnehin nicht vorsehen könnte, sondern um eine Beweisregel. Diese Zustellungsarten können ausschließlich durch die Zustellungsbescheinigung nachgewiesen werden. Liegt die Bescheinigung nicht vor, darf eine Bestätigung als EuVollstrTitel nicht erfolgen, selbst wenn die Zustellung in der jeweils beschriebenen Form auf andere Weise nachgewiesen werden kann.46 Bei Verlust der ursprünglich ausgestellten Zustellungsbescheinigung kann der Nachweis ebenfalls nicht in anderer Weise geführt werden, da die Zustellungsbescheinigung nicht ein – nachzuweisendes – Element der Zustellung ist, sondern Beweismittel. 2. Bescheinigung von der zuständigen Person (Abs. 3 lit. a) Die Zustellungsbescheinigung muss von der für die Zustellung zuständigen Person (Art. 13 EGVollstrTitelVO Rz. 7) herrühren und von dieser unterzeichnet sein. Jedoch ist auf der Bescheinigung nicht anzugeben, woraus sich die Zuständigkeit der Person ergibt. Ob es sich bei der die Zustellung vornehmenden Person mithin tatsächlich um eine zuständige Person handelte, ist im Bestätigungsverfahren schwer oder nicht überprüfbar, so dass dieses Merkmal leerzulaufen droht.47
30
Durch die die Zustellung vornehmende Person sind auf der Bescheinigung die konkret gewählte Zu- 31 stellungsform (Abs. 3 lit. a sublit. i), das Datum der Zustellung (Abs. 3 lit. a sublit. ii) sowie im Fall der Ersatzzustellung an eine dritte Person der Name der Person, der das Schriftstück übergeben wurde, und deren Verhältnis zum Schuldner (Abs. 3 lit. a sublit. iii) zu bezeichnen. Im deutschen Recht erfüllt die Zustellungsurkunde nach § 182 Abs. 2 ZPO die förmlichen und inhaltlichen Voraussetzungen des Abs. 3 lit. a.
32
3. Empfangsbescheinigung Alternativ genügt in den Fällen des Abs. 1 lit. a und b (Ersatzzustellung an dritte Personen) nach Abs. 3 lit. b eine Empfangsbescheinigung der Person, der das Schriftstück zugestellt wurde. Inhaltliche Anforderungen an diese Empfangsbestätigung regelt die VO nicht gesondert. Zwar wäre daran zu denken, wegen der Ähnlichkeit zu einer Empfangsbestätigung nach Art. 13 EG-VollstrTitelVO den dort bezeichneten Inhalt genügen zu lassen. Der Zweck der Empfangsbescheinigung als Substitut der Zustellungsbescheinigung nach Abs. 3 lit. a legt es jedoch nahe, den Inhalt nach lit. a entsprechend auch für die Empfangsbestätigung zu fordern.48 Insbesondere bedarf es der näheren Angaben zu der Person, an die ersatzzugestellt wurde, um nachzuweisen, dass das Schriftstück in den Machtbereich des Schuldners gelangt ist.
Artikel 15 Zustellung an die Vertreter des Schuldners Die Zustellung gemäß Artikel 13 oder Artikel 14 kann auch an den Vertreter des Schuldners bewirkt worden sein. I. Vertreter nach der VO . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzlicher und gewillkürter Vertreter . . . . 2. Bestimmung der Vertretungsmacht . . . . . .
1 1 2
II. Zustellung an den Vertreter . . . . . . . . . .
3
1. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Wirkungen im Erkenntnisverfahren . .
3 4
III. Zustellungsarten . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
46 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 131; Kropholler/von Hein, Rz. 27. 47 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 9. 48 So auch Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 9.
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Art. 15 EG-VollstrTitelVO
Zustellung an die Vertreter des Schuldners
I. Vertreter nach der VO 1. Gesetzlicher und gewillkürter Vertreter 1
Art. 15 EG-VollstrTitelVO lässt die Zustellung an den Vertreter des Schuldners genügen. Eine Definition des Begriffes „Vertreter“ enthält die VO nicht, ErwGr. 16 EG-VollstrTitelVO beschreibt jedoch die Vertretungsfälle, an die bei Schaffung der Norm gedacht wurde. Art. 15 EG-VollstrTitelVO erfasst sowohl die Zustellung an den gesetzlichen Vertreter einer juristischen Person oder einer nicht (voll) geschäftsfähigen natürlichen Person als auch die Zustellung an den gewillkürten Vertreter, mithin eine aus freien Stücken vom Schuldner bestimmte Person.1 Erfasst ist damit auch der Prozessvertreter.2 Ein vom Gericht nach innerstaatlichen Vorschriften für das Verfahren bestellter Kurator hingegen kann dem Vertreter nicht gleichgestellt werden.3 2. Bestimmung der Vertretungsmacht
2
Ob Vertretungsmacht besteht, regelt die VO jedoch nicht. Insoweit ist auf das nach dem IPR der lex fori bestimmte maßgebliche Statut zurückzugreifen,4 für die Bestimmung der Organe einer juristischen Person also auf das Gesellschaftsstatut, für die Wirksamkeit der Vollmacht auf das Vertretungsstatut.
II. Zustellung an den Vertreter 1. Zulässigkeit 3
Hingegen ist die Zulässigkeit der Zustellung an einen Vertreter autonom nach der VO zu bestimmen und danach uneingeschränkt zulässig. Ein Rückgriff auf die Statthaftigkeit einer solchen Zustellung nach nationalem Prozessrecht erfolgt nicht. Entsprechende Pläne5 während der Entstehung der VO wurden nicht weiterverfolgt, da es im Rat als zu kompliziert angesehen wurde, ein maßgebliches Recht und die nach diesem Recht mit der Vertretung des Schuldners zusammenhängenden Aspekte zu bestimmen.6 Eine Zustellung an einen Vertreter genügt damit als Grundlage der Bestätigung als EuVollstrTitel auch dann, wenn diese Zustellung in gehöriger Form an einen lege causae wirksam bestellten Vertreter erfolgte, die lex fori des Ursprungsmitgliedstaates die konkrete Vertretung bzw. die Zustellung an den Vertreter aber nicht gestattet.7 2. Keine Wirkungen im Erkenntnisverfahren
4
Auf das Erkenntnisverfahren wirkt sich dies freilich nicht aus; insoweit ist die Zulässigkeit der Vertretung nach nationalem Prozessrecht zu bestimmen. Auch Art. 15 EG-VollstrTitelVO befasst sich nur mit der Situation der Bestätigung, wirkt aber nicht – auch nicht heilend – auf die Ausgestaltung des jeweiligen Zustellungsrechts ein. Es kann sich also ergeben, dass eine Zustellung an einen Vertreter lege fori nicht wirksam ist, obgleich sie für Zwecke der Bestätigung genügen würde.8 In diesem Fall kann der gleichwohl ergangene Titel bestätigt werden, unterliegt aber andererseits im nationalen Instanzenzug ggf. der Aufhebung wegen des Zustellungsmangels, es sei denn, dieser wäre nach nationalem Recht geheilt. 1 Vgl. auch Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 25 (Art. 11 Abs. 2), 26 (Art. 12 Abs. 2); Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 8 (ErwGr. 11c). 2 Vgl. Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 12; Fasching/Rechberger, Rz. 1; Jennissen, InVO 2006, 263, 265. 3 EuGH v. 27.6.2019 – C-518/18, ECLI:EU:C:2019:518 – RD vs. SC Rz. 28, NJW 2019, 2688, 2689 = EuZW 2019, 839, 840. 4 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 122; NK-ZV/Stürner, Rz. 1; Nagel/ Gottwald, IZPR § 14 Rz. 14.45 Fn. 75. 5 Vgl. Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 15 (Art. 11 Abs. 2), 16 (Art. 12 Abs. 2). 6 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 6 (Abänderung 10). 7 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 2. 8 Fasching/Rechberger, Rz. 2; NK-ZV/Stürner, Rz. 2.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 16 EG-VollstrTitelVO
III. Zustellungsarten Die Zustellung an den Vertreter erfüllt die Voraussetzungen für eine Bestätigung, wenn sie mutatis mutandis einer der in Art. 13 EG-VollstrTitelVO und Art. 14 EG-VollstrTitelVO vorgesehenen Formen entspricht. An die Stelle des Schuldners tritt jeweils der Vertreter; für die Bestimmung der maßgeblichen Anschrift sowie des Briefkastens unter Art. 13 EG-VollstrTitelVO und Art. 14 EG-VollstrTitelVO ist ebenfalls auf die Person des Vertreters abzustellen.
5
Insbesondere ist eine Zustellung an Mandanten im Wege der Ersatzzustellung an den Prozessbevollmächtigten unter dessen Kanzleianschrift genügend. Obgleich Art. 15 EG-VollstrTitelVO i.V.m. Art. 14 Abs. 1 lit. a EG-VollstrTitelVO auch eine Zustellung an den Mandanten im Wege der Ersatzzustellung an die Privatadresse des Verfahrensbevollmächtigten zu gestatten scheint, dürfte es regelmäßig für eine solche Zustellung an der Maßgeblichkeit der Privatanschrift des Rechtsanwalts fehlen.
6
Artikel 16 Ordnungsgemäße Unterrichtung des Schuldners über die Forderung Um sicherzustellen, dass der Schuldner ordnungsgemäß über die Forderung unterrichtet worden ist, muss das verfahrenseinleitende Schriftstück oder das gleichwertige Schriftstück folgende Angaben enthalten haben: a) den Namen und die Anschrift der Parteien; b) die Höhe der Forderung; c) wenn Zinsen gefordert werden, den Zinssatz und den Zeitraum, für den Zinsen gefordert werden, es sei denn, die Rechtsvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats sehen vor, dass gesetzliche Zinsen automatisch der Hauptforderung hinzugefügt werden;* d) die Bezeichnung des Forderungsgrundes. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen . . . . . . . . . 1. Form . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Katalog notwendiger Angaben a) Abschließende Aufzählung . b) Parteien . . . . . . . . . . . .
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1 3 3 4 4 6
c) Forderungshöhe . . d) Zinsen . . . . . . . e) Forderungsgrund . aa) Deutschland . bb) Österreich . .
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. 7 . 8 . 11 . 12 . 13
I. Normzweck Art. 16 EG-VollstrTitelVO soll sicherstellen, dass dem Schuldner bei Prozessbeginn alle notwendigen Informationen zur Verfügung standen, die er benötigte, um zu entscheiden, ob und wie er sich verteidigen will bzw. um das Risiko einer Säumnis abzuschätzen.
1
Auch Art. 16 EG-VollstrTitelVO findet, wie Art. 13 ff. EG-VollstrTitelVO, nur Anwendung auf unbestrittene Forderungen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. b oder c EG-VollstrTitelVO (Art. 12 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO). Hat der Schuldner hingegen die Forderung nach Art. 3 Abs. 1 lit. a oder d EG-VollstrTitelVO unstreitig gestellt, so bedarf er des von Art. 16 EG-VollstrTitelVO intendierten Schutzes nicht.
2
* In der deutschen Sprachfassung korrigiert ABl. EU 2005 L 97/64.
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Art. 16 EG-VollstrTitelVO
Unterrichtung des Schuldners über die Forderung
II. Voraussetzungen 1. Form 3
Die erforderlichen Angaben können dem Schuldner nicht in beliebiger Weise zur Kenntnis gebracht werden. Sie müssen in dem verfahrenseinleitenden Schriftstück oder einem gleichwertigen Schriftstück (zu den Begriffen vgl. Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rz. 3) enthalten sein. Für dieses gelten insbesondere die Zustellungskriterien nach Art. 13 EG-VollstrTitelVO bis Art. 15 EG-VollstrTitelVO. 2. Katalog notwendiger Angaben a) Abschließende Aufzählung
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Die notwendigen Angaben sind in lit. a–d abschließend aufgezählt. Mit Rücksicht auf den Normzweck kann dieser Katalog nicht im Einzelfall relativiert werden; auch ein offenkundig zahlungsunwilliger Schuldner, der nachweislich die notwendigen Angaben kennt, wird durch Art. 16 EGVollstrTitelVO gegen eine Bestätigung des Titels als EuVollstrTitel geschützt.
5
Umgekehrt kann der Katalog auch nicht durch nationales Recht erweitert werden. Selbst wenn nach der jeweiligen lex fori notwendige Angaben in dem verfahrenseinleitenden Schriftstück fehlen, hindert dies nicht die Bestätigung nach Art. 6 EG-VollstrTitelVO, sondern begründet lediglich die lege fori statthaften Rechtsbehelfe gegen den Titel selbst. b) Parteien
6
Lit. a verlangt die Angabe von Namen und Anschrift der Parteien, also sowohl des Klägers als auch des Beklagten. Vertretungsverhältnisse sind nicht zwingend anzugeben; auch der gesetzliche Vertreter muss nicht notwendig bezeichnet sein. c) Forderungshöhe
7
Lit. b verlangt die Angabe der Höhe der Forderung; es muss ein konkret bezifferter Geldbetrag benannt sein. Zwar schränkt die Definition der „Forderung“ in Art. 4 Nr. 2 EG-VollstrTitelVO den Anwendungsbereich der VO auf im Zeitpunkt der Titulierung bezifferte Ansprüche ein. Nach dem Zweck der Regelung, dem Schuldner das Risiko der Säumnis zu verdeutlichen, verlagert Art. 16 EGVollstrTitelVO das Erfordernis der Bezifferung auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung vor. Unbezifferte Schmerzensgeldforderungen erfüllen diese Voraussetzung nicht.1 Wird ein Höchstbetrag für die Forderung angegeben, die endgültige Höhe aber in das Ermessen des Gerichts gestellt, ist das Erfordernis der Angabe der Höhe der Forderung hingegen erfüllt. Der Schuldner weiß dann um die maximal gegen ihn titulierbare Forderung und kann sein Risiko abwägen. Klageerweiterungen sind wegen lit. b unter Einhaltung der Mindestanforderungen zuzustellen, anderenfalls ist eine Bestätigung insoweit nicht möglich. d) Zinsen
8
Lit. c fordert, wenn Zinsen verlangt werden, sowohl die Angabe des Zinssatzes als auch des Zeitraums, für den die Zinsen gefordert werden. Die Angabe des Zinsbeginns genügt, wenn die Zinsen sodann bis zur vollständigen Erfüllung verlangt werden.
9
Angaben zu den Zinsen sind nicht erforderlich, wenn nach den Rechtsvorschriften des Ursprungsmitgliedstaates gesetzliche Zinsen automatisch der Hauptforderung hinzugefügt werden. Damit wird vermieden, dass Titel schon deshalb nicht bestätigt werden können, weil der Kläger mit der Klageschrift nicht fordern wird, was ihm von Amts wegen gesetzlich zuzusprechen ist.
1 Kropholler/von Hein, Rz. 2; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 2; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 139; Jennissen, InVO 2006, 218, 266.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 17 EG-VollstrTitelVO
Die Bezugnahme auf „die Rechtsvorschriften des Ursprungmitgliedstaates“ geht von einer verfah- 10 rensrechtlichen Qualifikation des Zinsanspruchs aus, obgleich dieser aus kontinentaleuropäischer Sicht lege causae anzuknüpfen ist.2 Die Bezugnahme wird man daher zweckentsprechend als Gesamtverweisung verstehen müssen; das IPR der lex fori entscheidet sodann über die Qualifikation von Zinsansprüchen sowie ggf. über das auf diese anwendbare materielle Statut. Dem widerspricht es nicht, dass Verweisungen in zwischenstaatlichem Recht grundsätzlich Sachnormverweisungen sind. Lit. c zielt nicht auf eine einheitliche Rechtsanwendung ab, sondern soll sicherstellen, dass der Kläger ex post betrachtet nicht ausdrücklich hätte fordern müssen, was ihm nach dem anwendbaren Recht von Amts wegen zuzusprechen war. Anwendbares Recht in diesem Sinn ist jedoch das im Ursprungsmitgliedstaat kollisionsrechtlich maßgebliche Zinsstatut.3 e) Forderungsgrund Lit. d verlangt die Bezeichnung des Forderungsgrundes. Eine kurze Beschreibung der Begründung der Forderung, wie sie in Mahnverfahren üblicherweise erfolgt, genügt.4 Nicht erforderlich ist eine Darstellung des Sachverhaltes5 oder die Darlegung der Gründe.6 Es genügt die Bezeichnung des Forderungsgrundes in der Art, dass die Forderung einem des Sachverhalts kundigen Schuldner verständlich wird.7
11
aa) Deutschland Die „Bezeichnung des Anspruchs“ im deutschen Mahnantrag nach § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist damit ausreichend.8 In der Klageschrift ist nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO stets auch der Klagegrund anzugeben.
12
bb) Österreich Die zumindest rudimentäre Angabe des Forderungsgrundes ist im österreichischen Verfahrensrecht 13 in jeder Klage einschließlich der Mahnklage vorgesehen.9
Artikel 17 Ordnungsgemäße Unterrichtung des Schuldners über die Verfahrensschritte zum Bestreiten der Forderung In dem verfahrenseinleitenden Schriftstück, einem gleichwertigen Schriftstück oder einer Ladung zu einer Gerichtsverhandlung oder in einer zusammen mit diesem Schriftstück oder dieser Ladung zugestellten Belehrung muss deutlich auf Folgendes hingewiesen worden sein:
2 Vgl. Staudinger/Magnus (2016) Art. 12 Rom I-VO Rz. 57. 3 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 140; a.A. Kropholler/von Hein, Rz. 3, der zwar auch das Kollisionsrecht mit einschließen will, aber die Ausnahme nur dann anwendet, wenn das IPR der lex fori für das Zinsstatut auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaates verweist. 4 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 5 (Abänderung 14); Adolphsen in MünchKomm/ZPO Rz. 7. 5 Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 7; so noch vorgesehen im ersten Kommissionsvorschlag, Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 27 (Art. 16 lit. d). 6 So dann im geänderten Kommissionsvorschlag, Europäische Kommission, 11.6.2003, COM (2003) 341, 18 (Art. 16 lit. d). 7 Kropholler/von Hein, Rz. 4; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 141. 8 So auch Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 1; Hüßtege, FS Jayme (2004) 371, 380; a.A. Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 3, der höhere Anforderungen verlangt. 9 König in König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich (2007) S. 113, 121.
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Art. 17 EG-VollstrTitelVO
Unterrichtung des Schuldners über Verfahrensschritte
a) auf die verfahrensrechtlichen Erfordernisse für das Bestreiten der Forderung; dazu gehören insbesondere die Frist, innerhalb deren die Forderung schriftlich bestritten werden kann bzw. gegebenenfalls der Termin der Gerichtsverhandlung, die Bezeichnung und die Anschrift der Stelle, an die die Antwort zu richten bzw. vor der gegebenenfalls zu erscheinen ist, sowie die Information darüber, ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben ist;* b) auf die Konsequenzen des Nichtbestreitens oder des Nichterscheinens, insbesondere die etwaige Möglichkeit einer Entscheidung oder ihrer Vollstreckung gegen den Schuldner und der Verpflichtung zum Kostenersatz. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Form der Unterrichtung . . . . . . . . . . . .
1 2
III. Sprache der Belehrung . . . . . . . . . . . . .
5
IV. Inhalt der Belehrung . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestreitensanforderungen (lit. a) . . . . . . . . 2. Konsequenzen des Nichtbestreitens (lit. b) . .
7 7 9
3. Europaweite Vollstreckbarkeit . . . . . . . . V. Deutsches Verfahrensrecht . . . . . . . . . 1. Belehrung über Bestreitensanforderungen (lit. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konsequenzen des Nichtbestreitens (lit. b) VI. Österreichisches Verfahrensrecht . . . . .
. . 10 . . 11 . . 11 . . 14 . . 16
I. Normzweck 1
Art. 17 EG-VollstrTitelVO soll sicherstellen, dass der Schuldner auch über die von ihm zu ergreifenden Verfahrensschritte zum Bestreiten der Forderung sowie über die Folgen des Nichtbestreitens informiert ist. Dies ist gerade im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr entscheidend, bei dem der Schuldner die ausländische Rechtsordnung in der Regel nicht kennt und auch nicht zu kennen braucht.1 Die von Art. 17 EG-VollstrTitelVO für den Schuldnerschutz aufgestellten Mindestanforderungen, die ebenfalls nur in den in Art. 12 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO genannten Fällen zu wahren sind, gewährleisten ein Mindestmaß an rechtlicher Belehrung des Schuldners. Sie sind, wie alle Mindeststandards des Kapitels III, nur Beurteilungsmaßstäbe, die im Rahmen des Bestätigungsverfahrens angelegt werden. Auf die Gestaltung des Erkenntnisverfahrens in den Mitgliedstaaten wird dadurch nur mittelbar eingewirkt (vgl. z.B. zum deutschen Recht unten Rz. 11 ff.). Der EuGH hat ausdrücklich festgestellt, dass im Falle des Fehlens einer nach Art. 17 EG-VollstrTitelVO zwingenden Belehrung im konkreten Fall eine Bestätigung der Entscheidung als EuVollstrTitel ausscheidet; es genügt nicht, dass in vergleichbaren Verfahren grundsätzlich eine entsprechende Belehrung erfolgt.2
II. Form der Unterrichtung 2
Die nach Art. 17 EG-VollstrTitelVO notwendigen Hinweise können in dem verfahrenseinleitenden oder einem gleichwertigen Schriftstück enthalten sein (vgl. zu den Begriffen Art. 13 EG-VollstrTitelVO Rz. 3); im Gegensatz zu den tatsächlichen Angaben nach Art. 16 EG-VollstrTitelVO genügt es jedoch auch, wenn sie in der Ladung zu einer Gerichtsverhandlung enthalten sind. Trotz dieser Alternativität muss jedoch die Effizienz der Belehrung gewahrt sein. Löst bereits das verfahrenseinleitende Schriftstück eine Verteidigungsfrist aus, so genügt selbstverständlich eine Belehrung hierüber in einer späteren Ladung nicht mehr.
3
Die Unterrichtung kann auch durch eine gesonderte Belehrung erfolgen, die jedoch zusammen mit dem verfahrenseinleitenden Schriftstück, dem diesem gleichwertigen Schriftstück oder der Ladung zur Gerichtsverhandlung zugestellt werden muss. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass die Belehrung schriftlich zu erfolgen hat.3 * In der schwedischen Fassung wurde durch Berichtigung der letzte Passus der lit a deutlicher formuliert, ABl. EU 2005 L 97/64. 1 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 1. 2 EuGH v. 28.2.2018 – C-289/17 – ECLI:EU:C:2018:133 – ITM Inkasso OÜ u.a. vs. Aint u.a. Rz. 39, EuZW 2018, 341, 342. 3 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 136.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 17 EG-VollstrTitelVO
Unerheblich ist hingegen, wer die Belehrung erteilt hat; es genügt sowohl eine Belehrung durch das 4 Gericht als auch durch den Kläger.4 Auch die Zustellung muss nicht vom Gericht veranlasst worden sein; sie muss jedoch nach den Art. 13 ff. EG-VollstrTitelVO erfolgt sein.5 Für die Bestätigung als EuVollstrTitel ist (soweit die Mindestvorschriften zu prüfen sind, vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. c EG-VollstrTitelVO) die ordnungsgemäße Unterrichtung des Schuldners nach Art. 17 EG-VollstrTitelVO nachzuweisen und in dem Formblatt aus Anhang I unter Ziff. 11.2. bzw. 12.2. zu vermerken.6
III. Sprache der Belehrung Deutlicher als bei Art. 16 EG-VollstrTitelVO, wo allenfalls die Bezeichnung des Forderungsgrundes (lit. d) ein Sprachrisiko birgt, stellt sich bei Art. 17 EG-VollstrTitelVO die Frage, in welcher Sprache die Belehrung zu erfolgen hat. Da die VO dies nicht regelt, kann nur auf das die Zustellung regelnde Recht zurückgegriffen werden.7 Sieht dieses für die Zustellung als solche eine bestimmte Sprache vor, so hat auch die Belehrung in dieser Sprache zu erfolgen.
5
Insbesondere gilt Art. 8 EG-ZustVO 2007/Art. 12 EU-ZustVO 2020 auch für die Belehrung nach Art. 17 EG-VollstrTitelVO.8 Eine Zustellung in einer dem Adressaten nicht geläufigen Sprache ist danach jedoch nicht per se unwirksam.9 Ist außerhalb des Anwendungsbereiches der EG-ZustVO zuzustellen, so bleibt es den nationalen und staatsvertraglichen Regelungen überlassen, ob Spracherfordernisse zu wahren sind. Vorzugswürdig wäre vor diesem Hintergrund ein in die EG-VollstrTitelVO integrierter, am Niveau von Art. 8 EG-ZustVO 2007/Art. 12 EU-ZustVO 2020 orientierter Mindeststandard, der sich freilich de lege lata nicht herleiten lässt.10
6
IV. Inhalt der Belehrung 1. Bestreitensanforderungen (lit. a) Lit. a verlangt eine Belehrung des Schuldners über die verfahrensrechtlichen Erfordernisse für das Bestreiten der Forderung. Da das Verfahren und damit der formelle, inhaltliche und zeitliche Rahmen eines wirksamen Bestreitens den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, kann Art. 17 EG-VollstrTitelVO die in den erforderlichen Hinweis aufzunehmenden Kriterien nicht abschließend aufzählen. Genannt werden daher nur Gesichtspunkte, die regelmäßig die Möglichkeit des Bestreitens determinieren; erwartet das nationale Verfahren andere zwingende Handlungen des Schuldners, so ist auch darüber zu belehren. Insbesondere ist jedenfalls darauf hinzuweisen, innerhalb welcher Frist die Forderung schriftlich bestritten werden kann, ggf. in welchem Termin zur Gerichtsverhandlung ein Bestreiten (spätestens) zu erfolgen hat, und die Bezeichnung und die Anschrift der Stelle, an die die Antwort zu richten ist bzw. vor der der Schuldner gegebenenfalls zu erscheinen hat, anzugeben. Der EuGH stellte fest, dass der Schuldner im konkreten Einzelfall über die Anschrift des Gerichts unter4 Eine Fixierung auf das Gericht kritisierte noch der WSA, 11.12.2002, ABl. EU 2003 C 85/1, 6 (4.7.) mit Blick auf verschiedene nationale Zivilprozessrechte; Hüßtege in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 113, 115 sieht ein Anwaltsverschulden, wenn die Bestätigung als EuVollstrTitel aufgrund mangelhafter Belehrung nicht erfolgen kann und der Anwalt die Belehrung oder Hinweise auf die Notwendigkeit einer solchen unterlassen hat; Zöller/Geimer, Rz. 2. 5 Kropholler/von Hein, Rz. 2; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 136; Stadler, IPRax 2004, 2, 10. 6 Fraglich bleibt, wie Ziff. 11.2. anzukreuzen ist, wenn mit dem verfahrenseinleitenden Schriftstück nur die Belehrungen nach Art. 16 EG-VollstrTitelVO erfolgten und erst mit der Ladung diejenigen nach Art. 17 EGVollstrTitelVO. Auch hier ist das Formblatt nicht endgültig durchdacht. 7 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 137; Rauscher, GPR 2003/04, 286, 290; Kropholler/von Hein, Rz. 3. 8 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 2. 9 Dazu muss der Adressat nach § 1070 ZPO die Annahme spätestens 2 Wochen nach der Zustellung verweigern. Generell werden die mit dieser Norm verbundenen Unsicherheiten so in die VO übertragen, Stadler, IPRax 2004, 2, 10; vgl. dazu Rauscher/Heiderhoff (2015) Art. 8 EG-ZustVO Rz. 6 ff.; zur Heilung von Mängeln der Zustellung aufgrund dem Schuldner unverständlicher Sprache EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C: 2005:665 – Götz Leffler vs. Berlin Chemie AG Rz. 53, FamRZ 2006, 533. 10 So bereits Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 137.
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Art. 17 EG-VollstrTitelVO
Unterrichtung des Schuldners über Verfahrensschritte
richtet worden sein muss, an welches er seine Antwort zu richten hat, vor dem er zu erscheinen hat oder bei dem er gegebenenfalls einen Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung einlegen kann; fehlt es hieran, kann die Entscheidung, nicht als EuVollstrTitel bestätigt werden.11 8
Erforderlich sind auch Informationen darüber, ob eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erfolgen muss. Fraglich erscheint nach dem Zweck der Regelung, ob nur über einen Anwaltszwang zu informieren ist oder auch darüber, dass ein Anwaltszwang nicht besteht. 2. Konsequenzen des Nichtbestreitens (lit. b)
9
Nach lit. b ist zudem darüber zu belehren, welche Konsequenzen das Nichtbestreiten der Forderung bzw. das Nichterscheinen hat. Auch insoweit ist eine abschließende Aufzählung der Konsequenzen in der VO nicht möglich, da diese sich in unterschiedlicher Weise lege fori ergeben.12 Die Nennung prozessual üblicher Konsequenzen ist also nur beispielhaft, so die Möglichkeit einer Entscheidung bzw. ihrer Vollstreckung gegen den Schuldner sowie die Verpflichtung zum Kostenersatz. Um den Zweck der Unterrichtung sicherzustellen, dürfte auch eine Information darüber erforderlich sein, ob die Entscheidung allein aufgrund des Klägervortrages oder aber aufgrund einer (auf Schlüssigkeit oder in sonstiger Weise beschränkten) Prüfung von Amts wegen ergehen wird.13 3. Europaweite Vollstreckbarkeit
10
Nicht zu unterrichten ist dagegen über die Möglichkeit der Bestätigung als EuVollstrTitel.14 Die durch die Bestätigung als EuVollstrTitel erheblich erweiterte Möglichkeit der Vollstreckung ergibt sich nicht aus der lex fori, so dass über sie auch nicht unter dem Gesichtspunkt der „Möglichkeit der Vollstreckung“ zu unterrichten ist.15 Art. 17 EG-VollstrTitelVO setzt jedoch allein einen Mindeststandard für das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat, die Anforderungen des nationalen Rechts können darüber hinausgehen und eine entsprechende Belehrungspflicht vorsehen.16
V. Deutsches Verfahrensrecht 1. Belehrung über Bestreitensanforderungen (lit. a) 11
Im Mahnverfahren genügte das deutsche Recht bereits vor dem EG-VollstrTitelDG den Anforderungen (§ 692 ZPO).
12
Um den Anforderungen der lit. a auch im Übrigen gerecht zu werden, wurde durch das EG-VollstrTitelDG § 499 Abs. 1 ZPO eingefügt, wonach bei Verfahren vor den AG mit der Zustellung der Klageschrift darüber zu belehren ist, dass eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht erforderlich ist. Für die Verfahren vor den LG war eine Anpassung nicht erforderlich, der nötige Hinweis auf die zwingende anwaltliche Vertretung ergab sich bereits aus § 215 Abs. 2 ZPO. Im regulären Erkenntnisverfahren genügt das deutsche Verfahrensrecht mithin den Belehrungsanforderungen.
13
An einem entsprechenden Belehrungserfordernis fehlt es im deutschen Recht derzeit jedoch im Kostenfestsetzungsverfahren. Kostenfestsetzungsbeschlüsse können allein deshalb regelmäßig nicht als EuVollstrTitel bestätigt werden (s. dazu Art. 7 EG-VollstrTitelVO Rz. 23).17 Der Gesetzgeber ist daher gefordert, hier das deutsche Verfahrensrecht anzupassen! Er sollte berücksichtigen, dass die Kosten11 EuGH v. 28.2.2018 – C-289/17, ECLI:EU:C:2018:133 – ITM Inkasso OÜ u.a. vs. Aint u.a. Rz. 39, EuZW 2018, 341, 342. 12 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 143; anders versuchte der erste Kommissionsvorschlag die Folgen noch abschließend zu erfassen, Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 27 (Art. 17). 13 Die war im ersten Kommissionsvorschlag noch ausdrücklich vorgesehen, Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 28 (Art. 17 lit. c); so auch Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 143; Kropholler/von Hein, Rz. 5. 14 Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 6; Coester-Waltjen, JURA 2005, 394, 396; anders sah dies noch der erste Kommissionsvorschlag vor, Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 28 (Art. 17 lit. e). 15 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 144; Kropholler/von Hein, Rz. 6. 16 Hierfür spricht sich Coester-Waltjen, FS Yessiou-Faltsi (2007) 39, 46 aus. 17 BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, IPRax 2013, 267 = NJW 2012, 858.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 18 EG-VollstrTitelVO
grundentscheidung bindend für das Kostenfestsetzungsverfahren ist und sich die Hinweise daher auch auf die Kostengrundentscheidung und deren Bindung für das Kostenfestsetzungsverfahren beziehen sollten.18 2. Konsequenzen des Nichtbestreitens (lit. b) Um das deutsche Verfahren den Anforderungen der lit. b anzupassen, wurde in § 215 Abs. 1 ZPO und § 276 Abs. 2 S. 2 ZPO das Erfordernis eingefügt, mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung oder mit dem Setzen der Fristen im schriftlichen Vorverfahren eine Belehrung über die Folgen der Termins- bzw. Fristversäumung (§§ 330–331a ZPO) einschließlich der Möglichkeit eines ohne Sicherheitsleistungen vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteils (§ 708 Nr. 2 ZPO) und der möglichen Kostenpflicht für den Säumigen (§ 91 ZPO) zu verbinden.
14
Werden die nunmehr von der ZPO vorgesehenen Belehrungen im Erkenntnisverfahren beachtet, so wird die Bestätigung eines deutschen Titels nicht an der Verletzung von Belehrungsstandards scheitern.
15
VI. Österreichisches Verfahrensrecht Bei der Einführung der VO ging der österreichische Gesetzgeber davon aus, dass sein nationales Verfahrensrecht den Anforderungen der Mindeststandards einschließlich der geforderten Belehrungserfordernisse entspricht. Es wurden keine Anpassungen vorgenommen,19 mögliche Defizite blieben zunächst unerkannt. Das österreichische Verfahrensrecht sieht zwingend Belehrungen jedoch nur ausnahmsweise vor.20
16
In der Praxis werden jedoch zahlreiche vom österreichischen Bundesjustizministerium kreierte Formblätter verwandt, die auch entsprechende Belehrungen und Unterrichtungen enthalten. Dies genügt der VO, die Belehrungen müssen nicht vom nationalen Recht vorgesehen sein, sondern im Einzelfall tatsächlich erfolgt sein.21
17
Die verwandten Formulare wurden jedoch zunächst nicht an die Erfordernisse des Art. 17 EG-VollstrTitelVO angepasst, so dass allein so erfolgte Belehrungen nicht dem Mindeststandart des Art. 17 EG-VollstrTitelVO entsprachen. Das österreichische Bundesjustizministerium erarbeitete jedoch Neufassungen der Formulare.22 Es ist Aufgabe der österreichischen Stellen, im Bestätigungsverfahren umfänglich und kritisch zu prüfen, ob die Belehrungserfordernisse im Einzelfall eingehalten wurden.
18
Artikel 18 Heilung der Nichteinhaltung von Mindestvorschriften (1) Genügte das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat nicht den in den Artikeln 13 bis 17 festgelegten verfahrensrechtlichen Erfordernissen, so sind eine Heilung der Verfahrensmängel und eine Bestätigung der Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel möglich, wenn a) die Entscheidung dem Schuldner unter Einhaltung der verfahrensrechtlichen Erfordernisse nach Artikel 13 oder Artikel 14 zugestellt worden ist, und b) der Schuldner die Möglichkeit hatte, einen eine uneingeschränkte Überprüfung umfassenden Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einzulegen, und er in oder zusammen mit der Entschei18 BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, NJW 2012, 858; a.A. Bittmann, IPRax 2011, 361, 364; Roth, IPRax 2013, 239, 240. 19 Vgl. Exekutionsordnungs-Novelle 2005, österrBGBl. 2005 I Nr. 68. 20 König in König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich (2007) 113, 122. 21 König in König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich (2007) 113, 122. 22 König, IPRax 2008, 141, 142.
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Art. 18 EG-VollstrTitelVO
Heilung der Nichteinhaltung von Mindestvorschriften
dung ordnungsgemäß über die verfahrensrechtlichen Erfordernisse für die Einlegung eines solchen Rechtsbehelfs, einschließlich der Bezeichnung und der Anschrift der Stelle, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist, und gegebenenfalls der Frist unterrichtet wurde, und c) der Schuldner es versäumt hat, einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung gemäß den einschlägigen verfahrensrechtlichen Erfordernissen einzulegen. (2) Genügte das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat nicht den verfahrensrechtlichen Erfordernissen nach Artikel 13 oder Artikel 14, so ist eine Heilung dieser Verfahrensmängel möglich, wenn durch das Verhalten des Schuldners im gerichtlichen Verfahren nachgewiesen ist, dass er das zuzustellende Schriftstück so rechtzeitig persönlich bekommen hat, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung treffen konnte. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Alternative Heilungsmöglichkeiten . . . . . .
3
III. Heilung durch Versäumung eines Rechtsbehelfs (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zustellung der Entscheidung (Abs. 1 lit. a) . . 2. Möglichkeit eines Rechtsbehelfs (Abs. 1 lit. b Halbs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Belehrung über den Rechtsbehelf (Abs. 1 lit. b Halbs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 4 5
4. Versäumung des Rechtsbehelfs (Abs. 1 lit. c) 5. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Heilung durch rechtzeitigen Zugang (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wahrung der Belehrungen nach Art. 16, 17 . 2. Wahrung der Verteidigungsmöglichkeit . . .
. .
8 9
. 13 . 13 . 14
V. Bestätigung nach Heilung . . . . . . . . . . . 18
7
I. Normzweck 1
Die Bestimmung soll erreichen, dass unter bestimmten Umständen ein Titel trotz einer Verletzung der in Art. 13 EG-VollstrTitelVO bis Art. 17 EG-VollstrTitelVO normierten Mindeststandards als EuVollstrTitel bestätigt werden kann, also eine Heilung der Verletzung eintritt. Diese Mindeststandards werden dadurch erheblich relativiert. Der Schuldner wird unter diesen weiteren Voraussetzungen als nicht mehr schutzwürdig angesehen, so dass ein EuVollstrTitel gegen ihn gleichwohl erlassen werden darf.1
2
Die Norm geht zurück auf den Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO (heute Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO) zugrunde liegenden Rechtsgedanken,2 wonach auch im Exequatursystem der Brüssel I-VO die Vollstreckbarerklärung nicht verweigert werden kann bzw. keine Versagung der Vollstreckung im Verfahren der Brüssel Ia-VO erfolgt, wenn trotz mangelhafter Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes dem Beklagten ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung zur Verfügung stand und er diesen nicht genutzt hat. Im Gegensatz zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, wo unbeschadet einer Heilung nach dem für die Zustellung maßgeblichen Recht keine autonome Heilung, insbesondere keine Rechtsbehelfsobliegenheit vorgesehen war, wird der Beklagte bereits unter der Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO in begrenztem Maß auf die Rechtsbehelfe des Erststaates verwiesen.3 Es entspricht also der Logik dieser VO, die den Schuldner nahezu gänzlich auf den Erststaat verweist, diesen Rechtsgedanken aufzugreifen.
II. Alternative Heilungsmöglichkeiten 3
Abs. 1 und Abs. 2 stellen zwei alternative Möglichkeiten der Heilung auf. Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann eine Missachtung jedes Mindeststandards der Art. 13–17 EG-VollstrTitelVO im zur Entscheidung führenden Verfahren geheilt werden. Abs. 2 schafft zusätzlich bei Missachtung der Zustellungsanforderungen der Art. 13 EG-VollstrTitelVO, Art. 14 EG-VollstrTitelVO bei der Einleitung des Verfahrens eine weitere Heilungsmöglichkeit. Innerhalb der beiden Absätze sind die Heilungs1 Kropholler/von Hein, Rz. 1. 2 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 13 (Art. 19). 3 S. dazu Rauscher/Leible (2021), Art. 45 Brüssel Ia-VO Rz. 33, 54 f.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 18 EG-VollstrTitelVO
voraussetzungen kumulativ, es müssen also jeweils alle Voraussetzungen aus Abs. 1 oder aus Abs. 2 vorliegen.
III. Heilung durch Versäumung eines Rechtsbehelfs (Abs. 1) 1. Zustellung der Entscheidung (Abs. 1 lit. a) Eine Heilung nach Abs. 1 setzt zwingend eine Zustellung der Entscheidung voraus. Diese Zustellung (nicht die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes oder der Ladung zur mündlichen Verhandlung) muss nach Abs. 1 lit. a den Anforderungen der Art. 13 EG-VollstrTitelVO, Art. 14 EGVollstrTitelVO genügen. Damit wird sichergestellt, dass der Schuldner zumindest von der Entscheidung mit dem Maß an Wahrscheinlichkeit Kenntnis erlangt, das grundsätzlich schon für die Verfahrenseinleitung vorausgesetzt wird. Nicht verwiesen wird auf Art. 15 EG-VollstrTitelVO, jedoch muss auch hier eine Zustellung der Entscheidung an den Vertreter des Schuldners genügen.
4
2. Möglichkeit eines Rechtsbehelfs (Abs. 1 lit. b Halbs. 1) Zentrale Voraussetzung der Heilung ist, dass der Schuldner im Ursprungsmitgliedstaat die Möglichkeit hatte, einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung einzulegen, mit dem eine uneingeschränkte Überprüfung ermöglicht wird. Vor dem Hintergrund des an Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO orientierten Regelungszwecks ist die Betonung der „uneingeschränkten“ Überprüfung als Bekräftigung der zu jener Norm entwickelten Einschränkungen zu verstehen: Der Rechtsbehelf muss es dem Beklagten ermöglichen, die Entscheidung unter dem Gesichtspunkt unzureichender Zustellung bzw. Information mit der Folge anzugreifen, dass er keine Tatsacheninstanz verliert. Nicht erforderlich ist, dass es sich um einen spezifisch auf Säumnis zugeschnittenen Rechtsbehelf handelt; auch ein regelmäßiger Rechtsbehelf, der eine sachliche Überprüfung eröffnet (Berufung), genügt, sofern der Schuldner ggf. im Wege der Wiedereinsetzung die Verfristung dieses Rechtsbehelfs überwinden kann.4
5
Rechtsbehelfe, mit denen lediglich eine rechtliche Nachprüfung erfolgt (Revision), genügen den Anforderungen hingegen nicht.5
6
3. Belehrung über den Rechtsbehelf (Abs. 1 lit. b Halbs. 2) Der Schuldner muss in oder zusammen mit der (sc Zustellung der) Entscheidung nach lit. a über die 7 Möglichkeit des Rechtsbehelfs informiert worden sein (Abs. 1 lit. b Halbs. 2). Diese Belehrung muss die verfahrensrechtlichen Erfordernisse der Einlegung des Rechtsbehelfes umfassen, insbesondere die Bezeichnung und Anschrift der Stelle, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist, sowie ggf. eine hierfür bestimmte Frist. Über die ausdrücklich genannten Kriterien hinaus bedarf es auch der Belehrung über die Form (schriftlich, zu Protokoll der Geschäftsstelle etc.), ggf. einen Anwaltszwang sowie andere Modalitäten, etwa einen Begründungszwang. Soweit die Entscheidung auf einer anderen Grundentscheidung fußte und diese auch noch angreifbar ist, muss sich die Belehrung auf die Rechtsbehelfe für beide Entscheidungen beziehen (z.B. Kostengrundentscheidung und Kostenfestsetzungsbeschluss). Allein so beschreibt die Belehrung eine „uneingeschränkte Überprüfung“.6 4. Versäumung des Rechtsbehelfs (Abs. 1 lit. c) Erforderlich ist schließlich, dass der Schuldner den (ihm möglichen und bekannten) Rechtsbehelf nicht eingelegt hat. Dem steht es gleich, wenn er ihn nach den Anforderungen der lex fori nicht wirksam eingelegt hat. Solange die Rechtmittelfrist im Ursprungsstaat noch läuft, kann von einer Versäumung des Rechtsbehelfs nicht ausgegangen werden und daher eine Bestätigung als EuVollstr4 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 148. 5 NK-ZV/Stürner, Rz. 5. 6 BGH v. 21.7.2011 – I ZB 71/09, NJW 2012, 858; a.A. Bittmann, IPRax 2011, 361, 364; Roth, IPRax 2013, 239, 240.
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Art. 18 EG-VollstrTitelVO
Heilung der Nichteinhaltung von Mindestvorschriften
Titel aufgrund der Erfüllung der Voraussetzungen des Abs. 1 nicht erfolgen.7 Hingegen hindert allein die potentielle Möglichkeit einer Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis die Bestätigung nicht. Ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt, so ist dies zugleich als Einlegung des Rechtsbehelfs i.S.v. Abs. 1 zu werten, so dass die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht erfüllt sind.8 Dies gilt selbst dann, wenn die maßgebliche lex fori nicht die Stellung des Wiedereinsetzungsantrags und die Einlegung des versäumten Rechtsbehelfs zur selben Zeit verlangt. 5. Deutschland 9
Im deutschen Recht fungiert der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil bzw. gegen einen Vollstreckungsbescheid als der Art. 18 EG-VollstrTitelVO entsprechende Rechtsbehelf.
10
Um den Belehrungserfordernissen gerecht zu werden, wurde betreffend das Versäumnisurteil durch das EG-VollstrTitelDG § 338 S. 2 ZPO eingefügt, wonach der Schuldner bei der Zustellung des Versäumnisurteils schriftlich auf die Möglichkeit des Einspruchs, das für seine Einlegung zuständige Gericht sowie die einzuhaltende Form und Frist hinzuweisen ist. Den Anforderungen des Art. 18 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO werden die deutschen Versäumnisurteile bei Beachtung des sich aus der ZPO ergebenen Belehrungserfordernisses gerecht. Eine weitere Funktion kommt § 338 S. 2 ZPO jedoch nicht zu. Verstöße gegen die Belehrungspflicht bleiben für das nationale Verfahren bedeutungslos.9
11
Für den Erlass eines Vollstreckungsbescheids wurde ein derartiges Belehrungserfordernis nicht in das Gesetz aufgenommen. Es kommt jedoch nicht darauf an, ob die Belehrung abstrakt vorgesehen ist, sondern dass sie konkret erfolgt ist. Dies geschieht in Deutschland mit den „Hinweisen des Gerichts“, die der Schuldner regelmäßig zusammen mit dem Vollstreckungsbescheid erhält.10 Auch der Vollstreckungsbescheid erfüllt daher grundsätzlich die Erfordernisse des Art. 18 Abs. 1 lit. b EGVollstrTitelVO.11
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Dagegen fehlt bei anderen Urteilen eine Belehrung über weitere Rechtsbehelfe, weshalb eine Heilung nach Art. 18 EG-VollstrTitelVO nicht in Betracht kommt. Dies erscheint freilich nicht kritikwürdig,12 da Kapitel III der VO eine Säumnisentscheidung voraussetzt, so dass andere Urteile im Bestätigungsverfahren schwerlich an den Mindeststandards zu messen sind und daher auch keiner Heilung nach Art. 18 EG-VollstrTitelVO bedürfen.
IV. Heilung durch rechtzeitigen Zugang (Abs. 2) 1. Wahrung der Belehrungen nach Art. 16, 17 13
Abs. 2 kann nur Mängel der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes oder der Ladung nach Art. 13 EG-VollstrTitelVO und Art. 14 EG-VollstrTitelVO heilen. Mängel hinsichtlich der Belehrungen des Schuldners (Art. 16 EG-VollstrTitelVO, Art. 17 EG-VollstrTitelVO) sind nach dieser Alternative nicht heilbar. Dies bedeutet freilich nicht, dass der Schuldner durch ordnungsgemäße Zustellung nach Art. 16 EG-VollstrTitelVO und Art. 17 EG-VollstrTitelVO unterrichtet worden sein muss und es lediglich an der ordnungsgemäßen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks fehlen darf, eine Situation, die faktisch kaum vorkommen wird. Vielmehr sind die Heilungsvoraussetzungen des Abs. 2, insbesondere der Nachweis der Kenntnis des Schuldners durch sein Verhalten nicht nur auf den Inhalt der nach Art. 13 EG-VollstrTitelVO, Art. 14 EG-VollstrTitelVO zuzustellenden Schriftstücke, sondern auch auf die nach Art. 16 EG-VollstrTitelVO, Art. 17 EG-VollstrTitelVO vorzunehmenden Belehrungen bzw. Unterrichtungen zu beziehen.13 7 8 9 10 11
Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 150; Kropholler/von Hein, Rz. 8. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 150; Kropholler/von Hein, Rz. 8; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 8. OLG Hamm v. 30.10.2007 – 21 U 80/07, BeckRS 2007, 18789. Schüler in MünchKomm/ZPO, § 699 ZPO Rz. 53 f. A.A. NK-ZPO/Saenger, Anh. § 1086 ZPO Rz. 3, der jedoch allein auf ein abstraktes Belehrungserfordernis der ZPO abstellt. 12 Vgl. aber Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 459. 13 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 154.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 18 EG-VollstrTitelVO
2. Wahrung der Verteidigungsmöglichkeit Die Heilung beruht – ebenfalls an Art. 34 Nr. 2 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO angelehnt – auf dem Gedanken, dass Zustellungsmängel nicht die Bestätigung hindern sollen, wenn der Schuldner die zustellungsbedürftigen Urkunden und Belehrungen nachweislich kannte und seine Verteidigungsmöglichkeit nicht behindert war.
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Der Schuldner muss das nach Art. 13 EG-VollstrTitelVO, Art. 14 EG-VollstrTitelVO zuzustellende Schriftstück so rechtzeitig persönlich bekommen haben, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung treffen konnte. Abs. 2 verschärft damit die Anforderungen, die an eine Zustellung nach Art. 13 ff. EG-VollstrTitelVO zu stellen sind, insoweit, als es weder genügt, wenn die Schriftstücke in den Machtbereich des Schuldners gelangt sind, noch, dass sie dem Vertreter, etwa dem Prozessbevollmächtigten, zugegangen sind. Insbesondere kann auch eine Ersatzzustellung, die Art. 14 EG-VollstrTitelVO nicht genügt, nur dadurch geheilt werden, dass der Schuldner das Schriftstück nachweislich persönlich erhalten hat.
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Der persönliche Zugang beim Schuldner kann ausschließlich durch sein Verhalten im gerichtlichen 16 Verfahren nachgewiesen werden. Andere Nachweismöglichkeiten für den rechtzeitigen Zugang sind nicht eröffnet; anders als im ursprünglichen Kommissionsvorschlag vorgesehen, genügt ein beliebiger Nachweis der rechtzeitigen Kenntnis nicht.14 Trotz Kenntnis hat es der Schuldner damit in der Hand, eine Heilung nach Abs. 2 dadurch zu verhindern, dass er nicht in prozessual relevanter Weise seine Kenntnis zu erkennen gibt. Nur wenn er sich im Prozess aktiv in einer Weise verhält, aus der die rechtzeitige Kenntnis zwingend zu schließen ist, legt er die Basis für eine Heilung. Selbst wenn er bewusst dem Prozess fernbleibt, läuft er nicht Gefahr der Heilung.15 Eine Heilung nach Abs. 1 bleibt unberührt, d.h., der Schuldner muss entsprechende Rechtsbehelfe einlegen. Obgleich die Kommission diese vom Rat initiierte Änderung als marginal darstellt,16 sind die Auswirkungen weitreichend. Eine Prozessführungsobliegenheit wird nicht bereits mit jedem Zugang bewirkt,17 was insbesondere eine bewusste Missachtung der Zustellungsformen verhindert. Rügt der Schuldner freilich eine mangelhafte Zustellung, so läuft er Gefahr der Heilung nach Abs. 2, auch wenn er sich nicht zur Sache einlässt.18 Das Verhalten muss eindeutig die Kenntnis des entsprechenden Schriftstückes nachweisen, es muss 17 jedoch nicht prozessual in irgendeiner Weise wirksam sein. Auch die Klageerwiderung des nicht postulationsfähigen Beklagten ist ausreichend.19 Ausreichend sei auch die Antwort auf eine Email, mit der die Klage übersandt wurde und um Angabe einer Zustellungsadresse gebeten wurde, wenn in der Antwort um weitere Übersendung per Email gebeten wurde, da so auch der Zugang im Zusammenhang mit dem Zustellungsverfahren als Teil des gerichtlichen Verfahrens vom Schuldner bestätigt worden sei; auf formal oder prozessual erforderliche Schritte komme es nicht an.20 Nicht genügend ist jedoch ein Verhalten, das nicht auf das konkrete Verfahren bezogen ist, etwa die Einlegung einer Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Richter mit der Begründung, die Zustellung sei nicht ordnungsgemäß veranlasst worden.
V. Bestätigung nach Heilung Liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 oder des Abs. 2 vor, so kann die Entscheidung trotz Verstößen gegen die jeweils benannten Mindeststandards als EuVollstrTitel bestätigt werden. Die Wirkun-
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Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 13 (Art. 19), 29 (Art. 19 Abs. 2). Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 153; Kropholler/von Hein, Rz. 10. Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 6 (Abänderung 15). So fordert auch der BGH zu § 189 ZPO einen Zustellungswillen: BGH v. 17.5.2001 – IX ZR 256/99, NJW 2001, 3713, 3714 (zu § 187 ZPO a.F.). 18 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 153; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 9. 19 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 153; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 9. 20 High Court (UK) v. 29.4.2016 – [2016] EWHC 983 (Ch) – Chachani Misti y Pichu Pichu SRL vs. Hostplanet Ltd. and Finn Grimpe, unalex UK-1466.
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Art. 19 EG-VollstrTitelVO
Mindestvorschriften für eine Überprüfung in Ausnahmefällen
gen einer solchen Bestätigung sind in keiner Weise eingeschränkt, insbesondere besteht keine über Art. 10 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO hinausgehende Rechtschutzmöglichkeit. 19
Im Formblatt nach Anhang I sind in diesem Fall die Voraussetzungen unter Ziff. 13. anzugeben. Im Falle der Heilung nach Abs. 2 sind für das verfahrenseinleitende Schriftstück Angaben bei Ziff. 11.1. am Ende, für Ladungen bei Ziff. 12.1.21 am Ende erforderlich. Nicht auszuschließen ist angesichts der recht einfachen Darstellung im Formblatt, dass ein nur vom Formblatt ausgehendes Gericht Art. 18 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO i.S.d. ursprünglichen Kommissionsvorschlages auslegt, also Heilung allein aufgrund der Kenntnis des Schuldners annimmt, obwohl diese Kenntnis nicht durch Verhalten im Verfahren nachgewiesen wurde.
Artikel 19 Mindestvorschriften für eine Überprüfung in Ausnahmefällen (1) Ergänzend zu den Artikeln 13 bis 18 kann eine Entscheidung nur dann als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, wenn der Schuldner nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats berechtigt ist, eine Überprüfung der Entscheidung zu beantragen, falls a) i) das verfahrenseinleitende oder ein gleichwertiges Schriftstück oder gegebenenfalls die Ladung zu einer Gerichtsverhandlung in einer der in Artikel 14 genannten Formen zugestellt wurden, und ii) die Zustellung ohne Verschulden des Schuldners nicht so rechtzeitig erfolgt ist, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung hätte treffen können, oder b) der Schuldner aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden der Forderung nicht widersprechen konnte, wobei in beiden Fällen jeweils vorausgesetzt wird, dass er unverzüglich tätig wird. (2) Dieser Artikel berührt nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, eine Überprüfung der Entscheidung unter großzügigeren Bedingungen als nach Absatz 1 zu ermöglichen. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abstrakt vorrätiger Rechtsbehelf . . . . . .
1 4
V. Unverzüglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 14 VI. Weitergehende Rechtsbehelfe (Abs. 2) . . . 15
III. Erforderlicher Rechtsbehelf – Fallgruppen 7 1. Ersatzzustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2. Außergewöhnlicher Umstände . . . . . . . . 11
VIII. Rechtsbehelfe in Österreich . . . . . . . . . 18 IX. Mitteilungen der Mitgliedstaaten . . . . . . 19
VII. Rechtsbehelfe in Deutschland . . . . . . . . 16
IV. Notwendiger Rechtsbehelf . . . . . . . . . . 13
I. Normzweck 1
Trotz Einhaltung aller Mindeststandards1 sind Fälle denkbar,2 in denen der Schuldner die ihm zuzustellenden Schriftstücke nicht rechtzeitig erhält oder ohne sein Verschulden an einer rechtzeitigen Verteidigung gehindert ist. Für derartige Fälle setzt Art. 19 EG-VollstrTitelVO eine ausnahmsweise 21 Der im ABl. enthaltene Fehler (statt „Art. 18 Abs. 2“ hieß es „Art. 8 Abs. 2“) wurde im ABl. EU 2008 L 50/71 berichtigt. 1 Egal ob dies, wie von der Europäischen Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 13 (Art. 20), verlangt, peinlichst genau oder aufgrund Übereinstimmung der lex fori mit den Art. 13–17 EG-VollstrTitelVO eher zufällig geschieht. 2 Die Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 13 (Art. 20), hält diese gar für zwingend, was fragen lässt, wie sicher die rechtzeitige Information des Schuldners über das Verfahren und die mit seinem weiteren Verhalten verbundenen Konsequenzen abgesehen vom politischen Postulat wirklich ist.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 19 EG-VollstrTitelVO
Überprüfungsmöglichkeit der ursprünglichen Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates voraus, mangels derer eine Bestätigung als EuVollstrTitel nicht möglich ist. Die Bestimmung erweist sich als Korrektiv für Lücken des Schuldnerschutzes, die trotz Übereinstimmung mit den Mindeststandards auftreten können. Sie setzt andererseits als zusätzliches subjektives Element fehlendes Verschulden des Schuldners und unverzügliches Tätigwerden voraus.
2
Auch Art. 19 EG-VollstrTitelVO ist als Mindeststandard und damit aus dem Blickwinkel des Bestäti- 3 gungsverfahrens formuliert, verlangt aber mittelbar vom Recht des Ursprungsmitgliedstaates, dass dem Schuldner eine Überprüfungsmöglichkeit der Entscheidung in solchen Ausnahmefällen eingeräumt wird, damit die dortigen Titel sich zur Bestätigung eignen. Es wird also kein autonomes Überprüfungsverfahren von der VO vorgesehen, was schon kompetenzrechtlich nicht möglich wäre, da es sich hier immer noch um Anforderungen an das Erkenntnisverfahren handelt. Andererseits enthält Art. 19 EG-VollstrTitelVO keine Pflicht des Mitgliedstaates einen solchen Rechtsbehelf einzuführen; auch die Entscheidung eines Mitgliedstaates, seine nationalen Rechtsvorschriften nicht entsprechend anzupassen, ist daher verordnungskonform und mithin kein Verstoß gegen Art. 288 AEUV.3
II. Abstrakt vorrätiger Rechtsbehelf Im Bestätigungsverfahren ist im Rahmen der Prüfung des Kapitels III, also wiederum nur in Fällen 4 des Art. 12 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO, abstrakt zu überprüfen, ob ein entsprechender Rechtsbehelf zur Verfügung stand. Dies hat unabhängig davon zu erfolgen, ob sich die Risiken, die Abs. 1 anspricht, im konkreten Fall tatsächlich verwirklicht haben. Art. 19 EG-VollstrTitelVO verlangt, dass abstrakt ein derartiger Rechtsbehelf zur Verfügung steht.4 Eine andere Handhabung wäre schon deshalb nicht möglich, weil die in Abs. 1 genannten Situationen von individuellen Gegebenheiten des Falles abhängen, die vorzutragen der Schuldner im Bestätigungsverfahren mangels Beteiligung und Rechtsbehelfsmöglichkeiten keine Gelegenheit hätte. Art. 19 EG-VollstrTitelVO stellt daher bereits im Vorfeld abstrakt sicher, dass dem Schuldner diese Gelegenheit im Ursprungsmitgliedstaat stets tatsächlich und ohne Ausnahme zur Verfügung stand. Dadurch wird ein nicht unerheblicher Druck auf die Mitgliedstaaten aufgebaut, ihr Verfahren ent- 5 sprechend anzupassen. Stellen sie keinen entsprechenden Rechtsbehelf zur Verfügung, können ihre Entscheidungen, soweit es auf die Mindeststandards des Kapitels III ankommt, durchweg nicht als EuVollstrTitel bestätigt werden.5 Gemäß Art. 30 Abs. 1 lit. a EG-VollstrTitelVO müssen die Mitgliedstaaten der Kommission die für Art. 19 EG-VollstrTitelVO vorgesehenen Überprüfungsverfahren mitteilen, damit diese sie entsprechend veröffentlicht. Die Veröffentlichung ist unter Art. 30 EG-VollstrTitelVO Rz. 7 ff. abgedruckt.
6
III. Erforderlicher Rechtsbehelf – Fallgruppen Der nach Art. 19 EG-VollstrTitelVO notwendige Rechtsbehelf muss in zwei verschiedenen Fallgruppen gewährt werden, die jeweils trotz Erfüllung aller Mindeststandards (Art. 13–17 EG-VollstrTitelVO) vorliegen können.
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1. Ersatzzustellung Der Rechtsbehelf muss im Fall des Abs. 1 lit. a nur für Situationen gewährt werden, in denen kumulativ die Erfordernisse nach sublit. i und ii vorliegen. Abs. 1 lit. a sublit. i verlangt für den Fall der Ersatzzustellung (Art. 14 EG-VollstrTitelVO) einen Rechtsbehelf, der dem Risiko Rechnung trägt, dass 3 EuGH v. 17.12.2015 – C-300/14, ECLI:EU:C:2015:825 – Imtech Marine Belgium vs. Radio Hellenic Rz. 31, EuZW 2016, 235, 236. 4 EuGH v. 17.12.2015 – C-300/14, ECLI:EU:C:2015:825 – Imtech Marine Belgium vs. Radio Hellenic Rz. 36, EuZW 2016, 235, 236; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 2; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 1. 5 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 156; Kropholler/von Hein, Rz. 5.
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Art. 19 EG-VollstrTitelVO
Mindestvorschriften für eine Überprüfung in Ausnahmefällen
dem Schuldner das entsprechende Schriftstück nicht tatsächlich zugegangen ist (ErwGr. 14 EGVollstrTitelVO). 9
Nach Abs. 1 lit. a sublit. ii muss dieser Rechtsbehelf aber nur dann gewährt werden, wenn die Kenntniserlangung des Schuldners von den relevanten, zugestellten Schriftstücken ohne Verschulden des Schuldners nicht so rechtzeitig erfolgte, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung hätte treffen können. Der Wortlaut ist insofern unklar, weil sich das dort erwähnte Verschulden syntaktisch auf die Zustellung bezieht. Diese erfolgt aber lege fori als Ersatzzustellung und ist daher völlig der Einflusssphäre des Schuldners entzogen. Die Bestimmung muss daher richtigerweise dahingehend verstanden werden, dass auf das Verschulden des Schuldners an der fehlenden Kenntniserlangung abgestellt wird.6 Verschulden trifft den Schuldner, wenn er die Kenntniserlangung von der Zustellung vereitelt, was auch anzunehmen ist, wenn er fahrlässig nicht seine Post kontrolliert oder ihm unverständliche oder unwillkommene Briefe womöglich vernichtet.
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Nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht erfasst ist hingegen die Situation, dass eine Zustellung nach Art. 13 EG-VollstrTitelVO den Schuldner zwar persönlich aber nicht rechtzeitig erreicht. Da die Rechtzeitigkeit der Zustellung von den Mindeststandards nicht erfasst ist, wird sie im Bestätigungsverfahren nicht überprüft. Dieses Problem wurde offenbar bei Streichung autonomer Einlassungsfristen im Gemeinsamen Standpunkt übersehen.7 Die Annahme, dass alle Verfahrensordnungen grundsätzlich ausreichende Fristen für die Vorbereitung der Verteidigung vorsehen, mag zwar richtig sein, jedoch schließt dies im Einzelfall nicht Zustellungen aus, die, insbesondere mit Rücksicht auf die Internationalität des Rechtsstreits, nicht genügend Vorbereitungszeit lassen.8 Diese Lücke könnte man dadurch schließen, dass auf diese Situation lit. a analoge Anwendung findet. Alternativ könnte man die Situation auch unter lit. b (außergewöhnliche Umstände) subsumieren.9 Jedenfalls muss dem Schuldner auch hier ein entsprechender Rechtsbehelf zur Verfügung stehen.10 2. Außergewöhnlicher Umstände
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Lit. b fordert im Unterschied zu lit. a einen Rechtsbehelf für alle Arten der Zustellung. Dem Schuldner muss ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen, wenn er der Forderung aufgrund höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden nicht widersprechen konnte. Eine spezifische Einschränkung der Art der Gründe erfolgt nicht, so dass ein Rechtsbehelf bei jeder Art der Verhinderung wegen höherer Gewalt oder unverschuldeter außergewöhnlicher Umstände verfügbar sein muss;11 mithin stets, wenn sonstige außergewöhnliche Umstände (und nicht allein höhere Gewalt) den Schuldner unabhängig von seinem Willen hinderten, der in Rede stehenden Forderung zu widersprechen.12
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Das Nicht-Widersprechen-Können ist an Art. 3 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO zu messen; maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem die Forderung in relevanter Weise unbestritten bleibt.13 Hierunter fallen neben dem Versäumen von Fristen zur Einlassung und Verteidigung auch Terminsversäumnisse nach vorherigem Bestreiten (Art. 3 Abs. 1 lit. c EG-VollstrTitelVO). Kann danach auch eine einmal bestrittene Forderung wieder zur unbestrittenen werden, so muss der Rechtsbehelf auch in Situationen statthaft
6 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 158; Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 11; NK-ZV/Stürner, Rz. 6; Kropholler/von Hein, Rz. 7; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 6. 7 Vgl. Art. 15 im ursprünglichen Kommissionsvorschlag, Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 27 (Art. 15) und zur Streichung Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 10 (Art. 15); dabei wurde übersehen, ErwGr. 12 EG-VollstrTitelVO entsprechend anzupassen, dort heißt es noch in der VO „… um sicherzustellen, dass der Schuldner so rechtzeitig und in einer Weise …“ 8 Vgl. dazu Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 107; Georganti, Die Zukunft des ordre public-Vorbehalts im Europäischen Zivilprozessrecht (2006) S. 27. 9 Geimer/Schütze/Arnold, Rz. 16; Kropholler/von Hein, Rz. 8. 10 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 159. 11 Kropholler/von Hein, Rz. 8. 12 EuGH v. 17.12.2015 – C-300/14, ECLI:EU:C:2015:825 – Imtech Marine Belgium vs. Radio Hellenic Rz. 42, EuZW 2016, 235, 237. 13 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 160.
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Kap. III: Mindesvorschriften
Art. 19 EG-VollstrTitelVO
sein, in denen der Schuldner aufgrund höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden nicht erneut bestreiten konnte.
IV. Notwendiger Rechtsbehelf Der gewährte Rechtsbehelf muss wie in Art. 18 EG-VollstrTitelVO – auch wenn der Wortlaut hier we- 13 niger klar ist – eine uneingeschränkte Nachprüfung ermöglichen.14 Rechtsmittel, die nur noch eine rechtliche Überprüfung gestatten, genügen den Anforderungen nicht. Geeignet ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ebenso wie eine Neuprüfung in einem Berufungsverfahren.15
V. Unverzüglichkeit Der Nachsatz in Abs. 1, mit dem unverzügliches Tätigwerden des Schuldners vorausgesetzt wird, 14 erscheint im Zusammenhang mit der Festlegung einer Mindestanforderung an den Rechtsbehelf wenig stimmig, da insoweit anscheinend eine Verhaltensanforderung an den Schuldner beschrieben wird. Dies muss wohl dahingehend verstanden werden, dass es der Eignung des lege fori verfügbaren Rechtsbehelfes nicht entgegensteht, wenn der Schuldner unverzüglich tätig werden muss. Der Rechtsbehelf muss dem Schuldner also nicht unbefristet offen stehen.16 In der Wendung kann hingegen keine autonome Fristregelung gesehen werden.17 Selbstverständlich genügen Rechtsbehelfe, die kein unverzügliches Tätigwerden fordern, erst recht den Erfordernissen der Bestimmung.
VI. Weitergehende Rechtsbehelfe (Abs. 2) Abs. 2 ist Ausprägung des Grundsatzes, dass das Kapitel III lediglich Mindestvorschriften bestimmt. Die Mitgliedstaaten sind nicht gehindert, großzügigere Überprüfungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen.
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VII. Rechtsbehelfe in Deutschland Im deutschen Recht stehen die Widereinsetzung bei der Versäumung von Notfristen (§ 233 ZPO) und der Einspruch gegen das Versäumnisurteil (§ 338 ZPO) zur Verfügung.
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Im Hinblick auf Abs. 2 ist festzuhalten, dass der Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid oder ein Versäumnisurteil in Deutschland unabhängig vom Verschulden des Schuldners ausgestaltet ist. Die deutsche ZPO ist insoweit schuldnerfreundlicher und geht unschädlich über das von Art. 19 EG-VollstrTitelVO geforderte Maß hinaus.18
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VIII. Rechtsbehelfe in Österreich Die von Art. 19 EG-VollstrTitelVO verlangten Rechtsbehelfe werden in Österreich durch die Nichtigkeitsberufung gem. § 477 Abs. 1 Nr. 4 österrZPO und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 146 österrZPO zur Verfügung gestellt.19
14 EuGH v. 17.12.2015 – C-300/14, ECLI:EU:C:2015:825 – Imtech Marine Belgium vs. Radio Hellenic Rz. 38, EuZW 2016, 235, 237; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 156; Kropholler/von Hein, Rz. 3. 15 Wagner, IPRax 2005, 189, 195. 16 Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 155; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 5. 17 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 162; Kropholler/von Hein, Rz. 9; Wagner, IPRax 2005, 189, 195. 18 Zöller/Geimer, § 1079 ZPO Rz. 5; Kropholler/von Hein, Rz. 11. 19 Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, FS Fischer (2004) 399, 411.
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Art. 20 EG-VollstrTitelVO
Vollstreckungsverfahren
IX. Mitteilungen der Mitgliedstaaten 19
Nach Art. 30 EG-VollstrTitelVO sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, ihr jeweiliges Überprüfungsverfahren i.S.v. Art. 19 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO der Kommission mitzuteilen. Die Mitteilungen werden von der Kommission veröffentlicht; sie sind bei Art. 30 EG-VollstrTitelVO Rz. 8 ff. für alle Mitgliedstaaten jeweils unter 2. abgedruckt.
Kapitel IV Vollstreckung (Art. 20–Art. 23)
Artikel 20 Vollstreckungsverfahren (1) Unbeschadet der Bestimmungen dieses Kapitels gilt für das Vollstreckungsverfahren das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. Eine als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung wird unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie eine im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene Entscheidung. (2) Der Gläubiger ist verpflichtet, den zuständigen Vollstreckungsbehörden des Vollstreckungsmitgliedstaats Folgendes zu übermitteln: a) eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und b) eine Ausfertigung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und c) gegebenenfalls eine Transkription der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel oder eine Übersetzung dieser Bestätigung in die Amtssprache des Vollstreckungsmitgliedstaats oder – falls es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt – nach Maßgabe der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats in die Verfahrenssprache oder eine der Verfahrenssprachen des Ortes, an dem die Vollstreckung betrieben wird, oder in eine sonstige Sprache, die der Vollstreckungsmitgliedstaat zulässt. Jeder Mitgliedstaat kann angeben, welche Amtssprache oder Amtssprachen der Organe der Europäischen Gemeinschaft er neben seiner oder seinen eigenen für die Ausstellung der Bestätigung zulässt. Die Übersetzung ist von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Person zu beglaubigen. (3) Der Partei, die in einem Mitgliedstaat eine Entscheidung vollstrecken will, die in einem anderen Mitgliedstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt wurde, darf wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder wegen Fehlens eines inländischen Wohnsitzes oder Aufenthaltsorts eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, nicht auferlegt werden. I. Anwendbares Recht im Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Autonomes Recht der VO . . . . . . . . . . . . 2. Verweisungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3.
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Autonome Verfahrensvorschriften . . . Gleichstellungsregel . . . . . . . . . . . . Bestimmung des vollstreckbaren Inhalts . Einleitung des Vollstreckungverfahrens (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausfertigung der Entscheidung und Bestätigung . . . . . . . . . . . . . . . b) Übersetzung der Bestätigung . . . . .
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4. Prüfungsumfang im Vollstreckungsverfahren . 5. Diskriminierungsverbot (Abs. 3) . . . . . . . . a) Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Diskriminierung ausländischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bevorzugung ausländischer Entscheidungen? . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Deutsches Vollstreckungsverfahren . . . . . . 30 1. Einleitung der Vollstreckung . . . . . . . . . . 30 2. Durchführung der Vollstreckung . . . . . . . . 33
Kap. IV: Vollstreckung 3. Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung . . 35 V. Österreichisches Vollstreckungsverfahren . . 38 1. Einleitung der Vollstreckung . . . . . . . . . . 38
Art. 20 EG-VollstrTitelVO
2. Durchführung der Vollstreckung . . . . . . . . 40 3. Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung . . 41
Schrifttum: Bittmann, Die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung eines Europäischen Vollstreckungstitels, IPRax 2008, 445; Halfmeier, Die Vollstreckungsgegenklage im Recht der internationalen Zuständigkeit, IPRax 2007, 381; Hess, Europäischer Vollstreckungstitel und nationale Vollstreckungsgegenklage, IPRax 2004, 493; Meller-Hannich, Materiellrechtliche Einwendungen bei der grenzüberschreitenden Vollstreckung und die Konsequenzen von „Prism Investment“ – Teil 2, GPR 2012, 153; Strasser, Praxisprobleme bei der Zwangsvollstreckung aus einem Europäischen Vollstreckungstitel, Rpfleger 2007, 249.
I. Anwendbares Recht im Vollstreckungsverfahren 1. Autonomes Recht der VO Soweit Gegenstände des Vollstreckungsverfahrens von der VO geregelt werden, werden die nationalen Bestimmungen der Mitgliedstaaten verdrängt. Relevant sind nicht – wie Abs. 1 S. 1 suggeriert – allein die Art. 20–23 EG-VollstrTitelVO, sondern die Bestimmungen der gesamten VO. Der Vorrang des Europarechts gebietet es auch insoweit das nationale Recht als verdrängt anzusehen.
1
2. Verweisungsregel Im Übrigen verweist Abs. 1 S. 1 umfassend auf das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates. So wird 2 Rücksicht auf die nationalen Besonderheiten der einzelnen Mitgliedstaaten genommen1 und insbesondere nicht in die technische Durchführung der Vollstreckung eingegriffen. Aber auch die Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung unterliegen dem nationalen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates.
II. Autonome Verfahrensvorschriften 1. Gleichstellungsregel Abs. 1 S. 2 stellt klar,2 dass die bestätigte Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wird, wie eine in diesem Staat ergangene Entscheidung. Besondere Bestimmungen des nationalen Rechts für ausländische Entscheidungen werden verdrängt; anwendbar sind auch für den zu vollstreckenden EuVollstrTitel die Zwangsmaßnahmen, die von der lex fori für nationale Titel bereitgestellt werden. Gleichzeitig können – soweit sich nicht aus der VO etwas anderes ergibt – die von der lex fori gegen nationale Titel in der Zwangsvollstreckung vorgesehenen Rechtsbehelfe3 gegen den EuVollstrTitel geltend gemacht werden.
3
Werden im Ursprungsmitgliedstaat strengere und effizientere Vollstreckungsmöglichkeiten geboten, so ist dies irrelevant. Entscheidend ist allein das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates, mit dem Import des Titels aufgrund der Bestätigung erfolgt kein Import der Vollstreckungsmöglichkeiten.4
4
2. Bestimmung des vollstreckbaren Inhalts Wieweit die bestätigte Entscheidung einen vollstreckbaren Inhalt besitzt, bestimmt Art. 11 EG-VollstrTitelVO, der dies an die Vollstreckungswirkungen im Ursprungsmitgliedstaat knüpft. Eine bestehende eingeschränkte Vollstreckbarkeit oder eine Aussetzung der Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat kann sich der Schuldner durch die Bescheinigung nach Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO 1 2 3 4
Strasser, Rpfleger 2007, 249, 250. So auch Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 11 (Art. 21). Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 15 (Art. 22); Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 2. Geimer, FS Vollkommer (2006) 385, 394.
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Art. 20 EG-VollstrTitelVO
Vollstreckungsverfahren
bestätigen lassen und mit dieser im Vollstreckungsverfahren geltend machen. Die Zwangsvollstreckung ist entsprechend einzustellen oder zu beschränken. 3. Einleitung des Vollstreckungverfahrens (Abs. 2) 6
Die Art und Weise der Einleitung des Vollstreckungsverfahrens sowie die Zuständigkeit für das Vollstreckungsverfahren werden von der VO nicht geregelt. Dies bleibt dem nationalen Recht überlassen. Jedoch werden die zur Einleitung erforderlichen Dokumente abschließend von Abs. 2 bezeichnet. Die Regelung ist zur lex fori lex specialis. Weitergehende Anforderungen aus dem nationalen Recht muss der Gläubiger daher nicht erfüllen. a) Ausfertigung der Entscheidung und Bestätigung
7
Nach Abs. 2 lit. a und b sind eine Ausfertigung der Entscheidung und der Bestätigung zu übermitteln. Die Urkunden sind in der Originalsprache einzureichen, Übersetzungen bedarf es allein, soweit Abs. 2 lit. c diese verlangt (s. sogleich Rz. 12 ff.).
8
Das Erfordernis, beide Urkunden in einer Form vorzulegen, „die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt“, soll verhindern, dass gegen den Schuldner aus dem bestätigten Titel mehrfach vollstreckt wird.5 Die Anforderung wurde ursprünglich aus Art. 53 Abs. 1 Brüssel I-VO übernommen, der sich heute in Art. 37 Abs. 1 lit. a, Art. 42 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO wieder findet. Sie ist daher in gleicher Weise wie dort zu verstehen.6 Für die Auslegung ist dabei auch der Gedanke aus Art. 56 Brüssel I-VO/Art. 61 Brüssel Ia-VO mit heranzuziehen: Die Urkunden bedürfen weder der Legalisation noch einer ähnlichen Förmlichkeit (z.B. einer Apostille).7 Wie sich bei einem Vergleich mit anderen Sprachfassungen zeigt,8 soll es nicht auf die Beweiskraft der Ausfertigung ankommen, sondern soll die Echtheit der Ausfertigung zur Überzeugung des angerufenen Gerichts nachgewiesen werden. Die deutsche Formulierung ist insofern missverständlich.9 Wie der Nachweis der Echtheit erbracht wird, ist bisher nicht EU-weit vereinheitlicht. Der Zweck der VO, im Vollstreckungsmitgliedstaat jegliche Verzögerung zu verhindern, verlangt es, die Anforderungen für den Nachweis nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates zu bestimmen,10 auch wenn dies den Richter im Vollstreckungsmitgliedstaat vor das Problem stellt, die Anforderungen des Ursprungsmitgliedstaates kennen und prüfen zu müssen.
9
Eine einfache Abschrift oder Fotokopie genügt den Anforderungen nicht; als erforderlich wird der Originalabdruck des Gerichtssiegels, eine Originalunterschrift sowie die Amtsbezeichnung des Unterzeichnenden anzusehen sein.11 Für aus Deutschland stammende Entscheidungen ist auf § 317 Abs. 4 ZPO abzustellen.12 Jedoch ist keine vollstreckbare Ausfertigung zu verlangen. Soll eine ergangene Entscheidung im Ausland aber nicht im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckt werden, so ist die Entscheidung als EuVollstrTitel bestätigen zu lassen; die nationale Vollstreckungsklausel des Ursprungsmitliedstaates muss nicht noch zusätzlich erteilt werden.13
5 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 175. 6 Auf die Erläuterungen bei Rauscher/Mankowski (2021) Art. 42 Brüssel Ia-VO Rz. 8 ff. wird daher ergänzend verwiesen. 7 AG Chemnitz v. 30.12.2015 – 1 M 4224/14, BeckRS 2016, 4986. 8 Englisch „to establish its authenticity“, Französisch „pour en établir l’authenticité“, Italienisch „di autenticità prescritte“, Niederländisch „de echtheid“, Portugiesisch „certidão autêntica“, Schwedisch „dess äkthet“, Spanisch „necesarias de autenticidad“. 9 Rauscher/Mankowski (2021), Art. 42 Brüssel Ia-VO Rz. 9. 10 AG Chemnitz v. 30.12.2015 – 1 M 4224/14, BeckRS 2016, 4986; Jenard-Bericht ABl. EG 1979 C 59/1, 55 (vor Art. 48); Geimer/Schütze/Tschauner, Art. 53 Brüssel I-VO Rz. 2; Kropholler/von Hein, Art. 53 Brüssel I-VO Rz. 2; Schlosser, EuZPR3 (2009), Art. 53 Brüssel I-VO Rz. 1. 11 AG Chemnitz v. 30.12.2015 – 1 M 4224/14, BeckRS 2016, 4986. 12 Rauscher/Mankowski (2021), Art. 42 Brüssel Ia-VO Rz. 10; Musielak/Voit/Stadler, Art. 37 Brüssel Ia-VO Rz. 2. 13 Gerling, S. 77.
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Kap. IV: Vollstreckung
Art. 20 EG-VollstrTitelVO
Umstritten ist derzeit, ob das nationale Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates weiterhin die Erteilung einer gesonderten Vollstreckungsklausel oder Exekutionsbewilligung verlangen darf, oder ob insoweit bereits die Verordnung autonom von derartigen Erfordernissen befreit.14
10
Auch kann wohl nicht verlangt werden, dass eine u.U. im Vollstreckungsmitgliedstaat nach der Brüssel I-VO erteilte Vollstreckbarerklärung zur Verhinderung einer doppelten Vollstreckung mit vorgelegt werden muss.15 Zum einen ist ein solches Erfordernis nicht in den anschließenden Katalog der vorzulegenden Urkunden nach Art. 20 EG-VollstrTitelVO aufgenommen, zum anderen wäre es auch für die Vollstreckungsbehörden mit erheblichem Aufwand verbunden zu ermitteln, ob eine solche Vollstreckbarerklärung tatsächlich erteilt wurde und mithin fehlt oder ob der Gläubiger ein paralleles Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der Brüssel I-VO nicht durchgeführt hat.
11
b) Übersetzung der Bestätigung Zusätzlich zu den Originalen nach Abs. 2 lit. a und b kann eine Übersetzung oder Transkription nach Abs. 2 lit. c nur für die Bestätigung verlangt werden, nicht jedoch für den Titel selbst.16
12
Die Wendung „gegebenenfalls“ kann nicht dahingehend verstanden werden, dass eine Übersetzung 13 bzw. Transkription im Einzelfall vom Vollstreckungsgericht erst angefordert werden muss. Die Norm ist im Zusammenhang mit den von den Mitgliedstaaten nach Art. 30 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO für Abs. 2 lit. c EG-VollstrTitelVO mitzuteilenden Sprachen zu lesen. Da die formalen Vollstreckungsvoraussetzungen bereits durch die VO auf ein Mindestmaß reduziert sind und es nicht von den Sprachkenntnissen des Entscheidungsorgans im Vollstreckungsstaat im Einzelfall abhängen darf, ob eine Übersetzung oder Transkription erforderlich ist, muss hier eng ausgelegt werden.17 Eine Transkription ist dann zwingend, wenn im Vollstreckungsstaat ein anderes Schriftsystem verwandt wird, als im Ursprungsstaat. Darüber hinaus ist die Übersetzung zwingend, wenn die Bestätigung zumindest wenige Wörter in einer vom Vollstreckungsmitgliedstaat nicht zugelassenen Sprache enthält. Unerheblich ist, ob diese Angaben nur in geringfügigem Umfang und nicht in einem wesentlichen Punkt enthalten sind.18 Solche Angaben sind regelmäßig z.B. das Titelgericht oder Monatsangaben.19 Die Übersetzung ist dann entbehrlich, wenn die Bestätigung vollständig in einer vom Vollstreckungsmitgliedstaat zugelassenen Sprache ausgestellt wurde.20 Dem Ansatz,21 eine Übersetzung sei nur erforderlich, wenn zusätzlich zu Namen, Zahlen und angekreuzten Kästchen weitere individuelle Angaben im Formblatt enthalten sind, kann nicht gefolgt werden. Das Verlangen der Bestätigung auf den Formblättern schließt solche individuellen Angaben gerade aus. Alle Formblätter, auf denen Bestätigungen als EuVollstrTitel erteilt werden, sehen individuelle Ergänzungen nicht vor. Jedoch lässt sich eine notwendige Übersetzung aufgrund der in allen Amtssprachen gleich gestalteten Formblätter leicht fertigen.
14 Gegen die Möglichkeit eines derartigen, zusätzlichen nationalen Erfordernis Pietsch, FF 2005, 180, 183; YessiouFaltsi in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 213, 232 mit rechtsvergleichenden Hinweisen zu den verschiedenen nationalen Systemen zur Vollstreckungsermächtigung; a.A. Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, FS Fischer (2004) 399, 412 Fn. 22. 15 So Mankowski, FS Kropholler (2008) 829, 835. 16 NK-ZV/Stürner, Rz. 7; a.A. Luckey, ProzRB 2005, 242, 244, der entgegen dem klaren Wortlaut auch eine Übersetzung des Titels verlangt. 17 OGH v. 22.2.2007 – 3 Ob 253/06m, ECLI:AT:OGH0002:2007:0030OB00253.06M.0222.000, IPRax 2008, 440, 443. 18 OGH v. 22.2.2007 – 3 Ob 253/06m, ECLI:AT:OGH0002:2007:0030OB00253.06M.0222.000, IPRax 2008, 440, 443. 19 Insofern ist entgegen der Annahme der Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag, http://www.brak.de/w/files/01_ueber_die_brak/Ausschuss%20Europa%2030_090525.pdf (23.6.2021) S. 3, wohl doch eher die Notwendigkeit der Übersetzung der Regelfall. 20 So auch NK-ZV/Stürner, Rz. 7. 21 LG München II v. 19.1.2010 – 6 T 6032/09, BeckRS 2011, 12370; Kropholler/von Hein, Rz. 7; Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1083 ZPO Rz. 1; Hüßtege in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 113, 134; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 458; Brenn, EuZP Rz. 156, 178; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 164; BT-Drucks. 15/5222, 14 (zu § 1083 ZPO-E).
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Art. 20 EG-VollstrTitelVO
Vollstreckungsverfahren
15
Die Übersetzung (nicht allein die Unterschrift) ist von einer in einem der Mitgliedstaaten hierzu befugten Person zu beglaubigen. Dänemark ist auch hier nicht als Mitgliedstaat zu verstehen (Art. 2 Abs. 3 EG-VollstrTitelVO).22 Die Befugnis zur Beglaubigung ergibt sich nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem die Beglaubigung vorgenommen wird. Sie ist bei Vorlage der beglaubigten Übersetzung gegebenenfalls von Amts wegen zu überprüfen.23 Der Gläubiger hat die Wahl, in welchem Mitgliedstaat er sich die Übersetzung beschafft. Er kann dieselbe Übersetzung in allen Staaten benutzen, die diese Sprache zugelassen haben.
16
Nach Art. 30 EG-VollstrTitelVO sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die von ihnen zugelassenen Sprachen i.S.v. Art. 20 Abs. 2 lit. c EG-VollstrTitelVO der Kommission mitzuteilen. Die Mitteilungen werden von der Kommission veröffentlicht; sie sind bei Art. 30 EG-VollstrTitelVO Rz. 8 ff. für alle Mitgliedstaaten jeweils unter 3. abgedruckt. 4. Prüfungsumfang im Vollstreckungsverfahren
17
Die gesamte Vollstreckbarkeitsprüfung wird in den Ursprungsmitgliedstaat verlagert, das Exequaturverfahren durch das Bestätigungsverfahren ersetzt. Im Vollstreckungsmitgliedstaat kann die Vollstreckung allein aufgrund Art. 21 EG-VollstrTitelVO verweigert oder aufgrund Art. 23 EG-VollstrTitelVO ausgesetzt oder beschränkt werden. Im Übrigen ist der Vollstreckungsmitgliedstaat an die Bestätigung gebunden, auch wenn diese zu Unrecht erteilt wurde.24
18
Aufgrund der Verlagerung der Vollstreckbarkeitsprüfung in den Ursprungsmitgliedstaat muss verlangt werden, dass im Vollstreckungsmitgliedstaat geprüft wird, dass die ergangene Bescheinigung ordnungsgemäß ist, dass es sich also um eine Bestätigung eines Titels im Sinne der VO handelt. Die Vollstreckung ist abzulehnen, wenn die Bescheinigung nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht vom zuständigen Richter erteilt wurde, lückenhaft oder unvollständig ausgefüllt ist und dadurch zu erkennen gibt, dass die gebotene Prüfung im Ursprungsstaat nicht oder nicht ausreichend sorgfältig erfolgte.25
19
Anders als bei Art. 40 ff. Brüssel IIa-VO bleibt aber kein Raum für die Möglichkeit, im Vollstreckungsmitgliedstaat Nichtigkeit der Bescheinigungen wegen schwerster Mängel anzunehmen.26 Ein solcher wäre denkbar, wenn die Bestätigung für eine Entscheidung erteilt wird, die nicht in den Anwendungsbereich der VO fällt. Hier sieht die VO die Widerrufsmöglichkeit nach Art. 10 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO vor. Damit ist das Problem mit den Mitteln der VO zu lösen.
20
Dies bedeutet auch, dass die Beachtung des Anwendungsbereiches im Bestätigungsverfahren im Vollstreckungsstaat nicht zu überprüfen ist. Wurde die Bestätigung erteilt, obwohl der Anwendungsbereich nicht eröffnet war – sei es der sachliche, dass die Forderung aus einem der ausgeschlossenen Rechtsgebiete stammt, sei es der räumliche, dass ein drittstaatlicher Titel bestätigt wurde, sei es der zeitliche, dass die Entscheidung vor dem Inkrafttreten der VO ergangen ist – ist dies im Vollstreckungsmitgliedstaat unbeachtlich.27 Es liegt dann eine eindeutig zu Unrecht erteilte Bestätigung vor, die jedoch nicht im Vollstreckungsmitgliedstaat angegriffen werden kann, sondern mittels des Widerrufs nach Art. 10 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO im Ursprungsmitgliedstaat zu bekämpfen ist.
22 23 24 25
Kropholler/von Hein, Rz. 9. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Gehle/Schmidt, § 1083 ZPO Rz. 4. Geimer, FS Vollkommer (2006) 385, 394. So wohl auch das LG München II v. 19.1.2010 – 6 T 6032/09, BeckRS 2011, 12370, der Zinsbeginn ergab sich nicht aus der Bestätigung. Gleiches gilt bei ohne Exequaturverfahren vollstreckbaren Umgangsrechtsentscheidungen, s. Rauscher/Rauscher (2015), Art. 41 Brüssel IIa-VO Rz. 3. 26 Dazu Rauscher/Rauscher (2015), Art. 43 Brüssel IIa-VO Rz. 8. 27 Geimer, IZPR Rz. 3180h; a.A. Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 183 für die offensichtliche Überschreitung des sachlichen oder zeitlichen Anwendungsbereichs im Bestätigungsverfahren; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 1 Rz. 11, der bei Angabe eines Entscheidungsdatums vor dem 1.1.2005 – Gründe, warum hier nicht zumindest auf den 21.1.2005, das Inkrafttreten der VO abgestellt wird, sind nicht angegeben – in der Bestätigung die Verweigerung der Vollstreckung durch den Vollstreckungsmitgliedstaat zulässt.
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Kap. IV: Vollstreckung
Art. 20 EG-VollstrTitelVO
Im Vollstreckungsmitgliedstaat ist allein der Anwendungsbereich für das Vollstreckungsverfahren 21 zu bestimmen, mithin ob die VO räumlich und zeitlich im Vollstreckungsmitgliedstaat Anwendung findet. Der sachliche Anwendungsbereich ist für das Vollstreckungsverfahren verschieden von der Brüssel I-VO: Das Verfahren beginnt dort im Vollstreckungsstaat mit der Vollstreckbarerklärung, weshalb die Brüssel I-VO hierfür nur dann sachlich anwendbar ist, wenn die Vollstreckbarerklärung eines Titels in Zivil- und Handelssachen nach Art. 1 Abs. 1 Brüssel I-VO unter Ausschluss der Materien in Art. 1 Abs. 2 Brüssel I-VO begehrt wird. Das Vollstreckbarverfahren der EG-VollstrTitelVO beginnt jedoch zu einem späteren Zeitpunkt. Die Vollstreckbarkeit des Titels wird nicht mehr geprüft, sie ist anzunehmen.28 Das Vertrauen in die gegenseitige Rechtspflege umfasst auch, dass der Anwendungsbereich der VO im Bestätigungsverfahren richtig geprüft wurde, Korrekturen werden von der VO systematisch ausgeschlossen. Die VO ist daher im Vollstreckungsverfahren sachlich anwendbar, wenn ein nach Art. 9 EG-VollstrTitelVO (bzw. Art. 24, 25 EG-VollstrTitelVO) ausgestellter EuVollstrTitel vollstreckt werden soll. Es ist Folge der Verlagerung der Vollstreckbarerklärung in den Ursprungsmitgliedstaat, dass hier keine weiteren Überprüfungsmöglichkeiten bestehen. Im Verbraucherschutz kommt es so zu einer Verkehrung der Ziele der VO in das Gegenteil. Der Verbraucherschutz soll grundsätzlich erhöht werden (s. Art. 6 EG-VollstrTitelVO Rz. 31 f.). Eine Bestätigung als EuVollstrTitel gegen einen Verbraucher darf nicht außerhalb dessen Wohnsitzstaates erfolgen (Art. 6 Abs. 1 lit. d EG-VollstrTitelVO). Der Verbraucher soll so nicht die besonderen Folgen der VO bei einer Klageerhebung gegen ihn in einem anderen Mitgliedstaat gewärtigen müssen. Wird aber dennoch ein EuVollstrTitel in einem anderen Staat gegen den Verbraucher ausgestellt, so besteht für diesen in seinem Wohnsitzstaat keine Möglichkeit, gegen die Vollstreckung vorzugehen. Dies bedeutet, dass er die von Art. 6 Abs. 1 lit. d EG-VollstrTitelVO gewährte Garantie tatsächlich nicht in Anspruch nehmen kann, will er nicht auf eine stets fehlerfreie Rechtsanwendung durch die Gerichte vertrauen. Gegen Fehler sowohl die Annahme der Zuständigkeit als auch die Bestätigung betreffend muss er sich im Ursprungsmitgliedstaat zur Wehr setzen. Ein Rückzug auf den ihm grundsätzlich zugesicherten Wohnsitzstaat ist tatsächlich nicht möglich.29 Die VO hat den mit Art. 6 Abs. 1 lit. d EGVollstrTitelVO bezweckten Schutz des Verbrauchers nicht entsprechend durchsetzbar ausgestaltet.
22
5. Diskriminierungsverbot (Abs. 3) a) Normzweck Die Norm ist Ausprägung des generellen europäischen Diskriminierungsverbotes. Sie stellt klar, dass abgesehen von der in Art. 18 AEUV genannten Staatsangehörigkeit auch Diskriminierungen aufgrund eines Titels aus einem anderen Mitgliedstaat nicht erlaubt sind. Die Regelung kommt auch Drittstaatern, die eine Entscheidung in einem Mitgliedstaat erwirkt haben, zugute.30 Inhaltlich übernimmt Abs. 3 die aus Art. 51 Brüssel I-VO/Art. 56 Brüssel Ia-VO bekannte Regelung.
23
b) Diskriminierung ausländischer Entscheidungen Nach Abs. 1 S. 2 ist eine als EuVollstrTitel bestätigte Entscheidung unter den gleichen Bedingungen 24 wie eine inländische zu vollstrecken. Abs. 3 konkretisiert dies dahingehend, dass Sicherheitsleistungen oder Hinterlegungen aufgrund der Eigenschaft als Ausländer oder wegen Fehlens eines inländischen Wohnsitzes nicht gefordert werden dürfen. Damit werden die besonders häufig vorkommenden und besonders tief eingreifenden Diskriminierungsweisen ausdrücklich untersagt. Im Ergebnis folgt bereits aus Abs. 1 S. 2, dass eine Schlechterstellung von Gläubigern mit ausländischen Titeln nicht erfolgen darf. Nicht verlangt werden können daher jegliche Formen von Ausländersicherheiten oder Wahldomizilen.
28 Diesen Unterschied berücksichtigen Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 183 nicht. 29 Rott, EuZW 2005, 167, 168. 30 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 5.
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Vollstreckungsverfahren
c) Bevorzugung ausländischer Entscheidungen? 26
Die VO verlangt keine Besserstellung von ausländischen gegenüber inländischen Entscheidungen.31 Der Wortlaut verbietet lediglich eine Schlechterstellung. Eine Gleichbehandlung genügt daher.
27
Folglich hat eine national vorgeschriebene Registrierung des Titels vor Einleitung der Zwangsvollstreckung weiterhin zu erfolgen.32 Gefordert werden kann auch die Angabe einer inländischen Zustellanschrift oder eines Bevollmächtigten.33 Eine dem entgegenstehende Bestimmung34 wurde auf Wunsch der Mehrheit der Mitgliedstaaten gestrichen.35 Auch kann eine unterschiedlos für inländische und ausländische Urteile vorgesehene Stellung einer Sicherheit bei nur vorläufiger Vollstreckbarkeit vorgesehen werden.36 Dem steht auch Abs. 3 nicht entgegen; die Sicherheit darf nicht wegen der Stellung als Ausländer verlangt werden, sehr wohl aber unterschiedslos aufgrund fehlender Rechtskraft. Die Information über die Rechtskraft ist in der Bestätigung enthalten.
III. Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen 28
Aus dem Zusammenspiel von Rechtsnormen des Vollstreckungsmitgliedstaates und dem Schicksal der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat können sich Anpassungsfragen ergeben, wenn außerordentliche Korrekturen aufgrund von Einwendungen in einem der beteiligten Staaten im Erkenntnisverfahren (z.B. durch Wiederaufnahme), im anderen aber im Vollstreckungsverfahren (z.B. durch Vollstreckungsabwehrklage) zu erfolgen haben.37
29
Stehen dadurch dem Schuldner Rechtsbehelfe in beiden Staaten zur Verfügung (Normenüberschuss), so kann er beide nach freier Wahl einzeln oder gemeinsam nutzen. Fehlt es hingegen an einem Rechtsbehelf, weil die Korrektur im Ursprungsmitgliedstaat im Vollstreckungsverfahren, im Vollstreckungsmitgliedstaat dagegen im Erkenntnisverfahren durchzuführen ist, so entsteht ein schwerwiegender Normenmangel, der kaum durch Angleichung bewältigt werden kann.38
IV. Deutsches Vollstreckungsverfahren 1. Einleitung der Vollstreckung 30
Die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens in Deutschland erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften des deutschen Zwangsvollstreckungsrechts. Insbesondere sind diesem die zuständigen Vollstreckungsbehörden zu entnehmen. Die bei der Einleitung zu übermittelnden Urkunden sind jedoch abschließend in den autonomen Anforderungen des Abs. 2 enthalten (s. oben Rz. 7 ff.). § 1082 ZPO stellt insoweit klar, dass es einer nationalen Vollstreckungsklausel nicht bedarf. Soweit nach Abs. 2 lit. c eine Übersetzung notwendig ist, hat Deutschland als zulässige Sprache allein Deutsch zugelassen (§ 1083 ZPO). Soweit in § 1083 ZPO bestimmt wird, dass die Übersetzung von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Person zu beglaubigen ist, wird von der deutschen Ausführungsbestimmung allein die autonome Regelung der Verordnung aus lit. c wiederholt; ihr kann insoweit keine eigenständige Bedeutung zukommen.
31 Franzmann, MittBayNot 2005, 470, 473. 32 Wagner, IPRax 2005, 189, 198; eine solche Registrierung ist im Vereinigten Königreich vorgesehen, ausländische Entscheidungen müssen daher so wie inländische Entscheidungen aus einem anderen Teil des Vereinigten Königreichs registriert werden. Dies stellt ErwGr. 8 EG-VollstrTitelVO klar. 33 Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 167; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 173; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 189. 34 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 30 (Art. 21 Abs. 4). 35 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 11 (Art. 21); insbesondere Finnland (Rat der EU, Vermerk der finnischen Delegation, 6.2.2004, 5971/04) bedauerte diese Streichung, hält dies für eine erhebliche Einschränkung beim Zugang der Bürger zur Justiz und will diese Frage so bald wie möglich erneut behandeln. 36 Peiffer, Rz. 1208. 37 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 174; Coester-Waltjen, FS Beys (2003) 183, 193. 38 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 174.
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Kap. IV: Vollstreckung
Art. 20 EG-VollstrTitelVO
Die Zustellung der Entscheidung muss gem. § 750 ZPO erfolgen.39 Die Verordnung definiert autonom allein, welche Dokumente vom Gläubiger einzureichen sind. Es können daher keine zusätzlichen Dokumente, insbesondere keine Übersetzung der Entscheidung vom Gläubiger verlangt werden. Die VO trifft jedoch keine Aussage, inwieweit eine Zustellung an den Schuldner zu erfolgen hat und überlässt dies folglich dem Vollstreckungsverfahren des einzelnen Vollstreckungsmitgliedstaates. Erfolgte nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates bereits eine Zustellung der Entscheidung an den Schuldner, so kann dies die erforderliche Zustellung nach § 750 ZPO substituieren.
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Die Zustellung der Bestätigung wird nicht verlangt.40 Sie ist in den §§ 704 ff. ZPO nicht vorgesehen. Ein autonomes Zustellungserfordernis wird weder für den Ursprungsmitgliedstaat noch für den Vollstreckungsmitgliedstaat aufgestellt. Soweit das deutsche Bestätigungsverfahren im Ursprungsmitgliedstaat die Zustellung der Bestätigung an den Schuldner verlangt (s. Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 17), kann dies nicht in das Bestätigungsverfahren anderer Mitgliedstaaten transportiert werden.
31a
Die mitgliedstaatliche Entscheidung verbunden mit der Bestätigung als EuVollstrTitel bedarf in Deutschland keiner nationalen Vollstreckungsklausel (§ 1082 ZPO).
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2. Durchführung der Vollstreckung Hinsichtlich der Durchführung der Vollstreckung werden von der VO keine Sonderregelungen vor- 33 gesehen. Die Zwangsvollstreckung findet daher in Deutschland in den gewohnten Bahnen statt.41 Für die Vollstreckung des EuVollstrTitels können alle Zwangsvollstreckungsmethoden genutzt werden, die auch für die Vollstreckung eines inländischen Titels zur Verfügung stehen. Wird eine Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung nach Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO vorgelegt, so erfolgt die Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung gem. § 1085 ZPO nach den §§ 775, 776 ZPO.
34
Zwar ergibt sich aus den §§ 708, 709 ZPO, dass bestimmte Urteile nur gegen eine der Höhe nach festgesetzte Sicherheitsleistung für vollstreckbar erklärt werden können. Die Festsetzung erfolgt systematisch jedoch im Erkenntnisverfahren und nicht im Vollstreckungsverfahren. Die Einschränkung kann daher nicht auf entsprechende ausländische, als EuVollstrTitel bestätigte Urteile übertragen werden. Wünschenswert wäre eine Regelung des deutschen Gesetzgebers, der die Vollstreckung entsprechender Urteile nur gegen eine entsprechende Sicherheitsleistung zulassen würde.42
34a
Kosten bei Gericht fallen bei der Vorlage einer Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung nicht an. Für den Rechtsanwalt gehört diese Tätigkeit grundsätzlich zum Rechtszug, gesonderte Gebühren fallen nur an, wenn eine abgesonderte mündliche Verhandlung hierüber stattfindet (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG); dann 0,5 Verfahrens- und ggf. 0,5 Terminsgebühr (Nr. 3328, 3332 RVG-VV).
34b
3. Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung Zulässig ist gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung die Erinnerung gem. § 766 ZPO.43
35
Aber auch die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO ist gem. § 1086 ZPO möglich.44 Diese ist z.B. bei zwischenzeitlich durch den Schuldner erfolgter Erfüllung notwendig, um dem Schuldner ent-
36
39 AG Augsburg v. 27.1.2012 – 1 M 10281/12, IPRax 2013, 269; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 1; Roth, IPRax 2013, 239, 241; die Anwendbarkeit von § 750 ZPO bestätigt BGH v. 26.11.2009 – VII ZB 42/08, FamRZ 2010, 289 = NJW 2010, 2137, 2138. 40 AG Augsburg v. 27.1.2012 – 1 M 10281/12, IPRax 2013, 269, 270; Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1082 ZPO Rz. 1; Strasser, Rpfleger 2007, 249, 251; Bittmann, IPRax 2008, 445, 447. 41 Strasser, Rpfleger 2008, 547, 548. 42 A.A. Peiffer, Rz. 1212, der bereits heute eine Vollstreckung allein bei Stellung einer entsprechenden Sicherheit verlangt. 43 BT-Drucks. 15/5222, 14 (§ 1082 ZPO-E); Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 6; Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1082 ZPO Rz. 2; Wieczoreck/Schütze/Schütze (2013) § 1082 ZPO Rz. 6; Hüßtege, FS Jayme (2004) 371, 384. 44 OLG Köln v. 21.11.2012 – 16 U 126/11, BeckRS 2013, 5770; Wagner, IPRax 2005, 401, 407 f. begründet ausführlich, warum die Vollstreckungsabwehrklage auch unter der EG-VollstrTitelVO zulässig ist; ebenso Wagner, NJW 2005, 1157, 1160; Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR Rz. 2; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 2, § 1086 ZPO
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Art. 20 EG-VollstrTitelVO
Vollstreckungsverfahren
sprechenden Rechtschutz zu gewähren.45 Sie wird nicht durch Art. 21 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO ausgeschlossen, da nicht die Berechtigung des Titels im Zeitpunkt seines Erlasses angegriffen wird.46 Ausländische Titel werden den inländischen für das Vollstreckungsverfahren gleichgestellt; damit ist in dieser Phase gegen ausländische Titel auch jeder gegen einen inländischen Titel mögliche Rechtsbehelf zuzulassen, unabhängig von der Art der geltend gemachten Einwendung.47 Es wird nicht über die sachliche Richtigkeit des Titels, deren Fortdauer oder Vollstreckbarkeit im Ursprungsstaat entschieden, sondern über die derzeitige Vollstreckbarkeit des Titels im Vollstreckungsstaat, die aufgrund materiell-rechtlicher Einwendungen gegen die titulierte Forderung entfallen könnte.48 Da es sich hierbei um einen Verfahren der Zwangsvollstreckung handelt, in dessen anstehender Entscheidung keine rechtskräftigen Aussagen zum Fortbestand des vollstreckbaren Anspruches gemacht werden,49 ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus Art. 24 Nr. 5 Brüssel Ia-VO.50 Örtlich zuständig ist nach § 1086 ZPO das Gericht am Wohnsitz des Schuldners, bei juristischen Personen am Sitz der Gesellschaft. Fehlt es dem Schuldner an einem Wohnsitz (bzw. Gesellschaftssitz) in Deutschland, so ist das AG, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung stattfinden soll oder stattgefunden hat, zuständig. Funktionell zuständig ist nach § 767 Abs. 1 ZPO das Prozessgericht (mithin das allgemeine Zivilgericht), nicht das Vollstreckungsgericht, die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des GVG. Kosten fallen wie im normalen Klageverfahren an (Nr. 1210 ff. GKG-KV, Nr. 3100 ff. RVG-VV). 37
Zuzulassen sind in begrenzten Maße auch deliktische, auf § 826 BGB gestützte Klagen auf Herausgabe des Titels.51 Allerdings darf auch hier keine Überprüfung der Entscheidung als solche erfolgen. Umstände anlässlich der Erwirkung der Entscheidung oder der Bestätigung sind dem Vollstreckungsmitgliedstaat entzogen. Sie müssen im Ursprungsmitgliedstaat geltend gemacht werden. Besteht die unerlaubte Handlung jedoch in der Ausnutzung einer nachträglich für unrichtig erkannten Entscheidung oder Bestätigung, stellt sich mithin die Vollstreckung als sittenwidrig dar, so muss die Herausgabeklage aus § 826 BGB zulässig sein.52 Dies gilt insbesondere, wenn hier Verstöße des Ausgangsverfahrens gegen Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 EuGrCh ausgenutzt werden.53 Eine erfolgreiche
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46 47 48 49 50
51 52 53
Rz. 1; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 7; Wieczoreck/Schütze/Schütze (2013), § 1086 ZPO Rz. 1; Zöller/Geimer, § 1086 ZPO Rz. 3; Coester-Waltjen, JURA 2005, 394, 397; Coester-Waltjen, FS Yessiou-Faltsi (2007) 39, 53; Hüßtege, FS Jayme (2004) 371, 384; Meller-Hannich, GPR 2012, 153, 158; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 403; a.A. wegen Bedenken, die Vollstreckungsabwehrklage könnte mit dem System der VO unvereinbar sein, Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 173; Halfmeier, IPRax 2007, 381, 387; Hess, IPRax 2004, 493; Leible/ Lehmann, NotBZ 2004, 453, 461; Gaul/Schilken/Becker-Eberhard/Lakkis, Zwangsvollstreckungsrecht12 (2010), § 12 Rz. 82 f. Anzuerkennen ist auch die Vorlage eines Einzahlungs- oder Überweisungsträgers, Kropholler/von Hein, Rz. 12 Fn. 16; soweit Hess, IPRax 2004, 493, 494 und Gaul/Schilken/Becker-Eberhard/Lakkis, Zwangsvollstreckungsrecht12 (2010) § 12 Rz. 83 darauf verweisen, dass die Zwangsvollstreckung in diesen Fällen bereits nach § 775 Nr. 5 ZPO einzustellen sei und es einer Vollstreckungsabwehrklage demzufolge nicht mehr bedürfe, wird übersehen, dass dem Schuldner gerade für den Fall, dass die Zwangsvollstreckung entgegen § 775 Nr. 5 ZPO weitergeführt wird, effektiver Rechtsschutz zu gewähren ist. Coester-Waltjen, FS Yessiou-Faltsi (2007) 39, 53. Meller-Hannich, GPR 2012, 153, 155. Meller-Hannich, GPR 2012, 153, 158. Vgl. BGH v. 22.9.1994 – IX ZR 165/93, NJW 1994, 3225. EuGH v. 4.7.1985 – C-220/84, ECLI:EU:C:1985:302 – AS-Autoteile Service GmbH vs. Pierre Malhé, IPRax 1986, 232 = NJW 1985, 2892; OLG Hamburg v. 6.2.1998 – 12 U 16/96, IPRax 1999, 168, 169; Rauscher/Mankowski (2021), Art. 24 Brüssel Ia-VO Rz. 210; Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 24 Brüssel Ia-VO Rz. 25; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr (2000) S. 366 ff.; a.A. Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr (1997) S. 246; Halfmeier, IPRax 2007, 381, 385, der allein Verfahren zur Überwachung der Tätigkeit der Vollstreckungsbehörden erfasst sehen will. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 67; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 8; Zöller/Geimer, Art. 11 Rz. 4; Schuschke/Walker/ Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Art. 11 Rz. 2; Jennissen, InVO 2006, 263, 271 a.A. Kropholler/von Hein, Rz. 12; Stürner, GPR 2010, 43, 47. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Art. 11 Rz. 2. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 67; Rauscher, GPR 2003/04, 286, 292.
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Kap. IV: Vollstreckung
Art. 21 EG-VollstrTitelVO
Herausgabeklage hindert den Gläubiger jedoch nicht daran, sich im Ursprungsmitgliedstaat eine neue Bestätigung ausstellen zu lassen.54
V. Österreichisches Vollstreckungsverfahren 1. Einleitung der Vollstreckung Zuständige Vollstreckungsbehörde i.S.v. Abs. 2 ist das Exekutionsgericht nach § 3 ff. österrEO; diesem sind die notwendigen Unterlagen vorzulegen.55
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Die Bestätigung ersetzt allein die Vollstreckbarerklärung. Die Exekutionsbewilligung nach österreichischem Recht ist auch bei der Vollstreckung aus einem EuVollstrTitel zu beantragen.56 Soweit die zu vollstreckende Forderung 50.000 t; nicht übersteigt und die weiteren Voraussetzungen des § 54b Abs. 1 österrEO vorliegen, ist das vereinfachte Bewilligungsverfahren nach § 54b Abs. 2 österrEO durchzuführen.57
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2. Durchführung der Vollstreckung § 2 Abs. 2 österrEO passt das nationale Recht dergestalt an, dass die Anforderungen des Abs. 1 S. 2 verwirklicht werden: Akte und Urkunden, die aufgrund eines Rechtsaktes der EU – hier der EG-VollstrTitelVO – ohne gesonderte Vollstreckbarerklärung zu vollstrecken sind, werden den nationalen Exekutionstiteln nach § 1 österrEO gleichgestellt.
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3. Rechtsbehelfe in der Zwangsvollstreckung Es stehen die gleichen Rechtsbehelfe zur Verfügung, die auch bei der Vollstreckung eines inländischen Titels geltend gemacht werden können. So kann nach § 250 österr EO eingewandt werden, dass die Vollstreckung in bestimmte Gegenstände unzulässig ist. Der nicht ordnungsgemäße Ablauf des Vollstreckungsverfahrens kann nach § 68 österrEO geltend gemacht werden. Auch die Oppositionsklage bleibt zulässig.58
Artikel 21 Verweigerung der Vollstreckung (1) Auf Antrag des Schuldners wird die Vollstreckung vom zuständigen Gericht im Vollstreckungsmitgliedstaat verweigert, wenn die als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland ergangen ist, sofern a) die frühere Entscheidung zwischen denselben Parteien wegen desselben Streitgegenstands ergangen ist und b) die frühere Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen ist oder die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung im Vollstreckungsmitgliedstaat erfüllt und c) die Unvereinbarkeit im gerichtlichen Verfahren des Ursprungsmitgliedstaats nicht geltend gemacht worden ist und nicht geltend gemacht werden konnte.
54 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 8; vgl. Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 11. 55 OGH v. 22.2.2007 – Ob 253/06m, ECLI:AT:OGH0002:2007:0030OB00253.06M.0222.000, IPRax 2008, 440, 442. 56 Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 189. 57 Mohr, ecolex 2005, 602, 605. 58 Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 14; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 190.
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Art. 21 EG-VollstrTitelVO
Verweigerung der Vollstreckung
(2) Weder die Entscheidung noch ihre Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel dürfen im Vollstreckungsmitgliedstaat in der Sache selbst nachgeprüft werden. I. II. 1. 2. 3. 4.
Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unvereinbare frühere Entscheidung . . . . . . Anerkennung im Vollstreckungsmitgliedstaat Dieselben Parteien und derselbe Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Keine Möglichkeit der Geltendmachung . . .
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III. IV. 1. 2. 3. 4.
Prüfungsmaßstab . . . . . . Verfahren in Deutschland . Zuständigkeit . . . . . . . . . Verfahren und Entscheidung Rechtsbehelfe . . . . . . . . . Kosten und Gebühren . . . .
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I. Regelungszweck 1
In Art. 21 EG-VollstrTitelVO wird der einzige Grund normiert, den die VO für eine umfassende Verweigerung der Vollstreckung durch den Vollstreckungsmitgliedstaat vorsieht. Unter engen Voraussetzungen kann eine Unvereinbarkeit der bestätigten Entscheidung mit einer früheren Entscheidung gerügt und daraufhin die Vollstreckung aus dem EuVollstrTitel eingestellt werden. Vorbild für die Norm ist Art. 34 Nr. 3, 4 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. c, d Brüssel Ia-VO, jedoch ist sie in mehreren Punkten enger gefasst.
2
Andere Vollstreckungsversagungsgründe werden von der VO nicht vorgesehen. Vorgeschlagen wird jedoch1 bei eklatanten Verstößen im Ursprungsmitgliedstaat, die grundsätzlich die Geltendmachung des ordre-public-Vorbehalts rechtfertigen würden, vom Schuldner einen Antrag auf Verweigerung der Vollstreckung zu erlangen. Daraufhin könnte das Vollstreckungsgericht dem EuGH die Frage vorlegen, ob der Ausschluss der Möglichkeit der Verweigerung der Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat auch dann mit den europäischen Grundrechtsgarantien vereinbar ist, wenn im Ursprungsmitgliedstaat eklatante Verstöße gegen tragende Prinzipien des europäischen Grundrechtsschutzes erfolgt sind.
II. Voraussetzungen 1. Antrag 3
Die Beachtung der früheren Entscheidung erfolgt nur auf Antrag, nicht von Amts wegen. Sowohl die Antrags- als auch die Entscheidungszuständigkeit überlässt die VO dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates.
4
Der Antrag muss nicht binnen bestimmter Frist gestellt werden. Insofern erscheint es auf den ersten Blick, dass der Schuldner besser gestellt wurde, als im Verfahren nach der Brüssel I-VO, wo gem. Art. 43 Abs. 5 Brüssel I-VO die Unvereinbarkeit mit einer anderen Entscheidung nach Art. 34 Nr. 3, 4 Brüssel I-VO allein mittels des befristeten Rechtsbehelfs im Exequaturverfahren geltend gemacht werden kann.2 Jedoch muss beachtet werden, dass hier eine Geltendmachung erst in Betracht kommt, wenn der Gläubiger im Vollstreckungsstaat aktiv wird. Dies erfolgt jedoch nicht durch ein vorgelagertes weiteres Verfahren, sondern unmittelbar durch den Beginn der Vollstreckung. Der Schuldner muss daher, um die Vollstreckung gegen sich zu verhindern, unverzüglich aktiv werden. Ein Bedürfnis für eine Befristung besteht daher für den Antrag nicht, es erfolgt gerade kein vorgelagertes Prüfverfahren, zu dessen Teilnahme der Schuldner durch eine mögliche Präklusion aufgrund Fristversäumnis gezwungen werden muss.
1 Hess, JZ 2005, 540, 546. 2 S. Bajons, FS Rechberger (2005) 1, 21.
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Kap. IV: Vollstreckung
Art. 21 EG-VollstrTitelVO
2. Unvereinbare frühere Entscheidung Es muss eine frühere Entscheidung bestehen. Die VO unterscheidet nicht3 zwischen Entscheidungen aus dem Vollstreckungsmitgliedstaat, anderen Mitgliedstaaten und Drittstaaten.4 Inländische und ausländische im Vollstreckungsmitgliedstaat anerkennungsfähige (dazu gleich Rz. 6) Entscheidungen werden gleich behandelt.5 Es gilt generell das Prioritätsprinzip. Damit eine andere Entscheidung hier noch berücksichtigt werden kann, muss sie vor der Bestätigung ergangen sein. Die frühere und die bestätigte Entscheidung müssen miteinander unvereinbar sein. Dies ist nicht gegeben, wenn in den Entscheidungen über verschiedene Teile der Forderung entschieden wurde.
5
3. Anerkennung im Vollstreckungsmitgliedstaat Eine frühere ausländische Entscheidung muss im Vollstreckungsmitgliedstaat anerkannt werden 6 können (Abs. 1 lit. b). Die Anerkennungsfähigkeit richtet sich bei Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten nach Art. 36 ff. Brüssel Ia-VO, bei Entscheidungen aus Drittstaaten nach der lex fori des Vollstreckungsmitgliedstaates einschließlich der von ihm ratifizierten bi- und multilateralen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge.6 4. Dieselben Parteien und derselbe Streitgegenstand Die Entscheidung muss zwischen denselben Parteien und wegen desselben Streitgegenstandes ergangen sein (Abs. 1 lit. a). Für die Ausfüllung der Begriffe ist auf die bereits unter dem EuGVÜ, der Brüssel I-VO und der Brüssel Ia-VO erfolgte autonome Auslegung zurückzugreifen. Es ist auf die entsprechende Kommentierung bei Art. 45 Abs. 1 lit. c, d Brüssel Ia-VO zu verweisen.7 Aus der Divergenz in der deutschen Sprachfassung mit „Streitgegenstand“ in der VO und „Anspruch“ in Art. 34 Nr. 4 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. d Brüssel Ia-VO8 lässt sich kein abweichender Gehalt herleiten.9
7
5. Keine Möglichkeit der Geltendmachung Es besteht eine Beschränkung auf Einwendungen, die im Ursprungsmitgliedstaat nicht geltend ge- 8 macht worden sind und nicht geltend gemacht werden konnten (Abs. 1 lit. c). Diese Voraussetzung fügt sich in das Gesamtsystem der VO ein, welche erhebliche Anforderungen an den Schuldner im ausländischen Prozess stellt. Es wird von ihm verlangt, dass er bei Existenz einer unvereinbaren Entscheidung die Unvereinbarkeit möglichst rasch im Ursprungsmitgliedstaat geltend macht. Im Vollstreckungsmitgliedstaat soll er sich nur darauf berufen können, wenn er dies zuvor im Ausgangsverfahren ohne eigenes Verschulden nicht konnte.10 Sprachlich ist lit. c missglückt; sie erweckt den Anschein, als schließe ein aussichtsloses Geltendmachen im Ursprungsmitgliedstaat die Verweigerung aus, was schwerlich gemeint sein kann.11 Die Grenze der Belastbarkeit der inländischen Rechtsordnung des Vollstreckungsmitgliedstaates wird 9 dadurch berührt, dass es dem Schuldner obliegt, die Rechtskraft einer inländischen Entscheidung 3 Wie noch Art. 34 Nr. 3, 4 Brüssel I-VO und Art. 45 Abs. 1 lit. c, d Brüssel Ia-VO; Rosner, Money Judgements S. 180. 4 Stein, IPRax 2004, 181, 182; Kropholler/von Hein, Rz. 3; die ungerechtfertigte Bevorzugung der Entscheidungen aus dem Vollstreckungsmitgliedstaat wird aufgegeben. 5 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 179. 6 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 179. 7 Rauscher/Leible, (2021) Art. 45 Brüssel Ia-VO Rz. 61 ff. 8 Kein Unterschied besteht z.B. in der englischen Fassung: „the same cause of action“, der niederländischen Fassung: „een geschil dat hetzelfde onderwerp betreft en op dezelfde oorzaak berust“, der portugiesischen Fassung: „mesma causa de pedir“ und der schwedischen Fassung: „samma sak“; geringe Differenzen dagegen auch in der französischen Fassung: Art. 34 Nr. 4 Brüssel I-VO „le même objet et la même cause“, dagegen Art. 21 Abs. 1 lit. a EG-VollstrTitelVO nur „la même cause“. 9 Kropholler/von Hein, Rz. 4; Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 6. 10 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 15 (Art. 22); Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 458; Tsikrikas, ZZPInt 2006, 51, 55. 11 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 180.
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Art. 21 EG-VollstrTitelVO
Verweigerung der Vollstreckung
geltend zu machen oder nicht. Daraus dürften sich durchaus Strategien ergeben, die darauf abzielen, im Inland rechtskräftige Urteile durch Titel aus anderen Mitgliedstaaten außer Kraft zu setzen, weil schwerlich beide Titel nebeneinander bestehen können.12
III. Prüfungsmaßstab 10
Der Prüfungsmaßstab ist von Abs. 2 vorgegeben. Sowohl Entscheidung als auch Bestätigung können nicht in der Sache selbst überprüft werden. Materielle Einwände gegen den zu vollstreckenden Anspruch können nicht vorgebracht werden.13 Alle dem Verfahren unterlaufenden Fehler sind im Vollstreckungsmitgliedstaat nicht mehr angreifbar. Allein die Vereinbarkeit der beiden Titel ist zu prüfen. Mit Abs. 2 ist darauf geachtet worden, dass nicht über Art. 21 EG-VollstrTitelVO die Forderung des Art. 5 EG-VollstrTitelVO umgangen werden kann. Art. 21 EG-VollstrTitelVO kann nicht dazu genutzt werden, über die Hintertür wieder eine ordre public-Kontrolle einzuführen.
IV. Verfahren in Deutschland 1. Zuständigkeit 11
In Deutschland ist das AG als Vollstreckungsgericht ausschließlich14 sachlich zuständig (§ 1084 Abs. 1 S. 1, 3 ZPO). An dieses ist der Antrag zu richten, dieses nimmt auch die Entscheidung vor. Die Zuweisung passt den europäischen Titel in das deutsche System der Verteilung zwischen Prozessund Vollstreckungsgericht ein.15 Die verordnungsautonomen Einwendungen gegen die Vollstreckung (s. auch Art. 23 EG-VollstrTitelVO Rz. 16) sind dem Vollstreckungsgerichten zugewiesen. Von der für die Vollstreckbarerklärung nach der Brüssel I-VO vorgesehenen Zuständigkeit bei den LG (§ 3 AVAG) wird dabei bewusst abgewichen.16
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Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach § 1084 Abs. 1 S. 2 ZPO, sie besteht grundsätzlich bei dem AG, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat (§ 1084 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 764 Abs. 2 ZPO). Etwas anderes kann sich für bestimmte Arten der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen aus den §§ 803 ff. ZPO ergeben (z.B. § 828 Abs. 2 ZPO).17
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Funktional zuständig ist ausweislich des Willens des Gesetzgebers der Richter.18 Die Prüfung der Titelkollision durch den Rechtspfleger erschien nicht angemessen,19 weshalb die Aufgaben nach Art. 21 EG-VollstrTitelVO nicht in die neue Norm zur Übertragung in § 20 Nr. 11 RPflG aufgenommen wurden. Jedoch würde sich die Zuständigkeit des Rechtspflegers aus § 20 Nr. 17 RPflG ergeben. Dies wurde im Gesetzgebungsverfahren wohl nicht gesehen, weshalb hier nunmehr eine entsprechende teleologische Reduktion erfolgen muss.20 2. Verfahren und Entscheidung
14
Nach § 1084 Abs. 2 ZPO ergeht die Entscheidung durch Beschluss. Einstweilige Anordnungen über die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung von bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln sind entsprechend den §§ 769 Abs. 1, 3, 770 ZPO möglich. Die Aufhebung einer Vollstre12 13 14 15 16 17
Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 180. BT-Drucks. 15/5222, 14 (§ 1084 ZPO-E); Stadler, IPRax 2004, 2, 6. Insoweit korrespondiert die Norm mit § 802 ZPO. BT-Drucks. 15/5222, 14. Coester-Waltjen, FS Yessiou-Faltsi (2007) 39, 49. A.A. Geimer, IZPR Rz. 3195c einschl. Fn. 1211, der generell die örtliche Zuständigkeit § 828 Abs. 2 ZPO entnimmt. 18 BT-Drucks. 15/5222, 15 (§ 1084 ZPO-E). 19 BT-Drucks. 15/5222, 15 (§ 1084 ZPO-E); Wagner, IPRax 2005, 401, 404. 20 So im Ergebnis auch Musielak/Voit/Lackmann, § 1084 ZPO Rz. 2; ohne nähere Begründung NK-ZPO/Saenger, § 1084 ZPO Rz. 2; Geimer, IZPR Rz. 3195c; a.A. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Gehle/Schmidt, § 1084 ZPO Rz. 3, der den Rechtpfleger für zuständig ansieht.
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Kap. IV: Vollstreckung
Art. 22 EG-VollstrTitelVO
ckungsmaßregel durch eine derartige einstweilige Maßnahme kann aufgrund der eindeutigen Festlegung in § 1084 Abs. 2 S. 3 ZPO auch ohne Sicherheitsleistungen nach dem Ermessen des Amtsrichters erfolgen. 3. Rechtsbehelfe Gegen den Beschluss ist die sofortige Beschwerde nach allgemeinen Regeln gegeben.21 Die einstweiligen Anordnungen können dabei mit angegriffen werden. Eine isolierte Anfechtung einzelner einstweiliger Maßnahmen ist (wie auch sonst bei §§ 769, 770 ZPO) nicht möglich,22 es muss der ganze Beschluss angegriffen werden.
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4. Kosten und Gebühren Für den Antrag auf Verweigerung der Vollstreckung werden Gerichtskosten nach Nr. 2119 GKG-KV 16 streitwertunabhängig i.H.v. 33 t erhoben. Sie liegen damit höher als die Kosten für einen vergleichbaren Antrag, der einen inländischen Titel betrifft (Nr. 2111 GKG-KV: 22 t). Dies wird mit dem erhöhten Prüfungsaufwand des Gerichts aufgrund des Auslandsbezuges gerechtfertigt.23 Es handelt sich hierbei um eine Verfahrensgebühr, der Ausgang des Verfahrens ist daher für den Gebührenanfall unbeachtlich.24 Kostenschuldner ist der Antragsteller (§ 22 Abs. 1 S. 1 GKG). Vorrangig (§ 31 Abs. 2 GKG) haftet jedoch ein Entscheidungsschuldner, wenn ihm aus Billigkeitserwägungen die Haftung aufgrund gerichtlicher Entscheidung auferlegt wurde (§ 29 Nr. 1 GKG). Hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren handelt es sich um eine Besondere Angelegenheit i.S.v. § 18 17 Nr. 6 RVG. Der Rechtsanwalt erhält daher 0,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3309 RVG-VV) und ggf. 0,3 Terminsgebühr (Nr. 3310 RVG-VV) für seine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung. Soweit nach § 1084 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO einstweilige Anordnungen über die Einstellung der Zwangsvollstreckung oder die Aufhebung von bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln begehrt werden gehört diese Tätigkeit für den Rechtsanwalt grundsätzlich zum Rechtszug, gesonderte Gebühren fallen nur an, wenn eine abgesonderte mündliche Verhandlung hierüber stattfindet (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 11 RVG); dann 0,5 Verfahrens- und ggf. 0,5 Terminsgebühr (Nr. 3328, 3332 RVG-VV).
Artikel 22 Vereinbarungen mit Drittländern Diese Verordnung lässt Vereinbarungen unberührt, durch die sich die Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 im Einklang mit Artikel 59 des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen verpflichtet haben, Entscheidungen insbesondere der Gerichte eines anderen Vertragsstaats des genannten Übereinkommens gegen Beklagte, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Drittlands haben, nicht anzuerkennen, wenn die Entscheidungen in den Fällen des Artikels 4 des genannten Übereinkommens nur in einem der in Artikel 3 Absatz 2 des genannten Übereinkommens angeführten Gerichtsstände ergehen können. Durch die Norm soll es den Mitgliedstaaten ermöglicht werden, auch nach Erlass der VO zuvor ein- 1 gegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen.1 Nachdem Art. 59 EuGVÜ den Ab21 22 23 24 1
Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 171. BT-Drucks. 15/5222, 15 (§ 1084 ZPO-E); Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1084 ZPO Rz. 3. BT-Drucks. 15/5222, 17. BeckOK KostR/Sengl, (33. Edition 1.4.2021) Nr. 2119 GKG-KV Rz. 2. In erster Linie wurde hier wohl auf ein britisch-kanadisches und ein britisch-australisches Abkommen Rücksicht genommen, vgl. bei Rauscher/Mankowski (2021), Art. 72 Brüssel Ia-VO Rz. 1 Fn. 2 sowie Wagner, IPRax 2005, 189, 198.
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Art. 23 EG-VollstrTitelVO Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung schluss entsprechender Abkommen gestattete, müssen nun, auch wenn die Gemeinschaft heute die alleinige Außenkompetenz für derartige Abkommen wahrnimmt und die Mitgliedstaaten diese nicht mehr eingehen können, die bestehenden Übereinkommen respektiert werden. Die Brüssel I-VO hat Art. 59 EuGVÜ nicht übernommen, respektiert aber die entsprechend vor ihrem Inkrafttreten eingegangenen Verpflichtungen. Gleiches erfolgt hier in der VO. 2
Für Deutschland ist kein relevantes Abkommen in Kraft,2 so dass Art. 22 EG-VollstrTitelVO aus deutscher Sicht keine Bedeutung erlangt. Die Vollstreckung deutscher Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat kann jedoch an Art. 22 EG-VollstrTitelVO scheitern, wenn dieser Mitgliedstaat ein entsprechendes Abkommen geschlossen hat und deshalb die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung verweigern darf.
3
Voraussetzung ist der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Beklagten in einem Drittstaat. Die Entscheidung muss in einem der in Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ aufgeführten exorbitanten Gerichtsstände ergangen sein. Eine andere Zuständigkeit aus dem EuGVÜ darf in diesem Staat nicht bestanden haben. Mit dem Drittstaat muss der Vollstreckungsmitgliedstaat ein entsprechendes Abkommen vor Inkrafttreten der Brüssel I-VO abgeschlossen haben, aufgrund dessen er sich verpflichtet hat, derartige Entscheidungen gegen Bewohner des anderen Vertragsstaates nicht zu vollstrecken.
Artikel 23 Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung Hat der Schuldner – einen Rechtsbehelf gegen eine als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entscheidung eingelegt, wozu auch ein Antrag auf Überprüfung im Sinne des Artikels 19 gehört, oder – die Berichtigung oder den Widerruf einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß Artikel 10 beantragt, so kann das zuständige Gericht oder die befugte Stelle im Vollstreckungsmitgliedstaat auf Antrag des Schuldners a) das Vollstreckungsverfahren auf Sicherungsmaßnahmen beschränken oder b) die Vollstreckung von der Leistung einer von dem Gericht oder der befugten Stelle zu bestimmenden Sicherheit abhängig machen oder c) unter außergewöhnlichen Umständen das Vollstreckungsverfahren aussetzen. I. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einlegung eines Rechtsbehelfs . . . . . . . . . . 2. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 2 4
III. 1. 2. 3. 4. 5.
Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . Sicherungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . Sicherheitsleistungen . . . . . . . . . . . . . Aussetzung der Vollstreckung . . . . . . . . Rückgängigmachung von Vollstreckungsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. 5 . 7 . 8 . 9 . 10
. . 11
IV. Aussetzung aufgrund Individualbeschwerde zum EGMR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Individualbeschwerde als Rechtsbehelf i.S.d. Art. 23 EG-VollstrTitelVO . . . . . . . . . . . . 2. Außergewöhnliche Umstände . . . . . . . . . . 3. Vermeidung weiterer Grundrechtsverstöße . . V. 1. 2. 3. VI.
Verfahren in Deutschland . Zuständigkeit . . . . . . . . . Verfahren und Entscheidung Kosten und Gebühren . . . . Verfahren in Österreich . . .
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2 Wagner, IPRax 2005, 189, 198; Kropholler/von Hein, Rz. 1; Rauscher/Mankowski (2021), Art. 72 Brüssel I-VO Rz. 1 weist auf den deutsch-norwegischen Vertrag v. 17.6.1977, BGBl. 1981 II 341 hin, der, soweit er nicht durch Art. 55 LugÜbk 1988 aufgehoben und vom LugÜbk 1988 ersetzt ist, einschlägig wäre. Die VO hat jedoch einen engeren Anwendungsbereich als das LugÜbk 1988; Fälle, die in den Anwendungsbereich der VO aber nicht des LugÜbk 1988 fallen, sind nicht denkbar. Daher entfaltet der genannte Vertrag im Anwendungsbereich der VO keine Wirkungen, so auch Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 174.
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Pabst
Kap. IV: Vollstreckung
Art. 23 EG-VollstrTitelVO
I. Regelungszweck Die Aussetzung und Beschränkung der Vollstreckung korrespondiert mit dem Grundprinzip der VO, 1 dass der Schuldner sich gegen den Titel nur im Ursprungsmitgliedstaat wehren kann. Der Vollstreckungsmitgliedstaat kann nur für die Dauer eines im Ursprungsmitgliedstaat laufenden Rechtsbehelfsverfahrens die Vollstreckung aussetzen oder beschränken.1 Eine Beschränkung der Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ist nicht notwendig; die Möglichkeiten des Art. 23 EG-VollstrTitelVO sind auch eröffnet, wenn die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates (noch) vollständig vollstreckbar ist. Art. 23 EG-VollstrTitelVO hat daher gerade für die Fälle, in denen die Einlegung des Rechtsbehelfs noch keine Auswirkungen auf die Vollstreckbarkeit des Titels hat, besondere praktische Relevanz.2 Misst das Recht des Ursprungsmitgliedstaats einem Rechtsbehelf keinen Einfluss auf die Vollstreckbarkeit des bestätigten Titels bei, wird so dem Vollstreckungsmitgliedstaat die Möglichkeit gegeben, seine Vorstellungen eines vollstreckungsrechtlichen Suspensiveffekts bedingt durchzusetzen.3
II. Voraussetzungen 1. Einlegung eines Rechtsbehelfs Der Schuldner muss einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eingelegt haben, welche als EuVollstr- 2 Titel bestätigt wurde (Spiegelstrich 1). Erfasst sind ordentliche und außerordentliche Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat unter Einschluss von Verfassungsbeschwerden;4 ausdrücklich genannt ist der Überprüfungsantrag nach Art. 19 EG-VollstrTitelVO. Der einschränkenden Voraussetzung von Teilen der Literatur,5 wonach die Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat eingelegt werden müssen, ist nicht zu folgen. Der Wortlaut erlaubt die systematisch gebotene Ausdehnung auf die Einlegung einer Individualbeschwerde nach Art. 34 EMRK, die es ermöglicht, den für einen Verzicht auf eine Kontrolle im Vollstreckungsmitgliedstaat ins Feld geführten Europäischen Menschenrechtsschutz effizient in das konkrete Verfahren einzubringen.6 Zukünftig können so auch de lege ferenda zu schaffende Rechtsbehelfe zum EuGH miterfasst werden. Ebenso kann der Schuldner Rechtsbehelfe gegen die Bestätigung erhoben haben (Spiegelstrich 2). Dies sind aufgrund von Art. 10 Abs. 4 EG-VollstrTitelVO lediglich die Berichtigung oder der Widerruf nach Art. 10 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO. Problematisch ist jedoch, dass der Schuldner u.U. erst bei Beginn der Vollstreckung von der Bestätigung erfährt und einen derartigen Antrag jedenfalls noch nicht gestellt haben kann.7 Die VO sieht autonom die Zustellung der Bestätigung an den Schuldner nicht vor (s. Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 6), für in Deutschland erfolgte Bestätigungen wird eine derartige Zustellung jedoch vom nationalen Recht verlangt (§ 1080 Abs. 1 S. 2 ZPO, s. Art. 9 EGVollstrTitelVO Rz. 17). In Österreich besteht ein entsprechendes nationales Erfordernis nicht (s. Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 30).
3
Der Rechtsbehelf gegen die Entscheidung oder die Bestätigung muss tatsächlich bereits eingelegt oder erhoben worden sein. Es ist nicht ausreichend, dass der Schuldner seinen Anwalt mit der Erhebung eines solchen Rechtsbehelfs beauftragt hat.8
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1 2 3 4 5 6 7 8
Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 181. Stein, EuZW 2004, 679, 682; Wagner, IPRax 2005, 189, 198. Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 45. Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 181; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 6; Geimer/Schütze/Hilbig, Rz. 13; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, Rz. 2; a.A. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR Rz. 2; Kropholler/ von Hein, Rz. 3; Wagner, IPRax 2005, 198; Tsikrikas, ZZPInt 2006, 51, 60 Fn. 21. Stein, EuZW 2004, 679, 682; Kropholler/von Hein, Rz. 2. Dazu unten Rz. 10; ebenso Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 181. Coester-Waltjen, JURA 2005, 394, 396. High Court (UK) v. 6.6.2018 – [2018] EWHC 1374 (Ch) – Gerardo Moreno de la Hija vs. Lady Birgit Lee, unalex UK-1539 Rz. 59.
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Art. 23 EG-VollstrTitelVO Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung 2. Antrag 4
Erforderlich ist auch nach Art. 23 EG-VollstrTitelVO ein Antrag des Schuldners. Das Vollstreckungsgericht kann daher keine Maßnahmen von Amts wegen ergreifen, auch dann nicht, wenn ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat eingelegt wurde.9
III. Entscheidung 5
Die zuständige Stelle des Vollstreckungsmitgliedstaates hat grundsätzlich ein eigenes Ermessen,10 ob sie tätig wird und wenn ja, welche der Möglichkeiten in lit. a bis c sie ergreift. Es besteht daher ein doppeltes Ermessen, der Schuldner hat keine Sicherheit, dass eine der Maßnahmen der lit. a bis c ergriffen wird. Maßgebend für die Ermessensausübung sind die Beurteilung der Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs sowie die Wahrscheinlichkeit, dass eine bedingungslose Vollstreckung zu einem nicht wieder gutzumachenden Schaden führt.11
6
In das Ermessen mit einzustellen ist, ob bei einer Vollstreckung im Ursprungsmitgliedstaat zwingende Schuldnerschutzmaßnahmen zu ergreifen wären. Art. 23 EG-VollstrTitelVO übernimmt als autonome Regelung der Verordnung vollständig die Schuldnerschutzaufgaben bei vorläufiger Vollstreckbarkeit (s. Art. 6 EG-VollstrTitelVO Rz. 11). Der Schuldnerschutz wird so vollständig in den Vollstreckungsstaat verlagert. Abstimmungsprobleme zwischen den beiden zur Anwendung gelangenden Rechtsordnungen (Recht des Ursprungsmitgliedstaates für die Frage der Vollstreckbarkeit, EG-VollstrTitelVO für die Frage der Schutzmaßnahmen) sind durch eine entsprechende Ermessensausübung aufzulösen. Anpassungsprobleme können so verhindert werden.12 1. Keine Maßnahme
7
Das Gericht kann als Ergebnis der Ermessensausübung auf jede Art von Maßnahmen verzichten. Die Vollstreckung ist unbeschränkt weiter fortzusetzen; nach Art. 11 EG-VollstrTitelVO in dem Rahmen, in dem die Entscheidung auch im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist.13 Der Schuldner muss im Ursprungsstaat dafür sorgen, dass die Entscheidung nicht mehr vollstreckbar ist; dann kann er im Vollstreckungsstaat mittels der Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung nach Art. 6 Abs. 2 EGVollstrTitelVO die Vollstreckung stoppen, ohne dass es auf Maßnahmen nach Art. 23 EG-VollstrTitelVO ankommt. 2. Sicherungsmaßnahmen
8
Nach lit. a kann die Vollstreckung auf Sicherungsmaßnahmen beschränkt werden. Welche Sicherungsmaßnahmen möglich sind, bestimmt die lex fori.14
9 Die Vollstreckung ist jedoch sofort einzustellen, wenn der Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaat lege fori die Vollstreckbarkeit entfallen lässt, es liegt dann keine vollstreckbare Entscheidung mehr vor. Der Titel hat im Vollstreckungsmitgliedstaat keine weiterreichenden Wirkungen als im Ursprungsmitgliedstaat (Art. 11 EG-VollstrTitelVO). Der Schuldner kann der Vollstreckung die Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung nach Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO entgegenhalten. 10 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 11 (Art. 23). 11 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 15 (Art. 23); Kropholler/von Hein, Rz. 6; Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU (2008) § 5 Rz. 45; Peiffer, Rz. 1205. 12 Diese befürchtet Coester-Waltjen, JURA 2005, 394, 395. 13 Beispielsweise ist es möglich, dass in einem anderen Mitgliedstaat das Vollstreckungsverfahren gegen einen Deutschen aus einem deutschen Versäumnisurteil, welches als EuVollstrTitel bestätigt wurde, ohne jegliche Sicherheitsleistungen fortgesetzt wird, obwohl der Schuldner form- und fristgerecht in Deutschland Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt hat und nunmehr streitig weiterverhandelt wird; so auch Peiffer, Rz. 1211. 14 Kropholler/von Hein, Rz. 8.
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Kap. IV: Vollstreckung
Art. 23 EG-VollstrTitelVO
3. Sicherheitsleistungen Lit. b gibt die Möglichkeit, dass die Vollstreckung von einer Sicherheit abhängig gemacht wird. Die 9 Sicherheit wird vom Vollstreckungsgericht oder der zur Vollstreckung befugten Stelle bestimmt. Aus dem Normzweck ergibt sich, dass die Sicherheit vom Gläubiger zu leisten ist. Eine Anordnung nach lit. b kommt nur dann in Betracht, wenn nicht bereits im Ursprungsmitgliedstaat ausreichend Sicherheit geleistet wurde.15 Insoweit ist auf die Interessen des Gläubigers Rücksicht zu nehmen; es kann nicht verlangt werden, dass dieser doppelt Sicherheit leisten muss. Die Schuldnerinteressen werden bereits durch die Sicherheit im Erststaat gewahrt. Das gegenseitige Vertrauen in die Rechtspflege der anderen Mitgliedstaaten muss nur soweit reichen, dass im Falle der Notwendigkeit die Sicherheitsleistung im Erststaat entsprechend für den Schuldner verwendet werden kann. 4. Aussetzung der Vollstreckung In lit. c ist die bedingungslose Aussetzung der Vollstreckung vorgesehen. Sicherungsmaßnahmen, in diesem Fall theoretisch durch den Schuldner zu leisten, sind nicht vorgesehen. In die Ermessensentscheidung muss einfließen, dass die Maßnahme nach lit. c nur unter außergewöhnlichen Umständen, im Gegensatz zu lit. a und b also nur in Ausnahmefällen, zuzulassen ist.16 Solche Ausnahmefälle liegen aber nicht zwingend in der Art der Vollstreckung; sie können auch in den gegen die Entscheidung vorgebrachten Angriffen liegen. Hierzu dürften insbesondere Fälle gehören, in denen mit dem Rechtsbehelf ein Mangel gerügt wird, der den ordre public des Vollstreckungsmitgliedstaates verletzt.17 Art. 21 Abs. 2 verbiete es hier auch nicht, die angegriffene Entscheidung selbst heranzuziehen, um die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei der Beurteilung des Vorliegens von außergewöhnlichen Umständen mit einzustellen; dadurch werde nicht die Entscheidung selbst nachgeprüft.18
10
5. Rückgängigmachung von Vollstreckungsmaßnahmen Die äußerste und weitestreichende Möglichkeit ist die Aussetzung der Vollstreckung für die Zukunft. 11 Bereits erfolgte Vollstreckungsmaßnahmen können dagegen auf Grundlage von Art. 23 EG-VollstrTitelVO nicht rückgängig gemacht werden.19 Die Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen (vgl. im deutschen Recht § 707 Abs. 1 S. 1 ZPO a.E.) wird von der VO nicht vorgesehen.
IV. Aussetzung aufgrund Individualbeschwerde zum EGMR Die mangelnden Rechtsschutzmöglichkeiten im Bestätigungsverfahren (s. dazu Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rz. 2) und das Fehlen einer allgemeinen europäischen Überprüfungsmöglichkeit von Grundrechtsverstößen (Einl. EG-VollstrTitelVO Rz. 40 ff.) machen die Individualbeschwerde zum EGMR nach Art. 34 EMRK zu einem wichtigen Rechtsmittel im Vollstreckungsverfahren dieser VO. Nur so können eklatante Verstöße gegen rechtsstaatliche Prinzipien angegriffen werden.
12
1. Individualbeschwerde als Rechtsbehelf i.S.d. Art. 23 EG-VollstrTitelVO Art. 23 EG-VollstrTitelVO bietet die Möglichkeit, die Individualbeschwerde und das Vollstreckungsverfahren prozessual zu verknüpfen. Die Möglichkeit der Aussetzung der Vollstreckung nach Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die als EuVollstrTitel bestätigte Entscheidung wird in Art. 23 EG-VollstrTitelVO vorgesehen. Der Rechtsbehelf ist dabei in der Endfassung der VO nicht mehr auf bestimmte Typen (ordentlicher, nationaler) beschränkt. Auch die Beschwerde zum EGMR kann also 15 Kropholler/von Hein, Rz. 9; Wieczoreck/Schütze/Schütze, (2013) § 1084 ZPO Rz. 10. 16 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 11 (Art. 23). 17 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 182; Rijavec/Jelinek/Brehm, S. 211; Wieczoreck/Schütze/Schütze (2013) § 1084 ZPO Rz. 11. 18 High Court (UK) v. 6.6.2018 – [2018] EWHC 1374 (Ch) – Gerardo Moreno de la Hija vs. Lady Birgit Lee, unalex UK-1539 Rz. 60. 19 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 4.
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13
Art. 23 EG-VollstrTitelVO Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung unter den Begriff Rechtsbehelf in Art. 23 EG-VollstrTitelVO subsumiert werden.20 Dies ist anscheinend weder vom Rat noch von der Kommission gesehen worden,21 hindert aber eine entsprechende Anwendung nicht. 2. Außergewöhnliche Umstände 14
Die Aussetzung (ohne Sicherheitsleistungen) ist zwar nur unter außergewöhnlichen Umständen möglich (Art. 23 lit. c EG-VollstrTitelVO), diese können aber bei einer Individualbeschwerde, die auf Gründen fußt, die einen ordre public-Vorbehalt nach Art. 34 Nr. 1 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO rechtfertigten, wohl immer anzunehmen sein.22 3. Vermeidung weiterer Grundrechtsverstöße
15
Nur auf diese Weise lässt sich der Gefahr begegnen, dass das Verbot der Nachprüfung im Vollstreckungsmitgliedstaat diesen bei Verstößen des Ausgangsverfahrens gegen Art. 6 EMRK zu einer weiteren Menschenrechtsverletzung verpflichtet. Der Schuldner wird nicht nur durch das Urteil selbst in seinen Grundrechten verletzt. Wird dieses Urteil nunmehr auch noch in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, begründet dies einen neuen Grundrechtsverstoß. Die Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat kann nicht auf der Grundlage der Fiktion eines einheitlichen Rechtsraumes in der EU – der erst geschaffen werden soll – als bloße Perpetuierung des ursprünglichen Grundrechtsverstoßes gewertet werden.23 Lässt sich die Aussetzung nicht nutzbar machen, um die Automatisierung des zweiten Grundrechtsverstoßes zu stoppen, so verstößt das Überprüfungsverbot der EG-VollstrTitelVO wohl zwangsläufig gegen die jeweils seitens des Vollstreckungsmitgliedstaates eingegangene Verpflichtung im Rahmen der EMRK.24
V. Verfahren in Deutschland 1. Zuständigkeit 16
Ausschließlich sachlich zuständiges Gericht ist in Deutschland das AG als Vollstreckungsgericht (§ 1084 Abs. 1 S. 1, 3 ZPO). Die Zuweisung passt damit den europäischen Titel in das deutsche System der Verteilung zwischen Prozess- und Vollstreckungsgericht ein.25 Die verordnungsautonomen Einwendungen gegen die Vollstreckung (s. auch Art. 21 EG-VollstrTitelVO Rz. 11) sind dem Vollstreckungsgerichten zugewiesen. Von der für die Vollstreckbarerklärung nach der Brüssel I-VO angeordneten Zuständigkeit bei den LG (§ 3 AVAG) wird dabei bewusst abgewichen.26
17
Die örtliche Zuständigkeit besteht nach § 1084 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 764 Abs. 2 ZPO grundsätzlich bei dem AG, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat. Etwas anderes kann sich für bestimmte Arten der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen aus den §§ 803 ff. ZPO ergeben (z.B. § 828 Abs. 2 ZPO). Auch diese Zuständigkeiten sind ausschließlich (§ 1084 Abs. 1 S. 3 ZPO). 20 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 28; Rauscher, GPR 2003-04, 286, 292; Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 3; Geimer/ Schütze/Hilbig, Rz. 14; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, Rz. 6; Fasching/Rechberger, Rz. 2; Rechberger, FS Leipold (2009) 301, 307; Rechberger, FS Kerameus (2009) 1141, 1147; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 190; Rijavec/Jelinek/Brehm, S. 209; a.A. Geimer/Schütze/Geimer, EuZVR Rz. 2; Kropholler/von Hein, Rz. 4; NKZPO/Saenger, Anh. § 1086 ZPO Rz. 4; Wagner, IPRax 2005, 189, 198. 21 Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 11 (Art. 23) begründet die Änderung des Art. 23 EGVollstrTitelVO lediglich mit den Änderungen in Art. 10 EG-VollstrTitelVO (Art. 8 VO-E). 22 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 28. 23 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 29; Kohler in Reichelt/Rechberger, Europäisches Kollisionsrecht (2004) S. 63, 77; Rechberger, FS Kerameus (2009) 1141, 1142. 24 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 29; Kohler in Reichelt/Rechberger, Europäisches Kollisionsrecht (2004) S. 63, 77 bedenkt gar einen Verstoß der VO gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht, da die Rechte aus der EMRK über Art. 6 Abs. 3 EUV in ihrem materiellen Gehalt auch die Rechtsetzungsorgane der Gemeinschaft binden. 25 BT-Drucks. 15/5222, 14. 26 Coester-Waltjen, FS Yessiou-Faltsi (2007) 39, 49.
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Kap. IV: Vollstreckung
Art. 23 EG-VollstrTitelVO
Funktional zuständig ist ausweislich des Willens des Gesetzgebers der Richter.27 Die Prüfung der Ti- 18 telkollision durch den Rechtspfleger erschien nicht angemessen,28 weshalb die Aufgaben nach Art. 23 EG-VollstrTitelVO nicht in die neue Norm zur Übertragung in § 20 Nr. 11 RPflG aufgenommen wurden. Jedoch würde sich die Zuständigkeit des Rechtspflegers aus § 20 Nr. 17 RPflG ergeben. Dies wurde im Gesetzgebungsverfahren wohl nicht gesehen, weshalb hier nunmehr eine entsprechende teleologische Reduktion erfolgen muss.29 2. Verfahren und Entscheidung Die Entscheidung erfolgt als einstweilige Anordnung (§ 1084 Abs. 3 S. 1 ZPO). So wird dem Umstand Rechnung getragen, dass derartige Anordnungen regelmäßig schnell ergehen müssen, um einen effektiven Schuldnerschutz zu erreichen. Die Entscheidung ist unanfechtbar, jegliche Rechtsbehelfe werden durch § 1084 Abs. 3 S. 2 ZPO ausgeschlossen.30 Die in Deutschland nach Art. 23 EG-VollstrTitelVO getroffenen Maßnahmen werden mit der Entscheidung über den Rechtsbehelf im ausländischen Hauptverfahren hinfällig.31
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3. Kosten und Gebühren Für den Antrag auf Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung werden Gerichtskosten nach Nr. 2119 GKG-KV streitwertunabhängig i.H.v. 33 t erhoben. Sie liegen damit höher als die Kosten für einen vergleichbaren Antrag, der einen inländischen Titel betrifft (Nr. 2111 GKG-KV: 22 t). Dies wird mit dem erhöhten Prüfungsaufwand des Gerichts aufgrund des Auslandsbezuges gerechtfertigt.32 Es handelt sich hierbei um eine Verfahrensgebühr, der Ausgang des Verfahrens ist daher für den Gebührenanfall unbeachtlich.33 Kostenschuldner ist der Antragsteller (§ 22 Abs. 1 S. 1 GKG). Vorrangig (§ 31 Abs. 2 GKG haftet jedoch ein Entscheidungsschuldner, wenn ihm aus Billigkeitserwägungen die Haftung aufgrund gerichtlicher Entscheidung auferlegt wurden (§ 29 Nr. 1 GKG).
20
Hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren handelt es sich um eine Besondere Angelegenheit i.S.v. § 18 21 Nr. 6 RVG. Der Rechtsanwalt erhält daher 0,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3309 RVG-VV) und ggf. 0,3 Terminsgebühr (Nr. 3310 RVG-VV) für seine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung.
VI. Verfahren in Österreich Besondere Umsetzungen hinsichtlich Art. 23 EG-VollstrTitelVO wurden vom österreichischen Gesetzgeber nicht vorgenommen. Die Aussetzung und Aufschiebung der Vollstreckung ist daher nach den Regeln der Aufschiebung der Exekution nach § 44 österrEO vorzunehmen. Die dort aufgestellten Bedingungen stehen nicht im Konflikt mit den Anforderungen der VO.34
27 BT-Drucks. 15/5222, 15 (§ 1084 ZPO-E); Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 177. 28 BT-Drucks. 15/5222, 15 (§ 1084 ZPO-E); Wagner, IPRax 2005, 401, 404. 29 So im Ergebnis auch Musielak/Voit/Lackmann, § 1084 ZPO Rz. 2; ohne nähere Begründung NK-ZPO/Saenger, § 1084 ZPO Rz. 2; Geimer, IZPR Rz. 3195d; a.A. Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers/Gehle/Schmidt, § 1084 ZPO Rz. 3, der den Rechtspfleger für zuständig ansieht. 30 Dies erfolgt in Anlehnung an § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO, BT-Drucks. 15/5222, 15 (§ 1084 ZPO-E). 31 Kropholler/von Hein, Rz. 13; Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1084 ZPO Rz. 4; Geimer, IZPR Rz. 3195d; Wagner, IPRax 2005, 401, 404. 32 BT-Drucks. 15/5222, 17. 33 BeckOK KostR/Sengl, (33. Edition 1.4.2021) Nr. 2119 GKG-KV Rz. 2. 34 Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Rz. 10.
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Art. 24 EG-VollstrTitelVO
Gerichtliche Vergleiche
Kapitel V Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden (Art. 24–Art. 25)
Artikel 24 Gerichtliche Vergleiche (1) Ein Vergleich über eine Forderung im Sinne von Artikel 4 Nummer 2, der von einem Gericht gebilligt oder vor einem Gericht im Laufe eines Verfahrens geschlossen wurde, und der in dem Mitgliedstaat, in dem er gebilligt oder geschlossen wurde, vollstreckbar ist, wird auf Antrag an das Gericht, das ihn gebilligt hat oder vor dem er geschlossen wurde, unter Verwendung des Formblatts in Anhang II als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt. (2) Ein Vergleich, der im Ursprungsmitgliedstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, wird in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass seine Vollstreckbarkeit angefochten werden kann. (3) Die Bestimmungen von Kapitel II (mit Ausnahme von Artikel 5, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 Absatz 1)* sowie von Kapitel IV (mit Ausnahme von Artikel 21 Absatz 1 und Artikel 22) finden entsprechende Anwendung. I. 1. 2. 3.
Bestätigungsvoraussetzungen . . . . . . . . Gerichtlicher Vergleich . . . . . . . . . . . . . Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auflösend bedingter Widerrufsvorbehalt b) Aufschiebend bedingter Widerrufsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere Voraussetzungen . . . . . . . . . . . II. Verordnungsautonome Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestätigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . a) Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang der Bestätigung . . . . . . . . . . c) Ausstellung der Bestätigung . . . . . . . .
1 1 2 3 5 6 7 9 10 10 10 11 12
d) Rechtsbehelfe . . . . . . . . e) Wirkungen der Bestätigung 2. Exequaturverfahren . . . . . . . 3. Vollstreckungsverfahren . . . .
. . . .
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III. Verfahren in Deutschland . . 1. Bestätigungsverfahren . . . . . a) Entscheidungszuständigkeit b) Beteiligung des Schuldners c) Rechtsbehelfe . . . . . . . . d) Kosten und Gebühren . . . 2. Vollstreckungsverfahren . . . .
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IV. Bestätigungsverfahren in Österreich . . . . 1. Entscheidungszuständigkeit . . . . . . . . . . 2. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Bestätigungsvoraussetzungen 1. Gerichtlicher Vergleich 1
Anders als für die Entscheidung und die öffentliche Urkunde definiert die VO in Art. 4 EG-VollstrTitelVO den gerichtlichen Vergleich nicht. Dennoch ist der Begriff in der VO einheitlich zu verstehen. Auf die Erläuterungen zu Art. 3 Abs. 1 lit. a Alt. 2 EG-VollstrTitelVO (vgl. dort Art. 3 EG-VollstrTitelVO Rz. 10 ff.) wird verwiesen. 2. Forderung
2
Der Vergleich muss über eine Forderung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 EG-VollstrTitelVO geschlossen sein. Zu den Anforderungen an die Forderung vgl. Art. 4 EG-VollstrTitelVO Rz. 8 ff.
* In der französischen Fassung war der versehentlich mit aufgenommene Art. 7 Abs. 1 durch Berichtigung zu streichen, ABl. EU 2005 L 97/64 (französische Ausfertigung).
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Kap. V: Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden
Art. 24 EG-VollstrTitelVO
3. Vollstreckbarkeit Der Vergleich muss gem. Abs. 1 im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sein. Vollstreckbarkeit liegt vor, wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, damit eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt werden kann. Die Vollstreckbarkeit ist vom Gläubiger nachzuweisen.
3
Wurde ein Vergleich unter Widerrufsvorbehalt geschlossen, so ist hinsichtlich der Voraussetzungen, wann der Vergleich vollstreckbar ist, zu differenzieren:
4
a) Auflösend bedingter Widerrufsvorbehalt Wurde die Widerrufsmöglichkeit als auflösende Bedingung ausgestaltet,1 so ist der Vergleich unmittelbar nach Abschluss wirksam und mithin vollstreckbar. Der Gläubiger kann sofort die Bestätigung als EuVollstrTitel beantragen. Der Eintritt der Bedingung lässt die Vollstreckbarkeit im Nachhinein wieder entfallen; der Schuldner kann dann eine Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung nach Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO beantragen und der weiteren Vollstreckung entgegenhalten.
5
b) Aufschiebend bedingter Widerrufsvorbehalt Regelmäßig ist der Widerrufsvorbehalt aber als aufschiebende Bedingung auszulegen;2 erst wenn 6 der Vergleich binnen bestimmter Frist von keiner der Parteien widerrufen wurde, liegt ein Vollstreckungstitel vor.3 Gesonderte Anforderungen der lex fori, unter welchen Voraussetzungen der Vergleich vollstreckbar ist, müssen beachtet werden. c) Deutsches Recht Ist der Titel in Deutschland bereits mit einer Vollstreckungsklausel versehen, so ist die Vollstreckbarkeit damit nachgewiesen; ist eine solche noch nicht erteilt worden, so sind die Voraussetzungen zur Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung im Bestätigungsverfahren gesondert zu prüfen.4
7
Im deutschen Recht bestimmen §§ 795, 726 ZPO, dass für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung eines aufschiebend bedingten Vergleichs der Eintritt der Bedingung allein durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen werden kann. Die Vollstreckbarkeit des Widerrufsvergleichs ist daher auch im Bestätigungsverfahren allein in der Form des § 726 ZPO durch den Gläubiger nachzuweisen.5 Dies ist sachgerecht, da das von der VO verfolgte Herkunftslandprinzip auch impliziert, dass die Vollstreckung im europäischen Ausland durch die VO gegenüber dem Ursprungsmitgliedstaat nicht erleichtert werden soll. Der Schuldnerschutz soll auf dem Niveau des Ursprungsmitgliedstaates garantiert werden. Würde auf die Förmlichkeit des § 726 ZPO verzichtet, könnte, soweit der Nachweis allein durch andere als die dort benannten Mittel erfolgt, im europäischen Ausland aus dem Vergleich vollstreckt werden, nicht aber in Deutschland.
8
4. Weitere Voraussetzungen Andere Voraussetzungen, insbesondere Art. 6 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO (einschließlich der Verbrau- 9 cherschutznorm in lit. d) und die Mindeststandards der Art. 12–19 EG-VollstrTitelVO sind nicht zu prüfen. Gerichtliche Vergleiche können daher unabhängig von der Verbrauchereigenschaft einer der Parteien als EuVollstrTitel bestätigt werden.6
1 Zur Zulässigkeit im deutschen Recht: Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, § 794 ZPO Rz. 63; Münzberg in Stein/ Jonas (2002) § 794 ZPO Rz. 80. 2 BGH v. 18.11.1966 – IV ZR 235/65, NJW 1967, 440, 441; BGH v. 27.10.1983 – IX ZR 68/83, NJW 1984, 312; Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, § 794 ZPO Rz. 63; Musielak/Voit/Lackmann, § 794 ZPO Rz. 11. 3 Musielak/Voit/Lackmann, § 794 ZPO Rz. 11. 4 Riedel, S. 10. 5 So auch Riedel, S. 5. 6 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 6.
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147
Art. 24 EG-VollstrTitelVO
Gerichtliche Vergleiche
II. Verordnungsautonome Verfahrensvorschriften 1. Bestätigungsverfahren a) Antrag 10
Für die Bestätigung eines gerichtlichen Vergleichs bedarf es eines Antrags des Gläubigers (Abs. 1). Wie bei einer Entscheidung ist der Antrag nicht fristgebunden. Zuständig für die Entgegennahme des Antrages ist das Gericht, welches den Vergleich gebilligt hat oder vor dem er geschlossen wurde. b) Umfang der Bestätigung
11
Für das Bestätigungsverfahren finden die in Abs. 3 genannten Teile des Kapitels II Anwendung. Der gerichtliche Vergleich kann auch hinsichtlich von Kosten gem. Art. 7 EG-VollstrTitelVO als EuVollstrTitel bestätigt werden. Soweit nur ein Teil des Vergleichs die Voraussetzungen für die Bestätigung erfüllt, ist nach Art. 8 EG-VollstrTitelVO nur für diesen Teil die Bestätigung zu erteilen. c) Ausstellung der Bestätigung
12
Die Bestätigung erfolgt unter Verwendung des Formblatts in Anhang II der VO (Abs. 1 letzter Halbs.). Das Formblatt ist nicht nur Hilfestellung und Richtlinie, die Bestätigung muss mittels des Formblattes erfolgen. Die Formulare der Formblätter werden als pdf-Datei in allen Sprachfassungen im Europäischen Justizportal,7 einer Webseite der Europäischen Kommission, zur Verfügung gestellt; dort findet sich auch eine Online-Maske, mit deren Hilfe ein ausgefülltes Formular erzeugt werden kann.
12a
Das Formblatt ist in der Sprache zu verwenden, in der der Vergleich errichtet wurde (Abs. 3 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO).
13
Der Gläubiger benötigt die Bestätigung für die spätere Vollstreckung (Art. 20 Abs. 2 lit. b EG-VollstrTitelVO), ihm ist daher eine Ausfertigung der Bestätigung zu erteilen. Eine förmliche Zustellung ist nicht vorgesehen, weshalb die formlose Übermittlung genügt.8
13a
Auch hinsichtlich des gerichtlichen Vergleichs hat der Schuldner die Möglichkeit zur Beantragung einer Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung nach Abs. 3 i.V.m. Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO (s. dort). d) Rechtsbehelfe
14
Für die erteilte Bestätigung findet Art. 10 EG-VollstrTitelVO bezüglich der möglichen Rechtsbehelfe entsprechende Anwendung. Abgesehen von Berichtigung und Widerruf (Art. 10 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO) sind keine anderen Rechtsbehelfe zugelassen (Art. 10 Abs. 4 EG-VollstrTitelVO). Der Berichtigungs- und Widerrufsantrag ist an das Ausgangsgericht, also das Gericht, das den Vergleich als EuVollstrTitel bestätigt hat, zu richten.
15
Wie bei der Bestätigung von Entscheidungen sieht die VO bei nicht erteilter Bestätigung keine Regelung über Rechtsbehelfe vor. Diese bleiben den Mitgliedstaaten überlassen. e) Wirkungen der Bestätigung
16
Auch die Bestätigung des Vergleichs ist hinsichtlich der Vollstreckbarkeitswirkungen zum Vergleich akzessorisch (Art. 11 EG-VollstrTitelVO).
7 https://e-justice.europa.eu/content_european_enforcement_order_forms-270-de.do (23.6.2021). 8 Gutachten des DNotI, DNotI-Report 2007, 121, 124.
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Pabst
Kap. V: Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden
Art. 24 EG-VollstrTitelVO
2. Exequaturverfahren Das Exequaturverfahren wird – entsprechend zu Art. 5 EG-VollstrTitelVO – auch bei gerichtlichen Vergleichen abgeschafft, Abs. 2. Jegliche Kontrollmöglichkeit im Vollstreckungsstaat ist daher abgeschnitten. Nach dem Zweck der VO findet kein Zwischenverfahren mehr statt. Zur Kritik Art. 5 EG-VollstrTitelVO Rz. 10 ff.
17
3. Vollstreckungsverfahren Das Vollstreckungsverfahren ist gemäß den Art. 20–23 EG-VollstrTitelVO durchzuführen, Abs. 3. Ausgenommen ist Art. 21 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO; hat sich der Schuldner über eine Forderung verglichen, so kann er sich im Anschluss nicht auf eine unvereinbare frühere Entscheidungen berufen. Ebenso ist Art. 22 EG-VollstrTitelVO nicht anwendbar, hinsichtlich von gerichtlichen Vergleichen konnten gem. Art. 59 EuGVÜ keine Vereinbarungen mit Drittstaaten geschlossen werden, die nunmehr weiter beachtet werden müssten. So ist eine Verpflichtung zum völkerrechtswidrigen Verhalten durch die VO nicht zu befürchten.
18
III. Verfahren in Deutschland 1. Bestätigungsverfahren a) Entscheidungszuständigkeit Zuständig für die Ausstellung der Bestätigung ist in Deutschland das Gericht, dem die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung obliegt (§ 1079 ZPO), also bei Prozessvergleichen gem. § 724 Abs. 2 ZPO das Gericht der 1. Instanz bzw. solange das Verfahren in höherer Instanz anhängig ist, dieses Gericht, bei außergerichtlichen Anwaltsvergleichen gem. § 796b ZPO das Gericht, welches den Vergleich für vollstreckbar erklärt hat. Funktional zuständig ist der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 11 RPflG).
19
b) Beteiligung des Schuldners Im deutschen Bestätigungsverfahren ist der Schuldner nicht anzuhören, ihm ist jedoch eine Ausfertigung der Bestätigung zuzustellen (§ 1080 Abs. 1 ZPO). Nach Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO kann auch bei einem bestätigten Vergleich eine Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung beantragt werden.
20
c) Rechtsbehelfe Werden die nach Art. 10 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO zulässigen Rechtsbehelfe (Berichtigung und Widerruf) eingelegt, so entscheidet in Deutschland nach § 1081 Abs. 1 S. 2 ZPO das Gericht, welches die Bestätigung ausgestellt hat (s. Rz. 19). Funktional zuständig ist auch hier der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 11 RPflG). Zu den besonderen Anforderungen an einen Widerrufsantrag s. Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rz. 25 ff.
21
Wurde dem Gläubiger die beantragte Bestätigung nicht erteilt, so kann er nach § 1080 Abs. 2 ZPO, da der Rechtpfleger zuständig war, die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG einlegen. Vgl. dazu im Einzelnen Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 21 ff.
22
d) Kosten und Gebühren Bei Gericht fällt eine Festgebühr von 22 t an (Nr. 1513 GKG-KV). Kostenschuldner ist der Antragsteller (§ 22 Abs. 3 GKG). Zu den Kosten bei einem Berichtigungs- oder Widerrufsantrag s. Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rz. 31 ff. Im Beschwerdeverfahren wegen der Verweigerung der Bestätigung fällt bei Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde eine Festgebühr von 66 t an (Nr. 1523 GKG-KV); Kostenschuldner ist auch hier der Antragsteller (§ 22 Abs. 3 GKG). Wird dem Rechtsmittel stattgegeben entstehen keine Kosten. Pabst
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22a
Art. 24 EG-VollstrTitelVO 22b
Gerichtliche Vergleiche
Besondere Rechtsanwaltsgebühren entstehen bei der Ausstellung der Bestätigung grundsätzlich nicht. Das Bestätigungsverfahren – einschließlich eines möglichen Berichtigungs- oder Widerrufsantrags – ist Teil des Rechtzuges (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9a lit. a RVG).9 Soweit bereits das Ursprungsverfahren durchgeführt wurde, ist es hierzu zu zählen. Erfolgt die Beauftragung allein für die Durchführung der Zwangsvollstreckung, ist es Teil des Vollstreckungsverfahrens.10 Wird vom Rechtsanwalt allein das Bestätigungsverfahren durchgeführt, so erhält er 0,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3309 RVG-VV) und ggf. 0,3 Terminsgebühr (Nr. 3310 RVG-VV) für seine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung.11 In einem Beschwerdeverfahren erhält der Rechtsanwalt 0,5 Verfahrensgebühr (Nr. 3500 RVG-VV) und ggf. 0,5 Terminsgebühr (Nr. 3513 RVG-VV). 2. Vollstreckungsverfahren
23
Soweit die Vollstreckungsabwehrklage im Vollstreckungsverfahren aus gerichtlichen Vergleichen in Deutschland nach § 1086 ZPO zugelassen wird, sind die Präklusionswirkungen des § 767 Abs. 2 ZPO auch bei Vollstreckungen aus gerichtlichen Vergleichen zu beachten, § 1086 Abs. 2 ZPO. Es können also nur nach Errichtung des Titels entstandene Einwendungen geltend gemacht werden.12 Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Anfechtung des gerichtlichen Vergleiches im Vollstreckungsstaat gem. Abs. 2 nicht möglich ist.13 Im Übrigen s. bei Art. 20 EG-VollstrTitelVO Rz. 36.
IV. Bestätigungsverfahren in Österreich 1. Entscheidungszuständigkeit 24
Für vor den Gerichten abgeschlossene Vergleiche (§ 1 Ziff. 5 österrEO) liegt die Entscheidungszuständigkeit für die Bestätigung in Österreich bei dem in der Sache in erster Instanz zuständigen Gericht (§ 7a Abs. 1 österrEO).14 Bei Vergleichen abgeschlossen in höherer Instanz ist das die Bestätigung vornehmende Gericht damit verschieden von dem Gericht, vor dem der Vergleich abgeschlossen wurde und bei dem nach Abs. 1 der Bestätigungsantrag zu stellen ist.15
25
Hinsichtlich der funktionalen Zuständigkeit gilt das gleiche wie bei gerichtlichen Entscheidungen (s. Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 28). 2. Rechtsbehelfe
26
Über die nach Abs. 3, Art. 10 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO zulässigen und danach beim Ursprungsgericht (Art. 4 Nr. 6 EG-VollstrTitelVO) einzulegenden Rechtsbehelfe (Berichtigung und Widerruf, der vom österreichischen Gesetz Aufhebung genannt wird) entscheidet gem. § 7a Abs. 1 S. 2, § 7 Abs. 3 S. 1 österrEO das Gericht, welches die Bestätigung erteilt hat. Dies ist (§ 7a Abs. 1 österrEO, s.o. Rz. 24) das in der Sache in erster Instanz zuständige Gericht. Wurde der Vergleich erst vor einem Gericht höherer Instanz geschlossen bzw. von diesem gebilligt, so ist der Rechtsbehelf bei diesem einzulegen. Irrelevant ist, dass die Bestätigung bereits vom Gericht erster Instanz erteilt wurde.
27
Für die funktionale Zuständigkeit für die Entscheidung des Rechtsbehelfs gilt das zu gerichtlichen Entscheidungen gesagte (s. Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rz. 33).
9 NK-ZPO/Saenger, § 1079 Rz. 6; Mes/Schütze, Beck’sches Prozessformularbuch14 (2019) Kap. I U 15 Anm. 14; Finger, FuR 2006, 56, 65. 10 Luckey, ZGS 2005, 420, 424. 11 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, § 1080 ZPO Rz. 8. 12 OLG Köln v. 21.11.2012 – 16 U 126/11, BeckRS 2013, 5770. 13 BT-Drucks. 15/5222, 15 (zu § 1086 ZPO-E). 14 Angst/Oberhammer/Jakusch, EO3 (2015) § 7a EO Rz. 5. 15 Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Art. 24, 25 Rz. 7.
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Kap. V: Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden
Art. 25 EG-VollstrTitelVO
Artikel 25 Öffentliche Urkunden (1) Eine öffentliche Urkunde über eine Forderung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2, die in einem Mitgliedstaat vollstreckbar ist, wird auf Antrag an die vom Ursprungsmitgliedstaat bestimmte Stelle unter Verwendung des Formblatts in Anhang III als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt. (2) Eine öffentliche Urkunde, die im Ursprungsmitgliedstaat als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist, wird in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass ihre Vollstreckbarkeit angefochten werden kann. (3) Die Bestimmungen von Kapitel II (mit Ausnahme von Artikel 5, Artikel 6 Absatz 1 und Artikel 9 Absatz 1) sowie von Kapitel IV (mit Ausnahme von Artikel 21 Absatz 1 und Artikel 22) finden entsprechende Anwendung. I. II. 1. 2. 3. 4.
Regelungsgehalt . . . . . . . . Bestätigungsvoraussetzungen Öffentliche Urkunde . . . . . . Forderung . . . . . . . . . . . . Vollstreckbarkeit . . . . . . . . Weitere Voraussetzungen . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
1 3 3 4 5 7
III. Verordnungsautonome Verfahrensvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestätigungsverfahren . . . . . . . . . a) Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang der Bestätigung . . . . . . c) Ausstellung der Bestätigung . . . . d) Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . e) Wirkungen der Bestätigung . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
. . . . . . .
8 8 8 8b 9 10a 11
2. 3. IV. 1.
Exequaturverfahren . . . . . . . Vollstreckungsverfahren . . . . Verfahren in Deutschland . . Bestätigungsverfahren . . . . . a) Entscheidungszuständigkeit b) Beteiligung des Schuldners c) Rechtsbehelfe . . . . . . . . d) Kosten und Gebühren . . . 2. Vollstreckungsverfahren . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
12 13 14 14 14 18 19 22 23
V. Bestätigungsverfahren in Österreich . . . . 1. Entscheidungszuständigkeit . . . . . . . . . . 2. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24 24 26
Schrifttum: Franzmann, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen – Hinweise für die notarielle Praxis, MittBayNot 2005, 470; Franzmann, Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 – notarielle Urkunden europaweit vollstreckbar, MittBayNot 2004, 404; Münch, Die vollstreckbare Notariatsurkunde im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 805/2004, in: FS Walter H Rechberger (2005) 395; Rijavec, Notariatsakt als Europäischer Vollstreckungstitel, FS Klaus Woschnak (2010) 515; Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde4 (2019) Rz. 54.1–54.31; Zilinsky, Waarom mage en notaris geen EET verlenen?, WPNR 2005, 477.
I. Regelungsgehalt In Art. 25 EG-VollstrTitelVO sind die Regelungen für das dritte Anwendungsfeld der VO enthalten, 1 mit ihm wird das Bestätigungsverfahren für öffentliche Urkunden geregelt.1 Da sich gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden von der Art der Aufnahme (Einigung der Parteien, die vor einer amtlichen Stelle beurkundet wird) gleichen, wird die Regelung nahezu aus Art. 24 EG-VollstrTitelVO übernommen; beide Normen sind sehr ähnlich, in weiten Teilen gar wortgleich. Im Wesentlichen wird das Bestätigungsverfahren für Entscheidungen in Kapitel II für anwendbar erklärt, soweit nicht spezielle Regeln aufgrund der Natur der öffentlichen Urkunde notwendig sind. Die als EuVollstrTitel bestätigte öffentliche Urkunde unterscheidet sich von der Apostille2 in grundsätzlicher Weise. Diese dient lediglich der Bestätigung der Echtheit der Urkunde. Die Bestätigung als
1 Zu den Auswirkungen des Art. 25 auf die notarielle Praxis Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 461. 2 Art. 4 Haager Übereinkommen zur Befreiung ausländischer Urkunden von der Legalisation v. 5.10.1961, BGBl. 1965 II 876, in Kraft seit 13.2.1966, BGBl. 1966 II 106.
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151
2
Art. 25 EG-VollstrTitelVO
Öffentliche Urkunden
EuVollstrTitel dagegen verleiht der Urkunde unmittelbar die Qualität eines Vollstreckungstitels innerhalb des gesamten Geltungsbereiches der VO.3
II. Bestätigungsvoraussetzungen 1. Öffentliche Urkunde 3
Abs. 1 bestimmt, dass auch öffentliche Urkunden als EuVollstrTitel bestätigt werden können. Für die Definition einer öffentlichen Urkunde wird auf die Legaldefinition in Art. 4 Nr. 3 EG-VollstrTitelVO und die dort gemachten Erläuterungen (Art. 4 EG-VollstrTitelVO Rz. 26 ff.) verwiesen. 2. Forderung
4
Die öffentliche Urkunde muss über eine Forderung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 EG-VollstrTitelVO (so muss der in Abs. 1 gemachte Verweis richtig lauten, die Angabe von Abs. 2 ist ein redaktionelles Versehen) errichtet sein. Auch hier kann auf die Kommentierung bei Art. 4 EG-VollstrTitelVO Rz. 8 ff. verwiesen werden. 3. Vollstreckbarkeit
5
Einzige weitere Bestätigungsvoraussetzung ist, dass die öffentliche Urkunde im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar ist (Abs. 1). Allein der Umstand, dass sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat, genügt nicht. Eine Bestätigung als EuVollstrTitel kommt erst in Betracht, wenn der Gläubiger auch nach nationalem Recht eine vollstreckbare Ausfertigung erhalten kann.4 Nicht notwendig ist jedoch, dass die vollstreckbare Ausfertigung erteilt ist, die Urkunde mithin mit der nationalen Vollstreckungsklausel versehen ist.5 Die Bestätigung als EuVollstrTitel übernimmt funktional gerade die Erteilung der Vollstreckungsklausel.
6
In Deutschland muss folglich ein Titel i.S.v. § 794 Abs. 1 Nr. 4b Alt. 2, Nr. 5 ZPO vorliegen. 4. Weitere Voraussetzungen
7
Andere Voraussetzungen, insbesondere Art. 6 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO (einschließlich der Verbraucherschutznorm in lit. d)6 und die Mindeststandards der Art. 12–19 EG-VollstrTitelVO sind nicht zu prüfen. Es wird davon ausgegangen, dass überall in Europa bereits ausreichende Belehrungs- und Betreuungspflichten bei der Errichtung einer öffentlichen Urkunde bestehen und der Schuldnerschutz so hinreichend gewährleistet wird, dass es keiner Festlegung von Mindeststandards bedarf.7 Auch ein besonderer Verbraucherschutz wird nicht für notwendig erachtet.8 Der Verzicht auf jegliche Belehrungspflichten ist zwar konsequent, auch Prozessparteien werden bei Abgabe eines Anerkenntnisses nicht über die Folgen des EuVollstrTitels belehrt, fraglich ist dennoch, ob man diese Annahme abgesehen vom Notariat auf jede Behörde in allen Mitgliedstaaten, die zur Aufnahme vollstreckbarer Urkunden berechtigt ist, so pauschaliert anwenden sollte.
3 Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 455. 4 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 3; s. zur Prüfungspflicht des Notars im deutschen Recht vor Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung Wolfsteiner in MünchKomm/ZPO, § 797 ZPO Rz. 12 ff. 5 A.A. Franzmann, MittBayNot 2005, 470, 472; Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde4 (2019) Rz. 54.15, die die Erteilung der nationalen Vollstreckungsklausel zumindest gleichzeitig mit der Bestätigung verlangen; offenlassend Gutachten des DNotI DNotI-Report 2007, 121, 122. 6 Münch, FS Rechberger (2005) 395, 400. 7 Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 462; Franzmann, MittBayNot 2004, 404, 406; das im ursprünglichen Kommissionsvorschlag vorgesehene Belehrungs- und Protokollierungserfordernis wurde ersatzlos gestrichen, vgl. Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 32 (Art. 26 Abs. 3). 8 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1; Franzmann, MittBayNot 2005, 470.
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Kap. V: Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden
Art. 25 EG-VollstrTitelVO
III. Verordnungsautonome Verfahrensvorschriften 1. Bestätigungsverfahren a) Antrag Die Bestätigung erfolgt auf formlosen Antrag des Gläubigers (Abs. 1). Sie darf also auch von den Notaren nicht automatisch mit der Vollstreckbarerklärung miterteilt werden. Ebenso genügt nicht der Antrag auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung, da sich dieser allein auf die nationale Ausfertigung bezieht.9 Der Antrag auf Bestätigung als EuVollstrTitel ist an die von den Mitgliedstaaten bestimmte Stelle zu richten.
8
Nach Art. 30 EG-VollstrTitelVO sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die zur Bestätigung von öf- 8a fentlichen Urkunden bestimmten Behörden i.S.v. Art. 25 EG-VollstrTitelVO der Kommission mitzuteilen. Die Mitteilungen werden von der Kommission veröffentlicht; sie sind bei Art. 30 EG-VollstrTitelVO Rz. 8 ff. für alle Mitgliedstaaten jeweils unter 4. abgedruckt. b) Umfang der Bestätigung Für das Bestätigungsverfahren finden die in Abs. 3 genannten Teile des Kapitels II Anwendung. Die öffentliche Urkunde kann daher auch hinsichtlich von Kosten gem. Art. 7 EG-VollstrTitelVO als EuVollstrTitel bestätigt werden. Notargebühren können aufgrund dieses Verweises, dann als EuVollstrTitel mit bestätigt werden, wenn sie in die öffentliche Urkunde mit aufgenommen wurden.10 Soweit nur ein Teil der Urkunde die Voraussetzungen für die Bestätigung erfüllt, ist nach Art. 8 EG-VollstrTitelVO nur für diesen Teil die Bestätigung zu erteilen.
8b
c) Ausstellung der Bestätigung Die Bestätigung erfolgt unter Verwendung des Formblatts in Anhang III der VO (Abs. 1 letzter Halbs.). Das Formblatt ist nicht nur Hilfestellung und Richtlinie, die Bestätigung muss mittels des Formblattes erfolgen. Die Formulare der Formblätter werden als pdf-Datei in allen Sprachfassungen im Europäischen Justizportal,11 einer Webseite der Europäischen Kommission, zur Verfügung gestellt; dort findet sich auch eine Online-Maske, mit deren Hilfe ein ausgefülltes Formular erzeugt werden kann.
9
Das Formblatt ist in der Sprache zu verwenden, in der der die öffentliche Urkunde errichtet wurde (Abs. 3 i.V.m. Art. 9 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO).
9a
Der Gläubiger benötigt die Bestätigung für die spätere Vollstreckung (Art. 20 Abs. 2 lit. b EG-VollstrTitelVO), ihm ist daher eine Ausfertigung der Bestätigung zu erteilen. Eine förmliche Zustellung ist nicht vorgesehen, weshalb die formlose Übermittlung genügt.12
9b
Auch hinsichtlich der öffentlichen Urkunde hat der Schuldner die Möglichkeit zur Beantragung einer Nichtvollstreckbarkeitsbescheinigung nach Art. 6 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO (s. dort).
10
d) Rechtsbehelfe Für die erteilte Bestätigung findet Art. 10 EG-VollstrTitelVO bezüglich der möglichen Rechtsbehelfe 10a entsprechende Anwendung. Abgesehen von Berichtigung und Widerruf (Art. 10 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO) sind keine anderen Rechtsbehelfe zugelassen (Art. 10 Abs. 4 EG-VollstrTitelVO). Der Berichtigungs- und Widerrufsantrag ist an die Ausgangsbehörde zu richten, welche die Urkunde als EuVollstrTitel bestätigt hat. Wie bei der Bestätigung von Entscheidungen sieht die VO bei nicht erteilter Bestätigung keine Rege- 10b lung über Rechtsbehelfe vor. Diese bleiben den Mitgliedstaaten überlassen. 9 10 11 12
Gutachten des DNotI, DNotI-Report 2007, 121, 123. A.A. wohl Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 7 Rz. 1, der hierbei aber Art. 25 Abs. 3 EG-VollstrTitelVO übersieht. https://e-justice.europa.eu/content_european_enforcement_order_forms-270-de.do (23.6.2021). Gutachten des DNotI, DNotI-Report 2007, 121, 124.
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Art. 25 EG-VollstrTitelVO
Öffentliche Urkunden
e) Wirkungen der Bestätigung 11
Auch die Bestätigung der öffentlichen Urkunde ist hinsichtlich der Vollstreckbarkeitswirkungen zur öffentlichen Urkunde akzessorisch (Art. 11 EG-VollstrTitelVO). 2. Exequaturverfahren
12
Abs. 2 schafft auch für öffentliche Urkunden das Exequaturverfahren ab. Jegliche Anfechtung, Nachprüfung oder sonstige Kontrolle im Vollstreckungsmitgliedstaat ist unzulässig. Zur Kritik s. Art. 5 EG-VollstrTitelVO Rz. 10 ff. 3. Vollstreckungsverfahren
13
Für das Vollstreckungsverfahren finden die Art. 20–23 EG-VollstrTitelVO entsprechende Anwendung, Abs. 3. Ausgenommen sind lediglich Art. 21 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO, im Rahmen von öffentlichen Urkunden kann sich der Schuldner nicht auf mit der Urkunde unvereinbare frühere Entscheidungen berufen, und Art. 22 EG-VollstrTitelVO, hinsichtlich von öffentlichen Urkunden konnten keine Vereinbarungen mit Drittstaaten iS dieser Norm geschlossen werden, so dass eine Verpflichtung zum völkerrechtswidrigen Verhalten durch die VO nicht zu befürchten ist.
IV. Verfahren in Deutschland 1. Bestätigungsverfahren a) Entscheidungszuständigkeit 14
Zuständig für die Erteilung der Bestätigung sind in Deutschland gem. § 1079 ZPO die Gerichte, Behörden oder Notare, denen die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung des Titels obliegt.
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Für gerichtliche Urkunden ist örtlich das Gericht zuständig, bei dem die Urkunde verwahrt wird (§ 797 Abs. 1 ZPO). Für konsularische Urkunden ist dies das AG Schöneberg in Berlin (§ 10 Abs. 3 Nr. 4, 5 KonsG). Funktional zuständig ist der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 11 RPflG).
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Bei notariellen Urkunden erteilt der Notar, der die Urkunde verwahrt, gem. § 797 Abs. 2 ZPO die Bestätigung selbst. Durch die Übertragung der Bestätigungsbefugnisse wird die Stellung der Notare weiter gestärkt. Zuständig kann der Notar sein, der die Urkunde errichtet hat (§ 45 Abs. 1 BeurkG), dessen Vertreter (§ 39 BNotO) oder der Notariatsverwalter (§ 56 BNotO). Wurde in den Fällen des § 51 Abs. 1 BNotO kein Notariatsverwalter bestellt, sondern die Verwahrung vom AG übernommen, ist dieses für die Bestätigung als EuVollstrTitel zuständig. Wie bei der Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung hat der Notar kein Ermessen, er ist zur Entscheidung verpflichtet. Liegen die Voraussetzungen vor, muss er die Bestätigung erteilen, anderenfalls den Antrag zurückweisen.13
17
Bei behördlichen Urkunden erteilt die Behörde, die die Urkunde verwahrt, gem. § 797 Abs. 2 ZPO die Bestätigung. Der Beamte des Jugendamtes, dem die Beurkundung für Erklärungen nach § 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 4 SGB-VIII übertragen ist, bestätigt diese Urkunden, wenn sie nach § 60 S. 1 SGBVIII vollstreckbar sind, selbst als EuVollstrTitel (§ 60 S. 3 Nr. 1 SGB-VIII); zu beachten ist jedoch, dass die VO heute im Regelfall in Unterhaltssachen durch die EG-UntVO verdrängt wird, s. im Einzelnen Art. 2 EG-VollstrTitelVO Rz. 10 ff. b) Beteiligung des Schuldners
18
Der Schuldner ist im deutschen Bestätigungsverfahren nicht anzuhören, ihm ist jedoch eine Ausfertigung der Bestätigung zuzustellen (§ 1080 Abs. 1 ZPO, s. Art. 9 EG-VollstrTitelVO Rz. 17). Soweit der Notar die Bestätigung vornimmt, ist § 1080 Abs. 1 S. 2 ZPO lex specialis zu § 47 BeurkG, der ausdrücklich über die Niederschriften hinaus die Möglichkeit einräumt eine Ausfertigung zu erstellen.14 13 Franzmann, MittBayNot 2005, 470. 14 Gutachten des DNotI, DNotI-Report 2007, 121, 124.
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Kap. V: Gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden
Art. 25 EG-VollstrTitelVO
Erforderlich ist allein die Zustellung der Ausfertigung der Bestätigung, nicht auch der der Bestätigung zugrunde liegenden Niederschrift. c) Rechtsbehelfe Ein Berichtigungs- oder Widerrufsantrag ist bei der Stelle einzureichen, die die Bestätigung ausgestellt hat (§ 1081 Abs. 1 S. 1, 3 ZPO). Zu den besonderen Anforderungen an einen Widerrufsantrag s. Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rz. 25 ff. Mit dem Widerruf steht dem Schuldner im Ursprungsmitgliedstaat auch dann ein Rechtsbehelf zur Verfügung, wenn sich der Gläubiger den EuVollstrTitel durch eine vorsätzliche sittenwidrige Handlung gegenüber dem Notar erschlichen hat. Insofern bedarf es keines darüber hinausgehenden nationalen Rechtsbehelfs im Ursprungsmitgliedstaat, wie eine auf § 826 BGB gestützte Klage auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung und Titelherausgabe.15
19
Wurde die Bestätigung von einem Gericht ausgestellt, entscheidet dieses über einen Berichtigungsoder Widerrufsantrag selbst (§ 1081 Abs. 1 S. 2 ZPO). Wurde die Bestätigung jedoch von einem Notar oder einer Behörde ausgestellt, erfolgt die Entscheidung über einen Berichtigungs- oder Widerrufsantrag jedoch nicht durch diese Stelle selbst. Vielmehr müssen die Notare und Behörden den Antrag unverzüglich dem AG, in dessen Bezirk sie ihren Sitz haben, zur Entscheidung zuleiten (§ 1081 Abs. 1 S. 4 ZPO).16 Unverzüglich ist hier als Begriff des nationalen Rechts in gleicher Weise wie sonst im deutschen Recht nach § 121 Abs. 1 S. 1 BGB zu verstehen, die Vorlage hat mithin ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen. Dies entspricht der vergleichbaren Regelung des § 797 Abs. 3 ZPO betreffend Einwendungen die Zulässigkeit der Vollstreckungsklausel bei notariellen Urkunden.17 Hinsichtlich der Jugendämter bestimmt § 60 S. 3 Nr. 2 SGB-VIII für Anträge nach § 1081 ZPO das für das Jugendamt zuständige AG. Bei öffentlichen Urkunden findet so eine Überprüfung der Bestätigung durch ein Gericht statt. Funktional zuständig ist der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 11 RPflG).18
20
Wurde die Bestätigung dem Gläubiger nicht erteilt, so verweist § 1080 Abs. 2 ZPO auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften über die Anfechtung der Entscheidung über die Erteilung einer Vollstreckungsklausel. Stammt die Bestätigung vom Rechtspfleger, so ist die sofortige Beschwerde gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG der zulässige Rechtsbehelf. Stammt die Bestätigung vom Notar, so ist die Beschwerde nach § 54 BeurkG statthaft.19
21
d) Kosten und Gebühren Wird die Bestätigung durch das Gericht ausgestellt fällt eine Festgebühr von 22 t an (Nr. 1513 GKG- 22 KV). Kostenschuldner ist der Antragsteller (§ 22 Abs. 3 GKG). Stellt der Notar die Bestätigung aus, so erhält er hierfür die Festgebühr von 22 t gem. Nr. 23805 GNotKG-KV. Zu den Kosten bei einem Berichtigungs- oder Widerrufsantrag s. Art. 10 EG-VollstrTitelVO Rz. 31 ff. Im Beschwerdeverfahren wegen der Verweigerung der Bestätigung fällt bei Verwerfung oder Zurückweisung der Beschwerde eine Festgebühr von 66 t an (Nr. 1523 GKG-KV); Kostenschuldner ist auch hier der Antragsteller (§ 22 Abs. 3 GKG). Wird dem Rechtsmittel stattgegeben entstehen keine Kosten. Besondere Rechtsanwaltsgebühren entstehen bei der Ausstellung der Bestätigung grundsätzlich nicht. Das Bestätigungsverfahren – einschließlich eines möglichen Berichtigungs- oder Widerrufsantrags – ist Teil des Rechtzuges (§ 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9a lit. a RVG).20 Soweit bereits das Ursprungsverfahren durchgeführt wurde, ist es hierzu zu zählen. Erfolgt die Beauftragung allein für die Durch-
15 A.A. OLG Saarbrücken v. 5.12.2018 – 5 U 23/18, NJW 2019, 1468; welches auf das Widerrufsverfahren nicht eingeht. 16 Geimer, IZPR Rz. 3194; Franzmann, MittBayNot 2004, 404, 406; eine Entscheidungszuständigkeit der Notare wollen Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 460 aus dem Verweis in Abs. 3 auf Art. 10 EG-VollstrTitelVO entnehmen. 17 Knittel, JAmt 2006, 477, 478. 18 Kritisch zur Zuweiung an den Rechtspfleger Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde4 (2019), Rz. 54.25. 19 Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde4 (2019), Rz. 54.28. 20 NK-ZPO/Saenger, § 1079 Rz. 6; Mes/Schütze, Beck’sches Prozessformularbuch14 (2019), Kap. I U 15 Anm. 14; Finger, FuR 2006, 56, 65.
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Art. 25 EG-VollstrTitelVO
Öffentliche Urkunden
führung der Zwangsvollstreckung, ist es Teil des Vollstreckungsverfahrens.21 Wird vom Rechtsanwalt allein das Bestätigungsverfahren durchgeführt, so erhält er 0,3 Verfahrensgebühr (Nr. 3309 RVG-VV) und ggf. 0,3 Terminsgebühr (Nr. 3310 RVG-VV) für seine Tätigkeit in der Zwangsvollstreckung.22 In einem Beschwerdeverfahren erhält der Rechtsanwalt 0,5 Verfahrensgebühr (Nr. 3500 RVG-VV) und ggf. 0,5 Terminsgebühr (Nr. 3513 RVG-VV). 2. Vollstreckungsverfahren 23
Soweit die Vollstreckungsabwehrklage nach § 1086 ZPO zugelassen wird, ist die Ausgestaltung gar strenger als bei inländischen vollstreckbaren Urkunden. Die Präklusionswirkungen des § 767 Abs. 2 ZPO, die gem. § 797 Abs. 4 ZPO bei der Geltendmachung von materiellen Einwendungen gegen deutsche vollstreckbare Urkunden nicht anzuwenden sind, sind bei Vollstreckungsabwehrklagen gegen EuVollstrTitel stets, also auch bei Bestätigungen von öffentlichen Urkunden, entsprechend zu beachten!23 Dies ist jedoch nur folgerichtig. Die VO verbietet jede Nachprüfung im Vollstreckungsmitgliedstaat (Abs. 2). Mithin sind alle Einwendungen, soweit dies zeitlich möglich ist, im Ursprungsmitgliedstaat geltend zu machen. Dies darf nicht durch die Vollstreckungsabwehrklage umgangen werden.24 Im Übrigen s. bei Art. 20 EG-VollstrTitelVO Rz. 36.
V. Bestätigungsverfahren in Österreich 1. Entscheidungszuständigkeit 24
In Österreich ist für die Bestätigung der in § 1 Ziff. 10–15 österrEO aufgeführten Exekutionstitel die Stelle zuständig, die den Exekutionstitel erlassen oder beurkundet hat (§ 7a Abs. 2 österrEO).
25
Für die nach § 1 Ziff. 17 vollstreckbaren Notariatsakte ist der Notar für die Bestätigung als EuVollstrTitel zuständig, der den Notariatsakt aufgenommen hat (§ 7a Abs. 3 österr EO). 2. Rechtsbehelfe
26
Für die Entscheidung über die nach Abs. 3, Art. 10 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO zugelassenen Rechtsbehelfe (Berichtigung und Widerruf) ist bei in § 1 Ziff. 10–15 österrEO aufgeführten Exekutionstitel die Stelle zuständig, die die Bestätigung erteilt hat (§ 7a Abs. 2 österrEO, hinsichtlich des Widerrufs heißt es dort „Aufhebung“).
27
Ist die Bestätigung eines Notariatsaktes betroffen (Exekutionstitel nach § 1 Ziff. 17 österrEO), so ist der Notar, der den Notariatsakt aufgenommen hat, neben der Erteilung auch für die Berichtigung der Bestätigung zuständig (§ 7a Abs. 3 S. 1 österrEO). Die Zuständigkeit für den Widerruf liegt gem. § 7a Abs. 3 S. 2 österrEO (dort „Aufhebung“ genannt) jedoch bei dem nach den Prozessgesetzen zur Entscheidung über die Bestreitung der Exekutionskraft des Notariatakts berufenen Gericht. Dies ist grundsätzlich nach Art. XVII S. 2 österrEGEO, § 36 Abs. 2 österrEO das Gericht, bei dem die Exekutionsbewilligung zu beantragen ist. Eine solche als Teil des Vollstreckungsverfahrens ist hier jedoch gerade nicht im Ursprungsstaat Österreich, sondern im Vollstreckungsstaat zu erlangen. Es mangelt mithin stets an einer inländischen Zuständigkeit. Als Lösung wird daher vorgeschlagen, Art. XVII S. 2 österrEGEO aus teleologischen Gründen nicht anzuwenden, da der Gesetzgeber mit der Regelung in § 7a Abs. 3 S. 2 österrEO keinen Fall schaffen wollte, bei dem es stets an einer inländischen Zuständigkeit mangelt. Es seien daher die allgemeinen Regeln der österrJN anzuwenden.25 Alternativ gibt es den Vorschlag generell einen Fall der notwendigen Zuständigkeitsbestimmung mangels inländischer Zuständigkeit nach § 28 Abs. 2 Ziff. 1 österrJN anzunehmen.26 21 Luckey, ZGS 2005, 420, 424. 22 Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Jennissen/Eichel, § 1080 ZPO Rz. 8. 23 OLG Köln v. 21.11.2012 – 16 U 126/11, BeckRS 2013, 5770; Franzmann, MittBayNot 2004, 404, 406; CoesterWaltjen, FS Yessiou-Faltsi (2007) 39, 55. 24 So auch BT-Drucks. 15/5222, 15 (zu § 1086 ZPO-E); Nagel/Gottwald, IZPR § 14 Rz. 14.76. 25 Angst/Oberhammer/Jakusch, EO3 (2015), § 7a EO Rz. 10. 26 Burgstaller/Neumayr/Höllwerth, Art. 24, 25 Rz. 14.
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Kap. VI: Übergangsbestimmung
Art. 26 EG-VollstrTitelVO
Kapitel VI Übergangsbestimmung (Art. 26)
Artikel 26 Übergangsbestimmung Diese Verordnung gilt nur für nach ihrem Inkrafttreten ergangene Entscheidungen, gerichtlich gebilligte oder geschlossene Vergleiche und aufgenommene oder registrierte öffentliche Urkunden. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Erstmaliges Inkrafttreten . . . . . . . . . . . .
2
III. Spätere EU-Erweiterungen . . . . . . . . . . . IV. Entstehung des Titels . . . . . . . . . . . . . .
4 7
V. Außerkrafttreten im Vereinigten Königreich aufgrund BREXIT . . . . . . . . . . . . . . . .
9a
1. Bestätigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 9c 2. Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . 9f VI. Verstoß gegen den zeitlichen Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
I. Normzweck Art. 26 EG-VollstrTitelVO regelt als Übergangsbestimmung den temporalen Anwendungsbereich der VO. Zum sachlichen, räumlichen und persönlichen Anwendungsbereich s. Art. 2 EG-VollstrTitelVO sowie die Erläuterungen dort.
1
II. Erstmaliges Inkrafttreten Geltungsbeginn der wesentlichen Teile der Verordnung ist gem. Art. 33 S. 2 EG-VollstrTitelVO der 2 21.10.2005. Unabhängig vom Inkrafttreten der Verordnung konnten Bestätigungsverfahren erst ab diesem Datum durchgeführt werden. Selbstredend war damit auch eine Vollstreckung aufgrund eines im Bestätigungsverfahren erteilten EuVollstrTitel erst ab diesem Datum möglich. Ab Geltungsbeginn können jedoch Entscheidungen, die nach dem Inkrafttreten ergangen sind, ge- 3 richtliche Vergleiche, die nach dem Inkrafttreten gebilligt oder geschlossen wurden und öffentliche Urkunden, die nach dem Inkrafttreten aufgenommen wurden, bestätigt werden. Der Moment des Inkrafttretens ist unabhängig vom Geltungsbeginn zu bestimmen.1 In Art. 33 S. 1 EG-VollstrTitelVO wird das Inkrafttreten abweichend von der allgemeinen Regelung des Art. 297 Abs. 1 S. 4 AEUV (ex Art. 254 Abs. 2 EGV) auf den 21.1.2005 festgelegt. Es können folglich nur Titel bestätigt werden, die ab dem 21.1.2005 entstanden sind.2 Auf die Geltung der einzelnen Normen kommt es nicht an. Im Zeitpunkt des Geltungsbeginns der wesentlichen Teile der VO konnten mithin bereits bestätigungsfähige Entscheidungen, Vergleiche und Urkunden existieren.
1 Dies übersieht das OLG München v. 30.4.2007 – 6 W 687/07, NJW-RR 2007, 1582, wenn es allein auf den Geltungsbeginn abstellt. Aus der Entscheidung geht nicht hervor, dass der intertemporale Anwendungsbereich nach Art. 26 EG-VollstrTitelVO überhaupt unabhängig vom Geltungsbeginn der Verordnung geprüft wurde. 2 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 4; Fasching/Rechberger, Rz. 1; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 180; Brenn, EuZP Rz. 150; Heringer, S. 57; Mayr, EuZPR Rz. IV/192; anders war es im ursprünglichen Kommissionsentwurf vorgesehen, welcher auf die Verfahrenseinleitung abstellte, Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 33 (Art. 29 Abs. 1); a.A. NK-ZPO/Saenger, § 1079 Rz. 2; Rausch, FPR 2007, 448, 450, die auf den 21.10.2005 abstellen wollen.
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Art. 26 EG-VollstrTitelVO
Übergangsbestimmung
III. Spätere EU-Erweiterungen 4
Bei folgenden EU-Erweiterungen ergibt sich kein Auseinanderfallen von Inkrafttreten und Geltungsbeginn. Beides tritt mit Wirksamwerden des Beitritts ein. Die VO ist im neuen Mitgliedstaat ab dem Beitritt unmittelbar anzuwenden; das Datum des Inkrafttretens i.S.v. Art. 26 EG-VollstrTitelVO ist das Beitrittsdatum des entsprechenden Staates. Die VO ist so für Bulgarien und Rumänien am 1.1.2007, für Kroatien am 1.7.2013 in Kraft getreten und in Geltung gelangt.
5
Ein Bestätigungsverfahren kann erst nach dem Beitritt durchgeführt werden, es können darin nur Titel bestätigt werden, die nach dem Beitritt ergangen sind bzw. gebilligt, geschlossen oder aufgenommen wurden. Auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung kommt es hingegen auch hier nicht an. Auch existiert anders als beim erstmaligen Inkrafttreten der Verordnung kein Zeitraum, in dem bereits Titel geschaffen werden, die später sodann bereits bestätigt werden können.3
6
Ein Vollstreckungsverfahren aufgrund der Erteilung eines EuVollstrTitel in einem anderen Mitgliedstaat erfolgt erst ab dem Beitritt. Die Bestätigung kann dabei bereits vor dem Beitritt ausgestellt worden sein, insofern kommt es allein darauf an, dass die Verordnung im Ursprungsmitgliedstaat zum Zeitpunkt der Bestätigung bereits zeitlich anwendbar war.4
IV. Entstehung des Titels 7
Ergangen ist die Entscheidung an dem Tag, an dem sie gemäß der lex fori des Urteilsstaates nach außen wirksam geworden ist. Eine autonome Auslegung ist hier nicht angezeigt;5 soweit eine Entscheidung nach der lex fori noch nicht ergangen ist, soll sie auch autonom nicht als solche angesehen werden. Inhaltlich ist „ergangene Entscheidung“ in gleicher Weise wie in Art. 66 Abs. 2 Brüssel I-VO,6 Art. 64 Abs. 2–4 Brüssel IIa-VO7 und Art. 75 Abs. 2 Unterabs. 1 EG-UntVO8 zu verstehen.9
7a
Ohne Bedeutung ist die Verfahrenseinleitung – anders als bei den das Erkenntnisverfahren selbst (mit-)regelnden Verordnungen (Art. 66 Abs. 1 Brüssel Ia-VO, Art. 64 Abs. 1 Brüssel IIa-VO).10 Entscheidungen aus bereits vor dem 21.1.2005 bzw. in Neu-Mitgliedstaaten dem späteren EU-Beitritt eingeleiteten Verfahren können bei Vorliegen der Voraussetzungen bestätigt werden. Die Beurteilung des bereits vor dem Inkrafttreten der VO abgelaufenen Verfahrens erfolgt nach den Maßstäben der VO, insbesondere der Art. 13 ff. EG-VollstrTitelVO. Da es sich dabei lediglich um Beurteilungskriterien handelt, ist dies unproblematisch möglich. Ebenso kommt es nicht originär auf die schriftliche Niederlegung, eine Übermittlung an die Parteien oder den Eintritt einer Vollstreckbarkeit an;11 etwas anderes kann sich allerdings ergeben, wenn die lex fori des Urteilsstaates eines der Kriterien heranzieht, um der Entscheidung entsprechende Außenwirkung zuzumessen.
8
Bei gerichtlichen Vergleichen kommt es auf den Zeitpunkt der Bestätigung durch das Gericht an.12 Entscheidend ist mithin der Zeitpunkt, zu dem eine – unter Umständen bereits privat zwischen den Parteien geschlossene – Vereinbarung nach der lex fori zur gerichtlichen wird, was auch durch eine besondere Protokollierung oder Feststellung erfolgen kann. Soweit der Vergleich unter einer Bedingung abgeschlossen wird, ist die gerichtliche Bestätigungshandlung entscheidend, nicht der (spätere) Bedingungseintritt.13 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 5. Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 6. A.A. Hannemann-Kacik, S. 71, ohne jedoch eine autonome Definition zu geben. S. dazu Rauscher/Staudinger (2021), Art. 66 Brüssel Ia-VO Rz. 9. S. dazu Rauscher/Rauscher (2015), Art. 64 Brüssel IIa-VO Rz. 10. S. dazu Rauscher/Andrae (2015), Art. 75 EG-UntVO Rz. 10. Kropholler/von Hein, Rz. 1 Fn. 1, Art. 66 Brüssel I-VO Rz. 4; Hök, ZAP 2005, 1099, 1100; Pfeiffer, BauR 2005, 1541, 1543. Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 455. Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 7. Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 7; Kropholler/von Hein, Rz. 1 Fn. 2; Wagner, IPRax 2005, 189, 191 Fn. 45; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 50. Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 10.
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Kap. VI: Übergangsbestimmung
Art. 26 EG-VollstrTitelVO
Für öffentliche Urkunden ist der Zeitpunkt ihrer öffentlichen Aufnahme oder Registrierung maßgebend.14 Die lex fori des Ursprungmitgliedstaates bestimmt, ab wann einem Dokument der Charakter einer öffentlichen Urkunde zugemessen wird. Die bereits bestehende Vollstreckbarkeit ist ebenso wenig erforderlich wie die Möglichkeit der Herleitung von Ansprüchen aus der Urkunde zu diesem Zeitpunkt. Unschädlich sind auch etwaige enthaltene aufschiebende Bedingungen. Die Bestätigung selbst kann freilich erst erfolgen, wenn die Vollstreckbarkeit gegeben ist.15 In Deutschland wird dies für notarielle Urkunden grundsätzlich mit Abschluss des in § 13 BeurkG vorgesehenen Beurkundungsvorgangs, mithin mit Fertigung der Urschrift, angenommen.16 Erfordert die lex fori für die Anerkennung als öffentliche Urkunde kumulativ Aufnahme und Registrierung, so ist auf den Zeitpunkt des Eintritts des letzten Tatbestandsmerkmals abzustellen; kann eine anschließende Registrierung jedoch allein fakultativ erfolgen, so ist diese nicht zu berücksichtigen.17
9
V. Außerkrafttreten im Vereinigten Königreich aufgrund BREXIT Das Vereinigte Königreich ist mit mit Ablauf des 31.1.2020 aus der EU ausgetreten.18 Dem BREXIT 9a schloss sich gemäß Art 126 UK-EU Austrittsabkommen19 bis zum 31.12.2020 ein Übergangszeitraums an, in dem das EU-Recht im Vereinigten Königreich im Wesentlichen weiter anwendbar war (Art 127 UK-EU Austrittsabkommen). Das EU-UK-Handels- und Kooperationsabkommen20 enthält für die Zeit ab dem 1.1.2021 keine Bestimmungen zum Europäischen Zivilprozessrecht. Mit dem Ablauf des Übergangszeitraums ist das EU-Recht seit dem 1.1.2021 im Vereinigten Königreich nunmehr zwar grundsätzlich nicht mehr anwendbar. Jedoch ist für die EG-VollstrTitelVO die besondere Regelung in Art. 67 Abs. 2 lit. d UK-EU Austrittsabkommen zu beachten: (2) Im Vereinigten Königreich sowie in den Mitgliedstaaten finden in Fällen, die einen Bezug zum Vereinigten Königreich aufweisen, die folgenden Rechtsakte oder Bestimmungen auf die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen, Entscheidungen, öffentlichen Urkunden, gerichtlichen Vergleichen und Gerichtsstandsvereinbarungen Anwendung: a)–c) […] d) die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 findet Anwendung auf Urteile, die in vor dem Ablauf der Übergangszeit eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ergangen sind, sowie auf vor dem Ablauf der Übergangszeit gebilligte oder geschlossene gerichtliche Vergleiche und ausgestellte öffentliche Urkunden, sofern die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel vor dem Ablauf der Übergangszeit beantragt wurde.
9b
1. Bestätigungsverfahren Gerichtliche Entscheidungen aus dem Vereinigten Königreich können gemäß Art. 67 Abs. 2 lit. d UK-EU Austrittsabkommen als EuVollstrTitel im Vereigigten Königreich als Ursprunsgmitgliedstaat bestätigt werden, wenn das Verfahren vor dem 1.1.2021 eingeleitet wurde und die Bestätigung vor dem 1.1.2021 beantragt wurde. Für den zeitlichen Anwendungsbereich entscheidend ist damit allein die Verfahrenseinleitung und die Bestätigungsbeantragung (welche bereits ab Verfahrenseinleitung 14 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 50. 15 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 11. 16 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 11; Kropholler/von Hein, Rz. 1 Fn. 3; Münch, FS Rechberger (2005) 395, 409; Wolfsteiner, Die vollstreckbare Urkunde4 (2019), Rz. 54.31. 17 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 11; Peiffer, BauR 2005, 1541, 1543. 18 Beschluss (EU) 2019/1810 des Europäischen Rates, im Einvernehmen mit dem Vereinigten Königreich gefasst, vom 29. Oktober 2019 zur Verlängerung der Frist nach Art. 50 Abs. 3 EUV, ABl. 2019 L 278I/1. 19 Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl. 2020 L 29/7, in Kraft getreten am 1.2.2020, ABl. 2020 L 29/189. 20 Abkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits, ABl. 2021 L 149/10, vorläufig angewendet ab 1.1.2021 (Art. 12 Beschluss (EU) 2020/2252, ABl. 2020 L 444/2), in Kraft getreten am 1.5.2021, ABl. 2021 L 149/2560.
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9c
Art. 26 EG-VollstrTitelVO
Übergangsbestimmung
möglich ist, s. Art. 6 EG-VollstrTitelVO Rz. 3), nicht jedoch der Erlass des Urteils und die Ausstellung der Bestätigung. Beides kann deutlich nach dem endgültigen Ausscheiden des Vereingten Königreiches aus der EU liegen. 9d
Gerichtliche Vergleiche müssen vor dem 1.1.2021 gebilligt oder geschlossen worden sein, öffentliche Urkunden vor dem 1.1.2021 ausgestellt worden sein und deren Bestätigung als EuVollstrTitel muss vor dem 1.1.2021 beantragt worden sein, um als EuVollstrtitel bestätig werden zu können. Auf die Ausstellung der Bestätigung kommt es auch hier nicht an.
9e
Auch nach dem 1.1.2021 können in den vorbenannten Fällen daher Bestätigungen als EuVollstrTitel erfolgen. In Bezug auf im Vereinigten Königreich als Ursprungsmitgliedstaat ausgestellte EuVollstrTitel bleiben die Regelungen der VO anwendbar; insbesondere können Berichtigungs- und Widerrufsverfahren in Bezug auf solche Bestätigungen auch nach dem 1.1.2021 durchgeführt werden. 2. Vollstreckungsverfahren
9f
Die Vollstreckung aus EuVollstrTitel (aus dem Vereinigten Königreich in den Mitgliedstaaten wie aus den anderen Mitgliedstaaten im Vereinigten Königreich) bleibt auch nach Ablauf der Übergangszeit möglich. Eine Befristung ist nicht erfolgt. Art. 67 Abs. 2 lit. d UK-EU Austrittsabkommen muss entnommen werden, dass britische und nordirische EuVollstrTitel mit dem Ende der Übergangszeit nicht ihre Wirkung verlieren sollen. Entscheidend soll in beide Richtungen allein sein, dass Verfahrenseinleitung, Vergleichsbilligung/-schluss oder Urkundenausstellung sowie die Beantragung der Bestätigung vor dem 1.1.2021 erfolgten.
9g
Aus dem EuVollstrTitel selbst ist nicht mehr ersichtlich, ob eine Vollstreckung nach der VO erfolgen muss oder nicht. Dort wird das Datum der Entscheidung und der Bestätigung angegeben, aber nicht jenes der Verfahrenseinleitung und der Beantragung der Bestätigung. Prüfung der Voraussetzungen der Übergangsregel des Art. 67 Abs. 2 lit. d UK-EU Austrittsabkommen kann daher in der Praxis jedenfalls für nach dem 1.1.2021 ausgestellte Bestätigungen im Vollstreckungsverfahren nicht aufgrund des EuVollstrTitel selbst erfolgen. Um eine praxistaugliche Anwendung zu ermöglichen, sollte eine Ergänzung auf dem Formblatt um die beiden relevanten Daten als zulässig angesehen werden; Gläubiger im Vereinigten Königreich oder solche, die eine Vollstreckung im Vereinigten Königreich beabsichtigen, sollten darauf hinwirken. Bei Vollstreckungen aus bestätgten Titeln, welche im Vereinigten Königreich ausgestellt wurden, kann so zugleich eine Verzögerung vermieden werden, welche aufgrund einer (unberechtigten) Zurückweisung als Bestätigung aus einem Nicht-Mitgliedstaat entstehen würde (s. Rz. 11).
VI. Verstoß gegen den zeitlichen Anwendungsbereich 10
Beachtet das Ursprungsgericht in einem Ursprungsstaat, in dem die Verordnung gilt und anwendbar ist, den zeitlichen Anwendungsbereich der Verordnung nicht und bestätigt einen vor dem relevanten Stichtag entstandenen Titel, so ist dem mit den Mitteln der Verordnung zu begegnen. Es handelt sich allein um ein Fehler im Bestätigungsverfahren. Für derartige Fehler sieht die VO die Mittel des Art. 10 EG-VollstrTitelVO vor; die Bestätigung ist mithin im Ursprungsstaat als eindeutig zu Unrecht ergangen zu widerrufen.21 Eine Überprüfung der Entstehung der Bestätigung im Vollstreckungsstaat kann nicht erfolgen. Im einzigen vorgesehenen Überprüfungsfall (Art. 21 EG-VollstrTitelVO, Unvereinbarkeit mit einer früheren Entscheidung) wird durch Art. 21 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO klargestellt, dass selbst hier weder Entscheidung noch Bestätigung selbst nachgeprüft werden dürfen. Es ist gerade Grundprinzip der EG-VollstrTitelVO, dass der Vollstreckungsstaat der Rechtspflege des Ursprungsstaates derart vertraut, dass eine Nachprüfung in keiner Weise erfolgt.
11
Anders wird man bei einer hinzutretenden Verletzung des räumlichen Anwendungsbereichs entscheiden müssen. Erfolgte die „Bestätigung“ in einem Nicht-Mitgliedstaat, in einem heutigen Mitgliedstaat vor dem Beitritt zur EU oder in einem ehemaligen Mitgliedstaat nach dessen Austritt aus der 21 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 12; Kropholler/von Hein, Art. 5 Rz. 9; Geimer, FS Vollkommer (2006) 385, 392; a.A. Stürner, GPR 2010, 43, 49; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 183.
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Kap. VII: Verhältnis zu anderen Rechtsakten der Gemeinschaft
Art. 27 EG-VollstrTitelVO
EU (und dem Ablauf einer ggf. anwendbaren Übergangsfrist), so ist der Titel außerhalb des Geltungsbereichs der VO entstanden. Es kann sich daher nicht um einen EuVollstrTitel handeln; er ist entsprechend als nichtig anzusehen. Der „Titel“ genießt gerade nicht das mit der VO postulierte Vertrauen in die Rechtspflege der anderen EU-Staaten. Bei Neumitgliedern kann dieses Vertrauen frühestens ab dem Beitritt angenommen werden; bei ehemaligen Mitgliedern erlischt es spätetstns mit dem Ablauf der Nachgeltungsfrist. Diese Überprüfung muss im Vollstreckungsmitgliedstaat von Amts wegen möglich bleiben, selbst wenn die EG-VollstrTitelVO zwischenzeitlich im Ursprungsstaat in Kraft getreten ist.22
Kapitel VII Verhältnis zu anderen Rechtsakten der Gemeinschaft (Art. 27–Art. 28)
Artikel 27 Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001 Diese Verordnung berührt nicht die Möglichkeit, die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung über eine unbestrittene Forderung, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer öffentlichen Urkunde gemäß der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 zu betreiben. I. 1. 2. 3.
Verhältnis zu anderen Rechtsakten Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO . . . . . Andere Gemeinschaftsrechtsakte . . Internationale Übereinkommen . .
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II. 1. 2. 3.
EuVollstrTitel neben Brüssel I-Verfahren Vor Erteilung des EuVollstrTitel . . . . . . Nach Ablehnung des EuVollstrTitels . . . . Nach Erteilung des EuVollstrTitels . . . . .
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. 7 . 7 . 11 . 12
Schrifttum: Kienle, Effektiver Zugang zum (doppelten) Recht? Ein Zwischenruf zum Verhältnis von EuGVO und EuVTVO, EuZW 2010, 334.
I. Verhältnis zu anderen Rechtsakten 1. Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO Der Wortlaut der Norm bestimmt ausdrücklich das Verhältnis zur Brüssel I-VO. Obwohl nicht entsprechend angepasst, bestimmt sie auch das Verhältnis zur VO (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia-VO) ab deren Geltungsbeginn am 10.1.2015 (Art. 81 Abs. 2 Brüssel Ia-VO); Bezugnahmen auf die Brüssel I-VO sind als Bezugnahmen auf die Brüssel Ia-VO zu lesen (Art. 80 S. 2 Brüssel Ia-VO). Es ist eine Unsitte des Europäischen Gesetzgebers, Verweise zwischen den einzelnen Rechtsinstrumenten nicht durch entsprechenden Änderungsbefehl anzupassen. Stattdessen wird ein pauschaler Entsprechungsbefehl im späteren Rechtsakt gegeben. Der Gesetzgeber scheut die Mühe der Ermittlung anzupassender Verweisstellen und nimmt so eine leichtere Fehleranfälligkeit bei der Rechtsanwendung bewusst in Kauf.
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Trotz der formellen Aufhebung der Brüssel I-VO am 10.1.2015 (Art. 80 S. 1 Brüssel Ia-VO), wird diese aufgrund der intertemporalen Bestimmung in Art. 66 Abs. 2 Brüssel Ia-VO für die Anerkennung und Vollstreckung auf lange Zeit für eine Reihe von Fällen weiter anwendbar bleiben. Wurde das Erkenntnisverfahren vor dem Stichtag 10.1.2015 eingeleitet, so bestimmt sich Anerkennung und Vollstreckung der ergehenden bzw. ergangenen Entscheidung nach der Brüssel I-VO. Das Datum, an dem die Entscheidung ergeht, – ob vor oder nach dem Stichtag – ist von keiner Bedeutung; eine Überleitung in die Brüssel Ia-VO findet nicht statt. Gleiches gilt, wenn ein gerichtlicher Vergleich vor dem
2
22 Geimer/Schütze/Zenker, Art. 33 Rz. 5; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 183; a.A. Geimer, FS Vollkommer (2006) 385, 392; Wagner, IPRax 2005, 189, 199.
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Art. 27 EG-VollstrTitelVO
Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001
Stichtag gebilligt oder geschlossen wurde und wenn eine öffentliche Urkunde vor dem Stichtag errichtet oder eingetragen wurde. Für die EG-VollstrTitelVO und den Inhalt von Art. 27 EG-VollstrTitelVO bedeutet dies, dass der Verweis auf die Brüssel I-VO nicht ersetzt wird, sondern die Brüssel Ia-VO hinzutritt. Die EG-VollstrTitelVO berührt nicht die Möglichkeit, die Anerkennung und Vollstreckung gemäß Brüssel I-VO oder Brüssel Ia-VO zu betreiben. 3
Es wird klargestellt, das die VO keine lex specialis zur Brüssel I-VO oder Brüssel Ia-VO ist. Die VO bietet lediglich eine Alternative zur Vollstreckbarkeit nach diesen Verordnungen. Wie auch in ErwGr. 20 EG-VollstrTitelVO benannt, ist der Vollstreckungsgläubiger nicht verpflichtet, nach der VO vorzugehen, er hat die freie Wahl, welches Vollstreckungssystems er sich bedient.1
4
Dieser Entscheidung des Verordnungsgebers ist zuzustimmen; die VO sieht keine zwingende Anpassung des Erkenntnisverfahrens vor. Titel aus Mitgliedstaaten, die die Mindeststandards nicht erfüllen, müssen weiter nach der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO anerkennungs- und vollstreckungsfähig bleiben. Auch wenn die Brüssel Ia-VO ebenfalls zu einem Verzicht der Vollstreckbarerklärung und einem Bestätigungssystem übergeht, so unterscheidet sie sich doch von der Bestätigung hier; die Voraussetzungen für die Erteilung der Bestätigung sind verschieden und zumindest teilweise geringer, im Gegenzug stehen dem Schuldner im Vollstreckungsstaat weitere Möglichkeiten zur Verfügung. 2. Andere Gemeinschaftsrechtsakte
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Auch die in anderen gemeinschaftlichen Rechtsakten oder in dem in Ausführung dieser Akte harmonisierten, einzelstaatlichen Recht enthaltenen, für bestimmte Rechtsgebiete vorgesehenen Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren bleiben anwendbar. Diese werden vom Brüssel I-System nicht berührt (Art. 67 Brüssel Ia-VO).2 3. Internationale Übereinkommen
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Gleiches gilt für Übereinkommen, denen die Mitgliedstaaten angehören und die für besondere Rechtsgebiete die Anerkennung oder die Vollstreckung von Entscheidungen regeln. Für diese enthält Art. 71 Brüssel Ia-VO eine entsprechende Unberührtheitsklausel.
II. EuVollstrTitel neben Brüssel I-Verfahren 1. Vor Erteilung des EuVollstrTitel 7
Die VO besitzt keine Sperrwirkung gegenüber dem Brüssel I-System, wenn der Titel in den Anwendungsbereich der EG-VollstrTitelVO fällt.3 Aufgrund der nicht möglichen Überprüfbarkeit der Entscheidung im Vollstreckungsstaat ist es für den Gläubiger durchaus ratsam sich bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Europäischen Vollstreckungstitel zu entscheiden; dies besonders dann, wenn in verschiedenen Mitgliedstaaten vollstreckt werden soll. Es ist nur einmal das Bestätigungsverfahren durchzuführen, nicht aber (bei der Brüssel I-VO) in jedem einzelnen Vollstreckungsstaat ein Exequaturverfahren.4 Im Vergleich zur Brüssel Ia-VO erspart sich der Gläubiger zumindest die Möglichkeit des Schuldners, dass dieser in jedem Vollstreckungsstaat ein Verfahren zur Versagung der Vollstreckung zu betreibt. Andererseits konnte das Brüssel I-Verfahren besser geeignet sein, wenn es auf einen 1 So auch Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 16 f. (Art. 30); Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 12 (Art. 30); Schlosser/Hess/Schlosser, Art. 1 Rz. 7, Art. 27 Rz. 1; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 390; Mankowski, FS Kropholler (2008) 829, 834; Brenn, EuZP Rz. 152; Rosner, Money Judgements S. 177. 2 Vgl. Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 16 f. (Art. 30), 34 (Art. 30); der Gemeinsame Standpunkt kürzte dann die EU-Gesetzesprosa auf den wesentlichen Gehalt zusammen, Europäische Kommission, 9.2.2004, COM (2004) 90, 12 (Art. 30); zu den konkret betroffenen Rechtsakten s. bei Rauscher/Mankowski (2021), Art. 67 Brüssel Ia-VO Rz. 2 ff. 3 Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 454. 4 Yessiou-Faltsi in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 213, 246.
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Kap. VII: Verhältnis zu anderen Rechtsakten der Gemeinschaft
Art. 27 EG-VollstrTitelVO
Überraschungseffekt im Urteilsstaat ankam und deswegen bestimmte Mindeststandards der VO von der lex fori missachtet wurden. Ist der Gläubiger selbst im Vollstreckungsstaat ansässig, konnte ihm ein Exequaturverfahren im Inland günstiger erscheinen als ein Bestätigungsverfahren im Ausland.5 Darüber hinaus wird durch die Norm die freie Wahl des Gläubigers zwischen den beiden möglichen Vollstreckungswegen (EuVollstrTitel oder Brüssel I) gewährleistet. Der Norm ist implizit auch zu entnehmen, dass eine Rechtfertigung des Gläubigers für den eingeschlagenen Weg nicht verlangt werden darf; schlägt er den Brüssel I-Weg ein, so kann ihm mithin ein Rechtschutzbedürfnis – auch nicht zur Schonung gerichtlicher Ressourcen – nicht unter Hinweis auf den vermeintlich einfacheren Weg des EuVollstrTitels abgesprochen werden.6 Wird insoweit die Ergänzung eines Versäumnisurteils um Tatbestand und Gründe entsprechend § 313b Abs. 3 ZPO begehrt, so ist dem zu entsprechen.
8
Es steht dem Gläubiger nach dem Wortlaut des Art. 27 EG-VollstrTitelVO auch frei, zunächst beide 9 Verfahren (nach Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO und EG-VollstrTitelVO) parallel zu betreiben.7 Dies eröffnet ihm die Möglichkeit, die Vollstreckung nach dem im individuellen Einzelfall schnelleren Verfahren durchzuführen. Auch im Verhältnis zur Bestätigung nach der Brüssel Ia-VO sind Unterschiede zumindest denkbar, da die Bestätigungen nicht zwingend von der gleichen Stelle erteilt werden müssen (Art. 53 Brüssel Ia-VO: Ursprungsgericht, Art. 6 EG-VollstrTitelVO: Antrag an Ursprungsgericht; wer über die Bestätigung entscheidet, wird jedoch den nationalen Ausführungsbestimmungen überlassen, s. Art. 6 EG-VollstrTitelVO Rz. 9). Auch nach Vollstreckbarerklärung in einem oder mehreren Mitgliedstaaten gemäß der Brüssel I-VO 10 oder nach Bestätigung gemäß der Brüssel Ia-VO muss es dem Gläubiger möglich bleiben, eine Bestätigung als EuVollstrTitel zu erlangen.8 Ein Rechtschutzbedürfnis kann – jedenfalls pauschal – nicht abgelehnt werden, da der EuVollstrTitel im Gegensatz zur Vollstreckbarerklärung eine Vollstreckung in anderen Mitgliedstaaten ermöglicht und im Gegensatz zur Brüssel Ia-Bestätigung keine Vollstreckungsversagungsverfahren in den einzelnen Vollstreckungsstaaten befürchten lässt. Ebenso bleibt die Möglichkeit der Bestätigung als EuVollstrTitel bestehen, wenn nach der Brüssel I-VO in einem Vollstreckungsstaat die Vollstreckbarerklärung versagt wurde bzw. wenn nach der Brüssel Ia-VO die Versagung der Vollstreckung erreicht wurde, weil z.B. ein Verstoß gegen den ordre public des Vollstreckungsstaates gegeben ist. Es ist der Abschaffung der ordre public-Kontrolle (Art. 5 EG-VollstrTitelVO) immanent, dass eine sodann im Ursprungsstaat als EuVollstrTitel bestätigte Entscheidung dennoch in diesem Mitgliedstaat zu vollstrecken ist.9 2. Nach Ablehnung des EuVollstrTitels Wird dem Gläubiger der Europäische Vollstreckungstitel nach dieser VO abgelehnt, so behält er die 11 Möglichkeit, die Anerkennung und Vollstreckung seines ausländischen Titels nach der Brüssel I-VO bzw. der Brüssel Ia-VO (oder den in Art. 67, 71 Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO benannten Rechtsquellen) zu betreiben. Auch mit der Wahl der VO verliert der Gläubiger keine Rechte aus den anderen Rechtsquellen. Sie stehen vollständig neben dieser VO.10
5 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 3. 6 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 3; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2010, 1, 19; a.A. LG Mannheim v. 5.11.2009 – 8 O 188/09 (juris); Kienle, EuZW 2010, 334. 7 OLG Stuttgart v. 20.4.2009 – 5 W 68/08, NJW-RR 2010, 134, 135; Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 7; Schlosser/ Hess/Schlosser, Art. 27 Rz. 1; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 1; Fasching/Rechberger, Rz. 1; Wagner, IPRax 2005, 189, 190; Burgstaller/Neumayr, ÖJZ 2006, 179, 183; Stürner, FS Simotta (2012) 587, 592; nach dem Wortlaut des ErwGr. 20 EG-VollstrTitelVO soll sich der Gläubiger frei entscheiden können. Dies umfasst aber auch die Möglichkeit, sich für beide Alternativen zu entscheiden, weshalb ErwGr. 20 EG-VollstrTitelVO dieser Auffassung nicht entgegensteht; offen lassend BGH v. 4.2.2010 – IX ZB 57/09, EuZW 2010, 319, 320. 8 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 5; Kropholler/von Hein, Rz. 4; Stürner, FS Simotta (2012) 587, 592. 9 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 9. 10 BGH v. 4.2.2010 – IX ZB 57/09, NJW-RR 2010, 571, 572; Kropholler/von Hein, Rz. 6; Gebauer/Wiedmann/ Bittmann, Kap. 28 Rz. 200; Rauscher, GPR 2003/04, 286, 287; Mankowski, FS Kropholler (2008) 829, 834.
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Art. 28 EG-VollstrTitelVO
Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 1348/2000
3. Nach Erteilung des EuVollstrTitels 12
Wird dem Vollstreckungsgläubiger die Bestätigung nach der EG-VollstrTitelVO und mithin der EuVollstrTitel erteilt, so erfolgt die Vollstreckung aus diesem allein nach dieser VO. Die anderen Rechtsakte, insbesondere die Brüssel I-VO und die Brüssel Ia-VO, sind für dieses Verfahren grundsätzlich verdrängt.11 Zwar ist keine Vorrangklausel enthalten – die im Kommissionsvorschlag vorgesehene12 wurde nicht in den endgültigen Verordnungstext übernommen – jedoch wird in der Regel ein Rechtsschutzbedürfnis verneint.13
13
In Ausnahmefällen kann die Beurteilung jedoch anders ausfallen, so dass der Gläubiger nach Erteilung des EuVollstrTitels doch noch das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren nach der Brüssel I-VO bzw. Brüssel Ia-VO einleiten kann.14 Das Brüssel I-Verfahren ist jedoch nur neben dem nach der EG-VollstrTitelVO möglich, es wird gerade nicht kumulativ durchgeführt.15 In der Praxis wird es freilich selten Gründe geben, nach erfolgter Bestätigung noch auf das Verfahren nach Brüssel I zurückzugreifen; der Gläubiger muss hierfür ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis dartun, an dem es in der Regel fehlen wird.16
14
Ausnahmsweise können so auch mehrere vollstreckbare Ausfertigungen existieren, was die Gefahr einer missbräuchlichen gleichzeitigen oder mehrfachen Vollstreckung birgt. Mit den Mitteln des Art. 20 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO kann dies nicht verhindert werden, da zusammen mit der Bestätigung allein eine einfache Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen ist (s. Art. 20 EG-VollstrTitelVO Rz. 7 ff.).17 Mehrfache vollstreckbare Ausfertigungen kommen jedoch im nationalen (vgl. z.B. § 733 ZPO) wie Internationalen Rechtsverkehr (z.B. Exequaturverfahren nach der Brüssel I-VO in mehreren Mitgliedstaaten) häufiger vor und sind daher auch jenseits des Anwendungsbereichs der EGVollstrTitelVO bekannt. Die Verhinderung einer Überpfändung oder Überbefriedigung wird insoweit vom im Vollstreckungsverfahren anwendbaren nationalen Recht mit übernommen.18 Eines europäischen Vollstreckungsregisters19 – und damit zusätzlicher Bürokratie – bedarf es dafür wohl nicht.20
Artikel 28 Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 Diese Verordnung lässt die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 unberührt. I. Verweis auf EG-ZustVO 2007/EU-ZustVO 2020 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Keine unmittelbare Wechselwirkung der Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2
III. Zustellung nach EG-ZustVO mangelhaft . . . IV. Zustellung nach EG-ZustVO ausreichend? . .
3 5
11 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 17 (Art. 30). 12 Europäische Kommission, 18.4.2002, COM (2002) 159, 34 (Art. 30 Abs. 2), der Vorrang wurde bereits ab Beantragung der Bestätigung vorgesehen, unabhängig davon, ob diese tatsächlich erteilt werden kann. Dies hätte in Fällen, in denen die Bestätigung wegen Fehlens von Voraussetzungen verweigert werden muss, dazu geführt, dass weder nach der Brüssel I-VO noch nach der EG-VollstrTitelVO eine Vollstreckung der Entscheidung möglich wäre. 13 BGH v. 14.6.2012 – IX ZB 245/10, BeckRS 2012, 13821; BGH v. 4.2.2010 – IX ZB 57/09, EuZW 2010, 319, 320; OLG Stuttgart v. 20.4.2009 – 5 W 68/08, NJW-RR 2010, 134, 135. 14 Pfeiffer, LMK 2010, 303291. 15 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 2. 16 BGH v. 4.2.2010 – IX ZB 57/09, NJW-RR 2010, 571, 572 = EuZW 2010, 319, 320; OLG Stuttgart v. 20.4.2009 – 5 W 68/08, NJW-RR 2010, 134, 135. 17 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 8. 18 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 8; auch Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 454; a.A. Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1, der ein Gebot zur generellen Verhinderung von Doppelvollstreckungen nicht als notwendig erachtet. 19 Vorgeschlagen von Hess, EuZPR (2010) § 10 Rz. 38. 20 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 8 Fn. 27; Kienle, EuZW 2010, 334, 335.
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Kap. VII: Verhältnis zu anderen Rechtsakten der Gemeinschaft
Art. 28 EG-VollstrTitelVO
I. Verweis auf EG-ZustVO 2007/EU-ZustVO 2020 Der Verweis ist seit dem 13.11.2008 (Art. 26 Abs. 2 EG-ZustVO 2007) als einer auf die VO (EG) 1 Nr. 1393/2007 (EG-ZustVO 2007) zu lesen (Art. 25 Abs. 2 EG-ZustVO 2007). Auch hier wäre ein Änderungsbefehl für den Rechtsanwender deutlich besser handhabbar gewesen, als ein pauschaler Entsprechungsbefehl im später erlassenen Rechtsakt (s. Art. 27 EG-VollstrTitelVO Rz. 1).1 Jedoch folgt auch die nächste Reform diesem Muster. Der Verweis wird damit ab dem 1.7.2022 (Art. 36 Abs. 2 EG-ZustVO 2020) als einer auf die VO (EU) Nr. 2020/1784 (EG-ZustVO 2020) zu lesen sein.
II. Keine unmittelbare Wechselwirkung der Verordnungen Die VO regelt die Zustellung nicht unmittelbar, es werden allein Maßstäbe aufgestellt, an denen die 2 im Erstverfahren erfolgte Zustellung zu messen ist, wenn eine Bestätigung als EuVollstrTitel erfolgen soll. Für die Bestätigung als EuVollstrTitel sind die Voraussetzungen der EG-ZustVO nicht zu prüfen. Insbesondere wird für grenzüberschreitende Zustellungen nicht darauf abgestellt, dass diese nach der EG-ZustVO erfolgt sind. Eine derartige Kombination wäre durchaus denkbar gewesen: Für reine Inlandszustellungen könnten die Mindeststandards aufgestellt werden, für grenzüberschreitende Zustellungen hingegen auf das bereits bestehende einheitliche Zustellungssystem der EG-ZustVO zurückgegriffen werden. Man entschied sich jedoch für einen Weg, der schwerlich zu einem kohärenten System des EuZPR führen wird.2 Entscheidend ist allein, ob die Mindeststandards des Kapitels III der VO eingehalten worden, die Zustellung mithin diesen Voraussetzungen entspricht.3
III. Zustellung nach EG-ZustVO mangelhaft Dennoch ist auch in Erkenntnisverfahren, deren Entscheidungen später nach der VO bestätigt wer- 3 den soll, die EG-ZustVO zu beachten (Art. 28 EG-VollstrTitelVO). Die VO erlaubt bei der Zustellung kein Abweichen von den Vorschriften der EG-ZustVO. Allein die Beachtung der EG-ZustVO ist keine Voraussetzung für die Bestätigung als EuVollstrTitel. Ein nach EG-ZustVO mangelhaft zugestelltes verfahrenseinleitendes Schriftstück kann daher trotzdem zu einem EuVollstrTitel führen, wenn nur die Mindeststandards der VO eingehalten worden.4 Wie Zustellungsmängel auf das Hauptverfahren durchschlagen, entscheidet dagegen die lex fori.5 So ist eine Zustellung nach der EG-ZustVO allein auf elektronischem Weg per E-Mail nicht vorgesehen. Eine derartige Zustellung kann aber für die Bestätigung als EuVollstrTitel genügen, wenn z.B. der Empfänger eine Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet und zurückschickt (Art. 13 Abs. 1 lit. d EG-VollstrTitelVO). Dies birgt die Gefahr, dass die EG-ZustVO bewusst missachtet wird, da ein Titel trotz nach EG-ZustVO mangelhafter Zustellung als EuVollstrTitel bestätigt werden kann, wenn nur die Mindeststandards der VO erfüllt sind. Faktisch bedeutet dies eine Durchsetzung der Zustellung durch die Post mittels eingeschriebenen Briefs mit Rückschein. Die Zustellung muss nicht mehr durch Gerichte oder Behörden eines Mitgliedstaates bewirkt sein,6 sondern kann auch von einer Partei oder deren Verfahrensbevollmächtigtem herrühren. Da die Wahrung der Mindeststandards nicht in einem Akt mit der lege fori wirksamen Zustellung erfolgen muss, könnten sich bedenkliche Mischformen aus öffentlicher Zustellung und außergerichtlicher Klage“zustellung“ durch Einschreiben/Rückschein ergeben.
1 Dem zustimmend Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 1 Fn. 1. 2 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 5 sieht dennoch eine stimmige Lösung, da in beiden Verfahrensstadien unterschiedliche Ziele verfolgt werden. Dem ist durchaus zuzustimmen, dennoch ist das Hauptanliegen sowohl bei der Durchführung als auch bei der späteren Beurteilung der Zustellung stets die Sicherstellung der Information des Beklagten. Ziel eines einheitlichen Rechtsraumes muss es doch sein; allein solche Verfahren fortzuführen, deren Entscheidungen anschließend auch zweifelsfrei im gesamten Rechtsraum vollstreckt werden können. 3 Schlosser/Hess/Schlosser, Rz. 1. 4 Geimer/Schütze/Zenker, Rz. 3; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 395. 5 Kropholler/von Hein, Rz. 2; Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 106. 6 Was nach der EG-ZustVO gerade nicht zulässig ist, zutreffend Emde, NJW 2004, 1830.
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Art. 29 EG-VollstrTitelVO
Informationen über Vollstreckungsverfahren und -behörden
Einschränkungen für eine darauf aufbauende Praxis ergeben sich allenfalls durch notwendige Unterrichtungen nach Art. 17 EG-VollstrTitelVO.7
IV. Zustellung nach EG-ZustVO ausreichend? 5
Andererseits genügt eine nach der EG-ZustVO erfolgte Zustellung nicht zwingend, um den daraufhin ergehenden Titel auch als EuVollstrTitel bestätigen lassen zu können. Liegt beispielsweise nach Art. 19 Abs. 2 EG-ZustVO 2007/Art. 22 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 kein Beweis dafür vor, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück dem Beklagten so rechtzeitig und in solcher Weise zugestellt wurde, dass er sich hätte verteidigen können, so kann ein daraufhin erlassenes Versäumnisurteil nicht als EuVollstrTitel bestätigt werden, da dies nicht den Mindeststandards der Art. 13, 14 EG-VollstrTitelVO genügt.8 Art. 19 Abs. 2 EG-ZustVO 2007/Art. 22 Abs. 2 EU-ZustVO 2020 eröffnet aber die Möglichkeit, dass das Verfahren ordnungsgemäß fortgesetzt wird und die Gerichte in der Sache entscheiden können, obwohl der Nachweis für die Zustellung beim Schuldner nicht erbracht ist.9
Kapitel VIII Allgemeine und Schlussbestimmungen (Art. 29–Art. 33)
Artikel 29 Informationen über Vollstreckungsverfahren und -behörden Die Mitgliedstaaten arbeiten zusammen, um der Öffentlichkeit und den Fachkreisen folgende Informationen zur Verfügung zu stellen: a) Informationen über die Vollstreckungsverfahren und -methoden in den Mitgliedstaaten und b) Informationen über die zuständigen Vollstreckungsbehörden in den Mitgliedstaaten, insbesondere über das mit der Entscheidung 2001/470/EG des Rates1 eingerichtete Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen. 1
Die Vollstreckung erfolgt nach dem nationalen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates. Wenn es auch Ziel der VO ist, dem Gläubiger eine einfachere Vollstreckung innerhalb der EU zu ermöglichen, so wurden doch keine Anstrengungen unternommen, das Vollstreckungsverfahren zu harmonisieren.2 Dies wird in den Materialien zur VO nur als weiterer zukünftiger Schritt gesehen.3
2
Um eine effiziente praktische Arbeit mit der VO zu ermöglichen, verpflichtet Art. 29 EG-VollstrTitelVO die Mitgliedstaaten zur Zusammenarbeit und zur Bereitstellung von Informationen über ihre Vollstreckungsverfahren, -methoden und zuständigen Vollstreckungsbehörden im Europäischen Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen. Das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen ist ein virtuelles Netzwerk, welches von der Europäischen Kommission zum Informations-
7 Rauscher, EuVollstrTitel Rz. 106. 8 Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 204; Hüßtege, FS Jayme (2004) 371, 376. 9 Kritisch zur fehlenden Abstimmung von EG-ZustVO und EG-VollstrTitelVO daher auch Rauscher, FS Kropholler (2008) 851, 855. 1 Amtliche Fußnote: ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 25. 2 Yessiou-Faltsi in Gottwald (Hrsg.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union (2004) S. 213, 228. 3 Rat der EU, Vermerk der deutschen, britischen und schwedischen Delegation, 12.1.2001, 5259/01, Nr. 5.
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Kap. VIII: Allgemeine und Schlussbestimmungen
Art. 30 EG-VollstrTitelVO
austausch im Internet eingerichtet wurde und heute ein integraler Baustein im virtuellen „Europäischen Justizportal“ ist.4 Die Mitgliedstaaten müssen die entsprechenden Informationen der Kommission zur Verfügung stellen, diese stellt sie dann, übersetzt in alle Amtssprachen, in das Netzwerk ein. Der Rechtsanwender sollte dort die für ihn im Falle einer Auslandsvollstreckung notwendigen Adressen und Verfahrensinformationen finden. Damit erkennt die Europäische Union an, dass die Schwierigkeiten der Forderungsdurchsetzung immer noch im nicht vereinheitlichten Zwangsvollstreckungsverfahren liegen werden. Mittels der ihm so europaweit zur Verfügung stehenden Informationen soll der Gläubiger das Vollstreckungsrisiko realistisch abschätzen können. Die Qualität der zur Verfügung gestellten Informationen ist jedoch sehr unterschiedlich, so dass die Erreichung dieses Ziels auf diese Weise durchaus bezweifelt wird.5
3
Artikel 30 Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen (1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission Folgendes mit: a) das in Artikel 10 Absatz 2 genannte Berichtigungs- und Widerrufsverfahren sowie das in Artikel 19 Absatz 1 genannte Überprüfungsverfahren;* b) die gemäß Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c) zugelassenen Sprachen; c) die Listen der in Artikel 25 genannten Stellen; sowie alle nachfolgenden Änderungen. (2) Die Kommission macht die nach Absatz 1 mitgeteilten Informationen durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union und durch andere geeignete Mittel öffentlich zugänglich.
I. Mitteilungen der Mitgliedstaaten Die Mitgliedstaaten werden zur Mitteilung der in Abs. 1 benannten Verfahren, Sprachen und Stellen verpflichtet.
1
Die Verpflichtung umfasst nach ihrem Sinn und Zweck nicht allein die einmalige Mitteilung zum In- 2 krafttreten der VO, sondern auch die Aktualisierung der Mitteilungen, wenn sich im nationalen Recht des Mitgliedstaates entsprechende Änderungen ergeben. Nur so können die Mitteilungen ihren Zweck, dem Rechtsanwender in einem anderen Mitgliedstaat eine einfache Erkenntnismöglichkeit hinsichtlich der wichtigsten nationalen Ausführungsbestimmungen zu schaffen, auch erfüllen. Die Mitteilungen werden zur Veröffentlichung nicht mehr wie in der Brüssel I-VO in Anhängen in die VO selbst integriert. Wie schon mit Art. 67 und 68 Brüssel IIa-VO werden die Angaben der Mitgliedstaaten in einem selbstständigen Verfahren veröffentlicht (Abs. 2). Dadurch muss bei Änderungen in den autonomen Bestimmungen der Mitgliedstaaten nicht die VO geändert werden, sondern lediglich die Bekanntmachung.
3
Die Mitgliedstaaten übermitteln die Mitteilungen und etwaige Aktualisierungen in einer Ihrer Amtssprachen. Die Übersetzung wird vom Übersetzungsdienst der Kommission angefertigt. Es kann daher zu einer zeitlichen Verzögerung zwischen Erfüllung der Mitteilungspflicht und Zugang zu allen Informationen in allen Sprachfassungen kommen.
4
4 https://e-justice.europa.eu/21/DE/european_judicial_network_in_civil_and_commercial_matters (23.6.2021). 5 Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Kap. 28 Rz. 205. * Die schwedische Fassung sah im ursprünglichen Wortlaut vor, dass nach Abs. 1 lit. a das Berichtigungs- und Widerspruchsverfahren für Entscheidungen mitgeteilt wird. Da dieses aber für gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden ebenso anwendbar ist, wurde durch Berichtigung diese missverständliche Wendung gestrichen, ABl. EU 2005 L 97/64 (schwedische Ausfertigung).
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Art. 30 EG-VollstrTitelVO Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen
II. Art der Veröffentlichung 5
Die nach Abs. 1 von den Mitgliedstaaten geforderten Mitteilungen müssen nach dem Wortlaut der Norm von der Kommission zum einen im ABl. der EU veröffentlicht. Gleiches gilt für Änderungen, die die Mitgliedstaaten der Kommission mitteilen.
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Die Veröffentlichung allein im ABl. genügt aber den Anforderungen des Art. 30 EG-VollstrTitelVO nicht. Die Kommission muss alle mitgeteilten Informationen zusätzlich durch andere geeignete Mittel öffentlich zugänglich machen. Abs. 2 führt beide Veröffentlichungsalternativen ausdrücklich kumulativ an, stellt sie nicht alternativ zur Verfügung. Als anderes geeignetes Mittel ist z.B. die Einstellung in den Europäischen Gerichtsatlas oder das Europäische Justizportal anzusehen.
III. Die einzelnen Mitteilungen 7
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Im Folgenden werden die Mitteilungen abgedruckt, wie Sie von der Kommission im Juni 2021 veröffentlicht wurden, aktualisierte Fassungen können sich auf der Webseite finden.1 Soweit eine deutsche Sprachfassung von der Kommission noch nicht erstellt wurde, ist die englische, hilfsweise die französische abgedruckt. Belgien2 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Zur Einleitung eines Berichtigungs- oder Widerrufsverfahren nach Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung [Verordnung (EG) Nr. 805/2004] ist ein Antrag an den leitenden Beamten der Justizbehörde zu richten, die die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausstellte. Bezieht sich die Bestätigung auf eine öffentliche Urkunde, ist der Antrag an den Notar zu richten, der die Bestätigung ursprünglich ausgestellt hat. Beschließt der leitende Beamte oder der Notar die Berichtigung oder den Widerruf der Bestätigung, wird diese ungültig. Sobald der materielle Fehler berichtigt worden ist (im Fall eines Berichtigungsverfahrens) bzw. sobald der leitende Beamte oder der Notar zu dem Schluss gelangt, dass sämtliche Anforderungen der Verordnung erfüllt sind (im Fall eines Widerrufs), wird anstelle der vorherigen Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel eine neue Bestätigung ausgestellt. 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Nach belgischem Recht stehen einer Verfahrenspartei, die eine Überprüfung einer Entscheidung erwirken möchte, abhängig von den besonderen Umständen des jeweiligen Falls mehrere Handlungsoptionen offen: – Erstens wird in § 1051 der Zivilprozessordnung (Code judiciaire/Gerechtelijk Wetboek) bestimmt, dass innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Urteils oder in bestimmten Fällen auch innerhalb eines Monats nach der Mitteilung des Urteils gemäß Absatz 2 oder 3 von § 792 der Zivilprozessordnung Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden können. Dies gilt unabhängig davon, ob beide Parteien im Verfahren erschienen sind oder nicht. – Zweitens wird in § 1048 festgelegt, dass in Fällen, in denen ein Urteil in Abwesenheit einer der Verfahrensparteien erging, ebenfalls innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Urteils oder in bestimmten Fällen auch innerhalb eines Monats nach der Mitteilung des Urteils gemäß Absatz 2 oder 3 von § 792 der Zivilprozessordnung Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden können. – Steht gegen ein Urteil eines Zivilgerichts (oder gegen die zivilrechtlichen Aspekte der Entscheidung eines Strafgerichts in einer vor ihm anhängigen Sache) keines dieser Rechtsmittel mehr offen, kann eine Verfahrenspartei zur Erwirkung eines Widerrufs des Urteils unter bestimmten Umständen einen Antrag auf außerordentliche Überprüfung nach § 1133 der Zivilprozessordnung stellen. Dies hat innerhalb von sechs Monaten, nachdem ihr das Urteil bekannt wurde, zu erfolgen. Die vorstehend aufgeführten Fristen für Rechtsmittel, Widersprüche oder Anträge auf außerordentliche Überprüfung haben keinen Einfluss auf: – in zwingenden Bestimmungen supra- oder internationalen Rechts festgelegte Fristen; – die Bestimmung in § 50 der Zivilprozessordnung, nach der unter bestimmten, gesetzlich festgelegten Voraussetzungen eine Frist, nach der ein Anspruch verfällt, verlängert werden darf;
1 https://e-justice.europa.eu/content_european_enforcement_order-376-de.do (23.6.2021). 2 Letzte Aktualisierung: 25.10.2017.
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– die Möglichkeit der Anwendung des allgemeinen, wiederholt vom Kassationshof [Cour de Cassation] bestätigten Rechtsgrundsatzes, nach dem die für die Durchführung einer Handlung eingeräumte Frist zu Gunsten einer Partei, die durch Höhere Gewalt an der Durchführung der Handlung gehindert wurde, verlängert wird. 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung [Verordnung (EG) Nr. 805/2004] muss der Abschrift des Urteils und der Abschrift der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel eine Übersetzung der Bestätigung in die Amtssprache des Ortes, an dem die Vollstreckung betrieben wird, d.h. Niederländisch, Französisch oder Deutsch, beigefügt werden. Ein Verzeichnis der jeweils anzuwendenden Sprachen ist dem Handbuch der Empfangsstellen für Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten zu entnehmen (Europäischer Gerichtsatlas für Zivilsachen). 4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) In Belgien ist der Notar, der die öffentliche Urkunde ausfertigte, die Gegenstand des Ersuchens um Ausstellung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ist, die bestimmte Stelle nach Artikel 25 der Verordnung [Verordnung (EG) Nr. 805/2004]. Bulgarien3 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Das erstinstanzliche Gericht, das mit der Sache befasst war, kann den europäischen Vollstreckungstitel für eine unbestrittene Forderung berichtigen oder widerrufen (Artikel 619 Absatz 4 ZPO). 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Der Schuldner kann einen Antrag auf Prüfung des Urteils nach Artikel 19 der Verordnung beim Obersten Kassationshof (Върховния административен съд) stellen. Das Gericht prüft den Antrag im Einklang mit Kapitel 24 der Zivilprozessordnung (Widerruf rechtskräftiger Entscheidungen). 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Die Republik Bulgarien bestimmt die bulgarische Sprache.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Zuständige Stelle ist das Gericht, in dessen Bezirk die öffentliche Urkunde errichtet wurde (Artikel 619 Absatz 1 ZPO). Deutschland4 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) wurden folgende Vorschriften in die Zivilprozessordnung (ZPO) eingefügt: „§ 1081 Berichtigung und Widerruf (1) Ein Antrag nach Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 auf Berichtigung oder Widerruf einer gerichtlichen Bestätigung ist bei dem Gericht zu stellen, das die Bestätigung ausgestellt hat. Über den Antrag entscheidet dieses Gericht. Ein Antrag auf Berichtigung oder Widerruf einer notariellen oder behördlichen Bestätigung ist an die Stelle zu richten, die die Bestätigung ausgestellt hat. Die Notare oder Behörden leiten den Antrag unverzüglich dem Amtsgericht, in dessen Bezirk sie ihren Sitz haben, zur Entscheidung zu. (2) Der Antrag auf Widerruf durch den Schuldner ist nur binnen einer Frist von einem Monat zulässig. Ist die Bestätigung im Ausland zuzustellen, beträgt die Frist zwei Monate. Sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung der Bestätigung, jedoch frühestens mit der Zustellung des Titels, auf den sich die Bestätigung bezieht. In dem Antrag auf Widerruf sind die Gründe dazulegen, weshalb die Bestätigung eindeutig zu Unrecht erteilt worden ist. (3) § 319 Abs. 2 und 3 ist auf die Berichtigung und den Widerruf entsprechend anzuwenden.“ § 319 Abs. 2 und 3 ZPO lauten wie folgt: „§ 319 Berichtigung des Urteils (1) … (2) Der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, wird auf dem Urteil und den Ausfertigungen vermerkt. 3 Letzte Aktualisierung: 18.6.2021. 4 Letzte Aktualisierung: 17.6.2021.
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Art. 30 EG-VollstrTitelVO Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen (3) Gegen den Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung zurückgewiesen wird, findet kein Rechtsmittel, gegen den Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, findet sofortige Beschwerde statt.“
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2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Der Schuldner ist nach geltendem deutschem Zivilprozessrecht nicht nur in den in Art. 19 Abs. 1 EVT-VO genannten Ausnahmefällen, sondern generell berechtigt, eine Überprüfung der wegen fehlenden Widerspruchs bzw. Nichterscheinens ergangenen Entscheidung zu beantragen (vgl. Art. 19 Abs. 2 EVT-VO): a) Versäumnisurteile und Vollstreckungsbescheide Der Schuldner kann laut § 388 der Zivilprozessordnung (ZPO) die Aufhebung eines Versäumnisurteils beantragen. Derselbe Rechtsbehelf steht ihm gegen einen im Mahnverfahren erlassenen Vollstreckungsbescheid zu (§ 700 ZPO i.V.m. § 338 ZPO). Der Antrag wird durch Einreichung einer Einspruchsschrift bei dem Prozessgericht gestellt. Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. Ist der Antrag zulässig, so wird der Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand. Für die Zulässigkeit des Antrags kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen der Schuldner der Forderung nicht widersprochen hat bzw. in der Gerichtsverhandlung nicht erschienen ist. Sofern in den Fällen des Art. 19 Abs. 1 Buchstabe a) EVT-VO nicht nur das verfahrenseinleitende oder ein gleichwertiges Schriftstück bzw. die Ladung zur Gerichtsverhandlung nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde, sondern der Zustellungsmangel bei der Zustellung der Entscheidung fortbestand, z.B. weil die Zustellung in beiden Fällen an eine Anschrift erfolgte, unter der der Schuldner seit längerem nicht mehr wohnhaft war, gilt Folgendes: Lässt sich die formgerechte Zustellung des Versäumnisurteils oder des Vollstreckungsbescheids nicht nachweisen oder ist die Zustellung wegen Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften unwirksam, so wird der Lauf der Einspruchsfrist von zwei Wochen erst zu dem Zeitpunkt in Lauf gesetzt, in dem das Versäumnisurteil oder der Vollstreckungsbescheid dem Schuldner tatsächlich zugegangen ist. Der Schuldner hat also weiterhin die Möglichkeit, Antrag auf Urteilsaufhebung zu stellen. In den Fällen des Art. 19 Abs. 1 Buchstabe b) EVT-VO, wenn also kein Zustellungsmangel vorlag, aber der Schuldner aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden der Forderung nicht widersprechen konnte, gilt Folgendes: Sofern das Hindernis rechtzeitig vor Ablauf der Einspruchsfrist behoben ist, kann der Schuldner den normalen Rechtsbehelf einlegen, d.h. Einspruch gegen das Versäumnisurteil einlegen (s.o.). War z.B. der Schuldner wegen eines Verkehrsunfalls an dem Erscheinen in der Gerichtsverhandlung gehindert, so wird er regelmäßig in der Lage sein, innerhalb der Einspruchsfrist von zwei Wochen ab Zustellung der Entscheidung entweder selbst den Antrag zu stellen oder aber einen Bevollmächtigten hiermit zu beauftragen. Sollte das Hindernis über den Ablauf der Einspruchsfrist hinaus fortbestehen, so steht dem Schuldner die Möglichkeit des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO zur Verfügung. Die Vorschrift ist nicht auf Fälle höherer Gewalt beschränkt, sondern berechtigt immer dann zum Antrag auf Wiedereinsetzung, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, eine Notfrist (oder bestimmte andere Fristen) einzuhalten. Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden; die Frist beginnt mit dem Tage, an dem das Hindernis behoben ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Gericht, dem die Entscheidung über den Antrag auf Aufhebung des Versäumnisurteils – der ebenfalls innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist zu stellen ist – zusteht, also das Prozessgericht. Hat der Schuldner einen zulässigen Antrag auf Aufhebung des Versäumnisurteils gestellt und ist er in der daraufhin anberaumten Gerichtsverhandlung erneut säumig, so steht ihm ein weiterer Einspruch gegen das Versäumnisurteil, durch das sein Einspruch verworfen wird, nicht zu (§ 345 ZPO). Er hat jedoch in beschränktem Umfang die Möglichkeit, Berufung einzulegen: Nach § 514 Abs. 2 ZPO kann die Berufung in diesen Fällen darauf gestützt werden, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. Auf die allgemeinen Zulässigkeitsschranken für die Berufung (§ 511 Abs. 2 ZPO) kommt es nicht an. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Da es sich um eine Notfrist handelt, besteht auch hier die Möglichkeit des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO, wenn der Schuldner die Berufungsfrist schuldlos versäumt hat (s.o.). b) Entscheidung nach Aktenlage Wenn das Gericht bei einem Ausbleiben des Schuldners in der mündlichen Verhandlung kein Versäumnisurteil erlassen, sondern auf Antrag des Gläubigers eine Entscheidung nach Aktenlage getroffen hat (§ 331a Abs. 2 ZPO), so ist diese mit der Berufung anfechtbar. Der Berufung ist gemäß § 511 ZPO zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 511 Abs. 4 ZRO) im Urteil zugelassen hat. Hinsichtlich der formellen Voraussetzungen für die Berufung und die Möglichkeit des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Durch das EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz wurde folgende Vorschrift in die Zivilprozessordnung (ZPO) eingefügt: „§ 1083 Übersetzung Hat der Gläubiger nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 eine Übersetzung vorzulegen, so ist diese in deutscher Sprache zu verfassen und von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union befugten Person zu beglaubigen.“ 4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) In Deutschland kommen als öffentliche Urkunden im Sinne des Art. 25 Abs. 1 EVT-VO vollstreckbare Urkunden der Notare und Jugendämter in Betracht. Das EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz weist in einem neu in die ZPO einzufügenden § 1079 die Zuständigkeit für die Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nach Art. 25 Abs. 1 EVT-VO der Stelle zu, der die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung (vgl. § 724 ZPO) obliegt. Die Vorschrift lautet wie folgt: „§ 1079 Zuständigkeit Für die Ausstellung der Bestätigungen nach: 1. Artikel 9 Absatz 1, Artikel 24 Absatz 1, Artikel 25 Absatz 1 und 2. Artikel 6 Absatz 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (ABl. L 143, S. 15) sind die Gerichte, Behörden oder Notare zuständig, denen die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels obliegt.“ Gemäß § 797 Abs. 2 ZPO wird die vollstreckbare Ausfertigung – und damit auch die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel – einer notariellen Urkunde von dem Notar erteilt, der die Urkunde verwahrt; befindet sich die Urkunde in der Verwahrung einer Behörde, so ist diese zuständig. Im Regelfall befindet sich die Urkunde in der Verwahrung des Notars, der die Beurkundung vorgenommen hat. Gemäß § 60 Satz 3 Nr. 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe – (SGB VIII) ist das Jugendamt für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung einer Jugendamtsurkunde zuständig, dem die Beurkundung der Verpflichtungserklärung übertragen ist. Damit ist im Ergebnis das Jugendamt für die Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zuständig, das die öffentliche Urkunde errichtet hat. Das EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz stellt dies durch eine entsprechende Neufassung des § 60 Satz 3 Nr. 1 SGB VIII klar. Aus der Anknüpfung an die Zuständigkeit für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung ergibt sich, dass in Deutschland grundsätzlich jeder Notar und jedes Jugendamt für die Ausstellung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zuständig sein kann. In Deutschland gibt es ca. 8 000 Notare und mehrere hundert Jugendämter. Deren Aufzählung erscheint daher nicht für eine Liste geeignet, die im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden soll. Zudem wäre der ständige Aktualisierungsaufwand unverhältnismäßig. Die deutsche Regierung sieht daher zunächst von der Übersendung einer Liste ab und teilt stattdessen den Regelungsmechanismus des § 1079 ZPO i.V.m. § 797 Abs. 2 ZPO bzw. § 60 Satz 3 Nr. 1 SGB VIII zur Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union mit. Der Gläubiger kann anhand dieser Informationen die nach Art. 25 EVT-VO zuständige Stelle ermitteln. In den allermeisten Fällen wird zudem – wie oben dargelegt – die Stelle zuständig sein, die zuvor die öffentliche Urkunde errichtet hat.
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Estland5 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) In Estland kann eine Berichtigung oder ein Widerruf des Europäischen Vollstreckungstitels nach Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung im Rahmen des Verfahrens gemäß § 447 und § 6191 Absätze 3 und 4 der Zivilprozessordnung beantragt werden.
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2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Bei Fällen im Sinne von Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung kann in Estland § 415 der Zivilprozessordnung zur Anwendung kommen.
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Für die Zwecke des Artikels 20 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung akzeptiert Estland Bestätigungen auf Englisch oder auf Estnisch oder in diese Sprachen übersetzte Bestätigungen.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Die amtliche Stelle im Sinne von Artikel 25 der Verordnung ist das Landgericht Harju (Harju Maakohus). Finnland6 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe a Berichtigungsverfahren Im Gesetz über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (825/2005) ist das Verfahren zur Berichtigung wie folgt festgelegt: Berichtigung eines materiellen Fehlers in der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel (§ 2) Wurden in der Verordnung genannte gerichtliche Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche oder öffentliche Urkunden in der auf der Grundlage der Verordnung ausgestellten Bestätigung falsch verbrieft, so muss das Gericht, das die Bestätigung ausgestellt hat, oder eine andere amtliche Stelle die Unstimmigkeit auf Antrag berichtigen. Der Antrag auf Berichtigung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel kann unter Verwendung des Formblatts in Anhang VI gestellt werden. Die Berichtigung sollte auf der ursprünglichen Bestätigung erfolgen. Ist es nicht möglich, die Berichtigung auf der ursprünglichen Bestätigung vorzunehmen, so ist dem Gläubiger eine neue Bestätigung auszustellen. Die Berichtigung ist den Parteien, die eine Ausfertigung der Bestätigung beantragt hatten, nach Möglichkeit bekannt zu geben. Wurde in dieser Sache ein Rechtsbehelf eingelegt, so ist die Berichtigung dem Gericht der Rechtsmittelinstanz bekannt zu geben. Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe b Widerrufsverfahren Im Gesetz über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (825/2005) ist das Verfahren zum Widerruf wie folgt festgelegt: Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel (§ 3) Wurde die Bestätigung im Hinblick auf die Anforderungen der Verordnung offensichtlich zu Unrecht erteilt, so muss das Gericht, das die Bestätigung ausgestellt hat, oder eine andere amtliche Stelle die Unstimmigkeit in den in der Verordnung genannten gerichtlichen Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen oder öffentlichen Urkunden berichtigen. Der Antrag auf Widerruf einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel kann unter Verwendung des Formblatts in Anhang VI gestellt werden. Die Parteien erhalten Gelegenheit zu rechtlichem Gehör, sofern sich dies nicht zweifelsfrei erübrigt. Der Widerruf ist nach Möglichkeit auf der ursprünglichen Bestätigung zu vermerken. Der Widerruf ist den Parteien, die eine Ausfertigung der Bestätigung beantragt hatten, nach Möglichkeit bekannt zu geben. Wurde in dieser Sache ein Rechtsbehelf eingelegt, so ist der Widerruf dem Gericht der Rechtsmittelinstanz bekannt zu geben. 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Nach Artikel 12 Absatz 1 gelten die in Kapitel III der Verordnung festgelegten Mindesterfordernisse für Entscheidungen im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben b und c, die darauf beruhen, dass sich der Schuldner nicht auf das Verfahren eingelassen hat. Gemäß Artikel 12 Absatz 2 der Verordnung gilt Kapitel III der Verordnung auch für Entscheidungen, die darauf beruhen, dass sich der Schuldner nicht auf das Verfahren eingelassen hat, und die vom Rechtsmittelgericht erlassen wurden. Hat ein Gericht eine Entscheidung aufgrund der Nichteinlassung des Schuldners auf das Verfahren im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben b und c erlassen, so muss der Schuldner in den in Artikel 19 Absatz 1 genannten Fällen die Überprüfung der Entscheidung beantragen können, damit die Entscheidung als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden kann. In Finnland führt die Passivität des Schuldners vor dem Bezirksgericht (käräjäoikeus) zum Versäumnisurteil. Nach Kapitel 12 § 15 der finnischen Gerichtsverfahrensordnung (Suomen oikeudenkäymiskaari) kann die Partei, gegen die ein Versäumnisurteil ergangen ist, innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Versäumnisurteils an die Beschwerdeführerin Rechtsmittel einlegen. Für die Anwendung dieser Bestimmung auf Rechtsmittel ist es unerheblich, wann dem Schuldner das Versäumnisurteil zugestellt wurde. Die gesetzliche Rechtsmittelfrist beginnt erst zu laufen, wenn dem Schuldner das Versäumnisurteil zugestellt wurde. Diese Bestimmung ist weniger streng als die in Artikel 19 der Verordnung festgelegten Mindestvorschriften. Darüber hinaus gelten die Bestimmungen des Kapitels 31 der Gerichtsverfahrensordnung über außerordentliche Rechtsmittel auch für Versäumnisurteile. Dazu gehören Beschwerden aufgrund eines Verfahrensfehlers (Kapitel 31 § 1) und die Aufhebung eines rechtskräftigen Urteils (Kapitel 31 § 7). Kapitel 31 § 17 der Gerichtsverfahrensordnung enthält eine gesonderte Bestimmung über die Gewährung einer neuen Frist.
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel kann in finnischer, schwedischer oder englischer Sprache bzw. Übersetzung vorgelegt werden. 4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) In Finnland handelt es sich bei öffentlichen Urkunden im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung um Unterhaltsvereinbarungen, die von den kommunalen Sozialausschüssen vollstreckt und somit bestätigt werden. Der kommunale Sozialausschuss, die die Unterhaltsvereinbarung vollstreckt, vollstreckt sie auch als Europäischen Vollstreckungstitel. Ein Verzeichnis der Gemeinden Finnlands ist in elektronischem Format auf der vom Justizministerium unterhaltenen Webseite https://oikeus.fi/fi abrufbar. Die Kontaktdaten der Gemeinden sind auch der Website http://www. kunnat.net zu entnehmen. Frankreich7 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Im Falle eines sachlichen Fehlers ist der Antrag auf Berichtigung bzw. im Falle einer ungerechtfertigten Ausstellung der Antrag auf Widerruf des Vollstreckungstitels nach Artikel 10 Absatz 2 beim leitenden Urkundsbeamten des Gerichts zu stellen, das den Vollstreckungstitel ausgefertigt hat. Die Entscheidung, den Antrag auf Berichtigung oder Widerruf abzuweisen, kann mit Rechtsbehelf beim Präsidenten des Gerichts angefochten werden.
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2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Das Überprüfungsverfahren nach Artikel 19 ist das ordentliche Verfahren in Bezug auf Entscheidungen des Gerichts, das den ursprünglichen Vollstreckungstitel ausgefertigt hat.
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Zugelassene Sprachen für die Aufnahme der bei den französischen Vollstreckungsbehörden eingereichten Europäischen Vollstreckungstiteln sind Französisch, Englisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Stellen im Sinne von Artikel 25 sind der Notar oder das Notariat, bei denen die Urschrift des Titels verwahrt ist. Griechenland8 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Erging im Zusammenhang mit einer gerichtlichen Entscheidung ein Europäischer Vollstreckungstitel, richtet sich das Verfahren zur Berichtigung oder zum Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nach Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004. Dasselbe Verfahren gilt auch für Vollstreckungstitel in Bezug auf gerichtliche Vergleiche (Artikel 24 Absatz 3 der Verordnung) und in Bezug auf öffentliche Urkunden (Artikel 25 Absatz 3). In Griechenland finden hierauf und auch auf die Frage der Zuständigkeit die Bestimmungen des Artikels 933 der griechischen Zivilprozessordnung Anwendung, der die Erhebung von Einwendungen und Einreden gegen die Rechtsgültigkeit eines Vollstreckungstitels regelt. Gegen die Berichtigung oder den Widerruf derartiger Vollstreckungstitel ist jedoch kein Rechtsbehelf möglich, da Artikel 10 Absatz 4 der Verordnung analog anwendbar ist und gemäß Artikel 24 Absatz 3 sowie Artikel 25 Absatz 3 ebenso auch auf gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden Anwendung findet. 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Soll eine gerichtliche Entscheidung, die als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt wurde, überprüft werden, weil der Schuldner aufgrund verspäteter Ladung oder höherer Gewalt, d.h. aufgrund außergewöhnlicher Umstände, die er nicht zu vertreten hat, nicht widersprechen konnte, ist ebenso zu verfahren wie beim Erlass der betreffenden Gerichtsentscheidung durch das Ursprungsgericht. Konkret handelt es sich dabei um das nach der Zivilprozessordnung (Artikel 495 und Artikel 501 ff.) für den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil geltende Verfahren. 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Der Antrag auf Ausstellung der Bestätigung einer in einem Mitgliedstaat vollstreckbaren öffentlichen Urkunde als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß Artikel 25 Absatz 1 der Verordnung wird in griechischer und daneben auch in englischer Sprache angenommen. 7 Letzte Aktualisierung: 13.5.2019. 8 Letzte Aktualisierung: 19.4.2021.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Die Stelle, die eine öffentliche Urkunde im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung in Verbindung mit Artikel 904 Absatz 2 Buchstaben d) und g) der griechischen Zivilprozessordnung als Europäischen Vollstreckungstitel bestätigen darf, ist die Person, die nach griechischem Recht befugt ist, die vollstreckbare Urkunde auszufertigen. Bei notariellen Urkunden wäre dies der Notar, der die Urkunde ausgefertigt hat. Für Urkunden, die nach dem Gesetz vollstreckbar sind, aber nicht von einem Richter ausgestellt werden, ist die zuständige Stelle wie bei notariellen Urkunden die Person, die sie ausgefertigt hat. Irland9 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Superior Courts Order 42B Rule 9 provides that: „9. (1) An application under Article 10(1) of Regulation No. 805/2004 for the rectification or the withdrawal of a European Enforcement Order certificate shall be made to the court which certified the domestic judgment concerned as a European Enforcement Order or, where the Master so certified the domestic judgment, to the Master. Before making such application, the moving party shall complete the form of application in Annex VI to Regulation No. 1869/2005 and shall deliver such completed form of application to the Central Office, or (where the Supreme Court is the court of origin) to the Office of the Registrar of the Supreme Court, which shall assign a return date to such application. The moving party shall serve a copy of such completed form of application on the judgment creditor or (as the case may be) the judgment debtor, together with a copy of any affidavit sworn by or on behalf of the moving party to ground the application. Where rectification is sought, there shall be exhibited to any grounding affidavit in any such application a copy of the form of European Enforcement Order certificate previously issued, marked with the rectification sought, and the contents of such marked certificate shall be verified in the grounding affidavit. A notice of application in the said form shall be treated for all purposes as if it were a motion to the court or (as the case may be) to the Master. (2) Where, on any application under this rule, it is determined that the European Enforcement Order certificate in respect of the domestic judgment concerned ought be rectified or withdrawn, the person on whose application the domestic judgment concerned was certified as a European Enforcement Order shall within seven days of such determination lodge the original European Enforcement Order certificate in respect of the domestic judgment concerned in the Central Office or (where the Supreme Court certified the domestic judgment concerned as a European Enforcement Order) the Office of the Registrar of the Supreme Court. In the case of rectification, a Registrar of the High Court or (as the case may be) the Registrar of the Supreme Court shall rectify such certificate, resign, re-seal and subject to any direction made in that regard, re-issue such rectified certificate to the person on whose application the domestic judgment concerned was certified as a European Enforcement Order. In the case of withdrawal such Registrar shall cancel such certificate. (3) Where the person on whose application the domestic judgment concerned was certified as a European Enforcement Order fails in accordance with sub-rule (2) to lodge the original European Enforcement Order certificate within seven days of a determination, the Registrar concerned shall, at the request of the applicant, provide to the applicant a certificate under the seal of the court certifying the fact that the European Enforcement Order certificate has been rectified or (as the case may be) withdrawn. Such certificate shall be in the in the Form No. 2 in Appendix F, Part IV.“ Circuit Court Order 35A Rule 7 provides that: „7. (1) An application under Article 10(1) of Regulation No. 805/2004 for the rectification or the withdrawal of a European Enforcement Order certificate shall be made to the Court which certified the domestic judgment concerned as a European Enforcement Order or, where the County Registrar so certified the domestic judgment, to the County Registrar. Before making such application, the moving party shall complete the form of application in Annex VI to Regulation No. 1869/2005 and shall deliver such completed form of application to the Office which shall assign a return date to such application. The moving party shall serve a copy of such completed form of application on the judgment creditor or (as the case may be) the judgment debtor, together with a copy of any affidavit sworn by or on behalf of the moving party to ground the application. Where rectification is sought, there shall be exhibited to any grounding affidavit in any such application a copy of the form of European Enforcement Order certificate previously issued, marked with the rectification sought, and the contents of such marked certificate shall be verified in the grounding affidavit. A notice of application in the said form shall be treated for all purposes as if it were a motion to the Court or (as the case may be) to the County Registrar and the provisions of Order 64 of these Rules shall apply to any such application. (2) Where, on any application under this rule, it is determined that the European Enforcement Order certificate in respect of the domestic judgment concerned ought be rectified or withdrawn, the person on whose application
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the domestic judgment concerned was certified as a European Enforcement Order shall within seven days of such determination lodge the original European Enforcement Order certificate in respect of the domestic judgment concerned in the Office. In the case of rectification, the County Registrar shall rectify such certificate, re-sign, reseal and subject to any direction made in that regard, re-issue such rectified certificate to the person on whose application the domestic judgment concerned was certified as a European Enforcement Order. In the case of withdrawal, the County Registrar shall cancel such certificate. (3) Where the person on whose application the domestic judgment concerned was certified as a European Enforcement Order fails in accordance with sub-rule (2) to lodge the original European Enforcement Order certificate within seven days of a determination, the County Registrar shall, at the request of the applicant, provide to the applicant a certificate under the seal of the Court certifying the fact that the European Enforcement Order certificate has been rectified or (as the case may be) withdrawn. Such certificate shall be in the in the Form No. 19B of the Schedule of Forms annexed hereto.“ Furthermore, Circuit Court Amendment to Order 18 Rule 3 provides that: „9. Save in the case of a European Enforcement Order certificate issued by the County Registar in accordance with Order 35A, any party dissatisfied with any certificate, ruling or decision of the County Registrar, may, within ten days from the date of such certificate, ruling or decision, apply to the Judge by motion on notice to review such certificate, ruling or decision, and the Judge may thereupon make such order as he shall think fit.“ District Court Order 53B Rule 9 provides that: „9. (1) An application under Article 10(1) of Regulation No. 805/2004 for the rectification or the withdrawal of a European Enforcement Order certificate shall be made to the Court which certified the domestic judgment concerned as a European Enforcement Order. Before making such application, the moving party shall complete the Form of application in Annex VI to Regulation No. 1869/2005, which is reproduced at Form No. 53B.6, Schedule C, and shall deliver such completed form of application to the Clerk. The moving party shall serve a copy of such completed form of application on the judgment creditor or (as the case may be) the judgment debtor, together with a copy of any affidavit sworn by or on behalf of the moving party and intended to be used in the application. Where rectification is sought, there shall be exhibited to any grounding affidavit in any such application a copy of the form of European Enforcement Order certificate previously issued, marked with the rectification sought, and the contents of such marked certificate shall be verified in the grounding affidavit. (2) Where, on any application under this rule, it is determined that the European Enforcement Order certificate in respect of the domestic judgment concerned ought be rectified or withdrawn, the person on whose application the domestic judgment concerned was certified as a European Enforcement Order shall within seven days of such determination lodge the original European Enforcement Order certificate in respect of the domestic judgment concerned with the Clerk. In the case of rectification, the person who applied for rectification shall lodge with the Clerk a draft rectified certificate. The Clerk shall, in such case, produce the rectified certificate to the Judge to be re-signed, and subject to any direction made by the Judge in that regard, issue the rectified certificate to the person on whose application the domestic judgment concerned was certified as a European Enforcement Order. In the case of withdrawal, the Clerk shall produce the certificate to the Judge to be cancelled. (3) Where the person on whose application the domestic judgment concerned was certified as a European Enforcement Order fails in accordance with sub-rule (2) of this rule to lodge the original European Enforcement Order certificate in respect of the domestic judgment concerned with the Clerk within seven days of a determination, the Clerk shall, at the request of the applicant, provide to the applicant a certificate in the Form 53B.7, Schedule C, signed by the Judge certifying the fact that the European Enforcement Order certificate has been rectified or (as the case may be) withdrawn.“ 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Superior Courts: Verfahrensordnung 13, Regel 11 bestimmt: „Wurde ein abschließendes Urteil gemäß einer der vorstehenden Vorschriften dieser Verfahrensordnung erlassen, so kann das Gericht ein solches Urteil aus Gründen, die ihm recht und billig erscheinen, abändern oder aufheben“. Darüber hinaus bestimmt Verfahrensordnung 27, Regel 14 für Superior Courts: „Jedes Versäumnisurteil, das nach dieser Verfahrensordnung oder einer anderen gesetzlichen Regelung erlassen wurde, kann vom Gericht in Bezug auf die Kosten oder einen anderen nach Auffassung des Gerichts tauglichen Aspekt aufgehoben werden …“. Circuit Court: Verfahrensordnung 30 bestimmt: „Jede Partei, gegen die ein Urteil wegen Nichterscheinens oder fehlender Einlassung ergangen ist, kann (…) schriftlich beantragen, (…) dass die genannte Gerichtsentscheidung abgeändert oder aufgehoben wird.“ Die Verfahrensordnung bestimmt weiter: „Das Gericht kann (…) die betreffende Gerichtsentscheidung abändern oder aufheben (…)“. District Court: Verfahrensordnung 45, Regel 3 bestimmt: „Eine Partei, gegen die eine gerichtliche Entscheidung erwirkt wurde (…) kann beantragen, dass die genannte gerichtliche Entscheidung abgeändert oder aufgehoben wird (…)“. Die Verfahrensordnung bestimmt weiter: „Das Gericht kann … dem Antrag auf Abänderung oder Aufhebung der gerichtlichen Entscheidung stattgeben oder ihn ablehnen …“
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Derzeit akzeptiert Irland nur Bestätigungen als Europäischer Vollstreckungstitel, die auf Irisch oder Englisch ausgestellt sind.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Öffentliche Urkunden sind im irischen Rechtssystem nicht bekannt, und somit stellt sich auch nicht die Frage der Bestimmung einer geeigneten amtlichen Stelle.
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Italien10 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Das in Artikel 10 Absatz 2 genannte Verfahren zur Berichtigung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel besteht laut den italienischen Rechtsvorschriften in der Berichtigung materieller Fehler. Die maßgeblichen Bestimmungen finden sich in §§ 287 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO). Das in Artikel 10 Absatz 2 genannte Verfahren zum Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel besteht laut den italienischen Rechtsvorschriften im Widerruf durch ein Kammergericht. Die maßgeblichen Bestimmungen finden sich in §§ 737 ff. der Zivilprozessordnung. Eingeleitet wird der Widerruf durch ein Beschwerdeverfahren; er endet mit einer begründeten Anordnung des Kammergerichts. Es besteht die Möglichkeit einer Gerichtsverhandlung. 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Nach den italienischen Rechtsvorschriften besteht das in Artikel 19 Absatz 1 genannte Überprüfungsverfahren zum einen aus dem ordentlichen Rechtsbehelf (Rechtsbehelf und auf einen rechtlichen Gesichtspunkt gestützter Rechtsbehelf nach §§ 323 ff. ZPO (ricorso per cassazione)) und zum anderen aus dem außerordentlichen Rechtsbehelf (§ 395 ZPO). 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Die nach Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c zugelassene Sprache ist Italienisch. 4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Amtliche Stelle gemäß Artikel 25, die zur Ausstellung von Bescheinigungen über öffentliche Urkunden bestellt ist, ist das zuständige Gericht [Tribunale]. Kroatien11 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Ein Antrag auf Berichtigung oder Widerruf einer gerichtlichen Bestätigung ist zu stellen: – bei dem Gericht, das die Bestätigung ausgestellt hat. Ein Antrag auf Berichtigung oder Widerruf einer amtlichen Urkunde, die vom Notar, einer Verwaltungsbehörde oder einer natürlichen oder juristischen Person mit öffentlichen Vollmachten ausgestellt wurde, ist zu richten an: – die Stelle oder die Person, die die Urkunde ausgestellt hat, die verpflichtet ist, den Antrag anschließend an das für den Wohnsitz/Aufenthaltsort zuständige Amtsgericht weiterzuleiten, damit dieses einen rechtskräftigen Beschluss fassen kann. 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Im Einklang mit Artikel 19 Absatz 1 der Verordnung sind die Überprüfungsverfahren in der Republik Kroatien in Übereinstimmung mit der kroatischen Zivilprozessordnung (Zakon o parnicˇnom postupku) – (Kroatisches Amtsblatt (Narodne novine) Nr. 53/91, 91/92, 112/99, 88/01, 117/03, 88/05, 2/07, 84/08, 96/08, 123/08, 57/11 und 148/11 – konsolidierte Fassung, 25/13 und 89/14 – Entscheidung des Verfassungsgerichts der Republik Kroatiens). Es handelt sich um folgende Verfahren: – Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Artikel 117 -122a der Zivilprozessordnung). Der Antrag ist innerhalb einer Frist von 8 Tagen ab dem Tag zu stellen, an dem die Partei vom dem Grund für die Fristüberschreitung Kenntnis erlangt hat. Falls die Partei von der Fristüberschreitung zu einem späteren Zeitpunkt erfahren hat, läuft die oben genannte Frist ab dem Tag, an dem der Grund für die Fristüberschreitung bekannt wird. Nach Ablauf von 2 Monaten (Verfahren vor Amtsgerichten) bzw. von 30 Tagen (Verfahren bei Handelsgerichten) seit dem Tag der Fristüberschreitung können Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht mehr gestellt werden. 10 Letzte Aktualisierung: 22.3.2021. 11 Letzte Aktualisierung: 11.6.2020.
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Kap. VIII: Allgemeine und Schlussbestimmungen
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– Wiederaufnahme (Artikel 421 - 432 der Zivilprozessordnung). Der Antrag auf Wiederaufnahme eines Verfahrens ist innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab dem Tag zu stellen, an dem die Partei von den Umständen Kenntnis erlangt hat, auf deren Grundlage sie den Antrag auf Wiederaufnahme stellt, bzw. ab dem Tag, an dem ihr das Gerichtsurteil zugestellt wurde. 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Kroatisch. Die Übersetzung ins Kroatische muss von einem in einem der EU-Mitgliedstaaten beeidigten Übersetzer beglaubigt werden.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Zuständige Gerichte, Verwaltungsbehörden, Notare, natürliche oder juristische Personen mit öffentlichen Vollmachten, die nach dem geltendem nationalen Recht für die Ausstellung von Vollstreckungstiteln bzw. Vollstreckungstiteln für unbestrittene Forderungen zugelassen sind.
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Lettland12 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Lettland teilt mit, dass zur Durchführung des Artikels 10 Absatz 2 der Verordnung – Verfahren zur Berichtigung und zum Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel – entsprechende Vorschriften in Artikel 543.1 und 545.1 der lettischen Zivilprozessordnung aufgenommen worden sind. „Artikel 5431. Berichtigung von Fehlern in Vollstreckungsbestätigungen und -bescheinigungen der Europäischen Union (1) Das Gericht, das ein Urteil oder eine Entscheidung erlassen hat, kann auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten Fehler in der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 805/ 2004 des Europäischen Parlaments und des Rates oder Fehler in einer Bescheinigung nach Artikel 41 Absatz 1 oder Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates oder Fehler in einer Bescheinigung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates auf der Grundlage von Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 berichtigen. Das Gericht kann Fehler in einer Bescheinigung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates auch von Amts wegen berichtigen. (2) Anträge auf Berichtigung von Fehlern in einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel sind unter Verwendung des in Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates genannten Formblatts zu stellen. (3) Die Fehlerberichtigung wird in einer Gerichtsverhandlung geprüft, von der die Beteiligten im Voraus benachrichtigt werden. Nehmen die Beteiligten an dieser Verhandlung nicht teil, so steht dies der Überprüfung nicht entgegen. (4) Alle Fehler in den in Absatz 1 genannten Bestätigungen und Bescheinigungen werden im Wege einer gerichtlichen Entscheidung berichtigt. (5) Gegen eine gerichtliche Entscheidung zur Berichtigung eines Fehlers in einer Vollstreckungsbestätigung oder -bescheinigung kann Beschwerde erhoben werden. Artikel 5451. Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel und der Bescheinigung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (1) Auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten unter Verwendung des Formblatts gemäß Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates kann das Gericht, das das Urteil oder die Entscheidung erlassen hat, die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nach Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates widerrufen. (11) Auf Antrag eines Beteiligten unter Vorlage der Bescheinigung gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 606/2013des Europäischen Parlaments und des Rates oder von Amts wegen kann das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, eine Bescheinigung im Sinne des Artikels 5 der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates auf der Grundlage von Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates widerrufen. (2) Ein Antrag auf Widerruf einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel oder einer Bescheinigung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates wird in einer Gerichtsverhandlung geprüft, von der die Beteiligten im Voraus benachrichtigt werden. Nehmen die Beteiligten an dieser Verhandlung nicht teil, so steht dies der Überprüfung nicht entgegen. (3) Gegen die gerichtliche Entscheidung kann Beschwerde erhoben werden.“
12 Letzte Aktualisierung: 16.4.2021.
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2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Lettland hat zur Durchführung des Artikels 19 Absatz 1 der Verordnung keine zusätzlichen Rechtsvorschriften eingeführt, da die lettische Zivilprozessordnung diesem Artikel bereits entspricht. „Artikel 51. Wiederherstellung von Verfahrensfristen (1) Auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten kann das Gericht versäumte Verfahrensfristen wiederherstellen, sofern es die Versäumnisgründe als gerechtfertigt erachtet. (2) Mit der Wiederherstellung einer versäumten Verfahrensfrist gestattet das Gericht auch die Durchführung der verspäteten Verfahrenshandlung. Artikel 52. Verlängerung von Verfahrensfristen Die von einem Gericht oder Richter festgesetzte Frist kann auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten verlängert werden. Artikel 53. Verfahren zur Verlängerung oder Wiederherstellung von Verfahrensfristen (1) Der Antrag auf Fristverlängerung oder auf Wiederherstellung einer versäumten Verfahrensfrist wird bei dem Gericht gestellt, bei dem die verspätete Verfahrenshandlung hätte stattfinden sollen; der Antrag wird im schriftlichen Verfahren geprüft. Vor Prüfung des Antrags im schriftlichen Verfahren werden die Verfahrensbeteiligten benachrichtigt und erhalten einen Antrag zugeschickt, mit dem sie eine Fristverlängerung oder die Wiederherstellung einer versäumten Frist beantragen können. (2) Dem Antrag auf Wiederherstellung einer Verfahrensfrist sind die für die Vornahme der Verfahrenshandlung erforderlichen Unterlagen sowie die Gründe für die Fristwiederherstellung beizufügen. (3) Eine von einem Richter festgesetzte Frist darf von einem Einzelrichter verlängert werden. (4) Gegen die Entscheidung eines Gerichts oder Richters auf Ablehnung eines Antrags auf Verlängerung oder Wiederherstellung einer Verfahrensfrist kann Beschwerde erhoben werden.“
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Gemäß Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung bestimmt Lettland Lettisch als zulässige Sprache für die Entgegennahme und Ausstellung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Lettland hat für die Bestätigung von öffentlichen Urkunden nach Artikel 25 der Verordnung keine Behörden bestimmt.
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Litauen13 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Nach Maßgabe von Artikel 30 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (nachstehend „die Verordnung“) übermittelt das Justizministerium der Republik Litauen hiermit die geforderten Angaben zu den Rechtsbehelfen, zugelassenen Sprachen und amtlichen Stellen. Beigefügt ist auch der Wortlaut des einschlägigen Gesetzes der Republik Litauen zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (Amtsblatt Nr. 58 vom 7.5.2005) – (nachstehend kurz „Gesetz“) – und die Zivilprozessordnung der Republik Litauen (Amtsblatt Nr. 36-1340 vom 6.4.2002; Amtsblatt Nr. 42 vom 24.4.2002) – („Prozessordnung“). Das Gericht, das die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausgestellt hat, kann sie auf Antrag einer berechtigten Partei berichtigen (Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a) der Verordnung, Artikel 5 Absatz 1 des Gesetzes und Artikel 648 Absatz 6 der Prozessordnung). Eine für eine öffentliche Urkunde ausgestellte Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel kann von dem Bezirksgericht am Amtssitz des Notars berichtigt werden, der die vollstreckbare Ausfertigung der öffentlichen Urkunde erstellt hat. Für den Antrag auf Berichtigung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel fällt keine Stempelgebühr an. Das Gericht, das die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausgestellt hat, kann diese durch gerichtliche Verfügung (gemäß Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b) der Verordnung und Artikel 5 Absatz 2 des Gesetzes) widerrufen. Eine für eine öffentliche Urkunde ausgestellte Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel kann von dem Bezirksgericht am Amtssitz des Notars widerrufen werden, der die vollstreckbare Ausfertigung für die öffentliche Urkunde erstellt hat. Bei einem Antrag auf Widerruf einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel fällt keine Stempelgebühr an.
13 Letzte Aktualisierung: 21.10.2019.
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Kap. VIII: Allgemeine und Schlussbestimmungen
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Artikel 5 des Gesetzes hat folgenden Wortlaut: „Artikel 5: Berichtigung oder Widerruf einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel 1. Stimmt die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel aufgrund eines Schreibfehlers oder eines anderweitigen Fehlers nicht mit der gerichtlichen Entscheidung oder der öffentlichen Urkunde überein, so finden zu Zwecken der Berichtigung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel die Bestimmungen des Artikels 648 Absatz 6 der Zivilprozessordnung der Republik Litauen analoge Anwendung. 2. Das Gericht, das die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausgestellt hat, erlässt oder unterlässt, je nachdem, ob die in Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b) genannten Voraussetzungen erfüllt sind, durch gerichtliche Verfügung den Widerruf dieser Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel. 3. Bei Geltendmachung einer in diesem Artikel genannten Rechtsbehelfe wird keine Stempelgebühr erhoben. 4. Die Bestimmungen dieses Artikels finden auch in den Fällen Anwendung, in denen das Bezirksgericht am Amtssitz des Notars, der die vollstreckbare Ausfertigung erstellt hat, angerufen wird, um eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zu berichtigen oder zu widerrufen, die gemäß dem Verfahren nach Artikel 4 Absatz 2 dieses Gesetzes ausgestellt wurde.“ Artikel 648 Absatz 6 der Prozessordnung hat folgenden Wortlaut: „Ist bei der Ausfertigung einer vollstreckbaren Urkunde ein Schreibfehler oder ein anderweitiger Fehler unterlaufen, so berichtigt die ausfertigende amtliche Stelle diese Urkunde auf Antrag der berechtigten Partei.“ 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Beigefügt ist der Wortlaut des betreffenden Gesetzes der Republik Litauen zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (Amtsblatt Nr. 58 vom 7. May 2005) – (nachstehend kurz „Gesetz“) – und die Zivilprozessordnung der Republik Litauen (Amtsblatt Nr. 36-1340 vom 6.4.2002; Amtsblatt Nr. 42 vom 24.4.2002) – („Prozessordnung“). Ein Versäumnisurteil kann auf einen begründeten Antrag der bei der mündlichen Verhandlung nicht erschienenen Partei hin, der binnen einer Frist von 20 Tagen ab dem Zeitpunkt des Erlasses des Versäumnisurteils gestellt wird, überprüft werden (diese 20-tägige Frist kann gemäß Artikel 78 der Prozessordnung für Personen verlängert werden, die sie aus vom Gericht anerkannten zwingenden Gründen nicht einhalten können). Nach Eingang des Antrags übermittelt das Gericht diesen Antrag zusammen mit den Kopien seiner Anhänge den Parteien und betroffenen Dritten und klärt sie darüber auf, dass die Parteien aufgefordert und die Dritten berechtigt sind, ihre schriftlichen Anmerkungen binnen einer Frist von 14 Tagen abzugeben. Das Gericht prüft den Antrag im schriftlichen Verfahren innerhalb von 14 Tagen nach Ablauf der Frist für die Abgabe der schriftlichen Anmerkungen. Gelangt das Gericht nach Prüfung des Antrags zu der Auffassung, dass die Partei bei der mündlichen Verhandlung aus zwingenden Gründen nicht erschienen ist, über die sie das Gericht auch nicht rechtzeitig unterrichten konnte, und bezieht sich der Antrag auf Beweismittel, welche die Rechtmäßigkeit und Rechtsgültigkeit des Versäumnisurteils berühren, so zieht das Gericht das Versäumnisurteil zurück und überprüft die Rechtssache von neuem. Wird die Rechtssache in einem Urkundenprozess (Kapitel XXII der Prozessordnung) geprüft, so kann das Gericht, sofern dies aus zwingenden Gründen gerechtfertigt ist, die Frist des Beklagten zum Vorbringen von Einreden nach Artikel 430 Absatz 5 der Prozessordnung verlängern; in den Fällen, in denen die Rechtssache nach den Vorschriften von Kapitel XXIII der Prozessordnung (spezifische Merkmale einer Rechtssache bezüglich des Erlasses einer gerichtlichen Verfügung) geprüft wird, kann das Gericht die Frist des Beklagten zum Vorbringen von Einreden in Bezug auf eine Forderung des Gläubigers bei Vorliegen zwingender Gründe gemäß Artikel 439 Absatz 2 der Prozessordnung verlängern. Artikel 287 der Prozessordnung lautet: „1. Einer zur mündlichen Verhandlung des Gerichts nicht erschienenen Partei steht das Recht zu, einen Antrag auf Überprüfung des Versäumnisurteils bei dem Gericht, welches das Versäumnisurteil erlassen hat, binnen einer Frist von 20 Tagen ab dem Zeitpunkt des Erlasses des Versäumnisurteils zu stellen. 2. Ein solcher Antrag muss folgende Angaben enthalten: 1) die Bezeichnung des Gerichts, welches das Versäumnisurteil erlassen hat; 2) die Bezeichnung des Antragstellers; 3) die Umstände, die zum Nichterscheinen des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung des Gerichts und zum Unterlassen der Unterrichtung des Gerichts über die zwingenden Gründe für das Nichterscheinen in der mündlichen Verhandlung geführt haben, einschließlich aller Beweismittel für das Vorliegen dieser Umstände; 4) die Umstände, welche die Rechtmäßigkeit und Rechtsgültigkeit des Urteils berühren können, einschließlich aller Beweismittel für das Vorliegen dieser Umstände; 5) die Einzelheiten des Rechtsbegehrens des Antragstellers;
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Art. 30 EG-VollstrTitelVO Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen 6) eine als Anhang beigefügte Liste aller urkundlichen Belege; 7) die Unterschrift des Antragstellers und das Datum der Antragstellung. 3. Dem Gericht sind so viele Kopien der Anträge samt Anlagen vorzulegen wie Parteien und Dritte beteiligt sind. 4. Fehler bei der Antragstellung sind nach dem Verfahren zur Heilung von Mängeln bei der Geltendmachung von Forderungen zu beheben. 5. Werden in derselben Rechtssache Rechtsmittel und Anträge zur Überprüfung eines Versäumnisurteils eingelegt, so werden die Anträge auf Überprüfung des Versäumnisurteils und aller in Bezug auf dieses Versäumnisurteil erlassenen gerichtlichen Verfügungen zuerst geprüft.“ Artikel 430 Absatz 5 der Prozessordnung lautet: „Werden Einreden nach Ablauf der 20-tägigen Frist erhoben oder erfüllen sie nicht die Anforderungen nach Absatz 1 dieses Artikels, so verwirft das Gericht ihre Annahme. Gegen einen Gerichtsbeschluss, mit dem das Gericht die Annahme einer Einrede verwirft, kann wiederum Beschwerde eingelegt werden. Kann der Beklagte die Antragsfrist aus zwingenden Gründen nicht einhalten, so kann das Gericht diese Frist auf Antrag verlängern.“ Artikel 439 Absatz 2 der Prozessordnung lautet: „Die Einreden des Schuldners gegen die Forderung eines Gläubigers sind binnen einer Frist von 20 Tagen ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Gerichtsbeschlusses an den Schuldner schriftlich zu erheben. Die Einreden müssen die allgemeinen Anforderungen an Inhalt und Form von Prozessunterlagen erfüllen, mit Ausnahme des Erfordernisses der Angabe von Gründen. Erhebt der Schuldner seine Einrede aus zwingenden Gründen erst nach Ablauf der in diesem Absatz genannten Frist, so kann das Gericht auf Antrag des Schuldners diese Frist zur Geltendmachung von Einreden verlängern. Gegen einen Gerichtsbeschluss, mit dem die Annahme eines derartigen Antrags des Schuldners verworfen wird, findet das besondere Rechtsmittel der Beschwerde statt.“ Artikel 78 Absatz 1 der Prozessordnung lautet: „Personen, die eine gesetzliche oder eine von einem Gericht auferlegte Frist aus Gründen versäumt haben, die das Gericht als zwingend anerkennt, kann eine Fristverlängerung gewährt werden.“
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Gemäß Artikel 2 Absatz 4 des Gesetzes [Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (Amtsblatt Nr. 58 vom 7.5.2005)] ist für die Zwecke von Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c) der Verordnung die litauische Sprache zu benutzen. Artikel 2 Absatz 4 des Gesetzes [Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (Amtsblatt Nr. 58 vom 7.5.2005)] lautet: „Der Europäische Vollstreckungstitel oder eine Ausfertigung davon sind zu Zwecken der Vollstreckung in der Republik Litauen ins Litauische zu übersetzen und ohne Anwendung der Vorschriften von Abschnitt 7 des Kapitels LX der Zivilprozessordnung der Republik Litauen zu vollstrecken.“ 4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Gemäß Artikel 4 Absatz 2 des Gesetzes[Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (Amtsblatt Nr. 58 vom 7.5.2005)] sind die amtlichen Stellen, auf die in Artikel 25 der Verordnung Bezug genommen wird, d.h. die amtlichen Stellen, die zur Ausfertigung eines Europäischen Vollstreckungstitels für eine öffentliche Urkunde bestellt sind, die Notariate. Artikel 4 Absatz 2 des Gesetzes[Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (Amtsblatt Nr. 58 vom 7.5.2005)] lautet: „Auf Antrag des Gläubigers wird ein Europäischer Vollstreckungstitel für eine öffentliche Urkunde gemäß Absatz 1 dieses Artikels von dem Notar ausgefertigt, der die öffentliche Urkunde abgefasst hat. Die Ausfertigung des Europäischen Vollstreckungstitels durch den Notar erfolgt spätestens am 5. Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem ihm der Antrag auf Ausstellung des Europäischen Vollstreckungstitels zugegangen ist.“ Luxemburg14 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) La rectification et le retrait de certificats au sens de l’article 10, paragraphe 2, du règlement (CE) n° 805/2004 s’effectuent par l’introduction d’une demande expresse au greffe de la juridiction d’origine au moyen du formulaire type figurant à l’annexe VI du règlement, conformément aux pratiques administratives.
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2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) La procédure de réexamen de la décision visée à l’article 19, paragraphe 1, du règlement est conforme aux règles énoncées dans le nouveau code de procédure civile pour les voies de recours ordinaires et extraordinaires en matière civile et commerciale. 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Le Luxembourg accepte l’allemand et le français dans le cadre des procédures du règlement (CE) n° 805/2004.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Le Luxembourg déclare que les autorités visées à l’article 25 du règlement (CE) n° 805/2004 sont les notaires nommés par arrêté grand-ducal pour exercer la charge de notaire au grand-duché de Luxembourg. Conformément à l’article 25, paragraphe 1, les notaires qui ont rédigé l’acte authentique relatif à une créance exécutoire ont la faculté de délivrer l’attestation certifiant la qualité de titre exécutoire européen en utilisant le formulaire type figurant à l’annexe III du règlement (CE) n° 805/2004. Malta15 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Die Angaben sind derzeit nur in maltesisch verfügbar; eine deutsche, englische oder französische Übersetzung fehlt noch.
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2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Die Angaben sind derzeit nur in maltesisch verfügbar; eine deutsche, englische oder französische Übersetzung fehlt noch.
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Die Angaben sind derzeit nur in maltesisch verfügbar; eine deutsche, englische oder französische Übersetzung fehlt noch.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Die Angaben sind derzeit nur in maltesisch verfügbar; eine deutsche, englische oder französische Übersetzung fehlt noch.
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Niederlande16 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) 1.1 Berichtigungsverfahren Eine Berichtigung kann unter Verwendung des Formblatts in Anhang VI der Verordnung bei dem Gericht beantragt werden, das die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausgestellt hat. Das diesbezügliche Verfahren ist in Artikel 4 des Durchführungsgesetzes geregelt; es handelt sich dabei um ein vereinfachtes Antragsverfahren, bei dem neben den Bestimmungen des genannten Artikels des Durchführungsgesetzes die Artikel 261 ff. der niederländischen Zivilprozessordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering) Anwendung finden. Für Berufungs- und Kassationsverfahren gelten die Bestimmungen der Artikel 358 ff. bzw. 426 ff. der Zivilprozessordnung. Artikel 4 Durchführungsgesetz zum Europäischen Vollstreckungstitel: 1. Die Berichtigung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung wird unter Verwendung des Formblatts gemäß Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung bei dem Gericht beantragt, das die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausgestellt hat. Die Absätze 2 und 3 des Artikels 2 gelten sinngemäß. 2. Wird der Antrag gemäß Absatz 1 von dem Gläubiger gestellt, auf dessen Ersuchen die Bestätigung erfolgt ist, so ist dem Antrag nach Möglichkeit das Original der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel, deren Berichtigung beantragt wird, beizufügen. Der Schuldner wird nicht vorgeladen. Die Berichtigung erfolgt an einem vom Richter festzulegenden Tag unter Angabe dieses Tages in der entsprechenden Verfügung und unter Ausstellung einer berichtigten Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel. Die zuvor ausgestellte Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel verliert damit ihre Gültigkeit. Wird der Antrag abgelehnt, so erfolgt die Rückgabe der dem Antrag beigefügten Bestätigung. 3. Wird der Antrag gemäß Absatz 1 von dem Schuldner gestellt, nimmt der Richter die Berichtigung erst vor, nachdem er dem Gläubiger und dem Schuldner Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Die Berichtigung 15 Letzte Aktualisierung: 1.9.2016. 16 Letzte Aktualisierung: 25.8.2016.
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Art. 30 EG-VollstrTitelVO Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen erfolgt an einem vom Richter festzulegenden Tag unter Angabe dieses Tages und etwaiger bereits erfolgter Leistungen in der entsprechenden Verfügung sowie unter Ausstellung einer berichtigten Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel. Die zuvor ausgestellte Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel verliert damit ihre Gültigkeit. Der Richter weist den Gläubiger an, die neue Bestätigung beim Urkundsbeamten abzugeben. Artikel 2 Absätze 2 und 3 Durchführungsgesetz zum Europäischen Vollstreckungstitel: 2. Dem Antrag gemäß Absatz 1 wird Folgendes beigefügt: eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung, deren Bestätigung beantragt wird, und das verfahrenseinleitende Schriftstück, das zu der Entscheidung geführt hat. Darüber hinaus sollte der Antrag nach Möglichkeit alle sonstigen Angaben enthalten, die der Richter benötigt, um die Entscheidung gemäß Anhang I der Verordnung als Europäischen Vollstreckungstitel bestätigen zu können. Bei Unvollständigkeit der dem Antrag beigefügten Dokumente oder der gemachten Angaben erhält der Antragsteller Gelegenheit, die Dokumente bzw. Angaben zu ergänzen. 3. Der Antrag gemäß Absatz 1 wird von einem Gerichtsvollzieher oder Prozessbevollmächtigten eingereicht. Für die Bestätigung einer Entscheidung eines Amtsrichters (Kantonrechter) ist die Beteiligung eines Gerichtsvollziehers oder Prozessbevollmächtigten nicht erforderlich. 1.2 Widerrufsverfahren Ein Widerruf kann unter Verwendung des Formblatts in Anhang VI der Verordnung bei dem Gericht beantragt werden, das die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausgestellt hat. Das diesbezügliche Verfahren ist in Artikel 5 des Durchführungsgesetzes geregelt; es handelt sich dabei um ein vereinfachtes Antragsverfahren, bei dem neben den Bestimmungen des genannten Artikels des Durchführungsgesetzes die Artikel 261 ff. der niederländischen Zivilprozessordnung Anwendung finden. Für Berufungs- und Kassationsverfahren gelten die Bestimmungen der Artikel 358 ff. bzw. 426 ff. der Zivilprozessordnung. Artikel 5 Durchführungsgesetz zum Europäischen Vollstreckungstitel: 1. Der Widerruf einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung wird unter Verwendung des Formblatts gemäß Artikel 10 Absatz 3 der Verordnung bei dem Gericht beantragt, das die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausgestellt hat. Die Absätze 2 und 3 von Artikel 2 gelten sinngemäß. 2. Der Widerruf erfolgt, nachdem den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist, durch eine diesbezügliche richterliche Entscheidung an einem vom Richter festzulegenden Tag. Der Richter kann den Gläubiger anweisen, die neue Bestätigung gemäß Absatz 1 beim Urkundsbeamten abzugeben. Artikel 2 Absätze 2 und 3 Durchführungsgesetz zum Europäischen Vollstreckungstitel: 2. Dem Antrag gemäß Absatz 1 wird Folgendes beigefügt: eine beglaubigte Abschrift der Entscheidung, deren Bestätigung beantragt wird, und das verfahrenseinleitende Schriftstück, das zu der Entscheidung geführt hat. Darüber hinaus sollte der Antrag nach Möglichkeit alle sonstigen Angaben enthalten, die der Richter benötigt, um die Entscheidung gemäß Anhang I der Verordnung als Europäischen Vollstreckungstitel bestätigen zu können. Bei Unvollständigkeit der dem Antrag beigefügten Dokumente oder der gemachten Angaben erhält der Antragsteller Gelegenheit, die Dokumente bzw. Angaben zu ergänzen. 3. Der Antrag gemäß Absatz 1 wird von einem Gerichtsvollzieher oder Prozessbevollmächtigten eingereicht. Für die Bestätigung einer Entscheidung eines Amtsrichters ist die Beteiligung eines Gerichtsvollziehers oder Prozessbevollmächtigten nicht erforderlich.
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2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Eine Überprüfung einer Entscheidung über eine unbestrittene Forderung im Sinne von Artikel 19 der Verordnung kann gemäß Artikel 8 des Durchführungsgesetzes zum Europäischen Vollstreckungstitel beantragt werden. Muss eine Überprüfung aufgrund von Artikel 8 Absatz 3 dieses Gesetzes auf Antrag vorgenommen werden, finden die Artikel 261 ff. der niederländischen Zivilprozessordnung Anwendung. Artikel 8 Durchführungsgesetz zum Europäischen Vollstreckungstitel: 1. Bei Entscheidungen über unbestrittene Forderungen im Sinne der Verordnung kann der Schuldner aus den in Artikel 19 Absatz 1 Buchstaben a und b der Verordnung genannten Gründen eine Überprüfung bei dem Gericht beantragen, dass die Entscheidung erlassen hat. 2. Handelt es sich bei der Entscheidung um ein Urteil, so wird die Überprüfung im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gemäß Artikel 146 der niederländischen Zivilprozessordnung beantragt. 3. Handelt es sich bei der Entscheidung um eine Verfügung, so wird die Überprüfung im Rahmen eines einfachen Antragsverfahrens beantragt. 4. Das Rechtmittel muss eingelegt werden: a) in Fällen gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung binnen vier Wochen nach Unterrichtung des Schuldners über die Entscheidung;
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b) in Fällen gemäß Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung binnen vier Wochen, nachdem die dort genannten besonderen Umstände nicht mehr gegeben sind. 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Die im Rahmen von Artikel 20 der Verordnung zugelassenen Sprachen sind: Niederländisch oder eine Sprache, die der Schuldner versteht.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Die von den Niederlanden für die Bestätigung einer öffentlichen Urkunde als Europäischer Vollstreckungstitel bestimmte Stelle im Sinne von Artikel 25 der Verordnung ist der Voorzieningenrechter des Gerichts an dem Ort, an dem sich die Kanzlei des Notars befindet, der die öffentliche Urkunde ausgestellt hat.
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Österreich17 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Bei gerichtlichen Entscheidungen und Vergleichen sowie bei Unterhaltsvereinbarungen nach Art. 4 Z 3 Buchstabe b): Antrag auf Aufhebung oder Berichtigung der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel an jenes Gericht bzw. jene Verwaltungsbehörde, das bzw. die die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel erteilt hat (§ 419 Abs. 1 und 2 Exekutionsordnung). Bei vollstreckbaren Notariatsakten: Antrag auf Berichtigung bei jenem Notar, der den Notariatsakt aufgenommen hat, im Verhinderungsfall an den nach §§ 119, 146, 149 der österreichischen Notariatsordnung berufenen Amtsträger. Für die Aufhebung der vom Notar erteilten Bestätigung ist das nach den Prozessgesetzen zur Entscheidung über die Bestreitung der Exekutionskraft eines Notariatsaktes berufene Gericht zuständig (§ 419 Abs. 3 Exekutionsordnung). 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Bei ordnungsgemäßer Zustellung: Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Bestreitung des geltend gemachten Anspruchs oder gegen die Versäumung einer Verhandlung. Bei mangelhafter Zustellung: Antrag auf neuerliche Zustellung der Entscheidung (bei Entscheidungen in einem einstufigen Verfahren wie Zahlungsbefehl oder Wechselzahlungsauftrag), Berufung gegen die Entscheidung (bei Versäumungsurteilen), Rekurs gegen die Entscheidung (bei auf Grund von Säumnis ergangenen Beschlüssen). 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Deutsch.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Bei Unterhaltsvereinbarungen nach Artikel 4 Ziff. 3 Buchstabe b: jene Verwaltungsbehörde, vor der die Vereinbarung geschlossen wurde; Bei vollstreckbaren Notariatsakten: jener Notar, der den Notariatsakt aufgenommen hat, im Verhinderungsfall der nach den §§ 119, 146 und 149 der österreichischen Notariatsordnung berufene Amtsträger. Sämtliche Notare sind auf der Internetseite der Österreichischen Notariatskammer unter der Adresse http://www.notar.at/ aufzufinden. Polen18 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Berichtigungsverfahren: Berichtigung im Sinne von Artikel 350 in Verbindung mit Artikel 361 der Zivilprozessordnung. „Artikel 350. Absatz 1. Das Gericht kann alle Ungenauigkeiten, Übertragungsfehler, Rechenfehler oder anderweitig offenkundigen Fehler in einem Urteil von Amts wegen berichtigen. Absatz 2. Das Gericht kann eine Berichtigungsentscheidung ohne mündliche Verhandlung fällen; in diesem Fall erhält die ursprüngliche Gerichtsentscheidung einen Berichtigungsvermerk. Die den Parteien ausgehändigten Auszüge können auf deren Antrag hin ebenfalls einen solchen Vermerk enthalten. Die weiteren Ausfertigungen und Auszüge sollten so abgefasst sein, dass sie die Berichtigungsentscheidung bereits beinhalten. Absatz 3. Kommt die Rechtssache vor das Gericht der zweiten Instanz, so kann dieses Gericht die Entscheidung der ersten Instanz von Amts wegen berichtigen.
17 Letzte Aktualisierung: 25.3.2021. 18 Letzte Aktualisierung: 15.10.2019.
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Art. 30 EG-VollstrTitelVO Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen Artikel 361. Sofern die Zivilprozessordnung nichts Anderweitiges bestimmt, finden die Bestimmungen über Urteile entsprechend Anwendung.“ Artikel 13. Absatz 2. Die Bestimmungen über Verfahren finden entsprechend Anwendung auf andere durch diese Zivilprozessordnung geregelte Verfahren, es sei denn, dass in besonderen Vorschriften Anderweitiges bestimmt ist. Bestätigungen als Europäischer Vollstreckungstitel werden in Einklang mit dem Verfahren nach Artikel 7951 der Zivilprozessordnung in Form einer gerichtlichen Entscheidung ausgestellt. Widerrufsverfahren: Widerruf im Sinne des Entwurfs von Artikel 7954 der Zivilprozessordnung. „Artikel 7954. Absatz 1. Werden Gründe für den Widerruf einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nach gesonderten Bestimmungen bekannt, so widerruft das Gericht, das die Bestätigung ausgestellt hat, diese auf Antrag des Schuldners. Absatz 2. Dieser Antrag ist binnen einer Frist von einem Monat zu stellen, die an dem Tag zu laufen beginnt, an dem der Schuldner die Entscheidung über die Ausstellung der Bestätigung ausgehändigt erhält. Absatz 3. Erfolgt die Antragstellung nicht in der in den gesonderten Bestimmungen festgelegten Form, so muss sie den Anforderungen an eine Klageerwiderung genügen und eine Begründung des Antrags enthalten. Absatz 4. Vor dem Widerruf der Entscheidung gewährt das Gericht dem Gläubiger rechtliches Gehör. Absatz 5. Gegen Entscheidungen, eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zu widerrufen, kann das Rechtsmittel der Beschwerde eingelegt werden.“ Bei Anträgen auf Widerruf eines Europäischen Vollstreckungstitels ist eine Gebühr von 50 PLN zu entrichten.
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2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Überprüfungsverfahren: Verlängerung der Frist für die Einlegung von Rechtsmitteln nach Artikel 168–172 der Zivilprozessordnung. „Artikel 168. Absatz 1. Hat es eine Partei ohne eigenes Verschulden versäumt, eine Verfahrenshandlung fristgemäß vorzunehmen, so kann ihr das Gericht auf Antrag eine Fristverlängerung gewähren. Die Entscheidung des Gerichts kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Absatz 2. Eine Fristverlängerung ist nur statthaft, wenn die Nichteinhaltung der Frist nachteilige verfahrensrechtliche Folgen für diese Partei hat. Artikel 169. Absatz 1. Der schriftliche Antrag auf Fristverlängerung ist bei dem Gericht, bei dem die Verfahrenshandlung vorzunehmen war, innerhalb einer Woche nach Wegfall der Gründe für die Nichteinhaltung der Frist zu stellen. Absatz 2. In diesem schriftlichen Antrag sind die Antragsgründe anzugeben. Absatz 3. Mit der Antragstellung hat die Partei die Verfahrenshandlung vorzunehmen. Absatz 4. Ist nach Fristablauf ein Jahr verstrichen, so kann eine Fristverlängerung nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände gewährt werden. Absatz 5. Die Entscheidung über einen Antrag auf Fristverlängerung kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Artikel 172. Die Tatsache, dass ein Antrag auf Fristverlängerung gestellt wurde, führt nicht zur Aussetzung des Verfahrens oder der Urteilsvollstreckung. Jedoch kann das Gericht in Anbetracht der vorliegenden Umstände das Verfahren oder die Vollstreckung des Urteils aussetzen. Die Entscheidung des Gerichts kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.Wird dem Antrag stattgegeben, kann das Gericht den Sachverhalt unverzüglich prüfen.“ 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Die im Rahmen von Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung zugelassene Sprache ist Polnisch. 4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Bei den amtlichen Stellen nach Artikel 25 der Verordnung handelt es sich um die Bezirksgerichte (sa˛dy rejonowe); zuständiges Gericht ist das Bezirksgericht, in dessen Gerichtsbarkeit die öffentliche Urkunde abgefasst wurde.
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Portugal19 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Für die Berichtigung oder den Widerruf ist die Stelle zuständig, die den Europäischen Vollstreckungstitel ausgestellt hat; dafür ist das Formblatt in Anhang VI der Verordnung zu verwenden. 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Das in Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a vorgesehene Überprüfungsverfahren ist in Artikel 696 Buchstabe e der portugiesischen Zivilprozessordnung geregelt. Die in Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b vorgesehene Überprüfung ist in Artikel 140 der portugiesischen Zivilprozessordnung geregelt.
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Die zulässige Sprache ist Portugiesisch.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Notariate sind befugt, öffentliche Urkunden zu bestätigen.
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Rumänien20 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Handelt es sich bei dem Vollstreckungstitel um eine gerichtliche Entscheidung, die einen Prozessvergleich oder andere rechtsgültige Vereinbarungen zwischen Parteien umfasst, ist für die Bestätigung das Gericht der ersten Instanz zuständig (Artikel 2 Absatz 1 der Notverordnung der Regierung Nr. 119/2006 über erforderliche Maßnahmen zur Anwendung von bestimmten Gemeinschaftsverordnungen nach dem EU-Beitritt Rumäniens, mit Änderungen genehmigt durch das Gesetz Nr. 191/2007 in der letztgültigen Fassung). Der Antrag auf Berichtigung einer Bestätigung kann bei dem Gericht gestellt werden, das die Bestätigung ausgestellt hat. Das Gericht erlässt seine Entscheidung über den Antrag durch einen Beschluss ohne Vorladung der Parteien. Gegen den Beschluss über die Zulassung des Antrags kann kein Rechtsbehilf eingelegt werden. Eine Ausfertigung der Bestätigung erhält der Gläubiger, und eine Abschrift wird dem Schuldner zugestellt. Ein Beschluss, durch den der Antrag auf Berichtigung abgelehnt wurde, kann innerhalb von 15 Tagen ab seiner Zustellung an den anwesenden Gläubiger und innerhalb von 15 Tagen ab Zustellung an den abwesenden Gläubiger angefochten werden. Die gleichen Bestimmungen gelten analog im Falle der Rechtsbeschwerde (recurs) (Art. 2, Art. 3, Art. 5 und Art. 6 in Artikel I der Notverordnung der Regierung Nr. 119/2006 über erforderliche Maßnahmen zur Anwendung von bestimmten Gemeinschaftsverordnungen nach dem EU-Beitritt Rumäniens, mit Änderungen genehmigt durch das Gesetz Nr. 191/2007 in der letztgültigen Fassung). Der Antrag auf Widerruf der Bestätigung ist bei dem Gericht, das die Bestätigung ausgestellt hat, innerhalb eines Monats ab der Zustellung einzureichen. Stellt das Gericht nach der Vorladung der Parteien fest, dass die Bestätigung ausgestellt wurde, ohne dass die Bedingungen der Verordnung Nr. 805/2004 erfüllt sind, überprüft es die getroffenen Maßnahmen und ordnet den ganzen oder teilweisen Widerruf der Bestätigung an. Gegen den Beschluss kann innerhalb von 15 Tagen ab Zustellung Berufung eingelegt werden. Die gleichen Bestimmungen gelten analog im Falle der Rechtsbeschwerde (recurs) (Art. 7 in Artikel I 1 der Notverordnung der Regierung Nr. 119/2006 über erforderliche Maßnahmen zur Anwendung von bestimmten Gemeinschaftsverordnungen nach dem EU-Beitritt Rumäniens, mit Änderungen genehmigt durch das Gesetz Nr. 191/2007 in der letztgültigen Fassung). 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Die Überprüfungsverfahren im Sinne von Artikel 19 Absatz 1 sind nach rumänischem Recht die ordentlichen Rechtsbehelfe: Berufung (apel), und die außerordentlichen Rechtsbehelfe: Rechtsbeschwerde (recurs), Nichtigkeitsklage (contestat,ie în anulare) und Revision (revizuire). Die Berufung ist durch die Artikel 466–482 der Zivilprozessordnung geregelt. Gegen Entscheidungen der ersten Instanz kann Berufung eingelegt werden. Die Berufungsfrist beträgt 30 Tage nach Zustellung der Entscheidung. Die Vollstreckung der erstinstanzlichen Entscheidung wird im Berufungsverfahren ausgesetzt. Die Berufung sowie die ihr zugrunde liegenden Gründe werden dem Gericht vorgelegt, dessen Entscheidung angefochten wird. Nach Ablauf der Berufungsfrist kann der Berufungsbeklagte auf dem Rechtsweg, auf dem die von der Gegenpartei eingelegte Berufung erfolgte, eine Berufungsschrift verfassen (sogenannte Anschlussberufung: apel incident) mit dem Ziel, die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts zu seinen Gunsten zu ändern. 19 Letzte Aktualisierung: 25.2.2021. 20 Letzte Aktualisierung: 12.4.2021.
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Art. 30 EG-VollstrTitelVO Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen Waren Dritte im erstinstanzlichen Verfahren beteiligt oder sind dem Verfahren beigetreten, kann der Berufungsbeklagte nach Ablauf der Berufungsfrist schriftlich in der Berufung einem anderen Berufungsbeklagten oder Verfahrensbeteiligten in der ersten Instanz, der nicht Partei im Hauptberufungsverfahren ist, sofern dessen Beteiligung letztlich Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Berufungsbeklagten im Verfahren hat, den Streit verkünden (herbeigeführte Berufung: apel provocat). Die Anschlussberufung und die sogenannte „herbeigeführte Berufung“ werden vom Berufungsbeklagten eingelegt, sobald die Hauptberufung zugelassen wurde. Die fristgerecht eingelegte Berufung führt zu einer Neubeurteilung des Sachverhalts, und das Berufungsgericht fällt seine Entscheidung in Kenntnis aller rechtlichen und tatsachenbezogenen Umstände (Devolutiveffekt der Berufung: efectul devolutiv al apelului). Das Berufungsgericht bewertet den Sachverhalt in dem vom Berufungskläger festgelegten Rahmen und in Bezug auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Teil der Entscheidung neu. Die Devolution greift für den gesamten Fall, wenn die Berufung nicht auf bestimmte Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung begrenzt ist, wenn es wahrscheinlich ist, dass die Entscheidung aufgehoben wird oder wenn der Streitgegenstand unteilbar ist. Das Berufungsgericht kann die angefochtene Entscheidung bestätigen und die Berufungsklage zurückweisen oder für nichtig erklären oder das Verfahren für unzulässig erklären. Wird die Berufungsklage zugelassen, kann das Gericht die angefochtene Entscheidung aufheben oder abändern. Wird festgestellt, dass das Gericht der ersten Instanz den Fall zu Unrecht beigelegt hat, ohne den Sachverhalt zu prüfen, oder dass der Fall in Abwesenheit von Verfahrensbeteiligten verhandelt wurde, weil diese nicht vorschriftsgemäß geladen wurden, erklärt das Gericht die angefochtene Entscheidung für nichtig und bewertet den Sachverhalt. Es hebt die angefochtene Entscheidung auf und verweist die Sache zur Überprüfung an das Gericht der ersten Instanz zurück; die Zurückverweisung kann in dem Verfahren lediglich einmal erfolgen. Stellt das Berufungsgericht fest, dass das Gericht der ersten Instanz nicht zuständig war, erklärt es die angefochtene Entscheidung für nichtig und übergibt die Sache zur Prüfung an das zuständige Gericht oder lehnt den Antrag gegebenenfalls als unzulässig ab. Stell das Berufungsgericht fest, dass die erstinstanzliche Zuständigkeit bei ihm liegt, erklärt es die angefochtene Entscheidung für nichtig und prüft den Sachverhalt selbst. Der Berufungskläger kann infolge seiner eigenen Berufungsklage nicht schlechter gestellt werden als vor der Berufung. Die Rechtsbeschwerde ist durch die Artikel 483 bis 502 der Zivilprozessordnung geregelt. Gegen angefochtene Entscheidungen und solche, gegen die keine Berufung zugelassen wurde, sowie in einigen speziell genannten Fällen kann Rechtsbeschwerde eingelegt werden. Dies gilt nicht für Entscheidungen, die bestimmte Bereiche betreffen wie etwa gesetzliche Vormundschaft, Familie, Personenstand, Gebäudeverwaltung, Grunddienstbarkeiten, Festlegung oder Änderung von Grenzverläufen, die Verpflichtung zur Vornahme bzw. Nicht-Vornahme von Handlungen, die nicht in Geldwert gemessen werden können, gerichtliche Todeserklärungen, gerichtliche Erbauseinandersetzung, zivile Schifffahrt, arbeits- und sozialrechtliche Streitigkeiten, Enteignung, Ersatz für Schäden, die durch Justizirrtümer entstanden sind, Anträge mit einem Geldwert von bis zu 500 000 RON oder Entscheidungen der Beschwerdekammer: In diesen Fällen ist nur die Berufung statthaft. Die Frist für die Rechtsbeschwerde beträgt 30 Tage ab Zustellung der Entscheidung. Die Beschwerde wird von dem nächsthöheren Gericht geprüft. Auf Antrag des Beschwerdeführers kann das für die Prüfung zuständige Gericht die Aussetzung der zu überprüfenden Entscheidung anordnen. Eine Anschlussbeschwerde bzw. eine „herbeigeführte Rechtsbeschwerde“ können in den gesetzlichen vorgesehenen Fällen durchgeführt werden. Ist eine Rechtsbeschwerde für grundsätzlich zulässig erklärt worden, kann das Gericht nach der Prüfung der vorgebrachten Gründe und der Rechtsfrage die Rechtsbeschwerde zulassen, zurückweisen, aufheben oder das Verfahren für rechtsunwirksam erklären. Wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, kann die angefochtene Entscheidung ganz oder teilweise aufgehoben werden. Die aufgehobene Entscheidung entfaltet keine Rechtskraft. Vollstreckungs- oder Sicherungsmaßnahmen, die auf der Grundlage einer derartigen Entscheidung durchgeführt wurden, sind rechtsunwirksam. Das Gericht stellt dies von Amts wegen in einer Kassationsentscheidung fest. Kassationsentscheidungen sind in Bezug auf die Rechtsfragen, die zu klären waren, für das Gericht, das den Sachverhalt untersucht hat, bindend. Wurde die Entscheidung wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben, wird das Verfahren wieder neu aufgenommen. Nach Aufhebung der Entscheidung bewertet das erstinstanzliche Gericht die Sache im Rahmen der durch die Kassationsentscheidung vorgegebenen Grenzen und unter Berücksichtigung aller vor dem Gericht, dessen Entscheidung aufgehoben wurde, vorgebrachten Gründe neu. Führt die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung der Entscheidung und zu einer erneuten Anhörung, kann dies nicht zu einer Verschlechterung der Lage des Beschwerdegegners führen.
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Die Nichtigkeitsklage ist durch die Artikel 503 bis 508 der Zivilprozessordnung geregelt. Rechtskräftige Entscheidungen können im Wege der Nichtigkeitsklage angefochten werden, wenn der Kläger nicht ordnungsgemäß vorgeladen wurde oder nicht zum Gerichtstermin erschienen ist. Eine Nichtigkeitsklage wird bei dem Gericht eingereicht, dessen Entscheidung angefochten wird. Diese kann innerhalb von 15 Tagen nach Zustellung der Entscheidung und spätestens ein Jahr, nachdem die Entscheidung rechtskräftig wurde, eingereicht werden. Das Gericht kann nach Leistung einer Sicherheit die Vollstreckung der Entscheidung, deren Nichtigerklärung beantragt wurde, aussetzen. Ist der Nichtigkeitsgrund stichhaltig, legt das Gericht die Sache bei, indem es mit einer einzigen Entscheidung die angefochtene Entscheidung für nichtig erklärt. Gegen die Entscheidung über die Nichtigkeitsklage können dieselben Rechtsmittel eingelegt werden wie gegen die angefochtene Entscheidung. Die Revision ist durch die Artikel 509 bis 513 der Zivilprozessordnung geregelt. Eine Revision einer Entscheidung in der Hauptsache oder mit Bezug zur Hauptsache kann beantragt werden, wenn die betroffene Partei z.B. aufgrund höherer Gewalt am Erscheinen vor Gericht gehindert wurde und dies dem Gericht im Vorfeld mitgeteilt hat. Die Frist für die Beantragung einer Revision beträgt 15 Tage ab dem Tag, an dem die Ursache für das Nichterscheinen der Partei vor Gericht wegfällt. Das Gericht kann nach Leistung einer Sicherheit die Vollstreckung der Entscheidung, deren Revision beantragt wurde, aussetzen. Erklärt das Gericht die Revision für zulässig, ändert es die angefochtene Entscheidung ganz oder in Teilen ab beziehungsweise erklärt sie im Falle einer vollständigen Ablehnung für nichtig. Gegen die Revisionsentscheidung können die gesetzlich vorgesehenen Rechtsmittel eingelegt werden. 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Rumänisch.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Ist der Vollstreckungstitel eine öffentliche Urkunde, so ist für deren Bestätigung das Gericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich der Aussteller der Urkunde ansässig ist (Artikel 2 Absatz 2 von Artikel I 1 der Notverordnung der Regierung Nr. 119/2006 über erforderliche Maßnahmen zur Anwendung von bestimmten Gemeinschaftsverordnungen nach dem EU-Beitritt Rumäniens, genehmigt mit Änderungen durch das Gesetz Nr. 191/ 2007, in der letztgültigen Fassung). Schweden21 1. Berichtigungs- und Widerrufsverfahren (Art. 10 Abs. 2) Gemäß § 14 des Gesetzes (2014:912) mit ergänzenden Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und internationale Vollstreckung bestimmter Entscheidungen können Bestätigungen als Vollstreckungstitel berichtigt werden (Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel). „§ 14 des Gesetzes (2014:912) mit ergänzenden Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und internationale Vollstreckung bestimmter Entscheidungen Entspricht eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel wegen eines wesentlichen Fehlers nicht dem ihr zugrunde liegenden Urteil, der Urkunde oder der ihr zugrunde liegenden Entscheidung, so wird sie von dem Gericht oder der Behörde, das bzw. die sie ausgestellt hat, berichtigt. Gegen Berichtigungsentscheidungen kann kein Rechtsbehelf eingelegt werden.“ Gemäß § 15 des Gesetzes (2014:912) mit ergänzenden Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und internationale Vollstreckung bestimmter Entscheidungen können Bestätigungen als Vollstreckungstitel widerrufen werden (Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel). „§ 15 des Gesetzes (2014:912) mit ergänzenden Bestimmungen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und internationale Vollstreckung bestimmter Entscheidungen Wurde eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel entgegen der Vorgaben der Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel ausgestellt, so wird sie von dem Gericht oder der Behörde, das bzw. die sie ausgestellt hat, widerrufen. Im Falle des Widerrufs einer Bestätigung wird den Parteien im Bedarfsfall Gelegenheit gegeben, ihren Standpunkt darzulegen. Gegen Widerrufsentscheidungen kann kein Rechtsbehelf eingelegt werden.“
21 Letzte Aktualisierung: 23.11.2020.
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2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Eine Überprüfung kann wie folgt beantragt werden: durch einen Rechtsbehelf (överklagande) gemäß Kapitel 50 § 1 der Prozessordnung (rättegångsbalken) oder durch einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens (återvinning) gemäß Kapitel 44 § 9 der Prozessordnung, auf Wiederaufnahme des Verfahrens (återvinning) gemäß § 52 des Gesetzes (1990:746) über Mahn- und Beistandsverfahren oder auf Verlängerung einer versäumten Frist (återställande av försutten tid) gemäß Kapitel 58 § 11 der Prozessordnung, oder durch eine Beschwerde wegen eines schweren Verfahrensfehlers (klagan över domvilla) gemäß Kapitel 59 § 1 der Prozessordnung (Artikel 19 der Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel). „Kapitel 50 § 1 der Prozessordnung Ein Rechtsbehelf gegen ein Urteil eines Bezirksgerichts in einem Zivilverfahren kann bei dem betreffenden Gericht binnen drei Wochen nach Urteilsverkündung schriftlich eingelegt werden. Kapitel 44 § 9 der Prozessordnung Eine Partei, gegen die ein Versäumnisurteil ergangen ist, kann binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils die Wiederaufnahme des Verfahrens bei dem betreffenden Gericht beantragen. Wird keine Wiederaufnahme beantragt, kann das Urteil nicht insofern angefochten werden, als es als Versäumnisurteil ergangen ist. Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist schriftlich zu beantragen. Erging das Versäumnisurteil während der Vorbereitungsphase, sollte der Antrag alle für die vollständige Vorbereitung seitens des Antragstellers erforderlichen Angaben enthalten. Kapitel 58 § 11 der Prozessordnung Hat eine Person ohne eigenes Verschulden die Frist für einen Rechtsbehelf gegen ein Urteil oder eine Entscheidung oder die Frist für einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder auf Wiedereinsetzung in den früheren Stand versäumt, kann die verstrichene Frist auf ihren Antrag hin wiederhergestellt werden. Kapitel 59 § 1 der Prozessordnung Ein rechtskräftiges Urteil wird im Falle eines Rechtsbehelfs seitens der Person, deren gesetzliche Rechte das Urteil betrifft, wegen schwerer Verfahrensfehler aufgehoben, wenn 1. das Verfahren trotz eines Verfahrenshindernisses, das ein höheres Gericht von Amts wegen berücksichtigen muss, fortgesetzt wird, 2. das Urteil gegen eine Person ergangen ist, die nicht ordnungsgemäß zur Verhandlung geladen wurde und auch nicht vor Gericht erschienen ist, oder wenn das Urteil die Rechte einer Person, die nicht Prozesspartei war, beeinträchtigt, 3. das Urteil so vage oder unvollständig ist, dass ihm die Gründe, die das Gericht zu seinem Erlass bewogen haben, nicht zu entnehmen sind, oder 4. ein anderer schwerer Verfahrensfehler im Laufe des Verfahrens aufgetreten ist, der den Verfahrensausgang beeinflusst haben dürfte. Eine Beschwerde wegen eines schweren Verfahrensfehlers nach Maßgabe des vorstehenden Unterabsatzes 4, die sich auf einen in dem Verfahren zuvor nicht geltend gemachten Umstand gründet, wird abgewiesen, es sei denn, der Beschwerdeführer kann nachweisen, dass er daran gehindert wurde, den Umstand im Laufe des Verfahrens geltend zu machen, oder dass er dies aus einem sonstigen triftigen Grund unterlassen hat. § 52 des Gesetzes (1990:746) über Mahn- und Beistandsverfahren Hat der Antragsgegner Einwände gegen das Urteil in einem Mahn- oder Beistandsverfahren, so kann er die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen.“ 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Folgende Sprachen sind für die Ausstellung der Bestätigung zulässig: Schwedisch und Englisch. 4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Hat ein schwedisches Sozialamt (Socialnämnd) öffentliche Urkunde ausgestellt, so kann es diese auch als Europäischen Vollstreckungstitel bestätigen. Slowakei22 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Nach Artikel 21 des Gesetzes Nr. 160/2015 (Zivilprozessordnung (Civilny´ sporovy´ poriadok)) kann das Gericht, das die Entscheidung erlassen oder den Vergleich gebilligt hat oder vor dem der Vergleich geschlossen wurde, eine
22 Letzte Aktualisierung: 24.5.2021.
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Kap. VIII: Allgemeine und Schlussbestimmungen
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Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel berichtigen oder widerrufen. Berichtigungen werden auf der Grundlage von Artikel 224 der Zivilprozessordnung vorgenommen. 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) In Bezug auf Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung gilt Folgendes: Die Gerichte der Slowakischen Republik können gerichtliche Entscheidungen gemäß den Artikeln 355 bis 457 der Zivilprozessordnung überprüfen. In Bezug auf Artikel 19 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung gilt, dass die Gerichte eine gerichtliche Entscheidung gemäß Artikel 122 der Zivilprozessordnung überprüfen können (kein Fristablauf). In den Artikeln 355 bis 457 sind Rechtsbehelfsverfahren (Berufung, Wiederaufnahme des Verfahrens und außerordentliche Rechtsbehelfe) geregelt. Die Zulässigkeit solcher Rechtsbehelfe, die in den betreffenden Anträgen vorgeschriebenen Angaben, die von den Gerichten zu ergreifenden Maßnahmen sowie das gerichtliche Beschlussfassungsverfahren sind gesondert geregelt. Der Wortlaut der Zivilprozessordnung ist unter Slov-lex.sk abrufbar. 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Die in der Slowakischen Republik gemäß Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c der Verordnung zugelassene Sprache ist Slowakisch. 4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Nach Artikel 21 Absatz 2 der Zivilprozessordnung ist auf der Grundlage spezieller Regelungen für öffentliche Urkunden für den Erlass, die Berichtigung oder den Widerruf einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel das Regionalgericht (krajsky´ súd) zuständig, dem nach Artikel 62 des Gesetzes Nr. 97/1963 über das Internationale Privatrecht und die Verfahrensordnung in der geänderten Fassung die Legalisation gerichtlicher Schriftstücke obliegt. Das Regionalgericht ist für die Legalisation gerichtlicher Schriftstücke oder das Anbringen der Apostille zuständig, wenn die betreffende Urkunde von einem Bezirksgericht, Notar oder Gerichtsvollzieher im Bezirk des Regionalgerichts ausgefertigt, ihre Echtheit oder die Echtheit der Unterschrift überprüft worden ist und wenn es sich bei der Urkunde um eine von einem amtlich bestellten Übersetzer angefertigte Übersetzung oder um das Gutachten eines Sachverständigen handelt. Das Gesetz Nr. 97/1963 ist abrufbar unter Slov-lex.sk Slowenien23 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Berichtigungsverfahren nach Artikel 10 Absatz 2: In Slowenien ist der Antrag auf Berichtigung an die amtliche Stelle zu richten, welche die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ausgestellt hat (Artikel 42c Absatz 1 des Gesetzes über die Vollstreckung und Sicherung von Forderungen). Widerrufsverfahren nach Artikel 10 Absatz 2: Widerrufsverfahren nach Artikel 42c Absatz 2 des Gesetzes über die Vollstreckung und Sicherung von Forderungen (das Gericht oder die Behörde, das bzw. die die Bestätigung ausgestellt hat, ist auch für deren Widerruf zuständig) und Artikel 40c Absatz 3 dieses Gesetzes (für die Zwecke eines Verfahrens zum Widerruf einer rechtskräftigen Bestätigung, die auf der Grundlage einer amtlichen Urkunde nach einer Vollstreckungsentscheidung ausgestellt wurde, verbleibt die örtliche Zuständigkeit bei dem Gericht, das für die Entscheidung über die zulässigen Vollstreckungsmittel örtlich zuständig ist). 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Wiederaufnahme des Verfahrens nach den Artikeln 394–405 der Zivilprozessordnung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den Artikeln 166–120[xxx] der Zivilprozessordnung.
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Amtssprachen sind Slowenisch und die beiden Volksgruppensprachen Italienisch und Ungarisch, die in den Gebieten, in denen diese Volksgruppen leben, als Gerichtssprachen verwendet werden (Artikel 6 und 104 der Zivilprozessordnung in Verbindung mit Artikel 15 des Gesetzes über die Vollstreckung und Sicherung von Forderungen). Multiethnische Regionen sind im Gesetz über die Festlegung von Gemeinden („ZUODNO“; Uradni list RS (Amtsblatt der Repubkil Slovenien), Nr. 108/06 – amtlicher konsolidierter Wortlaut – und Nr. 9/11) definiert. In Arti23 Letzte Aktualisierung: 26.10.2017.
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Art. 30 EG-VollstrTitelVO Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen kel 5 ZUODNO heißt es: „Multiethnische Regionen im Sinne dieses Gesetzes sind die gegenwärtigen Gemeinden Lendava, Hodosˇ-Sˇalovci, Moravske Toplice, Koper, Izola und Piran.“
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Notare. Ein Verzeichnis der Notare findet sich unter http://www.notar-z.si/poisci-notarja. Spanien24 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Fehler in einem Europäischen Vollstreckungstitel im Sinne von Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 werden im Wege des Verfahrens nach Artikel 267 Absätze 1 bis 3 des Organgesetzes über die Justiz (Ley Orgánica 6/1985 del Poder Judicial) vom 1.7.1985 berichtigt. Der Widerruf einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel im Sinne von Artikel 10 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 erfolgt im Wege einer Beschwerde (recurso de reposición) nach Maßgabe der Zivilprozessordnung vom 7.1.2000 (Ley 1/2000 de Enjuiciamiento Civil). Liegt dem Europäischen Vollstreckungstitel eine öffentliche Urkunde zugrunde, ist es Sache des Notars die Urkunde auf etwaige materielle Fehler hin oder auf die Einhaltung der für die Ausstellung der Bestätigung erforderlichen Formvorschriften hin zu überprüfen und eine Berichtigung wegen materieller Fehler oder den Widerruf der Bestätigung gemäß Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zu veranlassen. 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Ein Schuldner, der ohne eigenes Verschulden nicht am Verfahren hatte teilnehmen können, kann im Wege einer Überprüfung in Ausnahmefällen gemäß Artikel 19 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 die Aufhebung einer rechtskräftigen Entscheidung erwirken (Artikel 501 der Zivilprozessordnung vom 7.1.2000 – Ley 1/2000 de Enjuiciamiento Civil). 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Zulässige Sprache im Sinne von Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c ist Spanisch. 4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Die Bestätigung einer öffentlichen Urkunde als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß Artikel 25 Absatz 1 und Anhang III der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 erfolgt durch den hierzu ermächtigten Notar oder dessen rechtmäßigen Vertreter oder Nachfolger. Tschechische Republik25 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Die tschechischen Bezirksgerichte (okresní soudy) verfahren gemäß § 167 des Gesetzes Nr. 99/1963 (Zivilprozessordnung) in der geänderten Fassung. 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Die tschechischen Bezirksgerichte (okresní soudy) verfahren gemäß § 58 und §§ 201–243g des Gesetzes Nr. 99/1963 (Zivilprozessordnung) in der geänderten Fassung.
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Tschechisch
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Bezirksgerichte (okresní soudy).
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Ungarn26 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Im Hoheitsgebiet Ungarns werden die Berichtigung oder der Widerruf des Europäischen Vollstreckungstitels durch die Bestimmungen in Kapitel II des Gesetzes LIII von 1994 über die gerichtliche Vollstreckung geregelt.
24 Letzte Aktualisierung: 22.6.2021. 25 Letzte Aktualisierung: 19.4.2021. 26 Letzte Aktualisierung: 24.10.2017.
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Kap. VIII: Allgemeine und Schlussbestimmungen
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2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Die Überprüfung von Entscheidungen, die die Grundlage für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel bilden, wird durch die Bestimmungen in Kapitel VII des Gesetzes III von 1952 über das bürgerliche Gesetzbuch geregelt.
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Die für die Ausstellung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zugelassenen Sprachen sind Englisch und Ungarisch.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Die zur Bestätigung einer in Ungarn als Europäischer Vollstreckungstitel ausgestellten öffentlichen Urkunde bestimmte Stelle ist gewöhnlich das Amtsgericht, in dessen Zuständigkeitsbereich die ausstellende Behörde ihren Sitz hat. Handelt es sich jedoch um eine von einem Notar ausgestellte öffentliche Urkunde, eine von einem Notar erlassene Verfügung oder einen von einem Notar genehmigten Vergleich mit der gleichen Wirkung wie ein gerichtlicher Vergleich, ist der Notar die zur Bestätigung der öffentlichen Urkunde bestimmte Stelle. Die Gerichte, die für die Bestätigung von in Ungarn als Europäischer Vollstreckungstitel ausgestellten öffentlichen Urkunden zuständig sind, lassen sich mit dem Suchwerkzeug oben auf der Seite finden. Notare, die die Aufgaben der bestimmten Stelle wahrnehmen, lassen sich mit der in folgendem Link verfügbaren Suchfunktion finden: https://e-justice.europa.eu/335/DE/notaries?clang=de. Vereinigtes Königreich – England und Wales27 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Für die Durchführung dieser Verordnung gelten die Verfahrensregeln für die Gerichte in England und Wales gemäß der Zivilprozessordnung von 1997. Diese gerichtlichen Verfahrensregeln werden als Zivilprozessregeln (Civil Procedure Rules) bezeichnet und per Gesetz erlassen. Teil 74.27 der Zivilprozessregeln und die dazugehörige Praktische Anweisung (Practice Direction), die Praktische Anweisung 74B, enthalten Bestimmungen für den Europäischen Vollstreckungstitel in England und Wales, einschließlich der Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf. Artikel 10 bezieht sich auf das Recht, bei Gericht zu beantragen, eine Bestätigung zu berichtigen (wenn sie in Widerspruch zu der gerichtlichen Entscheidung steht) oder sie zu widerrufen (wenn sie in Widerspruch zu der Verordnung steht). Das einschlägige Verfahren zur Regelung dieser Umstände richtet sich nach Teil 23 der Zivilprozessregeln, der die Regeln für die Antragstellung bei Gericht enthält. Vorgesehen ist, dass ein Antrag im Rahmen von Artikel 10 nach dem Verfahren in Teil 23 bei dem Gericht zu stellen ist, das den Europäischen Vollstreckungstitel ausgefertigt hat. Der Antrag ist mittels eines Antragsscheins zu stellen, der auch als Formular(*) N244 bezeichnet wird. Auf dem Antragsschein sind Angaben darüber zu machen, welches Rechtsbegehren der Antragsteller verfolgt (z.B. eine Anordnung der Berichtigung oder des Widerrufs), und aus welchen Gründen er diese Anordnung begehrt (so z.B. wegen einer Unstimmigkeit in der Bestätigung). (*) Das Vereinigte Königreich bestätigt, dass die Formblätter der Verordnung verwendet werden. Die Anhänge I–V der Verordnung betreffen die Formblätter, auf denen die Bestätigungen vom Gericht ausgestellt werden. Die Gläubiger benutzen die relevanten Formulare der Gerichte des Vereinigten Königreichs für die erforderliche Antragstellung, während die Bestätigung auf dem von der Verordnung vorgegebenen Formblatt ausgestellt wird. Vorgesehen ist, dass ein Antrag gemäß Artikel 10 Absatz 3 unter Verwendung des Standardantragsformulars des Vereinigten Königreichs oder des Formblatts in Anhang VI der Verordnung gestellt werden kann. 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Für die Durchführung dieser Verordnung gelten die Verfahrensregeln für die Gerichte in England und Wales gemäß der Zivilprozessordnung von 1997. Diese gerichtlichen Verfahrensregeln werden als Zivilprozessregeln (CPR) bezeichnet und per Gesetz erlassen. Nach Artikel 19 Absatz 1 muss dem Schuldner das Recht zustehen, eine Nachprüfung der Entscheidung zu beantragen, wenn er das Schriftstück zur Einleitung des Gerichtsverfahrens nicht erhalten hat oder ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage war, Einspruch gegen die Forderung zu erheben. Nach Teil 13 der Zivilprozessregeln (CPR) kann der verurteilte Schuldner unter den in Artikel 19 genannten Voraussetzungen eine Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung beantragen. Diese Vorschrift regelt das Verfahren für die Antragstellung auf Aufhebung oder Abänderung eines Versäumnisurteils. Ein Versäumnisurteil kann er27 Letzte Aktualisierung: 30.3.2021.
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Art. 30 EG-VollstrTitelVO Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen langt werden, wenn der beklagte Schuldner den Nachweis über die Zustellung nicht erbracht und/oder dem Gericht nicht rechtzeitig angezeigt hat, dass er sich gegen die Klage verteidigen will. Nach Teil 13 der Zivilprozessregeln (CPR) kann der verurteilte Schuldner unter den in Artikel 19 genannten Voraussetzungen eine Überprüfung der gerichtlichen Entscheidung beantragen. Diese Vorschrift regelt das Verfahren für die Antragstellung auf Aufhebung oder Abänderung eines Versäumnisurteils. Für die Antragstellung auf Aufhebung oder Abänderung eines Versäumnisurteils sind keine Formulare vorgeschrieben. Üblicherweise verwendet der Antragsteller für den Antrag den Antragsschein in Formular N244 (http://www.hmcourts- service.gov.uk/courtfinder/forms/n244 eng.pdf). Der Antragsteller sollte angeben, auf welche gerichtliche Entscheidung sein Rechtsbegehren gerichtet ist, und warum das Versäumnisurteil aufgehoben oder abgeändert werden sollte, so z.B. weil ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht rechtzeitig genug zugestellt wurde, um sein Verteidigungsvorbringen vorbereiten zu können. Die mündliche Verhandlung über diesen Antrag umfasst auch die Überprüfung des Versäumnisurteils.
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3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Bescheinigungen werden in England und Wales in englischer Sprache akzeptiert. 4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Zwar werden die öffentlichen Urkunden anderer Mitgliedstaaten in England und Wales vollstreckt, doch werden in England und Wales keine solchen Urkunden abgefasst. Daher ist es nicht erforderlich, eine amtliche Stelle zu bestimmen, die für ihre Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zuständig ist. Vereinigtes Königreich – Nordirland28 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Die Rules of Court for Northern Ireland sind die Durchführungsvorschriften zu der Verordnung. Diese gerichtlichen Verfahrensregeln werden als Rules of the Court of Judicature (Northern Ireland) 1980 (sie entstanden im Rahmen des Judicature (Northern Ireland) Act 1978 und regeln das Verfahren vor dem Supreme Court of Judicature in Northern Ireland) und County Court Rules (Northern Ireland) 1981 (sie entstanden im Rahmen der County Courts (Northern Ireland) Order 1980 und der Civil Evidence (Northern Ireland) Order 1997 und regeln das Verfahren vor den County Courts) bezeichnet. Diese Regeln sind auf der Website der Northern Ireland Courts and Tribunals unter Court of Judicature Rules und County Court Rules abrufbar. Artikel 10 bezieht sich auf das Recht, bei Gericht zu beantragen, eine Bestätigung zu berichtigen (wenn sie in Widerspruch zu der gerichtlichen Entscheidung steht) oder sie zu widerrufen (wenn sie in Widerspruch zu der Verordnung steht). Zur Bearbeitung derartiger Anträge gibt es bereits Verfahren sowohl nach den Rules of the Court of Judicature (Northern Ireland) 1980 als auch nach den County Court Rules (Northern Ireland) 1981. Darin sind jeweils die Verfahren vor dem Court of Judicature und den County Courts in Nordirland geregelt. Für Verfahrenshandlungen im Rahmen vorstehender Alternativen ist vorgesehen, dass diese Anträge im Allgemeinen im Wege der Ladung zu einer Gerichtsverhandlung verbunden mit einer eidesstattlichen Erklärung gemäß dem Verfahren nach Order 32 und unter Verwendung des Formulars (*) 28 in Anhang A der Verfahrensregeln gestellt werden können. Sie sollten Angaben darüber enthalten, welches Rechtsbegehren der Antragsteller mit der Anordnung verfolgt und aus welchen Gründen er diese Anordnung begehrt. Ähnlich kann ein Antrag beim County Court im Wege der Anzeige der Antragstellung verbunden mit einer eidesstattlichen Erklärung nach Order 14 und unter Verwendung der allgemeinen Formulare (*) 1 und 2 in Anhang 1 der Verfahrensregeln gestellt werden. Auch hier sollte die Mitteilung Angaben darüber enthalten, welches Rechtsbegehren der Antragsteller mit der Anordnung verfolgt und aus welchen Gründen er diese Anordnung begehrt. Die Anhänge I–V der Verordnung enthalten die Formblätter, auf denen die Bestätigungen vom Gericht ausgestellt werden. Die Gläubiger benutzen die einschlägigen Formulare der Gerichte des Vereinigten Königreichs für die erforderliche Antragstellung, während die Bestätigung auf dem von der Verordnung vorgegebenen Formblatt ausgestellt wird. Ein Antrag nach Artikel 10 Absatz 3 kann unter Verwendung des Standardantragsformulars des Vereinigten Königreichs oder des Formblatts in Anhang VI der Verordnung gestellt werden. 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Nach Artikel 19 Absatz 1 muss dem Schuldner das Recht zustehen, eine Nachprüfung der Entscheidung zu beantragen, wenn er das Schriftstück zur Einleitung des Gerichtsverfahrens nicht erhalten hat oder ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage war, Einspruch gegen die Forderung zu erheben. Nach Order 13 Rule 8 der Rules of the Court of Judicature (Northern Ireland) 1980 kann der verurteilte Schuldner beim Gericht beantragen, das Versäumnisurteil aufzuheben oder abzuändern. Zwar ist für einen derartigen Antrag 28 Letzte Aktualisierung: 30.3.2021.
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keine besondere Form vorgeschrieben, doch kann er im Allgemeinen im Wege der Ladung zu einer Gerichtsverhandlung verbunden mit einer eidesstattlichen Erklärung gemäß dem Verfahren nach Rule 32 und unter Verwendung des Formulars 28 in Anlage A der Verfahrensregeln gestellt werden. Ähnlich kann der verurteilte Schuldner nach Order 12 Rule 12 der County Court Rules (Northern Ireland) 1981 einen solchen Antrag beim County Court stellen. Auch hier ist zwar keine besondere Form vorgeschrieben, doch kann der Antrag im Wege der Anzeige der Antragstellung verbunden mit einer eidesstattlichen Erklärung nach Order 14 und unter Verwendung der allgemeinen Formulare 1 und 2 in Anhang 1 der Verfahrensregeln gestellt werden. An beiden Gerichten ist die Wahrnehmung der Befugnis, das Versäumnisurteil aufzuheben oder abzuändern, in das sachdienliche Ermessen des Gerichts gestellt; diesem sind nach den Verfahrensregeln keine Bedingungen für die Ermessensausübung auferlegt. 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Bescheinigungen werden in Nordirland in englischer Sprache akzeptiert.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Zwar werden die öffentlichen Urkunden anderer Mitgliedstaaten in Nordirland vollstreckt, doch werden in Nordirland keine solchen Urkunden abgefasst. Daher ist es nicht erforderlich, eine amtliche Stelle zu bestimmen, die für ihre Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel zuständig ist. Vereinigtes Königreich – Schottland29 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Mit den geltenden Verfahrensvorschriften wird die Verordnung sowohl für den Sheriff Court als auch den Court of Session in Schottland mit den erforderlichen Anpassungen durchgeführt. Den Vorschriften zufolge ist ein Antrag auf Berichtigung oder Widerruf einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel unter Verwendung des Formblatts in Anhang VI der Verordnung zu stellen. Bei Anträgen an den Sheriff Court ist das Formblatt beim Sheriff Clerk einzureichen. Anträge an den Court of Session werden wie Petitionen behandelt und sind bei der Geschäftsstelle (Assistant Clerk of Session in the Court of Session) einzureichen. Act of Sederunt (Rules of the Court of Session Amendment No. 8) (Miscellaneous) 2005 Act of Sederunt (Sheriff Court European Enforcement Order Rules) 2005. Über den nachfolgenden Link sind die Formulare und Vorschriften auf der Website des Scottish Courts and Tribunals Service abrufbar: https://www.scotcourts.gov.uk/taking-action/european-applications/european-enforcement-orders 2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Nach Artikel 19 Absatz 1 muss dem Schuldner das Recht zustehen, eine Nachprüfung der Entscheidung zu beantragen, wenn er das Schriftstück zur Einleitung des Gerichtsverfahrens nicht erhalten hat oder ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage war, Einspruch gegen die Forderung zu erheben. Die geltenden Verfahrensvorschriften des Sheriff Court und des Court of Session in Schottland werden mit den entsprechenden Anpassungen angewandt, um die Durchführung der Verordnung sicherzustellen. Im Folgenden findet sich eine kurze Zusammenfassung der einschlägigen Verfahrensvorschriften von Sheriff Court und Court of Session. Den vollständigen Wortlaut der Vorschriften und die entsprechenden Formulare finden Sie unter: http://www.scotcourts.gov.uk. Verfahrensvorschriften des Sheriff Court Einfaches Verfahren Seit dem 28.11.2016 ist das vereinfachte Verfahren anwendbar, wenn eine Forderung mit einem Streitwert von bis zu 5000 GBP geltend gemacht wird, die auf die Zahlung, Lieferung oder Herausgabe einer beweglichen Sachen oder auf eine Anweisung zu einer Handlung gerichtet ist. Überprüfung der Entscheidung: Es gibt zwei Arten von Überprüfungen: Widerruf einer Entscheidung und Rechtsmittel. Nach Verfahrensvorschrift (Rule) 13.6 kann eine Partei unter Verwendung des Formblatts 13B(1) für Entscheidungen, die vor dem 30.7.2018 ergangen sind, oder des Formblatts 13B(2) für Entscheidungen, die am oder nach dem 30.7.2018 erlassen wurden, unter Angabe der Gründe, aus denen die Entscheidung widerrufen werden sollte,
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Art. 30 EG-VollstrTitelVO Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen einen Antrag auf Widerruf stellen. Die antragstellende Partei sollte auch ein Antwortformular (Formblatt 4A) ausfüllen und dieses zusammen mit dem betreffenden Formblatt 13B dem Gericht übermitteln. Nach Verfahrensvorschrift 16.2 kann eine Partei innerhalb von vier Wochen nach Übermittlung des Entscheidungsformulars, in dem die vom Sheriff Appeal Court zu prüfenden Rechtsfragen aufgeführt sind, Rechtsmittel beim Sheriff Appeal Court einlegen (Formblatt 16A). Der vollständige Wortlaut der Vorschriften findet sich im Abschnitt „Sheriff Courts“ unter Scot Courts gemäß dem Act of Sederunt, in dem das vereinfachte Verfahren geregelt ist. Die Formblätter und Standard Orders finden sich im darauffolgenden Abschnitt. Geringfügige Forderungen Das Verfahren in Fällen mit einem Streitwert von höchstens 3000 GBP findet sich in den Small Claims Rules 2002. (Seit dem 28.11.2016 ist das vereinfachte Verfahren anwendbar, wenn eine Forderung mit einem Streitwert von bis zu 5000 GBP geltend gemacht wird, die auf die Zahlung, Lieferung oder Herausgabe einer beweglichen Sachen oder auf eine Anweisung zu einer Handlung gerichtet ist – siehe oben.) Überprüfung der Entscheidung: Es gibt drei Arten der Überprüfung – Widerruf der Entscheidung (recall of decree), Berufung (appeal) und Beantragung der Abänderung etc. der Entscheidung in Bezug auf dieselbe Forderung (applications in the same claim for variations etc. of the decree). Gemäß der Verfahrensvorschrift 21.10 kann eine Partei beantragen, dass eine Entscheidung abgeändert oder aufgehoben bzw. dass ihre Vollstreckbarkeit ausgesetzt wird, indem sie einen Schriftsatz (minutes) einreicht, in dem die Antragsgründe kurz dargelegt werden. Gemäß der Verfahrensvorschrift 22.1 kann eine Partei beantragen, dass eine Entscheidung widerrufen wird, indem sie das Formular 20 einreicht und darin erläutert, warum sie bei der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und aus welchen Gründen sie die Entscheidung für unrichtig hält. Gemäß der Verfahrensvorschrift 23.1 kann eine Partei Berufung beim Sheriff Principal einlegen, indem sie mittels des Formulars 21 binnen 14 Tagen nach Verkündung der abschließenden Entscheidung einen Berufungsschriftsatz einreicht und darin darlegt, auf welche Gründe sich ihre Berufung stützt. Gemäß der Verfahrensvorschrift 23.4 ist ein Antrag auf Zulassung der Anfechtung einer Anordnung einer Zahlungsfrist oder einer sonstigen damit zusammenhängenden Anordnung unter Verwendung des Formulars 22 zu stellen. Darin ist darzulegen, auf welche Gründe sich der Antrag stützt. Wird dem Antrag stattgegeben, so ist das Formular 23 auszufüllen und allen anderen Parteien binnen 14 Tagen ab dem Datum des Zulassungsbeschlusses zuzustellen. Der vollständige Wortlaut der Verfahrensvorschriften findet sich im Abschnitt „Sheriff Courts“ auf der SCTSWebsite unter Small Claim Rules und die Formblätter unter Small Claim Forms. Summarisches Verfahren In den Summary Cause Rules 2002 ist das Verfahren geregelt, das Anwendung findet, wenn der Streitwert zwischen 3000 GBP und 5000 GBP liegt. (Seit dem 28.11.2016 ist das vereinfachte Verfahren anwendbar, wenn eine Forderung mit einem Streitwert von bis zu 5000 GBP geltend gemacht wird, die auf die Zahlung, Lieferung oder Herausgabe einer beweglichen Sachen oder auf eine Anweisung zu einer Handlung gerichtet ist – siehe oben.) Überprüfung der Entscheidung: Es gibt drei Arten der Überprüfung – Widerruf der Entscheidung (recall of a decree), Berufung (appeal) und Beantragung der Abänderung etc. der Entscheidung in Bezug auf dieselbe Forderung (applications in the same claim for variations etc. of decree). Zusätzlich gibt es spezielle Vorschriften für die Anfechtung der Anordnung einer Zahlungsfrist. Gemäß der Verfahrensvorschrift 24.1 kann eine Partei beantragen, dass eine Entscheidung widerrufen wird, indem sie das Formular 30 einreicht und darin erläutert, warum sie bei der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und aus welchen Gründen sie die Entscheidung für unrichtig hält. Gemäß der Verfahrensvorschrift 25.1 kann eine Partei Berufung beim Sheriff Principal einlegen, indem sie mit Hilfe des Formulars 31 binnen 14 Tagen nach Verkündung der abschließenden Entscheidung einen Berufungsschriftsatz einreicht und darin darlegt, auf welche Gründe sich ihre Berufung stützt. Gemäß der Verfahrensvorschrift 25.4 ist ein Antrag auf Zulassung der Anfechtung einer Anordnung einer Zahlungsfrist oder einer sonstigen damit zusammenhängenden Anordnung unter Verwendung des Formulars 32 zu stellen. Darin ist darzulegen, auf welche Gründe sich der Antrag stützt. Wird dem Antrag stattgegeben, so ist das Formular 33 auszufüllen und allen anderen Parteien binnen 14 Tagen ab dem Datum des Zulassungsbeschlusses zuzustellen. Der vollständige Wortlaut der Verfahrensvorschriften findet sich im Abschnitt „Sheriff Courts“ auf der SCTSWebsite unter Summary Cause Rules und das Formblatt unter Summary Cause Forms.
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Ordentliches Verfahren In den Ordinary Cause Rules 1993 ist das Verfahren geregelt, das Anwendung findet, wenn der Streitwert 5000 GBP übersteigt. Überprüfung der Entscheidung: Berufung kann entweder beim Sheriff Principal oder beim Court of Session eingelegt werden; ferner gibt es das Verfahren der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Reponing procedure). Gemäß der Verfahrensvorschrift 8.1 kann ein Beklagter Einspruch gegen ein Versäumnisurteil einlegen, indem er in einem entsprechenden Schriftsatz (reponing note) erläutert, warum er bei der mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und aus welchen Gründen er die Entscheidung für unrichtig hält. Für diesen Antrag ist keine bestimmte Form vorgeschrieben, jedoch wird er normalerweise in Form eines verfahrenseinleitenden Schriftsatzes (Initial Writ, Formular G1) gestellt. Wird dem Antrag stattgegeben, so läuft das Verfahren so weiter, als hätte der Beklagte der Klage widersprochen. Gemäß der Verfahrensvorschrift 31.3 ist eine Berufung beim Court of Session durch Eintragung der Berufung in das entsprechende Register (Principal interlocutor sheets) oder durch Einreichung eines separaten Schriftsatzes beim Sheriff Clerk einzulegen. Gemäß der Verfahrensvorschrift 31.4 ist eine Berufung beim Sheriff Principal durch Einreichung einer Berufungsschrift auf dem Formular A1 einzulegen. In den Verfahrensvorschriften 31.1 und 31.2 sind die entsprechenden Fristen festgelegt. Der vollständige Wortlaut der Verfahrensvorschriften findet sich im Abschnitt „Sheriff Courts“ auf der SCTSWebsite unter Ordinary Cause Rules. Verfahrensvorschriften des Court of Session 1994 Überprüfung der Entscheidung: Gemäß der Verfahrensvorschrift 19.2 kann ein Beklagter den Widerruf der Entscheidung beantragen, wenn er gleichzeitig der Klage widerspricht. Das Verfahren läuft dann so weiter, als habe der Beklagte seine Klageerwiderung rechtzeitig eingereicht. Der vollständige Wortlaut der Verfahrensvorschriften findet sich im Abschnitt „Court of Session“ auf der SCTSWebsite unter Court of Session Rules. 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Bescheinigungen werden in Schottland in englischer Sprache akzeptiert.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Ist eine öffentliche Urkunde zur Aufbewahrung und zur Vollstreckung in den Registern (Books of Council and Session) registriert, so stellt der Geschäftsstellenbeamte (Keeper of the Registers) die Bescheinigung darüber aus. Die entsprechende Anschrift lautet: Registers of Scotland, Erskine House, 68 Queen Street, Edinburgh, EH2 4NF, Tel.: 0845 607 0161, E-Mail: [email protected] Ist die Urkunde zur Aufbewahrung und zur Vollstreckung in den Registern des Sheriff Court (Sheriff Court books) registriert, so stellt die Geschäftsstelle des Gerichts (sheriff clerks) die Bescheinigung aus. Gemäß der Verfahrensvorschrift 5 über die Vollstreckung von Entscheidungen des Sheriff Court als europäischer Vollstreckungstitel ist eine Bescheinigung nach Artikel 25 Absatz 1 der EU-Verordnung zu beglaubigen. Einzelheiten zu den Sheriff Courts finden sich im Abschnitt „Courts and Tribunals Locations“ der SCTS-Website unter „Courts Locations“. Vereinigtes Königreich – Gibraltar30 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) By virtue of Rule 6 of the Gibraltar Supreme Court Rules, the Civil Procedure Rules for England and Wales apply in Gibraltar. Article 10 refers to the entitlement to apply to the court to have a certificate rectified (if it is at variance with the judgment) or withdrawn (if it is at variance with the Regulation). The procedure that is in place to deal with these situations is Part 23 of the Civil Procedure Rules which contains the rules for making applications to the court. The application will be made on an application notice known as Form (*) N244 The application notice must state what order the applicant is seeking (i.e an order for rectification or withdrawal) and why the applicant is seeking the order (for example, because there is a discrepancy in the certificate). http://www.justice.gov.uk/civil/procrules_ fin/contents/parts/part74.htm
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Art. 30 EG-VollstrTitelVO Angaben zu den Rechtsbehelfen, Sprachen und Stellen Part 74.27 of the Civil Procedure Rules and it accompanying Practice Direction, Practice Direction 74B contain provisions for the European Enforcement Order in England and Wales including procedures for rectification and withdrawal. (*) UK confirms that the standard forms in the Regulation will be used. Annexes I–V of the R egulation are the forms in which the certificates shall be issued by the court. Creditors will use the relevant UK court forms to make the requisite applications and the certificate will be issued in the form provided by the Regulation. It is envisaged that an application under Article 10(3) may be made using UK’s standard form of application or the form at Annex VI of the Regulation.
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2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) By virtue of Rule 6 of the Gibraltar Supreme Court Rules, the Civil Procedure Rules for England and Wales apply in Gibraltar. The Rules of Court for England and Wales made under the Civil Procedure Act 1997 will be used to give effect to this Regulation. These Rules of Court are known as the Civil Procedure Rules (CPR) and are made by statutory instrument. Article 19(1) requires that the debtor must be entitled to apply for a review of the judgment in circumstances where the document instituting the proceedings did not reach him or he was prevented from objecting to the claim through no fault of his own. Part 13 of the CPR will permit the judgment debtor to apply for a review of the judgment in the circumstances described in Article 19. It sets out the procedure for making an application to set aside or vary default judgment. Default judgment can be obtained where the judgment debtor has failed to file an acknowledgment of service and/or a defence. The full text of Part 13 can be found at: http://www.dca.gov.uk/civil/procrules_fin/contents/parts/part13.htm No forms are prescribed for making an application to set aside or vary default judgment. It is usual for the applicant to make the application using the application notice in Form N244 (http://www.hmcourts-service.gov.uk/ courtfinder/forms/n244_eng.pdf). The applicant should state the order he wants and why judgment should be set aside or varied, for example because he was not served the proceedings in sufficient time to prepare his defence. The hearing of that application will entail a review of the judgment. 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Certificates sent to Gibraltar will be accepted in English.
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4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) While Authentic Instruments from other Member States will be enforced in Gibraltar they are not produced in Gibraltar. Therefore there is no need to designate an authority to certify them.
124
Zypern31 1. Verfahren für die Berichtigung und den Widerruf (Art. 10 Abs. 2) Die Verfahren für die Berichtigung sind dieselben, auf die in der Zivilprozessordnung verwiesen wird. Die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel kann berichtigt werden, wenn ein materieller Fehler vorliegt oder die Entscheidung und die Bestätigung voneinander abweichen.
125
126 127
2. Überprüfungsverfahren (Art. 19 Abs. 1) Die Überprüfung der Entscheidung kann nach Maßgabe der Zivilprozessordnung beantragt werden. Gemäß Verordnung 48 müssen alle Anträge schriftlich gestellt und den betroffenen Parteien spätestens vier Tage vor dem für die Verhandlung festgesetzten Termin zugestellt werden. Zur Einreichung eines Antrags kann das Formblatt in Anhang VI der Verordnung verwendet werden. 3. Zugelassene Sprachen (Art. 20 Abs. 2 lit. c) Griechisch und Englisch 4. Zur Bestätigung von öffentlichen Urkunden bestimmte Behörden (Art. 25) Nicht anwendbar. Im Rechtssystem Zyperns gibt es keine öffentlichen Urkunden im Sinne des Artikels 4 der Verordnung.
31 Letzte Aktualisierung: 25.6.2021.
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Kap. VIII: Allgemeine und Schlussbestimmungen
Art. 32 EG-VollstrTitelVO
Artikel 31 Änderungen der Anhänge Die Kommission ändert die in den Anhängen enthaltenen Formblätter. Diese Maßnahmen zur Änderung nicht wesentlicher Bestimmungen dieser Verordnung werden nach dem in Artikel 32 Absatz 2 genannten Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen.
I. Ermächtigung der Kommission Art. 31 EG-VollstrTitelVO wurde durch Anh. Nr. 4 VO (EG) 1103/2008 v. 22.10.20081 ersetzt. Art. 31 1 EG-VollstrTitelVO beinhaltet weiterhin die grundsätzliche Ermächtigung der Kommission, die Formblätter in den Anhängen I bis VI zu ändern. Als Änderungsverfahren ist jedoch nunmehr das in Art. 32 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO benannte Regelungsverfahren mit Kontrolle anzuwenden. Dadurch werden Rat und Parlament über beabsichtigte Änderungen frühzeitig informiert und behalten ein Vetorecht gegen Änderungsvorhaben der Kommission (s. Art. 32 EG-VollstrTitelVO Rz. 6). Die restriktive Auslegung der Änderungskompetenz2 konnte mit der Einführung des neuen Verfahrensrechts aufgegeben werden, so dass die Änderungsmöglichkeit der Formblätter durch die Kommission nicht mehr auf bloße technische Anpassungen, Erweiterungen und Klarstellungen zu begrenzen ist. Angezeigt wäre es, vergleichbar den heutigen Fassungen der Art. 77, 78 Brüssel Ia-VO, Art. 30, 31 EGMahnVO und Art. 26, 27 EG-BagatellVO, der Kommission die Befugniss zur Änderung der Anhänge mittels delegierter Rechtsakte gemäß Art. 290 AEUV einzuräumen und das hier in Art. 31, 32 vorgesehene Verfahren zu ersetzen.
1a
II. Anwendungsfälle Ein erster wichtiger Anwendungsfall war die umfangreiche Beitrittsrunde 2004. Aufgrund des Beitrittes von 10 neuen Staaten zur EU, in denen die VO, obwohl vor dem Beitritt ohne ihr Mitwirken erlassen, am 21.1.2005 ebenfalls in Kraft trat, mussten die Formblätter in den Anhängen entsprechend angepasst werden. Dies erfolgte durch die VO (EG) 1869/2005 der Kommission vom 16.11.2005.3
2
Für die folgenden Beitrittsrunden 2007 und 2013, mit der Bulgarien und Rumänien bzw. Kroatien 3 zur EU hinzukamen, erfolgte bis heute keine formale Anpassung der Anhänge. Nichtsdestotrotz stellt die Europäische Kommission auf dem „Europäischen Justizportal“4 im Internet die Formulare der Anhänge mit Ergänzungen hinsichtlich dieser Mitgliedstaaten und in den neu hinzugefügten Amtssprachen bereit. Bei den Währungsfeldern fehlt dann wiederum die explizite Auflistung des bulgarischen Lew und rumänischen Leu, wohingegen die kroatische Kuna genannt wird. Dennoch sollte die Anpassung der Anhänge in dem dafür vorgesehenen Verfahren vollständig mit entsprechender Veröffentlichung vorgenommen werden.
Artikel 32 Ausschuss (1) Die Kommission wird von dem in Artikel 75 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 genannten Ausschuss unterstützt. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten Artikel 5a Absätze 1 bis 4 und Artikel 7 des Beschlusses 1999/468/EG unter Beachtung von dessen Artikel 8.
1 2 3 4
ABl. EU 2008 L 304/80. S. Rauscher/Rauscher/Pabst, EuZPR2 (2006) Rz. 1. ABl. EU 2005 L 300/6. https://e-justice.europa.eu/content_european_enforcement_order_forms-270-de.do (23.6.2021).
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Art. 32 EG-VollstrTitelVO Ausschuss I. Normgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterstützender Ausschuss . . . . . . . . . . .
1 2
III. Änderungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . .
3
1. Anwendbares Verfahrensrecht . . . . . . . . . . 2. Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 5
I. Normgeschichte 1
Art. 32 EG-VollstrTitelVO wurde durch Anh. Nr. 4 VO (EG) 1103/2008 v. 22.10.20081 ersetzt. Abs. 1 blieb dabei wortgleich erhalten, Abs. 2 wurde neu gefasst, um das neue Regelungsverfahren mit Kontrolle auf die Änderungsverfahren zur Anwendung zu bringen, die durch die Kommission durchgeführt werden können (s. Art. 31 EG-VollstrTitelVO).
1a
Der in Bezug genommene Beschluss 1999/468/EG wurde jedoch durch Art. 12 VO (EU) 182/20112 aufgehoben; Art. 5a Beschluss 1999/468/EG behält aber weiterhin seine Wirkung, bei Verweisen auf Art. 7, 8 Beschluss 1999/468/EG finden allerdings Art. 10, 11 VO (EU) 182/2011 Anwendung.
II. Unterstützender Ausschuss 2
Die Aufgaben des bereits aufgrund Art. 75 Brüssel I-VO eingerichteten Ausschusses werden derart erweitert, dass dieser nunmehr auch für die EG-VollstrTitelVO zuständig ist. Da beide Rechtsinstrumente in einem gewissen Zusammenhang stehen und die EG-VollstrTitelVO Pilotprojekt für eine spätere Änderung der gesamten Brüssel I-VO sein sollte, war die Konzentration der Arbeit bei demselben Ausschuss sinnvoll. Der Ausschuss leistet vorbereitende und unterstützende Arbeit.3
III. Änderungsverfahren 3
Abs. 2 beschreibt durch Verweis, wie ein die Verordnung änderndes Verfahren durchzuführen ist. Derzeit einzige dort genannte „Bezugnahme auf diesen Absatz“ erfolgt in Art. 31 EG-VollstrTitelVO für die Änderung der Formblätter in den Anhängen. Diese können daher in diesem vereinfachten Verfahren geändert werden. 1. Anwendbares Verfahrensrecht
4
Der in Abs. 2 genannte Art. 5a Abs. 1–4 Beschluss 1999/468/EG geändert durch Beschluss 2006/512/EG4 lautet: Artikel 5a – Regelungsverfahren mit Kontrolle (1) Die Kommission wird von einem Regelungskontrollausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem der Vertreter der Kommission den Vorsitz führt. (2) Der Vertreter der Kommission unterbreitet dem Ausschuss einen Entwurf der zu ergreifenden Maßnahmen. Der Ausschuss gibt seine Stellungnahme zu diesem Entwurf innerhalb einer Frist ab, die der Vorsitzende unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der betreffenden Frage festsetzen kann. Die Stellungnahme wird mit der Mehrheit abgegeben, die in Artikel 205 Absätze 2 und 4 des Vertrags für die Annahme der vom Rat auf Vorschlag der Kommission zu fassenden Beschlüsse vorgesehen ist. Bei der Abstimmung im Ausschuss werden die Stimmen der Vertreter der Mitgliedstaaten gemäß dem vorgenannten Artikel gewogen. Der Vorsitzende nimmt an der Abstimmung nicht teil. (3) Stehen die von der Kommission beabsichtigten Maßnahmen mit der Stellungnahme des Ausschusses im Einklang, so findet folgendes Verfahren Anwendung: 1 ABl. EU 2008 L 304/80. 2 Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeines Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. EU 2011 L 55/13. 3 Allgemein zu den Ausschüssen Oppermann/Classen/Nettesheim/Nettesheim, Europarecht8 (2018), § 5 Rz. 113 ff. 4 Konsolidierte Fassung ABl. EU 2006 C 255/4.
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Kap. VIII: Allgemeine und Schlussbestimmungen
Art. 32 EG-VollstrTitelVO
a) Die Kommission unterbreitet dem Europäischen Parlament und dem Rat unverzüglich den Entwurf von Maßnahmen zur Kontrolle. b) Der Erlass dieses Entwurfs durch die Kommission kann vom Europäischen Parlament mit der Mehrheit seiner Mitglieder oder vom Rat mit qualifizierter Mehrheit abgelehnt werden, wobei diese Ablehnung darin begründet sein muss, dass der von der Kommission vorgelegte Entwurf von Maßnahmen über die im Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgeht oder dass dieser Entwurf mit dem Ziel oder dem Inhalt des Basisrechtsakts unvereinbar ist oder gegen die Grundsätze der Subsidiarität oder Verhältnismäßigkeit verstößt. c) Spricht sich das Europäische Parlament oder der Rat innerhalb von drei Monaten nach seiner Befassung gegen den Entwurf von Maßnahmen aus, so werden diese nicht von der Kommission erlassen. In diesem Fall kann die Kommission dem Ausschuss einen geänderten Entwurf von Maßnahmen unterbreiten oder einen Vorschlag für einen Rechtsakt auf der Grundlage des Vertrags vorlegen. d) Hat sich nach Ablauf dieser Frist weder das Europäische Parlament noch der Rat gegen den Entwurf von Maßnahmen ausgesprochen, so werden sie von der Kommission erlassen. (4) Stehen die von der Kommission beabsichtigten Maßnahmen nicht mit der Stellungnahme des Ausschusses im Einklang oder liegt keine Stellungnahme vor, so findet folgendes Verfahren Anwendung: a) Die Kommission unterbreitet dem Rat unverzüglich einen Vorschlag für die zu ergreifenden Maßnahmen und übermittelt diesen Vorschlag gleichzeitig dem Europäischen Parlament. b) Der Rat befindet innerhalb von zwei Monaten nach seiner Befassung mit qualifizierter Mehrheit über diesen Vorschlag. c) Spricht sich der Rat innerhalb dieser Frist mit qualifizierter Mehrheit gegen die vorgeschlagenen Maßnahmen aus, so werden diese nicht erlassen. In diesem Fall kann die Kommission dem Rat einen geänderten Vorschlag unterbreiten oder einen Vorschlag für einen Rechtsakt auf der Grundlage des Vertrags vorlegen. d) Beabsichtigt der Rat den Erlass der vorgeschlagenen Maßnahmen, so unterbreitet er diese unverzüglich dem Europäischen Parlament. Befindet der Rat nicht innerhalb der genannten Frist von zwei Monaten, so unterbreitet die Kommission dem Europäischen Parlament unverzüglich die Maßnahmen. e) Der Erlass dieser Maßnahmen kann vom Europäischen Parlament innerhalb einer Frist von vier Monaten ab Übermittlung des Vorschlags gemäß Buchstabe a mit der Mehrheit seiner Mitglieder abgelehnt werden, wobei diese Ablehnung darin begründet sein muss, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen über die im Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse hinausgehen oder dass diese Maßnahmen mit dem Ziel oder dem Inhalt des Basisrechtsakts unvereinbar sind oder gegen die Grundsätze der Subsidiarität oder Verhältnismäßigkeit verstoßen. f) Spricht sich das Europäische Parlament innerhalb dieser Frist gegen die vorgeschlagenen Maßnahmen aus, so werden diese nicht erlassen. In diesem Fall kann die Kommission dem Ausschuss einen geänderten Entwurf von Maßnahmen unterbreiten oder einen Vorschlag für einen Rechtsakt auf der Grundlage des Vertrags vorlegen. g) Hat sich das Europäische Parlament nach Ablauf der genannten Frist nicht gegen die vorgeschlagenen Maßnahmen ausgesprochen, so werden sie je nach Fall vom Rat oder von der Kommission erlassen.
Die in Abs. 2 genannten Art. 7, 8 Beschluss 1999/468/EG wurden durch Art. 10, 11 VO (EU) 182/2011 ersetzt. Diese lauten: Artikel 10 – Information über Ausschussverfahren (1) Die Kommission führt ein Register der Ausschussverfahren, das Folgendes enthält: a) eine Liste der Ausschüsse, b) die Tagesordnungen der Ausschusssitzungen, c) die Kurzniederschriften sowie Listen der Behörden und Stellen, denen die Personen angehören, die die Mitgliedstaaten in deren Auftrag vertreten, d) die Entwürfe der Durchführungsrechtsakte, zu denen die Ausschüsse um eine Stellungnahme ersucht werden, e) die Abstimmungsergebnisse, f) die endgültigen Entwürfe der Durchführungsrechtsakte nach Abgabe der Stellungnahme der Ausschüsse, g) Angaben zum Erlass der im endgültigen Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakte durch die Kommission sowie h) statistische Angaben zur Arbeit der Ausschüsse. (2) Die Kommission veröffentlicht darüber hinaus einen jährlichen Bericht über die Arbeit der Ausschüsse.
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4a
Art. 33 EG-VollstrTitelVO
Inkrafttreten
(3) Das Europäische Parlament und der Rat haben im Einklang mit den geltenden Vorschriften Zugriff auf die in Absatz 1 genannten Angaben. (4) Die Kommission stellt die in Absatz 1 Buchstaben b, d und f genannten Dokumente dem Europäischen Parlament und dem Rat zur gleichen Zeit, zu der sie den Ausschussmitgliedern übermittelt werden, zur Verfügung und unterrichtet sie über die Verfügbarkeit dieser Dokumente. (5) Die Fundstellen der in Absatz 1 Buchstaben a bis g genannten Dokumente sowie die in Absatz 1 Buchstabe h genannten Angaben werden in dem Register öffentlich zugänglich gemacht. Artikel 11 – Kontrollrecht des Europäischen Parlaments und des Rates Wurde der Basisrechtsakt nach dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen, so können das Europäische Parlament oder der Rat die Kommission jederzeit darauf hinweisen, dass der Entwurf eines Durchführungsrechtsakts ihres Erachtens die im Basisrechtsakt vorgesehenen Durchführungsbefugnisse überschreitet. In diesem Fall überprüft die Kommission den Entwurf des Durchführungsrechtsakts unter Berücksichtigung der vorgetragenen Standpunkte und unterrichtet das Europäische Parlament und den Rat darüber, ob sie beabsichtigt, den Entwurf des Durchführungsrechtsakts beizubehalten, abzuändern oder zurückzuziehen.
2. Verfahrensablauf 5
Da die EG-VollstrTitelVO im Mitentscheidungsverfahren, mithin in der heutigen Terminologie im „ordentlichen Gesetzgebungsverfahren“ erlassen wurde, können das Europäische Parlament und der Rat gem. Art. 11 VO (EU) 182/2011 die Kommission jederzeit darauf hinweisen, dass der Entwurf eines Durchführungsrechtsaktes ihres Erachtens die in der VO vorgesehenen Durchführungsbefugnisse überschreitet. Die Kommission ist sodann verpflichtet den Durchführungsrechtsakt unter Berücksichtigung der vorgetragenen Standpunkte zu überprüfen. Zwar ist sie an die Standpunkte des Europäischen Parlaments oder des Rates nicht gebunden, jedoch muss sie beide Institutionen informieren, ob sie beabsichtigt ihren Entwurf beizubehalten, abzuändern oder zurückzuziehen.
6
Es findet das Regelungsverfahren mit Kontrolle Anwendung. Mit der Einführung dieses Verfahrens werden rechtstaatliche Bedenken ausgeräumt. Rat und Parlament werden nach Art. 5a des benannten Beschlusses im Verfahren informiert und haben die Möglichkeit zur Intervention. Sowohl Rat als auch Parlament haben so stets die Möglichkeit, von der Kommission beabsichtigte Änderungen zu stoppen. Das konkret anzuwendende Verfahren ist abhängig von dem Votum des die Kommission unterstützenden Ausschusses. Rat und Parlament bleiben damit als Legislativorgane Herrscher über die Verordnung; die Kommission kann auch in die Anhänge der VO nicht ohne Kenntnis des Europäischen Parlaments oder des Rates ändern.
Artikel 33 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am 21.1.2005* in Kraft. Sie gilt ab dem 21.10.2005 mit Ausnahme der Artikel 30**, 31 und 32, die ab dem 21.1.2005 gelten. 1
Zwar wird das Inkrafttreten in S. 1 auf den 21.1.2005 gelegt, ab diesem Zeitpunkt galt aber gemäß S. 2 lediglich ein Teil der Schlussbestimmungen. Alle anderen Vorschriften entfalten erst ab dem 21.10.2005 Wirkung.
2
In den auf den 21.1.2005 folgenden 9 Monaten bestand für die Mitgliedstaaten wie die Organe der EU Gelegenheit, die Einführung des Europäischen Vollstreckungstitels vorzubereiten und das nationale Verfahrensrecht an die Mindeststandards der VO anzupassen. Bereits im Januar 2005 trat ins*
In der englischen Fassung war fälschlich als Datum des Inkrafttretens der 21.1.2004 angegeben, was durch Berichtigung korrigiert wurde, ABl. EU 2005 L 97/64 (englische Ausfertigung). ** In der portugiesischen Fassung wurde – abgesehen vom Fehlen des einleitenden „O presente regulamento“ – versehentlich Art. 29 statt 30 bereits ab dem 21.1. für anwendbar erklärt, eine entsprechende Berichtigung war notwendig, ABl. EU 2005 L 168/50 (portugiesische Ausfertigung).
200
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Vorbemerkungen Anhänge
Vor Anhänge EG-VollstrTitelVO
besondere die Verpflichtung der Mitgliedstaaten in Kraft, der Kommission die von der VO verlangten Rechtsbehelfe, die zugelassenen Sprachen und zuständigen Stellen mitzuteilen (Art. 30 EG-VollstrTitelVO). Die Kommission wiederum benötigte gewisse Zeit, um diese Mitteilungen bekannt zu machen. Durch das vorzeitige Inkraftsetzen dieser Bestimmungen sollte ein reibungsloser Start der VO ermöglicht werden und sollten der Praxis von Anfang an alle notwendigen Informationen zur Verfügung stehen. Ebenso waren Anpassungen der Formblätter im Anhang bereits in dieser Vorbereitungsphase im ver- 3 einfachten Beratungsverfahren nach Art. 32 EG-VollstrTitelVO möglich. Eine Anpassung wurde aufgrund des Erlasses der VO vor dem 1.5.2004 und dem zu diesem Tag erfolgten Beitritt von 10 Mitgliedstaaten notwendig. Die neuen Mitgliedstaaten mussten in die Formblätter eingearbeitet werden. Der in Art. 32 EG-VollstrTitelVO benannte Ausschuss konnte bereits seine Arbeit hinsichtlich der VO aufnehmen. Seit dem 21.10.2005 können Entscheidungen, gerichtliche Vergleiche und öffentliche Urkunden der Mitgliedstaaten bei Vorliegen der in der VO benannten Voraussetzungen als EuVollstrTitel bestätigt werden. Zur Behandlung von vor dem Geltungsbeginn erfolgten „Bestätigungen“ s. Art. 26 EG-VollstrTitelVO Rz. 10.
4
In den Mitgliedstaaten, die erst später der Europäischen Union beigetreten sind, gilt die VO in ganzem Umfang ab dem Beitrittsdatum. Dies waren Bulgarien und Rumänien am 1.1.2007 sowie Kroatien am 1.7.2013. Eine Aufspaltung wie beim erstmaligen Inkrafttreten in den anderen EU-Ländern ist nicht notwendig, die notwendigen Vorbereitungen können bereits im Rahmen des Beitrittsprozesses getroffen werden. Bestätigungen können ab dem Beitrittsdatum erteilt werden, jedoch allein, wenn der zugrundliegende Titel nach dem Beitritt entstanden ist (s. im Einzelnen Art. 26 EG-VollstrTitelVO Rz. 4 ff., Art. 26 EG-VollstrTitelVO Rz. 10 f.).
5
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Geschehen zu Straßburg am 21.4.2004. Im Namen des Europäischen Parlaments Der Präsident P. COX
Im Namen des Rates Der Präsident D. ROCHE
Vorbemerkungen Anhänge Auch diese VO benutzt die im EuZPR inzwischen verbreitete Methode der Formblätter, um bestimmte Bestätigungen zu erteilen. Sie sind in allen Amtssprachen nach gleichem Muster abgefasst. Erst dies ermöglicht dem weniger sprachlich begabten Vollstreckungsorgan durch Vergleich mit dem Formblatt in seiner eigenen Sprachfassung den Inhalt der Bestätigung zu verstehen, wenn eine Übersetzung nicht mitgeliefert werden muss, da der Mitgliedstaat im Rahmen von Art. 20 Abs. 2 lit. c EG-VollstrTitelVO mitgeteilt hat, auch Bescheinigungen in bestimmten Fremdsprachen zu akzeptieren. Die im Gegensatz zur Brüssel I-VO, Brüssel Ia-VO und Brüssel IIa-VO einfacheren Formblätter dürften ein geringes Verständigungsrisiko bergen.
1
Erstaunlich ist allerdings, dass konsequent auch nach der Anpassung aufgrund der Beitrittsrunde 2 2004 die zumindest ungenaue Formulierung „… % über dem Basiszins der EZB“ aufgenommen wurde. Korrekt ist wohl auch hier, wie sonst bei Zinsforderungen üblich, „… Prozentpunkte über dem Basiszins der EZB“ gemeint. Auch wenn man entsprechende Bescheinigungen und Anträge nicht mathematisch kleinlich auslegen darf,1 wirkt eine derartige Notation hinsichtlich der Sachkompetenz des Verordnungsgebers wenig überzeugend. 1 Hartmann, NJW 2004, 1358.
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Vor Anhänge EG-VollstrTitelVO Inkrafttreten 3
Enthält ein deutscher Vollstreckungstitel als zu zahlende Zinsen die Forderung von „x Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB“, so fehlt es an einer allein aus dem Titel bestimmbaren Forderung, es müssen Bestimmungen des nationalen Rechts herangezogen werden. Es ist daher zuvor eine Bezifferung nach § 245 FamFG (ex § 790 ZPO) analog vorzunehmen, die auch dergestalt erfolgen kann, dass der Zinssatz nunmehr als x-0,88 Prozentpunkte über dem EZB-Basiszinssatz ausgedrückt wird (s. Art. 4 EG-VollstrTitelVO Rz. 24).
4
Mit Rücksicht auf den durch die Formblätter verfolgten Zweck verbietet es sich, über die schlichte Ausfüllung hinausgehende Zusätze anzubringen. Hier leistet die Kommission durch Veröffentlichung der Formblätter im Internet in der Weise, dass diese außerhalb definierter Felder schreibgeschützt sind, einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Effizienz der VO.2 Die aktuelle Fassung der Anhänge ist abrufbar in der von der EU zu Dokumentationszwecken erstellten konsolidierten Fassung unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02004R0805-20081204&from=DE (zuletzt abgerufen am 20.7.2021) Die EU stellt die Formblätter zudem als Onlineformulare zum Ausfüllen zur Verfügung unter: https://e-justice.europa.eu/270/DE/european_enforcement_order_forms?clang=de (zuletzt abgerufen am 20.7.2021)
2 https://e-justice.europa.eu/content_european_enforcement_order_forms-270-de.do (23.6.2021).
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Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens ABl. EU 2006 L 399/1 Art. 7 Abs. 3, Anh. I Formblatt A Nr. 9 (de) berichtigt ABl. EU 2008 L 46/52 Anh. I–VII (de) berichtigt ABl. EU 2008 L 333/17 Anh. I–VII geändert durch VO (EU) 936/2012 v. 4.10.2012 ABl. EU 2012 L 283/1 Anh. I, II, V geändert durch Art. 1 Abs. 1 lit. k Str. 5 i.V.m. Anh. Nr. 13 A 3 VO (EU) 517/2013 v. 13.5.2013 ABl. EU 2013 L 158/1 Schrifttum: von Bernstorff, Der Europäische Zahlungsbefehl, RIW 2008, 548; Crifò, Cross-border enforcement of debts in the European Union, 2008; Barona, Das Spanische Mahnverfahren und die Anwendung des Europäischen Mahnverfahrens in Spanien, ZZPInt 15 (2010), 127; Bittmann, Vom Exequatur- zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren, 2008; Drehsen, Zustellung gerichtlicher Schriftstücke im Rahmen der EuMahnVO, IPRax 2019, 378; Ebenbichler, Die französische Procedure d’injonction de payer (bzw. de faire) im Vergleich zum Mahnverfahren in Österreich, ZfRV 2006, 63; Einhaus, Die revidierte EuGFVO im System des europäischen Zivilverfahrensrechts, RIW 2018, 631; Einhaus, Qual der Wahl: Europäisches oder internationales deutsches Mahnverfahren?, IPRax 2008, 323; Einhaus, Erste Erfahrungen mit dem Europäischen Zahlungsbefehl, EuZW 2011, 865; Ferrand, Mahnverfahren Allemande, Injonction de payer Française et projets Communautaires: Remarques Comparatives, in Festschrift für Peter Schlosser (2005) 175; Fiorini, Faciliating cross-border debt recovery: The European payment order and small claims regulations, ICLQ 2008, 449; Freitag, Rechtsschutz des Schuldners gegen den Europäischen Zahlungsbefehl nach der EuMahnVO, IPRax 2007, 509; Freitag/Leible, Erleichterung der grenzüberschreitenden Forderungsbeitreibung in Europa: Das Europäische Mahnverfahren, BB 2008, 2750; Freitag, Anerkennung und Rechtskraft europäischer Titel nach EuVTVO, EuMahnVO und EuBagatellVO, in FS Jan Kropholler (2008) 759; Freudenthal, Incassoprocedures. 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Gruber
203
EG-MahnVO
Schrifttum
729; Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren (2008); Sujecki, Mahnverfahren (2007); Sujecki, Das Europäische Mahnverfahren, NJW 2007, 1622; Sujecki, Kritische Anmerkungen zum gerichtlichen Prüfungsumfang im Europäischen Mahnverfahren, ERA Forum 2007, 91; Sujecki, Das Europäische Mahnverfahren nach dem Gemeinsamen Standpunkt, EuZW 2006, 609; Sujecki, Europäisches Mahnverfahren – Geänderter Verordnungsvorschlag, EuZW 2006, 330; Sujecki, Europäisches Mahnverfahren, ZEuP 2006, 124; Sujecki, Europäisches Mahnverfahren nach dem Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission, EuZW 2005, 45; Sujecki, Erste Überlegungen zum europäischen elektronischen Mahnverfahren, MMR 2005, 213; Schollmeyer, Europäisches Mahnverfahren, IPRax 2002, 478; Tschütscher/Weber, Die Verordnung zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ÖJZ 2007, 303; Ulrici, Die EuMVVO im System des EuZPR, RIW 2018, 718; Vollkommer/Huber, Neues Europäisches Zivilverfahrensrecht in Deutschland, NJW 2009, 1105; Wolber, in Beck’scher Online-Kommentar, EuMMVO, 40. Edition 2021. Materialien: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch über ein Europäisches Mahnverfahren und über Maßnahmen zur einfacheren und schnelleren Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert, 20.12.2002, KOM (2002) 746; Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zum Grünbuch über [wie vorstehend], 18.6.2003, ABl. EU 2003 C 220/5; Gargani, Europäisches Parlament, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Bericht über die Aussichten auf eine Angleichung des Zivilprozessrechts in der Europäischen Union (KOM (2002) 746 + KOM (2002) 654), 30.1.2004, A5-0041/2004; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, 25.5.2004, KOM (2004) 173/3; Rat der Europäischen Union, Gutachten des Juristischen Dienstes, 4.6.2004, 10107/04; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 20.7.2004, 11289/04; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 17.9.2004, 12283/04; Rat der Europäischen Union, Vermerk der Deutschen Delegation, 20.9.2004, 12378/04; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 11.10.2004, 12899/04; Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zum Vorschlag [wie vorstehend], 9.2.2005, ABl. EU 2005 C 221/77; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 23.3.2005, 7361/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 1.4.2005, 7553/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 5.4.2005, 7591/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 7.4.2005, 7838/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 27.4.2005, 8450/05; McCarthy, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, Bericht über den Vorschlag [wie vorstehend], 18.7.2005, A6-0240/2005; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 29.7.2005, 11520/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 25.10.2005, 13668/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes (Text des Verordnungsvorschlages mit vorgeschlagenem Gesamtkompromisspaket), 29.11.2005, 15048/05; Europäisches Parlament, Erste Lesung, 13.12.2005, P6 TA(2005) 0499; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Generalsekretariats (Ergebnisse der ersten Lesung des Europäischen Parlaments), 21.12.2005, 15686/05; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Geänderter Vorschlag für eine Verordnung [wie vorstehend], 7.2.2006, KOM (2006) 57; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 10.2.2006, 6163/06; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes (Text des Verordnungsvorschlages), 10.2.2006, 6164/06; 15.2.2006, 6164/06 ADD 1 – ADD 7; Rat der Europäischen Union, Korrigendum zum Vermerk des Vorsitzes, 17.2.2006, 6164/06 COR 1; Rat der Europäischen Union, A-Punkt-Vermerk, 17.2.2006, 6438/06; Rat der Europäischen Union, Vermerk der Kommission, 2.3.2006, 6667/06; Rat der Europäischen Union, Gemeinsamer Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung [wie vorstehend], 13.6.2006, 7535/06, 7535/06 ADD 1 – ADD 7; Rat der Europäischen Union, I/A-Punkt-Vermerk, 15.6.2006, 10414/06; Rat der Europäischen Union, Addendum zum I/A-Punkt-Vermerk, 15.6.2006, 10414/06 ADD 1; Rat der Europäischen Union, Entwurf der Begründung des Rates, 16.6.2006, 7535/06 ADD 8; Rat der Europäischen Union, Entwurf der Begründung des Rates, 20.6.2006, 7535/06 ADD 8 REV 1; Rat der Europäischen Union, Korrigendum zum Entwurf der Begründung des Rates, 28.6.2006, 7535/06 ADD 8 REV 1 COR 1; Rat der Europäischen Union, Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 30. Juni 2006 im Hinblick auf den Erlass der Verordnung [wie vorstehend], 30.6.2006, 7535/3/06 REV 3, 7535/3/06 REV 3 ADD 1-ADD 7; Rat der Europäischen Union, Begründung des Rates zum Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass der Verordnung [wie vorstehend], 30.6.2006, 7535/3/06 REV 3 ADD 8; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gem. Artikel 251 Absatz 2 Unterabsatz 2 EG-Vertrag über den gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung [wie vorstehend], 4.7.2006, KOM(2006) 374; McCarthy, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, Empfehlung für die zweite Lesung, 5.10.2006, A6-0316/2006; Europäisches Parlament, Zweite Lesung, 25.10.2006, P6 TA(2006) 0440; Rat der Europäischen Union, Konsolidierter Gemeinsamer Standpunkt, 28.11.2006, PE-CONS 3659/06 ADD 1–ADD 7; Rat der Europäischen Union, Konsolidierter Gemeinsamer Standpunkt, 12.12.2006, PE-CONS 3659/206 REV 1; Rat der Europäischen Union, Konsolidierter Gemeinsamer Standpunkt, 12.12.2006, PE-CONS 3659/06 ADD 1-ADD 7 REV 1; Rat der Europäischen Union, I/A-Punkt-Vermerk, 1.12.2006, 15872/06; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Stellungnahme der Kommission gemäß Artikel 251 Absatz 2 Unterabsatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag zu den Abänderungen des Europäischen Parlaments an dem gemeinsamen Standpunkt des Rates betreffend den Vorschlag für eine Verordnung [wie vorstehend] zur Änderung des Vorschlags der Kommission gemäb Artikel 250, Absatz 2 des EG-Vertrages, 6.12.2006, KOM(2006) 797.
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DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION – gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Art. 61 Buchstabe c, auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,1 gemäß dem Verfahren des Art. 251 des Vertrages,2 in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Gemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zur schrittweisen Schaffung eines solchen Raums erlässt die Gemeinschaft u.a. im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen. (2) Gemäß Art. 65 Buchstabe c des Vertrags schließen diese Maßnahmen die Beseitigung der Hindernisse für eine reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren ein, erforderlichenfalls durch Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften. (3) Auf seiner Tagung am 15. und 16.10.1999 in Tampere forderte der Europäische Rat den Rat und die Kommission auf, neue Vorschriften zu jenen Aspekten auszuarbeiten, die unabdingbar für eine reibungslose justizielle Zusammenarbeit und einen verbesserten Zugang zum Recht sind, und nannte in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch das Mahnverfahren. (4) Am 30.11.2000 verabschiedete der Rat ein gemeinsames Programm der Kommission und des Rates über Maßnahmen zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.3 Darin wird die Schaffung eines besonderen, gemeinschaftsweit einheitlichen oder harmonisierten Verfahrens zur Erwirkung einer gerichtlichen Entscheidung in speziellen Bereichen, darunter die Beitreibung unbestrittener Forderungen, in Erwägung gezogen. Dies wurde durch das vom Europäischen Rat am 5.11.2004 angenommene Haager Programm, in dem eine zügige Durchführung der Arbeiten am Europäischen Zahlungsbefehl gefordert wird, weiter vorangebracht. (5) Am 20.12.2002 nahm die Kommission ein Grünbuch über ein Europäisches Mahnverfahren und über Maßnahmen zur einfacheren und schnelleren Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert an. Mit dem Grünbuch wurde eine Anhörung zu den möglichen Zielen und Merkmalen eines einheitlichen oder harmonisierten Europäischen Mahnverfahrens zur Beitreibung unbestrittener Forderungen eingeleitet. (6) Für die Wirtschaftsbeteiligten der Europäischen Union ist die rasche und effiziente Beitreibung ausstehender Forderungen, die nicht Gegenstand eines Rechtsstreits sind, von größter Bedeutung, da Zahlungsverzug eine der Hauptursachen für Zahlungsunfähigkeit ist, die vor allem die Existenz von kleinen und mittleren Unternehmen bedroht und für den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze verantwortlich ist. (7) Alle Mitgliedstaaten versuchen, dem Problem der Beitreibung unzähliger unbestrittener Forderungen beizukommen, die meisten Mitgliedstaaten im Wege eines vereinfachten Mahnverfahrens, doch gibt es bei der inhaltlichen Ausgestaltung der einzelstaatlichen Vorschriften und der Effizienz der Verfahren erhebliche Unterschiede. Überdies sind die derzeitigen Verfahren in grenzüberschreitenden Rechtssachen häufig entweder unzulässig oder praktisch undurchführbar. (8) Der daraus resultierende erschwerte Zugang zu einer effizienten Rechtsprechung bei grenzüberschreitenden Rechtssachen und die Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt aufgrund des unterschiedlichen Funktionierens der verfahrensrechtlichen Instrumente, die den 1 Amtliche Fußnote: ABl. C 221 vom 8.9.2005, S. 77. 2 Amtliche Fußnote: Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 13.12.2005 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht), Gemeinsamer Standpunkt des Rates vom 30.6.2006 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht), Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 25.10.2006. Beschluss des Rates vom 11.12.2006. 3 Amtliche Fußnote: ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 1.
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Gläubigern in den einzelnen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, machen eine Gemeinschaftsregelung erforderlich, die für Gläubiger und Schuldner in der gesamten Europäischen Union gleiche Bedingungen gewährleistet. (9) Diese Verordnung hat Folgendes zum Ziel: die Vereinfachung und Beschleunigung grenzüberschreitender Verfahren im Zusammenhang mit unbestrittenen Geldforderungen und die Verringerung der Verfahrenskosten durch Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens sowie die Ermöglichung des freien Verkehrs Europäischer Zahlungsbefehle in den Mitgliedstaaten durch Festlegung von Mindestvorschriften, bei deren Einhaltung die Zwischenverfahren im Vollstreckungsmitgliedstaat, die bisher für die Anerkennung und Vollstreckung erforderlich waren, entfallen. (10) Das durch diese Verordnung geschaffene Verfahren sollte eine zusätzliche und fakultative Alternative für den Antragsteller darstellen, dem es nach wie vor freisteht, sich für die im nationalen Recht vorgesehenen Verfahren zu entscheiden. Durch diese Verordnung sollen mithin die nach nationalem Recht vorgesehenen Mechanismen zur Beitreibung unbestrittener Forderungen weder ersetzt noch harmonisiert werden. (11) Der Schriftverkehr zwischen dem Gericht und den Parteien sollte soweit wie möglich mit Hilfe von Formblättern abgewickelt werden, um die Abwicklung der Verfahren zu erleichtern und eine automatisierte Verarbeitung der Daten zu ermöglichen. (12) Bei der Entscheidung darüber, welche Gerichte dafür zuständig sind, einen Europäischen Zahlungsbefehl zu erlassen, sollten die Mitgliedstaaten dem Erfordernis, den Zugang der Bürger zur Justiz zu gewährleisten, gebührend Rechnung tragen. (13) Der Antragsteller sollte verpflichtet sein, in dem Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls Angaben zu machen, aus denen die geltend gemachte Forderung und ihre Begründung klar zu entnehmen sind, damit der Antragsgegner anhand fundierter Informationen entscheiden kann, ob er Einspruch einlegen oder die Forderung nicht bestreiten will. (14) Dabei muss der Antragsteller auch eine Bezeichnung der Beweise, der zum Nachweis der Forderung herangezogen wird, beifügen. Zu diesem Zweck sollte in dem Antragsformular eine möglichst erschöpfende Liste der Arten von Beweisen enthalten sein, die üblicherweise zur Geltendmachung von Geldforderungen angeboten werden. (15) Die Einreichung eines Antrags auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls sollte mit der Entrichtung der gegebenenfalls fälligen Gerichtsgebühren verbunden sein. (16) Das Gericht sollte den Antrag, einschließlich der Frage der gerichtlichen Zuständigkeit und der Bezeichnung der Beweise, auf der Grundlage der im Antragsformular enthaltenen Angaben prüfen. Dies ermöglicht es dem Gericht, schlüssig zu prüfen, ob die Forderung begründet ist, und u.a. offensichtlich unbegründete Forderungen oder unzulässige Anträge auszuschließen. Die Prüfung muss nicht von einem Richter durchgeführt werden. (17) Gegen die Zurückweisung des Antrags kann kein Rechtsmittel eingelegt werden. Dies schließt allerdings eine mögliche Überprüfung der zurückweisenden Entscheidung in derselben Instanz im Einklang mit dem nationalen Recht nicht aus. (18) Der Europäische Zahlungsbefehl sollte den Antragsgegner darüber aufklären, dass er entweder den zuerkannten Betrag an den Antragsteller zu zahlen hat oder, wenn er die Forderung bestreiten will, innerhalb von 30 Tagen eine Einspruchsschrift versenden muss. Neben der vollen Aufklärung über die vom Antragsteller geltend gemachte Forderung sollte der Antragsgegner auf die rechtliche Bedeutung des Europäischen Zahlungsbefehls und die Folgen eines Verzichts auf Einspruch hingewiesen werden. (19) Wegen der Unterschiede im Zivilprozessrecht der Mitgliedstaaten, insbesondere bei den Zustellungsvorschriften, ist es notwendig, die im Rahmen des Europäischen Mahnverfahrens anzuwendenden Mindestvorschriften präzise und detailliert zu definieren. So sollte insbesondere eine Zustellungsform, die auf einer juristischen Fiktion beruht, im Hinblick auf die Einhaltung der Mindestvorschriften nicht als ausreichend für die Zustellung eines Europäischen Zahlungsbefehls angesehen werden.
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(20) Alle in den Art. 13 und 14 aufgeführten Zustellungsformen gewähren entweder eine absolute Gewissheit (Art. 13) oder ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit (Art. 14) dafür, dass das zugestellte Schriftstück dem Empfänger zugegangen ist. (21) Die persönliche Zustellung an bestimmte andere Personen als den Antragsgegner selbst gem. Art. 14 Abs. 1 Buchstaben a und b sollte die Anforderungen der genannten Vorschriften nur dann erfüllen, wenn diese Personen den Europäischen Zahlungsbefehl auch tatsächlich erhalten haben. (22) Art. 15 sollte auf Situationen Anwendung finden, in denen der Antragsgegner sich nicht selbst vor Gericht vertreten kann, etwa weil er eine juristische Person ist, und in denen er durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten wird, sowie auf Situationen, in denen der Antragsgegner eine andere Person, insbesondere einen Rechtsanwalt, ermächtigt hat, ihn in dem betreffenden gerichtlichen Verfahren zu vertreten. (23) Der Antragsgegner kann seinen Einspruch unter Verwendung des in dieser Verordnung enthaltenen Formblatts einreichen. Die Gerichte sollten allerdings auch einen in anderer Form eingereichten schriftlichen Einspruch berücksichtigen, sofern dieser klar erklärt ist. (24) Ein fristgerecht eingereichter Einspruch sollte das Europäische Mahnverfahren beenden und zur automatischen Überleitung der Sache in einen ordentlichen Zivilprozess führen, es sei denn, der Antragsteller hat ausdrücklich erklärt, dass das Verfahren in diesem Fall beendet sein soll. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte der Begriff „ordentlicher Zivilprozess“ nicht notwendigerweise im Sinne des nationalen Rechts ausgelegt werden. (25) Nach Ablauf der Frist für die Einreichung des Einspruchs sollte der Antragsgegner in bestimmten Ausnahmefällen berechtigt sein, eine Überprüfung des Europäischen Zahlungsbefehls zu beantragen. Die Überprüfung in Ausnahmefällen sollte nicht bedeuten, dass der Antragsgegner eine zweite Möglichkeit hat, Einspruch gegen die Forderung einzulegen. Während des Überprüfungsverfahrens sollte die Frage, ob die Forderung begründet ist, nur im Rahmen der sich aus den vom Antragsgegner angeführten außergewöhnlichen Umständen ergebenden Begründungen geprüft werden. Zu den anderen außergewöhnlichen Umständen könnte auch der Fall zählen, dass der Europäische Zahlungsbefehl auf falschen Angaben im Antragsformular beruht. (26) Gerichtsgebühren nach Art. 25 sollten beispielsweise keine Anwaltshonorare oder Zustellungskosten einer außergerichtlichen Stelle enthalten. (27) Ein Europäischer Zahlungsbefehl, der in einem Mitgliedstaat ausgestellt wurde und der vollstreckbar geworden ist, sollte für die Zwecke der Vollstreckung so behandelt werden, als ob er in dem Mitgliedstaat ausgestellt worden wäre, in dem die Vollstreckung betrieben wird. Gegenseitiges Vertrauen in die ordnungsgemäße Rechtspflege in den Mitgliedstaaten rechtfertigt es, dass das Gericht nur eines Mitgliedstaats beurteilt, ob alle Voraussetzungen für den Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls vorliegen und der Zahlungsbefehl in allen anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar ist, ohne dass im Vollstreckungsmitgliedstaat zusätzlich von einem Gericht geprüft werden muss, ob die prozessualen Mindestvorschriften eingehalten worden sind. Unbeschadet der in dieser Verordnung enthaltenen Vorschriften, insbesondere der in Art. 22 Abs. 1 und 2 und in Art. 23 enthaltenen Mindestvorschriften, sollte das Verfahren der Vollstreckung des Europäischen Zahlungsbefehls nach wie vor im nationalen Recht geregelt bleiben. (28) Die Berechnung der Fristen sollte nach Maßgabe der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3.6.1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine4 erfolgen. Der Antragsgegner sollte darüber unterrichtet sowie darauf hingewiesen werden, dass dabei die gesetzlichen Feiertage in dem Mitgliedstaat des Gerichts, das den Europäischen Zahlungsbefehl erlässt, berücksichtigt werden. (29) Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Schaffung eines einheitlichen, zeitsparenden und effizienten Instruments zur Beitreibung unbestrittener Geldforderungen in der Europäischen Union, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkung daher besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Art. 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der
4 Amtliche Fußnote: ABl. Nr. L 124 vom 8.6.1971, S. 1.
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Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. (30) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sind nach Maßgabe des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28.6.1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse5 zu erlassen. (31) Das Vereinigte Königreich und Irland haben gem. Art. 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung der vorliegenden Verordnung beteiligen möchten. (32) Gemäß den Art. 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieses Beschlusses, der für Dänemark nicht bindend und nicht auf Dänemark anwendbar ist. HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Einleitung I. Allgemeiner Zweck des europäischen Mahnverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Erforderlichkeit eines europäischen Mahnverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 III. Überblick über die EG-MahnVO . . . . . . . 10
1. Die wichtigsten Anwendungsvoraussetzungen 10 2. Das Verfahren nach der EG-MahnVO . . . . . 12 IV. Verhältnis zu den nationalen Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
I. Allgemeiner Zweck des europäischen Mahnverfahrens 1
Wenn ein Schuldner die gegen ihn gerichtete Forderung nicht begleicht, ist dies nicht immer darauf zurückzuführen, dass er materielle Einwendungen gegen die Forderungen erhebt. Häufig ist der Schuldner schlicht zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig. In diesen Fällen ist es wenig sinnvoll, ein gerichtliches Erkenntnisverfahren gegen diesen Schuldner zu betreiben. Vielmehr ist nach einfacheren und kostengünstigeren Wegen zu suchen, auf denen ein vollstreckbarer Titel erreicht werden kann.
2
Dementsprechend sieht das deutsche Recht in den §§ 688 ff. ZPO ein Mahnverfahren vor, das ohne Erkenntnisverfahren zu einem Vollstreckungstitel führt. Es kommt nur zu einem Erkenntnisverfahren, wenn der Schuldner dem Mahnbescheid widerspricht. Das Mahnverfahren hat somit zur Konsequenz, dass sich die Initiativlast vom Gläubiger auf den Schuldner verlagert.1 Vergleichbare Regelungen bestehen auch in den meisten EU-Mitgliedstaaten.2
3
Diese Konzeption greift die EG-MahnVO auf und stellt ein auf grenzüberschreitende Rechtssachen zugeschnittenes Mahnverfahren zur Verfügung.3 Anwendbar ist die Verordnung dann, wenn zumindest eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des befassten Gerichts hat (Art. 3 EG-MahnVO).
4
Das Verfahren nach der EG-MahnVO beruht auf derselben Grundvorstellung wie die nationalen Mahnverfahren. Der Gläubiger soll in einem einfachen, raschen und kostengünstigen Verfahren zu 5 Amtliche Fußnote: ABl. Nr. L 184 vom 17.7.1999, S. 23. Geändert durch den Beschluss 2006/512/EG (ABl. Nr. L 200 vom 22.7.2006, S. 11). 1 Etwa Rechberger/Kodek, S. 1 („l’inversion du contentieux“); Rechberger, FS Oberhammer (1999) 151, 152; Prütting, FS Yessiou-Faltsi (2007) 497, 509; McGuire, GPR 2007, 303. 2 Informationen zu dem Recht der einzelnen EU-Mitgliedstaaten sind erhältlich unter https://e-justice.europa. eu/content_order_for_payment_procedures-41-de.do?clang=de. 3 Zur Vorgeschichte der EG-MahnVO Crifò, S. 103 ff.; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303 f.; Rechberger, FS Oberhammer (1999) 151, 155 ff.
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einem vollstreckbaren Titel gelangen. Nur dann, wenn sich der Schuldner zur Wehr setzt, wird das Verfahren in ein ordentliches Zivilverfahren übergeleitet.
II. Erforderlichkeit eines europäischen Mahnverfahrens Da die meisten nationalen Rechtsordnungen bereits ein Mahnverfahren vorsehen, stellt sich die Frage 5 nach der Erforderlichkeit eines weiteren – europäischen – Mahnverfahrens.4 Auf den ersten Blick könnte man den entscheidenden Vorteil des Verfahrens nach der EG-MahnVO darin sehen, dass der dort erlangte Titel, der Europäische Zahlungsbefehl (EZB), besonders leicht in anderen Mitgliedstaaten zu vollstrecken ist. Tatsächlich statuiert Art. 19 EG-MahnVO, dass der in einem EU-Mitgliedstaat vollstreckbar gewordene EZB in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt wird, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass seine Anerkennung angefochten werden kann. Näher betrachtet ergibt sich aus der in Art. 19 EG-MahnVO vorgesehenen Abschaffung des Voll- 6 streckbarerklärungsverfahrens aber kein durchgreifender Grund für ein europäisch einheitliches Mahnverfahren. Ein Gläubiger, der ein nationales Mahnverfahren betreibt und hierbei einen nationalen Vollstreckungstitel erlangt, kann diesen nach der EG-VollstrTitelVO als Europäischen Vollstreckungstitel bestätigen lassen.5 Auch aus diesem Titel kann er in anderen Mitgliedstaaten die Vollstreckung betreiben, ohne dass es dort einer vorherigen Vollstreckbarerklärung bedarf.6 Der in Art. 19 EG-MahnVO vorgesehene Wegfall der Vollstreckbarerklärung stellt also keine wesentliche Neuerung dar.7 Die EG-MahnVO lässt sich damit nur mit den Defiziten der vorhandenen nationalen Mahnverfahren 7 rechtfertigen. Dementsprechend weisen die Erwägungsgründe zur EG-MahnVO darauf hin, dass die nationalen Mahnverfahren sehr unterschiedlich ausgestaltet sind und einige von ihnen nicht die wünschenswerte Effizienz erreichten.8 Dies gelte vor allem in grenzüberschreitenden Fällen, in denen die nationalen Mahnverfahren häufig praktisch undurchführbar oder gar gänzlich unzulässig seien.9 De lege lata beeinträchtige dies den Rechtsschutz im Binnenmarkt und führe zu einer Verzerrung des Wettbewerbs.10 Das durch die EG-MahnVO geschaffene europäische Mahnverfahren hat damit nur eine Existenzberechtigung, wenn es einheitliche Regeln bereitstellt, die im grenzüberschreitenden Kontext zu einer einfacheren, schnelleren und kostengünstigeren Titulierung führen als die vorhandenen nationalen Mahnverfahren. Tatsächlich hat der europäische Verordnungsgeber ein eigenständiges Verfahren geschaffen, das offenkundig eine besonders effiziente Anspruchsverfolgung anstrebt.11 In den Grundfragen hat sich der Verordnungsgeber – bei der Abwägung von Gläubiger- und Schuldnerinteressen12 – für die gläubigergünstige Lösung entschieden. Dies zeigt sich vor allem daran, dass das europäische Mahnverfahren „einstufig“ ausgestaltet ist,13 eine Überprüfung des Antrags auf Erlass des EZB nur 4 Die Ausgestaltung und praktische Bedeutung der Mahnverfahren schwankt in den einzelnen Mitgliedstaaten aber erheblich, vgl. etwa Rechberger/Kodek, S. 1, 16. Zur Situation in den Niederlanden Sujecki, RIW 2018, 729 ff. 5 Art. 3 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO. 6 Art. 5 EG-VollstrTitelVO. 7 Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101; McGuire, GPR 2007, 303. 8 Siehe Satz 1 von ErwGr. 7 EG-MahnVO. Zu den wesentlichen Unterschieden s. Rechberger/Kodek, S. 7 ff.; Geimer/Schütze/Kodek, Einl. Rz. 14 ff. 9 Satz 2 von ErwGr. 7 EG-MahnVO. Zum österreichischen Recht s. § 244 Abs. 2 Nr. 3 öZPO: „Ein Zahlungsbefehl darf nicht erlassen werden, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Ausland hat.“ Dazu etwa Rechberger/Kodek, S. 75, 77; Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung, S. 61; Mayr, JBl 2001, 144, 149; Kodek, ZZP Int 4 (1999), 145 ff. 10 ErwGr. 8 EG-MahnVO. 11 Dieses wird in Art. 1 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO nochmals ausdrücklich hervorgehoben. 12 Vgl. hierzu Ferrand, FS Schlosser (2005), 175, 194 f. 13 In dem ersten Kommissionsvorschlag war noch ein dem deutschen Mahnverfahren ähnliches zweistufiges Verfahren vorgesehen. Hiernach sollte zunächst eine „Europäische Zahlungsaufforderung“ und dann in einem zweiten Schritt ein Europäischer Zahlungsbefehl ergehen, Art. 6 und Art. 9 VO-Vorschlag. Der Rechtsaus-
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auf formularmäßiger Grundlage erfolgt (Art. 8 EG-MahnVO) und der Schuldner lediglich in engen Ausnahmefällen eine nachträgliche Nichtigerklärung des Europäischen Zahlungsbefehls (EZB) erreichen kann (s. Art. 20 EG-MahnVO). Bei Verbraucherverträgen ist allerdings noch der Einfluss der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen zu beachten; aufgrund der Rechtsprechung des EuGH dürften sich hier besondere verfahrensrechtliche Regeln herausbilden (s. näher unten Art. 7 EG-MahnVO Rz. 13 ff.). 9
Insgesamt ist die EG-MahnVO Ausdruck einer neuen Dimension europäischer Verfahrensrechtsvereinheitlichung.14 Bislang standen die traditionellen internationalverfahrensrechtlichen Regelungsgegenstände – die internationale Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen – im Vordergrund. Bei der EG-MahnVO geht es, wenngleich (noch) beschränkt auf grenzüberschreitende Fälle, um eine Vereinheitlichung des Prozessrechts als solchem. In der Praxis findet die EG-MahnVO allerdings noch eher selten Anwendung.15
III. Überblick über die EG-MahnVO 1. Die wichtigsten Anwendungsvoraussetzungen 10
Die EG-MahnVO ist anwendbar in Zivil- und Handelssachen. Sie setzt voraus, dass der Antragsteller eine fällige Geldforderung geltend macht (Art. 4 EG-MahnVO). Regelmäßig wird es sich um eine Forderung aus einem Vertrag handeln. Ansprüche aus außervertraglichen Schuldverhältnissen sind – mit nur kleinen Ausnahmen – vom sachlichen Anwendungsbereich der EG-MahnVO ausgenommen (Art. 2 Abs. 2 lit. d EG-MahnVO).
11
Ferner muss zumindest eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des befassten Gerichts haben (Art. 3 EG-MahnVO). Liegt der von Art. 3 EG-MahnVO geforderte grenzüberschreitende Bezug nicht vor, so ist die Verordnung nicht anwendbar. 2. Das Verfahren nach der EG-MahnVO
12
Das Verfahren nach der EG-MahnVO ist, ihrem Vereinfachungszweck entsprechend, stark formalisiert. Dementsprechend wird der Schriftverkehr zwischen dem Gericht und den Parteien soweit wie möglich mit Hilfe von Formblättern abgewickelt.16
13
Der Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls (EZB) ist mit Hilfe eines Formblatts zu stellen. Der Antrag muss gem. Art. 7 Abs. 2 lit. a EG-MahnVO die Parteien benennen und die Forderung (lit. b) einschließlich der Nebenforderungen (lit. c) beziffern sowie die Bezeichnung des Streitgegenstands unter Angabe des Sachverhalts (lit. d) enthalten. Insoweit ergeben sich keine durchgreifenden Unterschiede zum deutschen Mahnverfahren. Des Weiteren müssen im Antrag die Beweise bezeichnet werden, die zur Begründung der Forderung herangezogen werden (lit. e). Schließlich ist anzugeben, woraus sich die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (lit. f) und die Eröffnung des Anwendungsbereichs der EG-MahnVO ergeben (lit. g).
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Anhand dieser Angaben prüft das angerufene Gericht von Amts wegen, ob die EG-MahnVO sachlich, räumlich und zeitlich anwendbar ist. Ferner prüft es seine Zuständigkeit und „ob die Forderung begründet erscheint“ (Art. 8 EG-MahnVO). Bei behebbaren Unvollständigkeiten bzw. Unrichtigkeiten fordert das Gericht den Antragsteller zur Verbesserung auf (Art. 9 EG-MahnVO). Sofern die Voraussetzungen nur für einen Teil der geltend gemachten Forderung bestehen, bietet es dem Antragschuss des Europäischen Parlaments hat demgegenüber ein einstufiges Verfahren befürwortet (McGarthy, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 18.7.2005, A6-0240/2005, 14. Änderungsantrag 17). Dieser Auffassung hat sich auch das Europäische Parlament angeschlossen (vgl. Rat der EU, 21.12.2005, 15686/05, 15 f. Änderungsantrag 48). 14 Prütting, FS Yessiou-Faltsi (2007) 497, 511 („Quantensprung“); ebenso Ulrici, RIW 2018, 718, 719; Geimer/ Schütze/Kodek, Einl. Rz. 21; BeckOK/Wolber, Art. 1 Rz. 5. 15 Näher dazu von Hein, ZVglRWiss 119 (2020), 123 ff. 16 ErwGr. 11 EG-MahnVO.
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Einleitung
Einl. EG-MahnVO
steller den Erlass eines EZB über den betreffenden Teilbetrag an (Art. 10 EG-MahnVO). Kommt der Antragsteller einer Aufforderung zur Verbesserung nicht nach, so weist das Gericht den Antrag auf Erlass eines EZB zurück (Art. 11 EG-MahnVO). Die Prüfung des Antrags durch das angerufene Gericht stützt sich allein auf die Angaben im Antragsformular. Sie kann daher nicht verhindern, dass der Antragsteller mit (auch: vorsätzlich) falschen Angaben (zunächst) den Erlass eines EZB erreicht. Bei Anträgen, die von einem Unternehmer gegen einen Verbraucher gestellt werden, bestehen aber Besonderheiten. Hier hat das Gericht nach Auffassung des EuGH die Pflicht, sich den Vertragstext vorlegen zu lassen und diesen auf missbräuchliche Klauseln im Sinne der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen zu prüfen; hierdurch ergibt sich ein etwas größerer Schutz gegen einen Missbrauch des Mahnverfahrens (s. näher unten Art. 7 EG-MahnVO Rz. 13 ff.).
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Ergeben sich aufgrund der Prüfung keine formellen oder materiellen Bedenken, so erlässt das Gericht den EZB i.d.R. binnen 30 Tagen (Art. 12 EG-MahnVO). Dieser wird dem Antragsgegner zugestellt. Regelungen zur Zustellung des EZB finden sich in den Art. 13–16 EG-MahnVO.
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Der Antragsgegner kann sodann innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung Einspruch einlegen (Art. 16 17 EG-MahnVO). Dem Schuldner wird hierfür gemeinsam mit dem EZB ein Formblatt zugestellt. Dieses muss der Schuldner durch Datum und Unterschrift ergänzen und rechtzeitig absenden. Der Einspruch muss nicht begründet werden. Durch die Einlegung eines fristgerechten Einspruchs wird das Mahnverfahren in ein ordentliches Zivilverfahren nach nationalem Prozessrecht oder ein Verfahren nach der EuBagatellVO überführt; anders verhält es sich nur, wenn der Antragsteller dies ausdrücklich abgelehnt hat (Art. 17 EG-MahnVO). Wird demgegenüber kein fristgerechter Einspruch eingelegt, wird der EZB von Amts wegen für vollstreckbar erklärt (Art. 18 EG-MahnVO). Anders als im nationalen deutschen Mahnverfahren bedarf es also keines neuerlichen Antrags auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids (vgl. § 699 Abs. 1 ZPO). Vielmehr ist das europäische Mahnverfahren „einstufig“ ausgestaltet.17 Hieraus ergibt sich eine wesentliche Erleichterung für den Gläubiger.18
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Einen weiteren Einspruch gegen den für vollstreckbar erklärten EZB gibt es nicht. Ein einmaliges Ver- 19 säumnis der Einspruchsfrist ist damit i.d.R. gleichbedeutend mit der Titulierung des Anspruchs; hierdurch entsteht für den Antragsgegner ein erhebliches Gefahrenpotential.19 In Ausnahmefällen kann der Antragsgegner aber gem. Art. 20 EG-MahnVO bei dem Gericht des Staates, in dem der EZB erlassen wurde, eine nachträgliche Überprüfung des EZB beantragen. Der Antragsgegner hat mit seinem Rechtsbehelf dann Erfolg, wenn er unter bestimmten Voraussetzungen ohne sein Verschulden daran gehindert war, rechtzeitig Einspruch einzulegen, oder wenn der EZB gemessen an den in der EGMahnVO festgelegten Voraussetzungen oder aufgrund anderer außergewöhnlicher Umstände „offensichtlich zu Unrecht“ erlassen worden ist. Einzelheiten zur Auslegung von Art. 20 EG-MahnVO sind noch nicht abschließend geklärt; der EuGH legt die Vorschrift bislang sehr eng aus (s. Art. 20 EGMahnVO Rz. 38 ff.; 42 ff.). Auch hier könnten sich gewisse (schuldnergünstige) Sonderregeln für den Fall entwickeln, dass ein Unternehmer in dem Mahnverfahren Ansprüche aus einem mit einem Verbraucher abgeschlossenen Vertrag geltend gemacht hat (Art. 20 EG-MahnVO Rz. 41 ff.). Der Antragsteller kann aus dem EZB vollstrecken, ohne dass ein Vollstreckbarerklärungsverfahren 20 in den anderen Mitgliedstaaten durchgeführt werden müsste (Art. 19 EG-MahnVO). Die Vollstreckung richtet sich gem. Art. 21 EG-MahnVO nach dem nationalen Vollstreckungsrecht des Mitglied-
17 Die einstufige Ausgestaltung ist mit Art. 6 EMRK vereinbar, vgl. Rechberger, FS Oberhammer (1999) 151, 161 f. 18 Für eine einstufige Ausgestaltung bereits Rechberger, FS Yessiou-Faltsi (2007) 513, 522 ff.; Rechberger/Kodek, S. 29, 41 f., krit. demgegenüber Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 722 f. 19 Siehe nur EuGH v. 21.3.2013 – C-324/12, ECLI:EU:C:2013:205 – Novontech-Zala kft. vs. Logicdata Electronic & Software Entwicklungs GmbH mit Bespr. Mock, IPRax 2014, 309 (Versäumung der Frist für die Einlegung eines Einspruchs gegen den EZB aufgrund eines Fehlverhaltens des beauftragten Rechtsanwalts – irrtümliche Annahme eines anderen Zustelldatums).
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Art. 1 EG-MahnVO
Gegenstand
staats, in dem sie vorgenommen werden soll. Die Vollstreckung kann von diesem Mitgliedstaat nur ausnahmsweise unter den engen Voraussetzungen von Art. 22 EG-MahnVO verweigert werden.
IV. Verhältnis zu den nationalen Mahnverfahren 21
Nach Art. 1 Abs. 2 EG-MahnVO verdrängt die Verordnung die bestehenden nationalen Erkenntnisund Mahnverfahren nicht. Der Gläubiger kann daher alternativ zum Verfahren nach der EG-MahnVO wie bisher auf die vorhandenen nationalen Mahnverfahren zurückgreifen. Soweit das nationale Mahnverfahren zu einem Titel führt, kann sich der Gläubiger diesen Titel nach der EG-VollstrTitelVO als EuVollstrTitel bestätigen lassen und in den anderen Mitgliedstaaten die Vollstreckung betreiben, ohne dass es dort einer vorherigen Vollstreckbarerklärung bedarf.
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Für den Gläubiger stellt dieses Nebeneinander mehrerer Mahnverfahren eine Erweiterung seiner Handlungsmöglichkeiten dar. Er kann sich das im Einzelfall am besten geeignete Verfahren aussuchen (dazu näher Art. 1 EG-MahnVO Rz. 4 ff.).
Artikel 1 Gegenstand (1) Diese Verordnung hat Folgendes zum Ziel: a) Vereinfachung und Beschleunigung der grenzüberschreitenden Verfahren im Zusammenhang mit unbestrittenen Geldforderungen und Verringerung der Verfahrenskosten durch Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, und b) Ermöglichung des freien Verkehrs Europäischer Zahlungsbefehle in den Mitgliedstaaten durch Festlegung von Mindestvorschriften, bei deren Einhaltung die Zwischenverfahren im Vollstreckungsmitgliedstaat, die bisher für die Anerkennung und Vollstreckung erforderlich waren, entfallen. (2) Diese Verordnung stellt es dem Antragsteller frei, eine Forderung im Sinne von Artikel 4 im Wege eines anderen Verfahrens nach dem Recht eines Mitgliedstaats oder nach Gemeinschaftsrecht durchzusetzen. I. Zielbestimmung der Verordnung, Art. 1 Abs. 1 EG-MahnVO . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis zu sonstigen Verfahren, Art. 1 Abs. 2 EG-MahnVO . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis der Alternativität . . . . . . . . 2. Maßstäbe für die Wahl zwischen den verschiedenen Verfahren . . . . . . . . . . a) Größere Effizienz des europäischen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . .
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b) Verbleibende Bedeutung der nationalen Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anwendungsbereich der EG-MahnVO . . . . . . . . . . . . . . bb) Verbrauchersachen . . . . . . . . . . 3. Situation bei kumulativer Inanspruchnahme von Verfahren . . . . . . . . . . . . . III. Anerkennung und Vollstreckung des EZB nach Brüssel Ia-VO und Lugano-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 10 . 10 . 14 . 16
. 18
I. Zielbestimmung der Verordnung, Art. 1 Abs. 1 EG-MahnVO 1
Art. 1 Abs. 1 EG-MahnVO enthält nochmals – in Fortführung von ErwGr. 8 EG-MahnVO – eine Zielbestimmung der Verordnung. Die Verordnung strebt ein einfaches, schnelles und kostengünstiges Verfahren an (lit. a). Der aus diesem Verfahren entspringende „Europäische Zahlungsbefehl“ (EZB) ist ohne Vollstreckbarerklärungsverfahren in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar (lit. b).
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Gegenstand, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmung
Art. 1 EG-MahnVO
II. Verhältnis zu sonstigen Verfahren, Art. 1 Abs. 2 EG-MahnVO 1. Verhältnis der Alternativität Bedeutsamer ist die Aussage in Abs. 2. Hiernach tritt die EG-MahnVO alternativ neben alle anderen 2 titelschaffenden Verfahren, unabhängig davon, ob diese im nationalen Recht der Mitgliedstaaten oder im Unionsrecht vorgesehen sind. Der Antragsteller hat die freie Wahl zwischen diesen Verfahren.1 Aus Art. 1 Abs. 2 EG-MahnVO folgt, dass der nationale Gesetzgeber nicht den Vorrang nationaler Erkenntnis- oder Mahnverfahren vor der EG-MahnVO anordnen kann.2 Allerdings kann der nationale Gesetzgeber frei darüber entscheiden, ob nur noch die EG-MahnVO anwendbar sein soll, oder ob – alternativ dazu – das nationale Mahnverfahren bestehen bleiben soll. Der deutsche Gesetzgeber hat sich für ein Nebeneinander des deutschen Auslandsmahnverfahrens nach Maßgabe der §§ 688 ff. ZPO und des Verfahrens nach der EG-MahnVO entschieden.3
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2. Maßstäbe für die Wahl zwischen den verschiedenen Verfahren a) Größere Effizienz des europäischen Verfahrens Im praktischen Ergebnis hat der Gläubiger die freie Wahl zwischen den verschiedenen nationalen Mahnverfahren und dem Verfahren nach der EG-MahnVO. Soweit der Sachverhalt Berührungspunkte zu verschiedenen Mitgliedstaaten aufweist, kommen u.a. sogar verschiedene nationale Mahnverfahren in Betracht.4
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Vergleicht man das Verfahren nach der EG-MahnVO mit dem deutschen Auslandsmahnverfahren, ist 5 dem Verfahren nach der EG-MahnVO aus Gläubigersicht regelmäßig der Vorzug zu geben. Ein entscheidender Vorteil für den Gläubiger liegt im Falle der EG-MahnVO darin, dass diese ein „einstufiges“ Verfahren vorsieht.5 Aus der Einstufigkeit folgt, dass es nur eines einzigen Antrags und dementsprechend auch nur einer einmaligen Zustellung an den Antragsgegner bedarf.6 Der Antragsteller erspart sich dadurch Zeit sowie die Kosten und Risiken der (nochmaligen) Zustellung.7 Demgegenüber müssen bei Anwendung der §§ 688 ff. ZPO sowohl der Mahnbescheid als auch der anschließende Vollstreckungsbescheid eigens beantragt und zugestellt werden. Dies wirkt sich insbesondere dann aus, wenn die Zustellung ins Ausland erfolgen muss, also der Antragsgegner seine Zustelladresse nicht in Deutschland hat. Ein weiterer Vorteil liegt aufgrund der einstufigen Ausgestaltung des Verfahrens für den Antragsteller 6 darin, dass der Antragsgegner nur einmal gegen den EZB vorgehen kann. Versäumt es der Antragsgegner, innerhalb der 30-Tage-Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO gegen den EZB vorzugehen, wird der EZB nachfolgend für vollstreckbar erklärt. Der säumige Antragsgegner hat, anders als im nationalen deutschen Mahnverfahren, grundsätzlich keine „zweite Chance“. Diese Schneidigkeit des euro-
1 Krit. dazu Fiorini, ICLQ 57 (2008) 449, 464 (Gläubiger konnten durch die Vielzahl an Verfahren überfordert sein). 2 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 10. 3 Er hat sich darauf beschränkt, in den §§ 1087 ff. ZPO Vorschriften zur Durchführung der EG-MahnVO zu schaffen. 4 Beispiel: Ein Gläubiger mit Wohnsitz in Deutschland hat eine Forderung gegen einen Schuldner mit Wohnsitz in Frankreich. Der Erfüllungsort i.S.d. Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO liegt in Deutschland. Der Antragsteller kann hier – entweder in Deutschland (Art. 6 Abs. 1 EG-MahnVO i.V.m. Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO) oder in Frankreich (Art. 6 Abs. 1 EG-MahnVO i.V.m. Art. 4 Brüssel Ia-VO) – das europäische Mahnverfahren betreiben oder das nationale Mahnverfahren in Deutschland (§ 702d ZPO i.V.m. Art. 7 Nr. 1a Brüssel I-VO) oder das nationale Mahnverfahren in Frankreich (Art. 1406 NCPC). 5 Wie hier etwa Kropholler/von Hein, Rz. 6. 6 Sujecki, Mahnverfahren, Rz. 293; Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1108; Leible/Freitag, § 3 Rz. 222; Musielak/ Voit/Voit, Rz. 2; s. zum Verordnungsentwurf Rechberger, FS Yessiou-Faltsi (2007) 513, 526. 7 Vgl. – zum Verordnungsvorschlag der Kommission – Kodek, FS Rechberger (2005) 283, 289; ferner Musielak/ Voit/Voit, Rz. 2.
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Art. 1 EG-MahnVO
Gegenstand
päischen Mahnverfahrens ist aus dem Blickwinkel des Schuldnerschutzes nicht unbedenklich.8 Ein auch nur einmaliges Versäumnis der Frist – etwa infolge eines Fehlers des mit der Einspruchserhebung beauftragten Rechtsanwalts – kann dazu führen, dass ein rechtskräftiger Titel über eine Zahlungsforderung entsteht.9 7
Zwar sieht die EG-MahnVO, anders als das deutsche Mahnverfahren, die Überprüfung des Antrags vor (s. Art. 8 ff. EG-MahnVO). Diese Prüfung wird aber, da sie (nur) die Angaben im Antragsformular zugrunde legen kann, nur selten zu einer Zurückweisung des Antrags führen (s. unten Art. 11 EGMahnVO Rz. 1 ff.). Der Effizienz des europäischen Mahnverfahrens steht sie letztlich nicht entgegen. Besonderheiten bestehen allerdings insoweit bei Verbraucherverträgen. Hier entnimmt der EuGH der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, dass das Mahngericht die vom Unternehmer verwendeten AGB auf Missbräuchlichkeit i.S.d. Richtlinie zu überprüfen hat (s. näher unten Art. 7 EG-MahnVO Rz. 13 ff.).
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Eine gewisse Erschwernis liegt für den Antragsteller im Falle der EG-MahnVO darin, dass er, abweichend etwa vom deutschen Mahnverfahren, Beweismittel nennen muss (Art. 7 Abs. 2 lit. e EGMahnVO).10 Auch muss er bereits im Antragsformular die Gründe für die internationale Zuständigkeit des Mahngerichts nennen (Art. 7 Abs. 2 lit. f EG-MahnVO). Diese Erschwernisse fallen gegenüber den Erleichterungen, die sich aus der Einstufigkeit des Verfahrens nach der EG-MahnVO ergeben, nicht erheblich ins Gewicht.11 Dass ein Gläubiger für das Verfahren nach der EG-Mahn-VO regelmäßig auf anwaltliche Beratung zurückgreifen müsse, ist angesichts der formularmäßigen Ausgestaltung nicht anzunehmen.12 Bei Verbraucherverträgen ist allerdings nach dem EuGH zusätzlich der Vertragstext vorzulegen, damit das Gericht diesen auf missbräuchliche Klauseln im Sinne der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen überprüfen kann; damit wandelt sich das europäische Mahnverfahren in diesem (Sonder-)Fall von einem auf formularmäßiger Grundlage betriebenen Verfahren de facto in ein Urkundenmahnverfahren (s. näher Art. 7 EG-MahnVO Rz. 13 ff.).
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Regelmäßig gelangt der Gläubiger damit im Mahnverfahren nach der EG-MahnVO einfacher und rascher zu einem Titel als nach Maßgabe der §§ 688 ff. ZPO.13 Einschränkungen von diesem Grundsatz ergeben sich bei Verfahren gegenüber Verbrauchern (s. unten Rz. 14 ff.). b) Verbleibende Bedeutung der nationalen Mahnverfahren aa) Anwendungsbereich der EG-MahnVO
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Die nationalen Mahnverfahren – auch das deutsche Auslandsmahnverfahren – behalten ihre Bedeutung zunächst in den Fällen, in denen der sachliche oder räumliche Anwendungsbereich der EGMahnVO nicht eröffnet ist. Dies ist insoweit bedeutsam, als der Anwendungsbereich der EG-MahnVO doch erheblich hinter dem Anwendungsbereich der meisten nationalen Mahnverfahren zurückbleibt.
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Hinzuweisen ist zunächst darauf, dass bestimmte nationale Mahnverfahren, allerdings nicht das deutsche, auch die Geltendmachung von Ansprüchen ermöglichen, die nicht auf eine Leistung von Geld 8 Harsche rechtspolitische Kritik durch Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 722 f.; s. auch Stadler, ZZP 123 (2010) 111, 112. Kritisch unter dem Blickwinkel des Verbraucherschutzes Rott, EuZW 2005, 167, 168. Die noch im Vorentwurf vorgesehene Zweistufigkeit wurde begrüßt von Lüke, LA Hay (2005) 263, 271; vgl. auch Hess, FS Geimer (2002) 339, 345 f. Mit Art. 6 EMRK ist die einstufige Ausgestaltung des Mahnverfahrens aber vereinbar (näher Rechberger/Kodek, S. 1, 3 f.). 9 Siehe beispielhaft EuGH v. 21.3.2013 – C-324/12, ECLI:EU:C:2013:205 – Novontech-Zala kft. vs. Logicdata Electronic & Software Entwicklungs GmbH mit Bespr. Mock, IPRax 2014, 309: Der Rechtsanwalt hatte sich bei der Feststellung des Zustellungsdatums geirrt und deshalb den Einspruch einen Tag zu spät abgesendet. 10 Abw. Einhaus, IPRax 2008, 323, 327 („großer Aufwand“); auch Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren, S. 235; Sujecki, Mahnverfahren, Rz. 294; Musielak/Voit/Voit, Rz. 2. 11 Siehe auch – allerdings stärker auf die EU-weit einheitliche Verfahrensform und die erleichterte Vollstreckung im Ausland abstellend – Geimer/Schütze/Kodek, Einl. Rz. 41 f. 12 Abw. Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 307 (ein Nichtjurist sei durch die Ausfüllung des Formblatts i.d.R. überfordert); auch Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1108 (es hänge vom Einzelfall ab, ob der Antragsteller auf anwaltliche Unterstützung angewiesen sei). 13 Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1108; auch Sujecki, NJW 2007, 1622, 1625.
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Gegenstand, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmung
Art. 1 EG-MahnVO
gerichtet sind.14 Hier ist die EG-MahnVO von vornherein sachlich unanwendbar (Art. 4 EG-MahnVO), und es kann allein auf die nationalen Mahnverfahren zurückgegriffen werden. Größere praktische Bedeutung kommt diesen Fällen aber nicht zu. Bedeutsamer ist der Umstand, dass sich die EG-MahnVO weitgehend auf vertragliche Forderungen 12 beschränkt und außervertragliche Forderungen praktisch aus ihrem Anwendungsbereich ausnimmt (Art. 2 Abs. 2 lit. d EG-MahnVO). Dies betrifft etwa Ansprüche aus Verkehrsunfällen im Ausland. Hier bleibt es bei der alleinigen Anwendbarkeit der nationalen Mahnverfahren (s. ausf. unten Art. 2 EG-MahnVO Rz. 13 ff.). Die EG-MahnVO wird in ihrem Anwendungsbereich schließlich empfindlich dadurch eingeschränkt, dass sie einen spezifischen Auslandsbezug voraussetzt (Art. 3 Abs. 1 EG-MahnVO). Sie ist daher nicht anwendbar, wenn ein reiner Inlandsfall vorliegt, aber auch dann, wenn – trotz eines Auslandsbezugs – die in Art. 3 Abs. 1 EG-MahnVO vorgesehenen Merkmale nicht erfüllt sind (s. näher Art. 3 EG-MahnVO Rz. 1 ff.). Auch in diesem Bereich muss auf die nationalen Mahnverfahren zurückgegriffen werden.
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bb) Verbrauchersachen Die EG-MahnVO ist auch bei einer Forderung gegen einen Verbraucher aus einem Verbrauchervertrag anwendbar. Allerdings sieht Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO – als Sonderregelung zu Art. 6 Abs. 1 EGMahnVO – vor, dass nur die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig sind, in welchem der Antragsgegner seinen Wohnsitz hat. Dies macht das Verfahren nach der EG-MahnVO in diesem Fall wenig attraktiv. Nach Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO muss sich der Antragsteller in jedem Fall – auch dann, wenn nach der Brüssel I-VO ein anderer Gerichtsstand eröffnet wäre – zum Gerichtsstand des Verbrauchers hinbegeben.
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Verschiedene nationale Mahnverfahren sind auch bei Forderungen gegen Verbraucher möglich, und 15 sie sehen – anders als die EG-MahnVO – häufig eine internationale Zuständigkeit auch in Fällen vor, in denen der Verbraucher seinen (aktuellen) Wohnsitz in einem anderen Staat hat. Dies gilt auch für das deutsche Mahnverfahren. Dieses sieht eine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte dann vor, wenn diese für ein streitiges Verfahren international zuständig wären (§ 703d Abs. 2 ZPO). Damit kann sich eine internationale Zuständigkeit deutscher Mahngerichte bei Zahlungsforderungen gegen Verbraucher auch ergeben, wenn der Verbraucher seinen Wohnsitz nicht in Deutschland, sondern in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder außerhalb der EU hat. Dies gilt etwa im Falle einer im Einzelfall zulässigen Gerichtsstandsvereinbarung15 oder bei einer Zuständigkeit am Erfüllungsort.16 In diesen Konstellationen wird der Antragsteller, da er sich nur bei Wahl des deutschen Mahnverfahrens, aber nicht bei Wahl des Verfahrens nach der EG-MahnVO an das deutsche Mahngericht wenden kann, regelmäßig das deutsche Mahnverfahren bevorzugen (zu weiteren Problemen im Falle des Einspruchs gegen den EZB durch den Verbraucher s. Art. 6 EG-MahnVO Rz. 14 ff.).
14 So besteht etwa in Frankreich ein spezielles Mahnverfahren für Ansprüche auf Handlungen (procédure d’injonction de faire), vgl. Art. 1425-1 ff. code de procédure civile. Das Verfahren wird aber kaum verwendet. Seine Schwäche liegt darin, dass es nicht zu einem Vollstreckungstitel führt; vielmehr wird bei Nichtleistung lediglich das kontradiktorische Verfahren eingeleitet (s. Art. 1425-8 code de procédure civile). Vor diesem Hintergrund wurde sogar seine Abschaffung vorgeschlagen (Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung, S. 67 f.; Ebenbichler, ZfRV 2006, 63, 69; Ferrand in Rechberger/Kodek, S. 131, 143 f.). Art. 633 des italienischen codice di procedura civile lässt ein Mahnverfahren auch zu, wenn der Antrag auf die Leistung einer bestimmten Menge vertretbarer Sachen oder die Übergabe einer bestimmten beweglichen Sache gerichtet ist („una determinata quantità di cose fungibili [c.p.c. 639], o di chi ha diritto alla consegna di una cosa mobile determinata“). Einschränkend wird hierbei allerdings vorausgesetzt, dass sich der Anspruch auf Übergabe der Sache aus einer schuldrechtlichen Beziehung, nicht allein aus Eigentum ergeben (dazu Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung, S. 72 f.). Auch in Finnland und Schweden kann das Mahnverfahren für sonstige Forderungen genutzt werden (vgl. Europäische Kommission, Grünbuch, 20.12.2002, KOM (2002) 746, 20 sowie ferner Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren, S. 214 Fn. 38). 15 Vgl. Art. 19 Brüssel Ia-VO sowie – außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 17 Brüssel Ia-VO – Art. 25 Brüssel Ia-VO. 16 Vgl. (soweit der Vertrag nicht unter Art. 17 Brüssel Ia-VO fällt) Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO.
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Art. 1 EG-MahnVO 15a
Gegenstand
Zu berücksichtigen ist ferner, dass der EuGH im Falle eines Antrags auf Erlass eines EZB, der gegen einen Verbraucher gerichtet ist, besondere Anforderungen an die Begründung des EZB gestellt hat.17 Ausgangspunkt seiner Entscheidung sind die Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/ EWG des Rates vom 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen.18 Der EuGH folgert aus diesen Bestimmungen, dass das Gericht vom Gläubiger weitere Angaben zu den Vertragsklauseln, die zur Begründung der fraglichen Forderung geltend gemacht werden, verlangen kann, um sodann von Amts wegen die etwaige Missbräuchlichkeit dieser Klauseln zu prüfen.19 Dies hat praktisch zur Folge, dass mit dem Antrag auf Erlass eines EZB oder später auf Anforderung des Gerichts der gesamte Vertragstext zur Verfügung gestellt werden muss (s. näher unten Art. 7 EG-MahnVO Rz. 13 ff.). 3. Situation bei kumulativer Inanspruchnahme von Verfahren
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Das Angebot an Mahnverfahren könnte Gläubiger dazu verleiten, nicht nur ein einzelnes Verfahren, sondern kumulativ einzelne nationale Mahnverfahren und das Mahnverfahren nach der EG-MahnVO gegen den Schuldner zu betreiben. Die EG-MahnVO enthält keine Rubrik, in der der Gläubiger angeben muss, dass er bislang kein anderes (nationales oder europäisches) Mahnverfahren gegen den Schuldner betreibt. Folglich liegt es sodann in erster Linie am Schuldner, gegen die verschiedenen (nationalen und/oder europäischen) Mahnbescheide Einspruch einzulegen. Tut er dies, und werden diese Mahnverfahren sodann in mehrere ordentliche Zivilverfahren übergeleitet, besteht der Einwand der Rechtshängigkeit.20
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Unterlässt der Schuldner demgegenüber einen Einspruch, so kommt es auch im Falle der EG-MahnVO grundsätzlich zu einer Titulierung des Anspruchs. Einer Doppelvollstreckung kann der Schuldner u.U. mit einem Antrag nach Art. 22 Abs. 1 EG-MahnVO im Vollstreckungsmitgliedstaat entgegentreten. Art. 22 Abs. 1 EG-MahnVO ist jedoch nur in seltenen Ausnahmefällen anwendbar (vgl. Art. 22 EG-MahnVO Rz. 18 ff. EG-MahnVO). Ferner kann der Antragsgegner unter den Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO ggf. die Nichtigerklärung des später ergangenen EZB im Ursprungsmitgliedstaat erreichen (vgl. Art. 20 EG-MahnVO Rz. 38 ff.).
III. Anerkennung und Vollstreckung des EZB nach Brüssel Ia-VO und Lugano-Übereinkommen 18
Die EG-MahnVO enthält eine abschließende Regelung über die Anerkennung und Vollstreckung des EZB. Eine Anerkennung und Vollstreckung des EZB nach Maßgabe der Brüssel Ia-VO ist daher weder erforderlich noch zulässig.21 Fraglich ist allerdings, ob der EZB immerhin in Dänemark nach Maßgabe der Brüssel Ia-VO anzuerkennen und zu vollstrecken ist – dies vor dem Hintergrund, dass in Dänemark aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen zwar die Brüssel Ia-VO und die EG-ZustVO anzuwenden sind, aber nicht die EG-MahnVO. Dies dürfte zu bejahen sein, da der EZB, wie Vollstreckungsbescheide des nationalen Rechts, einen vollstreckungsfähigen Titel darstellt; dass er nicht nationaler, sondern europäischer Provenienz ist, steht dem nicht entgegen.22 Entsprechend ist der EZB auch nach dem LuGÜbK anzuerkennen und zu vollstrecken.23
17 EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC ua, EuZW 2020, 193 m. Anm. Ulrici. 18 ABl. 1993 L 95, 29. 19 EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC ua, EuZW 2020, 193 m. Anm. Ulrici. 20 Soweit Gerichte in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten angerufen werden, sind Art. 29 ff. Brüssel Ia-VO anzuwenden. 21 Geimer/Schütze/Kodek, Einl. Rz. 29. 22 Geimer/Schütze/Kodek, Einl. Rz. 29; Kindl/Meller-Hannich/Netzer, Art. 2 Rz. 13; s. auch Sujecki, Mahnverfahren, Rz. 303; Kormann, S. 122; abw. Kropholler/von Hein, Rz. 5 (in diesem Fall bestünde ein „unzulässiges Mischsystem der Verordnungen“). 23 Geimer/Schütze/Kodek, Einl. Rz. 29; Sujecki, Mahnverfahren, Rz. 303.
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Gegenstand, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmung
Art. 2 EG-MahnVO
Artikel 2 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung ist in grenzüberschreitenden Rechtssachen in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta jure imperii“). (2) Diese Verordnung ist nicht anzuwenden auf a) die ehelichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts, b) Konkurse, Verfahren im Zusammenhang mit dem Abwickeln zahlungsunfähiger Unternehmen oder anderer juristischer Personen, gerichtliche Vergleiche, Vergleiche und ähnliche Verfahren, c) die soziale Sicherheit, d) Ansprüche aus außervertraglichen Schuldverhältnissen, soweit i) diese nicht Gegenstand einer Vereinbarung zwischen den Parteien oder eines Schuldanerkenntnisses sind, oder ii) diese sich nicht auf bezifferte Schuldbeträge beziehen, die sich aus gemeinsamem Eigentum an unbeweglichen Sachen ergeben. (3) In dieser Verordnung bedeutet der Begriff „Mitgliedstaat“ die Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . 1. Begriff der Zivil- und Handelssachen a) Abgrenzung zum öffentlichen Recht b) Beispielhafter Ausschluss öffentlichrechtlicher Materien . . . . . . . . . 2. Ausschlüsse nach Abs. 2 lit. a–c . . . . 3. Ausschluss von außervertraglichen Ansprüchen (Abs. 2 lit. d) . . . . . . . a) Zweck der Regelung . . . . . . . . . b) Begriff des außervertraglichen Anspruchs . . . . . . . . . . . . . . . c) Unterausnahmen . . . . . . . . . . .
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aa) Gegenstand einer Vereinbarung oder eines Schuldanerkenntnisses (sublit. i) . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ansprüche aus gemeinsamem Eigentum (sublit. ii) . . . . . . . . . (1) Eigentum an unbeweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erweiternde Auslegung mit Blick auf sonstige Vermögensgegenstände? . . . . . . . . . . . (3) Gesamtschuldnerschaft . . . . . III. Überprüfung des sachlichen Anwendungsbereichs durch das Mahngericht . . . . . .
. 21 . 27 . 27 . 29 . 36 . 37
IV. Nichtbeteiligung Dänemarks (Abs. 3) . . . . 40
I. Allgemeines Art. 2 EG-MahnVO definiert zusammen mit Art. 4 EG-MahnVO und Art. 3 EG-MahnVO den sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich der EG-MahnVO. Abs. 1 weist zunächst darauf hin, dass es sich um eine grenzüberschreitende Rechtssache i.S.v. Art. 3 EG-MahnVO handeln muss. Abs. 3 stellt in diesem Zusammenhang klar, dass Dänemark bei Anwendung der Verordnung nicht als Mitgliedstaat, sondern als Drittstaat zu behandeln ist.
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Aus Abs. 1 ergibt sich weiter, dass es sich um eine bezifferte und fällige Geldforderung (Art. 4 EGMahnVO) aus einer Zivil- und Handelssache handeln muss. Ferner darf kein Ausschlussgrund nach Abs. 2 gegeben sein.
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Art. 2 EG-MahnVO entspricht, was den Begriff der Zivil- und Handelssache sowie die in Abs. 2 3 lit. a-c genannten Ausschlussgründe anbelangt, dem sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel IaVO/Brüssel I-VO. Art. 2 Abs. 2 lit. d EG-MahnVO sieht demgegenüber einen in der Brüssel Ia-VO/ Gruber
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Art. 2 EG-MahnVO Anwendungsbereich Brüssel I-VO nicht enthaltenen Ausschlussgrund vor. Im Falle von außervertraglichen Ansprüchen ist die EG-MahnVO – anders als die Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO – grundsätzlich nicht anwendbar.
II. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Begriff der Zivil- und Handelssachen a) Abgrenzung zum öffentlichen Recht 4
Die EG-MahnVO bezieht sich ausdrücklich nur auf Rechtssachen in Zivil- und Handelssachen. Die Verordnung übernimmt hierbei die tatbestandliche Formulierung des Art. 1 Abs. 1 S. 1 Brüssel I-VO (nunmehr Art. 1 Abs. 1 S. 1 Brüssel Ia-VO). Damit kann die zu Art. 1 Abs. 1 S. 1 Brüssel I-VO bzw. zur Brüssel Ia-VO ergangene Rechtsprechung auf die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 EG-MahnVO übertragen werden.1
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Wie die Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO enthält die EG-MahnVO den Hinweis darauf, dass es nicht auf „die Art der Gerichtsbarkeit“ ankommt. Damit gilt die EG-MahnVO insb. auch für die Geltendmachung von Ansprüchen aus Arbeitsverhältnissen.2 Es kommt hierbei nicht darauf an, ob eine Zuständigkeit der allgemeinen Zivilgerichte gegeben ist oder ob in dem betreffenden Mitgliedstaat eine besondere Arbeitsgerichtsbarkeit besteht.3
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Wie die Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO schließt die EG-MahnVO mit dem Begriff der Zivil- und Handelssache öffentlich-rechtliche Streitigkeiten aus ihrem Anwendungsbereich aus. Es gelten im Bereich der EG-MahnVO dieselben Maßstäbe wie bei der Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO. Eine Streitsache ist hiernach dann öffentlich-rechtlicher Natur, wenn der geltend gemachte Klageanspruch seinen Ursprung in der Ausübung hoheitlicher Befugnisse hat.4 Öffentlich-rechtlicher Natur ist z.B. die Geltendmachung von Gebührenansprüchen staatlicher Stellen.5 Nicht öffentlich-rechtlicher Natur ist demgegenüber das sog. schlicht-hoheitliche Verwaltungshandeln. Wird bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zwar über das „Ob“ hoheitlich entschieden, sodann aber ein privatrechtlicher Vertrag geschlossen, so unterfallen Ansprüche aus diesem Vertrag sowohl der Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO als auch der EG-MahnVO.6 b) Beispielhafter Ausschluss öffentlich-rechtlicher Materien
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Art. 2 Abs. 1 S. 2 EG-MahnVO enthält eine nicht abschließende („insbesondere“) Aufzählung von Materien, die als öffentlich-rechtlich qualifiziert werden und damit nicht als Zivil- bzw. Handelssachen anzusehen sind. Die Vorschrift ist identisch mit Art. 2 Abs. 1 S. 2 EG-VollstrTitelVO. Letztlich wird auch eine inhaltliche Übereinstimmung mit Art. 1 Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO hergestellt.
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Nicht zu den Zivil- und Handelssachen zählen insbesondere Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten. Anders als Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO nimmt die EG-MahnVO (ebenso wie die EG-VollstrTitelVO) auch die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta jure imperii“) ausdrücklich von
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Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 3. Vgl. auch Punkt 6 des Antragsformulars, wo in Ziff. 22 Ansprüche aus „Arbeitsvertrag“ genannt sind. Europäische Kommission, 25.5.2004, KOM (2004) 173/3, S. 10 (Art. 1 – Anwendungsbereich). Eingehend Rauscher/Mankowski, Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 29 ff. m.w.N. Vgl. – zur Brüssel I-VO – EuGH v. 14.10.1976 – 29/76 – LTU Lufttransportunternehmen GmbH & Co KG vs. Eurocontrol, EuGHE 1976, 1541, 1551 Rz. 4 = NJW 1977, 489 m. Anm. Geimer; EuGH v. 1.10.2002 – C-167/00 – Verein für Konsumenteninformation vs. Karl Heinz Henkel, EuGHE 2002 I 8111, 8137 Rz. 27; VG Schleswig v. 30.10.1990 – 2 A 240/89, NJW 1991, 1129; AG Münster v. 23.11.1994 – 29 C 517/94, DAR 1995, 165 m. Anm. Schulte = IPRspr. 1994 Nr. 146; Schmittmann/Kocker, DAR 1996, 293. 6 Rauscher/Mankowski, EuZPR2 (2006) Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 40; so auch zum LugÜbk 1988 BGE 124 III 436, 440 f.
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Gegenstand, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmung
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ihrem Anwendungsbereich aus.7 Hierdurch ergibt sich allerdings kein inhaltlicher Unterschied zu Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO.8 2. Ausschlüsse nach Abs. 2 lit. a–c Art. 2 Abs. 2 lit. a-c EG-MahnVO nimmt eheliche und erbrechtliche (lit. a), insolvenzrechtliche (lit. b) sowie sozialversicherungsrechtliche Ansprüche (lit. c) aus dem Anwendungsbereich der EGMahnVO heraus. Insoweit orientiert sich die EG-MahnVO wiederum an den Ausschlusstatbeständen des Art. 1 Abs. 2 lit. a–c Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO.
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Unterschiede in der Formulierung sind bei lit. a – eheliche und erbrechtliche Ansprüche – allein da- 10 rauf zurückzuführen, dass sich die EG-MahnVO von vornherein nur auf Zahlungsansprüche beschränkt. In der Sache ergeben sich keine Abweichungen.9 Nicht erfasst werden auch Ansprüche aus eingetragenen Lebenspartnerschaften.10 Unterhaltsansprüche werden von dem Ausschlusstatbestand nicht erfasst.11 Sie werden aber regelmäßig durch Abs. 2 lit. d ausgeschlossen, da es sich um „außervertragliche Forderungen“ handelt. Unterhaltsansprüche können daher nur dann mithilfe der EGMahnVO durchgesetzt werden, wenn sie Gegenstand einer Vereinbarung oder eines Anerkenntnisses i.S.d. Abs. 2 lit. d sublit. i sind (vgl. unten Rz. 21 ff.). Ausgenommen werden auch die in lit. b benannten insolvenzrechtlichen Verfahren. Zwar weicht 11 die Vorschrift in ihrem deutschen Wortlaut von der Parallelvorschrift des Art. 1 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO ab. Die Abweichungen sind wiederum nur dem Bemühen um eine Präzisierung geschuldet. Die in lit. b zusätzlich aufgenommene Wendung „Verfahren im Zusammenhang mit dem Abwickeln zahlungsunfähiger Unternehmen oder anderer juristischer Personen“ sowie die „gerichtlichen Vergleiche“ führen gegenüber Art. 1 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO zu keiner inhaltlichen Änderung des Ausschlusstatbestandes.12 Insbes werden auch – wie in der Brüssel Ia-VO/ Brüssel I-VO – Insolvenzverfahren über Privatpersonen erfasst.13 Dass der Ausschlusstatbestand inhaltlich nicht von Art. 1 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO abweicht, ergibt sich auch daraus, dass er in der englischen Fassung mit Art. 1 Abs. 1 lit. b Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO wortlautidentisch ist.14 Vergleiche außerhalb eines Insolvenz- oder Sanierungsverfahrens werden nicht von dem Ausschlusstatbestand erfasst.15 Anders als die Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO (dort jeweils Art. 1 Abs. 2 lit. d) erwähnt Art. 1 Abs. 1 EG- 12 MahnVO die Schiedsgerichtsbarkeit nicht. Daraus ist selbstverständlich nicht der Umkehrschluss zu ziehen, dass sämtliche Forderungen, für die eine Schiedsabrede besteht, im Wege des Mahnverfahrens
7 Im ursprünglichen Kommissionsvorschlag war eine derartige Formulierung noch nicht vorgesehen (Art. 1 VO-Vorschlag). Sie wurde auf einen entsprechenden Vorschlag des Parlaments in den Verordnungstext aufgenommen (Rat der EU, 21.12.2005, 15686/05, 8 Änderungsantrag 38). Nach Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 306 wurde diese Klarstellung insb. von Deutschland und Österreich gefordert. 8 Kormann, S. 57 f.; Sujecki, EuZW 2006, 330; Sujecki, Das Elektronische Mahnverfahren, S. 211; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 306. Auch in der Brüssel Ia-VO (wie zuvor in der Brüssel I-VO) sind Amtshaftungsansprüche, soweit diese auf einem spezifisch hoheitlichen Handeln beruhen, vom Anwendungsbereich ausgeschlossen (EuGH v. 21.4.1993 – C-172/91 – Volker Sonntag vs. Hans Waidmann, EuGHE 1993 I 1963, 1996 Rz. 19; BGHZ 155, 279 = NJW 2003, 3488). 9 Vgl. Europäische Kommission, 25.5.2004, KOM (2004) 273/3, 10 f. (Art. 1 – Anwendungsbereich). 10 Europäische Kommission, 25.5.2004, KOM (2004) 273/3, 10 f. (Art. 1 – Anwendungsbereich); Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 7. 11 Leible/Freitag, § 3 Rz. 226; Ulrici, RIW 2018, 718, 721. 12 Leible/Freitag, § 3 Rz. 227; Niesert/Stöckel, NZI 2010, 638. Vgl. Europäische Kommission, 25.5.2004, KOM (2004) 273/3, 10 f. (Art. 1 – Anwendungsbereich), die ausdrücklich auf den entsprechenden Ausschluss in der Brüssel I-VO Bezug nimmt. 13 Kormann, S. 58 f. 14 Zutr. Kormann, S. 59; Leible/Freitag, § 3 Rz. 227. Dort heißt es jeweils „bankruptcy, proceedings relating to the winding-up of insolvent companies or other legal persons, judicial arrangements, compositions and analogous proceedings“. 15 Leible/Freitag, § 3 Rz. 227; Musielak/Voit/Voit, Rz. 7 (mit dem zutr. Hinweis darauf, dass ansonsten auch die Regelung des Abs. 2 lit. d sublit. i nicht zu erklären wäre).
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Art. 2 EG-MahnVO Anwendungsbereich geltend gemacht werden können.16 Vielmehr kommt es auch hier darauf an, ob es sich um von Art. 2 erfasste Geldforderungen handelt. Wie sich die Schiedsabrede in einem anschließenden ordentlichen Zivilverfahren auswirkt, ist nicht im Rahmen des Mahnverfahrens, sondern allein – nach einem Einspruch des Antragsgegners – in einem sich anschließenden Erkenntnisverfahren zu prüfen. Im deutschen Zivilverfahren muss der Antragsgegner nach dem Einspruch die Einrede nach § 1032 ZPO erheben.17 Legt der Antragsgegner gegen den EZB keinen Einspruch ein, kann er sich damit gegen den für vollstreckbar erklärten EZB nicht gem. Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO mit dem Argument zur Wehr setzen, dass eine Schiedsabrede bestanden habe. 3. Ausschluss von außervertraglichen Ansprüchen (Abs. 2 lit. d) a) Zweck der Regelung 13
Im ursprünglichen Verordnungsentwurf war ein weitgehender Gleichlauf zwischen dem sachlichen Anwendungsbereich der Brüssel I-VO und der EG-MahnVO vorgesehen.18 Im Gesetzgebungsverfahren ist jedoch der Anwendungsbereich der EG-MahnVO durch einen weiteren Ausnahmetatbestand erheblich eingeschränkt worden.19 Gemäß Abs. 2 lit. d ist die EG-MahnVO auf Ansprüche aus außervertraglichen Schuldverhältnissen nicht anwendbar, soweit nicht die in lit. i) und lit. ii) benannten Unterausnahmen vorliegen. Ursächlich für die Einfügung dieses Ausnahmetatbestands dürfte gewesen sein, dass einzelne Mitgliedstaaten – wie etwa Frankreich20 – in ihrem nationalen Recht kein Mahnverfahren für deliktische Ansprüche vorsahen.21
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Der Ausnahmetatbestand lässt sich in der Sache kaum rechtfertigen.22 Insbesondere lässt er sich kaum auf die Erwägung stützen, dass außervertragliche Ansprüche schwieriger zu beziffern sind als vertragliche und daher für ein Mahnverfahren per se weniger gut geeignet sind. Was die Anspruchshöhe anbelangt, stellen sich bei vertraglichen Ansprüchen, die auf Schadensersatz gerichtet sind, im Kern dieselben Probleme wie bei außervertraglichen Ansprüchen. Auch lässt sich nicht unbedingt sagen, dass im Falle von außervertraglichen Ansprüchen das Mahnverfahren aus Schuldnerschutzgründen ausgeschlossen werden sollte, weil eine größere Gefahr eines Missbrauchs bzw. einer Überrumpelung des Schuldners besteht; in der Breite dürfte Missbrauch eher im Zusammenhang mit Kreditverträgen als mit (vorgeschobenen) Ansprüchen aus Delikt oder anderen außervertraglichen Schuldverhältnissen zu befürchten sein. Kein Argument gegen die Zulassung von Ansprüchen aus außervertraglichen Schuldverhältnissen besteht schließlich darin, dass es bei diesen Ansprüchen häufig an Urkunden fehlt, die zu Beweiszwecken vorgelegt werden könnten; die EG-MahnVO setzt ja gerade nicht voraus, dass solche Urkunden existieren bzw. wenn sie existieren, im Antrag vorgelegt werden müssen (s. Art. 7 EG-MahnVO Rz. 11).
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Lit. d führt im praktischen Ergebnis zu wenig überzeugenden Ungleichbehandlungen. Wenn ein deutscher Urlauber mit seinem Mietwagen im Ausland in einen Unfall gerät und der Mietwagen hierbei beschädigt wird, kann ihn der Vermieter – da es sich um einen vertraglichen Anspruch handelt – im Wege der EG-MahnVO auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Will der Vermieter den anderen Unfallbeteiligten ebenfalls in Anspruch nehmen, oder will der Mieter bei dem anderen Unfallbeteiligten Rückgriff nehmen, handelt es sich um außervertragliche Ansprüche. Die Geltendmachung dieser Ansprüche über die EG-MahnVO ist gem. lit. d ausgeschlossen. Einzelne Zahlungsansprüche, die aus ein und demselben Schadensereignis resultieren und sich der Höhe nach entsprechen, werden damit 16 17 18 19
Vgl. nur Mayr, JBl 2008, 503, 505; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 5. Musielak/Voit/Voit, Rz. 7; BeckOK/Wolber, Rz. 13. Art. 1 Abs. 2 VO-Vorschlag. Der Ausschlusstatbestand wurde auf Vorschlag des Europäischen Parlaments in die Verordnung aufgenommen (s. Rat der EU, 21.12.2005, 15686/05, 8. Änderungsantrag 38). 20 Zum aktuellen französischen Recht s. Art. 1405 code de procédure civile, der weiterhin keine Möglichkeit der Geltendmachung von Zahlungsansprüchen aus Delikt im Mahnverfahren vorsieht. 21 Näher Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 6. 22 Krit. auch Einhaus, IPRax 2008, 323, 324; Sujecki, EuZW 2006, 330; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 1; Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, Rz. 2; BeckOK/Wolber, Rz. 8; im Erg. auch Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung, S. 135 f.; für eine Streichung der Ausnahme Ulrici, RIW 2018, 718, 728; Stürner, ZVerglRWiss 119 (2020), 143, 164.
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Gegenstand, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmung
Art. 2 EG-MahnVO
nur teilweise vom Anwendungsbereich der EG-MahnVO erfasst, ohne dass sich sachliche Gründe hierfür anführen ließen. De lege ferenda sollte diese Ungleichbehandlung beseitigt werden. b) Begriff des außervertraglichen Anspruchs In der Literatur wird befürchtet, dass die Mitgliedstaaten den Begriff des außervertraglichen Anspruchs nach ihren nationalen Vorstellungen auslegen könnten. In diesem Fall wäre eine einheitliche Anwendung der EG-MahnVO nicht mehr gewährleistet.23 Indes besteht Einigkeit darüber, dass der Begriff des außervertraglichen Anspruchs autonom auszulegen ist.24 Dass die autonome Auslegung dem Willen des Verordnungsgebers entspricht, erscheint nicht zweifelhaft. Auch die in lit. a-c genannten Ausnahmetatbestände sind, wie auch die entsprechenden Tatbestände in der Brüssel Ia-VO/ Brüssel I-VO, autonom zu bestimmen. Dasselbe muss sodann für lit. d gelten.
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Der Begriff der außervertraglichen Forderung lässt sich nach der hier vertretenen Auffassung spiegelbildlich zu Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO bzw. Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO bestimmen. Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO/Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO hat „Ansprüche aus einem Vertrag“ zum Gegenstand. Lit. d erfasst mit anderen Worten all das, was nicht als „Anspruch aus einem Vertrag“ i.S.d. Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO/Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO angesehen werden kann.25 Für diese Übertragung der Maßstäbe von Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO/Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO auf die Auslegung von lit. d spricht die angestrebte Kohärenz des europäischen Prozessrechts im Allgemeinen und die sachliche Nähe von Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO und EG-MahnVO im Besonderen. In der Literatur wird demgegenüber verschiedentlich vorgeschlagen, den Begriff der „außervertraglichen Forderung“ in Anlehnung an die Rom II-VO zu bestimmen.26 Hiergegen spricht, dass die Rom II-VO keinen prozessualen, sondern einen internationalprivatrechtlichen Regelungsgegenstand hat und sich auch im Übrigen der sachliche Anwendungsbereich der EG-MahnVO in Anlehnung an die Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO bestimmt (s. oben Rz. 4 ff.). Soweit sich im Einzelfall bei der Heranziehung von Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO/Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO) einerseits und der Rom II-VO andererseits Unterschiede ergeben, ist daher nach der hier vertretenen Auffassung einer an der Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO orientierten Begriffsbestimmung der Vorzug zu geben.27
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Nach der zu Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO/Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO ergangenen Rechtspre- 18 chung des EuGH ist der Begriff des „Vertrages“ autonom in dem Sinne auszulegen, dass es maßgeblich auf eine „freiwillig eingegangene Verpflichtung“ ankommt. Dies kann nach Auffassung des EuGH auch bei einseitig eingegangenen Verpflichtungen – etwa bei einer Gewinnzusage i.S.d. § 661a BGB – der Fall sein.28 Da nach dem EuGH auch Bereicherungsansprüche aus einem nichtigen Vertrag von Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO/Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO erfasst sind,29 gilt dies nach der hier vertretenen Auffassung in der Konsequenz auch für die EG-MahnVO;30 es kommt nicht darauf an, dass diese bereicherungsrechtlichen Ansprüche auf der kollisionsrechtlichen Ebene im Ausgangs-
23 Vgl. zum Verordnungsvorschlag des Rates vom 21.2.2006 Sujecki, EuZW 2006, 330, 331 (in den einzelnen Mitgliedstaaten würde es aufgrund der unterschiedlichen Einordnung von bestimmten Ansprüchen – wie z.B. Ansprüchen aus culpa in contrahendo – zu einem unterschiedlich weiten Anwendungsbereich der EG-MahnVO kommen); Sujecki, Das Elektronische Mahnverfahren, S. 212 m.w.N.; auch Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101 (keine sicheren Abgrenzungskriterien). 24 Musielak/Voit/Voit, Rz. 6; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 2 MahnVO Rz. 3. 25 Wie hier AG Berlin-Wedding, BeckRS 2017, 108418 Rz. 13; Einhaus, IPRax 2008, 323, 324; Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2751; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 9; Bender, S. 63 f.; Geimer/Garber in Geimer/Schütze, EuZivilVerfR, Rz. 2; s. auch Kropholler/von Hein, Rz. 6; ferner Kormann, S. 61. 26 Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 2; Musielak/Voit/Voit, Rz. 6; Prütting/Halfmeier, Rz. 2; Kindl/Meller-Hannich/ Netzer, Rz. 10; auch Kropholler/von Hein, Rz. 6. 27 Wie hier Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 9; BeckOK/Wolber, Rz. 8. 28 EuGH v. 20.1.2005 – C-27/02, ECLI:EU:C:2005:33 – Engler vs. Janus Versand, NJW 2005, 811 mit Bspr. Leible, 796 =JZ 2005, 782 m. Bespr. Mörsdorf-Schulte, 770 und Jordans, IPRax 2006, 582. 29 EuGH v. 20.4.2016 – C-366/13, ECLI:EU:C:2016:13 – Profit Investment SIM vs. Ossi u.a. Rz. 55 mit Bespr. M. Müller, EuZW 2016, 419. 30 Die Frage konnte offengelassen werden vom AG Berlin-Wedding, BeckRS 2017, 108418 Rz. 13; a.A. Musielak/ Voit/Voit, Rz. 6.
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Art. 2 EG-MahnVO Anwendungsbereich punkt von der Rom II-VO31 und nicht der Rom I-VO erfasst sind. Ansprüche aus culpa in contrahendo fallen demgegenüber nur im Einzelfall unter Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO/Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO).32 19
Folgt man der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO/Art. 5 Nr. 1 lit. a Brüssel I-VO, so fallen auch vereins- und gesellschaftsrechtliche Ansprüche, die ihren Grund im Mitgliedschaftsverhältnis haben, unter den Begriff des Vertrages. Diese Auffassung scheint auch der EGMahnVO zugrunde zu liegen. So wird im Antragsformular zur EG-MahnVO der „Mitgliedsbeitrag“ ausdrücklich als möglicher Anspruch benannt.33
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Problematisch bleibt, ob ein Direktanspruch des Geschädigten gegen die Versicherung vertraglicher oder außervertraglicher Natur ist. Hierzu lässt sich die Rechtsprechung des EuGH zur Brüssel Ia-VO/ Brüssel I-VO nicht ohne weiteres heranziehen, da Art. 13 Abs. 2 Brüssel Ia-VO/Art. 11 Abs. 2 Brüssel I-VO einen Sondertatbestand für derartige Direktansprüche gegen den Versicherer vorsieht. Soweit ein Direktanspruch gegen den Versicherer – etwa der Anspruch nach § 115 VVG – nur mit deliktischen oder sonstigen außervertraglichen Ansprüchen gegen den Schädiger konkurriert, dürfte auch der korrespondierende Direktanspruch als i.S.d. EG-MahnVO außervertraglich anzusehen sein. Anderenfalls könnte der Geschädigte nur gegen den Versicherer, nicht aber gegen den Schädiger mit einem europäischen Mahnverfahren vorgehen. Für eine solche Ungleichbehandlung besteht aber kein Anlass. Konkurriert der Direktanspruch gegen den Versicherer aber ausnahmsweise (auch) mit einem vertraglichen Anspruch gegen den Schädiger, sollte der Direktanspruch ebenfalls als vertraglich angesehen werden.34 c) Unterausnahmen aa) Gegenstand einer Vereinbarung oder eines Schuldanerkenntnisses (sublit. i)
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Der Ausschluss des sachlichen Anwendungsbereichs gilt nur dann, wenn die außervertraglichen Ansprüche nicht Gegenstand einer Vereinbarung zwischen den Parteien oder eines Schuldanerkenntnisses sind (sublit. i) oder diese sich nicht auf bezifferte Schuldbeträge beziehen, die sich aus gemeinsamem Eigentum an unbeweglichen Sachen ergeben (sublit. ii).
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Die Unterausnahme in lit. i erscheint folgerichtig. Sie führt letztlich zu Ansprüchen, die man i.w.S. als vertraglich einordnen kann. Die Begriffe der Vereinbarung und des Schuldanerkenntnisses sind autonom auszulegen. Auch hier sollte die vorhandene Rechtsprechung des EuGH zum Vertragsbegriff i.S.d. Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO/Art. 5 Nr. 1 Brüssel I-VO aufgegriffen und auf die Auslegung der EG-MahnVO übertragen werden. Abzustellen ist damit wiederum auf das Merkmal der „freiwilligen Verpflichtung“.
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Zu den erfassten Vereinbarungen zählt insb. der Vergleich. Dieser ist im Antragsformular zur EGMahnVO eigens aufgeführt.35 Auch Unterhaltsvereinbarungen werden, wie sich wiederum aus dem Antragsformular ergibt, vom Anwendungsbereich der EG-MahnVO erfasst.36
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Schuldanerkenntnisse sind einseitig verpflichtende Verträge. Erfasst werden aber nur solche Schuldanerkenntnisse, die allein für sich zur Anspruchsbegründung genügen. Es muss sich m.a.W. um abstrakte Schuldanerkenntnisse handeln. Schuldanerkenntnisse, die einen Einwendungsausschluss im Hinblick auf einen angenommenen außervertraglichen Anspruch enthalten, aber keinen eigenständi-
31 Art. 10 ff. Rom II-VO. 32 Siehe dazu EuGH v. 17.9.2002 – C-334/00, ECLI:EU:C:2002:499 – Tacconi vs. Wagner Rz. 27 = NJW 2002, 3159 mit Bespr. Schmidt-Kessel, ZEuP 2004, 1021 und abl. Bespr. Mankowski, IPRax 2003, 135; Stadler in FS Musielak (2004) 591. 33 Punkt 6 (Hauptforderung) Ziff. 21. 34 A.A. Musielak/Voit/Voit, Rz. 6. In ähnlicher Weise sollte bei Direktansprüchen differenziert werden, die – etwa im französischen Recht – außerhalb des Versicherungsrechts vorkommen. 35 Punkt 6 (Hauptforderung) Ziff. 23. 36 Punkt 6 (Hauptforderung) Ziff. 24 („Unterhaltsvertrag“); Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 305.
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Gegenstand, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmung
Art. 2 EG-MahnVO
gen vertraglichen Anspruchsgrund schaffen sollen (deklaratorische Schuldanerkenntnisse), sind demgegenüber keine Schuldanerkenntnisse i.S.v. sublit. i.37 Der Anwendungsbereich der EG-MahnVO ist auch dann nicht eröffnet, wenn sich der Vergleich nur auf den Anspruchsgrund, nicht aber auf die konkrete Höhe des Anspruchs bezieht, oder nur ein Anerkenntnis dem Grunde nach vorliegt. Zwar liegt hier eine rechtsgeschäftliche, für den Anspruchsgrund konstitutive Vereinbarung vor. Allerdings reicht diese im Lichte von Art. 4 EG-MahnVO, der eine „bezifferte“ Forderung verlangt, nicht aus. Vergleich bzw. Anerkenntnis müssen sich m.a.W. sowohl auf den Grund als auch auf die Höhe der Forderung beziehen.38
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Bezieht sich der Vergleich oder das Anerkenntnis nach Grund und Höhe auf eine bestimmte Mindestsumme, so ist der Anwendungsbereich der EG-MahnVO immerhin mit Blick auf diese Mindestsumme eröffnet. Ein weitergehender Anspruch, der über diese Mindestsumme hinausgeht, kann in diesem Fall nur im ordentlichen Zivilverfahren bzw. ggf. einem nationalen Mahnverfahren geltend gemacht werden.
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bb) Ansprüche aus gemeinsamem Eigentum (sublit. ii) (1) Eigentum an unbeweglichen Sachen Nach sublit ii in der deutschen Fassung bezieht sich der Ausschluss des Anwendungsbereichs nicht auf bezifferte Schuldbeträge, die sich aus gemeinsamem Eigentum an unbeweglichen Sachen ergeben.39
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Erfasst werden (nur) Ansprüche gegen den anderen Miteigentümer, nicht Ansprüche gegen Dritte. In Betracht kommen etwa der Anspruch auf anteilige Auskehr von Mieterlösen bei einer bestehenden Gemeinschaft oder Zahlungsansprüche bei Aufhebung der Miteigentümergemeinschaft.40 Es kann sich hierbei auch um Ansprüche handeln, die zwischen Ehegatten bestehen, etwa im Falle der Aufhebung des gemeinschaftlichen Eigentums an einem Grundstück. Ausgeschlossen sind gem. lit. a nur eheliche und erbrechtliche Auseinandersetzungsansprüche ieS. Erfasst werden auch Ansprüche aus gemeinsamem Wohnungseigentum, etwa Ansprüche auf Begleichung rückständiger Betriebskosten.41
28
(2) Erweiternde Auslegung mit Blick auf sonstige Vermögensgegenstände? Die deutsche Fassung bezieht sich ihrem Wortlaut nach nur auf das gemeinschaftliche Eigentum an unbeweglichen Sachen. Die englische Fassung spricht allgemein von einer „joint ownership of property“. In der französischen Fassung ist von einer „propriété conjointe d’un bien“ die Rede. Die Begriffe „property“ bzw. „bien“ könnten bei enger Auslegung ggf. auf unbewegliche Sachen beschränkt werden. Ihrem üblichen Wortsinn nach erfassen sie aber auch bewegliche Sachen.42
29
Die durch die vergleichende Betrachtung der Sprachfassungen verursachten Zweifel an der deutschen Fassung werden durch einen Blick auf die korrespondierende Formulierung im Antragsformular bestärkt.43 Dort ist von den „aus gemeinsamem Eigentum an Vermögensgegenständen erwachsenden Forderungen“ die Rede.44 Dass es sich bei den Vermögensgegenständen um „unbewegliche Sachen“
30
37 Wie hier BeckOK/Wolber, Rz. 10.1; abw. (unter der Voraussetzung, dass die Parteien eine Vereinbarung darüber erzielt haben, wie der außervertragliche Anspruch zu beziffern ist) Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 11. 38 Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 7; im Erg ebenso Leible/Freitag, § 3 Rz. 228; Leible/Freitag, BB 2008, 2750, 2751. 39 Die Unterausnahme ist nach Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 306 und Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 9 auf die Intervention Spaniens zurückzuführen. 40 Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 738 (erfasst seien „les créances nées d’une indivision ou de la copropriété des immeubles bâtis“). 41 Hierin sah Spanien nach Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 306 einen Hauptanwendungsfall der EG-MahnVO; auch Roth/Hauser, ecolex 2007, 568, 570. 42 Kreße, EWS 2008, 508, 510; Kropholler/von Hein, Rz. 8; Prütting/Halfmeier, Art. 2 Rz. 3. 43 Kormann, S. 60. 44 Punkt 6 (Hauptforderung) Ziff. 18.
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Art. 2 EG-MahnVO Anwendungsbereich handeln muss, ist dort nicht gesagt. Das Antragsformular geht also offenbar – anders als sublit. ii – von einem deutlich weiter gefassten Tatbestand aus. 31
Dass die deutsche Fassung der lit. ii versehentlich zu eng geraten ist, ergibt sich schließlich auch aus einem vergleichenden Blick auf Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO/Art. 22 Nr. 1 Brüssel I-VO. Dort ist in der deutschen Fassung ebenfalls von einer „unbeweglichen Sache“ die Rede. In der englischen Fassung von Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO/Art. 22 Nr. 1 Brüssel I-VO wird demgegenüber nicht – wie in sublit. ii – einfach der Begriff „property“ verwendet. Vielmehr wird der Umstand, dass es sich um eine „unbewegliche“ Sache handelt, in der Brüssel Ia-VO/Brüssel I-VO durch die Wendung „immovable property“ verdeutlicht. Auch in der französischen Fassung weicht Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO/ Art. 22 Nr. 1 Brüssel I-VO, der dort den Begriff „l’immeuble“ verwendet, von der in sublit ii gebrauchten Wendung („propriété conjointe d’un bien“) grundlegend ab.45 Entsprechendes gilt u.a. auch für die niederländischen Textfassungen von Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO/Art. 22 Nr. 1 Brüssel I-VO und sublit. ii.46 Allein die deutsche Textfassung der sublit ii führt damit zu einer unmittelbaren Übereinstimmung mit Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO/Art. 22 Nr. 1 Brüssel I-VO.
32
Tatsächlich war noch in der deutschen Fassung des geänderten Kommissionsvorschlags vom 7.2.2006 vom „gemeinsamen Eigentum an Vermögensgegenständen“ die Rede.47 Die letztlich Gesetz gewordene enge deutsche Textfassung ist erstmals im Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 13.6.2006 enthalten.48 Insgesamt dürfte die zu enge deutsche Fassung den gewollten Inhalt nicht richtig wiedergeben, sondern auf – sprachliche – Schwierigkeiten bei der Suche nach einem passenden Begriff zurückzuführen sein.49
33
Als Folge hiervon ergibt sich, dass neben Ansprüchen aus dem gemeinsamen Eigentum an unbeweglichen Sachen auch Ansprüche aus dem gemeinsamen Eigentum an beweglichen Sachen von sublit. ii erfasst sind. Die Abgrenzung zwischen unbeweglichen und beweglichen Sachen kann daher für die Anwendung von lit. ii offenbleiben.
34
Offen bleibt, ob darüber hinaus auch Ansprüche aus der gemeinsamen Inhaberschaft von nicht-körperlichen Vermögensgegenständen wie Forderungen oder sonstigen Rechten erfasst sind. Damit würde man ggf. auch Ansprüche aus einer gemeinschaftlichen Beteiligung an Urheberrechten unter lit. ii subsumieren können.
35
Hiergegen dürfte in der Tendenz der auch in den anderen Textfassungen enthaltene Begriff des „Eigentums“ („ownership“, „propriété“) sprechen. Der Begriff des Eigentums lässt sich bei enger Auslegung nur auf körperliche Gegenstände beschränken.50 Die im Gesetzgebungsverfahren entstandene Restriktion der deutschen Fassung auf „unbewegliche Sachen“ könnte auf das auch von den Vertretern anderer Mitgliedstaaten geteilte Bestreben zurückzuführen sein, nicht-körperliche Gegenstände aus lit. ii auszuschließen. Hierbei ist man offenkundig in den Bemühungen um eine Restriktion des Tatbestandes – mit der Beschränkung auf „unbewegliche“ Sachen und der Außerachtlassung von beweglichen Sachen – zu weit gegangen. Nach der hier vertretenen Auffassung spricht daher mehr da-
45 Vgl. ferner die italienische Fassung, die in Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO/Art. 22 Nr. 1 Brüssel I-VO von „l’immobile“ spricht und in sublit. ii von „un bene“; ferner die portugiesische Fassung („imóvel“/„bens“) und die spanische Fassung („el inmueble“/„comunidad de propietarios“). 46 In Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO/Art. 22 Nr. 1 Brüssel I-VO heißt es „onroerend goed“; in sublit ii „goederen“. 47 Art. 2 Nr. 2 lit. d sublit. ii in der Fassung des geänderten Kommissionsvorschlags: Europäische Kommission, 7.2.2006, KOM(2006) 57. 48 Art. 2 Nr. 2 lit. d sublit. ii in der Fassung des Gemeinsamen Standpunkts des Rates: Rat der EU, 13.6.2006, 7535/06. 49 Kloiber, ZfRV 2009, 68, 69 Fn. 15; Kreße, EWS 2008, 508, 510 („Ausreißer“); Mayr, JBl 2008, 503, 505 Fn. 29 („Übersetzungsfehler“); Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 9; BeckOK/Wolber, Rz. 11.1. In den meisten anderen Textfassungen ist eine Änderung gegenüber dem geänderten Kommissionsvorschlag vom 7.2.2006 nicht vorgenommen worden. Die endgültigen Fassungen waren m.a.W. bereits im geänderten Kommissionsvorschlag vom 7.2.2006 enthalten. Anders verhält es sich allerdings im Falle der niederländischen Fassung des geänderten Kommissionsvorschlags vom 7.2.2006: In dieser hieß es noch: „gezamenlijk eigendom van vermogensbestanddelen.“ Nunmehr heißt es „eigengemeenschappelijke eigendom van goedern“. 50 So auch Kreße, EWS 2008, 510; Kropholler/von Hein, Rz. 8.
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Gegenstand, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmung
Art. 2 EG-MahnVO
für, dass die gemeinsame Inhaberschaft an nicht-körperlichen Gegenständen (Forderungen und sonstigen Rechten) von sublit. ii als solche grundsätzlich nicht erfasst ist.51 (3) Gesamtschuldnerschaft Sublit ii bezieht sich auch bei weiter Auslegung nicht auf Rückgriffsansprüche zwischen Gesamtschuldnern.52 Derartige Ansprüche erwachsen nicht aus dem Innehaben einer zumindest eigentumsgleichen vorteilhaften Rechtsposition. Die Einbeziehung derartiger Rückgriffsansprüche würde auch zu widersprüchlichen Ergebnissen führen. So ist etwa der Anspruch des Geschädigten gegen gesamtschuldnerisch haftende Deliktsschuldner vom Anwendungsbereich der EG-MahnVO ausgenommen. Es besteht in dieser Situation kein Anlass, evtl. Ausgleichsansprüche der Deliktsschuldner untereinander – die auf demselben deliktischen Sachverhalt beruhen – in die EG-MahnVO einzubeziehen (vgl. hierzu auch oben zur Qualifikation des Direktanspruchs Rz. 20).
36
III. Überprüfung des sachlichen Anwendungsbereichs durch das Mahngericht Gemäß Art. 7 Abs. 2 EG-MahnVO muss der Antrag eine Bezeichnung des Streitgegenstands enthalten. Dies beinhaltet zugleich „eine Beschreibung des Sachverhalts, der der Hauptforderung zugrunde liegt“. Anhand dieser Angaben überprüft das Gericht, ob der sachliche Anwendungsbereich der EGMahnVO eröffnet ist. Ist dies nicht der Fall, wird der Antrag abgelehnt.
37
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das Antragsformular die 25 wichtigsten Forderungstypen, die vom sachlichen Anwendungsbereich der EG-MahnVO erfasst sind, als solche auflistet.53 Der Antragsteller kann sich daher in den meisten Fällen darauf beschränken, eine der genannten Forderungen einzutragen. Allein dann, wenn er dies nicht tut und unter der Rubrik „Sonstiges“ eine eigenständige Erläuterung vornimmt, hat das Gericht die Möglichkeit und Pflicht zu einer näheren Prüfung.
38
Regelmäßig wird das Gericht daher keinen Anlass haben, den Antrag abzulehnen. Soweit der EZB allerdings auf Falschangaben zum Streitgegenstand bzw. zum Charakter der geltend gemachten Forderung beruht, kann dies im Rahmen des Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO zu einer Nichtigerklärung des EZB führen (vgl. dort Rz. 42 ff.).
39
IV. Nichtbeteiligung Dänemarks (Abs. 3) Abs. 3 ist im Zusammenhang mit dem in Abs. 1 enthaltenen Begriff der grenzüberschreitenden Rechtssache zu sehen. Nach Abs. 1 findet die Verordnung nur auf solche Mahnverfahren Anwendung, die den in Art. 3 EG-MahnVO näher definierten grenzüberschreitenden Charakter aufweisen. Nach Art. 3 EG-MahnVO liegt eine grenzüberschreitende Rechtssache nur dann vor, wenn mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des befassten Gerichts hat.
40
Abs. 3 stellt klar, dass Dänemark in diesem Zusammenhang nicht als Mitgliedstaat anzusehen ist.54 Ist also ein deutsches Gericht mit dem Antrag befasst, und hat der Antragsteller seinen Wohnsitz und
41
51 Wie hier BeckOK/Wolber, Rz. 11.1. Allerdings sind solche Forderungen unter sublit. ii zu fassen, die in einem Sachzusammenhang mit dem gemeinschaftlichen Eigentum an beweglichen oder unbeweglichen Sachen stehen. Geht es also etwa um die Aufhebung eines an einen Dritten vermieteten Grundeigentums, so sollten von der Unterausnahme der sublit. ii nicht nur Ansprüche erfasst sein, die aus der Veräußerung des gemeinschaftlichen Grundstücks resultieren, sondern auch Ansprüche auf anteilige Auskehr von Mieteinnahmen oder von Zahlungen, die als Ausgleich für die Beschädigung der Sache an einen der Miteigentümer geleistet worden sind. 52 Kormann, S. 61; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 8; Kropholler/von Hein, Rz. 8. 53 Punkt 6 des Antragsformulars. 54 Abs. 3 entspricht u.a. Art. 2 Abs. 3 EG-VollstrTitel-VO. Sowohl die EG-MahnVO als auch die EG-VollstrTitelVO stützten sich auf die Art. 61 ff. EGV. Diese waren aber für Dänemark nicht einschlägig. Anders als das Vereinigte Königreich und Irland hat Dänemark auch nicht die Möglichkeit eines opt in.
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Art. 3 EG-MahnVO
Grenzüberschreitende Rechtssachen
gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so führt ein Wohnsitz bzw. gewöhnlicher Aufenthalt des Antragsgegners in Dänemark nicht zu einem grenzüberschreitenden Bezug i.S.d. Art. 3 EG-MahnVO. Dänemark ist für die Zwecke der EG-MahnVO m.a.W. wie ein sonstiger Nicht-EU-Mitgliedstaat zu behandeln (zur Anerkennung des EZB in Dänemark s. oben Art. 1 EG-MahnVO Rz. 18).
Artikel 3 Grenzüberschreitende Rechtssachen (1) Eine grenzüberschreitende Rechtssache im Sinne dieser Verordnung liegt vor, wenn mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des befassten Gerichts hat. (2) Der Wohnsitz wird nach den Artikeln 59 und 60 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen1 bestimmt. (3) Der maßgebliche Augenblick zur Feststellung, ob eine grenzüberschreitende Rechtssache vorliegt, ist der Zeitpunkt, zu dem der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls nach dieser Verordnung eingereicht wird. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Vorliegen eines grenzüberschreitenden Bezugs im Antragszeitpunkt . . . . . . . . . . 1. Erfasste Konstellationen . . . . . . . . . . . . .
2. Definition von Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
4 4
III. Überprüfung des grenzüberschreitenden Charakters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
I. Allgemeines 1
Nach Art. 2 Abs. 1 EG-MahnVO findet die EG-MahnVO nur auf grenzüberschreitende Rechtssachen Anwendung. Art. 3 enthält eine Definition der grenzüberschreitenden Rechtssache.
2
Im ursprünglichen Vorschlag war noch ein einheitliches Mahnverfahren vorgesehen, das sowohl auf innerstaatliche als auch internationale Sachverhalte anwendbar sein sollte.2 Dieser Vorschlag wäre nach verbreiteter Auffassung nicht mehr von der (damals einschlägigen) Kompetenzgrundlage des Art. 61 lit. c mit 65 EG gedeckt gewesen.3 Der Rat4 und das Europäische Parlament5 haben sich daher gegen einen derart weiten Anwendungsbereich ausgesprochen.6 Daraufhin nahm die Kommission von dem Projekt eines umfassenden europäischen Mahnverfahrens Abstand. Der Anwendungs-
1 Amtl. Fußnote: ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1. Zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2245/2004 der Kommission (ABl. L 381 vom 28.12.2004, S. 10). 2 Art. 2 Abs. 1 VO-Vorschlag. Zur Diskussion im Gesetzgebungsverfahren Crifò, S. 108 f.; Kormann, S. 49 f.; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 2. 3 Aus der Lit. s. Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung S. 126 ff.; Fiorini, ICLQ 2008, 449, 460 f.; Kodek, FS Rechberger (2005) 283, 286; Kormann, S. 54 f.; Sujecki, ZEuP 2006, 124, 130 ff.; abl. zur Einschränkung des Anwendungsbereichs Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 306; krit. auch Schollmeyer, IPRax 2002, 478. Ausf. zur Rechtssetzungskompetenz Hess, FS Geimer (2002), 339, 357 f. 4 Vgl. Rat der EU, Gutachten des Juristischen Dienstes, 4.6.2004, 10107/04 (Dokument allerdings nur teilweise zugänglich). 5 Europäisches Parlament, Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, P6_TA-PROV (2005) 0499, Abänderung 38. 6 Siehe auch Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, 1.12.2004, BT-Drucks. 15/4415 („Der Deutsche Bundestag ist der Auffassung, dass für die Anwendung des Europäischen Mahnverfahrens auf rein innerstaatliche Angelegenheiten aufgrund fehlender Zuständigkeit keine Rechtsgrundlage besteht“).
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Gegenstand, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmung
Art. 3 EG-MahnVO
bereich der EG-MahnVO wurde auf grenzüberschreitende Rechtssachen beschränkt.7 In den anderen Fällen reichen die nationalen Mahnverfahren aus.8 Folgt man dieser Auslegung der Art. 61 lit. c, 65 EG (nunmehr Art. 67 Abs. 4, 81 AEUV), so wird es auch zukünftig bei einem Nebeneinander der nationalen Mahnverfahren und des europäischen Mahnverfahrens bleiben.9 Die Mitgliedstaaten haben allerdings die Möglichkeit, ihre nationalen Mahnverfahren dem europäischen Mahnverfahren anzugleichen oder zumindest – etwa durch eine „einstufige“ Ausgestaltung – anzunähern.10
3
II. Vorliegen eines grenzüberschreitenden Bezugs im Antragszeitpunkt 1. Erfasste Konstellationen Nach Abs. 1 liegt eine grenzüberschreitende Rechtssache vor, wenn im Zeitpunkt der Antragstellung mindestens eine Partei ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des befassten Gerichts hat. Unter „Partei“ sind Antragsteller und Antragsgegner zu verstehen. Welche Gerichte zuständig sind, richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 EG-MahnVO i.V.m. der Brüssel I-VO bzw. (für Verfahren gegen Verbraucher) nach Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO. Dänemark gilt auch hier, wie generell im Kontext der EG-MahnVO, nicht als Mitgliedstaat (s. Art. 2 EG-MahnVO Rz. 41).
4
Ein Mahnverfahren nach Maßgabe der EG-MahnVO vor deutschen Gerichten ist also eröffnet, wenn 5 (unabhängig von Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt des Antragsgegners) der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Wohnsitz nicht in Deutschland oder einem Drittstaat, sondern in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller die Forderung von einem Zedenten mit gewöhnlichem Aufenthalt und Sitz in Deutschland erworben hat.11 Ferner wird ein Mahnverfahren von deutschen Gerichten dann eröffnet, wenn der Antragsgegner (unabhängig von Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt des Antragstellers) seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz nicht in Deutschland oder einem Drittstaat, sondern einem anderen EUMitgliedstaat hat. Selbstverständlich ist eine grenzüberschreitende Rechtssache auch gegeben, wenn sowohl der Antragssteller als auch der Antragsgegner ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in anderen Mitgliedstaaten haben.12 Hierbei kann es sich auch um ein und denselben Mitgliedstaat handeln.13 Nach Art. 3 EG-MahnVO ist die EG-MahnVO auch dann anwendbar, wenn der Antragsgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Wohnsitz in der EU – aber nicht in dem Mitgliedstaat des befassten Gerichts – und der Antragsteller seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in ei7 Europäische Kommission, Geänderter Vorschlag, 7.2.2006, KOM (2006) 57. 8 So gilt die EG-MahnVO nicht, wenn zwar Antragsteller und Antragsgegner ihren gewöhnlichen Aufenthalt und ihren Sitz in dem EU-Mitgliedstaat des nach Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Brüssel I-VO zuständigen Gerichts haben, aber vollstreckungsfähiges Vermögen des Antragsgegners allein oder überwiegend in anderen EU-Mitgliedstaaten zu finden ist (krit. dazu Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 306; Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 739; Leible/Freitag, § 3 Rz. 232). In diesen Fällen kann aber unproblematisch ein nationales Mahnverfahren betrieben werden. Der Titel kann sodann gemäß der EG-VollstrTitelVO als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt und in dem Mitgliedstaat, in dem sich Vermögen des Antragsgegners befindet, vollstreckt werden. 9 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung […] über den gemeinsamen Standpunkt des Rates […], 4.7.2006, KOM(2006) 374: „Die Kommission erklärt, dass die Bestimmung des Begriffs „grenzüberschreitende Rechtssache“ im Kontext dieser Verordnung keine Auslegung der Anforderung von Art. 65 des Vertrages im Sinne der Beschränkung der Tätigkeit der Gemeinschaft auf Sachen mit grenzüberschreitenden Bezügen darstellt, sondern nur eine der Möglichkeiten bietet, den Geltungsbereich dieser Verordnung im Rahmen des Art. 65 einzuschränken.“ 10 Einen Anpassungsbedarf des (allerdings ohnehin einstufig ausgestalteten) österreichischen Mahnverfahrens prüfend Mayr, JBl 2008, 503 ff. 11 Ulrici, RIW 2018, 718, 721. 12 Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 2 Rz. 1. 13 Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 3; Kloiber, ZfRV 2009, 68, 69; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 304.
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Art. 3 EG-MahnVO
Grenzüberschreitende Rechtssachen
nem Drittstaat hat. Dies ergibt sich auch aus dem Antragsformular, das unter der Rubrik „Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort des Antragstellers“ die Möglichkeit der Nennung eines Nicht-EUMitgliedstaates vorsieht.14 Dasselbe gilt in dem umgekehrten Fall, in dem nur der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder seinen Wohnsitz in der EU und der Antragsgegner seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat hat.15 7
Es reicht demgegenüber nicht aus, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz in einem Drittstaat hat, wenn zugleich der Antragsgegner seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt im Mitgliedstaat des befassten Gerichts oder aber ebenfalls in einem Drittstaat hat. Die Frage, ob in Art. 3 Abs. 1 EGMahnVO der Begriff „Mitgliedstaat“ oder (nur) der Begriff „Staat“ verwendet werden sollte, war Gegenstand ausführlicher und kontroverser Erörterungen im Gesetzgebungsprozess.16 Dies schließt eine vom Wortlaut abweichende Auslegung aus.
8
Die aktuelle Regelung führt z.T. zu wenig überzeugenden Ergebnissen. Betreibt etwa ein Antragsteller mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz ein Mahnverfahren gegen einen Antragsgegner mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, ist ein Mahnverfahren nach der EG-MahnVO in Deutschland nicht möglich, da es an den Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 EGMahnVO fehlt. Der Antragsteller kann das Verfahren nach der EG-MahnVO aber – eine internationale Zuständigkeit des anderen Mitgliedstaats vorausgesetzt – in einem anderen EU-Mitgliedstaat betreiben. Dementsprechend könnte sich der Antragsteller veranlasst sehen, nach besonderen Zuständigkeiten in anderen EU-Mitgliedstaaten – etwa am Erfüllungsort (Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO) – Ausschau zu halten und das Mahnverfahren dort zu betreiben, um den nach Art. 3 Abs. 1 EG-MahnVO geforderten grenzüberschreitenden Bezug herzustellen. Häufig wird das Betreiben eines Mahnverfahrens in dem Mitgliedstaat, in dem (auch) der Antragsgegner keinen Wohnsitz hat, nicht den Interessen der Parteien entsprechen. Eine praktische Lösung für den Forderungsinhaber könnte im Einzelfall in einer Forderungsabtretung an eine Person bestehen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat als der Antragsgegner.17
9
Art. 3 Abs. 1 EG-MahnVO enthält keine ausdrückliche Regelung für die Fälle der Streitgenossenschaft. Nach Auffassung von Rauscher liegt eine grenzüberschreitende Rechtssache bereits dann vor, wenn nur einer der Streitgenossen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Gerichtsstaat Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat und der andere Streitgenosse diese Voraussetzung nicht erfüllt.18 Nach dieser Ansicht könnte etwa ein in Deutschland wohnhafter Antragsteller in Deutschland einen Mahnantrag nach der EG-MahnVO gegen zwei Streitgenossen stellen, wenn einer der Streitgenossen seinen Wohnsitz ebenfalls in Deutschland hat und der andere in Österreich.19 Für die Frage, ob Streitgenossenschaft besteht, biete sich die Übernahme des Maßstabs aus Art. 6 Nr. 1, 28 Abs. 3 Brüssel I-VO (= Art. 8 Nr. 1, 30 Abs. 3 Brüssel Ia-VO) an.20 Für diese Lösung spricht, dass Art. 8 Nr. 1 Brüssel Ia-VO einen besonderen Gerichtsstand eröffnet und daher grundsätzlich von der Verweisungsnorm des Art. 6 Abs. 1 EG-MahnVO in Bezug genommen wird (vgl. unten Art. 6 EG-MahnVO Rz. 3). Auch der Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 lässt eine derartige Auslegung zu. Die Vorschrift stellt – 14 BeckOK/Wolber, Rz. 6; Crifò, S. 116; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 306; Mayr, JBl 2008, 503, 506; McGuire, GPR 2007, 303, 304 (mit Hinweis darauf, dass Sanktionen des Ursprungsmitgliedstaats in den Fällen, in denen der Antragsteller falsche Angaben macht, im Drittstaat ggf. nicht durchsetzbar sein könnten). Kompetenzrechtliche Bedenken gegen die Einbeziehung dieser Fallgruppe in den Anwendungsbereich der EG-MahnVO bestehen nicht, da auch hier zwei Mitgliedstaaten betroffen sind und daher ein Binnenmarktbezug besteht. 15 BeckOK/Wolber, Rz. 6; Kloiber, ZfRV 2009, 68, 69. 16 Zur Diskussion im Einzelnen s. Kormann, S. 51 f. 17 Vgl. Prütting/Halfmeier, Art. 3 Rz. 1. 18 Rauscher in MünchKomm/ZPO3, Anh. I zu Buch 11 (EG-MahnVO) Rz. 8; zust. Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 2 Rz. 1. 19 Rauscher in MünchKomm/ZPO3, Anh. I zu Buch 11 (EG-MahnVO) Rz. 8. 20 Rauscher in MünchKomm/ZPO3, Anh. I zu Buch 11 (EG-MahnVO) Rz. 8; Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 2 Rz. 1. Nach Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 4 soll es demgegenüber ausreichen, dass die Mehrheit an Personen ausschließlich durch das europäische Mahnverfahren verbunden wird; iÜ komme es nicht darauf an, in welcher (rechtlichen oder tatsächlichen) Beziehung die Personen zueinander stehen. Diese Lösung würde augenscheinlich dazu führen, dass Mahnverfahren, die in keinem inneren Zusammenhang stehen, für die Zwecke des Art. 3 Abs. 1 EG-MahnVO „gebündelt“ werden könnten; dadurch könnten aber die Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 EG-MahnVO umgangen werden.
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Gegenstand, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmung
Art. 3 EG-MahnVO
anders als die Vorentwürfe – nicht mehr darauf ab, dass „der Gläubiger und der Schuldner ihren jeweiligen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt“ in verschiedenen Mitgliedstaaten haben müssen,21 sondern verwendet ohne nähere Einschränkung den Begriff der „Parteien“. Unter den Parteien sind allerdings nur die jeweiligen Antragsteller und Antragsgegner zu verstehen. Sonstige Personen – wie etwa (potentielle) Streithelfer in einem späteren Verfahren – fallen nicht unter den Begriff der Partei.22
10
2. Definition von Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt Abs. 2 enthält eine nähere Bestimmung dessen, was unter dem „Wohnsitz“ zu verstehen ist. Die Vorschrift verweist diesbezüglich auf Art. 59 und 60 Brüssel I-VO. Seit dem 10.1.2015 ist diese Verweisung gem. Art. 80 S. 2 Brüssel Ia-VO als Verweisung auf die Art. 62 und 63 Brüssel Ia-VO zu verstehen.
11
Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts wird in der EG-MahnVO nicht definiert. Er ist so zu verstehen wie z.B. in der EG-UntVO und Art. 3 Brüssel IIa-VO und bezeichnet den tatsächlichen Daseinsmittelpunkt einer natürlichen Person, wobei der Länge des einfachen Aufenthalts indizielle Bedeutung zukommt.23 Eine Analogie zu Art. 19 Rom I-VO dürfte eher abzulehnen sein.24 Hiergegen sprechen der prozessuale Charakter der EG-MahnVO und der Umstand, dass Abs. 2 – was den Begriff des „Wohnsitzes“ anbelangt – (nur) auf die Brüssel I-VO bzw. (nunmehr) die Brüssel Ia-VO verweist. Wenn aber die EG-MahnVO, was den Begriff des „Wohnsitzes“ anbelangt, eine unmittelbare Übereinstimmung mit der Brüssel Ia-VO herstellt, sollte auch im Falle des „gewöhnlichen Aufenthalts“ eine Übereinstimmung mit den verfahrensrechtlichen Verordnungen angestrebt werden.
12
Nach Abs. 1 reicht es aus, wenn sich entweder der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat befinden. Es besteht m.a.W. ein Alternativverhältnis. Soll also ein Mahnverfahren von deutschen Gerichten geführt werden, und hat der Antragsteller seinen Wohnsitz in Deutschland, aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat, sind die Voraussetzungen von Abs. 1 erfüllt.
13
Abs. 1 gilt auch dann, wenn das Mahnverfahren gegen einen Verbraucher betrieben wird und sich die Zuständigkeit aus Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO ergibt.25 Es reicht also auch hier aus, dass sich (nur) der gewöhnliche Aufenthalt (nicht aber der Wohnsitz) des Verbrauchers in einem anderen EU-Mitgliedstaat befindet.26
14
Abzustellen ist nach Abs. 3 auf den Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Erlass eines EZB eingereicht 15 wird, also bei Gericht eingeht.27 Liegen die Voraussetzungen des Art. 3 EG-MahnVO bei Antragseingang vor, bleibt das Mahnverfahren zulässig, auch wenn die Voraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt wegfallen. Liegen die Voraussetzungen des Art. 3 EG-MahnVO bei Antragseinreichung demgegenüber (noch) nicht vor, bleibt das Mahnverfahren auch dann unzulässig, wenn nachfolgend die Voraussetzungen des Art. 3 (durch eine Verlegung von gewöhnlichem Aufenthalt bzw. Wohnsitz einer der Beteiligten) nachträglich entstehen. Der Antragsteller ist in diesem Fall darauf angewiesen, einen erneuten Antrag zu stellen. 21 Vgl. Rat der EU, 11.10.2004, 12899/04; die identische Formulierung findet sich in McCarthy, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 18.7.2005, A6-0240/05 (Art. 1a). 22 Siehe dazu auch EuGH v. 22.11.2018 – C-627/17, ECLI:EU:C:2018:941 – ZSE Energia, a.s., vs. RG, IPRax 2020, 30 (der Begriff „Parteien“ iSv Art. 3 Abs. 1 EuBagatellVO umfasst nur die klagende und die beklagte Partei des Ausgangsverfahrens); wie hier etwa BeckOK/Wolber, Rz. 7. 23 Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2751. 24 Für eine entsprechende Anwendung von Art. 19 Rom I-VO hingegen Kropholler/von Hein, Rz. 4; BeckOK/ Wolber, Rz. 11. 25 Offenbar a.A. Leible/Freitag, § 3 Rz. 234. 26 Beispiel: Der Antragsteller hat seinen Wohnsitz und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland (oder in einem Drittstaat) und stellt den Antrag bei einem Mahngericht in Deutschland. Der Antragsgegner hat seinen Wohnsitz in Deutschland, seinen gewöhnlichen Aufenthalt aber in einem anderen EU-Mitgliedstaat. 27 Leible/Freitag, § 3 Rz. 235 (mit zutr. Hinweis darauf, dass der Begriff des „Einreichens“ auch in Art. 30 Nr. 1 Brüssel I-VO verwendet wird); ferner BeckOK/Wolber, Rz. 12; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 13.
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Art. 4 EG-MahnVO
Europäisches Mahnverfahren
III. Überprüfung des grenzüberschreitenden Charakters 16
Der Antrag auf Erlass des EZB muss gem. Art. 7 Abs. 2 lit. g EG-MahnVO die Gründe für den grenzüberschreitenden Charakter der Rechtssache i.S.v. Art. 3 EG-MahnVO enthalten. Das Antragsformular sieht hier unter Ziff. 4 vor, dass Angaben zu dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers und des Antragsgegners gemacht werden.
17
Das Gericht überprüft den grenzüberschreitenden Bezug anhand dieser Angaben im Antragsformular. Es handelt sich bei den Angaben im Antragsformular um den einzigen Umstand, auf den sich die Entscheidung des Gerichts stützen kann. Wenn der grenzüberschreitende Bezug tatsächlich nicht besteht, aber im Antragsformular entsprechende Angaben gemacht werden, wird der EZB also erlassen. Jedenfalls dann, wenn der Antragsteller bewusst falsche Angaben macht, kommt aber eine nachträgliche Nichtigerklärung des EZB nach Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO in Betracht (vgl. Art. 20 EG-MahnVO Rz. 42 ff.).
Artikel 4 Europäisches Mahnverfahren Das Europäische Mahnverfahren gilt für die Beitreibung bezifferter Geldforderungen, die zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls fällig sind.
I. Hauptforderungen 1
Die EG-MahnVO bezieht sich, anders als manche nationalen Mahnverfahren,1 nur auf Geldforderungen.2 Andere Ansprüche wären – insb. deshalb, weil sie im Antragsformular nur schwer darstellbar sind – für das europäische Mahnverfahren weniger geeignet.3 Viele Zahlungsansprüche beruhen darauf, dass eine Rechtsgestaltung (im deutschen Recht etwa durch Irrtumsanfechtung, Rücktritt etc.) herbeigeführt worden ist. In einigen Mitgliedstaaten werden diese Rechtsgestaltungen allerdings nicht durch eine Erklärung des Inhabers des Gestaltungsrechts, sondern durch eine gerichtliche Entscheidung ausgelöst. Im Ergebnis besteht aber kein Zweifel daran, dass auch Ansprüche, die auf derartigen Rechtsgestaltungen beruhen, im Mahnverfahren durchgesetzt werden können.4 Die Geltendmachung von Geldforderungen ist ebenso wie im deutschen Recht nicht an eine Betragsobergrenze gebunden.5 Es werden auch nicht, anders als in § 688 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, bestimmte hochverzinsliche Verbraucherkredite a priori vom Anwendungsbereich der EG-MahnVO ausgenommen.
2
Die Geldforderung kann in jeder Währung geltend gemacht werden. Dass es sich hierbei auch um die Währung eines Nicht-EU-Mitgliedstaates handeln kann, ergibt sich aus der Rubrik „Sonstiges“ im Antragsformular.6 Dem nationalen Gesetzgeber ist es verwehrt, hiervon abweichend eine Be1 So besteht etwa in Frankreich ein spezielles Mahnverfahren für Ansprüche auf Handlungen (procédure d’injonction de faire), vgl. Art. 1425-1 ff. NCPC, das allerdings „so gut wie totes Recht“ ist (Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 1). Zu entsprechenden Regelungen in Italien, Finnland und Schweden vgl. Europäische Kommission, Grünbuch, 20.12.2002, KOM (2002) 746, 20; Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren, S. 214 Fn. 38. 2 Näher dazu Europäische Kommission, Grünbuch, 20.12.2002, KOM (2002) 746, 22. 3 Rechberger, FS Yessiou-Faltsi (2007) 513, 517 (mit Hinweis darauf, dass andere Forderungen im Vergleich zu Geldforderungen nur einen kleinen Prozentsatz ausmachen); ebenso Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung S. 138. 4 Zum österreichischen Recht Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 2. 5 Gegen eine Betragsobergrenze bereits Prütting, FS Yessiou-Faltsi (2007) 497, 511; Rechberger, FS Yessiou-Faltsi (2007) 513, 517. Siehe ferner Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung S. 138 f.; Bender, S. 68 f.; Tschütscher/ Weber, ÖJZ 2007, 303, 305 (die Lösung der EG-MahnVO sei „vertretbar“); Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 6; Kodek, FS Rechberger (2005) 283, 288. Eine Betragsobergrenze besteht z.B. in Österreich (§ 244 Abs. 1 österrZPO: 75.000 t); vgl. noch Europäische Kommission, Grünbuch, 20.12.2002, KOM (2002) 746, 22 und die Länderberichte bei Rechberger/Kodek und Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 214 Fn. 36. 6 Punkt 6 des Antragsformulars.
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Gegenstand, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmung
Art. 4 EG-MahnVO
schränkung des Antrags auf Ansprüche in inländischer Währung zwingend vorzuschreiben;7 denn Art. 4 und 7 EG-MahnVO legen die Anforderungen an den Antrag abschließend fest (Art. 7 EGMahnVO Rz. 30).8 Die EG-MahnVO legt nicht fest, auf welche Weise dann im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 5 Nr. 2 EG-MahnVO) in die inländische Währung umzurechnen ist. Insbes bleibt offen, auf welchen Zeitpunkt hierbei abzustellen ist. Diese Frage bleibt somit – wie auch sonst – dem nationalen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats überlassen. In Deutschland ist somit auf § 244 Abs. 2 BGB, also auf den Zeitpunkt der Zahlung, abzustellen.9 Die geltend gemachte Forderung muss beziffert sein. Hierbei reicht es aus, wenn der Gesamtwert der Hauptforderung angegeben wird.10 Der Antragsteller kann aber nicht die Bestimmung des genauen Betrags dem Gericht überlassen.
3
In der Begründung zum Verordnungsentwurf der Kommission wird ausgeführt, dass die EG-MahnVO nicht anwendbar sei für Geldforderungen, die sich – wie etwa im Falle immaterieller Schäden – nicht beziffern lassen.11 Ein genereller Ausschluss der Geltendmachung immaterieller Schäden ist damit aber nicht beabsichtigt. Der Antragsteller muss sich bei der Geltendmachung immaterieller Schäden im Antragsformular lediglich auf einen bestimmten Betrag festlegen und kann sich nicht darauf beschränken, nur einen betragsmäßigen Rahmen oder eine Feststellung des Bestehens der Forderung dem Grunde nach zu beantragen.
4
Nach Art. 4 EG-MahnVO muss die Forderung zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Erlass 5 eines Europäischen Zahlungsbefehls fällig sein. Ob und wann Fälligkeit eintritt, richtet sich nach dem auf den Anspruch anwendbaren Recht.12 Es reicht nach dem Wortlaut des Art. 4 nicht aus, dass die Forderung erst zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts fällig ist.13 Da es aber der EGMahnVO um eine beschleunigte Forderungsdurchsetzung geht (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO), sollte Art. 4 EG-MahnVO vor diesem Hintergrund erweiternd ausgelegt werden.14 Letztlich dürfte diese Frage keine besondere praktische Bedeutung haben, da das Formblatt keine besondere Angabe zur Fälligkeit vorsieht und auch nicht verlangt werden kann, dass der Antragsteller sich hierzu explizit äußert (vgl. unten Art. 7 EG-MahnVO Rz. 9).
II. Nebenforderungen, Zinsen Der Antragsteller kann gem. Art. 7 Abs. 2 lit. b EG-MahnVO auch Vertragsstrafen und Kosten als Nebenforderungen geltend machen, muss diese aber im Antragsformular ebenfalls genau beziffern.15 Nur soweit es um Gerichtsgebühren geht, kann die Nennung des Betrags dem Gericht überlassen bleiben.16
6
Im Falle von Zinsen reicht es u.a. aus, wenn der Antragsteller den zu verzinsenden Betrag, den Fälligkeitszeitraum sowie den gesetzlichen bzw. vertraglichen Zinssatz angibt (Art. 7 Abs. 2 lit. c EGMahnVO).17 Das Formblatt E (Europäischer Zahlungsbefehl) schien vorauszusetzen, dass die Zinsen
7
7 Anders Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 7. 8 Siehe hierzu allgemein EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, 147 m. zust. Anm. Sujecki. 9 Dies entspricht dem Zeitpunkt der Pfändung, Bachmann, Fremdwährungsschulden in der Zwangsvollstreckung (1994) S. 80 ff.; Maier-Reimer, NJW 1985, 2049, 2053; Gruber in MünchKomm/ZPO, § 803 ZPO Rz. 6; Münzberg in Stein/Jonas, Vor § 704 ZPO Rz. 162; abw. (Zeitpunkt der Erlösauskehr an den Gläubiger) z.B. K. Schmidt, ZZP 98 (1985) 32, 47. 10 Punkt 6 des Antragsformulars. 11 Europäische Kommission, Vorschlag, 25.5.2004; KOM(2004) 173/3, 11 (zu Art. 2 des Entwurfs). 12 Hüßtege in Thomas/Putzo Rz. 2. 13 Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2751. 14 Abw. Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2751 (Antragszurückweisung auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts Fälligkeit gegeben ist); ebenso Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 5; BeckOK/Wolber, Rz. 7. 15 Punkte 8 und 9 des Antragsformulars. 16 Punkt 9 der Anleitung zum Ausfüllen des Antragsformulars. 17 Näher Punkt 7 des Antragsformulars.
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Art. 4 EG-MahnVO
Europäisches Mahnverfahren
ihrem Betrag nach vom Mahngericht genau ausgerechnet werden. Hieraus wurde in der Literatur der Schluss gezogen, dass Zinsen nur bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Erlass des EZB gefordert werden können.18 Die Anleitung zum Ausfüllen des Antragsformulars in der bis zum 22.10.2012 geltenden Fassung schien diese Auffassung nochmals zu bestätigen.19 Einzelne Autoren gingen sogar davon aus, dass Zinsen nur bis zum Zeitpunkt der Antragseinreichung verlangt werden konnten.20 7a
Der EuGH hat indes entschieden, dass der Antragsteller weitergehend Zinsen für die Zeit ab ihrer Fälligkeit bis zur Begleichung der Hauptforderung verlangen kann.21 Dem Verordnungstext sei keine eindeutige Regelung zu entnehmen. Maßgeblich für eine Entscheidung dieser Frage sei die Erwägung, dass die EG-MahnVO ein effektives und kostengünstiges Mahnverfahren zur Verfügung stellen wolle.22 Könnte der Antragsteller nur Zinsen geltend machen, die bei Erlass des EZB bereits fällig seien, wäre er letztlich gezwungen, bezüglich der Zinsen mehrere hintereinander folgende Anträge zu stellen; dies würde die Dauer und Komplexität des Verfahrens und dessen Kosten erheblich erhöhen.23
7b
Der EuGH hatte sich sodann mit der Frage zu befassen, wie das Formblatt E für den EZB durch das Gericht auszufüllen ist, wenn der EZB die bis zur Begleichung der Hauptforderung auflaufenden Zinsen beinhalten soll. Nach dem EuGH sei der Inhalt des Formblatts in diesem Fall „den besonderen Umständen der Sache anzupassen“.24 Notwendig sei nur, dass der Antragsgegner aus der Entscheidung den Umfang der Zinszahlungspflicht „ohne jeden Zweifel“ erkennen könne.25 Konkret schlägt der EuGH (wenn auch nur beispielhaft) vor, dass der Zinssatz in der Spalte „Betrag“ angegeben und in der Spalte „Datum (Tag/Monat/Jahr)“ darauf hingewiesen wird, dass der Antragsgegner die Zinsen ab einem bestimmten Zeitpunkt bis zur Begleichung der Hauptforderung zu zahlen habe.26
7c
Die Entscheidung des EuGH enthält keine Angaben zu der Frage, wie der Antragsteller das Formblatt A (Antrag auf Erlass eines EZB) auszufüllen hat, wenn er Zinsen bis zur Begleichung der Hauptforderung verlangen möchte. In der Konsequenz der Ausführungen des EuGH zu den Angaben im Formblatt E dürfte es liegen, dass der Antragsteller die Spalte „bis“ unausgefüllt lassen kann. Es ist aber dann wohl unvermeidlich, dass er sein Begehren in der für ergänzende Bemerkungen vorgesehenen Spalte näher erläutert.27 Das Formblatt sollte entsprechend geändert werden28 18 Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1102. 19 In der bis zum 22.10.2012 geltenden Fassung hieß es noch unter Punkt 7, dass „Zinsen bis zur Entscheidung des Gerichts“ gefordert werden können. Diese Wendung wurde sodann aufgegeben und ist auch in der aktuellen Fassung der Anleitung nicht enthalten (hierzu s. die Delegierte Verordnung (EU) 2017/1260 der Kommission vom 19.6.2017 zur Änderung des Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. Nr. L 182/20). 20 Leible/Freitag, § 3 Rz. 230; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 7. 21 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, 147 m. Anm. Sujecki. 22 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, Rz. 30. 23 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, Rz. 44 ff. 24 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, Rz. 57. 25 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, Rz. 58. 26 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, Rz. 59; zustimmend Sujecki, EuZW 2013, 150, 151; a.A. weiterhin Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 7. 27 Siehe auch die in der ab 23.10.2012 geltenden Anleitung zum Ausfüllen des Formblatts A enthaltene Formulierung: „Entscheidet das Gericht über die Höhe der Zinsen, so ist das letzte Kästchen [bis] leer zu lassen und der Code 06E anzugeben.“ Diese Formulierung wurde in der Delegierten Verordnung (EU) 2017/1260 der Kommission vom 19.6.2017 zur Änderung des Anhang I beibehalten (ABl. Nr. L 182/20). 28 Siehe den Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (COM(2015) 495 final, dort unter Punkt 3.3.1.
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
Art. 5 EG-MahnVO
Bezüglich der Zinsen ist noch zu berücksichtigen, dass der Basiszinssatz nach § 247 BGB nicht mit dem im Formblatt angesprochenen Basiszinssatz der EZB identisch ist.29
8
III. Einrede des nichterfüllten Vertrags Art. 4 stellt seinem Wortlaut nach nur auf eine fällige Forderung ab. Nach dem deutschen Recht steht es der Fälligkeit ieS nicht entgegen, dass der Schuldner – bei gegenseitigen Verträgen – eine Zug-umZug-Einrede erheben kann.
9
Letztlich hat das Mahnverfahren aber nicht den Sinn, Forderungen durchzusetzen, die in einem 10 ordentlichen Verfahren – bei Erhebung der Zug-um-Zug-Einrede – nicht zu einer unbedingten Verurteilung führen könnten.30 Dies würde zu einer Entwertung einer zentralen – das vertragliche Synallagma sichernden – materiellen Norm auf dem Umweg des Mahnverfahrens führen. Dementsprechend kann etwa der Zahlungsanspruch des Verkäufers im deutschen Mahnverfahren nur dann mithilfe des Mahnverfahrens durchgesetzt werden, wenn dieser bereits seine Leistung, die Lieferung der Sache, erbracht hat (§ 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dies sollte auch für das europäische Mahnverfahren gelten; es ist nicht davon auszugehen, dass der europäische Gesetzgeber mit der EG-MahnVO in das bestehende materielle Recht hat eingreifen wollen.31 Das Nichtbestehen der Zug-um-Zug-Einrede ist daher als Anwendungsfall der „Fälligkeit“ zu behan- 11 deln. Hieraus folgt, dass der Forderung bereits bei „Einreichung des Antrags“ keine Zug-um-ZugEinrede entgegenstehen darf. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob sich der Antragsteller zum Nichtbestehen einer Zug-um-Zug- 12 Einrede im Antrag ausdrücklich äußern muss. Das Antragsformular sieht keine Rubrik vor, in der sich der Antragsteller zur Erbringung seiner geschuldeten Gegenleistung äußern muss. Dementsprechend dürfte der Antrag etwa dann, wenn der Antragsteller den Code 1 (Kaufvertrag) ankreuzt, nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass er iÜ keine Angabe zur bereits erfolgten Lieferung der Ware enthält. Das Antragsformular verlangt m.a.W. nicht, dass der Anspruch in allen Einzelheiten schlüssig dargelegt wird. Es kann im Lichte von Art. 1 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO auch nicht verlangt werden, dass der Antragsteller das lückenhafte Antragsformular durch Angaben zum Nichtbestehen einzelner Einwendungen und Einreden ergänzt (vgl. Art. 7 EG-MahnVO Rz. 10 und Art. 11 EG-MahnVO Rz. 7). De lege ferenda sollte das Antragsformular aber um eine entsprechende Angabe zur Zug-um-Zug-Einrede erweitert werden.32
Artikel 5 Begriffsbestimmungen Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck 1. „Ursprungsmitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, in dem ein Europäischer Zahlungsbefehl erlassen wird, 2. „Vollstreckungsmitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung eines Europäischen Zahlungsbefehls betrieben wird, 29 Rauscher/Pabst, Art. 4 EG-VollstrTitelVO Rz. 24; ferner Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1102 Fn. 18. 30 Vgl. Kropholler/von Hein, Rz. 2; BeckOK/Wolber, Rz. 8; Sujecki, MMR 2005, 213, 214. 31 So auch Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung S. 137 f.; Kormann, S. 62 ff.; zust. Stadler, ZZP 123 (2010) 111, 113; ferner Leible/Freitag, § 3 Rz. 230; Leible/Freitag, BB 2008, 2750, 2751; Zöller/Geimer, Art. 1 Rz. 8; Geimer/Garber in Geimer/Schütze EuZivilVerfR, Art. 1 Rz. 10; abw. Schimrick, NJ 2008, 491, 492; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 6 (der Antragsgegner sei darauf angewiesen, die Zug-um-Zug-Einrede durch Einspruch geltend zu machen). 32 In diesem Sinne wohl auch Kormann, S. 64. Die Kommission hat am 19.7.2017 Anhang I geändert, aber hierbei das Problem der Zug-um-Zug-Leistung nicht behandelt (s. die Delegierte Verordnung (EU) 2017/1260 der Kommission vom 19.6.2017 zur Änderung des Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. Nr. L 182/20).
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Art. 6 EG-MahnVO
Zuständigkeit
3. „Gericht“ alle Behörden der Mitgliedstaaten, die für einen Europäischen Zahlungsbefehl oder jede andere damit zusammenhängende Angelegenheit zuständig sind, 4. „Ursprungsgericht“ das Gericht, das einen Europäischen Zahlungsbefehl erlässt. 1
Art. 5 enthält eine selbsterklärende Definition einzelner Begriffe. Die Definition des „Ursprungsmitgliedstaats“ (Nr. 1) orientiert sich an der Definition in Art. 4 Nr. 4 EG-VollstrTitelVO. Die Definition des „Vollstreckungsmitgliedstaats“ (Nr. 2) an Art. 4 Nr. 5 EG-VollstrTitelVO. Nr. 3 stellt klar, dass zu den Gerichten i.S.d. EG-MahnVO auch Behörden zu zählen sind.1 Nr. 4 (Ursprungsgericht) ist in Ansehung von Nr. 1 selbsterklärend.
Artikel 6 Zuständigkeit (1) Für die Zwecke der Anwendung dieser Verordnung wird die Zuständigkeit nach den hierfür geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts bestimmt, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 44/2001. (2) Betrifft die Forderung jedoch einen Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, und ist der Verbraucher Antragsgegner, so sind nur die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in welchem der Antragsgegner seinen Wohnsitz im Sinne des Artikels 59 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 hat. I. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . 1 1. Regelung durch Unionsrechtsakte, insb. die Brüssel I-VO (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Sonderregel für Verbraucherverträge (Abs. 2) 7 a) Vorliegen eines Verbrauchervertrages . . . 7 b) Abgabe an das Streitgericht . . . . . . . . . 14
II. Überprüfung der internationalen Zuständigkeit durch das Mahngericht . . . . . . . . 23 III. Sachliche, örtliche und funktionale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
I. Internationale Zuständigkeit 1. Regelung durch Unionsrechtsakte, insb. die Brüssel I-VO (Abs. 1) 1
Art. 6 EG-MahnVO regelt die internationale Zuständigkeit für das Europäische Mahnverfahren. Abs. 1 verweist auf die hierfür geltenden Vorschriften des Unionsrechts. Abs. 1 hebt insbesondere die Brüssel I-VO hervor; mittlerweile ist aber die Brüssel I-VO aufgehoben worden (s. Art. 80 S. 1 Brüssel IaVO) und nach Art. 80 S. 2 Brüssel Ia-VO sind Bezugnahmen auf die Brüssel I-VO nunmehr als Bezugnahmen auf die Brüssel Ia-VO zu lesen. Soweit die EG-MahnVO sich ausnahmsweise auch auf Unterhaltsforderungen bezieht (s. oben Art. 2 EG-MahnVO Rz. 10 und Art. 2 EG-MahnVO Rz. 23), ist auch die EG-UntVO anzuwenden. Die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel Ia-VO und der EGUntVO sind also in die EG-MahnVO gewissermaßen „hineinzulesen“.1
2
Von der Verweisung erfasst werden damit in erster Linie die Art. 4–24 Brüssel Ia-VO, soweit diese Zahlungsklagen zum Gegenstand haben. Vorrangig zu prüfen ist demnach das Vorliegen eines aus1 Näher Kropholler/von Hein, Rz. 2; auch Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 1. 1 Krit. Lüke, LA Hay (2005) 263, 275 f.; Hess, ZSR 124 (2005) II 193, 214; sowie ausf. (die Bestimmungen der Brüssel I-VO seien wegen ihrer Kompliziertheit nicht für das Mahnverfahren geeignet, vorzuziehen sei ein ausschließlicher Gerichtsstand am Wohnort bzw. Sitz des Antragsgegners) Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 220 f.; Sujecki, NJW 2007, 1622, 1623; Sujecki, ZEuP 2006, 124, 136; Sujecki, EuZW 2006, 330, 331; Sujecki, EuZW 2006, 358 f.; Sujecki, MMR 2005, 213, 214 f.; Kreße, EWS 2008, 508, 510; Bender, S. 89 ff.; abw. (zu begrüßende Regelung) Einhaus, IPRax 2008, 323, 325. Für eine Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Antragstellers Schollmeyer, IPRax 2002, 478, 482 ff.; näher hierzu (letztlich abl.) Bender, S. 99 ff.
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
Art. 6 EG-MahnVO
schließlichen Gerichtsstands nach Art. 24 Brüssel Ia-VO, sodann das Vorliegen einer Zuständigkeitsvereinbarung nach Art. 25 Brüssel Ia-VO, das Vorliegen einer Versicherungs-, Verbraucher-2 oder Arbeitssache nach Art. 10 ff., 17 ff., 20 ff. Brüssel Ia-VO, das Vorliegen besonderer Gerichtsstände nach Art. 7, 8 Brüssel Ia-VO sowie der allgemeine Gerichtsstand nach Art. 4 Brüssel Ia-VO. Der allgemeine Gerichtsstand liegt demnach in dem Mitgliedstaat, in dem der Antragsgegner seinen Wohnsitz hat (Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO). In Bezug genommen werden auch die besonderen Gerichtsstände des Art. 7 Brüssel Ia-VO) – insb. der Gerichtsstand am Erfüllungsort, Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO) – sowie auch Art. 8 Brüssel Ia-VO.3 Die ratio des Art. 8 Brüssel Ia-VO, die Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen, trifft iÜ auch dann zu, wenn es sich (noch) nicht um mehrere Beklagte, sondern um mehrere Antragsgegner handelt. Auch das Antragsformular hat offenkundig die Situation des Art. 8 Brüssel Ia-VO im Blick (vgl. auch oben Art. 3 EG-MahnVO Rz. 9 f.).4
3
Auch Art. 25 Brüssel Ia-VO (Gerichtsstandsvereinbarung) ist anzuwenden. Nach dem Antragsformular reicht es hier aus, dass ein entsprechender Code angekreuzt wird.5 Eine nähere Darlegung bzw. ein Nachweis wird nicht verlangt. Ob tatsächlich eine Gerichtsstandsvereinbarung zustande gekommen ist, ist damit einer Nachprüfung durch das Gericht zunächst praktisch nicht zugänglich (vgl. näher unten Art. 8 EG-MahnVO Rz. 5 ff.). Es bleibt sodann, falls kein Einspruch gegen den EZB eingelegt wird, nur die Nachprüfung im Rahmen des Art. 20 Abs. 2 (s. unten Art. 20 EG-MahnVO Rz. 35 ff.). Keine Rolle spielt im Stadium des Mahnverfahrens demgegenüber die rügelose Einlassung nach Art. 26 Brüssel Ia-VO. Die Einlegung eines Einspruchs gegen den EZB ist iÜ auch nicht als rügelose Einlassung im Rahmen des sich (erst) anschließenden Zivilverfahrens zu werten (s. Art. 17 EG-MahnVO Rz. 12).6
4
Nicht ganz eindeutig ist, ob Art. 6 Abs. 1 EG-MahnVO auch die (Weiter-)Verweisung des Art. 6 Brüs- 5 sel Ia-VO auf das nationale Zuständigkeitsrecht erfasst.7 Art. 6 Brüssel Ia-VO stellt, indem es eine Verweisung ausspricht, eine Regelung der internationalen Zuständigkeit dar.8 Nach dem äußeren Wortlaut des Art. 6 EG-MahnVO wird sie damit ebenfalls in Bezug genommen. Im Übrigen ist die EG-MahnVO ausweislich ihres Art. 3 EG-MahnVO auch dann anwendbar, wenn nur der Antragsteller, nicht aber der Antragsgegner, seinen gewöhnlichen Aufenthalt bzw. Wohnsitz innerhalb der EU hat. Es entspräche nicht dem Sinn dieser Regelung, die Anwendbarkeit der EG-MahnVO sodann mit der Begründung scheitern zu lassen, dass sich die internationale Zuständigkeit des Gerichts nur aus Art. 6 Brüssel Ia-VO i.V.m. dem nationalen Zuständigkeitsrecht ergibt.9 Schließlich legt auch die Ausgestaltung des Antragsformulars, das die Rubrik „Sonstiges“ enthält, eine entsprechend weite Auslegung von Art. 6 Abs. 1 EG-MahnVO nahe.
2 Für Klagen gegen Verbraucher gilt die Sonderregel des Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO. 3 Kormann, S. 71 mit Fn. 263. 4 Im Antragsformular ist unter Punkt 3 (Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit) der Code „01 Wohnsitz des Antragsgegners oder eines Antragsgegners“ aufgeführt. 5 Siehe Punkt 3 des Antragsformulars (Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit) Ziff. 12. 6 EuGH v. 13.6.2013 – C-144/12, ECLI:EU:C:2013:393 – Goldbet Sportwetten Rz. 38, 41 und 43; bestätigt durch EuGH v. 10.3.2016 – C-94/14, ECLI:EU:C:2016:148 – Flight Refund Ltd. vs. Deutsche Lufthansa AG Rz. 47. Eine rügelose Einlassung bleibt aber, soweit der Antragsgegner Einspruch einlegt, im nachfolgenden ordentlichen Zivilverfahren möglich (vgl. Kormann, S. 96). 7 Bejahend Rauscher in MünchKomm/ZPO3, Anh. I zu Buch 11 (EG-MahnVO) Rz. 10; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 3; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 4; BeckOK/Wolber, Rz. 1; letztlich auch Kropholler/von Hein, Rz. 3 f.; zweifelnd Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 741 f. 8 S. auch den Hinweis von Kropholler/von Hein, Rz. 3 auf die anderen Sprachfassungen des Art. 6 EuMahnVO, nach denen die Zuständigkeit „in Einklang mit“ der Brüssel Ia-VO zu bestimmen ist („in accordance with“/ „conformément“). Dies spricht auch bei rein grammatischer Auslegung dafür, dass Art. 4 Brüssel Ia-VO miteinbezogen sein soll. 9 Nach Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 742 würde die Nichtanwendung der EG-MahnVO zu einem absurden Resultat führen, da der Antragsteller mit gewöhnlichem Aufenthalt in der EU daran gehindert wäre, gegen einen Antragsgegner mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Drittstaat vorzugehen, während umgekehrt ein Antragsteller mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Drittstaat gegen einen Antragsgegner mit gewöhnlichem Aufenthalt in der EG vorgehen könnte.
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Art. 6 EG-MahnVO 6
Zuständigkeit
Eine ähnliche Frage besteht darin, ob auch die gem. Art. 71 Brüssel Ia-VO vorrangig anwendbaren Übereinkommen zwischen Mitgliedstaaten von Art. 6 Abs. 1 EG-MahnVO in Bezug genommen werden. Von der Anwendbarkeit der Zuständigkeitsregeln derartiger Übereinkommen im Rahmen der EG-MahnVO ist im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens Flight Refund Ltd/Deutsche Lufthansa die Generalanwältin beim EuGH ausgegangen.10 Eine Einbeziehung der in Art. 71 Brüssel IaVO angesprochenen Übereinkommen entspricht auch Sinn und Zweck von Art. 6 Abs. 1 EG-MahnVO. Nach dieser Vorschrift soll derjenige Mitgliedstaat für das Mahnverfahren zuständig sein, der, wenn der Antragsgegner Einspruch einlegt, auch für das sich gem. Art. 17 EG-MahnVO im Falle des Einspruchs automatisch anschließende ordentliche Zivilverfahren zuständig ist. Dem widerspräche es, wenn man den Vorrang der in Art. 71 Brüssel Ia-VO angesprochenen Übereinkommen außer Betracht ließe. 2. Sonderregel für Verbraucherverträge (Abs. 2) a) Vorliegen eines Verbrauchervertrages
7
Stammt die Forderung aus einem Verbrauchervertrag und wird das Mahnverfahren gegen den Verbraucher eröffnet, so sind gem. Abs. 2 die Gerichte des Mitgliedstaats international zuständig, in dem der Antragsgegner seinen Wohnsitz hat. Die Vorschrift führt dazu, dass der EZB im Inland zuzustellen ist. Die Schwierigkeiten einer grenzüberschreitenden Zustellung entfallen. Nach ihrem Schutzzweck findet die Vorschrift nur Anwendung, wenn es sich um einen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher handelt; bei Verträgen zwischen Verbrauchern besteht für eine Schutzbestimmung zugunsten des Antragsgegners keine Veranlassung.11 Ist der Verbraucher Antragsteller, gilt Abs. 2 nicht. Es bleibt bei den auch im Übrigen anwendbaren Zuständigkeitsregeln unter Einschluss von Art. 18 Abs. 1 Brüssel Ia-VO. Abs. 2 lässt sich kein (konkludenter) Ausschluss von Art. 18 Abs. 1 Brüssel Ia-VO entnehmen; dies wäre mit der Grundintention der Vorschrift – die auf eine Verstärkung, nicht Abschwächung des Verbraucherschutzniveaus gerichtet ist – nicht vereinbar.12
8
Die Sonderregel des Abs. 2 gilt auch in den Fällen, in denen nach der Brüssel Ia-VO die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats gegeben wäre.13 Auch die ausschließlichen Zuständigkeitsregelungen der Brüssel Ia-VO werden durch Abs. 2 verdrängt.14 Wäre also nach Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO eine ausschließliche Zuständigkeit am Ort der Mietsache gegeben, hat aber der Mieter-Verbraucher seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat, sind allein die Gerichte des Wohnsitzstaates für den Erlass des EZB zuständig.15 Für die wortlautgetreue weite Anwendung von Abs. 2 spricht, dass die Vorschrift den Schutz des Verbrauchers vor dem als besonders „gefährlich“ eingestuften Mahnverfahren bezweckt; zudem enthält auch Art. 6 Abs. 1 lit. d EG-VollstrTitelVO eine vergleichbare – allgemeine – Vorschrift zum Schutz der Verbraucher.16
9
Die Umschreibung des Verbrauchervertrags entspricht zunächst der Formulierung des Art. 17 Abs. 1 Brüssel Ia-VO.17 Anders als Art. 17 Abs. 1 Brüssel Ia-VO beschränkt sich Abs. 2 nicht auf die in Art. 17 Abs. 1 lit. a-c Brüssel Ia-VO genannten Konstellationen, sondern erfasst sämtliche Verbraucherverträge.18 Im Übrigen ist der Begriff des Verbrauchervertrages in Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO identisch mit
10 Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston, C-94/14, ECLI:EU:C:2015:723 – Flight Refund Ltd. vs. Deutsche Lufthansa AG, BeckRS 2016, 80471 Rz. 52. 11 Kropholler/von Hein, Rz. 9; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 6; Geimer/Garber in Geimer/Schütze EuZivilVerfR, Rz. 2; BeckOK/Wolber, Rz. 6; Kindl/Meller-Hannich/Netzer, Rz. 7. 12 Wie hier Kropholler/von Hein, Rz. 5; auch Kindl/Meller-Hannich/Netzer, Rz. 7; abw. BeckOK/Wolber, Rz. 7 (Art. 18 Abs. 1 Brüssel Ia-VO nicht anwendbar). 13 Krit. Einhaus, IPRax 2008, 323, 326. 14 Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 8; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 307; Kropholler/von Hein, Rz. 8. 15 Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 307. 16 Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 8; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 307. 17 Er stimmt zugleich mit Art. 6 Abs. 1 lit. d Str. 2 EG-VollstrTitelVO überein (BeckOK/Wolber, Rz. 5). 18 Einhaus, IPRax 2008, 323, 326; Kloiber, ZfRV 2009, 68, 70 Fn. 26; Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 216; Hüßtege in Thomas/Putzo Rz. 3; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 307.
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
Art. 6 EG-MahnVO
dem in Art. 17 Abs. 1 Brüssel Ia-VO verwendeten Begriff.19 Da die EG-MahnVO (anders als die Brüssel Ia-VO) keine Sonderregeln für Versicherungsverträge enthält, erstreckt sich Abs. 2 auch auf Verbraucher-Versicherungsverträge;20 es besteht kein einleuchtender Grund dafür, den VerbraucherVersicherungsnehmer im Rahmen der EG-MahnVO weniger zu schützen als andere Verbraucher.21 Erfasst sind ferner Forderungen aus Beförderungsverträgen; der Ausschluss nach Art. 17 Abs. 3 Brüssel Ia-VO gilt im Rahmen der EG-MahnVO nicht.22 Nach der hier vertretenen Auffassung sind schließlich auch Arbeitsverträge unter Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO zu subsumieren. Dies gilt ungeachtet dessen, dass sie nicht ieS „Verbraucherverträge“ darstellen; der Zweck der Norm spricht aber dafür, Arbeitnehmer, die in der Brüssel Ia-VO einen ähnlichen Schutz genießen wie Verbraucher, in Anwendung von Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO Verbrauchern gleichzustellen.23 Der Begriff des Wohnsitzes des Verbrauchers wird aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in Abs. 2 nach Maßgabe von Art. 62 Brüssel Ia-VO bestimmt.24 Nicht von Bedeutung ist, wo sich der gewöhnliche Aufenthalt des Verbrauchers befindet.
10
Abs. 2 statuiert eine ausschließliche Zuständigkeit des Mitgliedstaats, in dem der Verbraucher sei- 11 nen Wohnsitz hat. Eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung ist also für die internationale Zuständigkeit des Mahngerichts ohne Bedeutung.25 Abs. 2 führt nur zu einer Zuständigkeit eines EU-Mitgliedstaats, wenn der Verbraucher seinen Wohn- 12 sitz in der EU hat. Nicht geregelt wird die Zuständigkeit für den Fall, dass der Verbraucher seinen Wohnsitz außerhalb der EU in einem Drittstaat hat. Hier könnte man ggf. gem. Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Brüssel Ia-VO auf die Zuständigkeitsvorschriften des nationalen Verfahrensrechts zurückgreifen. Dem Tatbestand nach bezieht sich Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO aber auf Forderungen gegen Verbraucher allgemein und nicht a priori nur auf Verbraucher, die ihren Wohnsitz in der EU haben. Es besteht auch kein Anlass, den in einem Drittstaat wohnhaften Verbraucher weniger zu schützen als Verbraucher mit Wohnsitz in der EU. Dementsprechend ist nach der hier vertretenen Auffassung davon auszugehen, dass ein Verfahren nach der EG-MahnVO in diesen Fällen – mangels Zuständigkeit – nicht betrieben werden kann. Der Antragsteller ist somit in diesen Fällen auf die nationalen Mahnverfahren angewiesen.26 Entsprechend dem verbraucherschützenden Charakter der Norm ist darauf abzustellen, wo sich der Wohnsitz des Verbrauchers im Zeitpunkt der Zustellung befindet. Der Zustellungszeitpunkt ist gegenüber dem in der Literatur überwiegend favorisierten Zeitpunkt der Antragseinreichung27 vorzuziehen, da die Inlandszustellung bei Verlegung des Wohnsitzes nach Antragseinreichung regelmäßig scheitert und für diesen Fall dann doch (entgegen dem Zweck der Norm) eine Zustellung im Ausland vorzunehmen wäre. Erst recht kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Verbrauchervertrags an.28 Verzieht der Schuldner also noch vor Zustellung des EZB in einen anderen Mitglied-
19 Vgl. aber auch – eine enge Auslegung von Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO abl. – Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 307. 20 Kropholler/von Hein, Rz. 7; abw. Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 728; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 10. 21 BeckOK/Wolber, Rz. 11. Aus der Anwendung von Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO folgt u.a., dass sich der Versicherer für die Zwecke des europäischen Mahnverfahrens nicht auf eine nach Entstehen der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung stützen kann (vgl. demgegenüber Art. 15 Nr. 1 Brüssel Ia-VO). 22 Kropholler/von Hein, Rz. 7; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 307. 23 BeckOK/Wolber, Rz. 11; abw. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 10. Aus der hier vertretenen Anwendung von Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO folgt, dass sich der Arbeitgeber für die Zwecke des europäischen Mahnverfahrens nicht auf eine nach Entstehen der Streitigkeit getroffene Gerichtsstandsvereinbarung stützen kann (vgl. demgegenüber Art. 23 Nr. 1 Brüssel Ia-VO). 24 Kloiber, ZfRV 2009, 68, 70; Hüßtege in Thomas/Putzo Rz. 5. 25 Kloiber, ZfRV 2009, 68, 70; McGuire, GPR 2007, 303; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 307; Kropholler/ von Hein, Rz. 9. 26 Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2751; Ulrici, RIW 2018, 718, 725. 27 So (unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 3 und Art. 4 EG-MahnVO) Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 12; BeckOK/ Wolber, Rz. 8. 28 Krit. Einhaus, EuZW 2011, 865, 866.
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Art. 6 EG-MahnVO
Zuständigkeit
staat, ist dieser Mitgliedstaat zuständig. Verzieht er in einen Drittstaat, kann ein Antrag nach EGMahnVO wegen der fehlenden Zuständigkeit nicht mehr gestellt werden. b) Abgabe an das Streitgericht 14
Legt der Antragsgegner gegen den EZB innerhalb der in Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO genannten Frist Einspruch ein, so wird das Verfahren vor den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats gemäß den Regeln eines ordentlichen Zivilprozesses weitergeführt (Art. 17 Abs. 1 EG-MahnVO). „Ursprungsmitgliedstaat“ ist der Mitgliedstaat, in dem der EZB erlassen worden ist (Art. 5 Nr. 1 EG-MahnVO). Die Modalitäten der Abgabe werden durch das nationale Recht geregelt (Art. 17 Abs. 2 EG-MahnVO). Das nationale Recht kann insb. den Antragsteller dazu verpflichten, das Gericht, an das der Rechtsstreit abgegeben werden soll, zu benennen (vgl. unten Art. 17 EG-MahnVO Rz. 5, Art. 17 EG-MahnVO Rz. 10).
15
Diese Weiterführung des Verfahrens gemäß den Regeln eines ordentlichen Zivilprozesses ist für den Antragsteller unproblematisch, wenn in dem nach Abs. 2 zuständigen Gericht zugleich eine internationale Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO für das ordentliche Zivilverfahren besteht. Dies ist regelmäßig der Fall. Wenn der Anwendungsbereich des Art. 17 Brüssel Ia-VO eröffnet ist, können nach Art. 18 Abs. 2 Brüssel Ia-VO Klagen gegen den Verbraucher grundsätzlich nur vor den Gerichten des Staates erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. Ist der Anwendungsbereich des Art. 17 Brüssel Ia-VO nicht eröffnet, folgt die internationale Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Verbrauchers aus Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO. Regelmäßig ist also der „Ursprungsmitgliedstaat“ i.S.d. Art. 5 Nr. 1 EG-MahnVO identisch mit dem nach Art. 18 Abs. 2 Brüssel Ia-VO oder Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO zuständigen Mitgliedstaat.
16
Allerdings muss nicht immer eine internationale Zuständigkeit am Wohnsitz des Verbrauchers bestehen. So kann etwa in den engen Grenzen von Art. 19 Nr. 1 und Nr. 3 Brüssel Ia-VO auch für Klagen gegen den Verbraucher die Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedstaats vereinbart werden, in dem der Verbraucher keinen Wohnsitz hat.29 Ferner ist – bei den nicht von Art. 17 Brüssel Ia-VO erfassten Verträgen – an eine vorrangige ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO oder wiederum an eine Gerichtsstandsvereinbarung (Art. 25 Brüssel Ia-VO) zu denken.30
17
Eindeutig ist nur, dass Abs. 2 auch in diesen Fällen gilt. Die Regelung enthält eine ausdrückliche Ausnahme zu der Verweisung auf die Brüssel Ia-VO. Sie nimmt diese Abweichung von der Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO damit in Kauf.
18
Fraglich ist allerdings, ob in diesem Fall die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats auch für den sich anschließenden ordentlichen Rechtsstreit zuständig sind, ob also die Zuständigkeit nach Abs. 2 auch in das ordentliche Zivilverfahren hineinwirkt. Hiergegen spricht, dass es der Antragsteller in diesem Fall in der Hand hätte, eine zwischen ihm und dem Antragsgegner geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung mittels eines vorgeschalteten Mahnverfahrens auszuhebeln.31 Ferner könnte er durch Vorschaltung eines Mahnverfahrens die nach Art. 24 Nr. 1 Brüssel Ia-VO auch im öffentlichen Interesse am Belegenheitsort der Sache vorgesehene ausschließliche Zuständigkeit umgehen.32 Es ist aber nicht davon auszugehen, dass der europäische Gesetzgeber mit der EG-MahnVO derart in das Zuständigkeitsregime der Brüssel Ia-VO hat eingreifen wollen. Im Ergebnis bleibt es also dabei, dass sich die Zuständigkeit für ein sich anschließendes ordentliches Zivilverfahren weiterhin (allein) nach der Brüssel Ia-VO richtet.33 Hiergegen spricht auch nicht der Gedanke der perpetuatio fori, da das Erkenntnisverfahren überhaupt erst nach Abgabe an das Streitgericht anhängig wird.34
29 Ausnahmen bestehen auch bei den (nach der hier vertretenen Auffassung von Art. 6 Abs. 2 ebenfalls erfassten) Versicherungs- und Arbeitsverträgen (s. insb. Art. 15, 23 Brüssel Ia-VO). 30 Siehe auch McGuire, GPR 2007, 303, 304. 31 McGuire, GPR 2007, 303, 304. 32 McGuire, GPR 2007, 303, 304. 33 McGuire, GPR 2007, 303, 304; Ulrici, RIW 2018, 718, 725; abw. Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 311. 34 Abw. Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 311 (die Zuständigkeit des nach der EG-MahnVO zuständigen Gerichts werde perpetuiert).
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
Art. 6 EG-MahnVO
Eine Möglichkeit bestünde darin, dass das Mahngericht das Verfahren – ggf. auf Antrag – an die Gerichte des zuständigen Mitgliedstaates abgibt. Eine derartige grenzüberschreitende Abgabe sehen aber weder die EG-MahnVO noch die Brüssel Ia-VO vor.35
19
In dem (nur) nach Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO zuständigen Ursprungsmitgliedstaat droht dem Antragsteller somit eine Klageabweisung. Um dem vorzubeugen, kann der Antragsteller gem. Art. 17 Abs. 1 EG-MahnVO erklären, dass das Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat im Falle eines Einspruchs zu beenden ist (vgl. dort Art. 17 EG-MahnVO Rz. 11).36 Ob der Antrag auf Erlass des EZB in diesem Fall die Verjährung hemmt, richtet sich nach dem auf den Anspruch anwendbaren Recht (vgl. Art. 7 EG-MahnVO Rz. 22).
20
Tut der Antragsteller dies nicht, richtet sich das weitere Verfahren gem. Art. 17 Abs. 2 EG-MahnVO und Art. 26 EG-MahnVO nach dem nationalen Recht. In Deutschland wird der Antragsteller gem. § 1090 Abs. 1 ZPO aufgefordert, das Gericht zu bezeichnen, das für die Durchführung des Verfahrens zuständig ist (§ 1090 Abs. 1 S. 1 ZPO).37 Das vom Antragsteller sodann benannte Gericht hat die internationale Zuständigkeit selbst zu prüfen (§ 1090 Abs. 1 S. 2 ZPO sowie § 1090 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 696 Abs. 5 ZPO); ggf. muss es in diesen Fällen die Klage mangels internationaler Zuständigkeit abweisen.
21
Der EG-MahnVO ist nicht zu entnehmen, dass das Verfahren in diesen Fällen bereits von dem Mahn- 22 gericht von Amts wegen „einzustellen“ ist.38 Dies ergibt sich schon daraus, dass das nach Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO zuständige Mahngericht keine weiteren Informationen hat, aus denen sich das Bestehen oder Nichtbestehen einer internationalen Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO ergibt, sondern seine Zuständigkeit für das Mahnverfahren lediglich auf die Verwendung des Codes 08 (Wohnsitz des Verbrauchers) stützt. Die Überprüfung der internationalen Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO obliegt daher dem vom Antragsteller bezeichneten Gericht. Dieses wird iÜ die Klage nicht zwingend wegen fehlender internationaler Zuständigkeit abweisen, sondern kann insb. in den Fällen der rügelosen Einlassung nach Art. 26 Brüssel Ia-VO in der Sache entscheiden.39
II. Überprüfung der internationalen Zuständigkeit durch das Mahngericht Ob das angerufene Mahngericht für das Verfahren nach der EG-MahnVO international zuständig ist 23 oder nicht, ist vom Gericht allein anhand der Angaben des Antragstellers zu überprüfen. Soweit dieser falsche Angaben macht, wird dementsprechend der EZB zunächst einmal erlassen. Wenn der Antragsgegner sodann nicht innerhalb der 30-Tage-Frist Einspruch einlegt, wird der EZB für vollstreckbar erklärt. In diesem Fall kann nur noch, soweit der Antragsgegner die Einspruchsfrist ohne sein Verschulden versäumt hat, ein Antrag nach Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO gestellt werden (s. dazu Art. 20 EG-MahnVO Rz. 16 ff.). Daneben kommt – wenn der Antragsteller mit Bezug auf die Verbrauchereigenschaft des Antragsgegners vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat – ein Antrag nach Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO in Betracht (s. unten Art. 20 EG-MahnVO Rz. 35 ff.).40
35 Leible/Freitag, § 3 Rz. 237; Einhaus, EuZW 2005, 165, 166; vgl. auch McGuire, GPR 2007, 303, 304 (es komme zu einer „Rechtshängigkeitspause“). Für Einführung einer an Art. 15 Brüssel IIa-VO orientierten Regelung Ulrici, RIW 2018, 718, 728. 36 Nach dem deutschen Recht (§ 1090 Abs. 2 S. 2 ZPO i.V.m. § 696 Abs. 4 S. 1 ZPO) kann der Antragsteller seinen Antrag auch noch bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung des Antragsgegners zur Hauptsache einseitig zurücknehmen. 37 Das Mahngericht setzt ihm hierfür eine den Umständen nach angemessene Frist (§ 1090 Abs. 1 S. 2 ZPO). Diese Frist hat wohl (nur) mit Blick auf den in § 1090 Abs. 3 ZPO benannten Rechtshängigkeitszeitpunkt Bedeutung. 38 Wie hier Ulrici in MünchKomm/ZPO, Art. 17 Rz. 7; a.A. Leible/Freitag, § 3 Rz. 237 und Rz. 255; Leible/Freitag, BB 2008, 2750, 2753; Kropholler/von Hein, Rz. 10. 39 Ausgenommen hiervon sind aber gem. Art. 26 Abs. 1 S. 2 Brüssel Ia-VO die Fälle des Art. 24 Brüssel Ia-VO. 40 Kormann, S. 98; abw. Mayr, JBl 2008, 503, 516 (der Antragsgegner sei darauf zu verweisen, Einspruch einzulegen und im anschließenden ordentlichen Verfahren die Unzuständigkeitseinrede zu erheben).
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Art. 6 EG-MahnVO
Zuständigkeit
III. Sachliche, örtliche und funktionale Zuständigkeit 24
Die Regelung der sachlichen, örtlichen und funktionalen Zuständigkeit bleibt, wie sich aus Art. 26 und mittelbar auch aus Art. 29 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO ergibt, dem nationalen Recht überlassen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Brüssel Ia-VO in ihrer direkten Anwendung verschiedentlich nicht nur die internationale Zuständigkeit, sondern – etwa beim Gericht am Erfüllungsort, Art. 7 Nr. 1 lit. a Brüssel Ia-VO – die örtliche Zuständigkeit mitregelt.41 Insoweit stellt sich die Frage, ob auch im Rahmen der Verweisung des Art. 6 Abs. 1 EG-MahnVO auf die Brüssel Ia-VO im Einzelfall die örtliche Zuständigkeit mitgeregelt wird.
25
Hiergegen spricht die in Art. 29 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO vorausgesetzte Kompetenz der Mitgliedstaaten, die für den Erlass eines EZB zuständigen Gerichte zu bestimmen.42 Im systematischen Zusammenhang mit Art. 29 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO ist Art. 6 EG-MahnVO einschränkend auszulegen und allein auf die internationale Zuständigkeit zu beziehen.43
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Belässt man die Regelung der örtlichen Zuständigkeit vollständig bei den Mitgliedstaaten, haben diese die Möglichkeit, ein zentrales Mahngericht für ihr gesamtes Staatsgebiet zu bestimmen.44 An diesem zentralen Mahngericht kann sodann das in Art. 8 S. 2 EG-MahnVO zugelassene automatisierte Verfahren eingeführt werden. Diese Möglichkeit wäre aber faktisch zunichte gemacht, wenn sich die örtliche Zuständigkeit doch im Einzelfall nach der Brüssel Ia-VO richtete.45 Dies kann aber nicht dem Willen des Verordnungsgebers entsprochen haben.46 Dieser wollte – ausweislich des Art. 1 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO – ein effektives, einfaches und kostengünstiges Mahnverfahren einführen.47
27
Auch der ErwGr. 12 EG-MahnVO spricht dafür, dass die EG-MahnVO der Einführung von zentralen Mahngerichten und automatisierten Verfahren nicht im Wege stehen wollte.48 Er fordert die Mitgliedstaaten auf, bei der Festlegung der örtlichen Zuständigkeit dem „Erfordernis, den Zugang der Bürger zur Justiz zu gewährleisten, gebührend Rechnung zu tragen“. Eine – uneingeschränkte – Konzentration der Zuständigkeit führt dazu, dass dem Antragsteller die Suche nach dem zuständigen Gericht maßgeblich erleichtert und damit der Zugang zur Justiz gewährleistet wird.49 Andernfalls müsste sich der Antragsteller nicht nur mit der Frage nach der internationalen Zuständigkeit auseinandersetzen, sondern sich zusätzlich im Rahmen der örtlichen Zuständigkeit auf ein hochkomplexes Zusammenspiel von Brüssel Ia-VO und nationalem Zuständigkeitsrecht einstellen, das für einen juristischen Laien nicht mehr verständlich wäre.
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Dieses Verständnis liegt auch den deutschen Durchführungsbestimmungen zugrunde. In Deutschland besteht gem. § 1087 ZPO eine ausschließliche Zuständigkeit des AG Wedding für ganz Deutsch-
41 Etwa Rauscher/Leible, EuZPR5 (2021), Art. 7 Brüssel Ia-VO Rz. 4. 42 Sujecki, ZEuP 2006, 124, 137; Althammer, ZVglRWiss 119 (2020), 197, 202 und 205 f.; Bittmann, S. 214. 43 Im Erg Kormann, S. 193 ff.; Kreße, EWS 2008, 509, 510; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 1; Kropholler/von Hein, Rz. 12; BeckOK/Wolber, Rz. 13; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 11; Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2751 f. (unter Aufgabe der in Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU § 3 Rz. 236 vertretenen Auffassung); ferner – wenngleich mit Bedenken – Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 306 Fn. 25; Zweifel bei Sujecki, NJW 2007, 1622, 1623; abw. Rauscher in MünchKomm/ZPO3, Anh. I zu Buch 11 (EG-MahnVO) Rz. 11; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 8 (am Beispiel von Art. 8 Nr. 1 Brüssel I-VO). 44 Eine derartige Konzentration grundsätzlich befürwortend etwa Althammer, ZVglRWiss 119 (2020), 197, 202 ff.; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 307; Kormann, S. 193 ff.; Bittmann, S. 214; Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 218 f.; Kropholler/von Hein, Rz. 12. 45 Da die Einführung eines derartigen automatisierten Verfahrens aber kostenintensiv ist, ist es i.d.R. nur in Verbindung mit der Einführung eines zentralen Mahngerichts von Interesse (vgl. hierzu auch Empfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9639, 4 re. Sp.). Anders Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 8 (die Verfahrenskonzentration betreffe von vornherein keine Frage der örtlichen Zuständigkeit). 46 Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1102 (mit dem Argument, dass ein zentrales Mahngericht letztlich eine besondere sachliche Zuständigkeit wahrnehme); ebenso Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 219. 47 Kormann, S. 194. 48 Bittmann, S. 214. 49 Zutr. Empfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9639, 4 re. Sp.
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
Art. 7 EG-MahnVO
land.50 Funktional zuständig ist der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 7 RPflG).51 Ist die Forderung im Klageverfahren vor den ArbG geltend zu machen, ist abweichend hiervon das ArbG zuständig, das auch für eine entsprechende Klage zuständig wäre (§ 46b Abs. 2 ArbGG).52 In Österreich ist ausschließlich das Bezirksgericht für Handelssachen Wien zuständig.53 Auch andere Mitgliedstaaten haben von der Möglichkeit einer Zuständigkeitskonzentration Gebrauch gemacht.54
Artikel 7 Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls (1) Der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls ist unter Verwendung des Formblatts A gemäß Anhang I zu stellen. (2) Der Antrag muss Folgendes beinhalten: a) die Namen und Anschriften der Verfahrensbeteiligten und gegebenenfalls ihrer Vertreter sowie des Gerichts, bei dem der Antrag eingereicht wird; b) die Höhe der Forderung einschließlich der Hauptforderung und gegebenenfalls der Zinsen, Vertragsstrafen und Kosten; c) bei Geltendmachung von Zinsen der Zinssatz und der Zeitraum, für den Zinsen verlangt werden, es sei denn, gesetzliche Zinsen werden nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats automatisch zur Hauptforderung hinzugerechnet; d) den Streitgegenstand einschließlich einer Beschreibung des Sachverhalts, der der Hauptforderung und gegebenenfalls der Zinsforderung zugrunde liegt; e) eine Bezeichnung der Beweise, die zur Begründung der Forderung herangezogen werden; f) die Gründe für die Zuständigkeit, und g) den grenzüberschreitenden Charakter der Rechtssache im Sinne von Artikel 3. (3) In dem Antrag hat der Antragsteller zu erklären, dass er die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat, und anzuerkennen, dass jede vorsätzliche falsche Auskunft angemessene Sanktionen nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats nach sich ziehen kann.1 (4) Der Antragsteller kann in einer Anlage zum Antrag dem Gericht gegenüber erklären, welches der in Artikel 17 Absatz 1 Buchstaben a und b aufgeführten Verfahren gegebenenfalls auf seine Forderung in dem späteren Zivilverfahren angewendet werden soll, falls der Antragsgegner Einspruch gegen den Europäischen Zahlungsbefehl einlegt. Der Antragsteller kann in der im ersten Unterabsatz vorgesehenen Anlage dem Gericht gegenüber auch erklären, dass er die Überleitung in ein Zivilverfahren im Sinne des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a oder Buchstabe b für den Fall ablehnt, dass der Antragsgegner Einspruch einlegt. Dies hindert den Antragsteller nicht daran, das Gericht zu einem späteren Zeitpunkt, in jedem Fall aber vor Erlass des Zahlungsbefehls, hierüber zu informieren.2 50 Vgl. dazu auch Empfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/9639, 4 re. Sp. Nach Auffassung von Leible/Freitag, § 3 Rz. 234 ist diese Vorschrift aber jedenfalls im Anwendungsbereich der Art. 5, 23 Brüssel I-VO unanwendbar. 51 Im RegE wird darauf hingewiesen, dass bei Erlass des EZB nur die „Schlüssigkeit der Angaben im Antragsformblatt“ zu prüfen sei. Dies rechtfertige es, in diesem Stadium des Verfahrens eine Zuständigkeit des Rechtspflegers und nicht des Richters vorzusehen (BT-Drucks. 16/8839, 30); letztlich zust. Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 307; Bittmann, S. 211 ff.; auch Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 219 f. (wenngleich unterschiedliche Standards in den Mitgliedstaaten befürchtend). 52 Kritisch hierzu Althammer, ZVglRWiss 119 (2020), 197, 205. 53 S. § 252 Abs. 2 österrZPO. 54 Informationen zur Durchführung der Verordnung hierzu sind abrufbar im Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen (https://e-justice.europa.eu/content_european_payment_order-353-de.do). 1 Der Text des Art. 7 Abs. 3 wurde nachträglich berichtigt (ABl. EU 2008 L 46/52). Vorher hieß es statt „anzuerkennen“ „anerkannt“. 2 Absatz 4 wurde mit Wirkung zum 14.7.2017 geändert durch die Verordnung (EU) 2015/2421 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007
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Art. 7 EG-MahnVO Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls (5) Die Einreichung des Antrags erfolgt in Papierform oder durch andere – auch elektronische – Kommunikationsmittel, die im Ursprungsmitgliedstaat zulässig sind und dem Ursprungsgericht zur Verfügung stehen. (6) Der Antrag ist vom Antragsteller oder gegebenenfalls von seinem Vertreter zu unterzeichnen. Wird der Antrag gemäß Absatz 5 auf elektronischem Weg eingereicht, so ist er nach Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen3 zu unterzeichnen. Diese Signatur wird im Ursprungsmitgliedstaat anerkannt, ohne dass weitere Bedingungen festgelegt werden können. Eine solche elektronische Signatur ist jedoch nicht erforderlich, wenn und insoweit es bei den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats ein alternatives elektronisches Kommunikationssystem gibt, das einer bestimmten Gruppe von vorab registrierten und authentifizierten Nutzern zur Verfügung steht und die sichere Identifizierung dieser Nutzer ermöglicht. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über derartige Kommunikationssysteme. I. Zwingende Verwendung des Formblatts (Abs. 1); Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notwendige Angaben (Abs. 2) . . . . . . . . .
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III. Erklärung zum Wahrheitsgehalt des Antrags (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
IV. Erklärung zur Überleitung in ein ordentliches Verfahren (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . 18 V. Form des Antrags (Abs. 5) . . . . . . . . . . . 23 VI. Unterzeichnung des Antrags (Abs. 6) . . . . . 27 VII. Fehlende Regelungskompetenz des nationalen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . 30
I. Zwingende Verwendung des Formblatts (Abs. 1); Sprache 1
Nach Abs. 1 ist der Antrag zwingend unter Verwendung des Formblatts A nach Anhang I in der jeweils aktuellen Fassung zu stellen. Das Formblatt A sieht einen Katalog von möglichen Angaben und die Verwendung sog. Codes vor. Eine eigenständige Einfügung von Angaben – ohne die Verwendung von Codes – ist nur im Ausnahmefall zulässig bzw. notwendig. Verwendet der Antragsteller das Formblatt nicht, ist der Antrag gem. Art. 11 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO zurückzuweisen.
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Abs. 1 regelt nicht, in welcher Sprache das Formblatt auszufüllen ist. Eine Regelung lässt sich auch nicht Art. 21 Abs. 2 lit. b EG-MahnVO entnehmen, da sich diese Vorschrift nur auf den Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 5 Nr. 2 EG-MahnVO), nicht auf den Ursprungsmitgliedstaat (Art. 5 Nr. 1 EG-MahnVO) bezieht.4 Die fehlende Regelung in der EG-MahnVO lässt sich möglicherweise damit erklären, dass das Sprachenproblem dort – da Angaben durch die Verwendung von Codes gemacht werden können – nur von geringerer Bedeutung ist.5 Der Antragsteller kann aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Codes auch ein für ihn fremdsprachiges Formblatt in der Weise ausfüllen, dass er ein Formblatt in einer ihm verständlichen Sprache neben das für ihn fremdsprachige Formblatt legt und die Codes an der entsprechenden Stelle einträgt.6 Das Formblatt A ist in allen Amtssprachen der Europäischen Union erhältlich.7
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Allerdings lässt das Formblatt dem Antragsteller verschiedentlich doch die Möglichkeit, zusätzliche Angaben zu machen. Ferner tritt im Einzelfall – etwa dann, wenn die Art der geltend gemachten Forderung nicht in dem Katalog enthalten ist – die eigenständige Umschreibung an die Stelle eines ein-
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zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU L 341/1). Amtl. Fußnote: ABl. L 13 vom 19.1.2000, S. 12. Kormann, S. 197. Nach Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 308 bestanden im Europäischen Parlament Bedenken gegen die Sprachregelung; diese seien aber mit Hinweis auf die Ausgestaltung der Formulare ausgeräumt worden. Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1102; Sujecki, NJW 2007, 1622, 1624; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 307. Siehe den Hinweis auf dem Formblatt selbst sowie nochmals in der Anleitung zum Formblatt.
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
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fachen Codes. Hier hat die Frage, welche Sprache der Antragsteller verwenden kann, praktische Bedeutung. Das Formblatt selbst enthält den Hinweis, dass es in der Sprache oder in einer der Sprachen auszufül- 4 len ist, die das zu befassende Gericht „anerkennt“. Hieraus ist zu entnehmen, dass nach der EGMahnVO eine am Gericht des Ursprungsmitgliedstaats zugelassene Sprache verwendet werden muss.8 Allerdings steht, da die EG-MahnVO keine explizite Regelung aufweist, die Frage nach den zulässigen Sprachen gem. Art. 26 der nationalen Durchführungsgesetzgebung offen (vgl. unten Art. 26 EGMahnVO Rz. 1). Diese könnte etwa vorsehen, dass der Antrag auch in englischer Sprache ausgefüllt werden kann.9 Die deutschen Durchführungsbestimmungen sehen keine Regelung dieser Problematik vor. Daraus ist zu schließen, dass das Antragsformular nach dem Grundsatz des § 184 GVG zwingend in deutscher Sprache auszufüllen ist.10 Wie sodann zu entscheiden ist, wenn das Formular nicht in einer der vom Mitgliedstaat zugelassenen Sprachen ausgefüllt ist, dürfte sich im Wege eines argumentum a maiore ad minus wiederum nach dem nationalen Recht des jeweiligen Mitgliedstaates richten. Im Falle des deutschen Rechts ist davon auszugehen, dass ein nicht in deutscher Sprache ausgefüllter Antrag grundsätzlich abzuweisen ist. Dem Antragsteller sollte aber – gerade dann, wenn es nur um einzelne ergänzende Angaben geht – in entsprechender Anwendung von Art. 9 die Möglichkeit einer Verbesserung eingeräumt werden.11
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Hiervon zu trennen ist wiederum die (zu verneinende) Frage, ob der EZB ggf. in die dem Mitgliedstaat, in dem er zuzustellen ist, vor der Zustellung in die dort vorgesehene Amtssprache zu übersetzen ist, sowie die sich aus Art. 8 EG-ZustVO12 ergebende Möglichkeit des Antragsgegners, die Annahme eines fremdsprachigen EZB zu verweigern (s. zu alledem ausf. Art. 12 EG-MahnVO Rz. 3 ff.).
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II. Notwendige Angaben (Abs. 2) 1. Vorgaben der EuMahnVO Abs. 2 benennt die notwendigen Angaben, die der Antragsteller zu machen hat. Im Einzelnen hat der Antragsteller die Verfahrensbeteiligten zu bezeichnen, die gerichtliche Zuständigkeit und das Vorliegen einer grenzüberschreitenden Rechtssache zu begründen sowie Angaben zu der Forderung zu machen (lit. a–d, f, g). Diese Angaben sind notwendig, um den Gegenstand des Verfahrens festzulegen und eine Überprüfung der Zulässigkeit zu ermöglichen.
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Der Antrag muss eine Hauptforderung enthalten. Daneben kann der Antragsteller als Nebenforderungen Zinsen, Vertragsstrafen und Kosten geltend machen (Abs. 2 lit. b). Soweit der Antragsteller –
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8 Formblatt B gemäß Anhang II, mit dem der Antragsteller zur Vervollständigung und/oder Berichtigung des Antrags aufgefordert wird, enthält eine Rubrik mit dem Hinweis, dass der Antrag nicht in der richtigen Sprache ausgefüllt worden ist. Die Sprache des zuständigen Gerichts für maßgeblich halten Crifò, S. 120; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 307; Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1102; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 308. 9 Dies entspricht auch der Auffassung der Kommission im Bericht über die Anwendung der EG-MahnVO (Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens [COM(2015) 495 final], dort unter Punkt 3.3.2: „Zur Erreichung des Ziels eines wahrhaft europäischen Verfahrens sollten alle Mitgliedstaaten Anträge auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls in mindestens einer weiteren Sprache neben ihrer Amtssprache oder ihren Amtssprachen zulassen.“). Aus der Literatur s. etwa Kormann, S. 114; Rellermeyer, Rpfleger 2009, 11, 12 f.; Kreße, EWS 2008, 508, 512. 10 Kormann, S. 197; Rellermeyer, Rpfleger 2009, 11, 13; Kreße, EWS 2008, 508, 512; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 5; im Ergebnis kaum abw. Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 3; Saenger/Gierl, Rz. 2 (grundsätzlich sei jede Amtssprache zulässig; soweit allerdings Ergänzungen notwendig seien, gelte § 184 GVG). 11 Wie hier BeckOK/Wolber, Rz. 8. Die Angaben in der falschen Sprache können fehlenden bzw. evident unrichtigen Angaben gleichgestellt werden. 12 Ab dem 1.7.2022 tritt an die Stelle von Art. 8 EG-ZustVO der inhaltlich leicht modifizierte Art. 12 der Neufassung der EG-ZustVO (Verordnung (EU) 2020/1784); hierzu s. Sujecki, EuZW 2021, 286, 290.
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Art. 7 EG-MahnVO Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls was nicht ausgeschlossen ist – diese Forderungen als Hauptforderungen geltend macht, ist dies im Formblatt unter „6. Hauptforderung“ mit der Rubrik 25 (Sonstige Forderungen) zu erläutern.13 9
Das Formblatt sieht nicht vor, dass sich der Antragsteller explizit zur Fälligkeit der Forderung äußert (vgl. oben Art. 4 EG-MahnVO Rz. 5). Dem Schweigen des Formblatts lässt sich im Umkehrschluss entnehmen, dass Angaben zur Fälligkeit nicht erforderlich sind. Es würde das Verfahren unnötig erschweren, wenn der Antragsteller in einem begleitenden Schreiben Ausführungen zur Fälligkeit machen müsste.14 Im Lichte des Art. 1 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO, der ein einfaches und schnelles Verfahren vorsieht, sind explizite Angaben zur Fälligkeit nicht zu verlangen. Ihr Fehlen sollte jedenfalls, da sich die Überprüfung durch das Gericht grundsätzlich auf die „Angaben im Antragsformular“ beschränkt, nicht zu einer Zurückweisung des Antrags nach Maßgabe der Art. 9–11 EG-MahnVO führen. Es ist de lege lata hinzunehmen, dass sich der Antragsteller nicht zu allen Punkten, die zur Schlüssigkeit des Anspruchs gehören, äußern muss (vgl. Art. 8 EG-MahnVO Rz. 5 ff.). Verlangt man ungeachtet dessen doch eine Erklärung zur Fälligkeit, so sollte man davon ausgehen, dass eine derartige Erklärung in dem bloßen Antrag auf Erlass eines EZB (konkludent) mit enthalten ist.
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Nach der hier vertretenen Auffassung liegt eine „Fälligkeit“ der Forderung i.S.d. Art. 4 EG-MahnVO bei gegenseitigen Verträgen nur dann vor, wenn der Gläubiger die eigene Leistung bereits erbracht hat (vgl. oben Art. 4 EG-MahnVO Rz. 10 ff.). Das Formblatt A sieht allerdings nicht vor, dass sich der Antragsteller explizit zur Erbringung seiner eigenen Leistung äußern muss. Dementsprechend ist auch nicht zu verlangen, dass sich der Antragsteller in einem begleitenden Schreiben dazu äußert (vgl. oben Art. 4 EG-MahnVO Rz. 12 und Art. 8 EG-MahnVO Rz. 5). Bezüglich der Zinsen ist zu berücksichtigen, dass der Basiszinssatz nach BGB nicht mit dem im Formblatt angesprochenen Basiszinssatz der EZB identisch ist (vgl. oben Art. 4 EG-MahnVO Rz. 8).
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Besondere Beachtung verdient ferner die in lit. e enthaltene Regelung, dass der Antragsteller die Beweise bezeichnen muss, die zur Begründung der Forderung herangezogen werden. Diese Regelung soll dem Antragsgegner bei der Entscheidung darüber, ob er gegen den EZB Einspruch einlegt oder nicht, eine Hilfestellung bieten.15 Auch bezüglich der Beweismittel sieht das Antragsformular verschiedene Codes (Urkundsbeweis, Zeugenbeweis, Sachverständigengutachten, Inaugenscheinnahme und Sonstiges) vor. In einem zusätzlichen Kästchen sind die angegebenen Beweismittel näher zu beschreiben, wobei bei Dokumenten z.B. eine nähere Bezeichnung und/oder das Aktenzeichen sowie bei Zeugen der Name angegeben werden können.16 Die Beweise müssen aber nur bezeichnet, nicht erbracht werden. Auch Urkunden müssen nur bezeichnet, nicht (auch nicht in Kopie) dem Antrag beigefügt werden (zum Sonderfall des Verbrauchervertrages unter Verwendung von AGB siehe aber Rz. 13 ff.).17
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Aus dem Gesetzgebungsverfahren ergibt sich, dass der Antragsteller nicht gezwungen sein soll, eine „erschöpfende Liste der Beweisstücke“ vorzulegen.18 Soweit es also der Antragsteller unterlässt, ein13 Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 308 (zur Konventionalstrafe nach österr Verständnis); Geimer/Schütze/ Kodek, Rz. 14. 14 Kropholler/von Hein, Rz. 14; anders aber Leible/Freitag, § 3 Rz. 240; Leible/Freitag, BB 2008, 2750, 2752 (da das Gericht die Fälligkeit zu prüfen habe, sei in dem das Formblatt begleitenden Antragsschreiben unbedingt auf die Fälligkeit hinzuweisen); ebenso Kormann, S. 64. 15 Kritisch zum Erfordernis der Beweisbezeichnung Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 233 ff.; Sujecki, MMR 2005, 213, 215. 16 Siehe Punkt 10 der Anleitung zum Ausfüllen des Antragsformulars. Nach Auffassung von Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 235, könnten juristisch nicht geschulte Personen mit der Bezeichnung der Beweismittel überfordert sein. 17 Ausf. von Bernstorff, RIW 2008, 548, 551; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 307; Kormann, S. 83 ff.; Leible/Freitag, § 3 Rz. 214; Leible/Freitag, BB 2008, 2750, 2752; Musielak/Voit/Voit, Rz. 11; Rauscher in Rauscher, EuZPR2 (2006) Einf. EGMahnVO Rz. 19; Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1103; Hüßtege in Thomas/Putzo Rz. 3; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 308; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 17. 18 Vgl. Europäische Kommission, 25.5.2004, KOM (2004) 173/3, 12 zu Art. 3 Abs. 2 lit. e. Nach Art. 3 Abs. 2 lit. e VO-Vorschlag musste der Antrag „eine kurze Beschreibung zumindest eines Beweismittels, das in einem ordentlichen Zivilprozess zur Untermauerung des Anspruchs beigebracht werden könnte“, enthalten. Abw. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 16 (es sei erforderlich, dass der Antragsteller ein geeignetes Beweismittel zu allen Sachverhaltsangaben benenne).
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
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zelne Beweisstücke anzugeben, ist der Antrag nicht unvollständig i.S.d. Art. 9 Abs. 1 EG-MahnVO.19 Natürlich ist er auch in einem anschließenden streitigen Verfahren nicht gehindert, Beweisangebote zu unterbreiten, die er noch nicht in dem Antrag benannt hat. Fraglich ist, ob der Antrag auch dann zulässig gestellt ist, wenn der Antragsteller überhaupt keine Beweismittel benennt, sondern, was immerhin denkbar ist, allein darauf vertraut, dass der Antragsgegner seinem Vortrag nicht entgegentritt oder der Auffassung ist, dass die Beweislast ohnehin (ganz oder jedenfalls hinsichtlich der streitigen Punkte) beim Antragsgegner liegt. Im Lichte des Art. 1 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO ist auch ein Antrag ohne Nennung von Beweismitteln grundsätzlich zulässig.20 Allerdings ist vom Antragsteller zu verlangen, dass er die fehlende Nennung der Beweismittel in der Rubrik „Sonstiges“ begründet. Wenn er sich überhaupt nicht zu den Beweismitteln äußert – also das Antragsformular einfach offenlässt –, ist nach Maßgabe von Art. 9 EG-MahnVO ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. 2. Besonderheiten bei Verbraucherverträgen Bislang konnte man angesichts des klaren Wortlauts von Art. 7 EuMahnVO davon ausgehen, dass der Antragsteller auch bei einem Vertrag, den er mit einem Verbraucher abgeschlossen hat, keine Angaben zu dem genauen Vertragsinhalt machen musste. Insbesondere ergibt sich aus der EG-MahnVO nicht, dass bestimmte Vertragsbestandteile im Wortlaut mitgeteilt werden müssen oder gar der ganze Vertrag dem Antrag in Kopie beizufügen ist.
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Der EuGH hat dies allerdings in der Rs. Bondora AS vs. Carlos VC anders gesehen und sich hierbei 13a vor allem auf Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen21 im Lichte von Art. 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union22 gestützt.23 Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 treffen Anordnungen über missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat. Nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie sehen die Mitgliedstaaten vor, dass solche missbräuchlichen Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind. Gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sorgen die Mitgliedstaaten des Weiteren dafür, dass angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende gesetzt wird. Für nationale Mahnverfahren leitet der EuGH aus den genannten Richtlinienbestimmungen ab, dass das nationale Mahngericht die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, von Amts wegen prüfen und damit dem Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfen muss; vorausgesetzt werde allerdings, dass es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt.24 Im Rahmen nationaler Mahnverfahren steht Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie nach dem EuGH einer nationalen Regelung entgegen, die es ermöglicht, einen Zahlungsbefehl erlassen, wenn das mit einem Antrag auf Erlass eines Zahlungsbefehls befasste Gericht nicht die mögliche Missbräuchlichkeit der Klauseln des betreffenden Vertrags prüfen darf und es aufgrund der Modalitäten für die Ausübung des Rechts, Widerspruch gegen einen solchen Zahlungsbefehl einzulegen, nicht möglich ist, die Einhaltung der dem Verbraucher nach der Richtlinie 93/13 zustehenden Rechte zu gewährleisten.25 Die Konsequenzen
19 Vgl. auch ErwGr. 14 EG-MahnVO, nach dem in dem Antragsformular (nicht in dem Antrag selbst) eine „möglichst erschöpfende“ Liste der Arten von Beweisen enthalten sein sollte. Nach Auffassung von Leible/Freitag, § 3 Rz. 241 eröffnet demgegenüber die Befugnis des Gerichts, den Mangel hinreichender Beweisbezeichnung zu beanstanden, „der Willkür Tür und Tor“. 20 Zutr. Kreße, EWS 2008, 512. 21 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. EU Nr. L 95/29. 22 Art. 38 der Charta der Grundrechte der EU lautet: „Die Politiken der Union stellen ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher.“ 23 EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC ua., EuZW 2020, 193. Hierzu Rieländer, GPR 2020, 55 ff. 24 EuGH v. 4.6.2009 – C-243/08, ECLI:EU:C:2009:350 – Pannon GSM, Rz. 32, EuZW 2009, 503; EuGH v. 13.9.2018 – C-176/17, ECLI:EU:C:2018:711 – Profi Credit Polska, Rz. 42, BeckRS 2018, 21395. 25 EuGH v. 13.9.2018 – C-176/17, ECLI:EU:C:2018:711 – Profi Credit Polska, BeckRS 2018, 21395, Rz. 71 und EuGH v. 28.11.2018 – C-632/17, ECLI:EU:C:2018:963 – PKO Bank Polski, Rz. 49, BeckRS 2018, 31151.
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13b
Art. 7 EG-MahnVO Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls dieser Rechtsprechung auf das nationale deutsche Mahnverfahren werden in der Literatur unterschiedlich beurteilt.26 13c
In Rs. Bondora AS vs. Carlos VC hat der EuGH seine Rechtsprechung zu den Auswirkungen der Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 auf die nationalen Mahnverfahren aufgegriffen und im Kern auf das europäische Mahnverfahren übertragen.27 Er hat sich hierbei offenkundig von der Erwägung leiten lassen, dass es widersprüchlich wäre, einerseits den Schutz der Verbraucher durch die Richtlinie 93/13 in den nationalen Mahnverfahren durchzusetzen, um dann andererseits im Unionsrecht ein Mahnverfahren zu tolerieren, das hinter dem von der Richtlinie für nationale Mahnverfahren erreichten Schutzniveau zurückbliebe.28
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Nach dem EuGH ermöglichen es Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dem Mahngericht im europäischen Mahnverfahren, vom Gläubiger weitere Angaben zu den Vertragsklauseln, die zur Begründung der fraglichen Forderung geltend gemacht werden, zu verlangen, um von Amts wegen die etwaige Missbräuchlichkeit dieser Klauseln zu prüfen.29 Diese Angaben könnten „in der Wiedergabe des vollständigen Vertrags oder in der Vorlage einer Kopie des Vertrags bestehen“.30 Die nur ausschnittsweise Wiedergabe einzelner AGB-Klauseln reicht hiernach nicht aus.31
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Nationale Rechtsvorschriften, die zu diesem Zweck beigebrachte ergänzende Unterlagen für unzulässig erklären, seien mit den Vorgaben der Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 nicht vereinbar. Aber auch die EG-MahnVO stehe einem solchen Verlangen des Mahngerichts nach Wiedergabe des Vertrages oder Kopie des Vertrages nicht entgegen. Zwar regele Art. 7 Abs. 2 EG-MahnVO abschließend, welche Angaben der Mahnantrag enthalten müsse. Auch ergebe sich aus der Vorschrift, dass der Antragsteller das Formblatt A verwenden müsse. Nach Abschnitt 10 des Formblatts A habe der Antragsteller aber die Möglichkeit, vorhandene Beweismittel, auf die sich die Forderung stützt, unter anderem einen Urkundsbeweis, anzugeben und zu beschreiben. Ferner folge aus Abschnitt 11 dieses Formblatts, dass weitere Angaben über die ausdrücklich in den vorangehenden Abschnitten des Formblatts A verlangten hinaus hinzugefügt werden können.32 Fehlten solche Angaben, könne das Gericht nach Art. 9 EG-MahnVO vorgehen und vom Antragsteller die Wiedergabe des vollständigen Vertrags oder die Vorlage einer Kopie des Vertrags verlangen.33 Eine solche Aufforderung ziele nur darauf ab, Gewissheit über die Grundlage des Antrags zu erlangen; ein Verstoß gegen den zivilprozessualen Dispositionsgrundsatz liege nicht vor.34
26 Eingehend Rieländer, GPR 2020, 55, 62 ff. (für Einführung einer richterlichen Klauselkontrolle im nationalen Mahnverfahren); hiergegen allerdings Piekenbrock, JZ 2018, 855, 860 f. (allerdings mit dem Vorschlag, die Präklusionsregel des § 796 Abs. 2 ZPO aufzugeben); hierzu auch Piekenbrock, JZ 2020, 848 f. 27 EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC u.a. Rz. 46, EuZW 2020, 193: „Diese Anforderungen gelten auch dann, wenn ein „Gericht“ im Sinne der VO Nr. 1896/2006 mit einem Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls im Sinne dieser Verordnung befasst ist.“ 28 Siehe Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston vom 31.10.2019 in den verbundenen Rs. C-453/18 und C-494/18 – Bondora, Rz. 134 und Rz. 135 sowie bereits die Schlussanträge des Generalanwalts Maciej Szpunar in der Rs. C-49/14DE – Finanmadrid EFC SA, Rz. 58 ff.; auch Piekenbrock, JZ 2018, 855, 859. 29 EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC u.a. Rz. 46 ff., EuZW 2020, 193. 30 EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC u.a. Rz. 48 und Rz. 50, EuZW 2020, 193. 31 Dies ergibt sich auch aus, dass das die Unangemessenheit einer bestimmten Klausel häufig nur in einer Zusammenschau mit anderen Klauseln beurteilt werden kann (etwa Rieländer, GPR 2020, 55, 60). 32 EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC u.a. Rz. 48, EuZW 2020, 193. 33 Näher betrachtet ist Art. 9 EG-MahnVO nicht unmittelbar einschlägig, weil sich die Vorschrift nur auf die „in Art. 7 genannten Voraussetzungen“ bezieht und gerade nicht auf die Vorlage des Vertragstexts; es handelt sich hier nur um eine analoge Anwendung (Rieländer, GPR 2020, 55, 60). 34 Der EuGH formuliert an dieser Stelle, dass dies dem „Dispositionsgrundsatz nicht zuwiderlaufe“ (EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC u.a. Rz. 52, EuZW 2020, 193). Recht verständlich ist diese Aussage nicht. In Wahrheit scheint sie sich auf den Beibringungsgrundsatz zu beziehen (so auch Kehrberger, JZ 2020, 318, 320).
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
Art. 7 EG-MahnVO
Nach dem EuGH „ermöglicht“ es die EG-MahnVO dem Gericht, vom Antragsteller die Wiedergabe des vollständigen Vertrags oder die Vorlage einer Kopie des Vertrags zu verlangen.35 Dies ist aber nicht so zu verstehen sein, dass dem Gericht hierbei ein Ermessen zusteht; anderenfalls wäre der mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bezweckte effektive Schutz der Verbraucher nicht gewährleistet. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Gerichte nach Auffassung des EuGH dazu verpflichtet sind, den Antragsteller hierzu aufzufordern. Eine solche Pflicht ist immer dann anzunehmen, wenn sich aus dem Antragsformular ergibt, dass der Antrag auf einen Vertrag gestützt ist, den der Antragsteller als Unternehmer mit dem Antragsgegner als Verbraucher geschlossen hat. Auch das Vorgehen nach Art. 9 EG-MahnVO bei zunächst nicht unterbliebener Vorlage des Vertrages steht nicht im Ermessen des Gerichts; vielmehr ist das Gericht – wie stets (Art. 9 EG-MahnVO Rz. 1) – hierzu verpflichtet.36
13f
Der EuGH hat sich nicht zu der Frage geäußert, wie zu verfahren ist, wenn die AGB in einer dem Gericht nicht verständlichen Sprache abgefasst sind. Grundsätzlich gilt: Das Formblatt selbst ist in der Sprache oder in einer der Sprachen auszufüllen, die das zu befassende Gericht „anerkennt“; dies gilt sodann auch für zusätzliche Angaben des Antragstellers (vgl. oben Rz. 2 ff.). Wendete man diese Regel auch auf die beizufügenden AGB an, so müssten diese in der Konsequenz immer dann, wenn der Vertrag nicht in einer der vom Gericht „anerkannten“ Sprachen abgefasst worden ist, vom Antragsteller eigens für die Zwecke des europäischen Mahnverfahrens übersetzt werden.37 Denkbar erscheint es aber immerhin, zugunsten des Antragstellers die allgemeinen Regeln am Gerichtsstand zur Behandlung fremdsprachiger Urkunden heranzuziehen. Dies würde in Deutschland zu einer Anwendung von § 142 Abs. 3 S. 1 ZPO führen. Hiernach „kann“ das Gericht anordnen, dass eine Übersetzung der Urkunde beigebracht wird; es kann sich aber auch mit der fremdsprachigen Fassung begnügen, wenn es selbst über hinreichende Sprachkenntnisse verfügt.38 Diese (flexible) Regelung sollte auch innerhalb der europäischen Mahnverfahrens mit Blick auf die beigefügten AGB gelten; dies lässt sich damit begründen, dass die EG-MahnVO letztlich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Gericht die Verwendung einer fremden Sprache akzeptiert, der jeweils einschlägigen lex fori überlässt.
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Die Entscheidung des EuGH beschränkt sich auf missbräuchliche Klauseln in Verträgen im Sinne 13h von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13. Bei Verträgen, die zwischen Unternehmern geschlossen wurden, besteht eine solche Vorlagepflicht des Antragstellers nicht. Letztlich entwickelt der EuGH im Lichte von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 daher Sonderregeln, die zu einer grundsätzlich unterschiedlichen Behandlung von B2B-Verträgen einerseits und Verbraucherverträgen andererseits führen. Methodisch betrachtet bewegt sich der EuGH nicht mehr im Rahmen der Auslegung der EG-MahnVO; diese besagt ja im Ausgangspunkt unmissverständlich, dass Urkunden gerade nicht beizufügen, sondern nur als solche im Formblatt A zu bezeichnen sind (Rz. 11). Die EG-MahnVO ist als ein Verfahren auf formularmäßiger Grundlage konzipiert; aufgrund der Rechtsprechung des EuGH verwandelt es sich in einem Teilbereich zu einem Urkundenmahnverfahren. Methodisch überschreitet der EuGH damit die Grenzen des noch mit Mitteln der Auslegung Erreichbaren; es handelt sich um eine richterrechtliche Fortbildung der EG-MahnVO im Lichte der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen.39 Der EuGH war allerdings zu einer Rechtsfortbildung gezwungen, weil sich anderenfalls ein Wertungswiderspruch zwischen seiner Rechtsprechung zur Richtlinie 93/13 einerseits und zur Ausgestaltung des europäischen Mahnverfahrens andererseits ergeben hätte. Entsprechend der Vorlagefragen nimmt der EuGH unmittelbar nur zu der Frage Stellung, ob der Antragsteller aufgefordert werden kann, den Vertrag im Wortlaut wiederzugeben oder den Vertrag in Kopie zu übermitteln. Zu der sich hieran anschließenden Frage, in welcher Weise und in welcher Intensität der Vertrag durch das Mahngericht überprüft werden muss, lassen sich dem Urteil nur mittelbar Anhaltspunkte entnehmen. Eindeutig ist lediglich, dass das Mahngericht zu einer inhaltlichen 35 EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC u.a. Rz. 47, EuZW 2020, 193. 36 Wie hier Rieländer, GPR 2020, 55, 62. 37 So inzident Ulrici, EuZW 2020, 196, 197 (der Übersetzungsbedarf nehme zu). 38 Näher von Selle in Beck/ZPO, § 142 Rz. 19. 39 Zumindest ähnlich Rieländer, GPR 2020, 55, 60 („unionsrechtsimmanente Rechtsfortbildung“); kritisch Ulrici, EuZW 2020, 196, 197 („verordnungswidrige Revision des EuMahnVerf“).
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Art. 7 EG-MahnVO Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls Prüfung der AGB verpflichtet ist. Die Vorlage des Vertrages erfolgt nach dem EuGH deshalb, „um von Amts wegen eine Prüfung der etwaigen Missbräuchlichkeit der Vertragsklauseln gemäß den Anforderungen, die sich aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 ergeben, vorzunehmen“.40 14a
Die Intensität der vom EuGH verlangten Prüfung richtet sich dabei nicht nach der EG-MahnVO, sondern – wie der EuGH mit Bezugnahme auf Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 zum Ausdruck bringt – nach den aus den genannten Richtlinienbestimmungen ableitbaren Maßstäben. Zu fragen ist also, welches Mindestmaß an amtswegiger Prüfung von der Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vorgeschrieben wird. In ersten Reaktionen der Literatur wird eine „Schlüssigkeitsprüfung“ in Erwägung gezogen.41
14b
Eine Unschlüssigkeit im Sinne des deutschen Rechts wird sich allein aufgrund einer Prüfung der AGB – ohne nähere Kenntnis des sonstigen Sachverhalts – allerdings kaum einmal ergeben. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs schlüssig, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen.42 An einer Schlüssigkeit im Sinne dieser Definition fehlt es dann, wenn der Anspruch selbst unmittelbar auf eine – bei näherer rechtlicher Würdigung unwirksame – AGB-Klausel gestützt wird; solche Fälle dürften aber die Ausnahme sein. Ferner fehlt es an einer Schlüssigkeit des Vortrages dann, wenn sich aus dem Tatsachenvortrag des Antragstellers ergibt, dass kein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist. Dies ist aber nicht allein deshalb der Fall, weil eine oder mehrere Klauseln in den AGB im Sinne der Richtlinie 93/13 missbräuchlich und unwirksam sind. Sind AGB ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, bleibt der Vertrag nach dem deutschen Recht (§ 306 Abs. 1 BGB) grundsätzlich wirksam. Lediglich die missbräuchliche Klausel selbst ist nicht anzuwenden; die hierdurch entstehende vertragliche Lücke ist grundsätzlich durch (dispositives) Gesetzesrecht zu schließen (§ 306 Abs. 2 BGB). Eine Unwirksamkeit des Vertrages insgesamt besteht nur dann, wenn das Festhalten an ihm eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde (§ 306 Abs. 3 BGB).43 Daraus folgt: Selbst im Fall einer Unwirksamkeit einer oder auch mehrerer AGB-Klauseln bleibt es regelmäßig dabei, dass das Zustandekommen eines wirksamen Vertrages schlüssig vorgetragen ist.
14c
Wenn eine AGB-Klausel unwirksam ist, können sich allerdings sonstige Einwendungen oder Einreden des Verbrauchers gegen den mit dem Mahnantrag geltend gemachten Anspruch ergeben. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach dem gem. § 306 Abs. 2 BGB lückenfüllend anzuwendenden dispositiven Recht bzw. dem ausländischen Recht. Das Mahngericht kann aufgrund des im Formular nur angedeuteten Sachverhalts nicht beurteilen, ob hiernach eine Einwendung oder Einrede besteht oder nicht; dies hängt regelmäßig von Tatsachen ab, die in dem Formular nicht mitgeteilt worden sind. Aus der Unwirksamkeit (nur) einer oder auch mehrerer Klauseln folgt daher auch unter diesem Blickwinkel keine Unschlüssigkeit des Vorbringens des Antragstellers.
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Eine Schlüssigkeitsprüfung im technischen Sinne des deutschen Rechts ist daher nach der hier vertretenen Auffassung nicht geeignet, um den Vorgaben des EuGH hinreichend Rechnung zu tragen. Denkbar wäre daher, bereits die Missbräuchlichkeit nur einer einzigen AGB-Bestimmung ausreichen zu lassen, um den Antrag abzulehnen. Eine solche abstrakte AGB-Kontrolle würde allerdings dazu führen, dass zahlreiche Anträge abgelehnt werden müssten, obwohl – ungeachtet der Unwirksamkeit einer einzelnen Klausel – ein einredefreier Anspruch des Gewerbetreibenden gegen den Verbraucher besteht. 40 EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC u.a. Rz. 47, EuZW 2020, 193. Wie hier – eine „inzidente Anerkennung einer Kontrollpflicht“ durch den EuGH annehmend – Rieländer, GPR 2020, 55, 58. 41 Ulrici, EuZW 2020, 196, 197 (Schlüssigkeitsprüfung vergleichbar dem österreichischen Mahnverfahren); Schneider, IWRZ 2020, 92, 95. 42 Etwa BGH, NJW-RR 2017, 380, 382 Rz. 23; BGH, NJW 2012, 382 Rz. 14. 43 Zur (richtlinienkonformen) Anwendung von § 306 Abs. 2 und Abs. 3 BGB im Lichte der neueren EuGHRechtsprechung zur Richtlinie 93/13 s. Wendehorst/v. Westphalen, EuZW 2021, 229 ff.; v. Westphalen, NJW 2021, 277 ff.
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
Art. 7 EG-MahnVO
Die Generalanwältin Eleanor Sharpston hat in ihren Schlussanträgen einen Mittelweg angedeutet. Bei 14e „Zweifeln an der Begründetheit des Antrags aufgrund der potenziellen Missbräuchlichkeit einer bestimmten Klausel“ könne das Gericht sich gemäß Art. 11 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO weigern, einen EZB zu erlassen, oder nach Art. 10 EG-MahnVO dem Antrag nur teilweise stattgeben.44 Die Generalanwältin scheint also nicht von einer gänzlich abstrakten AGB-Kontrolle auszugehen, sondern – wie sich aus der Präposition „aufgrund“ ergibt – auf einen Zusammenhang zwischen der Missbräuchlichkeit der Klausel einerseits und der Unbegründetheit des Antrags andererseits abzustellen. Allerdings scheint ihrer Auffassung nach ein den Umständen nach auch nur möglicher Zusammenhang für eine Antragsabweisung auszureichen. Es genügt, wenn sich aufgrund der Missbräuchlichkeit der Klausel „Zweifel“ an der Begründetheit des Antrags ergeben. Wie diese Zweifel im Einzelnen beschaffen sein müssen, bleibt aber aktuell weitgehend offen. Aus deutscher Sicht stellt sich die Frage, inwieweit sich aus der EuGH-Rechtsprechung Reformbedarf 14f für die Durchführung der EG-MahnVO oder auch für das deutsche nationale Mahnverfahren ergibt.45 Insbesondere ist zu überlegen, ob die vom EuGH geforderte inhaltliche Überprüfung der AGB beim Rechtspfleger verbleiben kann oder ob sie besser dem Richter übertragen werden sollte. Denkbar wäre etwa, dass der Rechtspfleger immer dann, wenn der Antragsteller, wie vom EuGH gefordert, seinem Antrag AGB beigefügt hat, diese dem Richter zur Kontrolle vorlegen muss.46 Dies sieht etwa das spanische Recht für das nationale Mahnverfahren vor.47 Zwar führt eine solche Vorlageverpflichtung potentiell zu einer Verzögerung des Verfahrens; für eine Richterzuständigkeit spricht aber, dass eine AGB-Prüfung – gerade bei Fällen mit Auslandsbezug – mit besonders schwierigen Rechtsfragen verbunden ist. Es ist nicht zu verkennen, dass dies letztlich zu einer Entwicklung zweier unterschiedlicher Verfahren führen würde: Im Normalfall (außerhalb der Verbraucherverträge unter Verwendung von AGB) verbliebe es bei dem formularmäßigen einstufigen Verfahren, so wie es sich aus den Vorschriften der EG-MahnVO ergibt; bei Verbraucherverträgen unter Verwendung von AGB würde sich ein Urkundenmahnverfahren mit Richterkontrolle ergeben.48 Denkt man die EuGH-Rechtsprechung konsequent fort, kommt man allerdings wohl kaum an diesem Ergebnis vorbei.49 Der deutsche Gesetzgeber ging bei der Begründung einer Zuständigkeit des Rechtspflegers (und nicht des Richters) davon aus, dass es sich „im Wesentlichen um eine Prüfung der Schlüssigkeit der Angaben im Antragsformblatt, nicht jedoch um eine weitergehende rechtliche Prüfung der Begründetheit“50 handele. Diese Grundannahme trifft seit der Entscheidung des EuGH Rs. Bondora AS vs. Carlos VC nicht mehr zu. Die Rechtsprechung des EuGH sollte darüber hinaus auch für den EU-Gesetzgeber Anlass für eine Überarbeitung der EG-MahnVO sein. Der Wortlaut der Verordnung lässt nicht erkennen, dass Antragsteller, die einen Verbrauchervertrag mit dem Antragsgegner geschlossen haben, ihre AGB beifügen müssen. Sie müssen vielmehr davon ausgehen, dass gerade keine Anlagen beizufügen sind. Deshalb werden sie, soweit sie nicht rechtlich beraten sind, von einem solchen Erfordernis – im Einzelfall gekoppelt mit einem Übersetzungserfordernis – erst durch eine Aufforderung des Gerichts nach Art. 9 EG-MahnVO erfahren. Aus ihrer Sicht hält damit das europäische Mahnverfahren nicht das, was der Wortlaut der Verordnung verspricht.
44 Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston vom 31.10.2019 in den verbundenen Rs. C-453/18 und C-494/18 – Bondora, Rz. 119. 45 Zu einem möglichen Reformbedarf für das nationale Mahnverfahren siehe eingehend Rieländer, GPR 2020, 55, 62 ff.; Piekenbrock, JZ 2018, 855 ff. 46 Hierfür Rieländer, GPR 2020, 55, 64; für das nationale deutsche Mahnverfahren ablehnend Piekenbrock, JZ 2018, 855, 860 ff. (allerdings solle der Verbraucher im Lichte der europäischen Vorgaben die Möglichkeit haben, Einwendungen ohne die Präklusionsregel des § 767 Abs. 2 ZPO geltend zu machen). 47 Art. 815 Abs. 4 de la Ley de Enjuiciamiento Civil. 48 Rieländer, GPR 2020, 55, 57. 49 Hierfür in der Konsequenz Rieländer, GPR 2020, 55, 57 ff. 50 BT-Drucks. 16/8839 S. 30.
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Art. 7 EG-MahnVO Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls
III. Erklärung zum Wahrheitsgehalt des Antrags (Abs. 3) 15
Nach Abs. 3 hat der Antragsteller die Erklärung abzugeben, dass er die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat und er zur Kenntnis nimmt, dass eine vorsätzliche Falschauskunft Sanktionen nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats nach sich ziehen kann. Diese Angabe ist in dem Antragsformular unmittelbar vor der Unterschrift enthalten.
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Fehlt es an einer derartigen Erklärung, ist der Antragsteller nach Art. 9 Abs. 1 EG-MahnVO zur Vervollständigung aufzufordern; anderenfalls ist der Antrag nach Art. 11 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO zurückzuweisen. Eine spätere Nichtigerklärung nach Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO dürfte demgegenüber nicht allein auf das Fehlen der Erklärung nach Art. 7 Abs. 3 EG-MahnVO gestützt werden können.51
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Welche Sanktionen in diesem Falle eine vorsätzliche Falschauskunft nach sich ziehen kann, wird dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats überlassen.52 Aus Art. 7 Abs. 3 EG-MahnVO lässt sich nicht ableiten, dass die Mitgliedstaaten in ihren Durchführungsbestimmungen besondere Sanktionen vorsehen müssen. Hierfür hätte es eines deutlicheren Auftrags an die Mitgliedstaaten bedurft.53 Im deutschen Recht kommt aktuell eine Strafbarkeit wegen Betruges (§ 263 StGB) oder – im Falle eines automatisierten Verfahrens auch Computerbetrug (§ 263a StGB) – in Betracht;54 in Österreich daneben auch eine Mutwillensstrafe nach § 245 Abs. 1 österrZPO.55 Ob sich der Antragsteller, der bewusst unrichtige Angaben macht, des Betruges strafbar machen kann, ist für das deutsche Mahnverfahren allerdings sehr umstritten. In der Literatur wird eine Betrugsstrafbarkeit vielfach verneint; es fehle bereits an einer Täuschung oder an einem Irrtum – oder jedenfalls an einer Kausalität des Irrtums für die Entscheidung des Rechtspflegers –, da der Rechtspfleger im deutschen Mahnverfahren den Erlass des Mahnbescheids nur bei Kenntnis der Unwahrheit ablehnen dürfe.56 Diese Bedenken dürften im Hinblick auf das europäische Mahnverfahren demgegenüber nicht bestehen, da dort – wenn auch nur auf der Grundlage der Angaben des Antragstellers – eine Überprüfung des Antrags erfolgt.57 Im Falle einer Automatisierung des Verfahrens kommt ein Computerbetrug (§ 263a StGB) in Betracht.58
51 Musielak/Voit/Voit, Rz. 12. 52 Vgl. auch Sujecki, EuZW 2006, 330, 331; Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 231. 53 Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 4 (die Bedeutung von Art. 7 Abs. 3 EG-MahnVO gehe nicht über § 138 ZPO hinaus); abw. Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1102 (da die deutsche ZPO keine entsprechende Sanktion kenne, bedürfe es einer Durchführungsvorschrift). Ähnlich Kormann, S. 102 (Deutschland und Österreich müssten ihr Strafrecht entsprechend anpassen oder zivilrechtliche Sanktionen einführen). 54 Vollkommer/Huber, NJW 2009, 1105, 1106; skeptisch (mit weiteren Nachweisen) Kropholler/von Hein, Rz. 27. 55 Kloiber, ZfRV 2009, 68, 73; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 308; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 24. § 245 Abs. 1 österrZPO lautet: „Hat eine Partei durch unrichtige oder unvollständige Angaben in der Klage die Erlassung eines bedingten Zahlungsbefehls über eine oder mehrere Forderungen samt Zinsen oder bestimmter Kosten erschlichen oder zu erschleichen versucht, insbesondere durch die Geltendmachung einer Nebenforderung i.S.d. § 54 Abs. 2 JN als Teil der Hauptforderung, ohne dies gesondert anzuführen, so hat das Gericht über sie eine Mutwillensstrafe von mindestens 100 t zu verhängen. 56 Siehe etwa Otto, JZ 1993, 652, 654; Schönke/Schröder/Perron, Strafgesetzbuch, 29. Aufl. 2014, § 263 StGB Rz. 73. Der BGH hat mit Bezug auf die Beantragung eines deutschen Mahnbescheids offengelassen, „ob der Beschuldigte bereits eine Täuschungshandlung durch den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids beging, obwohl im Mahnverfahren nach § 692 Abs. 1 Nr. 2 ZPO keine inhaltliche Prüfung und damit keine Täuschung des Rechtspflegers erfolgt“ (BGHR StGB § 263 Abs. 1 Täuschung 19). Nach Auffassung des OLG Düsseldorf v. 30.8.1991 – 2 Ws 317/91, NStZ 1991, 586 ist trotz Wegfalls der Schlüssigkeitsprüfung im deutschen Mahnverfahren eine Täuschung des Rechtspflegers und somit ein Betrug möglich. 57 Zu einem Zeitpunkt, in dem im deutschen Mahnverfahren noch eine Schlüssigkeitsprüfung vorgeschrieben war, hat der BGH die Möglichkeit eines Betruges ausdrücklich bejaht (BGHSt 24, 257, 260 f.). Dass der Rechtspfleger die von dem Antragsteller aufgestellte Behauptung der sachlichen Wahrheit seines Vorbringens (ohne die Möglichkeit einer tatsächlichen Überprüfung) hinzunehmen habe, stehe der Betrugsstrafbarkeit nicht entgegen. Diese Entscheidung dürfte auf das europäische Mahnverfahren übertragbar sein. 58 Ob § 263a StGB in diesen Fällen erfüllt ist, wird unterschiedlich beurteilt; s. etwa (verneinend) Mühlbauer in MünchKomm/StGB, 3. Aufl. 2019, § 263a StGB Rz. 32 f.; Schönke/Schröder/Perron, Strafgesetzbuch, 30. Aufl. 2019, § 263a StGB Rz. 6 und (bejahend) BGHSt 59, 68 = NJW 2014, 711; NK-StGB/Kindhäuser, 5. Auflage 2017, § 263a Rz. 18.
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
Art. 7 EG-MahnVO
IV. Erklärung zur Überleitung in ein ordentliches Verfahren (Abs. 4) Der Antragsteller kann sich nach Abs. 4 dazu äußern, wie im Falle eines Einspruchs gegen dem EZB 18 weiterverfahren werden soll. Die Vorschrift wurde mit Wirkung zum 14.7.2017 geändert: Der Antragsteller hat nunmehr nach Abs. 4 Unterabs. 1 n.F. ausdrücklich die Wahl, ob das Verfahren dann, wenn der Antragsgegner Einspruch eingelegt und das Mahnverfahren damit beendet ist, in ein Verfahren für geringfügige Forderungen (EuBagatellVerf) oder in ein ordentliches Zivilverfahren nach dem nationalen Recht übergeleitet werden soll. Allerdings ist eine derartige Angabe nicht zwingend vorgeschrieben. Enthält das Antragsformular insoweit keine Angaben, wird das Verfahren nach Art. 17 Abs. 2 EG-MahnVO n.F. in ein ordentliches Zivilverfahren nach dem nationalen Recht übergeleitet. Soweit der Antragsteller angegeben hat, dass er die Überleitung in ein EuBagatellVerf wünscht, die geltend gemachte Forderung aber nicht in den Anwendungsbereich der EuBagatellVO fällt, wird das Verfahren nach Art. 17 Abs. 2 EG-MahnVO n.F. ebenfalls in ein ordentliches Zivilverfahren übergeleitet; anders verhält es sich nur dann, wenn der Antragsteller ausdrücklich angegeben hat, dass er diese Überleitung nicht wünscht. Der Antragsteller kann in der Anlage 2 zu dem Antrag dem Gericht gegenüber erklären, dass er die Überleitung in ein EuBagatellVerf oder in ein ordentliches Zivilverfahren für den Fall ablehnt, dass der Antragsgegner Einspruch einlegt (Abs. 4 Unterabs. 2). Die Anlage 2 wird dem Antragsgegner anders als das übrige Antragsformular nicht übersendet (Art. 12 Abs. 2 S. 2 EG-MahnVO). Anderenfalls könnte der Antragsgegner, soweit er von der Erklärung nach Abs. 4 Unterabs. 2 Kenntnis nehmen könnte, risikolos Einspruch einlegen. Das Mahnverfahren wäre in diesem Fall praktisch ohne Aussicht auf Erfolg.
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Hat der Antragsteller die Erklärung in Anlage 2 nicht abgegeben, kann er das Gericht zu einem späte- 19a ren Zeitpunkt darüber informieren, dass er die Überleitung in ein EuBagatellVerf oder in ein ordentliches Verfahren ablehnt.59 Die Erklärung muss allerdings noch vor Erlass des EZB bei Gericht eingehen (Abs. 4 UAbs. 2 S. 2).60 Richtigerweise kann der Antragsteller die Erklärung, dass er die Überleitung des Verfahrens ablehnt, bis zum Erlass des EZB widerrufen.61 Denkbar ist noch, dass der Antragsteller zunächst angegeben hat, dass das Verfahren in ein ordent- 19b liches Zivilverfahren übergeleitet werden soll, er aber später den Beschluss fasst, doch lieber ein EuBagatellVerf zu betreiben. Art. 7 EG-MahnVO sieht nicht ausdrücklich die Möglichkeit vor, die Angabe entsprechend zu ändern. Nach der hier vertretenen Auffassung kommt aber insoweit eine entsprechende Anwendung von Abs. 4 UAbs. 2 S. 2 in Betracht: Der Antragsteller, der sich zunächst für ein bestimmtes Verfahren entschieden hat, sollte nicht schlechter stehen als der Antragsteller, der zunächst gar keine Erklärung abgegeben hat.62 Entsprechendes gilt selbstverständlich in dem umgekehrten Fall, dass sich der Antragsteller zunächst für die Überleitung in ein (zulässiges) EuBagatellVerf ausgesprochen hat, er aber später die Überleitung in ein ordentliches Zivilverfahren wünscht. In beiden Fällen reicht es entsprechend Abs. 4 UAbs. 2 S. 2 aus, wenn die geänderte Erklärung noch vor Erlass des EZB bei Gericht eingeht. Geht bis zum Erlass des EZB keine Erklärung betr die Überleitung des Verfahrens ein, wird das 20 Mahnverfahren in ein ordentliches Zivilverfahren übergeleitet. Anders als im nationalen Mahnverfahren nach der deutschen ZPO bedarf es keines zusätzlichen Antrags des Antragstellers. Die Überleitungsmodalitäten richten sich nach dem nationalen Recht (Art. 26 EG-MahnVO). In Deutschland wird der Antragsteller aufgefordert, das Gericht zu bezeichnen, das für die Durchführung des Verfahrens zuständig sein soll (§ 1090 Abs. 1 S. 1 ZPO). Ohne eine entsprechende Erklärung kommt es nicht zu einer Abgabe an das Gericht. Nach § 1090 Abs. 1 S. 2 ZPO setzt das Gericht dem Antragsteller hierfür eine den Umständen nach angemessene Frist. Benennt der Antragsteller innerhalb der Frist das zuständige Gericht nicht, wird der EZB aufgehoben (§ 1090 Abs. 1 S. 4 ZPO); das Mahnverfahren 59 Rauscher/Rauscher, EuZPR2 (2006), Einf. EGMahnVO Rz. 21; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 25. 60 Es reicht nicht aus, dass die Erklärung vor Erlass des EZB abgesendet wird, Kloiber, ZfRV 2009, 68, 73; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 308. 61 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 21; Musielak/Voit/Voit, Rz. 13. 62 Im Erg. wie hier BeckOK/Wolber, Rz. 42.1 (entgegen der verfehlten systematischen Stellung beziehe sich Abs. 4 UAbs. 2 S. 2 auch auf die Wahl nach Abs. 4 UAbs. 1).
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Art. 7 EG-MahnVO Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls endet hierdurch (§ 1090 Abs. 1 S. 5 ZPO). In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass 1090 Abs. 1 S. 4 und 5 ZPO mit den Vorgaben des Art. 17 EGMahnVO nicht vereinbar sind (s. näher Art. 17 EG-MahnVO Rz. 5a f.). 21
Ergibt sich die Zuständigkeit des Ursprungsmitgliedstaats nicht aus Art. 6 Abs. 1 EG-MahnVO, sondern aus Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO, so ist vom Antragsteller genau zu erwägen, ob eine internationale Zuständigkeit der Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats nach Maßgabe der Brüssel Ia-VO besteht. Dies wird häufig, aber eben nicht immer der Fall sein. Soweit keine internationale Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO besteht, sollte der Antragsteller i.d.R. gem. Abs. 4 Unterabs. 2 S. 1 erklären, dass er die Überleitung in ein EuBagatellVerf und in ein ordentliches Zivilverfahren ablehnt (s. oben Art. 6 EG-MahnVO Rz. 20).
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Ob bei Ablehnung der Überleitung in ein EuBagatellVerf und in ein ordentliches Zivilverfahren eine Verjährungshemmung eintritt, richtet sich nach dem auf die Forderung anwendbaren Recht (s. unten Art. 12 EG-MahnVO Rz. 16 f. und Art. 11 EG-MahnVO Rz. 22 f.).
V. Form des Antrags (Abs. 5) 23
Abs. 5 schreibt vor, dass der Antrag in Papierform gestellt werden kann. Die Vorschrift überlässt es sodann den Mitgliedstaaten, weitere – auch elektronische – Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen. Nach den Internetangaben des AG Wedding können Antragsteller den Antrag mittels einer absenderauthentifizierten De-Mail, über das besondere elektronische Anwaltspostfach, über das Notarpostfach oder das Behördenpostfach übermitteln.63
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In Deutschland befindet sich eine spezielle Durchführungsnorm zu Abs. 5 in § 1088 ZPO. Hiernach kann der Antrag auf Erlass eines EZB auch in einer nur maschinell lesbaren Form bei Gericht eingereicht werden, wenn diese dem Gericht für seine maschinelle Bearbeitung geeignet erscheint. Das deutsche Gesetz sieht hierbei keine bestimmte maschinell lesbare Form vor, sondern knüpft allein an die Abstimmung auf die technischen Gegebenheiten des Gerichts an. Nach § 1088 Abs. 2 ZPO bestimmt der Senat des Landes Berlin durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, in dem beim AG Wedding die maschinelle Bearbeitung der Mahnverfahren eingeführt wird;64 er kann die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Senatsverwaltung für Justiz des Landes Berlin übertragen. Noch ist eine derartige Rechtsverordnung nicht ergangen.
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Gemäß Art. 29 Abs. 1 lit. c EG-MahnVO sind die hiernach jeweils zulässigen Kommunikationsmittel der EU-Kommission mitzuteilen; auch spätere Änderungen sind mitzuteilen.
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Abs. 5 steht einer nationalen Regelung, die eine Antragstellung zu Protokoll der Geschäftsstelle zulässt, nicht entgegen.65 Eine derartige Regelung sieht das deutsche Recht aber nicht vor.66
VI. Unterzeichnung des Antrags (Abs. 6) 27
Der Antrag ist gem. Abs. 6 S. 1 vom Antragsteller bzw. seinem Vertreter zu unterzeichnen. Fehlt eine Unterschrift, so ist der Antragsteller gem. Art. 9 EG-MahnVO zur Nachholung der Unterschrift aufzufordern. Kommt er dieser Aufforderung nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist nach, ist der Antrag nach Art. 11 Abs. 1 lit. c EG-MahnVO zurückzuweisen.
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Sieht der Mitgliedstaat gem. Abs. 5 die Einreichung des Antrags auf elektronischem Weg vor, so ist nach Abs. 6 S. 2 auch eine bloße elektronische Unterzeichnung des Antrags möglich. Vorausgesetzt wird hierbei, dass der Antrag mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur nach Maßgabe von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 1999/93/EG unterzeichnet ist.67 63 64 65 66 67
https://service.berlin.de/dienstleistung/327380/ (zuletzt abgerufen am 18.8.2021). Die Verordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates (§ 1088 Abs. 1 S. 1 ZPO). Meyer-Berger, S. 154. Vgl. Kropholler/von Hein, Rz. 4; Musielak/Voit/Voit, Rz. 9. Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen; ABl. EG 2000 L 13/12. Art. 2 Nr. 2 der RiLi lautet: „Im Sin-
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
Art. 8 EG-MahnVO
Gemäß Abs. 6 S. 4 kann von der elektronischen Signatur abgesehen werden, wenn und insoweit es bei den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats ein alternatives elektronisches Kommunikationssystem gibt, das einer bestimmten Gruppe von vorab registrierten und authentifizierten Nutzern zur Verfügung steht und die sichere Identifizierung dieser Nutzer ermöglicht.68
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VII. Fehlende Regelungskompetenz des nationalen Gesetzgebers Gemäß Art. 26 EG-MahnVO richten sich sämtliche verfahrensrechtlichen Fragen, die in der EG- 30 MahnVO nicht geregelt werden, nach den nationalen Rechtsvorschriften. Umgekehrt gilt, dass diejenigen Fragen, die in der EG-MahnVO abschließend geregelt sind, keiner ergänzenden Regelung durch die nationalen Gesetzgeber zugänglich sind. Nach der zutreffenden Auffassung des EuGH sind die Voraussetzungen, die ein Antrag auf Erlass eines EZB erfüllen muss, durch Art. 7 EG-MahnVO abschließend geregelt.69 Die Mitgliedstaaten haben daher nicht die Möglichkeit, die generelle Zulässigkeit des Antrags an weitere Voraussetzungen zu knüpfen.70 So ist es ihnen etwa verwehrt, die Zulässigkeit des Antrags an die Anzahl der eingereichten Abschriften des Antrags zu knüpfen.71 Zur Ermittlung der Höhe evtl Gerichtsgebühren s. Art. 25 EG-MahnVO Rz. 3.
Artikel 8 Prüfung des Antrags Das mit einem Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls befasste Gericht prüft so bald wie möglich anhand des Antragsformulars, ob die in den Artikeln 2, 3, 4, 6 und 7 genannten Voraussetzungen erfüllt sind und ob die Forderung begründet erscheint. Diese Prüfung kann im Rahmen eines automatisierten Verfahrens erfolgen.
I. Allgemeines Art. 8 EG-MahnVO schreibt eine Prüfung der in Art. 2, 3, 4, 6 und 7 EG-MahnVO genannten formellen Voraussetzungen anhand des Antragsformulars vor. Ferner ist nach der Vorschrift zu prüfen, ob die Forderung „begründet erscheint“.
1
Die in Art. 8 EG-MahnVO vorgeschriebene Prüfung ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil das europäische Mahnverfahren als einstufiges Verfahren ausgestaltet ist.1 Wird der EZB erlassen und legt der Antragsgegner innerhalb der 30-Tage-Frist des Art. 16 EG-MahnVO keinen Einspruch ein, wird der EZB für vollstreckbar erklärt (Art. 18 EG-MahnVO). Eine weitere Einspruchsmöglichkeit gegen den für vollstreckbar erklärten EZB ist nicht vorgesehen. Lediglich unter den engen Voraussetzungen des Art. 20 kommt noch – im Ausnahmefall – eine nachträgliche Nichtigerklärung des EZB in Betracht.
2
68 69 70 71 1
ne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck … ‚fortgeschrittene elektronische Signatur‘ eine elektronische Signatur, die folgende Anforderungen erfüllt: a) Sie ist ausschließlich dem Unterzeichner zugeordnet; b) sie ermöglicht die Identifizierung des Unterzeichners; c) sie wird mit Mitteln erstellt, die der Unterzeichner unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann; d) sie ist so mit den Daten, auf die sie sich bezieht, verknüpft, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann.“ Nach Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 307 wurde diese Textpassage von Österreich vorgeschlagen. EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, 147 m. zust. Anm. Sujecki. EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, Rz. 27; eine noch ausführlichere Argumentation findet sich in den Schlussanträgen des Generalanwalts Paolo Mengozzi, C-215/11, ECLI:EU:C:2012:400 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, Rz. 19 ff. Siehe die Schlussanträge des Generalanwalts Paolo Mengozzi, C-215/11, ECLI:EU:C:2012:400 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, Rz. 38. Vgl. Europäische Kommission, 4.7.2006, KOM (2006) 374.
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Art. 8 EG-MahnVO
Prüfung des Antrags
II. Prüfungsgegenstand 3
Nach der Formulierung des Art. 8 S. 1 EG-MahnVO hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob die in Art. 2, 3, 4, 6 und 7 EG-MahnVO genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Prüfung erstreckt sich also auf die Frage, ob der sachliche Anwendungsbereich der EG-MahnVO gegeben ist und ob eine grenzüberschreitende Rechtssache i.S.d. Art. 3 EG-MahnVO vorliegt, ferner auch darauf, ob eine i.S.d. Art. 4 EG-MahnVO bezifferte Geldforderung vorliegt und ob das Gericht nach Maßgabe von Art. 6 EG-MahnVO zuständig ist. Des Weiteren wird nachgeprüft, ob die Voraussetzungen des Art. 7 EG-MahnVO erfüllt sind. Der Antrag muss m.a.W. unter Verwendung des Formulars und in der vorgeschriebenen Form (Art. 7 Abs. 5 EG-MahnVO) gestellt und nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 6 EGMahnVO unterschrieben worden sein. Schließlich ist zu prüfen, ob er die in Art. 7 Abs. 2 EG-MahnVO vorgeschriebenen Angaben enthält. Zur Sprache, in der der Antrag zu stellen ist, vgl. oben Art. 7 EG-MahnVO Rz. 1 ff.
4
Ferner hat das Gericht anhand der Angaben im Antragsformular zu beurteilen, ob die Forderung „begründet erscheint“. Begründet ist die Forderung dann, wenn sie als solche existiert und ihr auch keine (dauerhaften oder zeitweiligen) Einreden entgegenstehen. Aus Art. 11 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO ergibt sich, dass der Antrag nur dann zurückzuweisen ist, wenn die Forderung – ggf. im Anschluss an ein Verbesserungsverfahren nach Art. 9 EG-MahnVO – „offensichtlich unbegründet“ ist. Art. 8 EGMahnVO ist im Lichte von Art. 11 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO auszulegen.2 Die Formulierung „begründet erscheint“ ist in dem Sinne zu verstehen, dass sich die Prüfung auf ein offensichtliches Nichtbestehen der Forderung beziehen muss (vgl. hierzu ausf. Art. 11 EG-MahnVO Rz. 6 ff.).3 Besonderheiten sind aber wiederum bei Verbraucherverträgen zu beachten; hier dürfte die Forderung schon nicht mehr begründet erscheinen, wenn aufgrund der Unwirksamkeit einzelner AGB-Klauseln Zweifel an dem Vorliegen eines einredefreien Anspruchs bestehen (eingehend Art. 7 EG-MahnVO Rz. 13 ff.).
III. Ausgestaltung der Prüfung 5
Die Vorschrift statuiert eine unbedingte Prüfungspflicht des Gerichts.4 Diese Prüfungspflicht kann auch nicht durch die nationale Durchführungsgesetzgebung ausgeschlossen werden.5 Andererseits ergeben sich aus Art. 8 EG-MahnVO enge Grenzen der Prüfung. Die Prüfung hat nach dem Wortlaut der Vorschrift „anhand des Antragsformulars“ zu erfolgen. Hieraus ist nicht nur zu entnehmen, dass – was eine nicht eigens zu erwähnende Selbstverständlichkeit wäre –, die Angaben im Antragsformular Ausgangspunkt der Prüfung sind. Vielmehr sind der Prüfung ausschließlich die Angaben im Antragsformular zugrunde zu legen.6 Das Gericht ist m.a.W. daran gehindert, vom Antragsteller weiterreichende Angaben oder Unterlagen oder eine Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung o.Ä. zu verlangen. Dies betrifft nach der hier vertretenen Auffassung insb. auch Angaben zur Fälligkeit oder zur Erbringung einer Gegenleistung (vgl. oben Art. 7 EG-MahnVO Rz. 9). Es ist auch daran gehindert, dem Antragsgegner in diesem Stadium des Verfahrens rechtliches Gehör zu gewähren. Alles andere würde dem angestrebten Rationalisierungs- und Entlastungseffekt des europäischen Mahnverfahrens zuwiderlaufen. Dementsprechend ist der Antragsgegner gem. Art. 12 Abs. 4 lit. a EG-MahnVO im Falle des Erlasses eines EZB davon zu unterrichten, dass der Zahlungsbefehl „ausschließlich“ auf der Grundlage der Angaben des Antragstellers erlassen und vom Gericht „nicht nachgeprüft“ worden ist. Hiervon ist aber im Fall von Verbraucherverträgen eine gewichtige Ausnahme zu machen; das Gericht hat sich die vom Unternehmer verwendeten AGB vorlegen zu lassen und diese zu überprüfen (eingehend Art. 7 EG-MahnVO Rz. 13 ff.).
2 Vgl. Kreße, EWS 2008, 508, 513. 3 Vgl. Sujecki, EuZW 2006, 330, 332; Preuß, ZZP 122 (2009) 3, 7; Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung S. 169 ff. 4 Kloiber, ZfRV 2009, 68, 71; abw. Leible/Freitag, § 3 Rz. 242 (Prüfungsrecht, aber keine Prüfungspflicht des Gerichts). 5 Abw. Leible/Freitag, § 3 Rz. 242 unter Bezugnahme auf § 1088 ZPO. Die Einführung eines maschinellen Verfahrens bedeutet jedoch nicht (zwingend), dass keine Überprüfung erfolgt. 6 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 6; Leible/Freitag, § 3 Rz. 242; im Erg auch Musielak/Voit/Voit, Rz. 18.
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
Art. 9 EG-MahnVO
In der Praxis dürften Fälle vorkommen, in denen bei dem einen oder anderen Antrag – etwa aufgrund eines Versehens des Antragstellers – eine der in Art. 2, 3, 4, 6 und 7 EG-MahnVO genannten Voraussetzungen fehlt. Demgegenüber dürften Anträge – den Sonderfall von Verbraucherverträgen ausgenommen (Art. 7 EG-MahnVO Rz. 13 ff.) – wohl nur eher selten deshalb zurückzuweisen sein, weil die Forderung i.S.v. Art. 11 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO „offensichtlich unbegründet“ ist. Dies liegt daran, dass den wenigen Angaben im Antragsformular kaum einmal entnommen werden kann, dass eine Forderung offensichtlich nicht besteht (vgl. näher Art. 11 EG-MahnVO Rz. 6 ff.).7 Ein effektiver Schutz des Antragsgegners vor unberechtigt geltend gemachten Forderungen wird daher über die Prüfung nach Art. 8 EG-MahnVO bzw. die Möglichkeit der Zurückweisung nach Art. 11 EG-MahnVO nicht erreicht.8 Im Regelfall dürfte damit der EZB vom Gericht erlassen werden. Es liegt dann am Antragsgegner, innerhalb der 30-Tage-Frist des Art. 16 EG-MahnVO Einspruch zu erheben. Versäumt er dies, so muss er seine ganze Hoffnung auf die nachträgliche Überprüfung des EZB nach Art. 20 EG-MahnVO setzen.
6
Die Mitgliedstaaten können im Übrigen selbst festlegen, durch wen die Prüfung zu erfolgen hat. Sie 7 können eine Prüfung durch einen Richter, einen Rechtspfleger oder eine sonstige Person wie etwa einen Urkundsbeamten vorsehen.9 Dies wird in ErwGr. 16 EG-MahnVO ausdrücklich bestätigt.10 In Deutschland erfolgt die Prüfung durch den Rechtspfleger (§ 20 Nr. 7 RPflG).11 Ob dies auch im Falle von Verbraucherverträgen unter Einbeziehung von AGB zulässig bzw. sinnvoll ist, erscheint zunehmend zweifelhaft (siehe Art. 7 EG-MahnVO Rz. 14 f.). Darüber hinaus räumt Satz 2 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit ein, eine Prüfung im Rahmen eines 8 automatisierten Verfahrens vorzunehmen. Satz 2 ist als „Kann“-Vorschrift ausgestaltet und überlässt damit die Entscheidung über das Ob, Wie und Wann der Einführung eines derartigen Verfahrens den Mitgliedstaaten.12 Diese können bei ihrer Entscheidung die vorhandenen Erfahrungen mit derartigen Verfahren sowie 9 Kosten- und Effizienzgesichtspunkte heranziehen. Ein derartiges automatisiertes Verfahren muss allerdings dazu geeignet sein, alle in Art. 2, 3, 4, 6 und 7 EG-MahnVO genannten Voraussetzungen zu erfassen. Auch muss es geeignet sein, eine offensichtliche Unbegründetheit der Forderung i.S.d. Art. 11 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO festzustellen. Eine Reduzierung des Prüfungsmaßstabs ist insoweit mit der Einführung eines automatisierten Verfahrens nicht verbunden.13 In Deutschland wird die Prüfung des Antrags im Rahmen eines automatisierten Verfahrens durch § 1088 ZPO ermöglicht. Nach § 1088 Abs. 2 ZPO bestimmt der Senat des Landes Berlin durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, in dem beim AG Wedding die maschinelle Bearbeitung der Mahnverfahren eingeführt wird (s. oben Art. 7 EG-MahnVO Rz. 24).
Artikel 9 Vervollständigung und Berichtigung des Antrags (1) Das Gericht räumt dem Antragsteller die Möglichkeit ein, den Antrag zu vervollständigen oder zu berichtigen, wenn die in Artikel 7 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind und die 7 8 9 10 11
Krit. Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 723 f. Freitag, IPRax 2007, 509; Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 723 f. Rechtspolitische Kritik hieran bei Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 730 f. Dort Satz 3; vgl. zur Entstehungsgeschichte Kormann, S. 104. Im RegE wird darauf hingewiesen, dass bei Erlass des EZB nur die „Schlüssigkeit der Angaben im Antragsformblatt“ zu prüfen sei. Dies rechtfertige es, in diesem Stadium des Verfahrens eine Zuständigkeit des Rechtspflegers und nicht des Richters vorzusehen, BT-Drucks. 16/8839, 30; letztlich auch Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 307; Bittmann, S. 211 ff. 12 Siehe hierzu noch – eine elektronische Bearbeitung des Antrags befürwortend – den Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (COM(2015) 495 final, dort Punkte 3.3. und 3.4. 13 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 5; abw. Leible/Freitag, § 3 Rz. 242; Sujecki, EuZW 2006, 609.
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Art. 9 EG-MahnVO
Vervollständigung und Berichtigung des Antrags
Forderung nicht offensichtlich unbegründet oder der Antrag unzulässig ist. Das Gericht verwendet dazu das Formblatt B gemäß Anhang II. (2) Fordert das Gericht den Antragsteller auf, den Antrag zu vervollständigen oder zu berichtigen, so legt es dafür eine Frist fest, die ihm den Umständen nach angemessen erscheint. Das Gericht kann diese Frist nach eigenem Ermessen verlängern. 1
Stellt sich bei der gerichtlichen Überprüfung heraus, dass der Antrag unvollständig ist oder unrichtige Angaben enthält, schreibt Art. 9 EG-MahnVO ein Verbesserungsverfahren vor. Der Antragsteller hat, solange der Antrag nicht bereits als solcher unzulässig ist, die Möglichkeit, den Antrag zu vervollständigen oder zu berichtigen. Das Vorgehen nach Art. 9 wird dem Gericht zwingend vorgeschrieben und steht nicht in seinem Ermessen.1
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Eine Vervollständigung des Antrags kommt in Betracht, wenn der Antragsteller einzelne nach Art. 7 EG-MahnVO erforderliche Angaben nicht gemacht oder er vergessen hat, den Antrag zu unterschreiben. Eine Verbesserung ist denkbar, wenn er z.B. nicht vorhandene Codes eingetragen oder sonst offenkundig unrichtige Daten angegeben hat. Soweit hiernach eine Vervollständigung oder Verbesserung in Betracht kommt, ist der Antrag für die Zwecke des Art. 9 EG-MahnVO nicht als unzulässig anzusehen.2 Keine Verbesserung kommt in Betracht, wenn die Forderung offensichtlich unbegründet ist (Art. 11 EG-MahnVO Rz. 6 ff.). Dasselbe gilt, wenn der Antrag unzulässig ist; es muss aber in diesem Fall Gewissheit bestehen, dass die Unzulässigkeit nicht durch eine Vervollständigung oder Verbesserung behoben werden kann.3
3
Das Gericht hat im Verbesserungsverfahren nach Art. 9 EG-MahnVO das Formblatt B gem. Anhang I zu verwenden. Dieses enthält zunächst eine Rubrik mit dem Hinweis, dass der Antrag nicht in der richtigen Sprache ausgefüllt worden ist, und die Angabe der zu verwendenden Sprache(n). Ferner enthält das Formblatt eine Rubrik mit den gem. Art. 7 EG-MahnVO erforderlichen Angaben. Auch hier erfolgt die Belehrung über die Unvollständigkeit/Fehlerhaftigkeit des ursprünglich gestellten Antrags m.a.W. primär in Form von Codes. Allerdings ist zusätzlich eine Spalte vorgesehen, in der das Gericht seine Auffassung, dass der Antrag unvollständig bzw. fehlerhaft ist, näher erläutern kann.
4
Die Verbesserung oder Vervollständigung wird der Antragsteller im Normalfall im Original-Formblatt A vornehmen und dieses an das Gericht zurückschicken. Alternativ kann der Antragsteller aber auch das Formblatt A neu ausfüllen.4
5
Das Gericht hat dem Antragsteller eine Frist zur Vervollständigung bzw. Berichtigung des Antrags zu setzen. Das Gericht hat eine nach seiner Einschätzung im Einzelfall „angemessene“ Frist festzusetzen. Das Formblatt B gem. Anhang I sieht hier die Angabe eines Enddatums vor, bis zu dem die Vervollständigung bzw. Berichtigung erfolgen kann. Für das Fristende dürfte es auf den Eingang bei Gericht ankommen; hierfür sprechen der Wortlaut des Formblatts und die Erwägung, dass das Gericht nur den rechtzeitigen Eingang, nicht aber die Absendung wahrnehmen kann.5 Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO kann hier nicht analog angewendet werden. Soweit der Antragsteller vertreten wird, sind die Erklärungen nach Art. 9 EG-MahnVO dem Vertreter zu übermitteln.
6
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Maßgabe des jeweils anwendbaren nationalen Rechts scheidet demgegenüber aus. Art. 9 EG-MahnVO ist als abschließende Regelung zu verstehen, die – schon aus Gründen der Rechtsklarheit – für die ergänzende Anwendung nationalen Rechts kei1 Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1103 Fn. 43; Sujecki, EuZW 2006, 330, 332; BeckOK/Wolber, Rz. 3; letztlich auch Leible/Freitag, § 3 Rz. 250. Anders verhielt es sich im ursprünglichen Verordnungsvorschlag der Kommission. Hier hieß es in Art. 4 Abs. 2 VO-Vorschlag: „… kann das Gericht dem Antragsteller die Möglichkeit geben, seinen Antrag zu vervollständigen oder zu berichtigen.“ 2 Leible/Freitag, § 3 Rz. 246 mit dem zutr. Hinweis darauf, dass anderenfalls die Vorschrift keinerlei Anwendungsbereich hätte. 3 Kindl/Meller-Hannich/Netzer, Rz. 3. 4 Kropholler/von Hein, Rz. 5; BeckOK/Wolber, Rz. 13. 5 Im Erg wie hier BeckOK/Wolber, Rz. 12; abw. Kropholler/von Hein, Rz. 7; Schlosser in Schlosser/Hess, Rz. 5 (Absendung); wiederum anders Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 2 (ob bereits die Postaufgabe oder erst der Eingang bei Gericht zur Fristwahrung ausreichend seien, richte sich nach dem nationalen Recht).
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Beantragung eines Europ. Zahlungsbefehls
Art. 10 EG-MahnVO
nen Raum lässt.6 Der Antragsteller kann ohnehin gem. Art. 11 Abs. 3 EG-MahnVO einen neuerlichen Antrag stellen; er ist also auf eine Wiedereinsetzung nicht angewiesen.7
Artikel 10 Änderung des Antrags (1) Sind die in Artikel 8 genannten Voraussetzungen nur für einen Teil der Forderung erfüllt, so unterrichtet das Gericht den Antragsteller hiervon unter Verwendung des Formblatts C gemäß Anhang III. Der Antragsteller wird aufgefordert, den Europäischen Zahlungsbefehl über den von dem Gericht angegebenen Betrag anzunehmen oder abzulehnen; er wird zugleich über die Folgen seiner Entscheidung belehrt. Die Antwort des Antragstellers erfolgt durch Rücksendung des von dem Gericht übermittelten Formblatts C innerhalb der von dem Gericht gemäß Artikel 9 Absatz 2 festgelegten Frist. (2) Nimmt der Antragsteller den Vorschlag des Gerichts an, so erlässt das Gericht gemäß Artikel 12 einen Europäischen Zahlungsbefehl für den Teil der Forderung, dem der Antragsteller zugestimmt hat. Die Folgen hinsichtlich des verbleibenden Teils der ursprünglichen Forderung unterliegen nationalem Recht. (3) Antwortet der Antragsteller nicht innerhalb der von dem Gericht festgelegten Frist oder lehnt er den Vorschlag des Gerichts ab, so weist das Gericht den Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls insgesamt zurück. Art. 10 EG-MahnVO bezieht sich auf den Fall, dass die Voraussetzungen für den Erlass eines EZB nur 1 im Hinblick auf einen Teil der geltend gemachten Forderung vorliegen. Dies kann insb. dann anzunehmen sein, wenn die geltend gemachte Forderung teilweise offensichtlich unbegründet ist (Art. 11 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO). Hierbei sind sowohl die Fälle erfasst, in denen von mehreren geltend gemachten Forderungen einzelne offensichtlich unbegründet sind (also etwa eine Nebenforderung, aber nicht die zugleich geltend gemachte Hauptforderung), als auch die Fälle, in denen eine einzelne Forderung der Höhe nach offensichtlich unbegründet ist.1 Auch Art. 10 EG-MahnVO ist – wie Art. 9 EG-MahnVO – vom Gericht zwingend zu beachten; ein Ermessensspielraum steht ihm nicht zu.2 In diesem Fall unterrichtet das Gericht den Antragsteller hierüber und fordert ihn auf, den EZB über 2 einen durch das Gericht reduzierten Betrag anzunehmen oder abzulehnen. Die Antwort erfolgt nach Abs. 1 S. 3 durch Rücksendung des vom Gericht übermittelten Formblatts. Analog Art. 7 Abs. 5 EGMahnVO mit Abs. 6 kann das nationale Recht des Mitgliedstaats auch vorsehen, dass die Mitteilung in elektronischer Form erfolgen kann. Dies ergibt sich aus einem Erst-recht-Schluss. Kann bereits der deutlich komplexere Antrag auf Erlass des EZB in elektronischer Form gestellt werden, besteht kein Grund, die elektronische Form bei der einfachen Mitteilung nach Abs. 1 S. 3 a priori auszuschließen.3 Kommt der Antragsteller der gerichtlichen Aufforderung zur Verbesserung des Antrags nicht nach oder nimmt er den reduzierten Zahlungsbefehl nicht an, wird der Antrag nach Abs. 3 insgesamt zurückgewiesen. Die Regelung kann dazu führen, dass ein Antrag insgesamt zurückgewiesen wird, obwohl nur ein kleiner Teil der Forderung – etwa ein Teil der geltend gemachten Zinsen – offensichtlich unbegründet ist. Der angestrebten Effizienz des europäischen Mahnverfahrens ist die Vorschrift nicht
6 Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 4; BeckOK/Wolber, Rz. 15; a.A. Kropholler/von Hein, Rz. 9 (allerdings sei im deutschen Verfahren eine Wiedereinsetzung nicht möglich, da es sich bei der Frist nach Art. 9 nicht um eine Notfrist i.S.d. § 244 Abs. 1 S. 2 ZPO handele). 7 Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 4; abw. Kropholler/von Hein, Rz. 9 (mit Hinweis auf die vom Antragsteller evtl intendierte Verjährungshemmung). 1 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 4; BeckOK/Wolber, Rz. 3; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 309. 2 Leible/Freitag, § 3 Rz. 250. 3 Zutr. Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 240; Kropholler/von Hein, Rz. 3; BeckOK/Wolber, Rz. 6.
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Art. 11 EG-MahnVO
Zurückweisung des Antrags
dienlich.4 Sie lässt sich damit erklären, dass Unsicherheiten und Streitigkeiten über die genaue Reichweite des Titels, die im Falle eines Teil-EZB entstehen können, von vornherein vermieden werden sollen. Überdies hat es der Antragsteller in der Hand, den reduzierten Zahlungsbefehl anzunehmen. 4
Ist bezüglich eines Teils der Forderung eine Verbesserung nach Art. 9 EG-MahnVO möglich – weil etwa eine nach Art. 7 EG-MahnVO notwendige Angabe fehlt –, ist das Verbesserungsverfahren nach Art. 9 EG-MahnVO durchzuführen. Art. 10 ist in diesem Fall nicht anwendbar. Dies gilt deshalb, weil gem. Art. 9 EG-MahnVO, soweit der Antragsteller den Antrag vervollständigt oder berichtigt, ein EZB über die Gesamtforderung ergehen kann. Wenn dem Antragsteller aber die Möglichkeit einer Verbesserung bzw. Vervollständigung zusteht, wenn der Mangel den gesamten Antrag betrifft, muss ihm diese Möglichkeit erst recht zustehen, wenn sie sich auf einen Teil der Forderung beschränkt. Es wäre ineffizient und unverhältnismäßig, den Antragsteller in diesen Fällen von vornherein auf einen EZB über den Teilbetrag zu verweisen.5 Soweit der Antragsteller vertreten wird, sind die Erklärungen nach Art. 10 EG-MahnVO dem Vertreter zu übermitteln.
5
Ergeht im Anwendungsbereich von Art. 10 EG-MahnVO ein EZB über einen Teil der Forderung, so unterliegen gem. Abs. 2 S. 2 die Folgen hinsichtlich des verbleibenden Teils der ursprünglichen Forderung dem nationalen Recht. Die Verweisung des Abs. 2 S. 2 bezieht sich in erster Linie auf prozessuale Folgen; nach dem Wortlaut sind aber auch materielle Folgen mit einbezogen.6 Nach dem deutschen Recht ist der Antragsteller nicht gehindert, den verbleibenden Teil nochmals im Klageweg geltend zu machen.7 Insbes lässt sich nicht von einem Verzicht analog § 306 ZPO ausgehen.8
6
Soweit es sich um materielle Fragen wie insb. die Verjährungshemmung handelt, ist grundsätzlich die lex causae, also das auf die Forderung anwendbare Recht, heranzuziehen (s. Art. 11 EG-MahnVO Rz. 22 f., Art. 12 EG-MahnVO Rz. 14 ff.). Gilt deutsches Recht, ist mit Blick auf die Verjährung nach der hier vertretenen Ansicht § 691 Abs. 2 ZPO analog anzuwenden (vgl. dazu Art. 11 EG-MahnVO Rz. 23). Dass es im Rahmen des Art. 10 EG-MahnVO nicht zu einer „Zurückweisung“ des Antrags ieS kommt, dürfte einer analogen Anwendung des § 691 Abs. 2 ZPO nicht entgegenstehen.9 Eine materiell-rechtliche Stundung oder ein Verzicht ist in der Erklärung gem. Abs. 2 S. 2 nach dem deutschen Recht nicht zu sehen.10
Artikel 11 Zurückweisung des Antrags (1) Das Gericht weist den Antrag zurück, a) wenn die in den Artikeln 2, 3, 4, 6 und 7 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, oder b) wenn die Forderung offensichtlich unbegründet ist, oder c) wenn der Antragsteller nicht innerhalb der von dem Gericht gemäß Artikel 9 Absatz 2 gesetzten Frist seine Antwort übermittelt, 4 Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 309 („unflexible Regelung“). 5 Zutr. Leible/Freitag, § 3 Rz. 248; Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 10 Rz. 1: Kropholler/von Hein, Rz. 2; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 3. 6 A.A. Kropholler/von Hein, Rz. 4; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 7 (nur prozessuale Folgen). Praktische Unterschiede ergeben sich hieraus nicht, da auch nach dieser Gegenauffassung (selbstverständlich) materielle Folgen, da nicht von der EG-MahnVO erfasst, nach dem kollisionsrechtlich berufenen materiellen Recht zu beurteilen sind. 7 Siehe näher – bezogen auf die Zurückweisung eines Antrags im nationalen Mahnverfahren – MünchKomm/ ZPO/Schuler, § 691 ZPO Rz. 28, 33. 8 Auch für das österreichische Recht schreibt § 252 Abs. 7 österrZPO vor, dass bei Änderung des Antrags nach Art. 10 der verbleibende Teil als ohne Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen gilt. 9 Für analoge Anwendung des § 691 Abs. 2 ZPO auch Kropholler/von Hein, Rz. 4. 10 Kropholler/von Hein, Rz. 4; Musielak/Voit, Rz. 20; Saenger/Gierl, Rz. 5.
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Entscheidung über einen Europ. Zahlungsbefehl
Art. 11 EG-MahnVO
oder d) wenn der Antragsteller gemäß Artikel 10 nicht innerhalb der von dem Gericht gesetzten Frist antwortet oder den Vorschlag des Gerichts ablehnt. Der Antragsteller wird anhand des Formblatts D gemäß Anhang IV von den Gründen der Zurückweisung in Kenntnis gesetzt. (2) Gegen die Zurückweisung des Antrags kann kein Rechtsmittel eingelegt werden. (3) Die Zurückweisung des Antrags hindert den Antragsteller nicht, die Forderung mittels eines neuen Antrags auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls oder eines anderen Verfahrens nach dem Recht eines Mitgliedstaats geltend zu machen. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Fälle der Zurückweisung des Antrags . . . . 4 1. Fehlen der formellen Voraussetzungen (lit. a) 4 2. Offensichtliche Unbegründetheit der Forderung (lit. b) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 a) Maßstab der EG-MahnVO . . . . . . . . . 6 b) Besonderheiten bei Verbraucherverträgen . 13 3. Unterbleiben der Berichtigung bzw. Ergänzung (lit. c) . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
4. Ablehnung eines EZB über einen Teil der Forderung (lit. d) . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 III. 1. 2. 3.
Rechtsfolgen der Ablehnung . . . . . . Keine Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . Möglichkeit eines neuen Antrags . . . . Fristwahrung, Verjährungsbeginn und Verjährungshemmung . . . . . . . . . . 4. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . 17 . . . . 17 . . . . 21 . . . . 22 . . . . 24
I. Allgemeines Art. 11 EG-MahnVO zieht die Konsequenz aus der in Art. 8 EG-MahnVO vorgeschriebenen Pflicht zur Prüfung des Antrags. Soweit das Gericht feststellt, dass die in den Art. 2, 3, 4, 6 und 7 EG-MahnVO genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind oder die Forderung offensichtlich unbegründet ist, hat es den Antrag zurückzuweisen (Abs. 1 lit. a, b). Dasselbe gilt, wenn der Antragsteller die Möglichkeit zu einer Ergänzung oder Berichtigung des Antrags gem. Art. 9 EG-MahnVO nicht wahrnimmt (Abs. 1 lit. c) oder sich – soweit die in Art. 8 EG-MahnVO genannten Voraussetzungen nur für einen Teil der Forderung erfüllt sind – nicht gem. Art. 10 EG-MahnVO mit dem Erlass eines EZB über einen Teil der Forderung einverstanden erklärt (Abs. 1 lit. d). Eine (sofortige) Zurückweisung nach Abs. 1 lit. a bzw. b kommt nur in Betracht, wenn keine Möglichkeit eines Vorgehens nach Art. 9 EG-MahnVO oder Art. 10 EG-MahnVO besteht.1
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Art. 11 EG-MahnVO soll einzelne Fälle, in denen die Voraussetzungen für den Erlass eines EZB nicht vorliegen, herausfiltern und dem Antragsgegner damit ersparen, innerhalb der 30-Tage-Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO Einspruch einlegen zu müssen. Die Vorschrift versucht, die mit der Einstufigkeit des Mahnverfahrens verbundenen Risiken abzumildern.2 Da sich die Prüfung durch das Gericht nur auf die Angaben im Antragsformular stützen kann (s. bereits oben Art. 8 EG-MahnVO Rz. 5 ff.), ist die Wirkung des Art. 11 EG-MahnVO aber eher gering.
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Soweit der Antrag zurückgewiesen wird, ist der Antragsteller anhand des Formblatts D gemäß Anhang IV von den Gründen der Zurückweisung in Kenntnis zu setzen. Zwar kann der Antragsteller gem. Abs. 2 gegen die Zurückweisung kein Rechtsmittel einlegen. Er ist aber gem. Abs. 3 nicht gehindert, wegen derselben Forderung nochmals einen Antrag bei Gericht einzureichen.
3
1 Art. 11 EG-MahnVO führt ungeachtet der dem Wortlaut nach alternativen Auflistung der Zurückweisungsgründe nicht dazu, dass die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens nach Art. 9 EG-MahnVO bzw. ein Vorgehen nach Art. 10 EG-MahnVO dem freien Ermessen des Gerichts überlassen werden, Leible/Freitag, § 3 Rz. 250; Leible/Freitag, BB 2008, 2750, 2753. 2 Vgl. Europäische Kommission, 4.7.2006, KOM (2006) 374: „Das ursprüngliche zweistufige Mahnverfahren wurde durch ein einstufiges Verfahren ersetzt. Allerdings wurden zusätzliche Verfahrensgarantien in den Text eingebaut, um die Rechte der Verfahrensbeteiligten zu schützen (s. vor allem die Art. 8, 10, 11 und 12 EG-MahnVO). Das Gericht wird demnach bei Eingang eines Antrags anhand des Antragsformulars prüfen, ob dieser zulässig und die Forderung begründet ist. Es kann daraufhin den Antrag entweder zurückweisen oder einen europäischen Zahlungsbefehl ausstellen.“
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Art. 11 EG-MahnVO
Zurückweisung des Antrags
II. Fälle der Zurückweisung des Antrags 1. Fehlen der formellen Voraussetzungen (lit. a) 4
Nach Abs. 1 lit. a weist das Gericht den Antrag zurück, wenn die in den Art. 2, 3, 4, 6 und 7 EGMahnVO genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Ob die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, hat das Gericht allein anhand der Angaben im Antragsformular zu überprüfen. Ob einzelne Angaben tatsächlich der Wahrheit entsprechen, ist daher – einzelne Evidenzfälle wie eindeutig unrichtige Datumsangaben ausgenommen – als solches regelmäßig nicht überprüfbar.
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Soweit einzelne Angaben fehlen oder aber im Einzelfall nachweisbar unrichtig sind, hat das Gericht zunächst ein Verbesserungsverfahren nach Art. 9 durchzuführen. Wenn der Antragsteller die erforderliche Berichtigung bzw. Ergänzung nicht vornimmt, wird der Antrag gem. lit. c zurückgewiesen. 2. Offensichtliche Unbegründetheit der Forderung (lit. b) a) Maßstab der EG-MahnVO
6
Nach Abs. 1 lit. b ist der Antrag ferner dann zurückzuweisen, wenn die Forderung „offensichtlich unbegründet“ ist. Wie das Merkmal „offensichtlich unbegründet“ auszulegen ist, wird weder im Verordnungstext noch in den Erwägungsgründen näher ausgeführt.3 In der Literatur besteht bislang keine Einigkeit darüber, was genau hierunter zu verstehen ist. Vorbehaltlich der für Verbraucherverträgen geltenden Sonderregeln (Rz. 13) werden im theoretischen Ausgangspunkt sehr unterschiedliche Lösungsansätze vertreten. Nach einer Auffassung muss sich der Anspruch prima facie, den Nachweis der unter Beweis gestellten Tatsachen durch die mitgeteilten Beweismittel unterstellt, als begründet erweisen. Diese Auffassung stützt sich u.a. auf den – allerdings unklar formulierten – ErwGr. 16 EGMahnVO. Es bestehe eine höhere Prüfungsdichte als bei einer reinen Schlüssigkeitsprüfung.4 Andere Autoren formulieren demgegenüber, dass eine Zurückweisung (nur) in den Fällen einer fehlenden Schlüssigkeit in Betracht komme.5 Wiederum andere sind der Auffassung, dass im Rahmen von Abs. 1 lit. b nicht einmal eine Schlüssigkeit ieS nachgeprüft werden könne. Praktisch sei eine intensivere sachliche Prüfung im Rahmen von Art. 11 nicht möglich.6
7
Ob sich aus diesen dargestellten Auffassungen tatsächlich größere praktische Unterschiede ergeben, erscheint zweifelhaft.7 Weitgehend Einigkeit besteht darin, dass der Prüfung ausschließlich die im Antragsformular enthaltenen Angaben zugrunde zu legen sind (s. bereits oben Art. 8 EG-MahnVO Rz. 5 ff.).8 „Offensichtlich unbegründet“ ist die Forderung in der Konsequenz daher dann, wenn sich allein aufgrund der Angaben im Antragsformular eindeutig feststellen lässt, dass die Forderung nicht besteht bzw. nicht durchsetzbar ist. Soweit demgegenüber das Bestehen einer durchsetzbaren Forde-
3 Die Unklarheit der Regelung erklärt sich z.T. aus der Vorgeschichte, vgl. Sujecki, ERA Forum 2007, 91, 100 ff.; Sujecki, EuZW 2006, 609. 4 Rauscher/Rauscher, EuZPR2 (2006), Einf. EGMahnVO Rz. 22; MünchKomm/ZPO3/Rauscher, Anh. I zu Buch 11 (EG-MahnVO) Rz. 16; auch Geimer/Schütze/Kodek, Art. 8 Rz. 6. 5 Bittmann, S. 213; Fucik/Weber, ÖJZ 2008, 829, 830; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 307 f.; Kloiber, ZfRV 2009, 68, 73; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. Art. 8 Rz. 11 ff.; Mayr, JBl 2008, 503, 511 f. (Schlüssigkeitsprüfung wie im österreichischen Recht); auch Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 309 (das automatisierte Verfahren ausgenommen); ferner auch Zöller/Geimer, Art. 8 Rz. 1. Zur Schlüssigkeitsprüfung im österr Verfahren s. Sujecki, ERA Forum 2007, 91, 95 ff. 6 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 8 MahnVO Rz. 2; Sujecki, EuZW 2006, 330, 332; Sujecki, ERA Forum 2007, 91, 100 ff.; Preuß, ZZP 122 (2009) 3, 7; sehr krit. Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 729 („… en pratique aucun contrôle sérieux ne pourra être effectué par l’autorité saisie“); Kormann, S. 100; Stadler, ZZP 123 (2010) 111, 112; vgl. auch Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 8 Rz. 2; Schimrick, NJ 2008, 491, 492; Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung S. 169 ff.; ferner Kindl/Meller-Hannich/Netzer, Art. 8 Rz. 4; Saenger/ Gierl, Art. 8 Rz. 3; für das automatisierte Verfahren McGuire, GPR 2007, 303, 307; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 309; Freitag, IPRax 2007, 509 Fn. 12. 7 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 8 MahnVO Rz. 1 ff. 8 Etwa Geimer/Schütze/Kodek, Art. 8 Rz. 5 ff. Scharfe rechtspolitische Kritik hieran bei Crifò, S. 125 ff.; Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 729 f.
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Entscheidung über einen Europ. Zahlungsbefehl
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rung immerhin möglich erscheint, ist der EZB zu erlassen. Art. 11 EG-MahnVO sieht damit einen zwar konkretisierungsbedürftigen, aber doch einheitlich-autonomen Maßstab vor.9 Im Antrag auf Erlass des EZB ist der anspruchsbegründende Sachverhalt nur sehr oberflächlich mit einem Code – etwa Code 1: „Kaufvertrag“ – zu bezeichnen; weitere Angaben zum Sachverhalt sind im Antragsformular nicht vorgesehen. Soweit der Antragsteller derartige zulässige Codes verwendet, fehlt es regelmäßig an tatsächlichen Anhaltspunkten für die Annahme, die geltend gemachte Forderung sei „offensichtlich unbegründet“.
8
Zwar weist ErwGr. 16 EG-MahnVO darauf hin, dass bei der Überprüfung der Forderung die durch den Antragsteller bezeichneten Beweismittel zu berücksichtigen sind.10 Die EG-MahnVO sieht aber keine – naturgemäß spekulative und letztlich unpraktikable – Vorwegnahme der Beweiswürdigung oder auch nur eine entsprechende Prognoseentscheidung vor.11 Vielmehr ist im Rahmen des Art. 11 EG-MahnVO davon auszugehen, dass die Beweismittel, soweit sie hierzu nur abstrakt geeignet sind, den vom Antragsteller angetretenen Beweis erbringen werden.12 Nimmt man hinzu, dass der Antragsteller nicht für alle anspruchsbegründenden Tatsachen Beweise anbieten muss (s. oben Art. 7 EGMahnVO Rz. 12), lässt sich kaum erkennen, wie aus der Angabe bzw. Nichtangabe einzelner Beweismittel hinreichend sicher auf eine „offensichtliche Unbegründetheit“ geschlossen werden kann.13
9
Zusätzlich fällt ins Gewicht, dass die Angaben im Antrag keinen hinreichend sicheren Schluss auf das 10 anwendbare Recht zulassen.14 Dies gilt etwa für das Zustandekommen einer Rechtswahl oder – bei formbedürftigen Rechtsgeschäften – den Vornahmeort. Damit fehlt es auch an der erforderlichen Bezeichnung bzw. kollisionsrechtlichen Ermittelbarkeit des anwendbaren Rechts, nach dessen Maßstäben eine Begründetheit bzw. Schlüssigkeit zu prüfen oder auch nur zu prognostizieren wäre. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass nach Art. 8 S. 2 EG-MahnVO die Überprüfung des Antrags 11 auch in einem automatisierten Verfahren erfolgen kann. Zwar muss ein automatisiertes Verfahren keineswegs zwangsläufig auf eine reine Formalprüfung hinauslaufen;15 eine Prüfung kann sich in diesen Fällen aber regelmäßig nur auf bestimmte Fallgruppen – etwa überhöhte Zinsen, Zinseszinsen oder unangemessen hohe vorgerichtliche Gebühren – oder bestimmte logische Widersprüche innerhalb des Antrags konzentrieren.16 Im praktischen Ergebnis ist daher eine umfassende Schlüssigkeitsprüfung, wie sie im Rahmen der zivilprozessualen Relationstechnik im ordentlichen Zivilverfahren vorgenommen werden kann, im Rahmen des europäischen Mahnverfahrens nicht möglich.17 Die Un-
9 Kormann, S. 100 f. Für einen Umsetzungsspielraum der Mitgliedstaaten demgegenüber Sujecki, NJW 2007, 1622, 1624; auch Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 308 (Umsetzungsspielraum „in versteckter Form“). 10 Nach Satz 2 des ErwGr. 16 EG-MahnVO ermöglichen es die Angaben im Antragsformular „dem Gericht, schlüssig zu prüfen, ob die Forderung begründet ist, und u.a. offensichtlich unbegründete Forderungen oder unzulässige Anträge auszuschließen“. 11 Abw. Schimrick, NJ 2008, 491 (Prognose, ob zulässige Beweise in einem ordentlichen Zivilverfahren vorgelegt werden können und diese nach der lex fori verwertbar sind). 12 Rauscher/Rauscher, EuZPR2 (2006), Einf. EGMahnVO Rz. 22; Rauscher in MünchKomm/ZPO3, Anh. I zu Buch 11 (EG-MahnVO) Rz. 16. 13 Zu berücksichtigen ist auch, dass der Antrag von juristischen Laien gestellt werden kann. Diese werden nicht selten Umstände für relevant halten, auf die es für die Schlüssigkeit bzw. Begründetheit des Vorbringens gar nicht ankommt. Soweit in diesen Fällen – ggf. ungeeignete – Beweismittel angegeben werden, macht dies den Anspruch noch nicht „offensichtlich unbegründet“. 14 Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 8 Rz. 2; BeckOK/Wolber, Art. 8 Rz. 9; vgl. auch Sujecki, ZEuP 2006, 124, 140; Sujecki, MMR 2005, 213, 216; Schollmeyer, IPRax 2002, 478, 483. 15 Vgl. etwa zum deutschen Mahnverfahren Schüler in MünchKomm/ZPO, § 691 ZPO Rz. 21. 16 Etwa Schüler in MünchKomm/ZPO, § 691 ZPO Rz. 21; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 8; MahnVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Kodek, Art. 8 Rz. 10. Beispiel für einen logischen Widerspruch bei Bender, S. 196 (unter Bezugnahme auf eine Auskunft des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien): Im Antragsformular wird angegeben, dass sowohl ein fixer als auch ein variabler Zinssatz geltend gemacht wird. 17 Kropholler/von Hein, Art. 8 Rz. 11; auch Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 729 („… il est permis de concluire qu’aucun examen au fond de l’affaire, fût-il sommaire, n’a été réellement instauré par le règlement“); Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 8 Rz. 2; zum automatisierten Verfahren Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2752.
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Art. 11 EG-MahnVO
Zurückweisung des Antrags
terschiede zwischen der Überprüfung des EZB und der (nur) „eingeschränkten Schlüssigkeitsprüfung“ im deutschen Mahnverfahren werden sich letztlich als nicht allzu groß erweisen.18 12
Eine Zurückweisung als „offensichtlich unbegründet“ dürfte daher regelmäßig nur dann in Betracht kommen, wenn der Antrag in sich widersprüchlich oder die geltend gemachte Forderung mit dem ordre public des Ursprungsmitgliedstaats unvereinbar ist. Dies kann etwa bei der Geltendmachung von Ansprüchen auf Strafschadensersatz der Fall sein oder dann, wenn offenkundig Wucherzinsen verlangt werden.19 b) Besonderheiten bei Verbraucherverträgen
13
Besonderheiten sind allerdings bei Verbraucherverträgen zu beachten. Bei diesen leitet der EuGH aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 eine Pflicht des Mahngerichts ab, vom Antragsteller die Wiedergabe des vollständigen Vertrags oder die Vorlage einer Kopie des Vertrags zu verlangen (s. näher Art. 7 EG-MahnVO Rz. 13 ff.).20 Darüber hinaus besteht nach dem EuGH eine Pflicht des Mahngerichts, den Vertrag auf missbräuchliche Klauseln im Sinne der Richtlinie 93/13 zu prüfen und gegebenenfalls den Erlass eines EZB gem. Art. 11 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO zurückzuweisen. Wie weit die Prüfungspflicht im Einzelnen reicht und unter welchen (weiteren) Voraussetzungen der Antrag auf Erlass gem. Art. 11 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO bei Vorliegen einzelner missbräuchlicher Klauseln zurückzuweisen ist, wurde vom EuGH noch nicht entschieden. Für eine Zurückweisung reicht es wohl aus, wenn sich aufgrund der unwirksamen AGB Zweifel an dem Bestehen eines einredefreien Anspruchs ergeben. Letztlich ergibt sich also aufgrund der Rechtsprechung des EuGH eine grundlegende Differenzierung danach, ob es sich um einen unter Verwendung von AGB geschlossenen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher handelt oder nicht (s. eingehend Art. 7 EG-MahnVO Rz. 14 ff.). 3. Unterbleiben der Berichtigung bzw. Ergänzung (lit. c)
14
Gemäß lit. c ist der Antrag zurückzuweisen, wenn der Antragsteller nicht innerhalb der von dem Gericht gem. Art. 9 Abs. 2 EG-MahnVO gesetzten Frist seine Antwort übermittelt. Lit. c bezieht sich m.a.W. auf das Verbesserungsverfahren nach Art. 9, das im Falle einer Unvollständigkeit bzw. Fehlerhaftigkeit des Antrags durchzuführen ist. Kommt der Antragsgegner der Aufforderung des Gerichts, seinen Antrag zu vervollständigen bzw. zu berichtigen, nicht nach, so ist der Antrag zurückzuweisen.
15
Fraglich ist, ob der Antrag auch dann zurückzuweisen ist, wenn die Berichtigung bzw. Ergänzung bei Gericht zwar nach Fristablauf eingeht, aber zu diesem Zeitpunkt noch keine Zurückweisung des Antrags erfolgt ist. Bei einer engen Wortlautauslegung könnte man zu dem Ergebnis kommen, dass der Antrag auch in diesem Fall abzulehnen und der Antragsteller darauf zu verweisen ist, die Forderung mittels eines neuen Antrags geltend zu machen. Dies erschiene jedoch als unnötiger Formalismus, der den Rationalisierungs- und Entlastungszielen des Mahnverfahrens zuwiderliefe.21 4. Ablehnung eines EZB über einen Teil der Forderung (lit. d)
16
Abs. 1 lit. d betrifft schließlich den Fall, dass der Antragsteller im Falle des Art. 10 EG-MahnVO nicht innerhalb der von dem Gericht gesetzten Frist antwortet oder den Vorschlag des Gerichts ablehnt. Auch hier dürfte aber, wenn die Antwort des Antragstellers zwar nach der gesetzten Frist, aber immerhin noch vor der Entscheidung eingeht, der (nunmehr) beantragte EZB zu erlassen sein. 18 Vgl. Schlosser in Schlosser/Hess, Art 8 EuMahnVO Rz. 3; Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1106 („… scheint eine Parallele zum deutschen Mahnverfahren gegeben“); auch Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung S. 174. Zur Prüfung des geltend gemachten Anspruchs im deutschen Mahnverfahren Schüler in MünchKomm/ ZPO, § 691 ZPO Rz. 14 ff. 19 McGuire, GPR 2007, 303, 307. 20 EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC u.a. Rz. 48 und Rz. 50, EuZW 2020, 193. 21 Wie hier Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 5.
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Entscheidung über einen Europ. Zahlungsbefehl
Art. 11 EG-MahnVO
III. Rechtsfolgen der Ablehnung 1. Keine Rechtsmittel Nach Abs. 2 kann gegen die Zurückweisung des Antrags kein Rechtsmittel eingelegt werden. Nach Satz 2 des ErwGr. 17 EG-MahnVO ist allerdings eine Überprüfung der zurückweisenden Entscheidung in derselben Instanz im Einklang mit dem nationalen Recht nicht ausgeschlossen. Dies ermöglicht insb. eine Vorlage der Sache durch den Rechtspfleger oder sonstigen Justizbeamten an einen Richter.22
17
Zwar sehen die §§ 1087 ff. ZPO eine derartige Überprüfung nicht vor.23 Allerdings ergibt sich daraus nicht, dass auch die allgemeine Regelung des Art. 11 Abs. 2 S. 1 RPflG ausgeschlossen werden sollte.24
18
Nach § 11 Abs. 2 S. 1 RPflG findet gegen Entscheidungen des Rechtspflegers, gegen die nach den all- 19 gemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, die Erinnerung statt. Der Rechtspfleger kann der Erinnerung abhelfen (§ 11 Abs. 2 S. 2 RPflG); anderenfalls legt er die Erinnerung dem Richter zur Entscheidung vor (§ 11 Abs. 2 S. 3 RPflG). Bei der Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG dürfte es sich um eine „Überprüfung der zurückweisenden Entscheidung in derselben Instanz“ i.S.d. ErwGr. 17 EG-MahnVO handeln.25 Dementsprechend gilt bei der Zurückweisung eines EZB nichts anderes als im Falle einer Zurückweisung eines Antrags im nationalen Mahnverfahren in den Fällen des § 691 Abs. 3 S. 2 ZPO.26 Aus dem Fehlen eines Rechtsmittels ergibt sich, dass das angerufene Gericht das letztinstanzliche Gericht i.S.v. Art. 267 Abs. 3 AEUV darstellt. Dementsprechend hat es unter den weiteren Voraussetzungen der Norm eine Vorlagepflicht zum EuGH.27
20
2. Möglichkeit eines neuen Antrags Die Zurückweisung des Antrags hindert gem. Abs. 3 den Antragsteller nicht, die Forderung mittels eines neuen Antrags auf Erlass eines EZB oder auch eines anderen Verfahrens nach dem Recht eines Mitgliedstaats geltend zu machen. Anders als das deutsche Recht sieht die EG-MahnVO offenkundig keine materielle Rechtskraft des Beschlusses über die Zurückweisung vor.28 Der Antragsteller kann daher auch einen identischen Antrag stellen;29 er wird hiervon aber regelmäßig angesichts der Kostenregelungen der Mitgliedstaaten Abstand nehmen (vgl. unten Rz. 24).
21
3. Fristwahrung, Verjährungsbeginn und Verjährungshemmung Die EG-MahnVO enthält keine Regeln darüber, ob der Antrag auf Erlass des EZB bzw. die Zustellung des EZB Fristen wahrt bzw. die Verjährung hemmt.30 Diese Frage wird m.a.W. gem. Art. 26 dem nationalen Recht überlassen.31 Anwendbar ist das auf die Forderung anwendbare Recht (lex causae). Im deutschen Recht sieht § 1090 Abs. 3 ZPO – ähnlich wie § 696 Abs. 3 ZPO – unter bestimmten Vo22 AG Berlin-Wedding, BeckRS 2017, 108418 Rn. 4 ff.; Mayr, JBl 2008, 503, 509 und 511; Schimrick, NJ 2008, 491, 493; Rellermeyer, Rpfleger 2009, 11, 13. 23 Zöller/Geimer, Art. 1 Rz. 2. 24 Kropholler/von Hein, Rz. 7. Im Ergebnis (ohne dies zu problematisieren) auch AG Berlin-Wedding, BeckRS 2017, 108418 Rz. 10 ff. 25 Rellermeyer, Rpfleger 2009, 11, 13; Vollkommer/Huber, NJW 2009, 1105, 1106. 26 Vgl. zum deutschen Mahnverfahren Schüler in MünchKomm/ZPO, § 691 ZPO Rz. 32. 27 Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 310. 28 Kropholler/von Hein, Rz. 10; Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 10 Rz. 2; zum deutschen Mahnverfahren vgl. Schüler in MünchKomm/ZPO, § 691 ZPO Rz. 28. 29 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 412; Kormann, S. 118; auch Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 241; einschränkend Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 310 (es bestehe – da der Antragsteller nicht ad infinitum vollkommen identische Anträge stellen könne – eine eingeschränkte Rechtskraftwirkung); vgl. auch Geimer/ Schütze/Kodek, Rz. 6. 30 Kritisch dazu Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 242 f. 31 Geimer/Schütze/Kodek, Art. 7 Rz. 30.
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Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls
raussetzungen eine Vorverlagerung des Rechtshängigkeitszeitpunkts auf den Zeitpunkt der Zustellung des EZB vor. Ferner wird die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB durch die Zustellung des EZB gehemmt. Wird der EZB „demnächst“ zugestellt, tritt Hemmung der Verjährung gem. § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags bei Gericht ein (vgl. näher Art. 12 EG-MahnVO Rz. 16).32 23
Für das nationale Mahnverfahren sieht § 691 Abs. 2 ZPO darüber hinaus vor, dass eine Frist gewahrt bzw. die Verjährung gehemmt wird, wenn innerhalb eines Monats seit der Zustellung der Zurückweisung des Antrags Klage eingereicht und diese demnächst zugestellt wird. Eine Parallelvorschrift für den EZB wurde nicht geschaffen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist § 691 Abs. 2 ZPO – um eine Gleichstellung des Verfahrens nach der EG-MahnVO mit dem nationalen deutschen Mahnverfahren zu erreichen – aber auf die Zurückweisung des EZB entsprechend anzuwenden. Hierfür spricht auch die Begründung zum Regierungsentwurf. Diese geht ausdrücklich davon aus, dass im Hinblick auf die Wahrung von Fristen und die Verjährungshemmung auf beide Mahnverfahren „dieselben Regeln“ anzuwenden sind. Nur unter dieser Voraussetzung stelle das Europäische Mahnverfahren „eine gleichwertige Alternative zum deutschen Mahnverfahren“ dar.33 Die Nichterwähnung von § 691 Abs. 2 ZPO in den deutschen Durchführungsbestimmungen stellt daher eine versehentliche Regelungslücke dar, die durch eine entsprechende Anwendung der Norm zu schließen ist.34
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Wann genau § 691 Abs. 2 ZPO zur Anwendung gelangt, hängt von dessen Qualifikation ab: Soweit er materiell-rechtlich zu qualifizieren ist, kommt er (nur) zur Anwendung, wenn deutsches Recht auf die Frage der Verjährung zur Anwendung gelangt; die Klage vor einem anderen Gericht als dem deutschen ist dann im Wege der Substitution einer Klage vor einem deutschen Gericht gleichzustellen.35 Anders verhält es sich dann, wenn man die Norm prozessrechtlich qualifiziert: In diesem Fall kommt sie immer dann zur Anwendung, wenn anschließend auch vor einem deutschen Gericht geklagt wird. Nach der hier vertretenen Auffassung spricht mehr dafür, § 691 Abs. 2 ZPO – trotz seines Standortes innerhalb der ZPO – als (materiell-rechtliche) Ergänzungsnorm zu § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB anzusehen und deshalb materiell-rechtlich zu qualifizieren.36 4. Kosten
24
Die Kosten im Falle der Ablehnung eines EZB richten sich nach dem nationalen Recht (vgl. Art. 25, 26 EG-MahnVO). Die Zurückweisung des Antrags löst im deutschen Recht keine zusätzlichen Gerichtskosten aus, da bereits für den Antrag auf Erlass des Mahnbescheids die Gerichtsgebühr erhoben wird (vgl. §§ 6, 12 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 GKG). Die Kosten werden dem Antragsteller auferlegt (§§ 308 Abs. 1, 91 ZPO analog).37
Artikel 12 Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls (1) Sind die in Artikel 8 genannten Voraussetzungen erfüllt, so erlässt das Gericht so bald wie möglich und in der Regel binnen 30 Tagen nach Einreichung eines entsprechenden Antrags einen Europäischen Zahlungsbefehl unter Verwendung des Formblatts E gemäß Anhang V. Bei der Berechnung der 30-tägigen Frist wird die Zeit, die der Antragsteller zur Vervollständigung, Berichtigung oder Änderung des Antrags benötigt, nicht berücksichtigt. (2) Der Europäische Zahlungsbefehl wird zusammen mit einer Abschrift des Antragsformulars ausgestellt. Er enthält nicht die vom Antragsteller in den Anlagen 1 und 2 des Formblatts A gemachten Angaben. 32 33 34 35 36
RegE, BT-Drucks. 16/8839, 32 re. Sp. RegE, BT-Drucks. 16/8839, 32 re. Sp. Kropholler/von Hein, Rz. 12; auch Kindl/Meller-Hannich/Netzer, Rz. 5; BeckOK/Wolber, Rz. 10. Vgl. Kropholler/von Hein, Rz. 12. In diese Richtung Schlosser in Schlosser/Hess, Rz. 4; siehe näher (die Frage offenlassend) Kropholler/von Hein, Rz. 12. 37 Vgl. Schüler in MünchKomm/ZPO, § 691 ZPO Rz. 25.
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Entscheidung über einen Europ. Zahlungsbefehl
Art. 12 EG-MahnVO
(3) In dem Europäischen Zahlungsbefehl wird der Antragsgegner davon in Kenntnis gesetzt, dass er a) entweder den im Zahlungsbefehl aufgeführten Betrag an den Antragsteller zahlen kann, oder b) gegen den Europäischen Zahlungsbefehl bei dem Ursprungsgericht Einspruch einlegen kann, indem er innerhalb von 30 Tagen ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls an ihn seinen Einspruch versendet. (4) In dem Europäischen Zahlungsbefehl wird der Antragsgegner davon unterrichtet, dass a) der Zahlungsbefehl ausschließlich auf der Grundlage der Angaben des Antragstellers erlassen und vom Gericht nicht nachgeprüft wurde, b) der Zahlungsbefehl vollstreckbar wird, wenn nicht bei dem Gericht nach Artikel 16 Einspruch eingelegt wird, c) im Falle eines Einspruchs das Verfahren von den zuständigen Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats gemäß den Regeln eines ordentlichen Zivilprozesses weitergeführt wird, es sei denn, der Antragsteller hat ausdrücklich beantragt, das Verfahren in diesem Fall zu beenden. (5) Das Gericht stellt sicher, dass der Zahlungsbefehl dem Antragsgegner gemäß den nationalen Rechtsvorschriften in einer Weise zugestellt wird, die den Mindestvorschriften der Artikel 13, 14 und 15 genügen muss. I. Frist für den Erlass des EZB (Abs. 1) . . . . . II. Inhalt des EZB (Abs. 2–4) . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sprache des Ursprungsmitgliedsstaats b) Lösung über das Zustellungsrecht; Art. 20 EG-MahnVO . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
1
. . . .
2 2 3 3
. . .
9
III. Zustellung des EZB (Abs. 5) . . . . . . . . . . 11
1. Mindestanforderungen nach Art. 13–15 EG-MahnVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Folgen ordnungsgemäßer Zustellung . . . . . 3. Folgen fehlerhafter Zustellung . . . . . . . . . a) Verstoß gegen die Mindestanforderungen der Art. 13–15 EG-MahnVO . . . . . . . . b) Verstoß gegen sonstige nationale Zustellungsregeln . . . . . . . . . . . . . . .
11 13 17 17 21
I. Frist für den Erlass des EZB (Abs. 1) Liegen die Anforderungen für den Erlass eines EZB vor, erlässt das Gericht gem. Art. 12 Abs. 1 EG- 1 MahnVO den EZB „so bald wie möglich und in der Regel binnen 30 Tagen“. Die Vorschrift schreibt also ein „Beschleunigungsbemühen“ vor.1 Die Frist von 30 Tagen stellt nur eine Obergrenze dar. Allerdings ist auch ein EZB, der nach dieser Frist ergeht, zulässig und wirksam.2 Die EG-MahnVO sieht für den Fall, dass die Frist von 30 Tagen überschritten wird, keinen Rechtsbehelf des Antragstellers vor; sie schließt Rechtsbehelfe nach dem nationalen Recht aber andererseits auch nicht aus. Ob ein Rechtsbehelf gewährt wird, richtet sich daher nach dem nationalen Verfahrensrecht des mit dem Antrag befassten Gerichts (Art. 26 EG-MahnVO); in Deutschland dürfte in Analogie zu § 691 Abs. 3 ZPO, der im Falle der Zurückweisung des Antrags eine Unanfechtbarkeit der Zurückweisungsentscheidung vorsieht, kein förmlicher Rechtsbehelf gegeben sein. 1 Nach dem Bericht der Kommission zur EG-MahnVO wird die Obergrenze von 30 Tagen in den meisten Mitgliedstaaten nicht eingehalten. Siehe Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (COM(2015) 495 final, dort unter Punkt 3.4): „Unter den Mitgliedstaaten, die Daten hierzu übermittelt haben, erlassen die Gerichte Zahlungsbefehle fristgerecht in Malta (1 Woche), in Belgien und Irland (2 Wochen), in Deutschland (2 bis 3 Wochen) sowie in Bulgarien und Litauen (30 Tage). Die Gerichte entscheiden binnen 1 bis 2 Monaten in Griechenland und Luxemburg sowie binnen 2 Monaten in Frankreich und Finnland; in Österreich, der Tschechischen Republik, Zypern, Estland, Polen, den Niederlanden, Portugal, Schweden Slowenien dauert es bis zu 4 Monate, in Ungarn bis zu 6 Monate, in Spanien 8 Monate und in der Slowakei bis zu 9 Monate.“ 2 Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 2; Rauscher/Rauscher, EuZPR2 (2006), Einf. EGMahnVO Rz. 23; Mayr, JBl 2008, 503. 512.
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Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls
II. Inhalt des EZB (Abs. 2–4) 1. Allgemeines 2
Der EZB wird unter Verwendung des Formblatts E gem. Anhang V der EG-MahnVO zusammen mit einer Abschrift des Antragsformulars ausgestellt. Er enthält nicht die vom Antragsteller in den Anlagen 1 und 2 des Formblatts A gemachten Angaben, also – aus Datenschutzgründen3 – weder die Angabe der Bankverbindung für die Zahlung der Gerichtsgebühren durch den Antragsteller noch die Erklärung zur Ablehnung der Überleitung in ein EuBagatellVerf bzw. ein ordentliches Verfahren. Soweit das Mahngericht dem Antragsgegner mitteilte, dass der Antragsteller die Überleitung in ein EuBagatellVerf und ein ordentliches Verfahren abgelehnt hat, würde der Antragsgegner mit einiger Wahrscheinlichkeit – da er für diesen Fall ein EuBagatellVerf bzw. ein ordentliches Verfahren nicht mehr zu befürchten hätte – Einspruch einlegen. Das Mahnverfahren verlöre in diesem Fall seinen praktischen Nutzen.4 Ferner enthält das Formblatt die in Abs. 3 und Abs. 4 vorgeschriebenen Hinweise. 2. Sprache a) Sprache des Ursprungsmitgliedsstaats
3
Zuständig für den Erlass des EZB sind gem. Art. 6 Abs. 1 EG-MahnVO die nach dem europäischen Unionsrecht, insb. der Brüssel Ia-VO, zuständigen Gerichte. Hiernach besteht häufig, wenn auch angesichts der besonderen Zuständigkeiten nach der Brüssel Ia-VO keineswegs zwangsläufig, eine Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz bzw. Sitz des Antragsgegners. Ferner besteht gem. Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO eine (zwingende) internationale Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Antragsgegners dann, wenn es sich bei diesem um einen Verbraucher handelt und gegen ihn eine Forderung aus einem Verbrauchervertrag geltend gemacht wird.
4
Hat der Antragsgegner seinen Wohnsitz bzw. Sitz im Ursprungsmitgliedstaat, wird er den EZB und die ihm nach Art. 12 Abs. 2 EG-MahnVO zuzustellende Abschrift des Antragsformulars, die in einer nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zulässigen Sprachen verfasst sind, regelmäßig ohne weiteres verstehen bzw. sich jedenfalls in zumutbarer Weise Kenntnis von ihrem Inhalt verschaffen können. Schwierigkeiten können aber insb. dann entstehen, wenn sich die Zuständigkeit für den Erlass des EZB aus Art. 6 Abs. 1 EG-MahnVO i.V.m. den besonderen Zuständigkeiten nach der Brüssel IaVO ergibt. Hier wird es häufig so sein, dass der Antragsgegner der Sprache, in der der EZB und die Abschrift des Antragsformulars verfasst ist, nicht mächtig ist.
5
Weder im Verordnungstext noch in den Erwägungsgründen findet sich ein Hinweis darauf, dass der EZB und die Abschrift des Antragsformulars in diesem Fall vor der Zustellung zu übersetzen sind. Vielmehr besagt Abs. 2, dass der EZB zusammen mit einer Abschrift des Antragsformulars ausgestellt wird. Wäre der Verordnungsgeber davon ausgegangen, dass EZB und die Abschrift des Antragsformulars in eine dem Antragsgegner verständliche Sprache zu übersetzen sind, wäre dies im Verordnungstext oder jedenfalls in den Erwägungsgründen angesprochen worden. Dementsprechend ist der EuGH in der Rs. Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s. r. o. ohne weiteres davon ausgegangen, dass auch ein EZB zuzustellen ist, der in einer dem Antragsgegner nicht verständlichen Sprache abgefasst ist.5
6
Auch aus Art. 21 Abs. 2 lit. b EG-MahnVO lässt sich eine Pflicht zur Übersetzung des EZB und der Abschrift des Antragsformulars nicht ableiten. Nach dieser Vorschrift legt der Antragsteller den zuständigen Behörden im Vollstreckungsmitgliedstaat eine ggf. erforderliche Übersetzung des EZB in die Amtssprache des Vollstreckungsmitgliedstaats vor. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf das Vollstreckungsverfahren, nicht auf die vorhergehende Zustellung des EZB und der Abschrift des Antragsformulars an den Antragsgegner. Damit ergibt sich aus Art. 21 Abs. 2 lit. b EG-MahnVO eher ein Umkehrschluss dergestalt, dass an anderer Stelle des Verfahrens keine Übersetzung vorgeschrieben ist. 3 Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 310; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 5. 4 Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 5. 5 EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 – Catlin Europe SE vs. O. K. Trans Praha spol. s. r. o., Rz. 30 ff.
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Zwar kann sich der Antragsgegner dann, wenn er den EZB bzw. die Abschrift des Antragsformulars zunächst nicht versteht, ein in seiner Sprache abgefasstes Formular besorgen. Anhand der Codes kann er dann ermessen, welchen Inhalt der ihm zugestellte EZB bzw. die Abschrift des Antragsformulars haben. Regelmäßig dürften Sprachschwierigkeiten also überwindbar sein. Die genannte Lösung gelangt allerdings dort an ihre Grenzen, wo das Antragsformular die Möglichkeit oder die Notwendigkeit eigenständiger Angaben ohne Verwendung von Codes vorsieht. Auch bleibt festzuhalten, dass die in Art. 7 Abs. 3 und 4 EG-MahnVO vorgesehenen Belehrungen ihren Zweck kaum erfüllen können, wenn sie nicht in einer dem Antragsgegner verständlichen Sprache abgefasst sind.
7
Die fehlende Übersetzung des EZB sowie der Abschrift des Antragsformulars können daher dem Antragsgegner erhebliche Probleme bereiten.6 De lege lata ist aber davon auszugehen, dass die EG-MahnVO keine Übersetzung in eine dem Antragsgegner verständliche Sprache vorschreibt.7
8
b) Lösung über das Zustellungsrecht; Art. 20 EG-MahnVO In den meisten Fällen ergibt sich allerdings eine Lösung in den anzuwendenden Vorschriften über die 9 Zustellung.8 Nach ihrem Art. 27 EG-MahnVO lässt die EG-MahnVO die Vorschriften der EG-ZustVO unberührt. Nach Art. 8 EG-ZustVO9 kann der Antragsgegner die Annahme des Schriftstücks verweigern, wenn dieses nicht in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats verfasst ist und auch nicht in einer Sprache des Übermittlungsstaates, die der Antragsgegner versteht. In der Rs. Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. s. r. o. hat der EuGH bestätigt, dass Art. 8 EG-ZustVO im Rahmen der EG-MahnVO ohne Einschränkungen anzuwenden ist.10 Daraus folgt, dass die Einspruchsfrist nach Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO erst zu laufen beginnt, wenn der Antragsgegner über sein Zurückweisungsrecht belehrt worden ist; zuvor darf entsprechend auch der EZB nicht für vollstreckbar erklärt werden.11 Problematisch bleibt allerdings der Fall, in dem der Antragsgegner (fehlerhaft) entgegen Art. 8 EGZustVO nicht über sein Zurückweisungsrecht belehrt worden ist und das Schriftstück (EZB bzw. die Abschrift des Antragsformulars) aus diesem Grund nicht zurückgewiesen hat, aber ungeachtet dessen der EZB nachfolgend für vollstreckbar erklärt worden ist. In diesem Fall muss, da Art. 20 EG-MahnVO nach der Auffassung des EuGH nicht einschlägig ist, ein Rechtsbehelf auf der Ebene des nationalen Rechts vorgesehen werden. In Deutschland dürfte hier de lege lata von einer entsprechenden Anwendung von § 1092a ZPO auszugehen sein (ausf. zu alledem Art. 20 EG-MahnVO Rz. 67 ff.).
10
III. Zustellung des EZB (Abs. 5) 1. Mindestanforderungen nach Art. 13–15 EG-MahnVO Gemäß Abs. 5 ist der EZB dem Antragsgegner gem. den nationalen Rechtsvorschriften zuzustellen. Die Norm sagt selbst nicht, ob es sich hierbei um das nationale Recht des den EZB erlassenden Mitgliedstaats (des „Ursprungsmitgliedstaats“, Art. 5 Nr. 1 EG-MahnVO) oder um das Recht des Mit-
6 Rauscher/Rauscher, EuZPR2 (2006), Einf. EGMahnVO Rz. 27; vgl. auch (zur EG-VollstrTitelVO) Stadler, RIW 2004, 801, 807 f. 7 Ausf. Kormann, S. 196 ff.; Kropholler/von Hein, Rz. 5; auch Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 7; für ein Übersetzungserfordernis in Analogie zu Art. 8 Abs. 1 lit. a EG-ZustVO demgegenüber noch Rauscher/Rauscher, EuZPR2 (2006), Einf. EGMahnVO Rz. 27. 8 Kloiber, ZfRV 2009, 68, 75; Kropholler/von Hein, Rz. 5; Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 13 Rz. 3. 9 Ab dem 1.7.2022 tritt an die Stelle von Art. 8 EG-ZustVO der inhaltlich leicht modifizierte Art. 12 der Neufassung der EG-ZustVO (Verordnung (EU) 2020/1784). 10 EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 – Catlin Europe SE vs. O. K. Trans Praha spol. s. r. o., Rz. 30 ff.; s. zuvor auch die Schlussanträge des Generalanwalts Melchior Wathelet vom 29.5.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:341 – Catlin Europe SE vs. O. K. Trans Praha spol. s. r. o., Rz. 71 ff. mit Bespr. Drehsen, IPRax 2019, 378 ff.; Kreuz, RPfleger 2019, 439 ff. 11 EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 – Catlin Europe SE vs. O. K. Trans Praha spol. s. r. o.
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gliedstaates, in den zugestellt werden soll (Empfangsmitgliedstaat), handelt.12 Größere praktische Bedeutung hat die Frage nicht: Soweit ein in Deutschland erlassener EZB auch in Deutschland zugestellt werden soll, fallen Ursprungs- und Empfangsstaat ohnehin zusammen. Soweit innerhalb der EU zugestellt werden soll, ist die in allen Mitgliedstaaten13 geltende Europäische Zustellungsverordnung (EG-ZustVO)14 anzuwenden. Dass diese von der EG-MahnVO unberührt bleibt, wird in Art. 27 EGMahnVO noch einmal hervorgehoben.15 11a
Art. 7 Abs. 1 Var. 1 EG-ZustVO16 sieht vor, dass sich die Zustellung nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats richtet. Dies gilt jedenfalls im Ergebnis – unabhängig von dem genauen Inhalt des Abs. 5 – auch dann, wenn ein EZB zuzustellen ist.17 Die Vorschrift bezieht sich nur auf das Zustellverfahren im Empfangsmitgliedstaat selbst, also auf die Zustellung von der Empfangsstelle (Art. 2 Abs. 2 EG-ZustVO)18 an den Empfänger. Alternativ hat die Zustellung nach Art. 7 Abs. 1 Var. 2 EGZustVO in einem von der Übermittlungsstelle gewünschten besonderen Verfahren zu erfolgen, sofern dieses Verfahren mit dem Recht des Empfangsmitgliedstaats vereinbar ist. Damit kann dann praktisch doch das Recht des Ursprungsmitgliedstaats für die Zustellung zur Anwendung kommen.
11b
Im Lichte des Art. 7 EG-ZustVO ist es nachvollziehbar – und sogar zutreffend –, dass sich Abs. 5 nicht auf das Recht eines bestimmten Mitgliedstaates (des Ursprungsmitgliedstaats bzw. des Empfangsmitgliedstaats) festlegt; maßgeblich ist letztlich die (differenzierte) Lösung des Art. 7 EG-ZustVO.
11c
Die EG-MahnVO sieht hierzu eine ergänzende Regelung vor. Die Zustellung hat in einer Weise zu geschehen, die den Art. 13, 14 und 15 EG-MahnVO genügt. Art. 13–15 EG-MahnVO stellen ihrerseits kein unmittelbar geltendes Zustellungsrecht dar, sondern statuieren lediglich Mindeststandards.19
12
Das deutsche Recht sieht vor, dass der EZB dann, wenn er im Inland zuzustellen ist, nach den Vorschriften über das Verfahren bei Zustellungen von Amts wegen zuzustellen ist (§ 1089 Abs. 1 S. 1 ZPO). Die Anwendung der §§ 185 bis 188 ZPO (öffentliche Zustellung) wird aber ausgeschlossen (§ 1089 Abs. 1 S. 2 ZPO). Hierdurch wird dem Mindesterfordernis des Art. 14 Abs. 2 EG-MahnVO Rechnung getragen.20 Soweit der EZB in einem anderen Mitgliedstaat zuzustellen ist, gelten gem. § 1089 Abs. 2 ZPO die Vorschriften der EG-ZustVO21 sowie die § 1068 Abs. 1 und § 1069 Abs. 1 ZPO entsprechend. Ist in einen Drittstaat zuzustellen, gilt § 183 ZPO.22 § 183 Abs. 1 S. 1 ZPO verweist darauf, dass völkerrechtliche Vereinbarungen vorrangig anzuwenden sind. Dies gilt in erster Linie für das Haager Zustellungsübereinkommen 1965 (HZÜ) und das Ausführungsgesetz hierzu.23
12 13 14 15
16 17 18 19 20 21 22 23
Dazu näher Kropholler/von Hein, Rz. 12. Ausgenommen Dänemark, vgl. Art. 3 Abs. 3 EG-ZustVO. Ab dem 1.7.2022 ist eine Neufassung der EG-ZuStVO anzuwenden (Verordnung (EU) 2020/1784). Art. 27 EG-MahnVO verweist noch auf die EG-ZustVO 2000. Diese ist durch die EG-ZustVO 2007 ersetzt worden. Art. 27 EG-MahnVO ist nunmehr als Bezugnahme auf die EG-ZustVO 2007 zu verstehen (s. Art. 25 EG-ZustVO 2007 sowie EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 – Catlin Europe SE vs. O. K. Trans Praha spol. s. r. o., Rz. 39). Entspricht Art. 11 Abs. 1 der ab dem 1.7.2022 anwendbaren Neufassung der EG-ZuStVO (Verordnung (EU) 2020/1784). Kropholler/von Hein, Rz. 12. Entspricht Art. 3 Abs. 2 der ab dem 1.7.2022 anwendbaren Neufassung der EG-ZuStVO (Verordnung (EU) 2020/1784). Leible/Freitag, § 3 Rz. 244; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 308; Musielak/Voit/Voit, Rz. 22; Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung S. 192 f.; rechtspolitische Kritik hieran bei Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 726. RegE, BT-Drucks. 16/8839, 23. Hierbei handelt es sich aufgrund des vorrangigen Art. 27 EG-MahnVO nur um eine deklaratorische Regelung. Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2752. BGBl. I 1977, 3105.
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2. Folgen ordnungsgemäßer Zustellung Die EG-MahnVO regelt – abweichend vom Verordnungsentwurf 24 – nicht, ob durch das Mahnverfahren die Folgen der Rechtshängigkeit eintreten. Ferner wird nicht geregelt, ob durch den Mahnbescheid Verjährungsfristen u.Ä. unterbrochen oder gehemmt werden.25
13
Die Frage, ob mit der Zustellung des EZB Rechtshängigkeit eintritt, ist somit gem. Art. 26 EG- 14 MahnVO dem nationalen Prozessrecht zu entnehmen. Das deutsche Recht enthält in § 1090 Abs. 3 ZPO eine Vorverlegung des Rechtshängigkeitszeitpunkts. Nach dieser Vorschrift gilt die Streitsache als mit Zustellung des EZB rechtshängig geworden, wenn sie nach Übersendung der Aufforderung nach § 1090 Abs. 1 S. 1 ZPO und unter Berücksichtigung der Frist nach § 1090 Abs. 1 Satz 2 ZPO alsbald abgegeben wird. § 1090 Abs. 3 ZPO strebt damit eine weitgehende Gleichbehandlung des europäischen und des nationalen Mahnbescheids an und sieht deshalb eine § 696 Abs. 3 ZPO nachgebildete Regelung vor.26 Wird die Streitsache nicht alsbald abgegeben, ist – wie beim nationalen Mahnverfahren – Rechtshängigkeit mit Eingang der Akten beim Empfangsgericht anzunehmen.27 Im Falle der Zuständigkeit des ArbG gilt gem. § 46b Abs. 3 S. 1 ArbGG die Regelung des § 46a Abs. 5 ArbGG entsprechend. Die Streitsache gilt als mit Zustellung des EZB rechtshängig geworden, wenn alsbald nach Erhebung des Widerspruchs ein Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt wird. Ob ein (europäischer) Mahnbescheid materiell-rechtliche Wirkungen hat – also z.B. die Verjäh- 15 rungsfrist hemmt oder Verzugszinsen auslöst – richtet sich nach dem auf den Anspruch anwendbaren materiellen Recht (lex causae).28 Im deutschen Recht sieht § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB vor, dass die Verjährung durch die Zustellung des EZB gehemmt wird. Ist auf die Forderung deutsches Recht anwendbar, und wird der beim deutschen Mahngericht eingereichte EZB „demnächst“ zugestellt, tritt Hemmung der Verjährung gem. § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags bei Gericht ein.29 Wird der Antrag auf Erlass des EZB in einer nur maschinell lesbaren Form bei Gericht eingereicht, gilt für den Zeitpunkt des Eingangs § 1088 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 130a Abs. 3 ZPO. Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass auf die Forderung deutsches Recht anwendbar ist, aber entsprechende Verfahrenshandlungen bei einem Mahngericht in einem anderen Mitgliedstaat vorgenommen werden. Ob die Verfahrenshandlungen, die vor dem Gericht des anderen Mitgliedstaats vorgenommen werden, ebenfalls eine Verjährungshemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB zur Folge haben, ist eine im Wege der sog. Substitution zu lösende Frage.30 Unterliegt der Vertrag, der die geltend gemachte Forderung begründet, demgegenüber einem ausländischen Recht, entscheidet das ausländische Recht (nicht das deutsche) über die materiell-rechtlichen Wirkungen des Mahnbescheids und damit über die Verjährungshemmung. Das ausländische Recht entscheidet dann auch darüber, welche Verfahrenshandlungen, die in Deutschland vorgenommen werden, eine Hemmung der Verjährung o.Ä. zur Folge haben können.
16
3. Folgen fehlerhafter Zustellung a) Verstoß gegen die Mindestanforderungen der Art. 13–15 EG-MahnVO Die EG-MahnVO enthält keine Regelung der Frage, welche Folgen eine mit den Art. 13–15 unvereinbare Zustellung hat. Nach Art. 18 Abs. 1 S. 1 EG-MahnVO erklärt das Gericht des Ursprungsmit24 In Art. 6 Abs. 5 VO-Vorschlag hieß es: „Zum Zweck der Unterbrechung der Verjährungsfrist wird die europäische Zahlungsaufforderung einem Prozesseröffnungsbeschluss gleichgestellt.“ Krit. zu diesem Vorschlag – wenngleich grundsätzlich eine europäisch-einheitliche Regelung befürwortend – Kodek, FS Rechberger (2005) 283, 296 f. 25 Krit. Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1109; Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 242 f. 26 RegE, BT-Drucks. 16/8839, 24 li. Sp. 27 Siehe (für das nationale Mahnverfahren) die Grundsatzentscheidung BGH NJW 2009, 1213, 1214 f. (mit zahlreichen Nachw. zu abw. Lösungsansätzen); Schüler in MünchKomm/ZPO, § 696 ZPO Rz. 21 ff.; Musielak/Voit/ Voit, § 696 ZPO Rz. 4. 28 Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1109; Vollkommer/Huber, NJW 2009, 1105, 1106. 29 RegE, BT-Drucks. 16/8839, 32 re. Sp.; zur Anwendbarkeit von § 167 ZPO s. auch die Stellungnahme des Bundesrats BT-Drucks. 16/8839, 37 sowie die Gegenäußerung der Bundesregierung auf S. 39. 30 Vgl. hierzu näher BeckOGK/Weller, Art. 12 Rom I-VO Rz. 40.1.
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gliedstaats den EZB nach Ablauf der Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO unter Berücksichtigung eines angemessenen Zeitraums für die Übermittlung für vollstreckbar. Das Ursprungsgericht überprüft hierbei das Zustellungsdatum des EZB. 18
Folgt man dem Wortlaut von Art. 18 Abs. 1 S. 2 EG-MahnVO, so scheint sich die Prüfung auf den Ablauf der Frist zu beschränken, nicht aber die Einhaltung der Art. 13–15 EG-MahnVO. Indes läuft die Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO nach der zutreffenden Auffassung des EuGH in der Rs. eco cosmetics erst ab einer Zustellung, die mit den Art. 13 bis 15 EG-MahnVO in Einklang steht (s. Art. 16 EG-MahnVO Rz. 8).31 Dementsprechend darf das Mahngericht den EZB nur dann für vollstreckbar erklären, wenn es sich davon überzeugt hat, dass die Zustellung nach Maßgabe der Art. 13 bis 15 EG-MahnVO erfolgt ist. Das Mahngericht hat damit, bevor es den EZB für vollstreckbar erklärt, die Einhaltung der Art. 13 bis15 EG-MahnVO zu prüfen. Stellt es einen Verstoß gegen die Art. 13–15 EG-MahnVO fest, ist der EZB erneut unter Beachtung der Art. 13–15 EG-MahnVO zuzustellen.32
19
Nicht in der EG-MahnVO geregelt ist die Frage, welche Rechtsbehelfe der Antragsgegner hat, wenn der EZB ungeachtet eines Verstoßes gegen die Art. 13–15 EG-MahnVO für vollstreckbar erklärt wird. Der EuGH ist der Auffassung, dass die Vollstreckbarerklärung in diesen Fällen „ungültig“ sei, aber EG-MahnVO darüber hinaus keine einschlägige Regelung eines Rechtsbehelfs enthalte. Damit seien gem. Art. 26 EG-MahnVO die nationalen Gesetzgeber dazu verpflichtet sei, einen Rechtsbehelf vorzusehen und die damit zusammenhängenden verfahrensrechtlichen Fragen zu regeln.33 In der Folge hat der deutsche Gesetzgeber in § 1092a ZPO einen eigenständigen (nationalen) Rechtsbehelf geschaffen (Art. 20 EG-MahnVO Rz. 64 ff.).
20
Hiervon wiederum zu trennen ist schließlich die Frage, ob der unter Verstoß gegen die Art. 13–15 EG-MahnVO zugestellte EZB im Falle eines Einspruchs des Antragsgegners Grundlage für die Einleitung eines ordentlichen Rechtsstreits gem. Art. 17 EG-MahnVO sein kann. Dies ist zu bejahen, da die EG-MahnVO eine Vereinfachung und Rationalisierung anstrebt und kein sachlicher Grund dafür besteht, den Antragsteller in diesem Fall auf eine (erneute) Beantragung eines EZB oder die Einreichung einer Klage zu verweisen.34 b) Verstoß gegen sonstige nationale Zustellungsregeln
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Die EG-MahnVO enthält keine Regelung der Frage, welche Folgen ein Verstoß gegen sonstige nationale Zustellungsvorschriften hat, die nicht zugleich zu einem Verstoß gegen die Mindestanforderungen der Art. 13–15 EG-MahnVO führen. In der Rs. eco cosmetics hatte das AG Wedding allgemein nach den Rechtsbehelfen des Antragsgegners für den Fall gefragt, dass dem Antragsgegner der EZB „nicht oder nicht wirksam zugestellt“ worden ist.35 Die Vorlagefrage des AG Wedding war also nicht (notwendig) auf eine Zustellung beschränkt, die den Mindestanforderungen der Art. 13–15 EGMahnVO nicht genügte, sondern erfasste potentiell auch andere Zustellungsfehler, also insbesondere Fehler, die sich auf einen Verstoß gegen (nur) das jeweils einschlägige nationale Zustellungsrecht beschränken. Der EuGH hat sich in seiner Antwort allerdings nur auf die Fälle bezogen, in denen der EZB „nicht in einer Weise zugestellt wurde, die den Mindestvorschriften der Art. 13 bis 15 EG-MahnVO der Verordnung genügt“.36 Dies könnte man in dem Sinne deuten, dass der EuGH von vornherein nur die Mindesterfordernisse der Art. 13–15 EG-MahnVO, nicht aber die Einhaltung sonstiger 31 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 43. 32 Rauscher/Rauscher, EuZPR2 (2006), Einf. EGMahnVO Rz. 25; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 14; Kormann, S. 134; Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2752. 33 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 41 ff. 34 Kormann, S. 135; Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 13 Rz. 4; Leible/Freitag, § 3 Rz. 244; Leible/Freitag, BB 2008, 2750, 2752 f. 35 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 30. 36 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 30.
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(nationaler) Vorschriften im Rahmen der Vollstreckbarerklärung für relevant hält; denn tatsächlich bestand kein zwingender Grund dafür, die weiter gefasste Vorlagefrage des AG Wedding (nur) auf einen Verstoß gegen die Art. 13–15 EG-MahnVO zu beziehen. Die Entscheidung in der Rs. eco cosmetics lässt sich also durchaus in dem Sinn verstehen, dass der EuGH Verstöße gegen nationale Zustellungsregeln, die nicht zugleich zu einem Verstoß gegen die Art. 13–15 EG-MahnVO führen, für unbeachtlich hält.37 Endgültige Klarheit bringt die Entscheidung aber an dieser Stelle nicht; es ist auch denkbar, dass der EuGH diesen Aspekt nicht gesehen oder im Zusammenhang mit der Vorlagefrage nicht für entscheidungsrelevant gehalten hat. Zumindest im Falle einer Auslandszustellung dürften Verstöße gegen nationales Zustellungsrecht, 21a die nicht zugleich zu einer Nichteinhaltung der in Art. 13–15 EG-MahnVO geregelten Mindeststandards führen, dem Lauf der Einspruchsfrist und einer Vollstreckbarerklärung des EZB nicht entgegenstehen. Andernfalls müsste das Gericht im Ursprungsmitgliedstaat umfassend prüfen, ob die Zustellungsvorschriften des Staates, in dem die Zustellung erfolgt ist, eingehalten wurden. Dies ist aber kaum leistbar und würde der angestrebten Effizienz des Verfahrens entgegenstehen.38 Es dürfte insoweit von einer abschließenden Regelung der EG-MahnVO auszugehen sein, die für eine abweichende nationale Gesetzgebung keinen Raum lässt. Dies lässt sich auch mit einem vergleichenden Blick auf die Situation in der Brüssel Ia-VO begründen: Nach der Brüssel Ia-VO ist ein Urteil eines anderen Mitgliedstaats, soweit nicht weitere Umstände hinzutreten, durchaus auch dann anzuerkennen, wenn die Zustellung fehlerhaft war; die Fehlerhaftigkeit einer im Ausland erfolgten Zustellung schließt die Anerkennung und Vollstreckung eines Urteils im Inland also nicht per se aus.39 Dasselbe Grundprinzip sollte (spiegelbildlich) für die Vollstreckbarerklärung des EZB gelten, wenn die Zustellung im Ausland erfolgt ist. Schwieriger zu beantworten ist die Frage, ob im Falle einer Inlandszustellung die Rechtmäßigkeit 21b der Zustellung nach dem nationalen Verfahrensrecht insgesamt – und nicht nur die Einhaltung der Mindesterfordernisse der Art. 13–15 EG-MahnVO – Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung ist. Dem Ursprungsgericht ist es ohne größeren Aufwand möglich, die Einhaltung des eigenen Zustellungsrechts zu überprüfen. Bei einer teleologischen Auslegung des Abs. 5 spricht daher mehr dafür, dass die Vorschrift den Prüfungsmaßstab in diesem Fall nicht zwingend auf die Einhaltung (nur) der Art. 13–15 EG-MahnVO reduziert, sondern dem nationalen Recht Raum für eine eigenständige Regelung lässt. Die Rechtsfolgen von Verstößen gegen das eigene Zustellungsrecht, die nicht zugleich Verstöße gegen die Art. 13–15 EG-MahnVO darstellen, richten sich daher im Falle der Inlandszustellung nach dem nationalen Recht.40 Die Frage, ob die Rechtmäßigkeit der Inlandszustellung insgesamt – und nicht nur die Einhaltung der Mindesterfordernisse der Art. 13–15 EG-MahnVO – Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung ist, beantwortet allerdings auch das deutsche Recht nicht mit der wünschenswerten Klarheit. § 1092a ZPO trifft hierzu jedenfalls keine eindeutige Aussage. Die Vorschrift bezieht sich ausdrücklich nur auf die Konstellation, dass der EZB gar nicht oder in einer Weise zugestellt worden ist, die nicht den Anforderungen der Artt. 13–15 EG-MahnVO genügt. 37 Auch die Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot konzentrieren sich auf Verstöße gegen die Art. 13 bis 15 (Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot in den verbundenen Rs. C-119/13 bis C-121/13, ECLI:EU:C: 2014:248 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy, Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk und Rechtsanwaltskanzlei CMS Hasche Sigle vs. Xceed Holding Ltd. 38 Abw. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 15 (Art. 27 EG-MahnVO i.V.m. Art. 7 Abs. 1 EG-ZustVO impliziere, dass die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung durch das Ursprungsgericht zu überprüfen sei). Art. 27 EGMahnVO hat allerdings nur klarstellenden Charakter dahingehend, dass die EG-ZustVO anwendbar bleibt; und Art. 7 Abs. 1 EG-ZustVO legt nur das insoweit anwendbare Recht fest. Aussagen über eine Überprüfung der Zustellung durch das Ursprungsgericht lassen sich Art. 27 EG-MahnVO nicht entnehmen. 39 Nach Art. 45 Abs. 1 lit. a–d Brüssel Ia-VO ist einem Urteil erst dann die Anerkennung zu versagen, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Die Möglichkeit der Verteidigung kann nach Lage des Einzelfalls auch bei einer fehlerhaften Zustellung gegeben sein. 40 So im Erg. Kropholler/von Hein, Art. 18 Rz. 4; BeckOK/Wolber, Rz. 16; auch – sowohl für die Inlands- als auch die Auslandszustellung – Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 15.
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21c
Art. 13 EG-MahnVO 21d
Zustellung mit Nachweis des Empfangs durch den Antragsgegner
Man könnte aus § 1092a ZPO den Umkehrschluss ziehen, dass in den Fällen, in denen zwar gegen inländisches Zustellungsrecht verstoßen wurde, aber die Minimalanforderungen der Artt. 13-15 EGMahnVO eingehalten wurden, kein Rechtsbehelf gegeben sein soll; noch weitergehend könnte man das „Schweigen“ des § 1092a ZPO sogar dahingehend interpretieren, dass ein solcher Verstoß nicht einmal im Rahmen der Vollstreckbarerklärung zu berücksichtigen ist. Näher betrachtet lässt sich § 1092a ZPO ein solcher Umkehrschluss aber wohl nicht entnehmen. Ausweislich der Regierungsbegründung ging es bei der Schaffung des § 1092a ZPO allein darum, den vom EuGH in der Rs. eco cosmetics geforderten Rechtsbehelf zu schaffen;41 weitergehende Aussagen für die Konstellationen, die nicht Gegenstand der Entscheidung des EuGH in der Rs. eco cosmetics waren, sollten mit der Vorschrift offenbar nicht getroffen werden. Insgesamt sprechen daher die besseren Argumente dafür, dass Verstöße gegen inländisches Zustellungsrecht dem Lauf der Einspruchsfrist und der Vollstreckbarerklärung auch dann entgegenstehen, wenn sie nicht zugleich zu einem Verstoß gegen die Art. 13-15 EG-MahnVO führen. Zur analogen Anwendbarkeit von § 1092a ZPO in diesem Fall siehe Art. 20 EGMahnVO Rz. 73. Zu Verstößen gegen die Aufklärungspflicht nach Art. 8 EG-ZustVO42 s. oben Rz. 9.
Artikel 13 Zustellung mit Nachweis des Empfangs durch den Antragsgegner Der Europäische Zahlungsbefehl kann nach dem Recht des Staats, in dem die Zustellung erfolgen soll, dem Antragsgegner in einer der folgenden Formen zugestellt werden: a) durch persönliche Zustellung, bei der der Antragsgegner eine Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet, b) durch persönliche Zustellung, bei der die zuständige Person, die die Zustellung vorgenommen hat, ein Dokument unterzeichnet, in dem angegeben ist, dass der Antragsgegner das Schriftstück erhalten hat oder dessen Annahme unberechtigt verweigert hat und an welchem Datum die Zustellung erfolgt ist, c) durch postalische Zustellung, bei der der Antragsgegner die Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet und zurückschickt, d) durch elektronische Zustellung wie beispielsweise per Fax oder E-Mail, bei der der Antragsgegner eine Empfangsbestätigung unter Angabe des Empfangsdatums unterzeichnet und zurückschickt. 1
Art. 13 EG-MahnVO statuiert Mindestanforderungen für den Fall, dass der EZB dem Antragsgegner persönlich, postalisch oder auf elektronischem Wege1 zugestellt wird. Die Vorschrift entspricht inhaltlich vollständig Art. 13 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO. Ein Unterschied besteht allein darin, dass das Merkmal „Schuldner“ im Falle der EG-MahnVO durch das Merkmal „Antragsgegner“ ausgetauscht wurde. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann daher auf die Kommentierung von Art. 13 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO verwiesen werden.
41 RegE, BT-Drucks. 18/10714, S. 20 f. 42 Ab dem 1.7.2022 tritt an die Stelle von Art. 8 EG-ZustVO der inhaltlich leicht modifizierte Art. 12 der Neufassung der EG-ZustVO (Verordnung (EU) 2020/1784). 1 Die elektronische Zustellung hat sich nach dem Bericht der Kommission zur EG-MahnVO in den Mitgliedstaaten noch nicht etabliert. Siehe Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (COM(2015) 495 final, dort Punkt 3.5.
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Entscheidung über einen Europ. Zahlungsbefehls
Art. 14 EG-MahnVO
Artikel 14 Zustellung ohne Nachweis des Empfangs durch den Antragsgegner (1) Der Europäische Zahlungsbefehl kann nach dem Recht des Staats, in dem die Zustellung erfolgen soll, dem Antragsgegner auch in einer der folgenden Formen zugestellt werden: a) persönliche Zustellung unter der Privatanschrift des Antragsgegners an eine in derselben Wohnung wie der Antragsgegner lebende Person oder an eine dort beschäftigte Person; b) wenn der Antragsgegner Selbstständiger oder eine juristische Person ist, persönliche Zustellung in den Geschäftsräumen des Antragsgegners an eine Person, die vom Antragsgegner beschäftigt wird; c) Hinterlegung des Zahlungsbefehls im Briefkasten des Antragsgegners; d) Hinterlegung des Zahlungsbefehls beim Postamt oder bei den zuständigen Behörden mit entsprechender schriftlicher Benachrichtigung im Briefkasten des Antragsgegners, sofern in der schriftlichen Benachrichtigung das Schriftstück eindeutig als gerichtliches Schriftstück bezeichnet oder darauf hingewiesen wird, dass die Zustellung durch die Benachrichtigung als erfolgt gilt und damit Fristen zu laufen beginnen; e) postalisch ohne Nachweis gemäß Absatz 3, wenn der Antragsgegner seine Anschrift im Ursprungsmitgliedstaat hat; f) elektronisch, mit automatisch erstellter Sendebestätigung, sofern sich der Antragsgegner vorab ausdrücklich mit dieser Art der Zustellung einverstanden erklärt hat. (2) Für die Zwecke dieser Verordnung ist eine Zustellung nach Absatz 1 nicht zulässig, wenn die Anschrift des Antragsgegners nicht mit Sicherheit ermittelt werden kann. (3) Die Zustellung nach Absatz 1 Buchstaben a, b, c und d wird bescheinigt durch a) ein von der zuständigen Person, die die Zustellung vorgenommen hat, unterzeichnetes Schriftstück mit den folgenden Angaben: i) die gewählte Form der Zustellung, und ii) das Datum der Zustellung sowie, und iii) falls der Zahlungsbefehl einer anderen Person als dem Antragsgegner zugestellt wurde, der Name dieser Person und die Angabe ihres Verhältnisses zum Antragsgegner, oder b) eine Empfangsbestätigung der Person, der der Zahlungsbefehl zugestellt wurde, für die Zwecke von Absatz 1 Buchstaben a und b. Art. 14 EG-MahnVO statuiert Mindestanforderungen für den Fall, dass der EZB ohne Nachweis des Empfangs durch den Antragsgegner zugestellt wird. Die Vorschrift entspricht Art. 14 EG-VollstrTitelVO. Es wird auf die dortige Kommentierung verwiesen.
1
Im deutschen Recht ist dem Mindesterfordernis des Art. 14 Abs. 2 EG-MahnVO durch § 1089 Abs. 1 S. 2 ZPO Rechnung getragen worden. Hiernach ist bei einer Zustellung in Deutschland die Anwendung der §§ 185 bis 188 ZPO (öffentliche Zustellung) ausgeschlossen.1
2
1 RegE, BT-Drucks. 16/8839, 23.
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Art. 15 EG-MahnVO
Zustellung an einen Vertreter
Artikel 15 Zustellung an einen Vertreter Die Zustellung nach den Artikeln 13 oder 14 kann auch an den Vertreter des Antragsgegners bewirkt werden. 1
Die Vorschrift entspricht Art. 15 EG-VollstrTitelVO. Der Begriff des Vertreters ist u.a. in ErwGr. 22 EG-MahnVO umschrieben. Hiernach soll Art. 15 EG-MahnVO auf Situationen Anwendung finden, in denen der Antragsgegner sich nicht selbst vor Gericht vertreten kann, etwa weil er eine juristische Person ist, und in denen er durch einen gesetzlichen Vertreter vertreten wird, sowie auf Situationen, in denen der Antragsgegner eine andere Person, insbesondere einen Rechtsanwalt, ermächtigt hat, ihn in dem betreffenden gerichtlichen Verfahren zu vertreten. Für weitere Einzelheiten wird auf die Kommentierung von Art. 15 EG-VollstrTitelVO verwiesen.
Artikel 16 Einspruch gegen den Europäischen Zahlungsbefehl (1) Der Antragsgegner kann beim Ursprungsgericht Einspruch gegen den Europäischen Zahlungsbefehl unter Verwendung des Formblatts F gemäß Anhang VI einlegen, das dem Antragsgegner zusammen mit dem Europäischen Zahlungsbefehl zugestellt wird. (2) Der Einspruch muss innerhalb von 30 Tagen ab dem Tag der Zustellung des Zahlungsbefehls an den Antragsgegner versandt werden. (3) Der Antragsgegner gibt in dem Einspruch an, dass er die Forderung bestreitet, ohne dass er dafür eine Begründung liefern muss. (4) Der Einspruch ist in Papierform oder durch andere – auch elektronische – Kommunikationsmittel, die im Ursprungsmitgliedstaat zulässig sind und dem Ursprungsgericht zur Verfügung stehen, einzulegen. (5) Der Einspruch ist vom Antragsgegner oder gegebenenfalls von seinem Vertreter zu unterzeichnen. Wird der Einspruch gemäß Absatz 4 auf elektronischem Weg eingelegt, so ist er nach Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 1999/93/EG zu unterzeichnen. Diese Signatur wird im Ursprungsmitgliedstaat anerkannt, ohne dass weitere Bedingungen festgelegt werden können. Eine solche elektronische Signatur ist jedoch nicht erforderlich, wenn und insoweit es bei den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats ein alternatives elektronisches Kommunikationssystem gibt, das einer bestimmten Gruppe von vorab registrierten und authentifizierten Nutzern zur Verfügung steht und die sichere Identifizierung dieser Nutzer ermöglicht. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über derartige Kommunikationssysteme.
I. Form und Inhalt des Einspruchs 1
Der Antragsgegner kann gegen den EZB Einspruch einlegen. Der Einspruch ist gem. Abs. 1 unter Verwendung des Formblatts F einzulegen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift erscheint die Verwendung des Formblatts zwingend. Allerdings heißt es in ErwGr. 23 EG-MahnVO, dass die Gerichte auch einen in anderer Form eingereichten schriftlichen Einspruch berücksichtigen sollten, sofern dieser klar erklärt ist. Nach dem ErwGr. 23 EG-MahnVO wird man davon auszugehen haben, dass die Gerichte, soweit der Einspruch klar erklärt ist, die formwirksame Einlegung eines Einspruchs anzunehmen haben.1 Ein diesbezügliches Ermessen der Gerichte ist – ungeachtet der Formulierung von
1 BeckOK/Wolber, Rz. 2; Zweifel bei Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 733 (nach deren Auffassung die Verordnung aber dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit einer abweichenden Regelung einräumt. Der nationale Gesetzgeber könne dementsprechend eine Regelung vorsehen, nach der die Verwendung des Formblatts F nicht zwingend erforderlich sei).
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Einspruch gegen den Europ. Zahlungsbefehl
Art. 16 EG-MahnVO
ErwGr. 23 EG-MahnVO („sollte“) – im Interesse des Antragsgegners nicht anzunehmen.2 Praktisch empfiehlt sich aber zur Vermeidung jedweden Risikos in jedem Fall die Verwendung des Formblatts F. Nach Abs. 3 muss der Antragsteller in dem Einspruch nur angeben, dass er die Forderung bestreitet. Eine Begründung ist nicht notwendig (wenn auch nicht schädlich) und dementsprechend auch nicht im Formblatt F vorgesehen. Der Einspruch kann in jedem Fall in Papierform eingelegt werden. Daneben kann der Einspruch 2 auch durch andere Kommunikationsmittel eingelegt werden, die im Ursprungsmitgliedstaat zulässig sind und dem Ursprungsgericht zur Verfügung stehen. Nach § 1088 ZPO kann der Einspruch – genau wie der Antrag auf Erlass eines EZB – auch in einer nur maschinell lesbaren Form eingereicht werden, wenn diese dem Gericht für seine maschinelle Bearbeitung geeignet erscheint.3 Die Entscheidung über die Einführung einer derartigen maschinellen Bearbeitung beim AG Wedding liegt gem. § 1088 Abs. 2 ZPO beim Senat des Landes Berlin. Zu den Einzelheiten s. bereits oben Art. 7 EGMahnVO Rz. 23 ff. Art. 16 äußert sich nicht dazu, in welcher Sprache der Einspruch einzulegen ist. Nach einer Auffas- 3 sung ist der Einspruch in der Sprache des Ursprungmitgliedstaates einzulegen.4 Daneben wird vorgeschlagen, dass (ausnahmsweise) auch ein Einspruch in der Sprache des Empfangsmitgliedstaates genügt, wenn der Antragsgegner die Annahme in dieser Sprache verweigert und so eine Zustellung in der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats erzwungen hat (s. Art. 12 EG-MahnVO Rz. 9).5 Nach der hier vertretenen Auffassung dürfte ein Einspruch in der Sprache des Empfangsmitgliedstaats generell ausreichen. Zu berücksichtigen ist, dass das Formblatt F nur die Grundangaben zum EZB und eine Unterschrift enthält. Das Gericht kann also auch dann, wenn ein in einer fremden Sprache abgefasstes Formblatt F verwendet wird, ohne Weiteres feststellen, dass ein Einspruch eingelegt worden ist. Damit ist der Einspruch auch in einem solchen Fall hinreichend klar erklärt; es entspricht folglich der Grundaussage des ErwGr. 23 EG-MahnVO, von einer wirksamen Einspruchseinlegung auszugehen. Nach Abs. 5 S. 1 ist der Einspruch zu unterzeichnen. Abs. 5 S. 2 sieht vor, dass der Einspruch nach 4 Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 1999/93/EG zu unterzeichnen ist, wenn der Einspruch auf elektronischem Weg eingelegt wird.6 Es muss sich also um eine „fortgeschrittene elektronische Signatur“ im Sinne der genannten Vorschrift handeln.7 Eine solche elektronische Signatur ist nach Abs. 5 S. 3 jedoch nicht erforderlich, soweit es bei den Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats ein alternatives elektronisches Kommunikationssystem gibt, das einer bestimmten Gruppe von vorab registrierten und authentifizierten Nutzern zur Verfügung steht und die sichere Identifizierung dieser Nutzer ermöglicht. Ein derartiges System kann gem. § 1088 Abs. 2 ZPO beim AG Wedding wiederum im Verordnungswege eingeführt werden.8 Der Einspruch kann auch durch einen Vertreter eingelegt werden. Weder die EG-MahnVO noch das Formblatt F sehen hierzu vor, dass die Vertretungsmacht nachgewiesen werden muss.9 Die Gebühren für einen rechtsanwaltlichen Vertreter richten sich nach dem Recht der Mitgliedstaaten.10 2 3 4 5 6 7
8 9 10
Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 309; Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1103; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 2. RegE, BT-Drucks. 16/8839, 22 f. Kropholler/von Hein, Rz. 9. BeckOK/Wolber, Rz. 7. Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, ABl. EG 2000 L 13/12. Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 1999/93/EG lautet: „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck … „fortgeschrittene elektronische Signatur“ eine elektronische Signatur, die folgende Anforderungen erfüllt: a) Sie ist ausschließlich dem Unterzeichner zugeordnet; b) sie ermöglicht die Identifizierung des Unterzeichners; c) sie wird mit Mitteln erstellt, die der Unterzeichner unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann; d) sie ist so mit den Daten, auf die sie sich bezieht, verknüpft, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann.“ Vgl. – auf Art. 16 Abs. 4 und 5 EG-MahnVO Bezug nehmend – RegE, BT-Drucks. 16/8839, 22. Kloiber, ZfRV 2009, 68, 75; Musielak/Voit/Voit, Rz. 23. Siehe dazu OLG Nürnberg, MDR 2010, 294 (der Einspruch gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl entspreche dem Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid und lasse daher die volle 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG entstehen).
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Art. 16 EG-MahnVO 6
Einspruch gegen den Europäischen Zahlungsbefehl
Weder Art. 16 EG-MahnVO noch das Formblatt F sehen zudem vor, dass der Einspruch auf einen Teil der Forderung begrenzt werden kann.11 Dementsprechend ist davon auszugehen, dass – ähnlich wie bei der Beantragung des EZB (vgl. Art. 9, 10 EG-MahnVO) – auch hier ein Alles-oder-NichtsPrinzip gilt. Dem Antragsgegner bleibt es aber unbenommen, im sich anschließenden Klageverfahren (Art. 17 EG-MahnVO) einen Teil der Forderung anzuerkennen.12 Soweit der Antragsgegner im Formblatt oder in seinem schriftlich eingelegten Einspruch angibt, dass er sich nur gegen einen Teil der geltend gemachten Forderung wendet, sollte dies einer wirksamen Einlegung des Einspruchs nicht entgegenstehen. Derartige Angaben sind nicht als unzulässige Einschränkungen des Einspruchs, sondern nur als Hinweise auf ein späteres Verhalten im Klageverfahren anzusehen.13
II. Frist 7
Abs. 2 sieht eine Frist von 30 Tagen vor, innerhalb der der Einspruch versandt werden muss. Die Frist beginnt mit der Zustellung des EZB.14 Für die Berechnung dieser Fristen gilt, worauf der ErwGr. 28 EG-MahnVO hinweist, die Verordnung Nr. 1182/71 des Rates vom 3.6.1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine.15 Hiernach ist für die Berechnung der Frist der Tag der Zustellung nicht mitzurechnen.16 Die Frist endet mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.17 Fällt das Fristende auf einen Feiertag, einen Samstag oder Sonntag, so endet die Frist mit Ablauf des folgenden Arbeitstages.18 Von Bedeutung sind (nur) die Feiertage in dem Mitgliedstaat des Gerichts, das den EZB erlassen hat.19 Die Feiertage in dem Staat, in dem die Zustellung an den Antragsgegner erfolgt, werden demgegenüber nicht berücksichtigt. Für die deutsche Praxis ist bedeutsam, dass die 30-Tages-Frist nicht identisch ist mit der in Deutschland in verschiedenen Zusammenhängen üblichen Monatsfrist.
8
Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO spricht nur allgemein von der Zustellung, so dass sich die Frage stellt, ob die Zustellung den Anforderungen der Art. 13–15 EG-MahnVO genügen muss oder ob jedwede 11 Auch eine Teil-Vollstreckbarerklärung ist dementsprechend in der EG-MahnVO nicht vorgesehen. 12 Erkennt der Antragsgegner im nachfolgenden Klageverfahren einen Teil der Forderung an und setzt er sich (erfolgreich) nur gegen einen Teil der geltend gemachten Forderung zur Wehr, kann das Anerkenntnis unbeschadet des Einspruchs noch als „sofortiges Anerkenntnis“ i.S.d. § 93 ZPO zu werten sein. Die Einlegung des Einspruchs gegen den Gesamt-EZB steht dem nicht entgegen, da der Antragsgegner, will er nicht die Verteidigungsmittel gegen den bestrittenen Teil der Forderung verlieren, zur Einlegung dieses Einspruchs gegen den Gesamt-EZB gezwungen ist (wie hier Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 5). 13 Siehe Geimer/Schütze/Kodek, Art. 17 Rz. 2; Kormann, S. 147. 14 Fraglich ist, ob auch ein Einspruch, der bereits vor Zustellung des EZB versendet wird, wirksam ist. Dies dürfte für den Fall zu bejahen sein, dass der EZB bereits erlassen worden ist (vgl. noch Ulrici in MünchKomm/ ZPO, Rz. 2). 15 Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3.6.1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine, ABl. EG 1971 L 124/1. 16 Siehe Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG/Euratom) Nr. 1182/71: „Ist für den Anfang einer nach Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bemessenen Frist der Zeitpunkt maßgebend, in welchem ein Ereignis eintritt oder eine Handlung vorgenommen wird, so wird bei der Berechnung dieser Frist der Tag nicht mitgerechnet, in den das Ereignis oder die Handlung fällt.“ Dies wird durch die Hinweise für den Antragsgegner bestätigt. Dort heißt es unter lit. b: „Die Frist von 30 Tagen beginnt ab dem auf die Zustellung des Zahlungsbefehls folgenden Tag.“ 17 Art. 3 Abs. 2 lit. b der Verordnung (EWG/Euratom) Nr. 1182/71. 18 Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG/Euratom) Nr. 1182/71. Siehe auch unter lit. b der Hinweise für den Antragsgegner. 19 Siehe ErwGr. 28 EG-MahnVO sowie Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG/Euratom) Nr. 1182/71: „Für die Anwendung dieser Verordnung sind die Feiertage zu berücksichtigen, die als solche in dem Mitgliedstaat oder in dem Organ der Gemeinschaften vorgesehen sind, bei dem eine Handlung vorgenommen werden soll.“ Siehe ferner lit. b der Hinweise an den Antragsgegner: „Es werden die Feiertage desjenigen Gerichts zugrunde gelegt, in dem das Gericht seinen Sitz hat.“ Nach Art. 2 Abs. 1 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG/Euratom) Nr. 1182/71 übermittelt jeder Mitgliedstaat der Kommission die Liste der Tage, die nach seinen Rechtsvorschriften als Feiertage vorgesehen sind. Die Kommission veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften die von den Mitgliedstaaten übermittelten Listen, die durch Angabe der in den Organen der Gemeinschaften als Feiertage vorgesehenen Tage ergänzt worden sind.
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Einspruch gegen den Europ. Zahlungsbefehl
Art. 16 EG-MahnVO
(wenn auch fehlerhafte) Zustellung genügt. Nach der Auffassung des EuGH beginnt die Einspruchsfrist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO erst zu laufen, wenn die Zustellung den Mindestanforderungen der Art. 13–15 EG-MahnVO genügt.20 Dem ist zuzustimmen, da anderenfalls – bei der einstufigen Ausgestaltung des Verfahrens – dem Antragsgegner u.U. das rechtliche Gehör verweigert würde.21 Entspricht die Zustellung den Anforderungen der Art. 13–15 EG-MahnVO nicht, darf das Gericht den EZB folglich nicht gem. Art. 18 Abs. 1 EG-MahnVO für vollstreckbar erklären.22 Tut das Gericht dies dennoch, muss dem Antragsgegner ein effektiver Rechtsbehelf zur Verfügung stehen, um die Vollstreckung aus dem EZB abwenden zu können. Nach der Auffassung des EuGH ist Art. 20 EGMahnVO insoweit nicht anwendbar. Es ist daher Aufgabe der nationalen Gesetzgeber, einen Rechtsbehelf auf der Ebene des nationalen Rechts zu schaffen; in Deutschland ist daraufhin mit § 1092a ZPO ein neuer Rechtsbehelf eingeführt worden (s. Art. 20 EG-MahnVO Rz. 64 ff.). Die Einspruchsfrist beginnt nach dem EuGH auch dann nicht zu laufen, wenn im Rahmen der Zu- 8a stellung gegen Art. 8 EG-ZustVO23 verstoßen worden ist.24 Nach Art. 8 EG-ZustVO ist der Antragsgegner davon in Kenntnis zu setzen, dass er die Annahme des EZB (und der gem. Art. 12 Abs. 2 EGMahnVO mit dem EZB zuzustellenden Abschrift des Antragsformulars)25 verweigern oder den EZB der Empfangsstelle binnen einer Woche zurücksenden darf, wenn das Schriftstück (EZB und/oder Antragsformular) nicht in einer der Sprachen abgefasst ist, die der Antragsteller versteht oder die die Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats ist (s. Art. 12 EG-MahnVO Rz. 9). Ist also nicht nach Art. 8 EG-ZuStVO belehrt worden, so darf der EZB – da die Einspruchsfrist nicht begonnen hat zu laufen – nicht für vollstreckbar erklärt werden.26 Allerdings kann die Belehrung nach Art. 8 EG-ZustVO nachgeholt werden; die Einspruchsfrist beginnt dann mit der Nachholung der Belehrung zu laufen.27 Soweit demgegenüber der EZB für vollstreckbar erklärt wird, obwohl keine Belehrung erfolgt bzw. jedenfalls nachgeholt worden ist, muss dem Antragsgegner ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen. Auch hier kann Art. 20 EG-MahnVO nach dem EuGH nicht (analog) angewendet werden. Dementsprechend haben die Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Recht einen geeigneten Rechtsbehelf vorzusehen. De lege lata dürfte in Deutschland § 1092a ZPO analog anzuwenden sein (näher zu alledem Art. 20 EG-MahnVO Rz. 67 ff.). Unklar ist, ob andere Zustellungsfehler, die nicht zu einem Verstoß gegen die Mindestanforderungen der Art. 13–15 EG-MahnVO führen bzw. in einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach Art. 8 EG-ZustVO bestehen, dem Lauf der Einspruchsfrist und der daran anschließenden Vollstreckbarerklärung entgegenstehen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist im Rahmen der EG-MahnVO im Falle der Auslandszustellung nicht nachzuprüfen, ob die Vorschriften des ausländischen nationalen Zustellungsrechts eingehalten worden sind. Im Falle der Inlandszustellung kann der Verstoß gegen inländische Vorschriften über die Zustellung allerdings wohl dem Lauf der Einspruchsfrist und damit der Vollstreckbarerklärung entgegenstehen (s. näher Art. 12 EG-MahnVO Rz. 21 ff.).
8b
Liegt eine den Anforderungen genügende Zustellung vor, muss der Antragsteller innerhalb der 30-Tage-Frist den Einspruch versenden. Die Frist ist bereits gewahrt, wenn das Versenden noch innerhalb der 30 Tage erfolgt. Ein Versenden liegt vor, wenn der Antragsgegner den Einspruch aus seinem Herr-
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20 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 43. 21 Siehe Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot in den verbundenen Rs. C-119/13 und C-120/13, ECLI:EU: C:2014:248 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 43 (Hinweis auf Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union). 22 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 48. 23 Ab dem 1.7.2022 tritt an die Stelle von Art. 8 EG-ZustVO der inhaltlich leicht modifizierte Art. 12 der Neufassung der EG-ZustVO (Verordnung (EU) 2020/1784). 24 EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 – Catlin Europe SE vs. O. K. Trans Praha spol. s. r. o. 25 Näher Drehsen, IPRax 2019, 378, 379 f. 26 Ist allerdings ordnungsgemäß belehrt worden und macht der Empfänger nicht von seinem Annahmeverweigerungsrecht Gebrauch, so beginnt der Lauf der Einspruchsfrist bereits mit dem Tag der Zustellung und nicht erst mit dem Tag, an dem die Frist zur Rücksendung des Schriftstücks nach Art. 8 Abs. 1 EG-ZustVO abläuft (eingehend Drehsen, IPRax 2019, 378, 384). 27 EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 – Catlin Europe SE vs. O. K. Trans Praha spol. s. r. o.
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Art. 16 EG-MahnVO
Einspruch gegen den Europäischen Zahlungsbefehl
schaftsbereich gibt, also etwa in den Briefkasten wirft.28 Auf einen (ggf. späteren) Poststempel kommt es nicht an. Dieser ist nur ein Indiz für den Zeitpunkt des Versendens.29 10
Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass der Einspruch auch innerhalb der 30-Tage-Frist beim Gericht eingeht.30 Es wird auch nicht verlangt, dass der Einspruch üblicherweise – bei einer Beurteilung ex ante – voraussichtlich innerhalb der 30-Tage-Frist eingehen müsste. Der Antragsgegner kann also die 30-Tage-Frist voll ausschöpfen. Man wird allerdings einschränkend verlangen müssen, dass der Antragsgegner den Einspruch in einer Weise versendet, die innerhalb einer nach den Umständen angemessenen Frist (s. Art. 18 Abs. 1 EG-MahnVO) zu einem Eingang bei Gericht führen kann. Die Frist ist m.a.W. nicht gewahrt, wenn der Antragsgegner den Einspruch nicht (ausreichend) frankiert oder an eine falsche Stelle versendet oder eine ungeeignete Übersendungsart wählt. In diesen Fällen kann der Antragsgegner allenfalls noch nach Art. 20 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO gegen den für vollstreckbar erklärten EZB vorgehen; die Voraussetzungen der Vorschrift werden aber regelmäßig nicht erfüllt sein (vgl. Art. 20 EG-MahnVO Rz. 28 ff.).
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Umgekehrt kann ein Versäumen der 30-Tage-Frist nicht dadurch kompensiert werden, dass der Antragsgegner eine besonders rasche Übermittlungsart wählt. Legt der Antragsgegner also den Einspruch erst nach Ablauf der 30-Tage-Frist ein, und erreicht der Einspruch – aufgrund besonders schneller Beförderung – das Gericht noch zu einem Zeitpunkt, zu dem die 30-Tage-Frist zzgl. der „angemessenen Zeit für die Übermittlung“ des Einspruchs (Art. 18 Abs. 1 S. 1 EG-MahnVO) noch nicht abgelaufen ist, ist der Einspruch verspätet. Er ist dann für vollstreckbar zu erklären (s. unten Art. 18 EG-MahnVO Rz. 5).
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Bei einer isolierten Betrachtung des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO könnte man zu dem Schluss gelangen, dass der Antragsgegner dann, wenn er den Einspruch innerhalb der 30-Tage-Frist versendet hat, die Vollstreckbarerklärung des EZB nicht mehr zu fürchten braucht. Allerdings ist der EZB nach Art. 18 Abs. 1 EG-MahnVO für vollstreckbar zu erklären, wenn innerhalb der Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO unter Berücksichtigung eines angemessenen Zeitraums für die Übermittlung kein Einspruch beim Ursprungsgericht eingelegt wird. Geht der Einspruch also etwa auf dem Postweg verloren – oder verzögert sich die Übermittlung des Einspruchs über das in Art. 18 Abs. 1 S. 1 EGMahnVO vorgesehene „angemessene Maß“ hinaus –, wird der EZB für vollstreckbar erklärt. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsgegner den Einspruch auf ordnungsgemäßem Wege versendet hat. Das Risiko des Verlusts oder der Verzögerung liegt insoweit, ungeachtet der Formulierung des Abs. 2, doch zunächst einmal beim Antragsgegner. Auch insoweit muss dem Antragsgegner ein effektiver Rechtsbehelf zur Verfügung stehen. Da nach dem EuGH Art. 20 EG-MahnVO nicht erweiternd ausgelegt werden kann, verbleibt es auch insoweit bei der Verantwortlichkeit der Gesetzgeber in den Mitgliedstaaten. In Deutschland dürfte de lege lata § 1092a ZPO (analog) anzuwenden sein (s. ausf. Art. 20 EG-MahnVO Rz. 74 ff.).
13
Im Rahmen der nachträglichen Überprüfung des EZB wird es somit auf die Frage ankommen, ob der Antragsgegner den Einspruch gegen den EZB rechtzeitig – und mit geeigneten Mitteln bzw. an die richtige Stelle, s. oben – versendet hat. Während der Zeitpunkt der Zustellung des EZB an den Antragsgegner dem Gericht bekannt ist (vgl. Art. 18 Abs. 1 S. 2 EG-MahnVO), ist der genaue Zeitpunkt der Einspruchsversendung durch den Antragsgegner dem Gericht nicht ohne weiteres ersichtlich. Es liegt sodann beim Antragsgegner, die rechtzeitige Versendung glaubhaft zu machen (vgl. unten Art. 20 EG-MahnVO Rz. 57).31
14
Abs. 2 äußert sich nicht zur Frage, ob über die Überprüfungsmöglichkeit nach Art. 20 EG-MahnVO hinaus gegen die Versäumung der Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfolgen kann. Die Fälle, in denen eine Wiedereinsetzung in Betracht kommt, sind allerdings bereits durch Art. 20 EG-MahnVO abgedeckt. Die Mitgliedstaaten sind deshalb daran gehindert, weitergehende Möglichkeiten einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorzusehen. 28 Vgl. Fucik/Weber, ÖJZ 2008, 829, 832; Schlosser in Schlosser/Hess, Rz. 2; auch Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 311 („Datum der Postaufgabe“). 29 Insoweit sorgt die in Art. 16 EG-MahnVO vorgesehene Fristenregelung tatsächlich für eine gewisse Rechtsunsicherheit (allg. krit. Salten, MDR 2008, 1141, 1145). 30 Musielak/Voit/Voit, Rz. 23; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 3; Vollkommer/Huber, NJW 2009, 1105, 1106. 31 Vgl. Salten/Gräve, Gerichtliches Verfahren und Zwangsvollstreckung (2007) S. 102.
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Art. 17 EG-MahnVO
Nach § 1092 Abs. 4 ZPO findet dementsprechend keine Wiedereinsetzung in die Frist nach Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO statt.32 Da sich dieses Ergebnis bereits abschließend aus der Verordnung selbst ergibt, besteht allerdings kein Raum für eine Regelung durch den deutschen Gesetzgeber.33
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Artikel 17 Wirkungen der Einlegung eines Einspruchs (1) Wird innerhalb der in Artikel 16 Absatz 2 genannten Frist Einspruch eingelegt, so wird das Verfahren vor den zuständigen Gerichten des Ursprungsmitgliedstaats weitergeführt, es sei denn, der Antragsteller hat ausdrücklich beantragt, das Verfahren in einem solchen Fall zu beenden. Das Verfahren wird weitergeführt gemäß den Regeln a) des in der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 festgelegten europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, falls diese anwendbar ist, oder b) eines entsprechenden nationalen Zivilverfahrens. (2) Hat der Antragsteller nicht angegeben, welches der in Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Verfahren auf seine Forderung in dem Verfahren angewandt werden soll, das sich an die Einlegung eines Einspruchs anschließt, oder hat der Antragsteller beantragt, das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 auf eine Forderung anzuwenden, die nicht in den Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 fällt, so wird das Verfahren in das entsprechende einzelstaatliche Zivilverfahren übergeleitet, es sei denn, der Antragsteller hat ausdrücklich beantragt, dass diese Überleitung nicht vorgenommen wird. (3) Hat der Antragsteller seine Forderung im Wege des Europäischen Mahnverfahrens geltend gemacht, so wird seine Stellung im nachfolgenden Zivilverfahren durch keine Maßnahme nach nationalem Recht präjudiziert. (4) Die Überleitung in ein Zivilverfahren im Sinne von Absatz 1 Buchstaben a und b erfolgt nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats. (5) Dem Antragsteller wird mitgeteilt, ob der Antragsgegner Einspruch eingelegt hat und ob das Verfahren als Zivilverfahren im Sinne des Absatzes 1 weitergeführt wird.
I. Überleitung in ein ordentliches Verfahren Das Mahnverfahren wird mit einem zulässigen Einspruch beendet. Das Verfahren wird gem. Abs. 1 1 S. 1 sodann, ohne dass es eines weiteren Antrags des Antragstellers bedarf, in ein Verfahren für geringfügige Forderungen (EuBagatellVerf) oder in ein Zivilverfahren übergeleitet, es sei denn, der Antragsteller hat ausdrücklich beantragt, das Verfahren in diesem Fall zu beenden (vgl. Art. 7 Abs. 4 EG-MahnVO). Hinter der Regelung steht die Überlegung, dass ein Antragsteller das Mahnverfahren regelmäßig deshalb gewählt hat, weil er einen möglichst einfachen Weg der Forderungsdurchsetzung bevorzugt, er aber andererseits durchaus gewillt ist, notfalls auch ein EuBagatellVerf oder ein Zivilverfahren zu betreiben. Nach dem mit Wirkung zum 14.7.2017 neu gefassten Art. 7 Abs. 4 EG-MahnVO kann der Antragsteller in dem Antrag auf Erlass des EZB erklären, ob das Verfahren in ein EuBagatellVerf oder in ein Zivilverfahren übergeleitet werden soll (zur Möglichkeit einer nachträglichen Änderung der Erklärung s. Art. 7 EG-MahnVO Rz. 19b). Allerdings ist eine derartige Angabe nicht zwingend vorgeschrieben. Macht der Antragsteller insoweit keine Angaben, wird das Verfahren nach dem ebenfalls neugefassten Art. 17 Abs. 2 EG-MahnVO n.F. in ein Zivilverfahren nach dem nationalen Recht übergeleitet. Letztlich bedeutet dies also: Das Verfahren wird in ein Zivilverfahren übergeleitet, wenn nicht der Antrag32 Siehe entsprechend § 252 Abs. 5 S. 5 österrZPO: „Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach den §§ 146 ff. findet wegen Versäumung der Frist nach Art. 16 Abs. 2 der Verordnung nicht statt.“ 33 Letztlich wird dies auch im RegE, BT-Drucks. 16/8839, 24 re. Sp. angedeutet: „… die Regelungen der Verordnung sind abschließend“. A.A. Vollkommer/Huber, NJW 2009, 1105, 1106.
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steller beantragt hat, das Verfahren in ein EuBagatellVerf zu überführen oder das Verfahren ganz zu beenden. 1b
Abs. 2 enthält schließlich noch eine (Ersatz-)Regelung für den Fall, dass der Antragsteller angegeben hat, dass er die Überleitung in ein EuBagatellVO wünscht, die geltend gemachte Forderung aber nicht in den Anwendungsbereich der EuBagatellVO fällt. In diesem Fall wird das Verfahren ebenfalls in ein Zivilverfahren nach dem nationalen Recht übergeleitet; anders verhält es sich nur dann, wenn der Antragsteller ausdrücklich beantragt hat, dass er diese Überleitung nicht wünscht. Die Prüfung der Frage, ob der Anwendungsbereich der EuBagatellVO eröffnet ist, erfolgt in Deutschland durch das Prozessgericht und nicht bereits durch das Mahngericht. Zwar fehlt es hierzu an einer ausdrücklichen Regelung im deutschen Recht; dieses beruht aber allgemein auf dem Grundsatz, dass Streitfragen zur verfahrensrechtlichen Zulässigkeit einer Klage nicht vom Mahngericht, sondern vom Prozessgericht zu klären sind.1 Das Prozessgericht hat den Kläger nach Maßgabe von Art. 4 Abs. 3 EuBagatellVO darüber zu informieren, dass der Anwendungsbereich der EuBagatellVO nicht eröffnet ist.
1c
Die EG-MahnVO regelt nicht, ob der Antragsgegner die Überleitung in ein Zivilverfahren durch Rücknahme des Einspruches abwenden kann. Nach teilweiser vertretener Auffassung ist insoweit die jeweilige lex fori anzuwenden.2 Der Wortlaut von Art. 17 Abs. 1 EG-MahnVO scheint allerdings (inzident) die Rücknahme eines Einspruchs auszuschließen; die Vorschrift legt fest, dass das Verfahren im Falle des Einspruchs als Zivilverfahren weitergeführt „wird“.3 Hierfür spricht auch, dass die EG-MahnVO im Zweifel eine eindeutige und rechtssichere Lösung anstrebt.
1d
Geht man entgegen der hier vertretenen Auffassung von einer (ergänzenden) Anwendbarkeit nationalen Rechts aus, so ist jedenfalls bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts eine Rücknahme des Einspruchs ausgeschlossen. Der deutsche Gesetzgeber hat nämlich in § 1091 ZPO bewusst von einem Verweis auf § 697 Abs. 4 ZPO abgesehen.4 Dem Antragsgegner, der seinen Widerstand aufgeben möchte, bleibt daher nur noch die Möglichkeit, den Anspruch im anschließenden Zivilverfahren anzuerkennen oder den Anspruch zu erfüllen und damit im Regelfall eine Erledigungserklärung des Antragstellers auszulösen.
2
Der Begriff des Zivilverfahrens ist autonom auszulegen5 und bezeichnet (nur) das Gegenstück zum abgekürzten (Mahn-)Verfahren.6 Bei dem Zivilverfahren kann es sich auch um Verfahren vor einem Arbeitsgericht oder Familiengericht handeln.7 Letzteres kann etwa im Falle von Unterhaltsvereinbarungen relevant werden (s. Art. 2 EG-MahnVO Rz. 23). Die Mitgliedstaaten haben allerdings nicht die Möglichkeit, zunächst die Überleitung in ein weiteres (nationales) Mahnverfahren vorzusehen.8
3
Im Übrigen wird gem. Abs. 1 S. 2 die Stellung des Antragstellers im Zivilverfahren durch keine Maßnahme nach nationalem Recht präjudiziert. Dem Antragsteller kann also z.B. nicht verwehrt werden, seinen Anspruch in einem Urkunds-, Scheck- oder Wechselverfahren geltend zu machen, wenn auch eine ursprüngliche Klageerhebung in einem solchen Verfahren möglich gewesen wäre.9
4
Nach Abs. 2 „wird das Verfahren in das entsprechende einzelstaatliche Zivilverfahren übergeleitet“. ErwGr. 24 EG-MahnVO formuliert darüber hinaus, dass es sich um eine „automatische“ Überleitung handeln muss. Hierdurch wird verdeutlicht, dass die Überleitung kraft Amtes vorzunehmen ist bzw. 1 BeckOK/Wolber, Rz. 18. 2 Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 3. 3 Siehe auch die englische Fassung („the proceedings shall continue before the competent courts …“) und die französische Fassung („la procédure se poursuit devant les juridictions compétentes …“). 4 RegE BT-Drucks. 16/8839, 24: „Im Unterschied zum nationalen Mahnverfahren war aufgrund der Besonderheiten des Europäischen Mahnverfahrens die Möglichkeit der Rücknahme des Einspruchs nicht vorzusehen.“ 5 Siehe ErwGr. 24 S. 2 EG-MahnVO: „Für die Zwecke dieser Verordnung sollte der Begriff „ordentlicher Zivilprozess“ nicht notwendigerweise im Sinne des nationalen Rechts ausgelegt werden.“ 6 Vgl. Kormann, S. 149; auch Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 311 und Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 262, nach deren Auffassung allerdings erst eine künftige Entscheidung des EuGH zu einer genauen Definition führen wird. 7 Kropholler/von Hein, Rz. 2; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 4; BeckOK/Wolber, Rz. 10. 8 Kormann, S. 179; Kropholler/von Hein, Rz. 3; BeckOK/Wolber, Rz. 10; abw. (dies sei lediglich „nicht zweckmäßig“); Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 8. 9 Kropholler/von Hein, Rz. 3; Musielak/Voit/Voit, Rz. 27.
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umgekehrt eine derartige Überleitung lediglich dann ausscheidet, wenn der Antragsteller beantragt, das Verfahren zu beenden. Daraus folgt, dass die nationalen Gesetzgeber die Überleitung nicht von einem eigenständigen verfahrensrechtlichen Antrag abhängig machen können.10 Im Übrigen richten sich gem. Abs. 4 die weiteren Modalitäten der Überleitung in ein Zivilverfahren 5 nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem sich der Gerichtsstand befindet. Das nationale Recht entscheidet u.a. darüber, ob die Bezeichnung des zuständigen Gerichts dem Antragsteller obliegt11 und ob die Abgabe von der Entrichtung (weiterer) Kostenvorschüsse abhängig gemacht wird; denkbar ist auch, dass die Überleitung an gewisse Fristen geknüpft bzw. mit Präklusionsvorschriften versehen wird. Eine Durchführungsvorschrift hierzu findet sich im deutschen Recht in § 1090 ZPO. Nach § 1090 Abs. 1 S. 1 ZPO fordert das Gericht den Antragsteller mit der Mitteilung nach Abs. 5 auf,12 das Gericht zu bezeichnen, das für die Durchführung des streitigen Verfahrens zuständig ist. Das Gericht setzt dem Antragsteller hierfür eine nach den Umständen angemessene Frist und weist ihn darauf hin, dass dem für die Durchführung des streitigen Verfahrens bezeichneten Gericht die Prüfung seiner Zuständigkeit vorbehalten bleibt (§ 1090 Abs. 1 S. 2 ZPO). Die Aufforderung ist dem Antragsgegner mitzuteilen (§ 1090 Abs. 1 S. 3 ZPO). Durch diese Regelung wird die Angabe, die im deutschen Mahnverfahren nach § 690 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bereits im Mahnantrag enthalten sein muss, im europäischen Mahnverfahren nachgeholt. Ferner fordert das Gericht gem. § 12 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 S. 3 GKG den weiteren Kostenvorschuss an. Benennt der Antragsteller innerhalb der Frist das zuständige Gericht nicht, wird der EZB aufgehoben (§ 1090 Abs. 1 S. 4 ZPO); das Mahnverfahren endet hierdurch (§ 1090 Abs. 1 S. 5 ZPO).13 Die Vorschrift verhindert somit, dass im Falle einer fehlenden Benennung des zuständigen Gerichts durch den Antragsteller ein das Mahngericht belastender Verfahrensstillstand eintritt. In der Literatur wird vertreten, dass § 1090 Abs. 1 S. 4 und S. 5 ZPO mit der Art. 17 Abs. 1 EGMahnVO und dem Gebot der automatischen Überleitung des Verfahrens unvereinbar seien. Folglich seien die Vorschriften nicht anzuwenden.14 Dem ist nicht zuzustimmen. Nach der hier vertretenen Auffassung beschränkt sich die Aussage des Art. 17 Abs. 1 EGMahnVO („wird … übergeleitet“) auf den Umstand, dass die Überleitung in ein EuBagatellVerf oder in ein Zivilverfahren nicht von einem eigenständigen verfahrensrechtlichen Antrag abhängig gemacht werden darf (oben Rz. 4). Auch die im ErwGr. 24 EG-MahnVO enthaltene Formulierung, dass das Mahnverfahren „automatisch“ in ein Zivilverfahren übergeleitet werden muss, trifft diesbezüglich keine weitergehende Aussage. Nach der hier vertretenen Auffassung bleibt es daher bei der Regelung des Abs. 4, wonach die Überleitung „nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats“ erfolgt. Das Recht des Ursprungsmitgliedstaats kann daher auch prozessuale Nachteile für den Fall vorschreiben, dass der Antragsteller Mitwirkungshandlungen, die vom nationalen Recht vorgesehen sind, nicht vornimmt; ein derartiger Nachteil kann auch darin bestehen, dass nach Ablauf einer vom Gericht festgesetzten angemessenen Frist eine Überleitung in ein EuBagatellVerf bzw. ein Zivilverfahren ausscheidet und das Mahnverfahren beendet wird.15 10 Gruber, IPRax 2017, 259, 261. 11 Das Mahngericht ist aufgrund der Angaben im Antragsformular, die sich nur auf die internationale Zuständigkeit beziehen, regelmäßig nicht in der Lage, die – vom nationalen Recht festgelegte – örtliche Zuständigkeit zu beurteilen. Ferner stellt sich die Frage, wie es in dem Fall zu verfahren hätte, in dem in dem betreffenden Mitgliedstaat mehrere Gerichte örtlich zuständig sind. Dementsprechend wird das nationale Recht nicht umhinkommen, die Bestimmung des Gerichts, an das abzugeben ist, dem Antragsteller zu überlassen. 12 Die Bezugnahme auf Art. 17 Abs. 3 EG-MahnVO ist nach der Änderung von Art. 17 EG-MahnVO als Bezugnahme auf Art. 17 Abs. 5 EG-MahnVO n.F. zu lesen. 13 § 1090 Abs. 1 S. 4 und S. 5 ZPO wurden mit Wirkung vom 17.6.2017 durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts vom 11.6.2017 angefügt (BGBl. I 1607). 14 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 6; Ulrici in MünchKomm/ZPO, § 1090 Rz. 5; Ulrici, EuZW 2016, 369, 372; BeckOK/Thode, § 1090 Rz. 15 f.; für Vereinbarkeit BeckOK/Wolber, Rz. 15.1; für verordnungskonforme Auslegung Nordmeyer, IPRax 2017, 436, 440 (bei nicht fristgemäßer Benennung des Gerichts, an welches das Verfahren abgegeben werden soll, dürfe das Gericht den EZB nur aufheben, wenn sich aus dem Vorbringen des Antragstellers keine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergebe). 15 Siehe auch die Lösung des österreichischen Rechts in § 252 Abs. 3 öZPO: „Nach Einlangen eines fristgerechten Einspruchs hat das Gericht diesen dem Antragsteller mit der Aufforderung zuzustellen, binnen einer Frist
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Für dieses Verständnis streitet auch die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Flight Refund Ltd./Deutsche Lufthansa AG. Der EuGH hat hier auf die „eingeschränkte Tragweite“ von Art. 17 Abs. 1 EG-MahnVO16 hingewiesen und zudem unter Hinweis auf Art. 26 EG-MahnVO nochmals betont, dass für sämtliche verfahrensrechtlichen Fragen, die in der Verordnung nicht ausdrücklich geregelt sind, das Verfahrensrecht der Mitgliedstaaten gilt (s. Art. 26 Rz. 4).17 Eine nähere Ausgestaltung des Überleitungsverfahrens lässt sich aber weder Art. 17 Abs. 1 EG-MahnVO noch den Erwägungsgründen entnehmen; es findet sich insbesondere kein hinreichend deutlicher Hinweis darauf, dass Präklusionsregeln etc., die zum Standardrepertoire des nationalen Verfahrensrechts gehören, im Rahmen des Überleitungsverfahrens generell ausgeschlossen sein sollen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist damit § 1090 Abs. 1 S. 4 und S. 5 ZPO mit der EG-MahnVO vereinbar.
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Gemäß § 1090 Abs. 2 ZPO gibt nach Eingang der Mitteilung des Antragstellers nach Abs. 1 S. 1 das Gericht, das den EZB erlassen hat, das Verfahren von Amts wegen an das vom Antragsteller bezeichnete Gericht ab. § 696 Abs. 1 S. 3 bis 5, Abs. 2, 4 und 5 ZPO sowie § 698 ZPO gelten entsprechend. Aus dem Verweis auf § 696 Abs. 4 ZPO folgt, dass der Antragsteller seinen Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zurücknehmen kann.18 § 1091 ZPO verweist bezüglich der Anspruchsbegründung auf § 697 Abs. 1 bis 3 ZPO. Nicht verwiesen wird allerdings auf § 697 Abs. 4 ZPO. Der Antragsgegner hat daher anders als im nationalen Mahnverfahren keine Möglichkeit, den Einspruch zurückzunehmen (s. bereits oben Rz. 1b). Im Falle der Zuständigkeit eines ArbG gilt gem. § 46b Abs. 3 ArbGG die Regelung des Art. 46a Abs. 4 ArbGG entsprechend.19 Die Beurteilung der Frage, ob der Anwendungsbereich der EuBagatellVerf eröffnet ist, obliegt dem Prozessgericht (s. bereits oben Rz. 1b).
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Gemäß § 1090 Abs. 3 ZPO gilt die Streitsache als mit Zustellung des EZB rechtshängig geworden, wenn sie nach Übersendung der Aufforderung nach Abs. 1 S. 1 und unter Berücksichtigung der Frist nach Abs. 1 S. 2 alsbald abgegeben wird.20 Die Regelung verwirklicht eine weitgehende Übereinstimmung mit § 696 Abs. 3 ZPO (s. oben Art. 11 Rz. 22). Im Falle der Zuständigkeit des ArbG gilt gem. § 46b Abs. 3 ArbGG die Regelung des Art. 46a Abs. 5 ArbGG entsprechend.
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Hat der Antragsteller seine Forderung im Wege des Europäischen Mahnverfahrens geltend gemacht, so wird seine Stellung in nachfolgenden Zivilverfahren durch keine Maßnahme nach nationalem Recht präjudiziert. Abs. 1 S. 2 statuiert insoweit ein allgemeines Benachteiligungsverbot; der Antragsteller darf im Zivilverfahren nicht schlechter stehen als in dem (hypothetischen) Fall, dass er dieses Zivilverfahren im Zeitpunkt der Überleitung unmittelbar und ohne vorausgegangenes europäisches
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von 30 Tagen das für die Durchführung des ordentlichen Verfahrens zuständige Gericht namhaft zu machen, sofern das Verfahren nicht gem. Art. 7 Abs. 4 der Verordnung zu beenden ist. Macht der Antragsteller fristgerecht ein Gericht namhaft, so ist die Rechtssache an dieses zu überweisen. Die Streitanhängigkeit wird durch die Überweisung nicht aufgehoben. Die Prüfung der Zuständigkeit obliegt dem Gericht, an das die Rechtssache überwiesen wurde. Macht der Antragsteller innerhalb der Frist kein Gericht namhaft, so ist die Klage zurückzuweisen.“ EuGH v. 10.3.2016 – C-94/14, ECLI:EU:C:2016:148 – Flight Refund Ltd. vs. Deutsche Lufthansa AG, Rz. 54 mit Besprechung Gruber, IPRax 2017, 259 ff. EuGH v. 10.3.2016 – C-94/14, ECLI:EU:C:2016:148 – Flight Refund Ltd. vs. Deutsche Lufthansa AG, Rz. 53. Kropholler/von Hein, Rz. 16 weist darauf hin, dass im europäischen Mahnverfahren ein „Antrag auf Durchführung des streitigen Verfahrens“ nicht eigens gestellt werden muss. Es muss also für die Zwecke der Anwendung von § 696 Abs. 4 ZPO fingiert werden, dass ein entsprechender Antrag gestellt worden ist. § 46a Abs. 4 ArbGG lautet: „Wird rechtzeitig Widerspruch erhoben und beantragt eine Partei die Durchführung der mündlichen Verhandlung, so gibt das Gericht, das den Mahnbescheid erlassen hat, den Rechtsstreit von Amts wegen an das Gericht ab, das in dem Mahnbescheid gem. § 692 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung bezeichnet worden ist. Verlangen die Parteien übereinstimmend die Abgabe an ein anderes als das im Mahnbescheid bezeichnete Gericht, erfolgt die Abgabe dorthin. Die Geschäftsstelle hat dem Antragsteller unverzüglich aufzugeben, seinen Anspruch binnen zwei Wochen schriftlich zu begründen. Bei Eingang der Anspruchsbegründung bestimmt der Vorsitzende den Termin zur mündlichen Verhandlung. Geht die Anspruchsbegründung nicht rechtzeitig ein, so wird bis zu ihrem Eingang der Termin nur auf Antrag des Antragsgegners bestimmt.“ Siehe entsprechend § 46b Abs. 3 i.V.m. § 46a Abs. 5 ArbGG: „Die Streitsache gilt als mit Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden, wenn alsbald nach Erhebung des Widerspruchs Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt wird.“
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Mahnverfahren eingeleitet hätte.21 Nach der hier vertretenen Ansicht lässt sich aus Abs. 1 S. 2 insb. ableiten, dass der Antragsteller nicht allein deshalb, weil er einem Zivilverfahren ein europäisches Mahnverfahren vorgeschaltet hat, an der Hemmung der Verjährung gehindert sein darf.22 Noch weitergehend ist der Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen, dass der Antragsteller dann, wenn er sich für das europäische Mahnverfahren entschieden hat, nicht schlechter stehen darf, als wenn er das nationale Mahnverfahren gewählt hätte (s. noch Art. 26 EG-MahnVO Rz. 2).23 Das deutsche Recht ist mit diesen Vorgaben in jedem Fall vereinbar (s. näher oben Art. 12 EG-MahnVO Rz. 16). Denn es lässt unter bestimmten Umständen eine Verjährungshemmung sogar bereits ab dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags auf Erlass des EZB zu und behandelt insoweit das nationale und das europäische Mahnverfahren gleich (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB, § 167 ZPO). Zu einer Überleitung in ein EuBagatellVerf bzw. ein Zivilverfahren kommt es nicht, wenn der Antrag- 9 steller gegenüber dem Gericht erklärt, dass er die Überleitung in ein EuBagatellVerf bzw. ein Zivilverfahren ablehnt. Diese Erklärung kann der Antragsteller, wie sich aus Art. 7 Abs. 4 Unterabs. 2 S. 2 EG-MahnVO ergibt, auch noch nachträglich – aber spätestens bis zum Erlass des EZB – gegenüber dem Mahngericht abgeben. Der Antragsgegner kann in diesem Fall seinerseits keine Überleitung in ein Zivilverfahren erzwingen. Rechtspolitisch ist dies problematisch, da sich hierdurch das Missbrauchspotential des Mahnverfahrens erhöht: Ein Antragsteller, dem in Wahrheit kein Anspruch gegen den Antragsgegner zusteht, kann das europäische Mahnverfahren – auf die Passivität des Antragsgegners hoffend – gewissermaßen als „Versuchsballon“ verwenden. Für den Fall, dass sich der Antragsgegner mithilfe des Einspruchs gegen den EZB zur Wehr setzt, kann er die Überleitung in ein EuBagatellVerf bzw. ein Zivilverfahren ablehnen und ist somit keinem Prozess- und Kostenrisiko ausgesetzt.24
II. Sonderproblem in den Fällen des Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO Abs. 1 S. 1 sieht nur die Abgabe an ein Gericht des Ursprungsmitgliedstaats vor. Die Abgabe an ein ausländisches Gericht ist weder in Abs. 1 S. 1 noch in § 1090 Abs. 2 ZPO vorgesehen. Dies ist bedeutsam in den Fällen des Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO, also dann, wenn die Forderung gegen einen Verbraucher geltend gemacht wird. Denn in diesen Fällen kann es dazu kommen, dass sich in dem Mitgliedstaat des nach Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO international zuständigen Mahngerichts keine internationale Zuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO für das Zivilverfahren ergibt (vgl. oben Art. 6 EGMahnVO Rz. 14 ff.).
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In diesen Fällen ist es dem Antragsteller zu empfehlen, gem. Art. 17 Abs. 1 S. 1 EG-MahnVO eine 11 Verfahrensbeendigung zu beantragen. Eine Einstellung des Verfahrens von Amts wegen durch das Mahngericht ist aber nicht vorzunehmen, da die Prüfung der internationalen Zuständigkeit dem Prozessgericht obliegt und es iÜ dazu kommen kann, dass nachträglich doch eine internationale Zuständigkeit – insb. durch rügelose Einlassung (Art. 26 Brüssel Ia-VO) – im Ursprungsmitgliedstaat entsteht (vgl. Art. 6 EG-MahnVO Rz. 22).
III. Keine Wirkung als rügelose Einlassung i.S.v. Art. 26 Brüssel Ia-VO Ein Einspruch gegen den EZB ist nach Auffassung des EuGH nicht als Einlassung i.S.d. Art. 26 Brüssel Ia-VO (zuvor Art. 24 Brüssel I-VO) anzusehen. Dies gilt auch dann, wenn der Einspruch Vorbrin-
21 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 9; BeckOK/Wolber, Rz. 4. 22 Abw. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 9. 23 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, Rz. 34, unter Verweis auf EuGH v. 14.6.2012 – C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 – Banco Español de Crédito SA vs. Joaquín Calderón Camino, Rz. 46. 24 Stadler, ZZP 123 (2010) 111, 112. Ulrici sieht in der Regelung – m.E. doch zu weitgehend – sogar einen Widerspruch zu der nach Art. 6 Abs. 1 EMRK gebotenen Waffengleichheit (Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 3).
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Vollstreckbarkeit
gen zur Hauptsache enthält.25 Der EuGH stützt sich insoweit – überzeugend – darauf, dass das Europäische Mahnverfahren und das darauffolgende Zivilverfahren grundsätzlich als unterschiedliche Verfahren anzusehen sind; der Einspruch ist daher nicht als Verteidigungshandlung im Zivilverfahren zu werten.26
Artikel 18 Vollstreckbarkeit (1) Wurde innerhalb der Frist des Artikels 16 Absatz 2 unter Berücksichtigung eines angemessenen Zeitraums für die Übermittlung kein Einspruch beim Ursprungsgericht eingelegt, so erklärt das Gericht den Europäischen Zahlungsbefehl unter Verwendung des Formblatts G gemäß Anhang VII unverzüglich für vollstreckbar. Das Ursprungsgericht überprüft das Zustellungsdatum des Europäischen Zahlungsbefehls. (2) Unbeschadet des Absatzes 1 richten sich die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung für die Vollstreckbarkeit nach den Rechtsvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats. (3) Das Gericht übersendet dem Antragsteller den vollstreckbaren Europäischen Zahlungsbefehl. I. Vollstreckbarerklärung (Abs. 1) . . . . . . . . . II. Weitere formale Voraussetzungen der Vollstreckung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . .
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III. Übersendung (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Rechtskraft des EZB . . . . . . . . . . . . . . . 8 V. Zuständigkeit und Rechtsbehelfe . . . . . . . . 12
I. Vollstreckbarerklärung (Abs. 1) 1
Gemäß Abs. 1 hat das Gericht, wenn nicht innerhalb der 30-Tage-Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO Einspruch eingelegt wird, den EZB für vollstreckbar zu erklären. Hierbei verwendet es das Formblatt G gem. Anhang II.
2
Das Formblatt sieht nur eine Vollstreckbarerklärung gegen den Antragsgegner vor. Soll gegen eine andere Person vollstreckt werden, ist eine titelübertragende Klausel nach § 796 Abs. 1 ZPO erforderlich.
3
Bevor es den EZB erlässt, hat das Gericht das Zustelldatum des EZB zu prüfen. Fraglich ist hierbei, ob neben dem Datum der Zustellung auch zu prüfen ist, ob die Zustellung den Mindesterfordernissen der Art. 13–15 EG-MahnVO genügte. Hierfür spricht, dass nach der Entscheidung des EuGH in des Rs. eco cosmetics die Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO erst ab einer Zustellung zu laufen beginnt, die mit den Art. 13–15 EG-MahnVO in Einklang steht (s. Art. 16 EG-MahnVO Rz. 8).1 Daraus folgt, dass das Gericht den EZB nur dann für vollstreckbar erklären darf, wenn es sich davon überzeugt hat, dass die Zustellung den Art. 13–15 EG-MahnVO entspricht.2 Hiervon ist auch der EuGH in der Rs. eco cosmetics ausgegangen: Soweit der EZB für vollstreckbar erklärt werde, obwohl gegen die Mindesterfordernisse der Art. 13–15 EG-MahnVO verstoßen worden sei, sei die Vollstreckbarerklärung „als ungültig anzusehen“.3 Dasselbe gilt, wenn im Rahmen der Zustellung gegen das Beleh25 EuGH v. 13.6.2013 – C-144/12, ECLI:EU:C:2013:393 – Goldbet Sportwetten GmbH vs. Massimo Sperindeo, EuZW 2013, 628 mit Bespr. Koutsoukou, IPRax 2014, 44, Sujecki, EuZW 2013, 628; Eichel, GPR 2014, 56 und Netzer, LMK 2013, 349130. 26 EuGH v. 13.6.2013 – C-144/12, ECLI:EU:C:2013:393 – Goldbet Sportwetten GmbH vs. Massimo Sperindeo, Rz. 39 f. 1 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144, eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 43. 2 Kormann, S. 134; Rauscher/Rauscher, EuZPR2 (2006), Einf. EGMahnVO Rz. 25; Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 13 Rz. 4 und Art. 18 Rz. 1; Kropholler/von Hein, Rz. 3; BeckOK/Wolber, Rz. 3. 3 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144, eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 48.
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Vollstreckbarkeit und Überprüfung des Europ. Zahlungsbefehls
Art. 18 EG-MahnVO
rungserfordernis nach Art. 8 EG-ZustVO4 verstoßen wurde. Auch hier beginnt nach dem EuGH die Einspruchsfrist erst dann zu laufen, wenn die Belehrung nach Art. 8 EG-ZustVO nachgeholt worden ist; zuvor darf in der Konsequenz der EZB nicht für vollstreckbar erklärt werden (s. Art. 16 EGMahnVO Rz. 8).5 Bei Verstößen gegen nationales Zustellungsrecht ist zu differenzieren: Im Falle der Auslandszustellung stehen Verstöße gegen ausländisches nationales Zustellungsrecht, die nicht zugleich zu einem Verstoß gegen Art. 13–15 f. EG-MahnVO führen, der Vollstreckbarerklärung nach der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen; demgegenüber können sie im Falle der Inlandszustellung dem Lauf der Einspruchsfrist und damit der Vollstreckbarerklärung entgegenstehen (s. Art. 12 EG-MahnVO Rz. 21 ff.). Für vollstreckbar erklärt werden darf der EZB zudem nur dann, wenn zusätzlich zu der 30-Tage-Frist ein angemessener Zeitraum für die Übermittlung verstrichen ist. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Dauer der üblicherweise zu erwartenden Übermittlung. Hierbei ist der Zeitraum, um die Vollstreckbarerklärung trotz rechtzeitiger Versendung des Einspruchs zu vermeiden, insb. bei Antragsgegnern im Ausland großzügig zu bemessen.6 Ist dem Gericht bekannt, dass es in gewissen Ländern häufig zu Beförderungshindernissen kommt, sollte ein weiterer „Sicherheitszuschlag“ vorgenommen werden. Dasselbe gilt, wenn aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall – etwa Witterungsbedingungen – mit einer verzögerten Übermittlung des Einspruchs zu rechnen ist. Bei einem in Deutschland abgegebenen Einspruch sollte mindestens eine Postlaufzeit von drei Tagen zugrunde gelegt werden.7
4
Der EZB ist auch dann für vollstreckbar zu erklären, wenn zwar vor der Vollstreckbarerklärung ein Einspruch bei Gericht eingeht, dieser aber nach der Überzeugung des Gerichts nicht innerhalb der 30-Tage-Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO versendet worden ist.8 Dies gilt selbst dann, wenn der Antragsgegner eine besonders rasche Übermittlungsart gewählt hat. Die zusätzliche Berücksichtigung eines „angemessenen Zeitraums für die Übermittlung“ hat nur den Sinn, eine Vollstreckbarerklärung des EZB trotz rechtzeitiger Versendung des Einspruchs innerhalb der 30-Tage-Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO zu vermeiden. Sie bewirkt aber keine Fristverlängerung. Die Rechtzeitigkeit der Versendung richtet sich damit ausschließlich nach Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO (vgl. Art. 16 EG-MahnVO Rz. 11).
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Hat das Mahngericht den EZB für vollstreckbar erklärt und geht sodann ein – rechtzeitig versendeter – Einspruch ein, ist das Mahngericht an einer nachträglichen Korrektur seiner Entscheidung gehindert. Dies gilt unabhängig davon, ob es die Frist nach Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO bzw. den „angemessenen Zeitraum“ nach Art. 18 Abs. 1 beachtet hat oder nicht. Der Antragsgegner kann die rechtzeitige Versendung des Einspruchs nur noch mit einem im nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaats vorzusehenden Rechtbehelf geltend machen (vgl. ausf. Art. 20 EG-MahnVO Rz. 74 ff.).
6
II. Weitere formale Voraussetzungen der Vollstreckung (Abs. 2) Nach Abs. 2 richten sich auch weitere Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung für die Vollstreckbarkeit nach den Rechtsvorschriften des Ursprungsmitgliedstaats. Gemeint sind hier (nur) sonstige formale und titelbezogene Vollstreckungsvoraussetzungen.9 Dies lässt sich aus den anderen Textfas-
4 Ab dem 1.7.2022 tritt an die Stelle von Art. 8 EG-ZustVO der inhaltlich leicht modifizierte Art. 12 der Neufassung der EG-ZustVO (Verordnung (EU) 2020/1784). 5 EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 – Catlin Europe SE vs. O. K. Trans Praha spol. s. r. o., Rz. 30 ff. 6 Kormann, S. 172; auch Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 312 („bei bestimmten Auslandszustellungen vielleicht sogar Wochen“); vgl. auch Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2753 („frühestens einige Tage nach Ablauf der Einspruchsfrist“). 7 Musielak/Voit/Voit, Rz. 28 (Postlaufzeit von drei Tagen in Anlehnung an § 41 Abs. 2 VwVfG); vgl. auch Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 312 („einige Tage“). 8 Musielak/Voit/Voit, Rz. 28. 9 Ähnlich Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 13; Kropholler/von Hein, Rz. 6 f.; Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 9; BeckOK/Wolber, Rz. 4.1.
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Vollstreckbarkeit
sungen ableiten.10 Hierzu zählen etwa eine nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats notwendige Registrierung des Titels11 sowie die Erteilung einer Vollstreckungsklausel.12 Das deutsche Recht sieht im Normalfall kein Erfordernis der Erteilung einer Vollstreckungsklausel vor (§ 1093 ZPO); die für eine Vollstreckbarerklärung für und gegen einen Rechtsnachfolger maßgeblichen §§ 727 ff. ZPO bleiben aber anwendbar.13 Das sonstige Vollstreckungsverfahren richtet sich, wie sich aus Art. 21 Abs. 1 EG-MahnVO ergibt, nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats.
III. Übersendung (Abs. 3) 7
Nach Abs. 3 hat das Gericht die Pflicht, dem Antragsteller den vollstreckbaren EZB zu übersenden. Voraussetzung hierfür ist, dass er nach Abs. 1 für vollstreckbar erklärt wurde und auch die weiteren formalen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Abs. 2 erfüllt sind. Die Übersendung des EZB selbst stellt nach der EG-MahnVO keine Voraussetzung für die Vollstreckbarkeit dar.
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Dem Antragsgegner muss der für vollstreckbar erklärte EZB, wie sich im Umkehrschluss aus Abs. 3 ergibt, nach den Vorgaben der EG-MahnVO nicht nochmals zugestellt werden.14 Die Frage ist, ob das nationale Recht eine solche nochmalige Zustellung vorschreiben kann. Dies dürfte zu bejahen sein, da Abs. 3 diese Frage selbst nicht abschließend regelt und ein solches Zustellungserfordernis zum Vollstreckungsverfahren gehört, das sich nach Art. 21 Abs. 1 EG-MahnVO nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats richtet. Dem deutschen Recht ist das Erfordernis einer (nochmaligen) Zustellung des EZB allerdings nicht zu entnehmen.15
IV. Rechtskraft des EZB 8
Die EG-MahnVO enthält keine ausdrückliche Regelung der Frage, welche Wirkungen mit dem für vollstreckbar erklärten EZB im Einzelnen verbunden sind. Insbes bleibt offen, ob dem für vollstreckbar erklärten EZB eine Rechtskraftwirkung zukommt.16
9
Eindeutig ist, dass der für vollstreckbar erklärte EZB grundsätzlich nicht durch nationale Rechtsbehelfe wieder aus der Welt geschaffen werden kann. Dies kann nur im Wege des Art. 20 EG-MahnVO bzw. (im Falle der zu Unrecht erfolgten Vollstreckbarerklärung) durch einen im nationalen Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats vorzusehenden Rechtsbehelf (in Deutschland den Rechtsbehelf nach § 1092a ZPO) geschehen. Weitere Ausnahmen könnten sich allenfalls noch im engen Rahmen einer Klage gem. § 826 BGB bei bereits durchgeführter Vollstreckung ergeben (vgl. ausf. unten Art. 20 EGMahnVO Rz. 82). Schon hieraus wird ersichtlich, dass dem für vollstreckbar erklärten EZB nach der Grundkonzeption der EG-MahnVO eine formelle Rechtskraftwirkung zukommt.17 Die Rechtskraft tritt nach Ablauf der Frist nach Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO ein.18 Aus der formellen Rechtskraft folgt auch eine materielle; von dem Bestehen der Zahlungsverpflichtung, die im EZB festgestellt wird, ist in späteren Entscheidungen ohne Nachprüfung in der Sache auszugehen.
10 Siehe etwa deutlich die französische Fassung („les conditions formelles d’acquisition de la force exécutoire“) und auch die englische Fassung („formal requirements for enforceability“). 11 Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 13. 12 Etwa Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 9. 13 Ulrici in MünchKomm/ZPO, § 1093 Rz. 4; Kropholler/von Hein, Rz. 7; BeckOK/Wolber, Rz. 5. 14 Kropholler/von Hein, Rz. 9; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 6; BeckOK/Wolber, Art. 21 Rz. 5. 15 Kropholler/von Hein, Rz. 9; BeckOK/Wolber, Art. 21 Rz. 5. 16 Sehr kritisch dazu Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. dip. 2007, 717, 736 f.; ausf. Darstellung bei Geimer/ Schütze/Kodek, Rz. 14 ff. 17 Freitag, FS Kropholler (2008) 759, 772 f.; Kropholler/von Hein, Rz. 12; Schlosser, Art. 18 MahnVO Rz. 3; Musielak/Voit, Rz. 4; auch Zöller/Geimer, Art. 1 Rz. 1. 18 Kropholler/von Hein, Rz. 12. Hingegen tritt die Rechtskraft nicht erst in dem Zeitpunkt ein, in dem ein Rechtsbehelf nach Art. 20 EG-MahnVO nicht mehr „unverzüglich“ i.S.d. genannten Norm gestellt werden kann; denn Art. 20 EG-MahnVO ist als Norm zur Durchbrechung der bereits eingetretenen Rechtskraft anzusehen.
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Vollstreckbarkeit und Überprüfung des Europ. Zahlungsbefehls
Art. 18 EG-MahnVO
Weitgehend ungeklärt ist allerdings, ob der Umfang der Rechtskraft insgesamt europäisch-autonom zu bestimmen ist, oder ob insoweit die lex fori des Ursprungsstaates heranzuziehen ist.19 Folgt man der letztgenannten Auffassung, so müssen – da sich das nationale Recht regelmäßig nicht näher zum Umfang der Rechtskraft eines EZB äußert – die für funktional äquivalente Titel geltenden Rechtskraftvorschriften des nationalen Rechts entsprechend herangezogen werden.20 Für einen in Deutschland erlassenen EZB würde sich also die Rechtskraft in Anlehnung an die Rechtskraft eines nationalen deutschen Vollstreckungsbescheids bestimmen. Allerdings ist ein derartiges Verfahren nicht in allen Mitgliedstaaten vorgesehen; die Suche nach funktional äquivalenten Titeln kann sich daher als schwierig oder letztlich auch als erfolglos erweisen.21
9a
Näher betrachtet spricht mehr dafür, im Rahmen der EG-MahnVO nach einer europäisch-autonomen Lösung zu suchen. Anlass für die Schaffung der EG-MahnVO ist ja die Beobachtung, dass bei der inhaltlichen Ausgestaltung der einzelnen Mahnverfahren erhebliche Unterschiede bestehen22 und dass das unterschiedliche Funktionieren der einzelnen nationalen Mahnverfahren sogar zu einer „Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt“ führen kann.23 Was aber für den äußeren Ablauf des Verfahrens gilt, muss – erst recht – für dessen Wirkungen gelten. Anderenfalls bliebe die intendierte Rechtsvereinheitlichung auf halbem Wege stehen. Die EG-MahnVO erwiese sich – geradezu im Widerspruch zu dem beschriebenen (Vereinheitlichungs-)Ziel der Verordnung – sogar als Vehikel, mit dem unterschiedliche, von dem nationalen Recht vorgegebene Wirkungen eines Zahlungsbefehls, Vollstreckungsbescheids etc. in die verschiedenen Mitgliedstaaten hinein erstreckt werden könnten.
9b
Nach der hier vertretenen Auffassung ergibt sich aus der Verordnung selbst, dass der EZB das Bestehen der Forderung als solches verbindlich feststellt. Der EZB entfaltet demgegenüber keine Rechtskraftwirkung, soweit es um die präjudizielle Frage nach dem Bestehen eines bestimmten Rechtsverhältnisses (etwa eines Kaufvertrags) geht. Dies lässt sich aus dem (insoweit beschränkten) Zweck der Verordnung, wie er in Art. 1 Abs. 1 EG-MahnVO geschildert ist, ableiten: Der Verordnung geht es nur darum, die Durchsetzung von im europäischen Mahnverfahren geltend gemachten Geldforderungen zu erleichtern; demgegenüber ist es nicht ihr Anliegen, weitergehende Feststellungswirkungen über ein präjudizielles Rechtsverhältnis herbeizuführen, die ihrerseits nur für einen nachfolgenden Zivilrechtsstreit von Bedeutung sein könnten. Richtigerweise ist es den einzelnen Mitgliedstaaten sogar verwehrt, den EZB mit solchen zusätzlichen Rechtskraftwirkungen anzureichern; der Umfang der Rechtskraft wird also im Ausgangspunkt durch die EG-MahnVO auch nach oben hin begrenzt.
9c
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die EG-MahnVO verschiedentlich doch (ergänzend) auf das nationale Recht verweist. So legt Art. 10 Abs. 2 S. 2 EG-MahnVO allgemein (nicht nur im Hinblick auf eine evtl Rechtskraftwirkung) fest, dass sich die Folgen einer nachträglichen Beschränkung des Antrags auf einen Teil der Forderung im europäischen Mahnverfahren nach dem nationalen Recht richten. Entsprechendes muss gelten, wenn der Antragsteller von vornherein – offen oder verdeckt – nur einen Teil der Forderung geltend macht. Auch eine evtl Drittwirkung des EZB richtet sich, da die Verordnung nur das Verhältnis zwischen Antragsteller und Antragsgegner regelt, nach dem nationalen Recht, nämlich der lex fori des Ursprungsstaates.24
10
Wird der Antrag auf Erlass eines EZB abgelehnt, so hat dies gem. Art. 11 Abs. 3 EG-MahnVO keine 11 (Rechtskraft-)Wirkungen. Der Antragsteller ist in diesem Fall nicht gehindert, erneut einen EZB zu beantragen oder eine Klage einzureichen. Art. 11 Abs. 3 EG-MahnVO ist als abschließende Regelung 19 Für Letzteres Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 16; Kropholler/von Hein, Rz. 13; letztlich auch Freitag, FS Kropholler (2008) 759, 774. Differenzierend Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 8 (nur in wenigen Teilaspekten seien Reichweite und Wirkungen der Rechtskraft der EGMahnVO zu entnehmen). 20 So konsequent Kropholler/von Hein, Rz. 13; auch BeckOK/Wolber, Rz. 10.1. 21 Dies konzedierend Freitag, FS Kropholler (2008) 759, 773. 22 ErwGr. 7 EG-MahnVO. 23 ErwGr. 9 EG-MahnVO. 24 Zutr. Freitag, FS Kropholler (2008) 759, 774. Freitag folgert daraus, dass nicht nur die subjektive Rechtskraftwirkung, sondern auch die objektive Rechtskraftwirkung dem nationalen Recht unterstellt werden sollte; ein mixtum compositum von europäisch-autonomen Rechtskraftregeln und nationalen Rechtskraftregeln sei kaum handhabbar Nach der hier vertretenen Auffassung lassen sich die objektive und die subjektive Rechtskraftwirkung aber einfach abgrenzen; auch die Problematik der Teilklage ist von den übrigen Fragen, die sich bei der Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft stellen, klar abgrenzbar.
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Art. 19 EG-MahnVO Abschaffung des Exequaturverfahrens anzusehen; dem nationalen Gesetzgeber ist es verwehrt, in seinem nationalen Recht eine hiervon abweichende Regelung einzuführen.
V. Zuständigkeit und Rechtsbehelfe 12
Nach Art. 18 Abs. 1 EG-MahnVO ist das Ursprungsgericht für die Vollstreckbarerklärung zuständig. In Deutschland liegt daher die Zuständigkeit – ausgenommen Arbeitssachen – beim AG Wedding (§ 1087 ZPO).25 Die funktionelle Zuständigkeit richtet sich gem. Art. 26 nach der jeweiligen lex fori. In Deutschland ist gem. § 20 Nr. 7 RPflG auch hier der Rechtspfleger zuständig.26
13
Der Antragsgegner kann gegen die unberechtigte Vollstreckbarerklärung nach dem EuGH nicht nach Art. 20 EG-MahnVO, sondern nur mit dem im nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaats hierfür zu schaffenden Rechtsbehelf vorgehen (s. Art. 20 EG-MahnVO Rz. 74 ff.).
14
Die EG-MahnVO enthält keine Regelung der Frage, welche Rechtsbehelfe dem Antragsteller im Falle der Ablehnung der Vollstreckbarerklärung zustehen. Art. 11 Abs. 2 EG-MahnVO befasst sich nur mit der Zurückweisung des Antrags auf Erlass des EZB, nicht mit der Ablehnung der Vollstreckbarerklärung. Auch der ErwGr. 17 EG-MahnVO befasst sich nur mit dem Antrag auf Erlass des EZB. Diese Frage bleibt daher gem. Art. 26 EG-MahnVO dem nationalen Verfahrensrecht der Mitgliedstaaten überlassen.27
15
Im deutschen Recht kommt im Falle der Verweigerung der Vollstreckbarerklärung die sofortige Beschwerde gem. § 793 ZPO in Betracht.28 Allerdings sehen § 795 ZPO i.V.m. § 794 Abs. 1 Nr. 6 ZPO die entsprechende Anwendung von § 793 ZPO (nur) für den bereits für „vollstreckbar erklärten“ EZB vor und sparen damit die Vollstreckbarerklärung aus.29 Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Vollstreckbarerklärung – nicht anders als die Erteilung einer Vollstreckungsklausel30 – noch vor dem Beginn des eigentlichen Zwangsvollstreckungsverfahrens liegt und daher (zeitlich) vom Anwendungsbereich des § 793 ZPO nicht erfasst ist.31
16
Richtigerweise ist daher nach geeigneten Rechtsbehelfen außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu suchen. Da gem. § 20 Nr. 7 RPflG der Rechtspfleger zuständig ist, ist nach § 11 Abs. 2 RPflG die Rechtspflegererinnerung statthaft.32
Artikel 19 Abschaffung des Exequaturverfahrens Der im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar gewordene Europäische Zahlungsbefehl wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass seine Anerkennung angefochten werden kann.
25 Siehe auch § 252 Abs. 2 S. 1 öZPO: „Für die Durchführung des Mahnverfahrens ist ausschließlich das Bezirksgericht für Handelssachen Wien zuständig.“ 26 Ausf. Kropholler/von Hein, Rz. 2; ebenso BeckOK/Wolber, Rz. 8. 27 Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 4; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 312; zum österr Recht Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 312. 28 Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 4. 29 Zutr. Kropholler/von Hein, Rz. 10. 30 Siehe für alle MünchKomm/ZPO/K. Schmidt/Brinkmann, § 793 Rz. 3. 31 Kropholler/von Hein, Rz. 10. 32 Kropholler/von Hein, Rz. 10; BeckOK/Wolber, Rz. 12; Vollkommer/Huber, NJW 2009, 1105, 1109; Rellermeyer, Rpfleger 2009, 11, 14. Eine sofortige Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO scheidet aus, da die Vollstreckbarerklärung von Amts wegen vorzunehmen ist und es daher an einem das Verfahren betreffenden Gesuch i.S.v. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO fehlt (Kropholler/von Hein, Rz. 10).
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Vollstreckbarkeit und Überprüfung des Europ. Zahlungsbefehls
Art. 20 EG-MahnVO
Der EZB ist ein einheitlicher unionsrechtlicher Titel, der in den anderen Mitgliedstaaten automatisch 1 anerkannt wird.1 Gemäß Abs. 1 ist der für vollstreckbar erklärte EZB dementsprechend in allen anderen Mitgliedstaaten2 ohne weiteres vollstreckbar, ohne dass es dort noch eines gesonderten Vollstreckbarerklärungsverfahrens bedarf. Die Vollstreckung darf nur in den engen Ausnahmefällen des Art. 22 EG-MahnVO verweigert werden. Es bedarf gem. § 1093 ZPO auch keiner Vollstreckungsklausel. Anders verhält es sich nur dann, 2 wenn die Vollstreckung für oder gegen eine andere als die im Titel aufgeführte Person erfolgen soll. In diesem Fall gilt im deutschen Verfahren § 796 Abs. 1 ZPO.3 Art. 19 EG-MahnVO gilt nur im Verhältnis zu Mitgliedstaaten, nicht zu Drittstaaten. Soweit mit Dritt- 3 staaten Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen bestehen, stellt sich die Frage, ob sich diese auch auf den für vollstreckbar erklärten EZB erstrecken. Hiergegen könnte sprechen, dass die Abkommen nur nationale Titel im Auge hatten, es sich aber bei dem EZB um einen Titel auf unionsrechtlicher Grundlage handelt.4 Sinn und Zweck der genannten Abkommen dürften aber für eine Anwendung (auch) auf den für vollstreckbar erklärten EZB sprechen.
Artikel 20 Überprüfung in Ausnahmefällen (1) Nach Ablauf der in Artikel 16 Absatz 2 genannten Frist ist der Antragsgegner berechtigt, bei dem zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaats eine Überprüfung des Europäischen Zahlungsbefehls zu beantragen, falls a) i) der Zahlungsbefehl in einer der in Artikel 14 genannten Formen zugestellt wurde, und ii) die Zustellung ohne Verschulden des Antragsgegners nicht so rechtzeitig erfolgt ist, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung hätte treffen können, oder b) der Antragsgegner aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden keinen Einspruch gegen die Forderung einlegen konnte, wobei in beiden Fällen vorausgesetzt wird, dass er unverzüglich tätig wird. (2) Ferner ist der Antragsgegner nach Ablauf der in Artikel 16 Absatz 2 genannten Frist berechtigt, bei dem zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaats eine Überprüfung des Europäischen Zahlungsbefehls zu beantragen, falls der Europäische Zahlungsbefehl gemessen an den in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen oder aufgrund von anderen außergewöhnlichen Umständen offensichtlich zu Unrecht erlassen worden ist. (3) Weist das Gericht den Antrag des Antragsgegners mit der Begründung zurück, dass keine der Voraussetzungen für die Überprüfung nach den Absätzen 1 und 2 gegeben ist, bleibt der Europäische Zahlungsbefehl in Kraft. Entscheidet das Gericht, dass die Überprüfung aus einem der in den Absätzen 1 und 2 genannten Gründe gerechtfertigt ist, wird der Europäische Zahlungsbefehl für nichtig erklärt. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die einzelnen Tatbestände des Art. 20 EG-MahnVO . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine (analoge) Anwendung des Art. 20 EG-MahnVO über den Wortlaut hinaus 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 3 4
. .
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5 8
II. Konkurrenz zu anderen Verfahren . . . . . 14 III. Schuldlose Versäumung der Einspruchsfrist, Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Struktur der Vorschrift . . . . . . . . . . . . 16 2. Der Spezialtatbestand nach lit. a . . . . . . 17
Dazu näher Freitag, FS Kropholler (2008) 759, 764 ff. Dänemark gilt in diesem Zusammenhang nicht als Mitgliedstaat, Art. 2 Abs. 3 EG-MahnVO. Ulrici in MünchKomm/ZPO, § 1093 Rz. 4. Musielak/Voit/Voit, Rz. 5.
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Art. 20 EG-MahnVO
Überprüfung in Ausnahmefällen
3. Der Grundtatbestand der lit. b . . . . . . . IV. Offensichtlich zu Unrecht erlassener EZB, Abs. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) 1. Variante („EZB gemessen an den in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen offensichtlich zu Unrecht erlassen“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) 2. Variante („EZB aufgrund von anderen außergewöhnlichen Umständen offensichtlich zu Unrecht erlassen“) . . . . . . aa) Vorsätzlich falsche Angaben . . . . . bb) Erkennbarkeit für den Antragsgegner? . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 35 35 38
38 42 42 51
V. Deutsche Durchführungsvorschriften . . . 56
VI. Rechtsbehelf bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Zustellung des EZB . . . . . 1. Nichteinhaltung der Art. 13–15 EG-MahnVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 EG-ZustVO . . 3. Verstoß gegen sonstiges (nationales) Zustellungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . .
61 61 67 73
VII. Rechtsbehelf in sonstigen Fällen zu Unrecht erfolgter Vollstreckbarerklärung . . . 74 VIII. Vollstreckungsabwehrklage . . . . . . . . . IX. Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat nach durchgeführter Vollstreckung . . . . . 1. Vollstreckung des nach Art. 20 EG-MahnVO für nichtig erklärbaren EZB . . . . . . . 2. Vollstreckung des nach nationalem Recht aufhebbaren EZB . . . . . . . . . . . . . . .
77 79 79 83
I. Allgemeines 1. Die einzelnen Tatbestände des Art. 20 EG-MahnVO 1
Art. 20 EG-MahnVO stellt eine zentrale Vorschrift der EG-MahnVO dar. Die Vorschrift bestimmt, dass der Antragsteller, wenn er die in Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO genannte Frist versäumt hat, in bestimmten Ausnahmefällen noch gegen den EZB vorgehen und die Nichtigerklärung des EZB erreichen kann. Die Vorschrift durchbricht damit die mit Art. 18 EG-MahnVO verbundene Rechtskraftwirkung (vgl. oben Art. 18 EG-MahnVO Rz. 8 ff.).
2
Art. 20 EG-MahnVO differenziert zwischen zwei Grundkonstellationen. Abs. 1 erfasst den Fall, in dem der Antragsgegner aufgrund besonderer Umstände ohne sein Verschulden daran gehindert war, rechtzeitig Einspruch einzulegen. Die Vorschrift deckt ihrer Funktion nach die Situationen ab, in denen im deutschen Recht ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt werden kann.1 Abs. 1 ist Art. 19 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO nachgebildet.2
3
Abs. 2 betrifft demgegenüber den Fall, dass der EZB aufgrund außergewöhnlicher Umstände „offensichtlich zu Unrecht erlassen“ worden ist. Die Vorschrift lehnt sich an Art. 10 Abs. 1 lit. b EGVollstrTitelVO an. Abs. 2 stützt sich also nicht auf die unverschuldete Versäumung der Einspruchsfrist, sondern auf die inhaltliche Unrichtigkeit des EZB. Allerdings erfüllt nicht jede Unrichtigkeit des EZB die Voraussetzungen von Abs. 2. Es sollen nur besondere Fälle erfasst werden, in denen die Unrichtigkeit „offensichtlich“ ist. Die Vorschrift ist in ihrer Ausrichtung und Wirkungsweise damit ungefähr vergleichbar mit der Restitutions- oder Nichtigkeitsklage bzw. der Anwendung von § 826 BGB auf rechtskräftige Titel im deutschen Recht.3
4
Die Mitgliedstaaten haben, anders als im Falle der EG-VollstrTitelVO,4 nicht die Möglichkeit, den EZB unter großzügigeren Bedingungen als nach Abs. 1, 2 zur Überprüfung zu stellen. Die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Rechtsbehelfs im Einzelnen bleibt aber gem. Art. 26 EG-MahnVO den Mitgliedstaaten überlassen (vgl. dazu unten Rz. 56 ff.).5
1 Leible/Freitag, § 3 Rz. 256; aus österr Sicht ebenso Kloiber, ZfRV 2009, 68, 77; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 313; Mayr, JBl 2008, 503, 515. 2 Zweifel an der Erforderlichkeit des Art. 20 Abs. 1 aus niederländischer Sicht bei Freudenthal, NJB 2007, 157 ff.; Freudenthal, NJB 2007, 1415 ff.; hiergegen Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren, S. 263 ff.; van der Grinten, NJB 2007, 1413, 1415. 3 Vgl. Leible/Freitag, § 3 Rz. 242. 4 Siehe dort Art. 19 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO. 5 Kritisch hierzu Lopez de Tejada/d’Avout, Rev. crit. d.i.p. 2007, 717, 746.
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Vollstreckbarkeit und Überprüfung des Europ. Zahlungsbefehls
Art. 20 EG-MahnVO
2. Keine (analoge) Anwendung des Art. 20 EG-MahnVO über den Wortlaut hinaus Art. 20 EG-MahnVO gilt nach Auffassung des EuGH nicht (auch nicht analog), wenn die Einlegung eines fristgerechten Einspruchs deshalb unterblieben ist, weil der EZB gar nicht oder in einer den Art. 13 bis 15 EG-MahnVO nicht genügenden Weise zugestellt worden ist, und der EZB aus diesem Grund zu Unrecht für vollstreckbar erklärt worden ist (s. dazu noch Art. 16 EG-MahnVO Rz. 8 ff.). Insoweit ist nach Auffassung des EuGH gem. Art. 26 EG-MahnVO ein Rechtsbehelf im nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaats vorzusehen.6 Der deutsche Gesetzgeber hat hierzu in § 1092a ZPO einen Rechtsbehelf geschaffen (unten Rz. 64 ff.).
5
Art. 20 EG-MahnVO ist ferner auch nicht analog anzuwenden, wenn der EZB – zu Unrecht (vgl. 6 Art. 16 EG-MahnVO Rz. 8a) – für vollstreckbar erklärt worden ist, obwohl im Rahmen der Zustellung des EZB der Antragsgegner entgegen Art. 8 EG-ZustVO nicht von seinem Recht auf Verweigerung der Annahme des Schriftstücks in Kenntnis gesetzt worden ist. Auch in diesem Fall muss ein Rechtsbehelf im nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaats geschaffen werden. Das aktuelle deutsche Recht sieht insoweit keinen auf diese Fallkonstellation unmittelbar zugeschnittenen Rechtsbehelf vor. De lege lata dürfte im deutschen Recht daher § 1092a ZPO analog anzuwenden sein (s. unten Rz. 67 ff.). Dasselbe gilt in sämtlichen anderen Fällen, in denen außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 20 EG-MahnVO die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung objektiv nicht gegeben waren, aber ungeachtet dessen doch eine Vollstreckbarerklärung erfolgt ist. Zu denken ist etwa an die Konstellation, in der der Einspruch innerhalb der 30-Tages-Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO versendet worden ist, dieser aber nicht beim Gericht eingetroffen ist oder dort übersehen worden ist. Auch in diesen Fällen obliegt es dem nationalen Gesetzgeber, geeignete Rechtsbehelfe vorzusehen (unten Rz. 74 ff.); de lege lata dürfte auch hier § 1092a ZPO analog anzuwenden sein (unten Rz. 75 ff.).
7
3. Rechtsfolgen Soweit die Voraussetzungen des Art. 20 EG-MahnVO vorliegen, hat das Gericht den EZB für nichtig zu erklären (Abs. 3 S. 2). Auch in den Fällen des Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO ist der EZB allein schon dann für nichtig zu erklären, wenn die dort genannten Voraussetzungen, insb. das unverschuldete Versäumnis der Einspruchsfrist vorliegen. Damit enthält Art. 20 EG-MahnVO eine grundsätzlich abschließende Normierung sowohl der Voraussetzungen als auch der unmittelbaren Rechtsfolgen der nachträglichen Überprüfung.7 Folglich lässt sich – anders als im Falle des Art. 19 EG-VollstrTitelVO – von der Normierung eines europäisch-autonomen Rechtsbehelfs sprechen.8
8
Art. 20 Abs. 3 S. 2 EG-MahnVO sieht seinem Wortlaut nach – anders als Art. 17 EG-MahnVO – keine 9 Überleitung in ein ordentliches Zivilverfahren vor. Vielmehr scheint der Antragsteller darauf angewiesen zu sein, entweder erneut einen Antrag auf Erlass eines EZB zu stellen oder aber nunmehr selbst ein EuBagatellVerf oder ein Zivilverfahren in Gang zu setzen. Allerdings wird in der Literatur bezweifelt, ob, ungeachtet des Wortlauts von Art. 20 Abs. 3 S. 2 EGMahnVO, auch in den Fällen des Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO, also bei unverschuldeter Versäumnis der Einspruchsfrist, (lediglich) eine Nichtigerklärung vorzunehmen ist. Nach einer Auffassung ist neben der Nichtigerklärung weiterhin eine inhaltliche „Überprüfung“ des EZB vorzunehmen. Das Gericht habe den EZB nochmals, ohne dass der Antragsteller einen erneuten Antrag stellen müsste, gem. Art. 8 EG-MahnVO zu prüfen und bei positivem Ausgang der Prüfung ein zweites Mal zu erlassen und zuzustellen.9 Hiergegen spricht, dass eine Prüfung des EZB anhand Art. 8 EG-MahnVO bereits vorliegt – die erneute Prüfung also regelmäßig zu keinem anderen Ergebnis führen würde – und überdies auch der Antragsgegner mit seinem (wenngleich unverschuldet verspäteten) Einspruch zum
6 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk. 7 Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 313; Mayr, JBl 2008, 503, 516. 8 Etwa Kropholler/von Hein, Rz. 1; Mayr, JBl 2008, 503, 516; anders Rauscher in Rauscher, EUZPR2 (2006) Einf. EG-MahnVO Rz. 32. 9 Preuß, ZZP 122 (2009), 3, 15.
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Überprüfung in Ausnahmefällen
Ausdruck gebracht hat, dass er sich gegen den EZB zur Wehr setzen will.10 Dementsprechend erscheint es nicht angebracht, von Amts wegen einen zweiten EZB zu erlassen, der regelmäßig nur einen erneuten Einspruch und (erst dann) die Überleitung in ein EuBagatellVerf oder ein Zivilverfahren zur Folge haben würde.11 11
Naheliegender erscheint es, in den Fällen des nach Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO unverschuldet versäumten Widerspruchs, nicht anders als beim fristgerechten Einspruch, eine Überleitung in ein EuBagatellVerf oder ein Zivilverfahren anzunehmen. Hierfür könnte sprechen, dass anderenfalls der Antragsgegner aufgrund der Nichtigerklärung mehr erhielte als bei einem fristgemäßen Einspruch. Bei einem fristgerechten Einspruch hätte er sich in einem anschließenden EuBagatellVerf bzw. einem Zivilverfahren verteidigen müssen; im Falle der Nichtigerklärung könnte er abwarten, ob der Antragsteller einen erneuten Antrag stellt oder nunmehr direkt den Weg über ein EuBagatellVerf bzw. ein Zivilverfahren beschreitet.12 Es scheint aber, als habe der Verordnungsgeber diese Besserstellung des Antragsgegners als solche in seinen Willen aufgenommen; sowohl in Art. 17 EG-MahnVO als auch im ErwGr. 24 wird ausgeführt, dass nur der fristgerecht eingelegte Einspruch zu einer Überleitung ins EuBagatellVerf bzw. Zivilverfahren führen soll.
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Hiervon zu trennen ist die Frage, ob nicht der nationale Gesetzgeber eine derartige Überleitung anordnen kann, die EG-MahnVO also dem nationalen Gesetzgeber insoweit einen entsprechenden Gestaltungsspielraum belässt. Für eine solche Möglichkeit spricht, dass mit der Nichtigerklärung nach Art. 20 Abs. 3 S. 2 EG-MahnVO das europäische Mahnverfahren endet und sodann (wieder) die unvereinheitlichten Regeln des nationalen Rechts anwendbar sind. Auch lässt sich aus Art. 17 EGMahnVO wohl insoweit kein Umkehrschluss ziehen. Die Vorschrift beschränkt sich auf die Konstellation, in der rechtzeitig Einspruch eingelegt wurde. Sie regelt demgegenüber nicht den Fall, dass der EZB für nichtig erklärt wird (Art. 26 EG-MahnVO). Insgesamt ist nicht davon auszugehen, dass die EG-MahnVO nationalen Regeln, die zu einer weiteren Effektivierung des Rechtsschutzes beitragen können, im Wege stehen will.13 In den Fällen des Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO ist eine solche Überleitung aus prozessökonomischen Gründen auch dringend zu befürworten.14 Durch eine solche Überleitung lässt sich vermeiden, dass das Verfahren nach der EG-MahnVO letztlich nur Zeit und Gebühren kostet, ohne dem Antragsteller bei der Durchsetzung seiner Forderung behilflich zu sein. In den Fällen des Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO ist eine derartige Überleitung demgegenüber nicht zu befürworten: Hat sich herausgestellt, dass der EZB „offensichtlich zu Unrecht“ ergangen ist, dürfte ein Bedürfnis nach einer weiteren gerichtlichen Klärung des (Nicht-)Bestehens der Forderung regelmäßig nicht mehr gegeben sein.
13
Der deutsche Gesetzgeber hat indes mit § 1092 Abs. 3 ZPO deutlich gemacht, dass weder in den Fällen des Art. 20 Abs. 2 noch in den Fällen des Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO eine Überleitung in ein EuBagatellVerf bzw. ein Zivilverfahren stattfinden soll.15 Der Antragsteller ist demgemäß auch im Falle des Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO auf eine erneute Beantragung eines EZB bzw. eine Klageeinreichung angewiesen. Anders verhält es sich im österreichischen Recht: Hier wird durchaus sachgerecht in den Fällen des Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO (allerdings nicht in den Fällen des Art. 20 Abs. 2 EGMahnVO) eine Überleitung in ein Zivilverfahren angeordnet.16 10 Wie hier Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 34. 11 Preuß, ZZP 122 (2009), 3, 16 begründet diese Lösung daher vor allem mit verjährungsrechtlichen Überlegungen. Hiergegen lässt sich aber einwenden, dass der nationale Gesetzgeber auch bei einem nach Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO für nichtig erklärten EZB eine Verjährungshemmung anordnen kann, sich also das nationale Verjährungsrecht der EG-MahnVO und nicht umgekehrt die EG-MahnVO den bisherigen Vorschriften des nationalen Verjährungsrechts anpassen muss (wie hier Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 34). 12 Preuß, ZZP 122 (2009), 3, 12. 13 Wie hier Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 35; abw. RegE, BT-Drucks. 16/8839, 24 re. Sp.: Die Verordnung sehe die Überleitung in ein streitiges Zivilverfahren abschließend nur bei einem fristgerecht eingelegten Einspruch vor. 14 Dies konzedierend auch RegE, BT-Drucks. 16/8839, 24 re. Sp.; vgl. auch Mayr, JBl 2008, 503, 517. 15 Ausdrücklich RegE, BT-Drucks. 16/8839, 24 re. Sp.; auch Kropholler/von Hein, Rz. 20; Baumbach/Hartmann, § 1092 Rz. 6. 16 Siehe § 252 Abs. 5 S. 3 und S. 4 österrZPO: „Erklärt das Gericht den Europäischen Zahlungsbefehl nach Art. 20 Abs. 1 der Verordnung für nichtig, so ist, sofern der Antragsteller nicht eine Erklärung nach Art. 7
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II. Konkurrenz zu anderen Verfahren Soweit der Anwendungsbereich des Art. 20 EG-MahnVO eröffnet ist, sind weitere Rechtsbehelfe des nationalen Rechts nicht statthaft. Es handelt sich bei Art. 20 EG-MahnVO um eine abschließende Regelung, nicht nur um die Statuierung eines „Mindeststandards“, der von den Mitgliedstaaten erweitert werden kann. Dies ergibt sich nicht nur aus Wortlaut und Systematik, sondern auch aus dem Bestreben, dem Gläubiger mit der EG-MahnVO ein effektives Mittel der Rechtsdurchsetzung an die Hand zu geben.17 Unstatthaft sind also etwa Restitutions- oder Nichtigkeitsklagen nach dem nationalen Recht.18 Unstatthaft sind des Weiteren auch Klagen, die auf die missbräuchliche Verwendung des Titels abstellen und sich hierbei auf eine allgemeine deliktsrechtliche Anspruchsgrundlage – wie im deutschen Recht etwa § 826 BGB – stützen.19 In all diesen Fällen ist allein der Rechtsbehelf nach Art. 20 EG-MahnVO gegeben.
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Art. 20 EG-MahnVO befasst sich allerdings nicht mit der Geltendmachung von Einwendungen, die 15 erst nach Zustellung des EZB entstanden sind. Hier bleiben die nationalen Regelungen des Ursprungsmitgliedstaats – insb. zur Vollstreckungsabwehrklage – statthaft (s. unten Rz. 77 ff.). Zulässig bleiben ferner Rechtsbehelfe des nationalen Rechts im Anschluss an eine durchgeführte Vollstreckung (s. unten Rz. 79 ff.). Zu Rechtsbehelfen im Vollstreckungsmitgliedstaat s. Art. 22 EGMahnVO Rz. 39 ff.
III. Schuldlose Versäumung der Einspruchsfrist, Abs. 1 1. Struktur der Vorschrift Abs. 1 betrifft den Fall, dass der Antragsgegner ohne sein Verschulden an einer fristgerechten Einlegung des Einspruchs gehindert war. Die Vorschrift ist Art. 19 EG-VollstrTitelVO nachgebildet, so dass – wenn auch mit einigen Modifikationen – die dort entwickelten Grundsätze auf die Auslegung der Vorschrift übertragen werden können. Abs. 1 unterscheidet wiederum zwischen zwei Varianten. Bei näherer Betrachtung stellt lit. a einen Spezialtatbestand dar, während lit. b als Grundtatbestand verstanden werden kann.20
16
2. Der Spezialtatbestand nach lit. a Lit. a setzt in sublit. i zunächst voraus, dass der EZB in einer der in Art. 14 genannten Formen zugestellt, also dem Antragsgegner nicht persönlich ausgehändigt wurde. Nicht anzuwenden ist lit. a demgegenüber dann, wenn nach Art. 13 an den Antragsgegner persönlich zugestellt wurde.
17
Eine Nichtigerklärung des EZB kommt gem. sublit. ii dann in Betracht, wenn die Zustellung ohne Verschulden des Antragsgegners nicht so rechtzeitig erfolgt ist, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung hätte treffen können. Sublit. ii ist im Wortlaut völlig identisch mit Art. 19 Abs. 1 lit. a sublit. ii EG-VollstrTitelVO. Der Verordnungsgeber wollte offensichtlich einen unmittelbaren Gleichlauf zwischen der Art. 19 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO und Art. 20 Abs. 1 herstellen.
18
Im Falle von Art. 19 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO ergibt der Wortlaut der Vorschrift einen Sinn. Soweit eine Zustellung – etwa vor einer mündlichen Verhandlung – nicht rechtzeitig erfolgt, kann der Schuldner aus vielfältigen Gründen daran gehindert sein, Vorkehrungen für seine Verteidigung in einem ordentlichen Verfahren zu treffen. Insbes ist denkbar, dass er aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht in der Lage ist, auf ein gegnerisches Vorbringen zu reagieren oder recht-
19
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Abs. 4 der Verordnung abgegeben hat, das ordentliche Verfahren einzuleiten. Liegt eine Erklärung nach Art. 7 Abs. 4 der Verordnung vor oder erklärt das Gericht den Europäischen Zahlungsbefehl nach Art. 20 Abs. 2 der Verordnung für nichtig, so ist das Verfahren beendet.“ So etwa (mit ausf. Begr.) Kodek in Geimer/Schütze, Rz. 3 ff. (wenngleich aus rechtspolitischer Perspektive kritisch); ebenso Kropholler/von Hein, Rz. 23. Freitag, IPRax 2007, 509, 514; Mayr, JBl 2008, 503, 516. Freitag, IPRax 2007, 509, 514; Kropholler/von Hein, Rz. 24 ff.; BeckOK/Wolber, Rz. 4. Freitag, IPRax 2007, 509, 510; Kodek in Geimer/Schütze Rz. 11.
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zeitig Beweismittel zu benennen. Demgegenüber führt der Wortlaut der sublit. ii im Rahmen der EGMahnVO zu keinem sinnvollen Ergebnis. Der Zeitpunkt bzw. eine Rechtzeitigkeit der Zustellung des EZB können die Verteidigungsmöglichkeiten des Antragsgegners im Rahmen der EG-MahnVO nicht beeinflussen. Nach Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO beginnt die Einspruchsfrist überhaupt erst mit der Zustellung zu laufen. Soweit der EZB nicht bzw. noch nicht zugestellt ist, wird die Einspruchsmöglichkeit des Antragsgegners also nicht eingeschränkt.21 20
Um der Vorschrift einen Sinn zu geben, muss daher das Merkmal „Zustellung“ in sublit. ii durch das Merkmal der Kenntnisnahme des Antragsgegners vom Inhalt des EZB ersetzt werden.22 Lit. ii bezieht sich auf die Fälle, in denen zwar im Wege der Ersatzzustellung wirksam zugestellt wurde, der Antragsgegner aber zunächst nicht von dem EZB Kenntnis erlangt und deshalb die Einspruchsfrist versäumt hat.23 Die Vorschrift greift daher ein, wenn der Antragsgegner überhaupt erst nach Ablauf der Einspruchsfrist von dem EZB Kenntnis erlangt; sie ist aber auch anwendbar, wenn der Antragsgegner so kurz vor Anlauf der Einspruchsfrist Kenntnis erlangt, dass er in zumutbarer Weise nicht bis zum Fristende Einspruch einlegen kann.24 Die Wendung „Vorkehrungen für seine Verteidigung“ ist für die Zwecke der EG-MahnVO somit modifiziert auszulegen. Unter der „Verteidigung“ ist schlicht die Einlegung eines Einspruchs innerhalb der Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO zu verstehen.25
21
Eine zusätzliche Voraussetzung besteht darin, dass die fehlende oder zu späte Kenntnisnahme vom EZB nicht auf ein Verschulden des Antragsgegners zurückzuführen sein darf. Hierbei sind sowohl Vorsatz als auch einfache Fahrlässigkeit von Bedeutung.26
22
Zu den ungeklärten Problemen bei lit. a gehört die Frage, ob es insoweit auf eine schuldhafte Unkenntnis nur des Antragsgegners ankommt oder ob ihm eine schuldhafte Unkenntnis seines gesetzlichen oder gewillkürten Vertreters zuzurechnen ist. Richtigerweise schließt nicht nur ein persönliches Verschulden des Antragsgegners den Erfolg des Rechtsbehelfs aus; es schadet vielmehr auch das Verschulden des gesetzlichen Vertreters oder gewillkürten Vertreters i.S.d. Art. 15 EG-MahnVO. Dem Antragsgegner ist daher insbesondere eine schuldhafte Unkenntnis seines Rechtsanwalts, an den der EZB als Vertreter des Antragsgegners zugestellt worden ist, zuzurechnen.
23
Der EuGH hat zur Frage der Verschuldenszurechnung noch nicht abschließend Stellung genommen. In einem Vorabentscheidungsverfahren war er mit der Frage befasst, ob dem Antragsgegner ein Verschulden seines Rechtsanwalts im Rahmen von Art. 20 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO bzw. Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO zum Nachteil gereicht. Dort war dem mit der Einspruchseinlegung beauftragten Rechtsanwalt bei der Ermittlung des Zustelldatums ein Irrtum unterlaufen; er hatte deshalb den Einspruch einen Tag zu spät abgesendet. Der EuGH hat hier nicht auf das Merkmal des „Verschuldens“, sondern bereits das Fehlen eines „außergewöhnlichen Umstands“ i.S.v. Art. 20 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO bzw. Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO abgestellt: Sei die Überschreitung der Einspruchsfrist auf einen Mangel an Sorgfalt des Vertreters des Antragsgegners zurückzuführen, stelle eine solche Situation, da sie leicht hätte vermieden werden können, keinen „außergewöhnlichen Umstand“ i.S.v. Art. 20 Abs. 1
21 Freitag, IPRax 2007, 509, 510; Mayr, JBl 2008, 503, 515; Meyer-Berger, S. 172; Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren, S. 264. 22 Kodek in Geimer/Schütze, Rz. 9; Kropholler/von Hein, Rz. 3; BeckOK/Wolber, Rz. 9; Freitag, IPRax 2007, 509, 510; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 309; Mayr, JBl 2008, 503, 515; Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1104; Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren, S. 264; Bender, S. 274 ff. Gegen Anwendung der „sinnlosen“ Vorschrift und für Rückgriff auf lit. b Kreße, EWS 2008, 508, 515. 23 Modifizierend Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 9: Es soll nicht auf die Kenntnis des Antragsgegners, sondern darauf ankommen, ob der Antragsgegner den EZB – vergleichbar Art. 13 EG-MahnVO – empfangen habe. Dieser Lösung ist nicht zuzustimmen. Der Antragsgegner ist in dem Augenblick, in dem er von dem Inhalt des zugestellten EZB Kenntnis erlangt, nicht mehr schützenswert; es sollte ab diesem Zeitpunkt nicht mehr darauf ankommen, ob er selbst den EZB auch i.S.d. Art. 13 EG-MahnVO empfangen, also insb. den EZB selbst ausgehändigt erhalten hat. 24 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 9. 25 Kodek in Geimer/Schütze, Rz. 10; Freitag, IPRax 2007, 509, 510. 26 Mayr, JBl 2008, 503, 515; ebenso Meyer-Berger, S. 173 (bereits „leichteste Fahrlässigkeit“ sei schädlich). Für „strenge Anforderungen“ Musielak/Voit/Voit, Rz. 36.
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lit. b bzw. Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO dar.27 Deshalb ließ der EuGH die Frage, ob den Antragsgegner ein Verschulden treffe bzw. diesem ein Verschulden seines Rechtsanwalts zuzurechnen sei, ausdrücklich offen.28 Ungeachtet dessen hat die dargestellte Entscheidung des EuGH auch Bedeutung für die Auslegung von lit. a: Der Entscheidung ist die generelle Haltung zu entnehmen, dass dem Antragsgegner ein Verschulden seines Vertreters zur Last fällt. Es entstünde ein Wertungswiderspruch, wenn Fehler des beauftragten Rechtsanwalts bei der Bestimmung von Fristbeginn bzw. Fristende o.Ä. die Anwendung von Art. 20 Abs. 1 lit. b bzw. Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO ausschlössen, aber demgegenüber die auf Verschulden beruhende Unkenntnis des Anwalts vom EZB im Falle von Art. 20 Abs. 1 lit. a EGMahnVO nicht schadete; dies gilt deshalb, weil lit. b und lit. a auf demselben Grundgedanken beruhen und lit. a letztlich nur als besonderer Anwendungsfall von lit. b verstanden werden kann (s. oben Rz. 16).
24
Kein dem Antragsgegner zurechenbares Verschulden liegt aber dann vor, wenn die Person, an die der 25 EZB gem. Art. 14 Abs. 1 lit. a und b EG-MahnVO übergeben wurde, diesen schuldhaft nicht an den Antragsgegner bzw. dessen Vertreter i.S.d. Art. 15 EG-MahnVO weitergereicht hat. Anderenfalls liefe Art. 20 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO, soweit er sich auf Art. 14 Abs. 1 lit. a und b EG-MahnVO bezieht, entgegen seiner Konzeption von vornherein leer; der Vorschrift geht es gerade darum, den Antragsgegner bzw. dessen Vertreter von den Risiken einer Zustellung, bei der er das Schriftstück etc. nicht selbst empfängt, zu entlasten. Denkbar erscheint es allerdings, dem Antragsgegner bzw. dessen Vertreter in diesen Fällen – wie im deutschen Recht – eine fehlerhafte Organisation seines Bürobetriebs anzulasten und damit im Einzelfall den Rechtsbehelf nach Art. 20 EG-MahnVO doch zu versagen. Offen bleibt des Weiteren die Frage, ob man von einem Verschulden auch dann ausgehen kann, wenn 26 der Antragsgegner in den Fällen von Art. 14 Abs. 1 lit. c und d EG-MahnVO den Briefkasten nicht leert bzw. leeren lässt und daher keine Kenntnis von dem EZB (lit. c) bzw. der schriftlichen Benachrichtigung von der Hinterlegung des EZB (lit. d) erlangt. Nach der hier vertretenen Auffassung wird man hier je nach Lage des Einzelfalls ein Verschulden annehmen können. Ein Verschulden dürfte etwa dann zu bejahen sein, wenn der Antragsgegner aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls mit der Zustellung eines EZB rechnen musste, aber die ihm zumutbaren Maßnahmen, die zu einer Kenntnis von dem EZB geführt hätten, vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat. Wie weit die Sorgfaltsanordnungen reichen, ist aber noch nicht geklärt. Die EG-MahnVO ist auch in diesem Punkt autonom auszulegen; ein unmittelbarer Rückgriff auf die Maßstäbe des nationalen Rechts scheidet aus. Schließlich setzt Abs. 1 voraus, dass der Antragsgegner unverzüglich tätig wird. Der Antragsgegner muss also, wenn er von dem EZB Kenntnis erlangt hat, unverzüglich einen Antrag nach Art. 20 EGMahnVO stellen. Die Vorschrift legt auch insoweit den Maßstab autonom fest, lässt also dem Mitgliedstaat keinen Raum für eine eigenständige gesetzliche Ausgestaltung. Insbes kann nicht einfach die Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 1 ZPO (entsprechend) angewendet werden.29 Auch hier können sich ferner Fragen der Verschuldenszurechnung stellen, insbesondere dann, wenn der Antragsgegner einen Rechtsanwalt mit der Antragstellung beauftragt, dieser aber den Auftrag verspätet ausführt. In der Konsequenz des oben Gesagten liegt es, auch hier eine Zurechnung des Verhaltens eines beauftragten Rechtsanwalts vorzunehmen und bei verspätetem Tätigwerden des Rechtsanwalts eine Unverzüglichkeit i.S.v. Abs. 1 zu verneinen. Ob auch das Verschulden sonstiger Hilfspersonen (nicht von Art. 15 EG-MahnVO erfasster) Hilfspersonen zuzurechnen ist, ist demgegenüber aktuell als weitgehend offene Frage anzusehen (s. dazu Rz. 30 ff.).
27 EuGH v. 21.3.2013 – C-324/12, ECLI:EU:C:2013:205 – Novontech-Zala kft. vs. Logicdata Electronic & Software Entwicklungs GmbH Rz. 21 mit Bespr. Mock, IPRax 2014, 309 und Eichel, GPR 2014, 56. 28 EuGH v. 21.3.2013 – C-324/12, ECLI:EU:C:2013:205 – Novontech-Zala kft. vs. Logicdata Electronic & Software Entwicklungs GmbH Rz. 23: Da die Voraussetzung betreffend die außergewöhnlichen Umstände nicht erfüllt seien, brauche nicht geprüft zu werden, ob die übrigen in Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO vorgesehenen Voraussetzungen – u.a. diejenige, dass den Antragsgegner kein Verschulden treffen dürfe – erfüllt seien. 29 Vgl. aus österr. Sicht Mayr, JBl 2008, 503, 515 Fn. 147.
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3. Der Grundtatbestand der lit. b 28
Nach lit. b ist der EZB für nichtig zu erklären, wenn der Antragsgegner aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden keinen rechtzeitigen Einspruch einlegen konnte. Vorausgesetzt wird auch hier, dass er unverzüglich tätig geworden ist. Die Vorschrift kann als Grundtatbestand verstanden werden. Sie betrifft die Fälle der Fristversäumnis, die nicht von der spezielleren lit. a erfasst sind.30
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Lit. b entspricht dem Wortlaut nach praktisch Art. 19 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO. An die Stelle des in Art. 19 EG-VollstrTitelVO vorgesehenen Widerspruchs gegen die Forderung tritt in lit. b die Einlegung eines Einspruchs gegen die Forderung.
30
Wie Art. 19 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO stellt die Vorschrift auf das Vorliegen höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände ab. Es stellt sich die Frage, ob diesen Merkmalen bereits eine relevante Filterfunktion zukommt. Dies erscheint deshalb fraglich, weil die Vorschrift (kumulativ) auf das Nichtvorliegen eines Verschuldens aufseiten des Antragsgegners abstellt. Denkbar erscheint, unter die Merkmale „höhere Gewalt“ oder „außergewöhnliche Umstände“ letztlich alle Umstände zu fassen, die ein Verschulden des Antragsgegners ausschließen. Bei den außergewöhnlichen Umständen müsste es sich sodann, folgt man diesem Ansatz, nicht notwendigerweise um unübliche Fallkonstellationen oder seltene Unglücksfälle handeln.31 In diesem Fall käme den beiden Merkmalen neben dem entscheidenden Merkmal des „Verschuldens“ letztlich keine eigenständige Bedeutung zu.
31
Der EuGH hat demgegenüber in der Entscheidung Novontech-Zala diesen beiden Merkmalen offenkundig eigenständige Bedeutung beigemessen und sie zugleich eng ausgelegt: Sei die Überschreitung der Einspruchsfrist auf einen Mangel an Sorgfalt des Vertreters des Antragsgegners zurückzuführen, stelle eine solche Situation, da sie „leicht hätte vermieden“ werden können, keinen außergewöhnlichen Umstand i.S.v. Art. 20 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO dar.32 Der EuGH geht also offenkundig davon aus, dass lit. b von vornherein – ohne dass es noch auf das Merkmal des Verschuldens ankäme – nur in Situationen zur Anwendung kommt, die sich „nicht leicht vermeiden“ lassen. Liegt ein Verschulden des Antragsgegners selbst oder eines Vertreters i.S.v. Art. 15 EG-MahnVO vor, so wirkt sich diese unterschiedliche Einordnung praktisch nicht aus: Der EuGH verneint in diesen Fällen bereits das Vorliegen eines „außergewöhnlichen Umstandes“; selbst wenn man aber entgegen dem EuGH dieses Merkmal bejahte, wäre jedenfalls ein den Erfolg des Rechtsbehelfs ausschließendes „Verschulden“ anzunehmen. Dies gilt nicht nur dann, wenn den Antragsgegner persönlich ein Verschulden trifft, sondern auch dann, wenn das Verschulden bei einem Vertreter i.S.v. Art. 15 EG-MahnVO liegt; denn das Verschulden seines Vertreters ist dem Antragsgegner, wie bereits dargelegt, als eigenes zuzurechnen (s. oben Rz. 22 ff.).
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Die Lösung des EuGH wirft aber an anderer Stelle Fragen auf. Zu beachten ist, dass der Antragsgegner weitere Hilfspersonen, die nicht als Vertreter i.S.v. Art. 15 EG-MahnVO zu qualifizieren sind, im Einzelfall mit der Versendung des Einspruchs beauftragen kann (etwa Angestellte, Familienangehörige etc.). Wenn es aufgrund eines Fehlverhaltens dieser Hilfspersonen zu keiner rechtzeitigen Versendung des Anspruchs kommt, stellt sich zunächst die Frage nach dem Vorliegen eines „außergewöhnlichen Umstandes“ i.S.v. lit. b. In der Konsequenz der EuGH-Entscheidung in der Rs. Novontech-Zala dürfte es liegen, keinen „außergewöhnlichen Umstand“ anzunehmen; denn ein Fehlverhalten derartiger Hilfspersonen lässt sich regelmäßig ebenfalls „leicht vermeiden“. Dasselbe dürfte dann gelten, wenn es sich um Hilfspersonen eines Vertreters des Antragsgegners handelt (also etwa Büroangestellte des mit der Versendung des Einspruchs beauftragten Rechtsanwalts).
33
Insgesamt ergibt sich daher aus der genannten EuGH-Entscheidung das Potential zu einer sehr restriktiven Auslegung von lit. b. Dies ist letztlich darauf zurückzuführen, dass der EuGH in der genannten Entscheidung das Merkmal des „außergewöhnlichen Umstands“ eng ausgelegt hat und es damit (regelmäßig) nicht mehr auf das Vorliegen oder Nicht-Vorliegen eines „Verschuldens“ ankommt. Es 30 Leible/Freitag, § 3 Rz. 256. 31 Siehe dazu auch (auf die englische und französische Textfassung hinweisend) Mock, IPRax 2014, 309, 310. 32 EuGH v. 21.3.2013 – C-324/12, ECLI:EU:C:2013:205 – Novontech-Zala kft. vs. Logicdata Electronic & Software Entwicklungs GmbH Rz. 21 mit insoweit zust. Bespr. Mock, IPRax 2014, 309, 310 ff. und zust. Bespr. Eichel, GPR 2014, 56.
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Vollstreckbarkeit und Überprüfung des Europ. Zahlungsbefehls
Art. 20 EG-MahnVO
bleiben allerdings Zweifel, ob sich der EuGH dieser Konsequenz überhaupt bewusst war; möglicherweise hatte der EuGH nur den konkreten Fall vor Augen. Dies lässt die Möglichkeit offen, dass er sich in zukünftigen Entscheidungen um eine weniger strikte Auslegung der Vorschriften bemühen wird. Nach der hier vertretenen Auffassung wäre es insgesamt besser gewesen, wenn der EuGH das Merkmal des „außergewöhnlichen Umstandes“ deutlich weiter ausgelegt und die Lösung in dem Merkmal des „Verschuldens“ gesucht hätte. Dort hätte man in den Konstellationen, in denen es der Sache nach um die Zurechnung von Drittverschulden geht, nach differenzierenden Lösungen suchen können. So bleibt zu befürchten, dass die Schärfen, die mit der „Einstufigkeit“ des europäischen Mahnverfahrens verbunden sind, durch Art. 20 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO nicht wesentlich abgemildert werden.
34
IV. Offensichtlich zu Unrecht erlassener EZB, Abs. 2 1. Allgemeines Gemäß Abs. 2 ist der EZB auf Antrag des Antragsgegners für nichtig zu erklären, wenn er offensichtlich zu Unrecht erlassen worden ist. Die Fassung des Abs. 2 ist auf einen Kompromiss der Mitgliedstaaten zurückzuführen. Der Vorschlag der Kommission ging noch von einer zweistufigen Ausgestaltung des Verfahrens aus. Der Schuldner sollte m.a.W. zweimal die Möglichkeit haben, gegen den EZB vorzugehen.33 Im Laufe des Verfahrens entschied man sich sodann für eine gläubigergünstige einstufige Ausgestaltung des Mahnverfahrens.34 Um andererseits aber auch den Schuldner hinreichend zu schützen, wurde mit Abs. 2 eine zusätzliche Möglichkeit der Überprüfung des EZB geschaffen.35 Damit man nicht zuletzt doch zu einer zweimaligen Einspruchsmöglichkeit des Antragsgegners gelangt, wurde die Überprüfungsmöglichkeit auf den Ausnahmefall36 des offensichtlich zu Unrecht erlassenen EZB beschränkt.37
35
Anders als bei Abs. 1 wird vom Antragsgegner nicht verlangt, dass er unverzüglich tätig wird. Er kann den Antrag also zeitlich unbegrenzt – bis zur Vollstreckung des EZB – stellen.38 Zu den Rechtsbehelfen nach erfolgter Vollstreckung s. unten Rz. 79 ff.
36
Abs. 2 orientiert sich im Wortlaut zunächst an Art. 10 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO. Dort kann die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel widerrufen werden, wenn sie hinsichtlich der in der EG-VollstrTitelVO festgelegten Voraussetzungen eindeutig zu Unrecht erfolgt ist. Allerdings geht Abs. 2 über den Wortlaut von Art. 10 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO hinaus. Während Art. 10 Abs. 1 lit. b EG-VollstrTitelVO nur auf die Abweichung von in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen abstellt, enthält Abs. 2 zusätzlich die Formulierung, dass der EZB auch „aufgrund von anderen außergewöhnlichen Umständen“ offensichtlich zu Unrecht erlassen sein kann.
37
33 Der VO-Vorschlag sah vor, dass auf Antrag zunächst eine „Europäische Zahlungsaufforderung“ ergehen sollte. Nach Art. 7, 8 VO-Vorschlag sollte sich der Antragsgegner gegen diese Zahlungsaufforderung innerhalb von drei Wochen durch die Einlegung einer nicht begründungsbedürftigen „Verteidigungsanzeige“ zur Wehr setzen können. Soweit eine solche Verteidigungsanzeige unterblieb, sollte das Gericht einen „Europäischen Zahlungsbefehl“ erlassen können. Gegen diesen Zahlungsbefehl konnte der Antragsgegner binnen drei Wochen einen „Widerspruch“ (Art. 11 VO-Vorschlag) einlegen. 34 Das einstufige Verfahren wurde aufgrund des Änderungsantrags Nr. 17 des Parlaments zum VO-Vorschlag eingeführt (McCarthy, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 18.7.2005, A6-0240/2005). 35 Sujecki, NJW 2007, 1622, 1625 („Kompromiss für die Einführung eines einstufigen Verfahrens“). 36 Der Ausnahmecharakter der Norm wird vom EuGH mehrfach betont. Siehe etwa EuGH v. 22.10.2015 – C-245/14, ECLI:EU:C:2015:715 – Thomas Cook Belgium BV vs.Thurner Hotel GmbH; Rz. 29: „Zur Möglichkeit, den Europäischen Zahlungsbefehl nach Ablauf der Einspruchsfrist zu überprüfen, ist darauf hinzuweisen, dass diese Überprüfung, wie bereits aus der Überschrift von Art. 20 der Verordnung hervorgeht, nur in „Ausnahmefällen“ erfolgen kann.“ 37 Für eine Streichung von Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 266. 38 Kritisch hierzu Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 266.
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Überprüfung in Ausnahmefällen
2. Voraussetzungen a) 1. Variante („EZB gemessen an den in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen offensichtlich zu Unrecht erlassen“) 38
Soweit es sich um die erste Variante des Abs. 2 („gemessen an den in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen“) handelt, entspricht der Maßstab der Überprüfung dem beim Erlass des EZB nach Art. 8 und 11 EG-MahnVO anzulegenden Maßstab. Hätte der EZB gem. Art. 11 Abs. 1 lit. a zurückgewiesen werden müssen, weil die in den Art. 2, 3, 4, 6 und 7 EG-MahnVO genannten Voraussetzungen bereits nach dem Inhalt des Antrags nicht erfüllt waren, ist der EZB, gemessen an den in der EGMahnVO festgesetzten Voraussetzungen, zu Unrecht erlassen worden. So kann sich z.B. bereits aus den Angaben des Antragstellers selbst ergeben, dass der sachliche Anwendungsbereich der EG-MahnVO nicht erfüllt ist oder der nach Art. 3 EG-MahnVO geforderte grenzüberschreitende Bezug fehlt. Dasselbe gilt, wenn der Antrag auf Erlass des EZB hätte zurückgewiesen werden müssen, weil die Forderung i.S.v. Art. 11 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO offensichtlich unbegründet war.
39
In der Entscheidung Thomas Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH ist auch der EuGH offenkundig von einem an die Art. 8 und 11 EG-MahnVO angelehnten Prüfungsmaßstab ausgegangen.39 Dort hatte der Antragsgegner vorgebracht, dass – entgegen der Angabe im Antragsformular – keine internationale Zuständigkeit des Mahngerichts gegeben gewesen sei. Der EuGH hat hierzu darauf hingewiesen, dass „das mit dem Antrag befasste Gericht … den Antrag, einschließlich der Frage der gerichtlichen Zuständigkeit und der Bezeichnung der Beweise, auf der Grundlage der im Antragsformular enthaltenen Angaben“ zu prüfen habe.40 Der EuGH geht also offenkundig von einer Kongruenz des Prüfungsmaßstabs beim Erlass des EZB nach Art. 8, 11 EG-MahnVO einerseits und des Maßstabs der Überprüfung nach Art. 20 Abs. 2 Var. 1 EG-MahnVO andererseits aus. Die Übertragung des Prüfungsmaßstabs nach den Art. 8, 11 EG-MahnVO auf die Überprüfung nach Art. 20 Abs. 2 Var. 1 EGMahnVO hat zur Folge, dass eine Nichtigerklärung nach Art. 20 Abs. 2 Var. 1 EG-MahnVO nur in eher seltenen Fällen erfolgen wird. Es ist kaum zu erwarten, dass sie größere praktische Bedeutung erlangen wird (zu Besonderheiten bei Verbraucherverträgen siehe allerdings Rz. 41).
40
Die Kommission hatte demgegenüber im Verfahren Thomas Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH vorgeschlagen, eine Nichtigerklärung nach Art. 20 Abs. 2 Var. 1 EG-MahnVO jedenfalls in den Fällen vorzusehen, in denen Vorschriften über die internationale gerichtliche Zuständigkeit verletzt worden seien, die gerade den Schutz der schwächeren Partei eines Rechtsverhältnisses bezweckten. Ferner komme eine Nichtigerklärung in den Fällen in Betracht, in denen eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 24 Brüssel Ia-VO bestehe.41 Nach der hier vertretenen Auffassung ist der EuGH diesem Vorschlag zu Recht nicht gefolgt: Art. 20 Abs. 2 Var. 1 EG-MahnVO differenziert nicht zwischen verschiedenen Zuständigkeitsgründen. Auch in den Fällen, in denen der Antragsgegner ein Verbraucher etc. ist oder eine ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 24 Brüssel Ia-VO missachtet worden ist, reicht daher die Unzuständigkeit des Mahngerichts allein nicht aus, um eine Nichtigerklärung nach Art. 20 Abs. 2 Var. 1 EG-MahnVO zu begründen; anderenfalls bestünde, wenngleich wiederum nur im Hinblick auf bestimmte Zuständigkeitsgründe, letztlich doch eine zweimalige Einspruchsmöglichkeit des Antragsgegners. Soweit sich der Antragsteller bewusst über eine den Antragsgegner schützende Zuständigkeitsregel oder eine die ausschließliche Zuständigkeit begründende Vorschrift hinwegsetzt, kann dies allerdings eine Nichtigerklärung anhand von Art. 20 Abs. 2 Var. 2 EG-MahnVO begründen (s. sogleich Rz. 42 ff.).
41
Ein abweichender Maßstab könnte sich allerdings für den Fall ergeben, dass der Antragsteller ein Gewerbetreibender ist und eine Forderung aus einem mit einem Verbraucher abgeschlossenen Vertrag geltend gemacht hat und dieser Vertrag AGB im Sinne der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche
39 EuGH v. 22.10.2015 – C-245/14, ECLI:EU:C:2015:715 – Thomas Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH, Rz. 32 ff. 40 EuGH v. 22.10.2015 – C-245/14, ECLI:EU:C:2015:715 – Thomas Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH; Rz. 37. 41 Schlussanträge des Generalanwalts Pedro Cruz Villalón vom 2.7.2015 – C-245/14, ECLI:EU:C:2015:442 – Thomas Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH Rz. 16; zustimmend von Hein, RIW 2016, 58.
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Klauseln in Verbraucherverträgen42 enthält. Der EuGH leitet aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 eine Pflicht des Mahngerichts ab, vom Antragsteller die Wiedergabe des vollständigen Vertrags oder die Vorlage einer Kopie des Vertrags zu verlangen (s. näher Art. 7 EG-MahnVO Rz. 13 ff.).43 Darüber hinaus besteht nach dem EuGH eine Pflicht des Mahngerichts, den Vertrag auf missbräuchliche Klauseln im Sinne der Richtlinie 93/13 zu prüfen und gegebenenfalls den Erlass eines EZB gem. Art. 11 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO zurückzuweisen. Wie weit die Prüfungspflicht im Einzelnen reicht und unter welchen (weiteren) Voraussetzungen der Antrag auf Erlass gem. Art. 11 Abs. 1 lit. b EG-MahnVO bei Vorliegen einzelner missbräuchlicher Klauseln zurückzuweisen ist, wurde vom EuGH noch nicht entschieden (s. eingehend Art. 7 EG-MahnVO Rz. 14 ff.). Es spricht vieles dafür, dass auch insoweit der Überprüfungsmaßstab nach der 1. Variante des Abs. 2 41a dem bei Erlass des EZB anzulegenden Prüfungsmaßstab entspricht. Daher ist von einem zu Unrecht erlassenen EZB auszugehen, wenn das Gericht bei Erlass des EZB den Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen abgeleiteten Pflichten nicht nachgekommen ist. Der EZB ist also für nichtig zu erklären, wenn das Gericht den EZB erlassen hat, ohne vorher den Vertragstext bzw. eine Kopie des Vertrages anzufordern; ferner ist er für nichtig zu erklären, wenn dem Gericht zwar der Vertragstext vorlag, es aber keine hinreichende Prüfung des Vertrages mit Blick auf missbräuchliche Klauseln im Sinne der Richtlinie 93/13 vorgenommen hat. Dem könnte entgegenstehen, dass nach Art. 20 Abs. 2 Var. 1 EG-MahnVO eine Nichtigerklärung des 41b EZB nur in Betracht kommt, wenn dieser „gemessen an den in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen“ zu Unrecht erlassen worden ist und der EuGH die postulierte Pflicht des Mahngerichts, den Vertragstext bzw. eine Kopie des Vertrages anzufordern und den Vertrag zu überprüfen, nicht aus der EG-MahnVO selbst ableitet, sondern aus Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Lichte von Art. 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (s. Art. 7 EGMahnVO Rz. 13a). Letztlich könnte eine solche allein am Wortlaut orientierte Auslegung von Art. 20 Abs. 2 Var. 1 EG-MahnVO aber nicht überzeugen: Wenn der EuGH von einer Kongruenz des Prüfungsmaßstabs beim Erlass des EZB nach Art. 8, 11 EG-MahnVO einerseits und des Maßstabs der Überprüfung nach Art. 20 Abs. 2 Var. 1 EG-MahnVO andererseits ausgeht (Rz. 39) und sodann den Prüfungsmaßstab bei Artt. 8, 11 EG-MahnVO bei Verbraucherverträgen erweitert, sollte korrespondierend auch der Prüfungsmaßstab im Rahmen des Art. 20 Abs. 2 Var. 1 EG-MahnVO erweitert werden. Hierdurch wird das von der Richtlinie 93/13 angestrebte hohe Verbraucherschutzniveau nochmals abgesichert. b) 2. Variante („EZB aufgrund von anderen außergewöhnlichen Umständen offensichtlich zu Unrecht erlassen“) aa) Vorsätzlich falsche Angaben Abs. 2 sieht eine 2. Variante vor, die wegen ihrer generalklauselartigen Formulierung („aufgrund 42 von anderen außergewöhnlichen Umständen“) besondere Auslegungsschwierigkeiten bereitet. Zugleich gehört sie, da sie über die Möglichkeit einer Nichtigerklärung des EZB entscheidet, zu den wichtigsten Bestimmungen der EG-MahnVO. Dass sich der Verordnungsgeber für eine derartige Formulierung entschieden hat, dürfte wiederum der Suche nach einem Kompromiss geschuldet sein (s. oben Rz. 35). ErwGr. 25 EG-MahnVO unternimmt den Versuch, die Reichweite der 2. Variante zu umschreiben. Die Regelung bedeute nicht, dass der Antragsgegner eine zweite Möglichkeit habe, Einspruch gegen die Forderung einzulegen.44 Dementsprechend solle die Frage, ob die Forderung begründet ist, nur im Rahmen der sich aus den vom Antragsgegner angeführten außergewöhnlichen Umständen er-
42 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, ABl. EU Nr. L 95/29. 43 EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC u.a. Rz. 48 und Rz. 50, EuZW 2020, 193. 44 ErwGr. 25 S. 2 EG-MahnVO.
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Überprüfung in Ausnahmefällen
gebenden Begründungen geprüft werden.45 Zu den anderen außergewöhnlichen Umständen könnte hiernach auch der Fall zu zählen sein, dass der EZB auf falschen Angaben im Antragsformular beruhe.46 44
Aus dem Gesamtinhalt des ErwGr. 25 EG-MahnVO ist abzuleiten, dass falsche Angaben im Antragsformular die Anwendbarkeit von Abs. 2 nicht per se begründen können; denn dann würde praktisch doch – entgegen der von ErwGr. 25 EG-MahnVO vorausgesetzten Zielsetzung der EG-MahnVO – eine zweite Möglichkeit eröffnet, Einspruch gegen die Forderung einzulegen. Falsche Angaben im Antragsformular können hiernach nur dann die Anwendbarkeit von Abs. 2 begründen, wenn besondere Umstände hinzutreten, die eine Nichtigerklärung des EZB ausnahmsweise rechtfertigen. Daraus folgt wiederum: Stützt sich der Antragsgegner bei einem Antrag nach Abs. 2 allein auf das Nichtbestehen der Forderung, ist der Antrag ohne weitere Prüfung zurückzuweisen. Dasselbe gilt, wenn er vorträgt, dass in Wahrheit die prozessualen Voraussetzungen für den Erlass des EZB nicht gegeben gewesen seien, es also beispielsweise an einer internationalen Zuständigkeit des Mahngerichts gefehlt habe.
45
Nach der in der Literatur herrschenden Auffassung kommt eine Nichtigerklärung nach Abs. 2 vor diesem Hintergrund nur dann in Betracht, wenn die im Antrag gemachten Angaben nicht nur objektiv falsch sind, sondern diese Falschangaben auf einem Vorsatz oder jedenfalls Mutwilligkeit des Antragstellers beruhen.47 Letztlich ist Abs. 2 damit nach herrschender Lehre eng auszulegen und grds. auf Fälle des vorsätzlichen Missbrauchs des Mahnverfahrens zu begrenzen.48
46
Dem Ausgangspunkt der herrschenden Lehre ist zuzustimmen. Abs. 2 hat nach ErwGr. 25 den Charakter einer eng auszulegenden Ausnahmevorschrift. Eine sinnvolle Begrenzung des Tatbestands kann dadurch herbeigeführt werden, dass grds. nur Fälle des vorsätzlichen Missbrauchs erfasst werden.49 Für ein enges – grds. auf vorsätzlich falsche Angaben beschränktes – Verständnis von Abs. 2 spricht ferner, dass Abs. 2 – anders als Abs. 1 – nicht voraussetzt, dass der Antragsgegner unverzüglich tätig wird. Eine zeitlich unlimitierte Überprüfung sollte daher (auch aus Gründen der Rechtssicherheit) auf die Fälle beschränkt werden, in denen der Antragsteller aufgrund eines Missbrauchs des Verfahrens nicht schutzwürdig ist. Eine Begrenzung von Abs. 2 auf vorsätzlich falsche Angaben entspricht schließlich der Regelung des Art. 7 Abs. 3 EG-MahnVO, nach der der Antragsteller zu erklären hat, dass er die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat. Soweit der Antragsteller – ent45 ErwGr. 25 S. 3 EG-MahnVO. 46 ErwGr. 25 S. 3 EG-MahnVO. 47 Ähnlich Kodek in Geimer/Schütze, Rz. 22 („qualifiziert unrichtige Behauptungen an der Grenze zum Prozessbetrug“); Crifò, S. 140 ff. („fraudulent situations“); Roth, IPRax 2017, 63, 64 (der Ausnahmerechtsbehelf des Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO sei nur „in Fällen des Prozessbetrugs oder eines sonstigen Rechtsmissbrauchs“ eröffnet); Freitag, IPRax 2007, 509, 510 (die Vorschrift erfasse Fälle, in denen der EZB „krass rechtwidrig oder gar betrügerisch erlangt worden“ sei); Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2754 („krasse Evidenzfälle, insb. Prozessbetrug“); Fabian, Europ. Mahnverfahrensverordnung, S. 222 (die Vorschrift eröffne nur die Möglichkeit, „offensichtlich rechtswidrige oder betrügerisch erlangte Zahlungsbefehle zu überprüfen“; Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 310 (es solle einem Prozessbetrug entgegengewirkt werden); Kloiber, ZfRV 2009, 68, 77 („außergewöhnliche Umstände und nicht solche die typischerweise vorliegen“); Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1092 ZPO Rz. 1, 8; auch Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 313 (die Vorschrift sei „äußerst restriktiv“ zu interpretieren) und Roth/Hauser, ecolex 2007, 568, 571 („restriktiv zu interpretieren“). Abw. Ulrici in MünchKomm/ ZPO, Rz. 26: Da im Unterschied zum deutschen Mahnverfahren im europäischen Mahnverfahren eine Schlüssigkeitsprüfung stattfinde, sei ausgeschlossen, dass das Verfahren missbraucht werde, um eine gerichtliche Rechtsprüfung zu vermeiden. Hierbei wird übersehen, dass sich die Schlüssigkeitsprüfung grds. allein auf die Angaben im Antragsformular stützt, also ein Verfahrensmissbrauch durch vorsätzlich falsche Angaben ohne Weiteres möglich ist; abw. auch BeckOK/Wolber, Rz. 20.1 (Begrenzung auf Fälle des vorsätzlichen Missbrauchs gehe zu weit). 48 Vgl. auch Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2754 („Konstellationen, die im deutschen Recht über § 826 BGB gelöst werden“); ähnlich Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1092 ZPO Rz. 1 („Missbrauch des Verfahrens“). 49 Im Ausgangspunkt zunächst abw., aber in den konkreten Ergebnissen sich der h.L. wieder annähernd Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 21 und 26: Maßgeblich sei, ob der EZB so erheblich (offensichtlich) im Widerspruch zum Recht stehe, dass ihm aus diesem Grund aus der Sicht eines objektiven Empfängers in der Position des Schuldners nicht die Anstoßwirkung innewohne, sich mittels Einspruchs mit diesem auseinanderzusetzen. Grds tangierten nur solche falschen Angaben die Anstoßwirkungen, bei denen der Schuldner davon ausgehen könne, dass der Gläubiger sie entgegen eigener Überzeugung aufstelle.
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gegen der nach Art. 7 Abs. 3 EG-MahnVO abzugebenden Versicherung – bestimmte Angaben nicht nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat, handelt er widersprüchlich, wenn er sich auf den EZB beruft.50 Nach der hier vertretenen Auffassung ist allerdings nicht auf ein streng technisches Verständnis des 47 Vorsatzes abzustellen: Dem Vorliegen von Vorsatz gleichzustellen sind Fälle, in denen die äußeren Umstände so eindeutig sind, dass sich ein redlich Denkender der Kenntnis der Sach- bzw. Rechtslage nicht verschließen würde. Wurde beispielsweise bereits gezahlt, kann sich ein redlich Denkender nicht darauf berufen, dass er seine Zahlungseingänge schlicht nicht kontrolliert, aber ungeachtet dessen – insoweit „ins Blaue hinein“ – den Mahnbescheid beantragt hat. Das Merkmal, dass der EZB „offensichtlich“ zu Unrecht ergangen ist, ist damit richtigerweise nicht 48 auf die Perspektive des Antragsgegners zu beziehen. Anderenfalls verfehlte Abs. 2 seinen Zweck: Der Antragsgegner, für den die auf Vorsatz oder Mutwilligkeit beruhende Unrichtigkeit der Angaben im Einzelfall nicht offensichtlich ist, ist mindestens ebenso schutzwürdig wie der Antragsgegner, für den die Unrichtigkeit der (vorsätzlich oder mutwillig) falschen Angaben des Antragstellers im Einzelfall „offensichtlich“ ist (zu der Frage, ob umgekehrt eine Erkennbarkeit der Unrichtigkeit für den Antragsgegner eine Rechtsbehelfsmöglichkeit nach Abs. 2 ausschließt, s. sogleich Rz. 51 ff.). Maßgeblich ist vielmehr, dass für den Antragsteller die Unrichtigkeit seiner eigenen Angaben den Umständen nach so „offensichtlich“ ist, dass er nicht schutzwürdig erscheint.51 Die in diesem Sinne vorsätzlich bzw. mutwillig falschen Angaben des Antragstellers können sich zu- 49 nächst auf das Bestehen einer Forderung beziehen.52 Es reicht aber richtigerweise auch aus, wenn sich der Antragsteller den Weg der Durchsetzung über die EG-MahnVO erschleicht, obwohl die prozessualen Voraussetzungen hierfür nicht gegeben sind. Eine Nichtigerklärung kommt daher auch in Betracht, wenn der Antragsteller z.B. vorsätzlich falsche Angaben über die internationale Zuständigkeit, eine fehlende Verbrauchereigenschaft des Antragsgegners53 oder die Voraussetzungen eines grenzüberschreitenden Bezugs i.S.d. Art. 3 Abs. 1 EG-MahnVO macht.54 Auch in solchen Fällen sollte sich der Antragsgegner mittels Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO vor einer vorsätzlich-missbräuchlichen Überrumpelung durch den Antragsteller zur Wehr setzen können. Die entscheidende (Folge-)Frage besteht sodann darin, welche Anforderungen an den Nachweis von 50 vorsätzlich falschen bzw. in dem dargestellten Sinne auf Mutwilligkeit beruhenden Angaben zu stellen sind. Von Vorsatz bzw. Mutwilligkeit wird regelmäßig dann auszugehen sein, wenn der Antragsteller falsche Angaben über bestimmte einfach nachzuweisende äußere Umstände wie das generelle Bestehen eines Vertragsverhältnisses oder den Eingang von Zahlungen gemacht hat.55 Demgegenüber werden sich Vorsatz bzw. Mutwilligkeit nur schwer nachweisen lassen, wenn die Beurteilung des Bestehens oder Nichtbestehens von einer komplexeren Tatsachenfeststellung oder rechtlichen Würdigung abhängt. Hier wird man nochmals danach differenzieren können, ob der Antragsteller im Einzelfall über besondere Kenntnisse bzw. Expertenwissen verfügt oder nicht. bb) Erkennbarkeit für den Antragsgegner? In der Entscheidung Thomas Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH ist der EuGH ebenfalls davon 51 ausgegangen, dass eine Nichtigerklärung des EZB nach Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO nur in eng be-
50 Siehe auch Roth, IPRax 2017, 63, 64. 51 Diese Unterscheidung hat durchaus praktische Bedeutung: Das, was für den Antragsteller „offensichtlich“ ist, muss nicht notwendigerweise zugleich auch für den Antragsgegner „offensichtlich“ sein. Man denke etwa an die Fälle, in denen der Antragsteller über besonderes Faktenwissen und/oder Rechtskenntnisse verfügt oder der Antragsgegner (etwa im Fall einer Gesamtrechtsnachfolge) über den Sachverhalt, der der Geltendmachung der Forderung zugrunde liegt, gar nicht näher informiert ist. 52 Letztlich auch Kodek in Geimer/Schütze, Rz. 25 ff. 53 Vgl. Rieländer, GPR 2020, 55, 61. 54 Abw. zur internationalen Zuständigkeit Mayr, JBl 2008, 503, 516; Bender, S. 172 ff.; anders insoweit aber wiederum Kormann, S. 97 ff. und auch (vorsichtig) Kodek in Geimer/Schütze, Rz. 28. 55 Abw. von Hein, RIW 2016, 58: Ein Nachweis des Vorsatzes sei bei „strenger Handhabung des Evidenzerfordernisses“ nicht erforderlich.
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Überprüfung in Ausnahmefällen
grenzten Ausnahmefällen möglich ist.56 Allerdings hat der EuGH in seiner Argumentation nicht auf das Fehlen bzw. den fehlenden Nachweis einer vorsätzlichen oder auf Mutwilligkeit beruhenden Falschangabe des Antragstellers abgestellt. Vielmehr hat er seine Entscheidung damit begründet, dass die Antragsgegnerin die Unrichtigkeit der Angaben im Antragsformular habe erkennen können. Die Antragsgegnerin habe „erkennen (können), dass die von der Antragstellerin im Antragsformular gemachten Angaben – hier in Bezug auf die Zuständigkeit des Ursprungsgerichts – falsch waren.“57 Die Antragsgegnerin habe dementsprechend „die Möglichkeit“ gehabt, das Fehlen der Zuständigkeit des Mahngerichts mithilfe eines Einspruchs geltend zu machen.58 52
Die Argumentation des EuGH überzeugt nicht: Wenn man sie über den entschiedenen Einzelfall hinaus verallgemeinert, führt dies dazu, dass eine jede Möglichkeit des Antragsgegners, die Fehlerhaftigkeit der im Antragsformular gemachten Angaben bei Anwendung zumutbarer Sorgfalt zu erkennen, den Rechtsbehelf nach Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO a priori ausschließt.59 Auch in den Fällen, in denen eine Falschangabe im Antragsformular nachweislich auf Vorsatz des Antragstellers beruht, müsste eine Nichtigerklärung des EZB dann ausscheiden, wenn der Antragsgegner diese Unrichtigkeit bei Anwendung einiger Sorgfalt hätte erkennen können. Anders formuliert: Der vorsätzlich handelnde Antragsteller könnte sich darauf berufen, dass sich der Antragsgegner hat fahrlässig übertölpeln lassen. Ein umfassender Schutz gegen einen vorsätzlichen Missbrauch des Mahnverfahrens wäre dann nicht mehr gewährleistet.60
53
Eine solche Auslegung der EG-MahnVO steht auch in einem Wertungswiderspruch zu der Rechtsprechung des EuGH zur Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. So hat der EuGH in der Rs. Cofidis zu der Frage Stellung genommen, ob die konkrete Ausgestaltung eines nationalen Zivilverfahrens in Widerspruch den Vorgaben der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen stehen kann. In diesem Zusammenhang hat er ausgeführt, dass sich der durch die Richtlinie gewährte Schutz auf alle Fälle erstrecke, „in denen sich der Verbraucher, der mit einem Gewerbetreibenden einen Vertrag geschlossen hat, der eine missbräuchliche Klausel enthält, nicht auf die Missbräuchlichkeit dieser Klauseln beruft, weil er entweder seine Rechte nicht kennt oder durch die Kosten, die eine Klage vor Gericht verursachen würde, von der Geltendmachung seiner Rechte abgeschreckt wird“.61 Auf den Umstand, dass der Verbraucher im Falle der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ggf. seine Rechte nicht kennt und er deshalb nicht von der Möglichkeit Gebrauch macht, Rechtsbehelfe einzulegen, hat der EuGH sodann im Zusammenhang mit der Frage nach der Vereinbarkeit eines nationalen Mahnverfahrens mit den Vorgaben der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen hingewiesen.62 In der Rs. Bondora AS vs. Carlos VC hat der EuGH sodann ausgeführt, dass die Vorgaben der Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln auch im europäischen Mahnverfahren nach der EG-MahnVO gelten.63 In die56 EuGH v. 22.10.2015 – C-245/14, ECLI:EU:C:2015:715 – Thomas Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH, Rz. 29, 44 ff. 57 EuGH v. 22.10.2015 – C-245/14, ECLI:EU:C:2015:715 – Thomas Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH, Rz. 47. 58 EuGH v. 22.10.2015 – C-245/14, ECLI:EU:C:2015:715 – Thomas Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH, Rz. 47. 59 Gruber, GPR 2016, 152, 154. 60 Gruber, GPR 2016, 152, 154. 61 EuGH v. 21.11.2002 – C-473/00, ECLI:EU:C:2002:705 – Cofidis SA vs. Jean-Louis Fredout, Rz. 34. 62 EuGH v. 14.6.2012 – C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 – Banco Español de Crédito SA vs. Joaquín Calderón Camino, Rz. 54: „Unter Berücksichtigung der generellen Ausgestaltung, des Ablaufs und der Besonderheiten des in den Rz. 50 bis 52 des vorliegenden Urteils beschriebenen Mahnverfahrens besteht nämlich eine nicht zu vernachlässigende Gefahr, dass die betroffenen Verbraucher nicht den erforderlichen Widerspruch erheben, sei es wegen der besonders kurzen Frist, die hierfür vorgesehen ist, sei es, weil sie im Hinblick auf die Kosten, die ein gerichtliches Verfahren im Vergleich zur Höhe der bestrittenen Forderung mit sich brächte, davon abgehalten werden könnten, sich zu verteidigen, sei es, weil sie den Umfang ihrer Rechte nicht kennen oder nicht richtig erfassen, oder auch wegen der knappen Angaben in dem von den Gewerbetreibenden eingereichten Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids und folglich der Unvollständigkeit der Informationen, über die sie verfügen.“ 63 EuGH v. 19.12.2019 – C-453/18, ECLI:EU:C:2019:1118 – Bondora AS vs. Carlos VC ua, EuZW 2020, 193 m. Anm. Ulrici und Aufsatz Rieländer, GPR 2020, 55.
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Vollstreckbarkeit und Überprüfung des Europ. Zahlungsbefehls
Art. 20 EG-MahnVO
sen Zusammenhängen ist der EuGH offenkundig davon ausgegangen, dass auch (und gerade) der unwissende Verbraucher schützenswert ist, und dass der durch die Richtlinie 93/13 gewährte Schutz nicht davon abhängt, ob das Informationsdefizit aufseiten des Verbrauchers vermeidbar war oder nicht. Es wäre dann wenig konsistent, die Unkenntnis des – gerade aufgrund seiner Unkenntnis schutzbedürftigen – Verbrauchers als Argument dafür zu verwenden, dass der Rechtsbehelf nach Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO nicht gegeben ist. Zwar dürfte ein Schutz des Verbrauchers in den Fällen, in denen der Antragsteller missbräuchliche AGB im Sinne der Richtlinie 93/13 verwendet, bereits über Art. 20 Abs. 2 Var. 1 EG-MahnVO zu verwirklichen sein (s. eingehend oben Rz. 41 ff.); jedenfalls bei Verstößen gegen sonstiges verbraucherschützendes Richtlinienrecht, bei dem eine ähnliche Interessenlage besteht, könnte Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO relevant werden und erscheint die Lösung des EuGH in der Rs. Thomas Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH doch zu restriktiv. Nach der hier vertretenen Auffassung bedarf daher die Entscheidung des EuGH in der Rs. Thomas 54 Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH der weiteren Ausdifferenzierung und Präzisierung. Zunächst ist zu berücksichtigen, ob im konkreten Einzelfall Richtlinienvorgaben bzw. deren Umsetzung dienende nationale Rechtsvorschriften berührt sind, die den Schutz von typisiert schwächeren und typischerweise über ihre Rechte nicht hinreichend informierten Personen – etwa Verbrauchern – betreffen. Wenn der Antragsteller etwa im konkreten Fall vorsätzlich oder zumindest mutwillig gegen eine europäisches Richtlinienrecht umsetzende Verbraucherschutzvorschrift verstoßen hat, sollte diesem Verbraucher der Rechtsbehelf nach Art. 20 Abs. 2 Var. 2 EG-MahnVO nicht mit der Begründung verweigert werden können, dass er aus Unwissenheit die Möglichkeit eines Einspruchs nicht wahrgenommen hat. Anderenfalls entstünde ein Wertungswiderspruch zwischen den Schutzzwecken des europäischen Richtlinienrechts einerseits und der Ausgestaltung des europäischen Mahnverfahrens andererseits. Auch über diese Fälle hinaus sollte man die Erkennbarkeit der Unrichtigkeit der Angaben von Fall zu 55 Fall bewerten. Die Entscheidung des EuGH Rs. Thomas Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH wird man ggf. in dem Sinne verstehen bzw. fortbilden können, dass die Nichtigerklärung nach Abs. 2 von einer (Gesamt-)Würdigung der Umstände des Einzelfalls abhängt.64 Hierbei kann auch der Erkennbarkeit der Fehlerhaftigkeit der Angaben auf der Seite des Antragsgegners Bedeutung beigemessen werden; eine solche Erkennbarkeit sollte aber die Anwendbarkeit von Art. 20 Abs. 2 Var. 2 EGMahnVO nicht abstrakt-generell ausschließen, sondern in eine Gesamtbewertung einfließen65 In den Fällen, in denen ein gezielter und manifester Missbrauch des Mahnverfahrens vorliegt, sollte über die Verbraucherfälle hinaus eine Nichtigerklärung nach Abs. 2 auch dann erfolgen können, wenn das überrumpelte Opfer den Angaben naiv Glauben geschenkt und objektiv bestehende oder gar naheliegende Möglichkeiten einer Aufklärung des Sachverhalts nicht wahrgenommen hat.66 Als Instrument für einen gezielten Missbrauch ist das europäische Mahnverfahren, wie sich u.a. an Art. 7 Abs. 3 EGMahnVO zeigt, gerade nicht konzipiert. Ein Fall einer vorsätzlich falschen bzw. mutwilligen Falschangabe im Antragsformular war in der Rs. Thomas Cook Belgium BV vs. Thurner Hotel GmbH nach der (kursorischen) Sachverhaltsschilderung durch den EuGH eher nicht anzunehmen;67 es bleibt daher die Möglichkeit (und zu hoffen), dass der EuGH in den Fällen manifesten vorsätzlichen Missbrauchs anders entscheiden würde.
64 Tatsächlich formuliert der EuGH seine Antwort auf die Vorlagefrage dahingehend, dass eine Nichtigerklärung „unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen“ an der Erkennbarkeit der Fehlerhaftigkeit der Angaben scheitert. Dies lässt Raum für eine abweichende Bewertung in anders gelagerten Einzelfällen. 65 Roth, IPRax 2017, 63, 64. 66 Gruber, GPR 2016, 152, 154; Roth, IPRax 2017, 63, 64. 67 Der Antragsgegner hatte sich darauf berufen, dass eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des streitigen Vertrags enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung zu einer Zuständigkeit nicht der österreichischen, sondern der belgischen Gerichte geführt hätte und dass dies von der Antragstellerin nicht beachtet worden sei. Mit dieser Angabe ist ein vorsätzlich-missbräuchliches Verhalten der Antragstellerin nicht hinreichend konkret nachgewiesen (wie hier Roth, IPRax 2017, 63, 64: denkbar sei, dass der Antragsteller die Gerichtsstandsvereinbarung für unwirksam gehalten hat).
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Art. 20 EG-MahnVO
Überprüfung in Ausnahmefällen
V. Deutsche Durchführungsvorschriften 56
Art. 20 EG-MahnVO legt nur die Zuständigkeit des Ursprungsmitgliedstaats fest. Die örtliche, sachliche und funktionale Zuständigkeit sowie die Ausgestaltung des Verfahrens bleibt gem. Art. 26 EGMahnVO den nationalen Gesetzgebern überlassen. In Deutschland ist nach § 1087 ZPO ausschließlich das AG Wedding für die Überprüfung des für vollstreckbar erklärten EZB zuständig. Funktional zuständig ist der Richter und nicht der Rechtspfleger (§ 20 Nr. 7 RPflG).68 Das Gericht entscheidet gem. § 1092 Abs. 1 ZPO durch einen – unanfechtbaren69 – Beschluss. Fällt die Forderung in die Zuständigkeit der ArbG, ist gem. § 46b Abs. 2 ArbGG das ArbG zuständig, das für die im Urteilsverfahren erhobene Klage zuständig sein würde.
57
Nach § 1092 Abs. 2 ZPO hat der Antragsgegner die Tatsachen, die eine Aufhebung des EZB begründen, glaubhaft zu machen. Dies gilt nicht nur in den Fällen des Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO – also bei der unverschuldeten Versäumnis der Einspruchsfrist –, sondern auch bei Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO.
58
Erklärt das Gericht den EZB hiernach für nichtig, endet gem. § 1092 Abs. 3 ZPO das Verfahren. Es findet m.a.W. – anders als bei Einlegung eines Einspruchs, Art. 17 EG-MahnVO – keine Überleitung in ein streitiges Verfahren statt (vgl. näher oben Rz. 9 ff.).70
59
Hat der Antragsgegner einen Antrag nach Art. 20 EG-MahnVO gestellt, so kann er gem. § 1095 Abs. 1 S. 1 ZPO i.V.m. § 707 ZPO die Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne oder gegen Sicherheitsleistung beantragen.71 Hierfür zuständig ist nach § 1095 Abs. 1 S. 2 ZPO das Gericht, das über den Antrag nach Art. 20 EG-MahnVO entscheidet, also entweder das AG Wedding oder – in Arbeitssachen – das zuständige ArbG. Soweit aus dem in Deutschland erlassenen und für vollstreckbar erklärten EZB in einem anderen EU-Mitgliedstaat vollstreckt werden soll, kann der Antragsgegner dort einen Antrag nach Art. 23 EG-MahnVO stellen.
60
Selbstverständlich kann sich der Antragsteller sowohl auf eine unverschuldete Versäumnis der Einspruchsfrist nach Abs. 1 als auch auf eine offensichtliche Unrichtigkeit des EZB nach Abs. 2 berufen. Da es sich hierbei um zwei verschiedene Gegenstände handelt, kann der Antragsteller insoweit auch zwei Anträge stellen, also insb. einen Antrag nach Abs. 2 nachschieben, wenn er mit einem Antrag nach Abs. 1 nicht durchgedrungen ist.
VI. Rechtsbehelf bei fehlender oder nicht ordnungsgemäßer Zustellung des EZB 1. Nichteinhaltung der Art. 13–15 EG-MahnVO 61
Das Mahngericht hat, bevor es den EZB für vollstreckbar erklärt, zu prüfen, ob der EZB dem Antragsgegner nach Maßgabe der Art. 13–15 EG-MahnVO ordnungsgemäß zugestellt wurde (s. Art. 18 Rz. 3). Gelangt es zu der Erkenntnis, dass keine ordnungsgemäße Zustellung vorliegt, darf es den EZB nicht für vollstreckbar erklären.72 In der Rs. eco cosmetics hat der EuGH ausgeführt, dass in einem solchen Fall die Einspruchsfrist nach Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO nicht zu laufen beginne; hieraus folge wiederum, dass eine Vollstreckbarerklärung des EZB, die ungeachtet dieses Verstoßes erfol-
68 RegE BT-Drucks. 16/8839, 30 re. Sp. 69 Die EG-MahnVO enthält keine Regelungen über die Anfechtbarkeit der Entscheidung des Gerichts im Überprüfungsverfahren; insoweit ist also gem. Art. 26 EG-MahnVO das nationale Recht maßgeblich (Kodek in Geimer/Schütze, Rz. 35). 70 RegE, BT-Drucks. 16/8839, 24 re. Sp. 71 Die EG-MahnVO enthält für die Vollstreckung des EZB in dem Mitgliedstaat, in dem er erlassen wurde, keine Regelungen. Demgemäß konnte diese Frage durch den deutschen Gesetzgeber geregelt werden (vgl. RegE, BTDrucks. 16/8839, 25). 72 Rauscher in Rauscher, EuZPR2 (2006), Einf. EGMahnVO Rz. 25; Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 13 Rz. 4; Kormann, S. 134.
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Vollstreckbarkeit und Überprüfung des Europ. Zahlungsbefehls
Art. 20 EG-MahnVO
ge, „als ungültig anzusehen“ sei73 bzw. der Verstoß gegen die Art. 13–15 EG-MahnVO, „sofern er ordnungsgemäß nachgewiesen ist, die Ungültigkeit der Vollstreckbarerklärung zur Folge haben muss“.74 Art. 20 EG-MahnVO regelt nicht, welchen Rechtsbehelf der Antragsgegner hat, wenn das Mahngericht 62 den EZB unter Verstoß gegen diese Vorgabe für vollstreckbar erklärt hat. In der Literatur ist insoweit eine analoge Anwendung von Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO75 oder von Abs. 276 vorgeschlagen worden. Der EuGH hat sich allerdings – abweichend von den bisher in der deutschen Literatur unterbreiteten Vorschlägen – in der Rs. eco cosmetics für eine andere Lösung entschieden: Seiner Auffassung nach ist Art. 20 EG-MahnVO weder unmittelbar noch analog anwendbar; das Überprüfungsverfahren nach Art. 20 EG-MahnVO greife, wie sich bereits aus der Überschrift von Art. 20 EG-MahnVO ergebe, nur in den „dort abschließend aufgezählten Ausnahmefällen“ ein, zu denen die fehlende oder nicht den Anforderungen des Art. 13–15 EG-MahnVO genügende Zustellung nicht zähle.77 Es sei folglich Aufgabe der nationalen Gesetzgeber, einen geeigneten Rechtsbehelf vorzusehen. Dies ergebe sich aus Art. 26 EG-MahnVO; hiernach richteten sich verfahrensrechtliche Fragen, die in der Verordnung nicht ausdrücklich geregelt sind, nach den nationalen Rechtsvorschriften.78 Das Urteil des EuGH überzeugt nicht. Art. 26 EG-MahnVO kann nicht entnommen werden, dass eine analoge Anwendung einzelner Vorschriften der EG-MahnVO a priori ausscheidet. Ferner besteht näher betrachtet kaum ein Zweifel daran, dass der EU-Gesetzgeber mit Art. 20 EG-MahnVO eine erschöpfende und für alle Mitgliedstaaten einheitliche Regelung auf der Rechtsbehelfsebene beabsichtigt hat. Dies alles hätte – da insoweit eine planwidrige Regelungslücke innerhalb der EG-MahnVO besteht – eine Analogie zu Art. 20 EG-MahnVO nahegelegt.79 Die Lösung des EuGH führt dazu, dass das europäische Mahnverfahren an einer entscheidenden Stelle (entgegen der Grundintention des EU-Gesetzgebers) in die Hände der Mitgliedstaaten gelegt wird und zersplittert.80 Die Kommission hat dementsprechend vorgeschlagen, Art. 20 EG-MahnVO zu ändern und so zu erweitern, dass in derartigen Fällen ein unionsweiter Rechtsbehelf gegeben ist.81
63
Der deutsche Gesetzgeber hat mittlerweile – dem Auftrag des EuGH Folge leistend – in § 1092a ZPO einen eigenen nationalen Rechtsbehelf geschaffen. Nach § 1092a Abs. 1 S. 1 ZPO kann der Antragsgegner die Aufhebung des EZB beantragen, wenn ihm der EZB nicht zugestellt worden ist (Abs. 1 S. 1 Nr. 1) oder er in einer nicht den Anforderungen der Art. 13–15 EG-MahnVO genügenden Weise zugestellt worden ist (Abs. 1 S. 1 Nr. 2).82 Der Antrag ist allerdings fristgebunden: Er muss innerhalb eines Monats ab dem Zeitpunkt gestellt werden, in dem der Antragsgegner Kenntnis vom Erlass des
64
73 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 43, 48 mit abl. Anm. Sujecki, EuZW 2014, 917. 74 Antwort des EuGH auf die Vorlagefragen in den verbundenen Rs. C-119/13 und C-120/13, ECLI:EU:C:2014: 2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk. 75 Siehe Ulrici in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl. 2013 Rz. 8 (für Anwendung von lit. a). 76 Etwa Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1107; Kodek in Geimer/Schütze, Rz. 29. 77 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 44 mit abl. Anm. Sujecki, EuZW 2014, 917. 78 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 47 ff. 79 Abl. auch Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 12 ff.; Sujecki, EuZW 2014, 917 ff. 80 Sujecki, EuZW 2014, 917, 918. 81 Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens v. 13.10.2015 (COM(2015) 495 final), Punkt 3.8. 82 In der Literatur wird die Regelung des § 1092a Abs. 1 ZPO für verordnungswidrig gehalten, u.a. deswegen, weil der EuGH in der Rs. eco cosmetics den Mitgliedstaaten insoweit keinen Raum zu Schaffung eines eigenständigen Rechtsbehelfs gegeben habe; die Ausführungen des EuGH beschränkten sich allein auf den Zeitraum nach Vollstreckbarerklärung (Ulrici in MünchKomm/ZPO, § 1092a Rz. 5; BeckOK/Thode, § 1092a Rz. 14; a.A. Musielak/Voit/Voit, § 1092a Rz. 2 (die Gegenauffassung verkenne, dass dem Antragsgegner ein Zuwarten bis zur Vollstreckbarerklärung unzumutbar sein könne; es sei nicht erkennbar, dass die EG-MahnVO in diesem Fall einen Rechtsbehelf ausschließen wolle)).
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Art. 20 EG-MahnVO
Überprüfung in Ausnahmefällen
EZB oder des Zustellungsmangels gehabt hat oder hätte haben können. Hat das Gericht den EZB bereits für vollstreckbar erklärt, so erklärt es im Falle eines begründeten Antrags nach Abs. 1 S. 1 zugleich die Zwangsvollstreckung aus dem EZB für unzulässig (§ 1092a Abs. 2 ZPO). 65
In der Literatur wird die Einführung einer Monatsfrist durch den deutschen Gesetzgeber verschiedentlich für verordnungswidrig gehalten. Nach dieser Auffassung liefe diese Koppelung des Rechtsbehelfs an eine Frist auf eine Heilung der unwirksamen Zustellung sowie in der Folge auch der Vollstreckbarerklärung hinaus“; dies sei mit den Vorgaben der EG-MahnVO und dem Urteil des EuGH in der Rs. eco cosmetics nicht vereinbar.83 Die Entscheidung des EuGH ist der Rs. eco cosmetics ist an dieser Stelle allerdings mehrdeutig. Zunächst führt der EuGH aus, dass die Vollstreckbarerklärung als „ungültig“ anzusehen sei (vgl. oben Rz. 61).84 Daraus könnte man ableiten, dass dem nationalen Gesetzgeber nach Auffassung des EuGH nicht die Möglichkeit offensteht, den Rechtsbehelf an die Einhaltung einer Frist zu koppeln: Denn eine ex lege bestehende „Ungültigkeit“ kann (vorbehaltlich besonderer Vorschriften zur Heilung der Ungültigkeit) grundsätzlich zeitlich unbeschränkt geltend gemacht werden.85 Allerdings lassen die Formulierungen des EuGH auch eine andere Deutung zu: Die Vorlagefrage wird vom EuGH in dem Sinne beantwortet, dass der Antragsgegner die Möglichkeit haben müsse, den Zustellungsfehler zu beanstanden, „der, sofern er ordnungsgemäß nachgewiesen ist, die Ungültigkeit der Vollstreckbarerklärung zur Folge haben muss“.86 Diese Formulierung lässt die Möglichkeit offen, dass die „Ungültigkeit der Vollstreckbarerklärung“ nicht notwendigerweise bereits kraft Gesetzes angenommen werden muss, sondern von einem Nachweis durch den Antragsgegner in einem vom nationalen Recht vorzusehenden Verfahren abhängig gemacht werden kann, der seinerseits dann eine entsprechende konstitutive (Gestaltungs-)Entscheidung des Gerichts zur Folge hat.
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Es spricht nach der hier vertretenen Auffassung mehr dafür, dass der EuGH hier den Mitgliedstaaten einen Regelungsspielraum belassen wollte. Der EuGH betont ja gerade, dass die EG-MahnVO für diesen Fall nicht regele, welche Rechtsbehelfe dem Antragsgegner zustehen, und überträgt die Einführung geeigneter Rechtsbehelfe auf die nationalen Gesetzgeber.87 Zu der Ausgestaltung eines Rechtsbehelfs gehört aber auch die Entscheidung darüber, ob der Rechtsbehelf innerhalb einer gewissen Frist erhoben werden muss oder zeitlich unlimitiert zulässig ist.88 Es könnte also sein, dass der EuGH mit der Formulierung, dass die Vollstreckbarerklärung als „ungültig“ anzusehen sei, nicht notwendigerweise eine zeitlich unlimitiert geltend zu machende „Nichtigkeit“ anordnen bzw. den Mitgliedstaaten eine solche Lösung zwingend vorschreiben wollte. Ansonsten wäre von der Regelungshoheit der Mitgliedstaaten letztlich nicht mehr allzu viel übrig: Sie wären de facto darauf beschränkt, ein (zeitlich unlimitiertes) Verfahren zur Feststellung der Nichtigkeit der Vollstreckbarerklärung vorzusehen. Auch den Schlussanträgen des Generalanwalts Yves Bot lässt sich nicht klar entnehmen, dass der vom EuGH verwendete Begriff der „Ungültigkeit“ (notwendigerweise) im Sinne einer zeitlich unlimitiert geltend zu machenden ex lege-Nichtigkeit verstanden werden muss.89 Sicher lässt sich aber 83 Ulrici in MünchKomm/ZPO, § 1092a Rz. 6; Ulrici, EuZW 2017, 367, 370; dem folgend BeckOK/Thode, § 1092a Rz. 13. 84 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 43, 48. 85 Ulrici in MünchKomm/ZPO, § 1092a Rz. 6; Ulrici, EuZW 2017, 367, 370. 86 Antwort des EuGH auf die Fragen des KG in den verbundenen Rs. C-119/13 und C-120/13, ECLI:EU:C:2014: 2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk. 87 EuGH v. 4.9.2014 – Rs. C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 47. Der EuGH betont, „dass sich die verfahrensrechtlichen Fragen in einem solchen Fall gem. Art. 26 der Verordnung Nr. 1896/2006 weiterhin nach den nationalen Rechtsvorschriften richten.“ 88 Ulrici in MünchKomm/ZPO, § 1092a Rz. 6 konzediert, dass für eine Befristung des Rechtsbehelfs „gute Gründe wie insb. die Wertung von Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO a.E.“ sprechen. 89 Schlussanträge des Generalanwalts Yves Bot in den verbundenen Rs. C-119/13 und C-120/13, ECLI:EU:C: 2014:248 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk. Einerseits formuliert der Generalanwalt seinen Entscheidungsvorschlag dahingehend, dass „der Antragsgegner über einen eigenständigen Rechtsbehelf verfügen müsse, der es ihm ermögliche, die Ungültigkeit des EZB „feststellen zu lassen“ (Rz. 53 und Schlussantrag). Diese Formu-
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Vollstreckbarkeit und Überprüfung des Europ. Zahlungsbefehls
Art. 20 EG-MahnVO
nicht sagen, welchen genauen Inhalt die EuGH-Vorgaben in diesem Punkt haben sollen. Letztlich kann die Frage nach der Verordnungskonformität des Fristerfordernisses daher wohl nur durch ein (erneutes) Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH geklärt werden. 2. Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 EG-ZustVO Gemäß Art. 27 EG-MahnVO sind die Vorschriften der EG-ZustVO auch im Anwendungsbereich der EG-MahnVO anzuwenden. Nach Art. 8 EG-ZustVO90 ist der Antragsgegner davon in Kenntnis zu setzen, dass er die Annahme des EZB (und der gem. Art. 12 Abs. 2 EG-MahnVO mit dem EZB zuzustellenden Abschrift des Antragsformulars) verweigern oder den EZB der Empfangsstelle binnen einer Woche zurücksenden darf, wenn das Schriftstück nicht in einer der Sprachen abgefasst ist, die der Antragsteller versteht oder die die Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats ist.91 Soweit gegen Art. 8 EG-ZustVO verstoßen worden ist, darf der EZB nicht für vollstreckbar erklärt werden (Art. 12 EG-MahnVO Rz. 9 ff.).
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Fraglich ist auch hier, ob dann, wenn ein unter Verstoß gegen Art. 8 EG-ZustVO zugestellter EZB für vollstreckbar erklärt wird, Art. 20 EG-MahnVO analog angewendet werden kann oder ob die Schaffung eines geeigneten Rechtsbehelfs auch in diesem Fall den Mitgliedstaaten obliegt. Bereits die Argumentation des EuGH in der Rs. eco cosmetics spricht gegen die Möglichkeit einer analogen Anwendung des Art. 20 EG-MahnVO in dieser Konstellation; denn nach dem EuGH greift Art. 20 EG-MahnVO nur in den dort „abschließend aufgezählten Ausnahmefällen“ ein.92
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Dies ist sodann durch die Entscheidung des EuGH in der Rs. Catlin Europe SE/O. K. Trans Praha spol. 69 [xxx]. r. o. bestätigt worden. Hier hatte der Oberste Gerichtshofs der Tschechischen Republik gefragt, ob die fehlende Belehrung nach Art. 8 Abs. 1 EG-ZustVO den Antragsgegner dazu berechtige, eine Überprüfung des Europäischen Zahlungsbefehls gem. Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO zu beantragen.93 In dem vom EuGH geschilderten Sachverhalt ist allerdings nicht die Rede davon, dass der EZB bereits für vollstreckbar erklärt worden ist.94 Der EuGH hat dementsprechend entschieden, dass Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO nicht anzuwenden ist. Vielmehr sei der Verfahrensfehler dadurch zu beheben, dass der Betroffene nachträglich von seinem Recht in Kenntnis gesetzt werde, die Annahme des Schriftstücks zu verweigern; zu diesem Zweck sei ihm das Formblatt aus Anhang II der EG-MahnVO
90 91 92
93 94
lierung ließe sich eventuell in dem Sinne eines (nicht fristgebundenen) Feststellungsantrags deuten. Andererseits spricht der Generalanwalt in Rz. 51 seiner Schlussanträge wieder davon, dass „der Zahlungsbefehl für ungültig erklärt“ werden müsse. Diese Formulierung weist eher auf eine (gestaltende) Aufhebung des EZB und nicht auf eine (nur) feststellende Entscheidung hin. Ab dem 1.7.2022 tritt an die Stelle von Art. 8 EG-ZustVO der inhaltlich leicht modifizierte Art. 12 der Neufassung der EG-ZustVO (Verordnung (EU) 2020/1784). Nach dem ab dem 1.7.2022 anwendbaren Art. 12 Abs. 3 der Neufassung der EG-ZustVO (Verordnung (EU) 2020/1784) kann der Empfänger die Annahme durch eine schriftliche Erklärung innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt der Zustellung verweigern (hierzu näher Sujecki, EuZW 2021, 286, 290). EuGH v. 4.9.2014 in den verbundenen Rs. C-119/13 und C-120/13 ECLI:EU:C:2014:2144 eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 44. Auch die Kommission neigt diesem Verständnis zu. Siehe Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (COM(2015) 495 final, dort Punkt 3.8: „Aus dem Urteil des Gerichtshof in den Rechtssachen C-119/13 und C-120/13 folgt, dass ein wesentliches Element beim Schutz der Verteidigungsrechte im Rahmen des einheitlichen Europäischen Mahnverfahrens, nämlich das Recht eines säumigen Antragsgegners auf Wiedereröffnung des Verfahrens im Fall von Fehlern bei der Zustellung des Zahlungsbefehls, als nicht durch die Verordnung geregelt angesehen wird, sondern den nationalen Rechtsvorschriften unterliegt.“ EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 – Catlin Europe SE vs. O. K. Trans Praha spol. s. r. o.; so auch bereits die Schlussanträge des Generalanwalts Melchior Wathelet vom 29.5.2018 – C-21/17 ECLI:EU:C: 2018:341 – Catlin Europe SE vs. O. K. Trans Praha spol. s. r. o. In Rz. 19 des Urteils heißt es nur, dass der EZB am 3.9.2012 „vollstreckbar geworden“ sei; von einer tatsächlich erfolgten Vollstreckbarerklärung ist nicht die Rede (vgl. auch die englische und französische Fassung „became enforceable“ bzw. „est devenue exécutoire“).
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Art. 20 EG-MahnVO
Überprüfung in Ausnahmefällen
zu übermitteln. Erst mit der Belehrung über das Recht zur Verweigerung der Annahme des Schriftstücks beginne sodann die Einspruchsfrist nach Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO zu laufen.95 70
Der EuGH geht nicht explizit darauf ein, wie zu verfahren gewesen wäre, wenn das Gericht ungeachtet dessen den EZB doch – zu Unrecht – für vollstreckbar erklärt hätte. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der EuGH hier anders entscheiden würde als in der Rs. eco cosmetics: Er würde auch in dieser Fallvariante eine analoge Anwendung von Art. 20 EG-MahnVO ablehnen, sondern wiederum von einer Verpflichtung der Mitgliedstaaten ausgehen, in den entsprechenden Fällen einen Rechtsbehelf auf der Ebene des nationalen Rechts vorzusehen.96
71
Das deutsche Recht enthält für diesen Fall keinen unmittelbar einschlägigen Rechtsbehelf. De lege lata dürfte von einer entsprechenden Anwendung von § 1092a ZPO auszugehen sein. § 1092a ZPO erfasst den Fall einer fehlerhaften Vollstreckbarerklärung für den Fall, dass gar nicht oder nach Maßgabe der Art. 13–15 EG-MahnVO fehlerhaft zugestellt worden ist. In den Fällen, in denen gegen Art. 8 EGZustVO verstoßen wurde, besteht eine vergleichbare Interessenlage: Wie in den Fällen, in denen nicht oder nach Maßgabe der Art. 13–15 EG-MahnVO fehlerhaft zugestellt worden ist, ist der Antragsgegner aufgrund eines Fehlers im Zusammenhang mit der Zustellung daran gehindert, rechtzeitig innerhalb der Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO Einspruch einzulegen. Dies rechtfertigt eine Gleichbehandlung beider Fälle im Wege einer (analogen) Anwendung von § 1092a ZPO. 3. Verstoß gegen sonstiges (nationales) Zustellungsrecht
72
Im Falle der Auslandszustellung ist im Rahmen der Vollstreckbarerklärung nur zu prüfen, ob bei der Zustellung die Anforderungen der Art. 13–15 EG-MahnVO erfüllt worden sind. Es ist nicht weiter zu prüfen, ob die Zustellungsvorschriften des jeweils anwendbaren ausländischen (Zustellungs-)Rechts eingehalten worden sind (s. näher Art. 12 EG-MahnVO Rz. 21 ff.). Dementsprechend besteht auch keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, für den Fall des Verstoßes gegen nationale Zustellungsvorschriften, die nicht zugleich einen Verstoß gegen den Art. 13–15 EG-MahnVO darstellen, einen Rechtsbehelf vorzusehen. Eine andere Frage besteht darin, ob die EG-MahnVO den Mitgliedstaaten eine entsprechende Möglichkeit zur Schaffung derartiger Rechtsbehelfe belässt. Dem steht entgegen, dass die EG-MahnVO grds. den Anspruch erhebt, die Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung eines EZB bzw. die Verweigerung der Vollstreckbarerklärung des EZB abschließend zu regeln (näher Art. 12 EG-MahnVO Rz. 21). In jedem Fall hat der deutsche Gesetzgeber einen solchen Rechtsbehelf nicht vorgesehen; § 1092a ZPO beschränkt sich auf die Fälle der gänzlich fehlenden Zustellung bzw. des Verstoßes gegen die Art. 13–15 EG-MahnVO.
73
Im Falle der Inlandszustellung dürfte allerdings vor der Vollstreckbarerklärung zu prüfen sein, ob die (deutschen) Vorschriften über die Zustellung eingehalten worden sind (Art. 12 EG-MahnVO Rz. 21 ff.). Dann dürfte korrespondierend auch eine Möglichkeit des nationalen Gesetzgebers bestehen, für diesen Fall Rechtsbehelfe vorzusehen. § 1092a ZPO ist allerdings seinem Wortlaut nach ausdrücklich auf Verstöße gegen die Art. 13–15 EG-MahnVO beschränkt. Man könnte aus dieser Vorschrift den Umkehrschluss ziehen, dass bei „einfachen“ Verstößen gegen Zustellungsrecht, die nicht zugleich zu einem Verstoß gegen die Mindestanforderungen nach Art. 13–15 EG-MahnVO führen, kein Rechtsbehelf gegeben sein soll. Bei der Schaffung der Vorschrift hatte der deutsche Gesetzgeber allerdings nur die Umsetzung der Entscheidung des EuGH in der Rs. eco cosmetics GmbH vor Augen, die sich ihrerseits unmittelbar nur auf einen Zustellungsmangel bezieht, der zugleich zu einem Verstoß gegen die Art. 13–15 EGMahnVO führt. Insoweit spricht mehr dafür, dass hier eine planwidrige Regelungslücke vorliegt, die (sinnvoll) nur durch eine analoge Anwendung von § 1092a ZPO geschlossen werden kann.97 95 EuGH v. 6.9.2018 – C-21/17, ECLI:EU:C:2018:675 – Catlin Europe SE vs. O. K. Trans Praha spol. s. r. o. 96 In Rz. 53 nimmt der EuGH zur Bestätigung seiner Lösung, dass bei fehlender Belehrung nach Art. 8 Abs. 1 EG-ZustVO die Einspruchsfrist nicht zu laufen beginnt, auf die Entscheidung eco cosmetics Bezug. Wie hier Drehsen, IPRax 2019, 378, 381. 97 So auch Ulrici in MünchKomm/ZPO, § 1092a Rz. 8; BeckOK/Thode, § 1090 Rz. 16. Insbesondere erschiene es widersprüchlich, für den Rechtsbehelf bei Zustellungsfehlern, die zugleich zu einem Verstoß gegen die Artt. 13–15 EG-MahnVO führen, eine Antragsfrist von einem Monat vorzusehen (§ 1092a Abs. 1 S. 2 ZPO), um dann bei Verstößen gegen deutsches Zustellungsrecht, bei denen das Mindestniveau der Artt. 13–15 EGMahnVO nicht unterschritten wird, einen zeitlich unbefristeten Rechtsbehelf zuzulassen.
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Vollstreckbarkeit und Überprüfung des Europ. Zahlungsbefehls
Art. 20 EG-MahnVO
VII. Rechtsbehelf in sonstigen Fällen zu Unrecht erfolgter Vollstreckbarerklärung Für die Wahrung der Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO kommt es nicht auf den Eingang des Einspruchs bei Gerichts, sondern dessen Versendung an (s. Art. 16 EG-MahnVO Rz. 9 ff.). Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO erfasst dementsprechend den Fall, dass der Antragsgegner innerhalb der Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO keinen Einspruch „eingelegt“ hat. Die Vorschrift bezieht sich demgegenüber nicht auf den Fall, dass der Antragsgegner zwar innerhalb der Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO einen Einspruch ordnungsgemäß versendet hat, dieser Einspruch aber überhaupt nicht oder nicht innerhalb der eines angemessenen Zeitraums für die Übermittlung beim Gericht eingegangen ist und das Gericht deshalb (noch vor Eingang des Einspruchs) den EZB für vollstreckbar erklärt.
74
Dass dem Antragsgegner in diesen Fällen ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen muss, ist indes eindeutig (vgl. oben Art. 16 EG-MahnVO Rz. 12). Es stellt sich lediglich (erneut) die Frage, ob Art. 20 Abs. 1 oder Abs. 2 EG-MahnVO (analog) einschlägig sind98 oder ob es Aufgabe der Mitgliedstaaten ist, einen geeigneten Rechtsbehelf in ihrem nationalen Recht vorzusehen. Die Argumentation des EuGH ist der Rs. eco cosmetics spricht wiederum dafür, dass die Schaffung eines geeigneten Rechtsbehelfs den Mitgliedstaaten obliegt. Erneut dürfte de lege lata die Lücke im Rechtsschutzsystem am besten durch eine entsprechende Anwendung von § 1092a ZPO zu schließen sein.99 Der Fall des „verloren gegangenen“ Einspruchs ist mit dem in § 1092a ZPO unmittelbar erfassten Fall einer Vollstreckbarerklärung bei in Wahrheit gar nicht erfolgter Zustellung vergleichbar. In beiden Fällen geht es um Störungen bei der Zustellung bzw. Übermittlung eines Schriftstücks (des EZB bzw. des Einspruchs), die außerhalb des Risikobereichs des Antragsgegners liegen.
75
Dasselbe gilt richtigerweise dann, wenn Einspruch rechtzeitig versendet worden und auch bei Gericht innerhalb des angemessenen Zeitraums i.S.d. Art. 18 Abs. 1 S. 1 EG-MahnVO eingegangen ist, aber der EZB trotzdem (zu Unrecht) für vollstreckbar erklärt worden ist. Zu denken ist etwa an die Fälle, in denen der Einspruch beim Gericht schlicht übersehen wurde oder das Gericht die Frist für die Versendung des Einspruchs falsch berechnet hat. Auch hier muss ein Rechtsbehelf vorgesehen werden; de lege lata scheint eine analoge Anwendung von § 1092a ZPO auch insoweit am ehesten zu überzeugen.
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VIII. Vollstreckungsabwehrklage In der EG-MahnVO nicht geregelt ist die Frage, ob und in welcher Weise der Antragsgegner materiel- 77 le Einwendungen gegen den EZB, die erst nach dessen Zustellung entstanden sind, im Ursprungsmitgliedstaat geltend machen kann. Nach Art. 26 EG-MahnVO bleibt diese Frage dem nationalen Recht überlassen.100 Hiervon zu trennen ist die Frage, ob derartige Einwendungen auch im Vollstreckungsmitgliedstaat vorgebracht werden können (vgl. unten Art. 22 EG-MahnVO Rz. 39 ff.). Das deutsche Recht setzt in § 1095 ZPO voraus, dass gegen den in Deutschland erlassenen und dort für vollstreckbar erklärten EZB – wie gegen andere Titel auch – die Vollstreckungsabwehrklage erhoben werden kann. § 1095 Abs. 2 ZPO enthält insoweit eine Präklusionsregel, die dem für (inländische) Vollstreckungsbescheide geltenden § 796 Abs. 2 ZPO nachgebildet ist.101 Einwendungen, die den Anspruch selbst betreffen, sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf denen sie beruhen, nach Zustellung des EZB entstanden sind und durch Einspruch nach Art. 16 EG-MahnVO nicht mehr geltend gemacht werden können.102 Es wird allerdings mit beachtlichen Gründen bezweifelt, 98 Für eine analoge Anwendung von Art. 20 Abs. 2 Rauscher in Rauscher, EuZPR2 (2006), Einf. EGMahnVO Rz. 30; Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1104; Kormann, S. 162; Mayr, JBl 2008, 503, 516 Fn. 14; a.A. allerdings Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 15 (analoge Anwendung von Abs. 1 lit. b). 99 Abweichend Ulrici in MünchKomm/ZPO, § 1092a Rz. 8 (analoge Anwendung von § 1104 ZPO). 100 Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 310; zur entsprechenden Situation bei der EG-VollstrTitelVO Wagner, IPRax 2005, 401, 405. 101 RegE BT-Drucks. 16/8839, 25 re. Sp. 102 Zum Zeitpunkt des Entstehens der Einwendung bei der Ausübung von Gestaltungsrechten Preuß, ZZP 122 (2009), 3, 20 f.
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Art. 21 EG-MahnVO
Vollstreckung
dass diese (strenge) Präklusionsregel mit dem europäischen Verbraucher-Richtlinienrecht vereinbar ist.103
IX. Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat nach durchgeführter Vollstreckung 1. Vollstreckung des nach Art. 20 EG-MahnVO für nichtig erklärbaren EZB 79
Nicht anwendbar ist Art. 20 EG-MahnVO auf die Frage, welche Rechtsbehelfe der Antragsgegner ggf. noch hat, wenn aus dem EZB bereits gegen ihn vollstreckt worden ist. Art. 20 EG-MahnVO ermöglicht nur die Nichtigerklärung des EZB. Diese hilft dem Antragsgegner dann, wenn bereits gegen ihn vollstreckt worden ist, nicht mehr weiter.
80
Die Frage nach Rechtsbehelfen und Ausgleichsansprüchen im Anschluss an eine Vollstreckung aus dem EZB bleibt daher gem. Art. 26 EG-MahnVO dem verfahrensrechtlichen bzw. materiellen Recht des Ursprungsmitgliedstaats überlassen. Die EG-MahnVO stellt verfahrensrechtlichen Regelungen bzw. materiell-rechtlichen Ausgleichsansprüchen nicht grundsätzlich entgegen.
81
Art. 20 EG-MahnVO setzt verfahrensrechtlichen Regelungen bzw. materiell-rechtlichen Ausgleichsansprüchen des nationalen Rechts nach seinem Sinn und Zweck aber eine Obergrenze. Es darf nicht sein, dass die Voraussetzungen, die Art. 20 EG-MahnVO an eine Nichtigerklärung stellt, durch Vorschriften des nationalen Rechts (nachträglich) wieder relativiert werden
82
Das nationale Recht kann daher insbesondere Rechtsbehelfe bzw. materiell-rechtliche Ausgleichsansprüche für den Fall vorsehen, dass der EZB gem. Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO für nichtig erklärt werden konnte. Im Anschluss an eine erfolgte Vollstreckung kann für diesen Fall nach dem deutschen Recht nach den zu § 826 BGB entwickelten Grundsätzen Schadensersatz verlangt werden.104 Soweit der EZB grds. gem. Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO für nichtig hätte erklärt werden können, scheidet ein Rückgängigmachen der Vollstreckungsfolgen allerdings aus, wenn der Antragsgegner nicht i.S.d. Vorschrift „unverzüglich tätig geworden ist“. Anderenfalls würde das in der Vorschrift enthaltene Erfordernis, dass der Antragsgegner unverzüglich tätig werden muss, letztlich durch Rückgängigmachung der Vollstreckungsfolgen wieder entwertet. 2. Vollstreckung des nach nationalem Recht aufhebbaren EZB
83
Nach Auffassung des EuGH ist Art. 20 EG-MahnVO nicht (analog) anwendbar, wenn der EZB für vollstreckbar erklärt worden ist, obwohl bei der Zustellung die Art. 13–15 EG-MahnVO missachtet worden sind. Dasselbe gilt, wenn bei der Zustellung Art. 8 EG-ZustVO105 nicht beachtet worden ist, sowie in den in Rz. 74 ff. beschriebenen sonstigen Fällen zu Unrecht erfolgter Vollstreckung. In diesen Fällen ist es Aufgabe des nationalen Rechts, einen geeigneten Rechtsbehelf vorzusehen; das nationale Recht gilt konsequenterweise auch für die Rechtsbehelfe bzw. materiell-rechtlichen Ausgleichsansprüche im Anschluss an eine Vollstreckung aus einem solchen EZB.
Artikel 21 Vollstreckung (1) Unbeschadet der Bestimmungen dieser Verordnung gilt für das Vollstreckungsverfahren das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. Ein vollstreckbar gewordener Europäischer Zahlungsbefehl wird unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie eine im Vollstreckungsmitgliedstaat vollstreckbar gewordene Entscheidung.
103 Eingehend Piekenbrock, JZ 2018, 855, 860 f. und JZ 2020, 848 f. 104 Abw. (§ 826 BGB sei generell ausgeschlossen) z.B. Kropholler/von Hein, Rz. 26. 105 Ab dem 1.7.2022 tritt an die Stelle von Art. 8 EG-ZustVO der inhaltlich leicht modifizierte Art. 12 der Neufassung der EG-ZustVO (Verordnung (EU) 2020/1784).
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Vollstreckbarkeit und Überprüfung des Europ. Zahlungsbefehls
Art. 21 EG-MahnVO
(2) Zur Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat legt der Antragsteller den zuständigen Vollstreckungsbehörden dieses Mitgliedstaats folgende Dokumente vor: a) eine Ausfertigung des von dem Ursprungsgericht für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehls, die die für seine Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und b) gegebenenfalls eine Übersetzung des Europäischen Zahlungsbefehls in die Amtssprache des Vollstreckungsmitgliedstaats oder – falls es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt – nach Maßgabe der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats in die Verfahrenssprache oder eine der Verfahrenssprachen des Ortes, an dem die Vollstreckung betrieben wird, oder in eine sonstige Sprache, die der Vollstreckungsmitgliedstaat zulässt. Jeder Mitgliedstaat kann angeben, welche Amtssprache oder Amtssprachen der Organe der Europäischen Union er neben seiner oder seinen eigenen für den Europäischen Zahlungsbefehl zulässt. Die Übersetzung ist von einer hierzu in einem der Mitgliedstaaten befugten Person zu beglaubigen. (3) Einem Antragsteller, der in einem Mitgliedstaat die Vollstreckung eines in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen Europäischen Zahlungsbefehls beantragt, darf wegen seiner Eigenschaft als Ausländer oder wegen Fehlens eines inländischen Wohnsitzes oder Aufenthaltsorts im Vollstreckungsmitgliedstaat eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, nicht auferlegt werden. Abs. 1 S. 1 legt fest, dass sich die Vollstreckung des EZB nach den Regeln des Vollstreckungsmitgliedstaats richtet. Hiermit ist das Vollstreckungsverfahren ieS gemeint. Zu den zu beachtenden Regeln des Vollstreckungsmitgliedstaats zählen etwa das Antragserfordernis, evtl Vorschriften über Kostenvorschüsse, die zuständigen Vollstreckungsorgane, das pfändbare Vermögen und vor allem auch die zwangsvollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe. Die formalen Vollstreckungsvoraussetzungen bestimmen sich demgegenüber, wie sich dies aus Art. 18 Abs. 2 EG-MahnVO ergibt, nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats; hierzu zählen etwa Klauselerteilungserfordernisse (s. Art. 18 EG-MahnVO Rz. 6a).
1
Der EZB darf gem. Abs. 1 S. 2 nur unter den gleichen Bedingungen vollstreckt werden wie eine in dem Mitgliedstaat vollstreckbare Entscheidung. Damit sind Normen des nationalen Rechts, die besondere Voraussetzungen für die Vollstreckung des EZB vorsehen, unanwendbar. Die Vorschrift entspricht Art. 20 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO. In Durchführung von Abs. 1 legt § 794 Abs. 1 Nr. 6 ZPO fest, dass der für vollstreckbar erklärte EZB zu den inländischen Vollstreckungstiteln zählt; er bedarf gem. § 1093 ZPO keiner inländischen Vollstreckungsklausel.
1a
Abs. 2 legt fest, welche Urkunden der Antragsteller den zuständigen Vollstreckungsorganen des Vollstreckungsmitgliedstaats vorzulegen hat. Da Abs. 2 eine abschließende Regelung darstellt, kann der nationale Gesetzgeber keine weitergehenden Anforderungen aufstellen. Abs. 2 ist Art. 20 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO nachgebildet.
2
Nach Abs. 2 lit. a ist eine Ausfertigung des vom Ursprungsgericht für vollstreckbar erklärten EZB vorzulegen. Diese Ausfertigung muss die für die Beweiskraft des EZB erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Damit soll verhindert werden, dass aus ein und demselben für vollstreckbar erklärten EZB mehrfach gegen den Schuldner vollstreckt wird. Die Vorschrift entspricht damit Art. 42 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Kommentierung von Art. 20 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO verwiesen.
3
Ferner ist gem. Abs. 2 lit. b „gegebenenfalls“ eine Übersetzung des EZB beizufügen. Nach dem Wortlaut bezieht sich das Übersetzungserfordernis auf den gesamten EZB,1 nicht nur auf die für die Vollstreckung benötigten Formblätter. Es stellt sich sodann die Frage, ob eine Übersetzung bereits immer dann vorzulegen ist, wenn der EZB nicht in einer der im Vollstreckungsmitgliedstaat zugelassenen Sprachen verfasst ist,2 oder ob ein Übersetzungserfordernis nur unter der (zusätzlichen) Voraussetzung besteht, dass das für den EZB zur Verfügung stehende Formblatt um zusätzliche individuelle
4
1 Kindl/Meller-Hannich/Netzer, Rz. 8. 2 Siehe Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 9; Leible/Freitag, WM 2007, 1101, 1103 Fn. 44; Leible/Freitag, WM 2006, 2285, 2287.
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Art. 21 EG-MahnVO
Vollstreckung
Angaben ergänzt worden ist.3 Eine identische Streitfrage stellt sich im Rahmen von Art. 20 Abs. 2 lit. c EG-VollstrTitelVO.4 4a
Die Bundesregierung hat sich bei der Begründung zum Entwurf einer deutschen Durchführungsbestimmung (§ 1094 ZPO) für eine derartige (enge) Auslegung von Abs. 2 lit. b ausgesprochen; eine Übersetzung sei nur „im Ausnahmefall“ erforderlich.5 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass hier die Auslegung einer Norm des Unionsrechts (und nicht einer deutschen Durchführungsbestimmung) in Rede steht; die Ausführungen der Bundesregierung haben daher an dieser Stelle nur die Bedeutung einer unverbindlichen Meinungsäußerung.
4b
Dem Text von Abs. 2 lit. b ist eine solche zusätzliche Voraussetzung für das Übersetzungserfordernis nicht zu entnehmen. Die Wendung „gegebenenfalls“ verweist nur auf die nachfolgende Regelung, nach der die Mitgliedstaaten die im Einzelfall zugelassenen Sprachen anzugeben haben. Eine Übersetzungsnotwendigkeit besteht daher nach dem Wortlaut der Norm nicht immer, sondern selbstverständlich nur unter der Voraussetzung („gegebenenfalls“), dass der EZB nicht in einer der zugelassenen Sprachen verfasst ist. Dem Wortlaut und der Systematik der Vorschrift nach ist also im Ausgangspunkt von einem generellen Übersetzungserfordernis auszugehen.
4c
Allerdings ist zuzugeben, dass ein Übersetzungserfordernis dann, wenn es sich um ein schlicht ausgefülltes Formular handelt, als recht rigider Formalismus erscheint.6 Insoweit lässt sich – ausgehend von dem Sinn einer Übersetzung – ein Wegfall des Übersetzungserfordernisses dann annehmen, wenn der EZB auch dann, wenn er in einer fremden Sprache abgefasst ist, ohne weiteres verständlich ist.7 Es handelte sich hierbei aber nicht um ein im Wege der Auslegung. sondern nur der teleologischen Reduktion der Vorschrift erreichbares Ergebnis. Für eine entsprechende Reduktion sprechen auch die Materialien zur EG-VollstrTitelVO.8
4d
Tatsächlich hat der österrOGH im Hinblick auf die Bestätigung nach der EG-VollstrTitelVO eine gewisse Lockerung des Übersetzungserfordernisses befürwortet: Eine Übersetzung sei nur dann erforderlich, wenn die Bestätigung einen Inhalt habe, der über das Ankreuzen von Kästchen und die Angabe von Zahlen hinausgehe; allerdings müsse wegen der gebotenen strengen Prüfung immer dann eine Übersetzung angeschlossen werden, wenn die in der fremden Sprache ausgestellte Originalbestätigung samt Unterschrift Wörter dieser Fremdsprache enthalte.9 Diese vorsichtige Lockerung des Übersetzungserfordernisses dürfte sich grundsätzlich auch auf den EZB übertragen lassen.
4e
Soweit hiernach im Einzelfall (doch) eine Übersetzung erforderlich ist, hat der Gläubiger gem. § 1094 ZPO eine in deutscher Sprache verfasste Übersetzung vorzulegen. Weitere Amtssprachen hat der deutsche Gesetzgeber nicht zugelassen.10
5
Abs. 3 entspricht Art. 20 Abs. 3 EG-VollstrTitelVO und Art. 56 Brüssel Ia-VO/Art. 51 Brüssel I-VO. Die Vorschrift ist eine Ausprägung des generellen europäischen Diskriminierungsverbots aus Art. 18 AEUV (= ex Art. 12 EGV). Die Vorschrift verbietet jedwede Form von Ausländersicherheiten oder Wahldomizilen. Einer Regelung des nationalen Rechts, wonach der Gläubiger eine inländische Zustellanschrift oder einen Bevollmächtigten anzugeben hat, steht sie allerdings nicht entgegen.11
3 Rellermeyer, Rpfleger 2009, 11, 15. 4 Siehe dazu etwa Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rz. 177 (für Übersetzungserfordernis); Adolphsen in MünchKomm/ZPO, § 1083 Rz. 1; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 401 (Übersetzungserfordernis nur dann, wenn weitere schriftliche Erläuterungen vorhanden sind). 5 Siehe BT-Drucks. 16/8839, 25 li. Sp.: „Wegen der starken Strukturierung der Formblätter E und G wird eine Übersetzung nur ausnahmsweise erforderlich sein, etwa wenn der Zahlungsbefehl individuelle Angaben in den Feldern „Sonstige Angaben“ enthält.“ 6 Siehe (zur EG-VollstrTitelVO) AG Fürstenfeldbruck, JurBüro 2010, 53. 7 Wie hier BeckOK/Wolber, Rz. 9. 8 Dort heißt es, dass eine Übersetzung nur dann (ausnahmsweise) erforderlich ist, wenn die Bestätigung außer Eintragungen von Namen und Zahlen und Ankreuzen von Kästchen weitere schriftliche Erläuterungen enthält (KOM (2002) 159 endg. v. 18.4.2002, S. 9 f. zu Art. 7; S. 14 zu Art. 21). 9 OGH, IPRax 2008, 440, 443. 10 Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1094 ZPO Rz. 2; BeckOK/Wolber, Rz. 10. 11 Rauscher/Pabst, Art. 20 EG-VollstrTitelVO Rz. 27 m.w.N.
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Vollstreckung
Art. 22 EG-MahnVO
Artikel 22 Verweigerung der Vollstreckung (1) Auf Antrag des Antragsgegners wird die Vollstreckung vom zuständigen Gericht im Vollstreckungsmitgliedstaat verweigert, wenn der Europäische Zahlungsbefehl mit einer früheren Entscheidung oder einem früheren Zahlungsbefehl unvereinbar ist, die bzw. der in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland ergangen ist, sofern a) die frühere Entscheidung oder der frühere Zahlungsbefehl zwischen denselben Parteien wegen desselben Streitgegenstands ergangen ist, und b) die frühere Entscheidung oder der frühere Zahlungsbefehl die notwendigen Voraussetzungen für die Anerkennung im Vollstreckungsmitgliedstaat erfüllt, und c) die Unvereinbarkeit im gerichtlichen Verfahren des Ursprungsmitgliedstaats nicht geltend gemacht werden konnte. (2) Auf Antrag wird die Vollstreckung ebenfalls verweigert, sofern und insoweit der Antragsgegner den Betrag, der dem Antragsteller in einem Europäischen Zahlungsbefehl zuerkannt worden ist, an diesen entrichtet hat. (3) Ein Europäischer Zahlungsbefehl darf im Vollstreckungsmitgliedstaat in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verweigerung wegen konkurrierender Entscheidungen oder Zahlungsbefehle, Abs. 1 . 1. Konkurrierende Entscheidungen . . . . . . . . a) Frühere Entscheidung wegen desselben Streitgegenstands, lit. a . . . . . . . . . . . . b) Im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene oder anzuerkennende Entscheidung, lit. b . c) Unvereinbarkeit des EZB mit der früheren Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Keine Möglichkeit der Geltendmachung im Ursprungsmitgliedstaat, lit. c . . . . . . 2. Konkurrierende Zahlungsbefehle . . . . . . . . a) Früher ergangene Zahlungsbefehle über denselben Streitgegenstand, lit. a . . . . . . b) Im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangener oder anzuerkennender Zahlungsbefehl, lit. b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unvereinbarkeit des EZB mit dem früher ergangenen Zahlungsbefehl . . . . . . . . .
1 3 3 3 7 8 10 18 18 22
d) Keine Möglichkeit der Geltendmachung im Ursprungsmitgliedstaat, lit. c . . . . . . 25 3. Deutsche Durchführungsbestimmungen . . . 26 4. Verhältnis zu Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO . . . 27 III. Verweigerung wegen Erfüllung der titulierten Verbindlichkeit, Abs. 2 . . . . . . . . . . . 1. Autonomer Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entrichtung des Geldbetrags . . . . . . . . b) Zeitliche Beschränkung . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Deutsche Durchführungsbestimmungen . . .
28 28 30 30 32 36 37
IV. Vollstreckungsabwehrklage im Vollstreckungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . 39 V. Keine révision au fond im Vollstreckungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
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I. Allgemeines Art. 22 EG-MahnVO legt abschließend fest, unter welchen Voraussetzungen die Gerichte des Vollstre- 1 ckungsmitgliedstaates die Vollstreckung verweigern können. Die Verweigerung der Vollstreckung kommt nur unter den in Abs. 1 und 2 genannten Voraussetzungen in Betracht. Abs. 1 ist Art. 21 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO und ferner Art. 34 Nr. 4 Brüssel I-VO (nunmehr Art. 45 Abs. 1 lit. d Brüssel Ia-VO) nachgebildet.1 Abs. 2 stellt eine neu geschaffene Regelung dar. Die Vorschrift bezieht sich
1 Freitag, IPRax 2007, 509, 512; Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 313.
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Art. 22 EG-MahnVO
Verweigerung der Vollstreckung
insgesamt nur auf EZB, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem in Rede stehenden Vollstreckungsmitgliedstaat erlassen worden sind.2 2
Abs. 3 stellt nochmals heraus, dass der EZB in der Sache nicht nachgeprüft werden darf. Dies entspricht u.a. Art. 21 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO sowie Art. 36 Brüssel I-VO (nunmehr Art. 52 Brüssel Ia-VO).
II. Verweigerung wegen konkurrierender Entscheidungen oder Zahlungsbefehle, Abs. 1 1. Konkurrierende Entscheidungen a) Frühere Entscheidung wegen desselben Streitgegenstands, lit. a 3
Der EZB muss mit der im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangenen oder anzuerkennenden Entscheidung unvereinbar sein. Die Vorschrift ist insoweit identisch mit Art. 34 Nr. 4 Brüssel I-VO (nunmehr Art. 45 Abs. 1 lit. d Brüssel Ia-VO). Der Begriff der „Entscheidung“ ist demgemäß so auszulegen wie in Art. 32 Brüssel I-VO (nunmehr Art. 2 li a Brüssel Ia-VO) sowie in dem gleichlautenden Art. 4 Nr. 1 EG-VollstrTitelVO.
4
Gemäß lit. a muss zunächst eine frühere Entscheidung entweder des Vollstreckungsmitgliedstaats selbst oder eines anderen Staats vorliegen. Zwar erwähnt die Vorschrift dem Wortlaut nach nur Entscheidungen eines anderen Staates; es besteht aber kein Grund, warum – abweichend von Art. 21 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO – Entscheidungen des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht berücksichtigt werden sollten. Abs. 1 stellt damit einheitlich auf ein Prioritätsprinzip ab. Ergangen ist eine Entscheidung bereits dann, wenn sie Wirkungen entfaltet; sie muss nicht zwingend rechtskräftig sein. Insoweit gilt dasselbe wie bei Art. 45 Abs. 1 lit. d Brüssel Ia-VO/Art. 34 Nr. 4 Brüssel I-VO.
5
Für den „konkurrierenden“ EZB ist auf den Zeitpunkt der Vollstreckbarerklärung (Art. 18 Abs. 1 S. 1 EG-MahnVO) abzustellen. Nicht maßgeblich ist der (spätere) Zeitpunkt, in dem der für vollstreckbar erklärte EZB dem Antragsteller übersandt wird.
6
Die Entscheidung und der EZB müssen zwischen denselben Parteien und wegen desselben Streitgegenstands ergangen sein. Der Begriff des Streitgegenstands ist so zu verstehen wie der – autonom auszulegende – Begriff des „Anspruchs“ in Art. 45 Abs. 1 lit. d Brüssel Ia-VO/Art. 34 Nr. 4 Brüssel IVO. Auch bezüglich der Identität der Parteien gilt dasselbe wie bei Art. 45 Abs. 1 lit. d Brüssel Ia-VO/ Art. 34 Brüssel I-VO. b) Im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene oder anzuerkennende Entscheidung, lit. b
7
Die Entscheidung muss nach lit. b entweder im Vollstreckungsmitgliedstaat selbst ergangen sein oder aber dort anerkannt werden. Die Anerkennung richtet sich nach den im Vollstreckungsmitgliedstaat geltenden Regeln, also etwa nach der EG-VollstrTitelVO, Art. 36 ff. Brüssel Ia-VO, staatsvertraglichen Bestimmungen oder den autonomen nationalen Vorschriften über die Anerkennung. c) Unvereinbarkeit des EZB mit der früheren Entscheidung
8
„Unvereinbar“ ist der EZB mit einer Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat zunächst dann, wenn im Vollstreckungsmitgliedstaat eine Leistungsklage über den Betrag als unbegründet abgewiesen worden ist oder der Antragsgegner mit einer negativen Feststellungsklage erfolgreich war. Eine Unvereinbarkeit kann jedoch noch in anderen Fällen vorliegen; eine Streitgegenstandsidentität nach deutscher Vorstellung ist nicht erforderlich. Nach der auf Art. 45 Abs. 1 lit. d Brüssel Ia-VO/Art. 34 Nr. 4 Brüssel I-VO und die EG-MahnVO übertragbaren Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ sind Entscheidungen allgemein miteinander unvereinbar, „wenn sie Rechtsfolgen haben, die sich gegensei2 RegE BT-Drucks. 16/8839, 25; Geimer/Schütze/Kodek, Rn. 10; Rellermeyer, Rpfleger 2009, 11 (15); abw. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 4 (Abs. 2 finde auf alle EZB unabhängig davon Anwendung, ob Ursprungs- und Vollstreckungsmitgliedstaat identisch seien).
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tig ausschließen“.3 Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die eine Entscheidung – nach deutscher Vorstellung – nur ein präjudizielles Rechtsverhältnis betrifft.4 Eine Unvereinbarkeit liegt z.B. dann vor, wenn im Vollstreckungsmitgliedstaat der Vertrag durch Urteil für nichtig erklärt und anschließend im Wege der EG-MahnVO ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eben dieses Vertrages geltend gemacht wurde. Eine „Unvereinbarkeit“ liegt schließlich auch dann vor, wenn im Vollstreckungsmitgliedstaat bereits 9 ein entsprechendes Leistungsurteil ergangen ist und im Falle einer Vollstreckung des EZB eine doppelte Vollstreckung wegen desselben Anspruchs drohte.5 Zwar könnte man hier – ausgehend vom Wortlaut der Norm – gerade sagen, dass inhaltlich gleichlautende Entscheidungen gerade nicht „unvereinbar“ sind. Der Sinn und Zweck von Art. 22 Abs. 1 EG-MahnVO liegt jedoch (auch) darin, eine unberechtigte Doppelvollstreckung wegen ein- und desselben Anspruchs auszuschließen. Dementsprechend ist nach zutreffender Auffassung auch der Fall der gleichlautenden Entscheidung von Abs. 1 erfasst.6 d) Keine Möglichkeit der Geltendmachung im Ursprungsmitgliedstaat, lit. c Lit. c setzt weiter voraus, dass die Unvereinbarkeit im „gerichtlichen Verfahren“ des Ursprungsmitgliedstaats nicht geltend gemacht werden konnte. Lit. c entspricht dem Wortlaut nach Art. 21 Abs. 1 lit. c EG-VollstrTitelVO. Der Begriff des „gerichtlichen Verfahrens“ ist im Rahmen der EG-MahnVO in einem weiteren Sinn zu verstehen. Unter dem „gerichtlichen Verfahren“ ist das Einspruchsverfahren nach Art. 16 EG-MahnVO und ein sich – gem. Art. 17 EG-MahnVO automatisch – hieran anschließendes ordentliches Zivilverfahren zu verstehen.
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Es stellt sich die Frage, wann der Antragsgegner daran gehindert sein kann, die Unvereinbarkeit von 11 EZB und Entscheidung des Vollstreckungsmitgliedstaats durch einen Einspruch bzw. im anschließenden Zivilverfahren im Ursprungsmitgliedstaat geltend zu machen. In Betracht kommen zunächst die Fälle, in denen der Antragsgegner erst nach Ablauf der Einspruchsfrist von einem früher ergangenen Urteil erfährt.7 Man wird aber (einschränkend) voraussetzen müssen, dass die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht.8 Darüber hinaus in Betracht zu ziehen sind die Fälle, in denen eine im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene oder dort anerkannte Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat nicht anerkannt wird.9 Denkbar ist etwa, dass im Vollstreckungsmitgliedstaat eine Zahlungsklage des nunmehrigen Antragstellers als unbegründet abgewiesen wurde, diese Entscheidung aber im Ursprungsmitgliedstaat nicht anerkannt wird. In diesem Fall könnte der Antragsgegner die Unvereinbarkeit von EZB und Entscheidung des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht mit Aussicht auf Erfolg im Ursprungsmitgliedstaat geltend machen. Denn selbst wenn der Antragsgegner in diesem Fall Einspruch erheben würde und in einem anschließenden ordentlichen Verfahren auf die bereits im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene Entscheidung hinwiese, würde dieser Hinweis – da die im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene Entscheidung in diesem Fall im Ursprungmitgliedstaat unbeachtlich ist – das Gericht im Ursprungsmitgliedstaat nicht in seiner Entscheidung beeinflussen. Diese Auslegung des lit. c führt dazu, dass der Antragsgegner – dem die fehlende Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung des Vollstreckungsmitgliedstaats im Ursprungsmitgliedstaat bewusst ist – nicht gezwungen wird, ein insoweit aussichtsloses Zivilverfahren im Ursprungsmitgliedstaat zu bestreiten.10 3 EuGH v. 4.2.1988 – 145/86 – Hoffmann vs. Krieg, EuGHE 1988, 645 Rz. 22. 4 EuGH v. 4.2.1988 – 145/86 – Hoffmann vs. Krieg, EuGHE 1988, 645 (Unvereinbarkeit bei einer Verurteilung zur Leistung von Ehegattenunterhalt im Ausland, wenn die Ehe im Anerkennungsstaat geschieden wurde). 5 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 11; Freitag, IPRax 2007, 509, 512; Preuß, ZZP 122 (2009) 3, 25. 6 Vgl. Freitag, IPRax 2007, 509, 512. 7 Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1104 f.; BeckOK/Wolber, Rz. 11; abw. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 15. 8 BeckOK/Wolber, Rz. 11; auch in Art. 21 Abs. 1 lit. c der EG-VollstrTitelVO wird eine unverschuldete Unterlassung der Geltendmachung der Unvereinbarkeit vorausgesetzt (etwa Kindl/Meller-Hannich/Stürner, Art. 21 EG-VollstrTitelVO Rz. 7). 9 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 15; BeckOK/Wolber, Rz. 11; Freitag, IPRax 2007, 509, 512; Preuß, ZZP 122 (2009) 3, 25. 10 Freitag, IPRax 2007, 509, 512.
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Verweigerung der Vollstreckung
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Der Antragsgegner wird insbesondere dann von einem Einspruch absehen, wenn er durch eine im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene oder anerkannte Entscheidung bereits zur Zahlung verurteilt ist und diese Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat nicht anerkannt wird. Denn in diesem Fall kann er letztlich einer Vollstreckung, sei es im Vollstreckungsmitgliedstaat, sei es im Ursprungsmitgliedstaat, nicht entgehen. Ferner wird er u.U. dann von einem Einspruch absehen, wenn eine Zahlungsklage des Antragstellers durch eine im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene oder anerkannte Entscheidung als unbegründet abgewiesen worden ist und der Antragsgegner ohnehin nur im Vollstreckungsmitgliedstaat über vollstreckungsfähiges Vermögen verfügt, er also aus einem Titel des Ursprungsmitgliedstaats, soweit dieser nicht im Vollstreckungsmitgliedstaat vollstreckt werden kann, nichts zu befürchten hat.
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Allzu häufig werden Fälle, in denen eine im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangene oder dort anerkannte Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat nicht anerkannt wird, nicht vorkommen. Dies gilt insbesondere für Entscheidungen, die im Vollstreckungsmitgliedstaat selbst ergangen sind. Dass eine Entscheidung eines EU-Mitgliedstaats nicht anerkannt wird, ist nach der EG-VollstrTitelVO gänzlich ausgeschlossen und nach der Brüssel Ia-VO nur im seltenen Ausnahmefall anzunehmen (vgl. Art. 45 Abs. 1 Brüssel Ia-VO). Etwas häufiger könnte es vorkommen, dass die Entscheidung eines Nicht-EUMitgliedstaats nur im Vollstreckungsmitgliedstaat, aber nicht im Ursprungsmitgliedstaat anerkannt wird. So kann es etwa sein, dass eine Anerkennung nur im Ursprungsmitgliedstaat, nicht aber im Vollstreckungsmitgliedstaat an der Anerkennungszuständigkeit, der fehlenden Verbürgung der Gegenseitigkeit oder anderen Anerkennungsvoraussetzungen des nationalen Rechts scheitert.
15
Praktisch ergibt sich bei dieser Auslegung von lit. c das Problem, dass die fehlende Anerkennung im Ursprungsmitgliedstaat nicht von den dortigen Gerichten, sondern den Gerichten des Vollstreckungsmitgliedstaats zu prüfen ist. Diese Konsequenz verwundert, lässt sich aber nicht vermeiden.11 Man wird sich damit behelfen können, dass i.d.R. von einer Anerkennung im Ursprungsmitgliedstaat auszugehen ist und der Antragsgegner, will er eine Vollstreckung vermeiden, im Vollstreckungsmitgliedstaat besondere Umstände darlegen und beweisen muss, die einer Anerkennung im Ursprungsmitgliedstaat (ausnahmsweise) entgegenstehen.
16
Insgesamt bewirkt Abs. 1 nur einen geringen Schutz des Antragsgegners. Dies gilt sowohl auf der Tatbestandsseite als auch auf der Rechtsfolgenseite. Auf der Tatbestandsseite bewirkt vor allem lit. c, dass die Vollstreckung im Regelfall nicht verweigert wird. Auf der Rechtsfolgenseite ist festzustellen, dass die Vorschrift nicht ein Vorgehen aus dem EZB schlechthin, sondern nur die Vollstreckung in einzelnen EU-Mitgliedstaaten verhindert.
17
Neben Art. 22 EG-MahnVO ist auch noch die Möglichkeit zu beachten, im Ursprungsmitgliedstaat selbst gegen den für vollstreckbar erklärten EZB vorzugehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn dem Antragsteller bewusst ist, dass der Anspruch bereits anderweitig tituliert ist oder aber eine entsprechende Klage in einem ordentlichen Zivilverfahren als unbegründet abgewiesen wurde. In diesem Fall dürften regelmäßig die Voraussetzungen von Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO vorliegen; der Antragsteller kann die Nichtigerklärung des EZB im Ursprungsmitgliedstaat erreichen (vgl. unten Rz. 27). 2. Konkurrierende Zahlungsbefehle a) Früher ergangene Zahlungsbefehle über denselben Streitgegenstand, lit. a aa) Begriff des Zahlungsbefehls
18
Abweichend von Art. 45 Abs. 1 Brüssel Ia-VO/Art. 34 Brüssel I-VO und Art. 21 EG-VollstrTitelVO erwähnt Art. 22 Abs. 1 EG-MahnVO neben „Entscheidungen zusätzlich auch früher ergangene und mit dem EZB unvereinbare „Zahlungsbefehle“. Art. 22 Abs. 1 enthält keine Beschränkung auf den europäischen Zahlungsbefehl. Außerdem setzt die Vorschrift voraus, dass der Zahlungsbefehl auch in einem Drittstaat ergangen sein kann. Insgesamt besteht daher kein Zweifel daran, dass sich die Vorschrift (auch) auf Zahlungsbefehle des nationalen Rechts erstreckt. Hierunter sind solche Verfahren zu verstehen, die dem Verfahren nach der EG-MahnVO ähnlich sind, also (zunächst) einseitig aus-
11 Freitag, IPRax 2007, 509, 512.
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gestaltet sind und, wenn überhaupt, nur eine summarische Prüfung des Anspruchs vorsehen.12 Die „Zahlungsbefehle“ sind – soweit man den Begriff der Entscheidung in Art. 22 Abs. 1 EG-MahnVO so versteht wie in Art. 2 lit. a Brüssel Ia-VO/Art. 32 Brüssel I-VO und Art. 4 Nr. 1 EG-VollstrTitelVO (vgl. oben Rz. 3) – an sich ohnehin bereits in dem Begriff der „Entscheidung“ mit enthalten. Da „Entscheidungen“ und „Zahlungsbefehle“ im Rahmen von Art. 22 Abs. 1 EG-MahnVO gleichbehandelt werden, kommt es auf eine genaue Abgrenzung letztlich nicht entscheidend an. Umstritten ist, ob sich die Regelung auch auf den Europäischen Zahlungsbefehl (EZB) bezieht. Größere praktische Bedeutung kommt der Frage nicht zu. Der EZB wird gem. Art. 19 EG-MahnVO in den anderen Mitgliedstaaten automatisch anerkannt und vollstreckt, ohne dass seine Anerkennung angefochten werden kann. Deshalb ist ein zuvor ergangener EZB in jedem Fall auch im Ursprungsmitgliedstaat anzuerkennen. Es kann m.a.W. daher gar nicht zu Fällen kommen, in denen der Antragsgegner nach lit. c objektiv daran gehindert ist, die Unvereinbarkeit eines später ergangenen EZB mit einem früher ergangenen EZB im Ursprungsmitgliedstaat geltend zu machen (vgl. oben Rz. 12).13 Denkbar sind noch Fälle, in denen der Antragsgegner erst nach Ablauf der Einspruchsfrist von einem früher ergangenen EZB erfährt (vgl. oben Rz. 11). Allerdings muss der früher ergangene EZB unter Beachtung der Artt. 13–15 EG-MahnVO zugestellt worden sein; anderenfalls darf er nicht für vollstreckbar erklärt werden bzw. ist eine eventuell doch ergangene Vollstreckbarerklärung ungültig (Art. 12 EG-MahnVO Rz. 17 ff.).14 Wurde aber unter Beachtung der Artt. 13–15 EG-MahnVO zugestellt, ist das zu verlangende Element der unverschuldeten Unkenntnis vom früher ergangenen EZB regelmäßig nicht erfüllt (vgl. oben Rz. 11).
19
Es ist vor diesem Hintergrund wahrscheinlich, dass der europäische Gesetzgeber bei der Abfassung 20 der Vorschrift nur an den nationalen Zahlungsbefehl, nicht jedoch an den EZB gedacht hat. Dies erklärt, warum in der Vorschrift nur allgemein von Zahlungsbefehlen die Rede ist und der EZB nicht eigens erwähnt worden ist.15 Dem entspricht es, die Vorschrift in der Konsequenz von vornherein nicht auf den EZB anzuwenden.16 Selbst wenn man dem nicht folgen sollte, so ist doch festzustellen, dass Art. 22 Abs. 1 EG-MahnVO dem Antragsgegner dann, wenn der Antragsteller wegen ein und desselben Anspruchs mehrere EZB erwirkt hat, praktisch keinen effektiven Schutz gewährt.17 Ihm bleibt noch die Möglichkeit, nach Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO gegen den später ergangenen EZB vorzugehen (vgl. unten Rz. 27). bb) Zeitpunkt des Zahlungsbefehls; Parteiidentität Der Zahlungsbefehl des nationalen Rechts muss zu einem früheren Zeitpunkt ergangen sein als der EZB. Abzustellen ist auch hier auf den Zeitpunkt, in dem der Zahlungsbefehl Wirkungen entfaltet (vgl. oben Rz. 4). Der Zahlungsbefehl nach dem nationalen Recht und der konkurrierende EZB müssen wiederum zwischen den gleichen Parteien ergangen sein (vgl. oben Rz. 6).
21
b) Im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangener oder anzuerkennender Zahlungsbefehl, lit. b Der Zahlungsbefehl muss gem. Abs. 2 lit. b in dem Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen oder dort – 22 wenn er von einem anderen EU-Mitgliedstaat oder einem Drittstaat herrührt – anzuerkennen sein. Regelmäßig entfalten Zahlungsbefehle eine Wirkung nur dann, wenn sie einen bestimmten Betrag zusprechen, nicht aber dann, wenn ein Antrag auf Erlass eines Zahlungsbefehls zurückgewiesen wird. Dies muss aber nicht zwangsläufig der Fall sein. Sieht ein nationales Recht vor, dass nach Zurückwei12 Freitag, IPRax 2007, 509, 512 f. 13 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 15. 14 EuGH v. 4.9.2014 – Rs. C-119/13, C-120/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG vs. Virginie Laetitia Barbara Dupuy und Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen.mbH vs. Tetyana Bonchyk, Rz. 43. 15 Freitag, IPRax 2007, 509, 512 weist auch noch darauf hin, dass das Anerkennungserfordernis der lit. b beim EZB nicht wirklich „passt“, weil der EZB ipso iure (Art. 19 EG-MahnVO) in allen Mitgliedstaaten anerkannt wird. 16 Freitag, IPRax 2007, 509, 512 f.; anders Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 5; Kropholler/von Hein, Rz. 5; BeckOK/ Wolber, Rz. 6. 17 Kropholler/von Hein, Rz. 5 und Rz. 6.
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sung eines Zahlungsbefehls kein zweiter Zahlungsbefehl mehr beantragt werden kann, so kommt auch insoweit eine anerkennungsfähige Wirkung in Betracht. Die Anerkennung richtet sich iÜ wiederum nach den im Vollstreckungsmitgliedstaat geltenden Regeln, also – soweit der Zahlungsbefehl als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt wurde – nach Art. 5 EG-VollstrTitelVO, Art. 36 ff. Brüssel Ia-VO sowie, soweit vorhanden, staatsvertraglichen oder nationalen Bestimmungen über die Anerkennung ausländischer Zahlungsbefehle.18 c) Unvereinbarkeit des EZB mit dem früher ergangenen Zahlungsbefehl 23
Bezüglich der Unvereinbarkeit kommt es wiederum auf die oben dargestellten, vom EuGH entwickelten und in gleicher Weise auf Art. 45 Abs. 1 lit. d Brüssel Ia-VO/Art. 34 Nr. 4 Brüssel I-VO anwendbaren Grundsätze an (s. oben Rz. 8 ff.). Eine Unvereinbarkeit zwischen einem früher ergangenen Zahlungsbefehl und dem EZB liegt insb. auch dann vor, wenn sich der früher ergangene Zahlungsbefehl und der EZB auf denselben Anspruch beziehen und die Gefahr einer doppelten Vollstreckung droht (s. oben Rz. 9). Keine „Unvereinbarkeit“ liegt demgegenüber dann vor, wenn in dem früher ergangenen Zahlungsbefehl und dem EZB unterschiedliche Teilbeträge einer Gesamtforderung geltend gemacht werden. Ob dies der Fall ist, muss primär durch Auslegung der Zahlungsbefehle ermittelt werden.
24
Da es Art. 22 Abs. 1 EG-MahnVO letztlich um die Abwendung einer ungerechtfertigten (insbesondere einer doppelten) Vollstreckung geht, kommt es nach der hier vertretenen Auffassung nicht darauf an, ob der Zahlungsbefehl als solcher eine Rechtskraft entfaltet oder nicht.19 Dies ergibt sich ferner auch daraus, dass die Rechtskraft nur eine – aber keineswegs die einzige – anerkennungsfähige Wirkung einer Entscheidung darstellt und sich demgemäß auch die Art. 36 ff. Brüssel Ia-VO/Art. 32 ff. Brüssel I-VO nicht nur auf bereits rechtskräftige Entscheidungen beziehen. Dementsprechend bedarf es bei Anwendung von Art. 22 Abs. 1 EG-MahnVO keiner Untersuchung der Frage, ob nach dem Recht des Staates, in dem der Zahlungsbefehl ergangen ist, diesem eine Rechtskraftwirkung zukommt oder nicht.20 d) Keine Möglichkeit der Geltendmachung im Ursprungsmitgliedstaat, lit. c
25
Wie auch bei (sonstigen) Entscheidungen wird weiter vorausgesetzt, dass der Antragsgegner daran gehindert war, die Unvereinbarkeit des EZB mit dem früher ergangenen Zahlungsbefehl im „gerichtlichen Verfahren“ des Ursprungsmitgliedstaats geltend zu machen. Erneut ist maßgeblich darauf abzustellen, ob der früher ergangene Zahlungsbefehl im Ursprungsmitgliedstaat anerkannt wird oder nicht (vgl. oben Rz. 12). 3. Deutsche Durchführungsbestimmungen
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Für die Durchführung von Art. 22 Abs. 1 EG-MahnVO sieht § 1096 Abs. 1 S. 1 ZPO eine entsprechende Anwendung von § 1084 Abs. 1 und 2 ZPO vor. Hiernach ist das AG als Vollstreckungsgericht zuständig (§ 1084 Abs. 1 ZPO). Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach § 802, 828 Abs. 2 ZPO.21 Das Gericht entscheidet über einen Antrag nach Art. 22 Abs. 1 durch Beschluss (§ 1084 Abs. 2 S. 1 ZPO). Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln sind § 769 Abs. 1 und 3 sowie § 770 ZPO entsprechend anzuwenden (§ 1084 Abs. 2 S. 2 ZPO).
18 Das autonome deutsche Recht fasst auch ausländische Zahlungsbefehle, die durch Fristablauf die Eigenschaften eines rechtskräftigen Urteils erlangt haben, wie etwa die französische Injonction de payer, unter dem Begriff „Urteil“ i.S.d. § 328 ZPO (und erkennt sie demnach grundsätzlich an, vgl. Roth in Stein/Jonas, § 328 Rz. 62 m.w.N.). 19 Abw. Freitag, IPRax 2007, 509, 513. 20 Abw. Freitag, IPRax 2007, 509, 513. 21 Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 3.
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4. Verhältnis zu Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO Art. 22 EG-MahnVO schließt nicht aus, dass der Antragsgegner – alternativ oder kumulativ – einen Antrag nach Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO im Ursprungsmitgliedstaat stellt. Hat der Antragsteller etwa den nunmehr im Wege des europäischen Mahnverfahrens geltend gemachten Anspruch zuvor bereits im Klagewege geltend gemacht und wurde die Klage nach einer Sachprüfung als unbegründet zurückgewiesen, dürften die Voraussetzungen des Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO – insb. das positive Wissen des Antragstellers vom Nichtbestehen der Forderung (vgl. Art. 20 EG-MahnVO Rz. 45 ff.) – regelmäßig vorliegen.
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III. Verweigerung wegen Erfüllung der titulierten Verbindlichkeit, Abs. 2 1. Autonomer Rechtsbehelf Abweichend von Art. 21 EG-VollstrTitelVO enthält Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO auch eine besondere 28 Regelung des Falles, dass die im EZB titulierte Forderung durch Entrichtung des Geldbetrags erfüllt wird. Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 vor, wird die Vollstreckung durch das zuständige Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats verweigert (vgl. unten Rz. 36). Die Vorschrift legt damit Voraussetzungen und Rechtsfolgen abschließend fest. Sie ist daher als autonomer Rechtsbehelf – nicht nur als deklaratorischer Hinweis auf vergleichbare Rechtsbehelfe des nationalen Rechts – zu verstehen.22 Die Vorschrift bezieht sich wie Art. 22 insgesamt nur auf EZB, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem in Rede stehenden Vollstreckungsmitgliedstaat erlassen worden sind.23 Zwar wird in Abs. 2 nicht auf den Vollstreckungsmitgliedstaat Bezug genommen. Abs. 1 ist aber unstreitig nur dann anwendbar, wenn Ursprungs- und Vollstreckungsmitgliedstaat nicht identisch sind; aufgrund des systematischen Zusammenhangs und der Bezugnahme von Abs. 2 auf Abs. 1 („ebenfalls“) ergibt sich aber, dass dies auch für Abs. 2 gilt.
29
2. Voraussetzungen a) Entrichtung des Geldbetrags Die im EZB titulierte Forderung muss durch Entrichtung des Geldbetrags erfüllt worden sein. Die Vorschrift beschränkt sich dem Wortlaut nach auf diese Einwendung. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf andere Einwendungen – etwa das Erlöschen der Forderung infolge einer Aufrechnung – wird nicht erfasst.24 Dasselbe gilt für Einreden wie etwa die Stundung etc.25 Insoweit bleibt das nationale Verfahrensrecht des Vollstreckungsmitgliedstaats maßgeblich (vgl. unten Rz. 39 ff.). Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss „der Antragsgegner“ den Geldbetrag entrichtet haben. Er schließt damit den Fall der Zahlung Dritter nicht ein.26 Gegen eine analoge Anwendung der Vorschrift spricht, dass der Fall der Zahlung Dritter auf fremde Schuld besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufweist; es ist daher davon auszugehen, dass dieser Fall den sonstigen nicht von Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO erfassten Einwendungen und Einreden gleichzustellen ist.27
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Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO lässt sich nicht entnehmen, dass die Entrichtung des Geldbetrags auf eine bestimmte Weise – etwa durch Urkunden – nachzuweisen ist. Sie bezieht sich damit auf alle Fälle, in denen sich der Antragsgegner auf eine Erfüllung durch Entrichtung des Geldbetrags beruft.
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22 Kormann, S. 167 f. Dies gilt ungeachtet dessen, dass Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO in ErwGr. 27 S. 3 EG-MahnVO zu den „Mindestvorschriften“ der EG-MahnVO gezählt wird (s. Kormann, S. 167 f.). 23 RegE BT-Drucks. 16/8839, 25; Geimer/Schütze/Kodek, Rn. 10; Rellermeyer, Rpfleger 2009, 11 (15); abw. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 4. 24 So auch Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 18; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 5; Kropholler/von Hein, Rz. 12; BeckOK/Wolber, Rz. 13; a.A. Musielak/Voit/Voit, Rz. 33a. 25 Kropholler/von Hein, Rz. 12; a.A. Musielak/Voit/Voit, Rz. 33a. 26 Siehe auch die französische Textfassung („… dans la mesure où le défendeur a payé …“) und die englische Textfassung („… if and to the extent that the defendant has paid …“). 27 Abw. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 18 (Art. 22 Abs. 2 gelte auch für diesen Fall).
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b) Zeitliche Beschränkung 32
Dem Wortlaut des Abs. 2 nach kann der Antragsgegner die Entrichtung des Geldbetrags zeitlich unbeschränkt geltend machen. Allerdings ist Abs. 2 insoweit einschränkend auszulegen.28 Abs. 2 ermöglicht es dem Antragsgegner nicht, solche Zahlungen geltend zu machen, die er noch vor Erlass des EZB vorgenommen hat. In diesen Fällen ist er wie bei anderen Einwendungen und Einreden auch auf die Einlegung des Einspruchs sowie das sich anschließende ordentliche Zivilverfahren angewiesen.29 Anderenfalls wäre die Effizienz des europäischen Mahnverfahrens erheblich beeinträchtigt; es würde in einem entscheidenden Punkt hinter der Effizienz vorhandener nationaler Mahnverfahren zurückbleiben. Der Wille des Gesetzgebers ging aber bei Schaffung der EG-MahnVO eindeutig dahin, ein effizientes Verfahren zu schaffen (s. näher oben Einl. EG-MahnVO Rz. 7).30
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Fraglich ist, ob der Antragsgegner immerhin solche Zahlungen im Rahmen von Abs. 2 vorbringen kann, die er zwar nach Zustellung des EZB, aber noch vor Ablauf der Einspruchsfrist nach Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO vorgenommen hat. Hiergegen könnte eine Analogie zu Abs. 1 lit. c sprechen. Da er auch diese Zahlung noch im Wege des Einspruchs und sodann im sich anschließenden gerichtlichen Verfahren hätte geltend machen können, ließe sich auch insoweit – wenn der Antragsteller keinen Einspruch einlegt – von einer Präklusion ausgehen.31 Für die Möglichkeit einer Geltendmachung im Rahmen von Abs. 2 sprechen allerdings die bei der Auslegung der EG-MahnVO zu berücksichtigenden32 Angaben in den Hinweisen für den Antragsgegner. Dort heißt es in Ausführung von Art. 12 Abs. 3 EG-MahnVO, dass der Antragsgegner die Möglichkeit hat, entweder den im EZB angegebenen Betrag zu zahlen oder aber Einspruch einzulegen.33 Dieser Hinweis ist – soweit man ihn nicht für geradezu irreführend halten will – so zu verstehen, dass der Antragsgegner dann, wenn er die geforderte Zahlung innerhalb der Einspruchsfrist vornimmt, nicht gezwungen sein soll, zugleich gegen den EZB Einspruch einzulegen. Betreibt der Antragsteller ungeachtet dessen aus dem sodann für vollstreckbar erklärten EZB die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsgegner, muss dieser nach Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO gegen die Vollstreckung vorgehen können.34
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Fraglich bleibt noch, ob Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO mit Blick auf Zahlungen geltend gemacht werden kann, die im Zeitraum zwischen dem Erlass des EZB und dessen Zustellung vorgenommen worden sind.35 Hiergegen könnte sprechen, dass die Hinweise an den Antragsgegner von diesem zwangsläufig erst nach der Zustellung des EZB zur Kenntnis genommen werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner die Hinweise auch hier so verstehen könnte, dass sich der EZB mit Zahlung nach seinem Erlass „erledigt“ habe.36 Überdies würde, ließe man eine Anwendung des Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO hier nicht zu, eine Rechtsschutzlücke entstehen. Der Antragsteller könnte nämlich dann, wenn der Antragsgegner innerhalb der Frist des Art. 16 Abs. 2 EG-MahnVO keinen Einspruch einlegt, aus dem für vollstreckbar erklärten EZB vorgehen, und dies auch dann, wenn er die erfolgte Zahlung nicht in Abrede stellte. Für eine Anwendung von Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO ist hier kein Raum, da 28 Kormann, S. 168 f.; Freitag, IPRax 2007, 509, 513; auch Rauscher/Rauscher, EuZPR2 (2006) Einf. EGMahnVO Rz. 41. Nach Kropholler/von Hein, Rz. 13 indiziert auch bereits der Wortlaut der Vorschrift („zuerkannt“), dass die Zahlung tatsächlich erst nach Zustellung erfolgt sein muss. 29 Aus der Lit. etwa Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 7; Kropholler/von Hein, Rz. 13; Kormann, S. 171; abw. allerdings Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 20. 30 Anders Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 20 (Abs. 2 solle umfassend die in einem einseitigen Verfahren für den Schuldner in besonderem Maße bestehende Gefahr einer Doppelzahlung und das hiermit – unabhängig von zeitlichen Grenzen – verbundene Unrecht vermeiden). 31 Freitag, IPRax 2007, 509, 513; Mayr, JBl 2008, 503, 515; Rauscher/Rauscher, EuZPR2 (2006), Einf. EGMahnVO Rz. 41; Hüßtege in Thomas/Putzo Rz. 6. 32 Vgl. EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, Rz. 50 (die Anleitung zum Ausfüllen des Formblatts für den Antrag auf Erlass eines EZB in Anhang I der EGMahnVO könne „ohne Zweifel für die Auslegung dieser Verordnung hilfreich sein“). 33 Lit. a der Hinweise für den Antragsgegner. 34 Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2754; Kormann, S. 169; Preuß, ZZP 122 (2009) 3, 27; Musielak/Voit/Voit, Rz. 33; BeckOK/Wolber, Rz. 12 sowie – allerdings ohne nähere Begründung – Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1105. 35 Bejahend Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1105; Preuß, ZZP 122 (2009) 3, 27; a.A. – der Antragsgegner müsse hier Einspruch einlegen – Kormann, S. 169. 36 Preuß, ZZP 122 (2009), 3, 27.
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Vollstreckung
Art. 22 EG-MahnVO
der EZB, stellt man auf den Erlasszeitpunkt ab, nicht offensichtlich zu Unrecht „ergangen“ ist. Letztlich dürfte daher mehr dafür sprechen, dass im Rahmen des Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO sämtliche Zahlungen geltend gemacht werden können, die nach dem Erlass des EZB vorgenommen worden sind. Abzustellen sein dürfte hierbei auf den Zeitpunkt der Zahlungshandlung, nicht den Zahlungserfolg. Soweit der Antragsteller einen EZB beantragt hat, obwohl ihm bewusst war, dass die ursprünglich be- 35 stehende Forderung bereits zu diesem Zeitpunkt beglichen war, kann sich der Antragsgegner gem. Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO an die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats wenden und eine Nichtigerklärung des EZB erreichen (vgl. Art. 20 EG-MahnVO Rz. 42 ff.). In diesem Fall kann er gem. Art. 23 EG-MahnVO im Vollstreckungsmitgliedstaat die Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung beantragen. 3. Rechtsfolgen Nach Abs. 2 wird, wenn die Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen, die Vollstreckung im Vollstre- 36 ckungsmitgliedstaat verweigert. Der Rechtsbehelf bezieht sich also seinem Wortlaut nach nur auf die Durchführung der Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat selbst. Daraus folgt, dass der Antragsteller aus dem für vollstreckbar erklärten EZB im Ursprungsmitgliedstaat oder anderen Mitgliedstaaten weiterhin die Vollstreckung betreiben kann. Die Gerichte dort sind nicht an eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung nach Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO gebunden.37 4. Deutsche Durchführungsbestimmungen Die Bestimmung des zuständigen Gerichts und die weitere Ausgestaltung des Verfahrens bleiben dem nationalen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats überlassen (Art. 26 EG-MahnVO).38 In Deutschland gilt gem. § 1096 Abs. 2 S. 1 ZPO die Regelung des § 1086 Abs. 1 ZPO entsprechend. Danach sind ausschließlich die Gerichte am Wohnsitz des Schuldners zuständig oder, wenn dieser im Inland keinen Wohnsitz hat, das Gericht, in dessen Bezirk die Vollstreckung stattfinden soll. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach §§ 23, 71, 96 GVG.
37
Daneben sind auch § 775 Nr. 4 und 5 ZPO anzuwenden. Hiernach ist die Zwangsvollstreckung durch die Vollstreckungsorgane einzustellen, wenn eine der in § 775 Nr. 4 ZPO genannten Urkunden oder ein in § 775 Nr. 5 ZPO genannter Bank- oder Sparkassenbeleg vorgelegt werden. Die EG-MahnVO steht der Anwendung dieser Vorschriften nicht entgegen, da Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO, wie dies der ErwGr. 27 EG-MahnVO hervorhebt, nur einen Mindestschutz statuiert.
38
IV. Vollstreckungsabwehrklage im Vollstreckungsmitgliedstaat Die EG-MahnVO regelt nicht, in welcher Weise der Antragsgegner nachträglich entstandene Einwendungen und Einreden im Ursprungsmitgliedstaat geltend machen kann. Insoweit ist allein das nationale Recht heranzuziehen (Art. 26 EG-MahnVO). Ist der EZB in Deutschland erlassen und für vollstreckbar erklärt worden, ist dort die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) statthaft (vgl. oben Art. 20 EG-MahnVO Rz. 78). Soweit der Antragsgegner in Deutschland mit der Vollstreckungsabwehrklage erfolgreich ist, ist die Vollstreckung aus dem EZB als solche unzulässig; dieses Urteil ist auch in seiner prozessualen Gestaltungswirkung in den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen und steht dann dort der Vollstreckung entgegen.
39
Daneben stellt sich die Frage, ob eine Vollstreckungsabwehrklage auch im Vollstreckungsmitgliedstaat erhoben werden kann. Soweit es um die Geltendmachung einer (nachträglichen) Zahlung geht, ist Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO als abschließende Regelung zu verstehen.39 Nicht durch Art. 22 Abs. 2
40
37 Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 22; BeckOK/Thode, § 1090 Rz. 9; Freitag, IPRax 2007, 509, 513. 38 Kormann, S. 167 f.; vgl. auch Vollkommer/Huber, NJW 2009, 1105, 1107. 39 So auch Freitag, IPRax 2007, 509, 513 („zumindest für den Fall der nachträglichen Erfüllung“); auch Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1105.
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Art. 22 EG-MahnVO
Verweigerung der Vollstreckung
EG-MahnVO erfasst werden aber andere Einwendungen wie etwa die Aufrechnung oder der Erlass. Die Frage ist, ob der Vollstreckungsmitgliedstaat Im Hinblick auf diese Einwendungen – neben dem Ursprungsmitgliedstaat, s. oben Rz. 39 – (ergänzende) Rechtsbehelfe bereitstellen kann. 41
Im Rahmen der EG-VollstrTitelVO geht die h.L. davon aus, dass der nationale Gesetzgeber im Vollstreckungsmitgliedstaat eine Vollstreckungsabwehrklage oder vergleichbare Institute vorsehen kann.40 Das Verbot der révision au fond stehe dem nicht entgegen, soweit mit der Vollstreckungsabwehrklage nur solche Einwendungen und Einreden geltend gemacht werden könnten, die erst nachträglich entstanden seien und daher vom Richter im Ursprungsmitgliedstaat noch hätten geprüft werden können. Diese Auffassung vertritt auch der deutsche Gesetzgeber, der für die EG-VollstrTitelVO entsprechende Bestimmungen zur Vollstreckungsabwehrklage vorgesehen hat.41 Nach der Gegenauffassung gehen die deutschen Bestimmungen demgegenüber ins Leere. Nach der Systematik der EG-VollstrTitelVO sei die Prüfung materiell-rechtlicher Einwendungen den Gerichten im Ursprungsmitgliedstaat zugewiesen.42
42
Die Frage nach der Zulässigkeit der Vollstreckungsabwehrklage im Vollstreckungsmitgliedstaat stellt sich für die EG-MahnVO in ähnlicher Weise. Auch hier geht der deutsche Gesetzgeber davon aus, dass dann, wenn ein für vollstreckbar erklärter EZB eines anderen EU-Mitgliedstaats in Deutschland vollstreckt werden soll, die Vollstreckungsabwehrklage statthaft ist.43 Hierfür spricht, dass im Verfahren nach Art. 38, 41 Brüssel I-VO entsprechende Einwendungen im Vollstreckungsmitgliedstaat als zulässig angesehen wurden;44 in der Brüssel Ia-VO geht u.a. ErwGr. 30 Brüssel Ia-VO davon aus, dass derartige Einwendungen im Vollstreckungsstaat vorgebracht werden können.45 Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dies in der vergleichbaren Situation bei der EG-VollstrTitelVO bzw. der EG-MahnVO anders verhalten sollte. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich grundsätzlich aus Art. 24 Nr. 5 Brüssel Ia-VO, allerdings mit der Einschränkung, dass die Klage nicht auf eine Aufrechnung mit einer Forderung gestützt werden kann, für deren selbständige Geltendmachung das angerufene Gericht international unzuständig wäre.46
43
Nun könnte man Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO entnehmen, dass im Vollstreckungsmitgliedstaat nur die Einwendung der Erfüllung geltend gemacht werden kann, während – im Umkehrschluss – andere Einwendungen dem Ursprungsmitgliedstaat überantwortet werden.47 Dass Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO insoweit als abschließende Regelung der möglichen Rechtsbehelfe im Vollstreckungsmitgliedstaat konzipiert ist, ist aber eher nicht anzunehmen. Hiergegen spricht die Formulierung in Satz 3 des ErwGr. 27 EG-MahnVO. Dort wird ausgeführt, dass das Verfahren der Vollstreckung des EZB unbeschadet der in Art. 22 Abs. 1 und 2 EG-MahnVO und Art. 23 EG-MahnVO enthaltenen „Mindestvorschriften“ im nationalen Recht geregelt bleiben soll. Wird aber Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO als bloße „Mindestvorschrift“ angesehen, ist der nationale Gesetzgeber nicht daran gehindert, für vergleichbare 40 Ausf. Wagner, IPRax 2005, 401, 407 f.; Gebauer/Wiedmann/Klippstein, Kap. 31 Rz. 58; Hüßtege, FS Jayme (2004) 371, 384; Rellermeyer, Rpfleger 2005, 389, 403; Adolphsen in MünchKomm/ZPO, § 1086 ZPO Rz. 1; Hüßtege in Thomas/Putzo, § 1086 ZPO Rz. 1, Anh. § 1086 ZPO Art. 20 Rz. 2. 41 Siehe § 1086 ZPO sowie ausdr. RegE BT-Drucks. 15/5222, 15 re. Sp. 42 Heß, IPRax 2004, 493; Leible/Lehmann, NotBZ 2004, 453, 461; Halfmeier, IPRax 2007, 381, 385 ff.; auch Preuß, ZZP 122 (2009) 3, 30 ff. (zulässig sei aber außerhalb der Fälle des Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO ein besonderer Rechtsbehelf, mit dem geltend gemacht werden könne, dass das Vollstreckungsziel bereits erreicht worden sei). 43 Siehe § 1096 Abs. 2 S. 2 ZPO sowie ausdr. RegE BT-Drucks. 16/8839, 26 li. Sp. 44 EuGH v. 13.10.2011 – C-139/10, ECLI:EU:C:2011:653 – Prism Investments BV vs. Jaap Anne van der Meer in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter der Arilco Holland BV Rz. 37, 40, EuZW 2011, 869 mit Anm. Bach; EuGH v. 4.7.1985 – 220/84 – AS-Autoteile Service vs. Pierre Malhé, EuGHE 1985, 2267, 2277 Rz. 12; OLG Hamburg, IPRax 1999, 168, 169 mit Anm. Geimer, 152. 45 ErwGr. 30 S. 1 Brüssel Ia-VO: „Eine Partei, die die Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung anficht, sollte so weit wie möglich im Einklang mit dem Rechtssystem des ersuchten Mitgliedstaats in der Lage sein, im selben Verfahren außer den in dieser Verordnung genannten Versagungsgründen auch die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Versagungsgründe innerhalb der nach diesem Recht vorgeschriebenen Fristen geltend zu machen.“ 46 EuGH v. 4.7.1985 – 220/84, ECLI:EU:C:1985:302 – AS-Autoteile Service-GmbH/Malhe, Rz. 12 ff. (zu Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ); BGH, NJW 2014, 2798 Rz. 16 f. 47 So Hess/Bittmann, 2008, 305, 310; vgl. auch Freitag/Leible, BB 2008, 2750, 2755 und Halfmeier, IPRax 2007, 381, 388.
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Vollstreckung
Art. 23 EG-MahnVO
Fälle entsprechende Rechtsbehelfe des nationalen Rechts vorzusehen. Im Ergebnis spricht daher nach der hier vertretenen Auffassung mehr dafür, von der Statthaftigkeit einer Vollstreckungsabwehrklage o.Ä. im Vollstreckungsmitgliedstaat auszugehen.48 Allerdings dürfte die Entscheidung über die Vollstreckungsabwehrklage nur die deutschen, nicht aber 44 die ausländischen Vollstreckungsbehörden binden.49 Denn tatsächlich sind Rechtsbehelfe im Vollstreckungsmitgliedstaat nur insoweit statthaft, als es um die Vollstreckung in diesem Staat geht. Dies ergibt sich daraus, dass die EG-MahnVO dem Vollstreckungsmitgliedstaat nur das Vollstreckungsverfahren überantwortet, die weitergehende materielle Wirksamkeit des Titels aber der Beurteilung im Ursprungsmitgliedstaat überlässt. Insoweit ergibt sich sodann auch ein Gleichlauf zwischen der in Art. 22 Abs. 2 EG-MahnVO geregelten Verweigerung der Vollstreckung bei nachträglicher Erfüllung, die die Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat betrifft (s. oben Rz. 36), und sonstigen, vom nationalen Verfahrensrecht erfassten Einwendungen.
V. Keine révision au fond im Vollstreckungsmitgliedstaat Art. 22 Abs. 3 EG-MahnVO schließt die Überprüfung eines EZB „in der Sache“ im Vollstreckungs- 45 mitgliedstaat aus. Damit sind etwa Klagen nach § 826 BGB, mit der die Rechtskraft des EZB durchbrochen werden soll, in Deutschland als Vollstreckungsmitgliedstaat unzulässig.50 Demgegenüber sind derartige Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat nicht ausgeschlossen (s. oben Art. 20 EGMahnVO Rz. 77 ff.). Auch bloße bereicherungsrechtliche Rückforderungsklagen sind, soweit der EZB im Ursprungsmitgliedstaat Bestand hat, ausgeschlossen.
Artikel 23 Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung Hat der Antragsgegner eine Überprüfung nach Artikel 20 beantragt, so kann das zuständige Gericht im Vollstreckungsmitgliedstaat auf Antrag des Antragsgegners a) das Vollstreckungsverfahren auf Sicherungsmaßnahmen beschränken, oder b) die Vollstreckung von der Leistung einer von dem Gericht zu bestimmenden Sicherheit abhängig machen, oder c) unter außergewöhnlichen Umständen das Vollstreckungsverfahren aussetzen. Die Gerichte können, wenn der Antragsgegner Überprüfung nach Art. 20 EG-MahnVO beantragt hat, auf Antrag die Vollstreckung einschränken oder aussetzen. Die Vorschrift ist Art. 23 EG-VollstrTitelVO nachempfunden.
1
Eine Aussetzung ist allerdings – anders als im Falle der EG-VollstrTitelVO, die nur allgemein von 2 Rechtsbehelfen spricht – nur statthaft, wenn der Antragsgegner die Überprüfung gem. Art. 20 EGMahnVO beantragt hat. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die EG-MahnVO mit Art. 20 EGMahnVO eine abschließende Regelung der Rechtsbehelfe vorgenommen hat. Die Vorschrift ist gemäß ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung nach der überzeugenden h.M. nur anwendbar, wenn die Vollstreckung des EZB in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat er-
48 Tschütscher/Weber, ÖJZ 2007, 303, 314; auch Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1105. 49 Preuß, ZZP 122 (2009), 3, 32 ff.; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 21 MahnVO Rz. 2; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 2 und 14; im Ergebnis auch Kropholler/von Hein, Rz. 15; zur EG-VollstrTitelVO auch Wagner, IPRax 2005, 401, 408; a.A. Ulrici in MünchKomm/ZPO, § 1096 ZPO Rz. 35. 50 Anders wurde dies offenkundig in einer Stellungnahme des BMJ zum Grünbuch gesehen (vgl. Röthel/Sparmann, WM 2007, 1101, 1105 Fn. 59).
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Art. 24 EG-MahnVO
Rechtliche Vertretung
folgt.1 Zudem fehlt anders als in dem Parallelfall der EuBagatellVO2 eine Vorschrift, die eine entsprechende Anwendung bei Vollstreckung im Ursprungsmitgliedstaat anordnet.3 Den Mitgliedstaaten steht es gem. Art. 26 EG-MahnVO indes frei, für diesen Fall ähnliche Aussetzungsmöglichkeiten vorzusehen; in Deutschland gilt insoweit § 1095 Abs. 1 ZPO. Erst recht können die Mitgliedstaaten die Möglichkeit einer Aussetzung vorsehen, wenn sonstige (zwangsvollstreckungsrechtliche) Rechtsbehelfe eingelegt worden sind, die von der EG-MahnVO unberührt bleiben (s. Art. 21 EG-MahnVO Rz. 1 sowie zur Vollstreckungsgegenklage Art. 22 EG-MahnVO Rz. 39 ff.). 3
Im Übrigen gelten bei Art. 23 EG-MahnVO dieselben Grundsätze wie bei Art. 23 EG-VollstrTitelVO. Vorausgesetzt wird zunächst ein Antrag des Antragsgegners. Im Rahmen der Entscheidung nach Art. 23 EG-MahnVO steht dem Gericht ein Ermessen zu. Es hat hierbei die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nach Art. 20 EG-MahnVO zu berücksichtigen.4 Ferner hat es in die Ermessensabwägung einzustellen, ob eine bedingungslose Vollstreckung zu einem nicht wiedergutzumachenden Schaden führt.5 Im Einzelnen kann das Gericht sodann auf Maßnahmen insgesamt verzichten, die Vollstreckung auf Sicherungsmaßnahmen beschränken (lit. a), von einer Sicherheitsleistung abhängig machen (lit. b) oder aber – als ultima ratio6 – das Vollstreckungsverfahren ganz aussetzen (lit. c). Soweit gem. Art. 23 lit. b EG-MahnVO die Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wurde und der für vollstreckbar erklärte EZB nach der Vollstreckung gem. Art. 20 im Ursprungsmitgliedstaat für nichtig erklärt wurde, kann der Antragsgegner nach den Regeln des Vollstreckungsmitgliedstaats auf die Sicherheitsleistung zugreifen, um den ihm durch die Vollstreckung entstandenen Schaden auszugleichen.
4
Für einen Antrag nach Art. 23 EG-MahnVO ist in Deutschland gem. § 1096 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. § 1084 Abs. 1, 802, 828 Abs. 2 ZPO das AG als Vollstreckungsgericht ausschließlich zuständig. Das AG entscheidet gem. § 1096 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 1084 Abs. 3 S. 1 ZPO im Wege der einstweiligen Anordnung. Diese ist unanfechtbar (§ 1096 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 1084 Abs. 3 S. 2 ZPO).
Artikel 24 Rechtliche Vertretung Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsbeistand ist nicht zwingend a) für den Antragsteller im Hinblick auf die Beantragung eines Europäischen Zahlungsbefehls, b) für den Antragsgegner bei Einlegung des Einspruchs gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl. 1
Art. 24 EG-MahnVO zieht die Konsequenz aus der Zielbestimmung des Art. 1 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO. Angestrebt wird ein einfaches und kostengünstiges Verfahren. Dem entspricht es, dass die Mitgliedstaaten für das Verfahren keinen Anwaltszwang vorschreiben dürfen. Dies gilt sowohl für den Antragsteller im Hinblick auf die Beantragung des EZB (lit. a) als auch für den Antragsgegner bei Einlegung des Einspruchs gegen den EZB (lit. b).1
1 Kropholler/von Hein, Rz. 1; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 1; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 1; Kindl/Meller-Hannich/Netzer, Rz. 2; Rellermeyer, Rpfleger 2009, 11, 15. Diese entspricht auch der Auffassung des deutschen Gesetzgebers (s. BT-Drucks. 16/8839, 25). Abw. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 2. 2 Siehe dort Art. 15 Abs. 2 EuBagatellVO mit Art. 23 EuBagatellVO. 3 Kropholler/von Hein, Rz. 1. 4 Abw. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 10 (nur ein offensichtliches Fehlen von Erfolgsaussichten des Überprüfungsverfahrens sei zu berücksichtigen). 5 Kloiber, ZfRV 2009, 68, 78 f.; Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 3. 6 Hüßtege in Thomas/Putzo, Rz. 3; Meyer-Berger, S. 178 f. 1 Kloiber, ZfRV 2009, 68, 72. Zu möglichen Wertungswidersprüchen zum österr Recht s. Rechberger, FS YessiouFaltsi (2007), 513, 528.
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Allgemeine und Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-MahnVO
Art. 24 EG-MahnVO wendet sich nur gegen eine Anwaltspflicht, steht aber selbstverständlich einer anwaltlichen Vertretung nicht entgegen.2 Ob eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt zulässig ist, dürfte sich aber nicht bereits aus Art. 24 EG-MahnVO selbst ergeben, sondern bestimmt sich gem. Art. 26 EG-MahnVO nach der lex fori.3 Insoweit greift aber sodann das in der Rechtsprechung des EuGH entwickelte Äquivalenzprinzip: Soweit den Parteien in innerstaatlichen Fällen die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ermöglicht wird, hat dies auch im europäischen Mahnverfahren zu gelten (s. Art. 26 EG-MahnVO Rz. 2).
1a
Art. 24 EG-MahnVO bezieht sich nur auf die Beantragung des EZB und den Einspruch. Von der Vorschrift nicht berührt wird die Frage, ob die Parteien nach Überleitung in ein ordentliches Verfahren der Vertretung durch einen Rechtsanwalt bedürfen.4 Von der Vorschrift nicht erfasst werden auch die Anträge nach Art. 20, 22, und 23 EG-MahnVO.5 Insoweit ist wiederum gem. Art. 26 EG-MahnVO das Recht der Mitgliedstaaten heranzuziehen.
2
Artikel 25 Gerichtsgebühren (1) Sind in einem Mitgliedstaat die Gerichtsgebühren für Zivilverfahren im Sinne des Artikels 17 Absatz 1 Buchstabe a beziehungsweise Buchstabe b genauso hoch oder höher als die Gerichtsgebühren für das Europäische Mahnverfahren, so dürfen die Gerichtsgebühren für ein Europäisches Mahnverfahren und das sich daran im Falle eines Einspruchs gemäß Artikel 17 Absatz 1 anschließende Zivilverfahren insgesamt nicht höher sein als die Gebühren für solche Verfahren ohne vorausgehendes Europäisches Mahnverfahren in diesem Mitgliedstaat. Für Zivilverfahren, die sich im Falle eines Einspruchs gemäß Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a beziehungsweise Buchstabe b anschließen, dürfen in einem Mitgliedstaat keine zusätzlichen Gerichtsgebühren erhoben werden, wenn die Gerichtsgebühren für diese Art von Verfahren in diesem Mitgliedstaat niedriger sind als die Gerichtsgebühren für das Europäische Mahnverfahren. (2) Für die Zwecke dieser Verordnung umfassen die Gerichtsgebühren die dem Gericht zu entrichtenden Gebühren und Abgaben, deren Höhe nach dem nationalen Recht festgelegt wird. Art. 25 EG-MahnVO will vermeiden, dass das europäische Mahnverfahren aufgrund gebührenrechtlicher Regelungen der Mitgliedstaaten in seiner Attraktivität beeinträchtigt wird. Insbes könnten die Gläubiger von dem Verfahren nach der EG-MahnVO abgehalten werden, wenn sie im Falle eines Einspruchs und der damit verbundenen Überleitung des Verfahrens in einen ordentlichen Rechtsstreit (Art. 17 EG-MahnVO) mit höheren Gebühren rechnen müssten.1 Die Vorschrift ordnet daher an, dass die Vorschaltung eines Mahnverfahrens, gemessen an den gesamten Kosten eines ordentlichen zivilrechtlichen Verfahrens, nicht zu erhöhten Kosten führen darf.
1
Den Mitgliedstaaten bleibt es überlassen, diesen Grundsatz in ihrem nationalen Recht umzusetzen. 2 Im deutschen Recht ist Art. 25 EG-MahnVO dadurch umgesetzt, dass die Kosten des vorangegangen Mahnverfahrens auf die Kosten des nachfolgenden ordentlichen Verfahrens angerechnet werden.2
2 3 4 5
Das Antragsformular sieht dementsprechend ausdrücklich die Vertretung durch einen Rechtsanwalt vor. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 2; Kindl/Meller-Hannich/Netzer, Rz. 3. Im Kommissionsvorschlag wurde dies noch ausdrücklich klargestellt (Art. 13 Abs. 2 VO-Vorschlag). So auch Meyer-Berger, S. 180 (die jedoch für eine Gleichbehandlung dieser Fälle plädiert); zum Verfahren nach Art. 20 auch Mayr, JBl 2008, 503, 513 Fn. 117. 1 Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren, S. 268. 2 Siehe Nr. 1210 Abs. 1 Anlage 1 (Kostenverzeichnis) GKG. Im Mahnverfahren selbst fällt nach Nr. 110 Anlage 1 (Kostenverzeichnis) GKG eine Gebühr i.H.v. 0,5 – mindestens 32 t – an. Der EZB wird erst nach Vorauszahlung der Gebühr entsprechend § 12 Abs. 3 S. 1 GKG erlassen. Für das arbeitsgerichtliche Verfahren s. entsprechend Nr. 8210 Abs. 1 Anlage 1 (Kostenverzeichnis) GKG.
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Art. 26 EG-MahnVO
Verhältnis zum nationalen Prozessrecht
2a
Auch die Modalitäten des Verfahrens zur Feststellung der Höhe der Gerichtsgebühren unterliegen, wie dies auch der EuGH festgestellt hat, dem nationalen Recht der einzelnen Mitgliedstaaten.3 Allerdings hat der EuGH dies mit einer Einschränkung versehen: Diese Modalitäten dürfen weder ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegenden Sachverhalte regeln (Äquivalenzprinzip), noch dürfen sie so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte faktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip).4 Dementsprechend stehe es den nationalen Gerichten frei, Informationen über die Höhe des Streitwerts zu verlangen, um die Höhe der Gerichtsgebühren zu ermitteln. Voraussetzung sei allerdings, dass diese Anforderungen weder zu einer Zurückweisung des Antrags führen können noch das Verfahren übermäßig verlängern.5
3
Andere Kosten – etwa Rechtsanwaltskosten – sind von Art. 25 EG-MahnVO nicht berührt; sie richten sich nach den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten.6 Dasselbe gilt für die Frage, ob der Antragsteller Prozesskostenhilfe beanspruchen kann.7
Artikel 26 Verhältnis zum nationalen Prozessrecht Sämtliche verfahrensrechtlichen Fragen, die in dieser Verordnung nicht ausdrücklich geregelt sind, richten sich nach den nationalen Rechtsvorschriften. 1
Die EG-MahnVO verweist in verschiedenen Artikeln ergänzend auf das nationale Recht (vgl. etwa Art. 17 Abs. 2, 21 Abs. 1, 25 Abs. 2 EG-MahnVO). Art. 26 EG-MahnVO stellt klar, dass auch im Übrigen, soweit die EG-MahnVO bestimmte Fragen ungeregelt lässt, das Recht der EU-Mitgliedstaaten zur Anwendung gelangt. Maßgeblich ist hierbei das Recht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren stattfindet. Die Vollstreckung richtet sich gem. Art. 21 Abs. 1 S. 1 EG-MahnVO nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats.
2
Allerdings gelten nach dem EuGH für die (ergänzenden) nationalen Vorschriften inhärente unionsrechtliche Maßstäbe: Die nationalen Regeln dürfen für denjenigen, der durch die EG-MahnVO bestimmte Rechte eingeräumt bekommen hat, nicht ungünstiger sein als die Vorschriften, die gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte regeln (Äquivalenzprinzip); zudem dürfen sie nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip).1
3
Ob die EG-MahnVO bestimmte Fragen abschließend regelt, ist durch Auslegung zu ermitteln. So werden etwa nach Auffassung des EuGH die Voraussetzungen, die ein Antrag auf Erlass eines EZB
3 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, 147 m. Anm. Sujecki. 4 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, 147 (Rz. 34) unter Verweis auf EuGH v. 4.6.2021 – C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 – Banco Español de Crédito SA vs. Joaquín Calderón Camino, NJW 2012, 2257 (Rz. 46). 5 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, 147 (Rz. 35). 6 Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 268 f.; Geimer/Schütze/Kodek, Rz. 3; Meyer-Berger, S. 179. Siehe dazu noch OLG Nürnberg 18.11.2009 – 5 W 2094/09 (der Einspruch gegen einen Europäischen Zahlungsbefehl entspreche dem Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid und lasse daher die volle 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG entstehen). 7 Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren S. 270 f. 1 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, 147 (Rz. 34) unter Verweis auf EuGH, C-618/10, ECLI:EU:C:2012:349 – Banco Español de Crédito SA vs. Joaquín Calderón Camino, NJW 2012, 2257 (Rz. 46).
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Allgemeine und Schlussbestimmungen
Art. 27 EG-MahnVO
erfüllen muss, durch Art. 7 EG-MahnVO abschließend geregelt.2 Die Mitgliedstaaten haben daher nicht die Möglichkeit, in Bezug auf den Antrag zusätzliche Voraussetzungen vorzuschreiben.3 In der Rechtssache Flight Refund Ltd/Deutsche Lufthansa AG hat der EuGH demgegenüber die Auf- 4 fassung vertreten, dass Art. 17 EG-MahnVO im Hinblick auf die Überleitung des Verfahrens nur von „geringer Tragweite“ sei und keine nähere Regelung des Überleitungsverfahrens treffe. Dementsprechend sei gem. Art. 17 Abs. 2 EG-MahnVO und Art. 26 EG-MahnVO für die Ausgestaltung des Überleitungsverfahrens das nationale Recht der Mitgliedstaaten zu befragen. Das nationale Recht der Mitgliedstaaten habe dementsprechend festzulegen, von welchem Gericht die internationale Zuständigkeit zu prüfen sei; ferner obliege es dem nationalen Recht (und nicht der EG-MahnVO), das für das anschließende ordentliche Zivilverfahren sachlich und örtlich zuständige Gericht festzulegen. Sei das nationale Recht an dieser Stelle lückenhaft, könne die Lücke nicht durch eine (analoge) Anwendung von Vorschriften der EG-MahnVO geschlossen werden; es sei Aufgabe der nationalen Gesetzgeber, insoweit Vorschriften vorzusehen.4 Der Entscheidung des EuGH lässt sich entnehmen, dass dem nationalen Gesetzgeber ein weiter Spielraum bei der Ausgestaltung des Überleitungsverfahrens verbleibt. Der deutsche Gesetzgeber hat eine Durchführungsvorschrift in § 1090 ZPO vorgesehen. Hiernach wird der Antragsteller aufgefordert, innerhalb einer angemessenen Frist das Gericht zu benennen, das für die Durchführung des streitigen Verfahrens zuständig sein soll (§ 1090 Abs. 1 S. 1–3 ZPO). Benennt der Antragsteller innerhalb der Frist das zuständige Gericht nicht, wird der EZB aufgehoben (§ 1090 Abs. 1 S. 4 ZPO); das Mahnverfahren endet hierdurch (§ 1090 Abs. 1 S. 5 ZPO).5 Aus der EG-MahnVO lässt sich nicht ableiten, dass eine derartige Mitwirkungsobliegenheit unzulässig sein soll. Ferner gehört es zu dem Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers, im Rahmen der Durchführungsvorschriften bestimmte prozessuale Nachteile für den Fall anzuordnen, dass der Antragsteller seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachkommt. Nach der hier vertretenen Auffassung sind daher auch § 1090 Abs. 1 S. 4 und S. 5 ZPO mit den Vorgaben der EG-MahnVO vereinbar (s. Art. 17 EG-MahnVO Rz. 5a ff.).6
Artikel 27 Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivilund Handelssachen in den Mitgliedstaaten.1 Aus Art. 13 und 14 EG-MahnVO ergibt sich zunächst, dass sich die Zustellung grundsätzlich nach dem Recht des Staates richtet, in dem die Zustellung erfolgen soll (s. Art. 12 EG-MahnVO Rz. 11). 2 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, 147 m. zust. Anm. Sujecki. 3 EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka vs. SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, Rz. 27. 4 EuGH v. 10.3.2016 – C-94/14, ECLI:EU:C:2016:148 – Flight Refund Ltd. vs. Deutsche Lufthansa AG, Rz. 53 ff. mit Besprechung Gruber, IPRax 2017, 259 ff. Der Vorschlag der Generalanwältin war demgegenüber noch in die andere Richtung gegangen: Sie hatte angesichts der Lückenhaftigkeit des ungarischen Rechts noch aus Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO eine Ersatz-Zuständigkeitsregelung herleiten wollen (Schlussanträge der Generalanwältin Eleanor Sharpston vom 22.10.2015 – C-94/14, ECLI:EU:C:2015:723 – Flight Refund Ltd. vs. Deutsche Lufthansa AG). 5 § 1090 Abs. 1 S. 4 und S. 5 ZPO wurden mit Wirkung vom 17.6.2017 durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts vom 11.6.2017 angefügt (BGBl. I 1607). 6 A.A. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Rz. 6; Ulrici in MünchKomm/ZPO, § 1090 Rz. 5; Ulrici, EuZW 2016, 369, 372; BeckOK/Thode, § 1090 Rz. 15 f. 1 Amtl. Fußnote: ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 37. [Fußnote einschließlich Nummerierung entstammt dem im ABl. EU veröffentlichten amtlichen Text, nunmehr „ABl. L 324 vom 10.12.2007, S. 79“, Art. 25 EG-ZustVO 2007.].
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Art. 28 EG-MahnVO
Informationen zu den Zustellungskosten und zur Vollstreckung
Art. 13–15 EG-MahnVO statuieren Mindestvorschriften für die Zustellung des EZB an den Antragsgegner. Werden diese Mindestvorschriften nicht eingehalten, darf der EZB nicht für vollstreckbar erklärt werden (s. Art. 18 EG-MahnVO Rz. 3). 2
Art. 27 EG-MahnVO lässt daneben die Anwendung der EG-ZustVO 2000 (VO (EG) Nr. 1348/2000) unberührt. Die EG-ZustVO 2000 ist durch die EG-ZustVO 2007 (VO (EG) Nr. 1393/2007) ersetzt worden. Art. 27 EG-MahnVO ist nunmehr als Bezugnahme auf die EG-ZustVO 2007 zu verstehen.2 Ab dem 1.7.2022 wird die EG-ZustVO 2007 wiederum durch eine Neufassung ersetzt (Verordnung (EU) 2020/1784).
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Die EG-ZustVO 2007 stellt in Art. 7 Abs. 1 EG-MahnVO ebenfalls dem Grundsatz nach auf das Recht des Staats ab, in dem die Zustellung erfolgen soll. Insoweit ergibt sich kein Widerspruch zu der Aussage in Art. 13 und 14 EG-MahnVO.
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Die EG-ZustVO 2007 stellt iÜ bindendes Verordnungsrecht dar. Soweit also nationales Zustellungsrecht von den Bestimmungen der EG-ZustVO 2007 abweicht, sind die Bestimmungen der EG-ZustVO anzuwenden.
Artikel 28 Informationen zu den Zustellungskosten und zur Vollstreckung Die Mitgliedstaaten arbeiten zusammen, um der Öffentlichkeit und den Fachkreisen folgende Informationen zur Verfügung zu stellen: a) Informationen zu den Zustellungskosten, und b) Information darüber, welche Behörden im Zusammenhang mit der Vollstreckung für die Anwendung der Artikel 21, 22 und 23 zuständig sind, insbesondere über das mit der Entscheidung 2001/470/EG des Rates1 eingerichtete Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen. 1
Die Vorschrift ist Art. 29 EG-VollstrTitelVO nachempfunden.
Artikel 29 Angaben zu den zuständigen Gerichten, den Überprüfungsverfahren, den Kommunikationsmitteln und den Sprachen (1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission bis zum 12. Juni 2008 Folgendes mit: a) die Gerichte, die dafür zuständig sind, einen Europäischen Zahlungsbefehl zu erlassen; b) Informationen über das Überprüfungsverfahren und die für die Anwendung des Artikels 20 zuständigen Gerichte; c) die Kommunikationsmittel, die im Hinblick auf das Europäische Mahnverfahren zulässig sind und den Gerichten zur Verfügung stehen; d) die nach Artikel 21 Absatz 2 Buchstabe b zulässigen Sprachen. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über alle späteren Änderungen dieser Angaben. 2 Siehe Art. 25 EG-ZustVO 2007. 1 Amtl. Fußnote: ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 25.
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Allgemeine und Schlussbestimmungen
Art. 31 EG-MahnVO
(2) Die Kommission macht die nach Absatz 1 mitgeteilten Angaben durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union und durch andere geeignete Mittel öffentlich zugänglich. Die Vorschrift ist Art. 30 EG-VollstrTitelVO nachempfunden.
1
Artikel 30 Änderung der Anhänge Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 31 in Bezug auf die Änderung der Anhänge I bis VII delegierte Rechtsakte zu erlassen. Art. 30 EG-MahnVO ermächtigt die Kommission dazu, die Anhänge zu ändern.1 Die Einzelheiten 1 der Befugnisübertragung ergeben sich aus Art. 31 EG-MahnVO. Die Kommission hat mit der Verordnung vom 19.7.2017 von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.2 Die Änderungen sind aber eher gering; sie tragen den Änderungen des Europäischen Mahnverfahrens Rechnung, die durch die Verordnung (EU) 2015/2421 herbeigeführt worden sind.3 Eine größere Änderung der Anhänge ist zuvor noch durch die Verordnung (EU) Nr. 936/2012 mit Wirkung vom 23.10.2012 erfolgt.4
Artikel 31 Ausübung der Befugnisübertragung (1) Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen. (2) Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 30 wird der Kommission auf unbestimmte Zeit ab dem 13. Januar 2016 übertragen. (3) Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 30 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt. (4) Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.
1 Die Vorschrift hat ihre aktuelle Fassung durch Art. 2 der Verordnung (EU) 2015/2421 erhalten (Verordnung (EU) 2015/2421 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. Nr. L 341/1). 2 Delegierte Verordnung (EU) 2017/1260 der Kommission vom 19.6.2017 zur Änderung des Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. Nr. L 182/20. 3 Verordnung (EU) 2015/2421 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 341/1). 4 Verordnung (EU) Nr. 936/2012 der Kommission vom 4.10.2012 zur Änderung der Anhänge der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens.
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Art. 32 EG-MahnVO
Überprüfung
(5) Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 30 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert. 1
Art. 31 EG-MahnVO enthält Einzelheiten zu der in Art. 30 EG-MahnVO angeordneten Befugnisübertragung auf die Kommission.1 Die Befugnis der Kommission wird insbesondere durch Abs. 5 EG-MahnVO eingeschränkt; hiernach können das Europäische Parlament bzw. der Rat verhindern, dass die Änderung der Anhänge in Kraft tritt.
Artikel 32 Überprüfung Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschaftsund Sozialausschuss bis zum 12. Dezember 2013 einen detaillierten Bericht über die Überprüfung des Funktionierens des Europäischen Mahnverfahrens vor. Dieser Bericht enthält eine Bewertung des Funktionierens des Verfahrens und eine erweiterte Folgenabschätzung für jeden Mitgliedstaat. Zu diesem Zweck und damit gewährleistet ist, dass die vorbildliche Praxis in der Europäischen Union gebührend berücksichtigt wird und die Grundsätze der besseren Rechtsetzung zum Tragen kommen, stellen die Mitgliedstaaten der Kommission Angaben zum grenzüberschreitenden Funktionieren des Europäischen Zahlungsbefehls zur Verfügung. Diese Angaben beziehen sich auf die Gerichtsgebühren, die Schnelligkeit des Verfahrens, die Effizienz, die Benutzerfreundlichkeit und die internen Mahnverfahren der Mitgliedstaaten. Dem Bericht der Kommission werden gegebenenfalls Vorschläge zur Anpassung der Verordnung beigefügt. 1
Die Vorschrift hat sich überholt. Der in der Vorschrift angesprochene Bericht wurde mit fast zweijähriger Verspätung vorgelegt.1
Artikel 33 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 12. Dezember 2008 mit Ausnahme der Artikel 28, 29, 30 und 31, die ab dem 12. Juni 2008 gelten. 1
Art. 33 EG-MahnVO bestimmt den temporalen Anwendungsbereich der EG-MahnVO. Das Verfahren nach der EG-MahnVO steht in den Mitgliedstaaten seit dem 12.12.2008 zur Verfügung.
1 Die Vorschrift hat ihre aktuelle Fassung durch Art. 2 der Verordnung (EU) 2015/2421 erhalten (Verordnung (EU) 2015/2421 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. Nr. L 341/1). 1 COM(2015) 495 final.
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Allgemeine und Schlussbestimmungen
Art. 33 EG-MahnVO
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Geschehen zu Straßburg am 12.12.2006. Im Namen des Europäischen Parlaments Der Präsident J. BORRELL FONTELLES
Im Namen des Rates Der Präsident M. PEKKARINEN
Anhänge I–VII https://eur-lex.europa.eu/eli/reg/2006/1896/2017-07-14 (zuletzt abgerufen am 18.8.2021)
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Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen ABl. EU 2007 L 199/1 Konsolidierte Fassung vom 14.8.2017 entsprechend der Verordnung (EU) 2015/2421 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens Schrifttum: Bittmann, Vom Exequatur zum qualifizierten Klauselerteilungsverfahren – Die Implementierung des Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen in den nationalen Zivilprozessordnungen (2008), zitiert: Bittmann; Brokamp, Das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen (2008), zitiert: Brokamp; Coester-Waltjen, Europäisierung des Zivilprozessrechts, JURA 2006, 914; Cortes Dieguez, Does the proposed European procedure enhance the resolution of small claims, CJQ 2008, 83; Cortés, A comparative review of offers to settle – would an emerging settlement culture pave the way for their adoption in continental Europe? CJQ 2013, 32(1), 42; Crifo, Europeanisation, harmonisation and unspoken premises: the case of service rules in the Regulation on a European Small Claims Procedure (Reg. No. 861/2007), CJQ 2013, 30(3), 283; Cuypers, Internationale Zuständigkeit, Brüssel I und small claims regulation, GPR 2009, 34; Eckardt, Zur Sachabweisung a limine litis im amtsgerichtlichen Bagatellverfahren, FS Lindacher (2017) 75; Einhaus, Qual der Wahl: Europäisches oder internationales deutsches Mahnverfahren?, IPRax 2008, 323; Engels, Europäisches Bagatellverfahren ab 2009 – SmallClaims-Verordnung für grenzüberschreitende Forderungen bis Euro 2.000, AnwBl. 2008, 51; Ernst, Einführung eines europäischen Zivilverfahrens für geringfügige Forderungen, JurBüro 2009, 229; Espiniella, Case study European Small Claims Procedure, 2016 ejtn lookup; Fiorini, Facilitating Cross-Border Debt Recovery – The European Payment Order and Small Claims Regulation, ICLQ 2008, 449; Frattini, European Area of Civil Justice – Has the Community Reached the Limits?, ZEuP 2006, 225; Freitag/Leible, Erleichterungen der grenzüberschreitenden Forderungsbeitreibung in Europa: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, BB 2009, 2; Fucik, Das EU-Bagatellverfahren nach der ZVN 2009, ÖJZ 2009, 437; Garber, Die Stellung des Verbrauchers im Europäischen Zivilprozessrecht – Ein Vergleich zwischen EuGVVO, EG-VollstrTitelVO, EG-MahnVO und EG-BagatellVO, ÖJZ 2011, 197; Garber, Sprachregelungen im Europäischen Bagatellverfahren, in Clavora/Garber, Sprache und Zivilverfahrensrecht (2013) 123; Gawith, Model laws relevant to preparation for the international regulation of international consumer transactions, J.B.L. 2010, 474; Gsell/Netzer, Vom grenzüberschreitenden zum potenziell überschreitenden Sachverhalt – Art. 19 Eu UnterhVO als Paradigmenwechsel im Europäischen Zivilverfahrensrecht, IPRax 2010, 403; Gsell, Die Geltendmachung nachträglicher materieller Einwendungen im Wege der Vollstreckungsgegenklage bei Titeln aus dem Europäischen Mahn- und Bagatellverfahren, EuZW 2011, 87; Hackenberg, SmallClaims-Verordnung: Neue Wege zur Durchsetzung grenzüberschreitender Forderungen in der EU, BC 2007, 338; Haibach, Zur Einführung des ersten europäischen Zivilprozessverfahrens: Verordnung (EG) Nr. 861/2007, EuZW 2008, 137; Hau, Zur Entwicklung des internationalen Zivilverfahrensrechts in der Europäischen Union in den Jahren 2005 und 2006, GPR 2007, 93; Hau, Das neue europäische Verfahren zur Beitreibung geringfügiger Forderungen, JuS 2008, 1056; Hau, Die Verortung natürlicher Personen – Ein Beitrag zum Allgemeinen Teil des Europäischen Zivilverfahrensrechts, GS Wolf (2011) 409; Hau, Zur Fortentwicklung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, FS Gottwald (2014) 255; Heger, Europa ganz praktisch – Das Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung, DStR 2009, 435; Heinig, Die Konkurrenz der EuGVVO mit dem übrigen Gemeinschaftsrecht, GPR 2010, 36; Hess, Neue Rechtsakte und Rechtssetzungsmethoden im Europäischen Justizraum, ZSR 2005, 183; Hess, Methoden der Rechtsfindung im Europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2006, 348; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht (2010), zitiert: Hess, EuZPR; Hess/Bittmann, Die Verordnungen zur Einführung eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen – ein substantieller Integrationsschritt im Europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 305; Huber, Der Kommissionsvorschlag zur Reform der EU-Mahn- und der EU-Bagatellverordnung: Fortentwicklung oder Paradigmenwechsel?, GPR 2014, 242; Huber, Die Reform des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, RIW 2018, 625; Jahn, Das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, NJW 2007, 2890; Jauernig/Hess, Zivilprozessrecht30 (2011), zitiert: Jauernig/Hess, ZPR30; Jelinek, Das Europäische Bagatellverfahren aus österreichischer Sicht, in: König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich II (2009), 47, zitiert: König/Mayr/Jelinek; Kern, Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen und die gemeineuropäischen Verfahrensgrundsätze, JZ 2012, 389; Kieninger, Die Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens in der EuGVVO und die Zukunft des Verbraucherschutzes, VuR 2011, 243; Kodek, Die Wahrung von Grundrechten durch die Gerichtsbarkeit, ÖJZ 2008, 216; Kodek, Auf dem Weg zu einem Europäischen Mahnverfahren? Gedanken zum Verordnungsvorschlag der Kommis-
Varga
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EG-BagatellVO
Schrifttum
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Materialien: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorbereitende Studie, 9.7.2001; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch über ein europäisches Mahnverfahren und über Maßnahmen zur einfacheren und schnelleren Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert, 20.12.2002, KOM (2002) 746; Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zum Grünbuch [wie vorstehend], 16.9.2003, ABl. EU 2003 C 220/5; Gargani, Europäisches Parlament, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Bericht über die Aussichten auf eine Angleichung des Zivilprozessrechts in der Europäischen Union, 30.1.2004, A5-0041/2004; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, 15.3.2005, COM (2005) 87; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Folgenabschätzung, 15.3.2005, SEC (2005) 351; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Kommentar zu einigen Artikeln des Vorschlages, 15.3.2005, SEC (2005) 352; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht, 29.4.2005, 8539/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht, 30.6.2005, 10544/05; Rat der Europäischen Union, Gutachten des Juristischen Dienstes – Rechtsgrundlage, 30.6.2005, 10748/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk über die Teilnahme des Vereinigten
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Varga
Schrifttum
EG-BagatellVO
Königreiches, 30.6.2005, 10775/05; Rat der Europäischen Union, Informationsvermerk über Bestimmungen zur Abschaffung des Exequaturverfahrens in der EVT-Verordnung und im Entwurf der Mahnverfahrensverordnung, 13.7.2005, 11039/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht, 25.7.2005, 11377/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk über bestimmte Aspekte des Vorschlags, 5.9.2005, 11522/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht, 28.9.2005, 12666/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht, Textvorschlag, 30.9.2005, 12503/05; Kommission der Europäischen Union, Analyse über die Rechtsgrundlage des Vorschlages über eine Verordnung [wie vorstehend], 11.10.2005, SEC (2005) 1302; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 21.11.2005, 14638/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 29.11.2005, 15054/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht, 7.12.2005, 15469/05; Rat der Europäischen Union, Übermittlungsvermerk von Lord Falconer (Minister für Verfassungsangelegenheiten und Lordkanzler), Franco Frattini (Vizepräsident der Kommission) über Folgemaßnahmen im Anschluss an die politischen Beratungen von Newcastle über zivilrechtliche Fragen, 7.12.2005, 15470/05; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht, 12.12.2005, 15469/1/05 REV 1; Rat der Europäischen Union, Vermerk des britischen Vorsitzes und des neuen österreichischen Vorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht (Geringfügige Forderungen), 20.12.2005, 15954/05; Rat der Europäischen Union, Meinung des Juristischen Dienstes über die Vereinbarkeit von Artikel 4 des Vorschlags mit Artikel 6 (1) der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte, 29.12.2005, 15132/05; Rat der Europäischen Union, Beitrag des juristischen Dienstes, redaktionelle Qualität, 20.2.2006, 6576/06; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht, 1.3.2006, 6874/06; Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zum Vorschlag [wie vorstehend], 11.4.2006, ABl. EU 2006 C 88/61; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht, 19.4.2006, 8361/06; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht, 2.5.2005, 8408/06; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für den AStV, Textvorschlag, 19.5.2006, 9329/06; Rat der Europäischen Union, Anmerkung der Präsidentschaft für Coreper II, 19.5.2006, 9418/06; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht, 22.5.2006, 9463/06; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für den AStV II/Rat, 29.5.2006, 9853/06; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für den AStV (2. Teil)/Rat, 29.5.2006, 9886/06; Rat der Europäischen Union, Korrigendum zum Vermerk des Vorsitzes für den AStV (2. Teil)/Rat, 31.5.2006, 9886/06 COR 1; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für den AStV (2. Teil)/Rat, Addendum, 9.6.2006, 9886/06 ADD 1; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für den Ausschuss für Zivilrecht, Textvorschlag, 24.7.2006, 11830/06; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für den AStV/Rat, Textvorschlag, 21.9.2006, 13076/06; Rat der Europäischen Union, I/A-Punkt Vermerk des Generalsekretariats des Rates für den AStV/Rat, 22.9.2006, 13106/06; Rat der Europäischen Union, Korrigendum zum Vermerk des Vorsitzes für den AStV/Rat, 27.9.2006, 13076/06 COR 1; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Ausschusses für Zivilrecht, 12.10.2006, 13036/06; Mayer, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, Bericht über den Vorschlag [wie vorstehend], 7.11.2006, A6-0387/06; Rat der Europäischen Union, I/A-Punkt Vermerk des Vorsitzes für den AStV/Rat, 1.12.2006, 16115/06; Rat der Europäischen Union, I/A-Punkt Vermerk des Vorsitzes für den AStV/Rat, 6.12.2006, 16115/1/06 REV 1; Rat der Europäischen Union, I/A-Punkt Vermerk des Vorsitzes für den AStV/Rat, Textvorschlag, 6.12.2006, 16116/06; Europäisches Parlament und der Rat der Europäischen Union, Verordnungstext, 22.5.2007, PE-CONS 3604/07; Rat der Europäischen Union, I/A-Punkt Vermerk des Generalsekretariats des Rates für den AStV/Rat, 31.5.2007, 9818/07; Europäisches Parlament und der Rat der Europäischen Union, Verordnungstext-Korrigendum, 12.6.2007, PE-CONS 3604/07 COR 2; Europäisches Parlament und der Rat der Europäischen Union, Verordnungstext-Revision, 11.7.2007, PE-CONS 3604/5/07 REV 5; Rat der Europäischen Union, Abstimmungsergebnis, 13.6.2007, 10616/07; Verordnungstext VO 861/2007, 11.7.2007, ABl. EG 2007 L 199/1; Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland, Gesetzentwurf, 16.4.2008, BTDrucks. 16/8839; Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland, Stellungnahme, 18.6.2008, BT-Drucks. 16/9639; Bundestag der Bundesrepublik Deutschland, Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung, 30.10.2008, BGBl. 2008 I 2122; Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, 20.4.2010, COM (2010) 171; Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, 2.10.2013, COM (2013) 685 final; Europäische Kommission, Anhang zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, 2.10.2013, COM (2013) 685 final; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, 19.11.2013, COM(2013) 794 final; Europäische Kommission, Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, 19.11.2013, SWD(2013) 460 final; Europäische Kommission, Commission Staff Working Document: Impact Assessment, 19.11.2013, SWD(2013) 459 final; Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, 19.11.2013, COM(2013) 795 final; Europäische Kommis-
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Erwägungsgründe
sion, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens COM/2013/0794 final; Rat der Europäischen Union, I-Punkt Vermerk des Generalsekretariats des Rates für den AStV, 11.12.2013, 17617/13; Mitteilung Kroatiens – letzte Aktualisierung auf dem Europäischen Justizportal: 27.11.2013; Mitteilung der Mitgliedstaaten – konsolidierte Fassung, 8.10.2013.; Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme vom 25.3.2014 zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (COM(2013) 794 final, Abl. C 226 vom 16.7.2014, S. 43–47; Geringer de Oedenberg, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, Bericht über den Vorschlag [wie vorstehend], 23.4.2015, A8-0140/2015; Europäisches Parlament, Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7.10.2015 zu dem Vorschlag [wie vorstehend] Abl. 2017/C 349/25; Rat der Europäischen Union, I/A-Punkt Vermerk des Generalsekretariats des Rates für den AStV, 20.11.2015, 14187/15; Rat der Europäischen Union, Vermerk über das Abstimmungsergebnis in der Tagung des Rates (Justiz und Inneres) über die Annahme der EP-Entschließung, 3.12.2015, 14965/15; Europäisches Parlament und Rat, Verordnung (EU) 2015/2421 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.12.2015 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1–13.; Mitteilung der Mitgliedstaaten – letzte Aktualisierung auf https://e-justice.europa.eu/content_small_claims-354-de. do vom 19.2.2019.
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION – gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 61 Buchstabe c und Artikel 67, auf Vorschlag der Kommission, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,1 gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags,2 in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Gemeinschaft hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zur schrittweisen Schaffung eines solchen Raums erlässt die Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen. (2) Gemäß Artikel 65 Buchstabe c des Vertrags schließen diese Maßnahmen die Beseitigung der Hindernisse für eine reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren ein, erforderlichenfalls durch Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften. (3) Bisher hat die Gemeinschaft in diesem Bereich unter anderem bereits folgende Maßnahmen erlassen: Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten,3 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen,4 Entscheidung 2001/470/EG des Rates vom 28.5.2001 über die Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen,5 Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für
1 Amtliche Fußnote: ABl. C 88 vom 11.4.2006, S. 61. 2 Amtliche Fußnote: Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom 14.12.2006 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 13.6.2007. 3 Amtliche Fußnote: ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 37. 4 Amtliche Fußnote: ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1. Geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1791/2006 (ABl. L 363 vom 20.12.2006, S. 1). 5 Amtliche Fußnote: ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 25.
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Erwägungsgründe
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unbestrittene Forderungen6 und Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens.7 (4) Der Europäische Rat forderte auf seiner Tagung vom 15. und 16.10.1999 in Tampere den Rat und die Kommission auf, gemeinsame Verfahrensregeln für vereinfachte und beschleunigte grenzüberschreitende Gerichtsverfahren bei verbraucher- und handelsrechtlichen Ansprüchen mit geringem Streitwert zu verabschieden. (5) Am 30.11.2000 verabschiedete der Rat ein gemeinsames Programm der Kommission und des Rates über Maßnahmen zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen.8 In dem Programm wird auf die Vereinfachung und Beschleunigung der Beilegung grenzüberschreitender Streitigkeiten Bezug genommen. Dies wurde durch das vom Europäischen Rat am 5.11.2004 angenommene Haager Programm,9 in dem eine aktive Durchführung der Arbeiten zu geringfügigen Forderungen gefordert wird, weiter vorangebracht. (6) Am 20.12.2002 nahm die Kommission ein Grünbuch über ein Europäisches Mahnverfahren und über Maßnahmen zur einfacheren und schnelleren Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert an. Mit dem Grünbuch wurde eine Konsultation über Maßnahmen zur Vereinfachung und Beschleunigung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert eingeleitet. (7) Viele Mitgliedstaaten haben vereinfachte zivilrechtliche Verfahren für Bagatellsachen eingeführt, da der Zeit-/Kostenaufwand und die Schwierigkeiten, die mit der Rechtsverfolgung verbunden sind, nicht unbedingt proportional zum Wert der Forderung abnehmen. Die Hindernisse für ein schnelles Urteil mit geringen Kosten verschärfen sich in grenzüberschreitenden Fällen. Es ist daher erforderlich, ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen einzuführen. Ziel eines solchen europäischen Verfahrens sollte der erleichterte Zugang zur Justiz sein. Die Verzerrung des Wettbewerbs im Binnenmarkt aufgrund des unterschiedlichen Funktionierens der verfahrensrechtlichen Instrumente, die den Gläubigern in den einzelnen Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen, machen eine Gemeinschaftsregelung erforderlich, die für Gläubiger und Schuldner in der gesamten Europäischen Union gleiche Bedingungen gewährleistet. Bei der Festsetzung der Kosten für die Behandlung von Klagen im Rahmen des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen sollten die Grundsätze der Einfachheit, der Schnelligkeit und der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden müssen. Zweckdienlicherweise sollten die Einzelheiten zu den zu erhebenden Gebühren veröffentlicht werden und die Modalitäten zur Festsetzung dieser Gebühren transparent sein. (8) Mit dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen sollten Streitigkeiten mit geringem Streitwert in grenzüberschreitenden Fällen vereinfacht und beschleunigt und die Kosten verringert werden, indem ein fakultatives Instrument zusätzlich zu den Möglichkeiten geboten wird, die nach dem Recht der Mitgliedstaaten bestehen und unberührt bleiben. Mit dieser Verordnung sollte es außerdem einfacher werden, die Anerkennung und Vollstreckung eines Urteils zu erwirken, das im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen in einem anderen Mitgliedstaat ergangen ist. (9) Diese Verordnung soll der Förderung der Grundrechte dienen und berücksichtigt insbesondere die Grundsätze, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Das Gericht sollte das Recht auf ein faires Verfahren sowie den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens wahren, insbesondere wenn es über das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung und über die Erhebung von Beweisen und den Umfang der Beweisaufnahme entscheidet. (10) Zur Vereinfachung der Berechnung des Streitwertes sollten dabei Zinsen, Ausgaben und Auslagen unberücksichtigt bleiben. Dies sollte weder die Befugnis des Gerichts, diese in seinem Urteil zuzusprechen, noch die nationalen Zinsberechnungsvorschriften berühren.
6 Amtliche Fußnote: ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 15. Geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1869/2005 der Kommission (ABl. L 300 vom 17.11.2005, S. 6). 7 Amtliche Fußnote: ABl. L 399 vom 30.12.2006, S. 1. 8 Amtliche Fußnote: ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 1. 9 Amtliche Fußnote: ABl. C 53 vom 3.3.2005, S. 1.
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Erwägungsgründe
(11) Zur Erleichterung der Einleitung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen sollte der Kläger ein Klageformblatt ausfüllen und beim zuständigen Gericht einreichen. Das Klageformblatt sollte nur bei einem zuständigen Gericht eingereicht werden. (12) Dem Klageformblatt sollten gegebenenfalls zweckdienliche Beweisunterlagen beigefügt werden. Dies steht der Einreichung weiterer Beweisstücke durch den Kläger während des Verfahrens jedoch nicht entgegen. Der gleiche Grundsatz sollte für die Antwort des Beklagten gelten. (13) Die Begriffe „offensichtlich unbegründet“ im Zusammenhang mit der Zurückweisung einer Forderung und „unzulässig“ im Zusammenhang mit der Abweisung einer Klage sollten nach Maßgabe des nationalen Rechts bestimmt werden. (14) Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen sollte schriftlich durchgeführt werden, sofern nicht das Gericht eine mündliche Verhandlung für erforderlich hält oder eine der Parteien einen entsprechenden Antrag stellt. Das Gericht kann einen solchen Antrag ablehnen. Diese Ablehnung kann nicht separat angefochten werden. (15) Die Parteien sollten nicht verpflichtet sein, sich durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsbeistand vertreten zu lassen. (16) Der Begriff der „Widerklage“ sollte im Sinne des Artikels 6 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 als Widerklage verstanden werden, die auf denselben Vertrag oder Sachverhalt wie die Klage selbst gestützt wird. Die Artikel 2 und 4 sowie Artikel 5 Absätze 3, 4 und 5 sollten entsprechend für Widerklagen gelten. (17) Macht der Beklagte während des Verfahrens ein Recht auf Aufrechnung geltend, so sollte diese Forderung nicht als Widerklage im Sinne dieser Verordnung gelten. Daher sollte der Beklagte nicht verpflichtet sein, das in Anhang I vorgegebene Klageformblatt A für die Inanspruchnahme eines solchen Rechts zu verwenden. (18) Der Empfangsmitgliedstaat für die Zwecke der Anwendung des Artikels 6 sollte der Mitgliedstaat sein, in dem die Zustellung oder in den die Versendung eines Schriftstücks erfolgt. Damit die Kosten verringert und die Fristen verkürzt werden, sollten Unterlagen den Parteien vorzugsweise durch Postdienste mit Empfangsbestätigung zugestellt werden, aus der das Datum des Empfangs hervorgeht. (19) Eine Partei kann die Annahme eines Schriftstücks zum Zeitpunkt der Zustellung oder durch Rücksendung innerhalb einer Woche verweigern, wenn dieses nicht in einer Sprache abgefasst ist, die die Partei versteht oder die Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates ist, (wenn es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll oder an den das Schriftstück gesandt werden soll) und ihm auch keine Übersetzung in diese Sprache beiliegt. (20) Bei der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme sollten die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der nationalen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem das Gericht seinen Sitz hat ist,* den Einsatz moderner Kommunikationsmittel fördern. Das Gericht sollte sich für die einfachste und kostengünstigste Art und Weise der Beweisaufnahme entscheiden. (21) Die praktische Hilfestellung, die die Parteien beim Ausfüllen der Formblätter erhalten sollen, sollte Informationen zur technischen Verfügbarkeit und zum Ausfüllen der Formblätter umfassen. (22) Informationen zu Verfahrensfragen können auch vom Gerichtspersonal nach Maßgabe des einzelstaatlichen Rechts erteilt werden. (23) Angesichts des Ziels dieser Verordnung, Streitigkeiten mit geringem Streitwert in grenzüberschreitenden Rechtssachen zu vereinfachen und zu beschleunigen, sollte das Gericht auch in den Fällen, in denen diese Verordnung keine Frist für einen bestimmten Verfahrensabschnitt vorsieht, so schnell wie möglich tätig werden.
* Die amtliche deutsche Übersetzung des Verordnungstextes ist offensichtlich falsch. Richtigerweise muss der relevante Nebensatz lauten: „in dem das Gericht seinen Sitz hat“.
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Erwägungsgründe
EG-BagatellVO
(24) Die Berechnung der in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen sollte nach Maßgabe der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3.6.1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine10 erfolgen. (25) Zur schnelleren Durchsetzung geringfügiger Forderungen sollte das Urteil ohne Rücksicht auf seine Anfechtbarkeit und ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar sein, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist. (26) Immer wenn in dieser Verordnung auf Rechtsmittel Bezug genommen wird, sollten alle nach dem einzelstaatlichen Recht möglichen Rechtsmittel umfasst sein. (27) Dem Gericht muss eine Person angehören, die nach nationalem Recht dazu ermächtigt ist, als Richter tätig zu sein. (28) Wenn das Gericht eine Frist setzt, sollte es die betroffene Partei über die Folgen der Nichtbeachtung dieser Frist informieren. (29) Die unterlegene Partei sollte die Kosten des Verfahrens tragen. Die Kosten des Verfahrens sollten nach einzelstaatlichem Recht festgesetzt werden. Angesichts der Ziele der Einfachheit und der Kosteneffizienz sollte das Gericht anordnen, dass eine unterlegene Partei lediglich die Kosten des Verfahrens tragen muss, einschließlich beispielsweise sämtlicher Kosten, die aufgrund der Tatsache anfallen, dass sich die Gegenpartei durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsbeistand hat vertreten lassen, oder sämtlicher Kosten für die Zustellung oder Übersetzung von Dokumenten, die im Verhältnis zum Streitwert stehen oder die notwendig waren. (30) Um die Anerkennung und Vollstreckung zu erleichtern, sollte ein im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenes Urteil in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt werden und vollstreckbar sein, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. (31) Es sollte Mindeststandards für die Überprüfung eines Urteils in den Fällen geben, in denen der Beklagte nicht imstande war, die Forderung zu bestreiten. (32) Im Hinblick auf die Ziele der Einfachheit und Kosteneffizienz sollte die Partei, die ein Urteil vollstrecken lassen will, in dem Vollstreckungsmitgliedstaat – außer bei den Stellen, die gemäß dem einzelstaatlichen Recht dieses Mitgliedstaats für das Vollstreckungsverfahren zuständig sind – keine Postanschrift nachweisen und auch keinen bevollmächtigten Vertreter haben müssen. (33) Kapitel III dieser Verordnung sollte auch auf die Kostenfestsetzungsbeschlüsse durch Gerichtsbedienstete aufgrund eines im Verfahren nach dieser Verordnung ergangenen Urteils Anwendung finden. (34) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28.6.1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse11 erlassen werden. (35) Insbesondere sollte die Kommission die Befugnis erhalten, die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit Aktualisierungen oder technischen Änderungen der in den Anhängen vorgegebenen Formblätter zu erlassen. Da es sich hierbei um Maßnahmen von allgemeiner Tragweite handelt, die eine Änderung bzw. Streichung von nicht wesentlichen Bestimmungen und eine Hinzufügung neuer nicht wesentlicher Bestimmungen der vorliegenden Verordnung bewirken, sind diese Maßnahmen gemäß dem Regelungsverfahren mit Kontrolle des Artikels 5a des Beschlusses 1999/468/EG zu erlassen. (36) Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Schaffung eines Verfahrens zur Vereinfachung und Beschleunigung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert in grenzüberschreitenden Rechtssachen und die Reduzierung der Kosten, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können und daher wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkung besser auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Arti-
10 Amtliche Fußnote: ABl. L 124 vom 8.6.1971, S. 1. 11 Amtliche Fußnote: ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23. Geändert durch den Beschluss 2006/512/EG (ABl. L 200 vom 22.7.2006, S. 11).
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kel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. (37) Das Vereinigte Königreich und Irland haben gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten. (38) Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung, die für Dänemark nicht bindend und nicht auf Dänemark anwendbar ist – HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Einleitung I. Paradigmenwechsel in der europäischen Verfahrensrechtssetzung . . . . . . . . . . .
VI. Autonomes Zustellungsregime . . . . . . . 60 1
II. Die Entstehung der EG-BagatellVO . . . . . 9 III. Regelungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . 25 IV. Anwendungsbereich und Zuständigkeit 1. Fakultativer Charakter und Verhältnis zu mitgliedstaatlichen Verfahrensarten . . . 2. Bagatellverfahren nach den leges fori . . . 3. Fakultativer Charakter und Verhältnis zu anderen europäischen Instrumenten . . .
. . 29 . . 31 . . 36 . . 55
VII. Abweisung als „offensichtlich unbegründet“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 VIII. Ausschluss von Mündlichkeit, Rechtsbehelfen und Vollstreckungsversagungsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 IX. Unterbliebener Verbraucherschutz . . . . . 67 X. Reformbedürftigkeit der VO und die Reform durch die Neufassung im Jahre 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
V. Vereinfachtes Verfahren . . . . . . . . . . . 56
I. Paradigmenwechsel in der europäischen Verfahrensrechtssetzung 1
Kaum ein anderes Gebiet des Gemeinschaftsrechts hat in den seit der Jahrtausendwende vergangenen Jahren eine ähnlich rasante Entwicklung hinter sich, wie das justizielle Europarecht. Ein vorläufiger Gipfel dieser Entwicklung ist sicherlich mit zwei – gewissermaßen eine neue Generation1 der Rechtsinstrumente betreffend die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen repräsentierenden – Verordnungen, nämlich der EG-MahnVO und der EG-BagatellVO erreicht. Mit der EG-BagatellVO2 wagt sich der europäische Gesetzgeber zugleich erstmalig auf das Gebiet der primären Prozessrechtsvereinheitlichung3 und schafft ein originär europäisches Erkenntnisverfahren, dessen Ergebnis ein unionsweit frei zirkulierendes, d.h. eines Exequatur nicht mehr bedürftiges streitiges Zivilurteil ist. In diesem Sinne repräsentiert die EG-BagatellVO in mehrerer Hinsicht einen neuen „Integrationsschritt“ im justiziellen Europarecht: Während die EG-VollstrTitelVO die Befreiung vom Erfordernis des Exequaturverfahrens nur solchen Titeln erteilte, die unbestrittene Forderungen
1 Frattini, ZEuP 2006, 225, 230. 2 Für den – im Schrifttum mittlerweile exzessiv werdenden – Gebrauch der Bezeichnung „Small Claims Verordnung“ gibt es keinen ersichtlichen Grund. Anders als diese channelüberschreitende Version sind die deutschen Bezeichnungen „Bagatellverfahren“ und „Bagatellverordnung“ – entgegen Mayer/Lindemann/Haibach, S. VI – weder „sprachlich“ (!) noch „gesellschaftspolitisch“ inkorrekt. Vgl. ferner zur Wortbedeutung König/Mayr/Jelinek, S. 50. Trotzdem gegen die Verwendung des Begriffs „Bagatellverfahren“ Kern, JZ 2012, 389, 392 Fn. 62. 3 In diesem Sinne ist in der Verabschiedung der EG-BagatellVO – auch nach eigenem Bekunden des Grünbuchs KOM (2002) 746, 54 – eine Art Wiederaufnahme des früher der „Storme-Kommission“ anvertrauten Vereinheitlichungsvorhabens zu erblicken. Vgl. Storme (Hrsg.), Approximation of Judiciary Law in the European Union (1994).
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ausweisen, dehnt die EG-BagatellVO diese Liberalisierung auf Entscheidungen aus, denen ein streitiges Verfahren vorausgegangen ist. Immerhin wurde dieser Schritt – gleichsam wohl vom europäischen Gesetzgeber als eine Art Experiment4 gedacht – im Erlassjahr 2007 erst mal nur für „geringfügige“,5 d.h. damals noch 2000 v nicht überschreitende Forderungen gewagt und zwar mit dem Hauptargument, bei solch kleinen Streitwerten stünden der zeitliche Aufwand und die Kosten, die mit dem ordentlichen Zivilverfahren verbunden seien, im Falle grenzüberschreitender Rechtsverfolgung außer Verhältnis.6 An diesem Grundgedanken hat sich insgesamt auch mit der Anhebung der Streitwertgrenze auf 5000 v im Zuge der Verordnungsreform7 im Jahre 2015 durch die Verordnung (EU) 2015/2421 nichts geändert.
2
Nach der Vorstellung des Verordnungsgebers soll zudem denjenigen mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen bzw. deren Rechtssuchenden Aushilfe geleistet werden, die keine summarischen Verfahrensarten kennen. Der Verordnungsgeber denkt den genannten Normadressaten durch Bereitstellung eines praktisch ausschließlich auf vorformulierten und nur auszufüllenden Schriftsätzen aufbauenden Verfahrens zu helfen. Vereinfachung, Schnelligkeit und Kostengünstigkeit sollen unter Preisgabe mancher in den Verfassungsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten fest verankerten Verfahrensgarantie erkauft werden. Auch daher ist es erfreulich, dass die Verordnungsgebung hier ausnahmsweise nicht zu einer Zwangsbeglückung geführt hat: Das europäische Bagatellverfahren tritt für die Zwecke grenzüberschreitender Forderungsdurchsetzung lediglich als eine Alternative neben die autonomen mitgliedstaatlichen Zivilverfahrensrechte sowie neben die bereits existierenden, demselben Zweck dienenden Instrumentarien des europäischen Zivilprozessrechts.
3
Gemessen am Aufwand, von dem seit 2001 die Verordnungsinitiative begleitet war, ist die EG-BagatellVO trotz des Innovationswillens des europäischen Gesetzgebers das Ergebnis einer l’art pour l’artRechtssetzung der besonderen Art. Ohne ersichtlichen substantiellen Gewinn für die internationale Rechtsverfolgung stellt sie den bereits existierenden Methoden in Europa ein weiteres Rechtsinstrument an die Seite und sorgt so statt der angestrebten Vereinfachung für fortschreitende Zersplitterung des auch sonst bereits ausufernden justiziellen Europarechts.8
4
Auch im Vergleich zu den seit der im Amsterdamer Vertrag vollzogenen Schaffung der primären gemeinschaftlichen Regelungskompetenz auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ergangenen Rechtsakten läutet jedoch gerade die EG-BagatellVO zugleich einen gewissen Paradigmenwechsel ein. Während die Gesetzgebung der ersten Jahre nach Inkrafttreten der Ermächtigungsgrundlage der Art. 61 lit. c, Art. 65 EGV9 noch den traditionellen Bereichen des internationalen Zivilprozessrechts gewidmet war,10 hat der Verordnungsgeber in den Jahren 2006 und 2007 völlig neue Wege beschritten und sich – zumindest ansatzweise – der Regelung des primären Erkenntnisverfahrens zugewandt.
5
In einer solchen Wagnis offenbart sich die Überzeugung des europäischen Gesetzgebers, dass die hergebrachten Gebiete des internationalen Zivilprozessrechts, d.h. die internationale Zuständigkeit, die wechselseitige Anerkennung und Vollstreckung, sowie die Kernbereiche der Rechtshilfe, die grenzüberschreitende Zustellung und Beweiserhebung abschließend oder zumindest erst mal befriedigend
6
4 Das ständige allgemeine Streben nach einfacherem, kostengünstigerem und schnellerem Verfahren gilt natürlich keineswegs nur für die Durchsetzung geringfügiger Forderungen, s. Kern, JZ 2012, 389, 392. 5 Zur zweifelhaften Rechtfertigung streitwertabhängiger Verfahrensregeln mit Recht krit. Kern, JZ 2012, 389, 392–393. 6 Zutreffend Kern, JZ 2012, 389, 392–393: „Die Erwägungsgründe zur Verordnung (…) lassen aber die ihre Existenzberechtigung mittragende Erwägung, dass bei geringfügigen Forderungen eben auch weniger auf dem Spiel stehe, verschämt unter den Tisch fallen.“ 7 Für einen guten Überblick und auch krit. Würdigung vgl. Huber, RIW 2018, 625. 8 Für ähnliche Kritik vgl. z.B. Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 314 und Schlosser, Rz. 1. Vgl. auch das unterhaltsame Fazit von Salten, MDR 2009, 244, 247. Selbst die Reform im Jahre 2015 wurde nicht zuletzt durch die Einsicht vorangetrieben, dass das neue Instrument nur eine recht bescheidene praktische Relevanz während der ersten Dekade seiner Geltung erlangen konnte, wie dies aus der Gesetzgebungsgeschichte 2013 bis 2015 ersichtlich wird. 9 Heute Art. 67 AEUV und Art. 81 AEUV, s. unten Rz. 79 ff. 10 Vgl. die Reihe der Verordnungen: Brüssel I-VO, Brüssel IIa-VO, EuInsVO, EG-ZustVO, EG-BewVO, EGVollstrTitelVO.
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geregelt seien. Nur vor dem Hintergrund einer solchen Annahme ist es zu erklären, dass nunmehr die „Europäisierung“ von primär prozessualen Regelungen inmitten des Erkenntnisverfahrens in Angriff genommen worden ist. Der europäische Gesetzgeber sprengt damit den Rahmen des ursprünglich auf Koordinierung der autonomen einzelstaatlichen Zivilprozessrechte zugeschnittenen internationalen Zivilprozessrechts und geht ansatzweise – zumindest auf Teilgebieten – zur Prozessrechtsvereinheitlichung über. 7
Charismatisch und mit dem erklärten Anspruch auf Systembildung schaffen die ersten zwei Ergebnisse dieser bedenklichen Entwicklung, die EG-BagatellVO und die Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens11 – etwa im Gegensatz zur EG-VollstrTitelVO – eigenständige, originär europäische Verfahrensarten, die im Ergebnis zu ebenfalls eigenständigen europäischen Titeln führen.12 Wie schon die Abschaffung des Exequatur im Rahmen der EG-VollstrTitelVO, wird die Möglichkeit und damit die Notwendigkeit der Prozessrechtsvereinheitlichung auch hier mit jenem Vertrauensdogma13 legitimiert, nach dem die Zivilrechtspflege in den einzelnen Mitgliedstaaten als dermaßen gleichwertig betrachtet werden dürfe, dass sich eine Ergebniskontrolle außerhalb des Ursprungstaates erübrige. Dass es sich hierbei eher um eine Wunsch- bzw. mittlerweile Zwangsvorstellung des europäischen Normgebers handelt, dürfte gerade international tätigen Praktikern keines Beweises bedürftig sein.14
8
Hinter der ohne ersichtlichen Mehrwert erfolgten Regelung verbirgt sich womöglich eine weitere Motivation, wie sie insbesondere von Schlosser vermutet wird, und die ebenfalls Zweifel an der Notwendigkeit dieses zusätzlichen Rechtsinstruments aufkommen lässt: Da das oben beschriebene, mittlerweile zum Dogma versteinerte Ziel der Abschaffung des Exequaturverfahrens „großflächig auf längere Zeit nicht zu erreichen ist, wird es in kleinen Schritten verfolgt, auch um den Preis immer größerer Zersplitterung der Materie.“15
II. Die Entstehung der EG-BagatellVO 9
Lässt man die Entstehungsgeschichte der VO Revue passieren, so sind auf dem Weg zur Verwirklichung bzw. nunmehr immer stärkeren Erweiterung des „Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ folgende Meilensteine zu verzeichnen, die auch aus der Sicht der Entstehung der EG-BagatellVO besondere Bedeutung gewonnen haben:
10
In einer Mitteilung der Kommission an Rat und Parlament noch vom Januar 199816 heißt es, dass unionsweit mehr als ein Drittel aller Zahlungsverzüge absichtlich herbeigeführt worden sei. Diese Erkenntnis ließ den Schluss zu, dass gerade die Aussichtslosigkeit bzw. die zeitliche und kostenmäßige17 Unverhältnismäßigkeit grenzüberschreitender Rechtsverfolgung bei geringeren Forderungen zur Lockerung der Zahlungsmoral beigetragen haben könnte.
11
Erhebungen rechtstatsächlicher und volkswirtschaftlicher Art haben die Kommission zusätzlich zu dem Schluss kommen lassen, dass durch Zahlungsverzüge- bzw. Zahlungsausfälle, die gerade im Bereich geringerer Forderungen massiv um sich greifen, ein mit volkswirtschaftlichen Maßstäben zu messender Nachteil für die Funktionsfähigkeit des Binnenmarktes entsteht.
12
Bereits im Umfeld des Inkrafttretens des die gemeinschaftliche Regelungskompetenz auf die justizielle Zusammenarbeit erweiternden Amsterdamer Vertrages begann die Diskussion darüber, wie dem Pro-
11 12 13 14
Im Weiteren: EG-MahnVO. Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305. Vgl. Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einl. EG-VollstrTitelVO Rz. 15. Vgl. Kern, JZ 2012, 389, 391: „dies mag allerdings nicht nur eine Folge unterschiedlichen Verfahrensrechts sein, sondern vielleicht starker Ausdruck unterschiedlicher Kultur.“ 15 Schlosser, Rz. 1. 16 Wege zu einer effizienteren Erwirkung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in der EU, ABl. 1998 C 33/3. 17 Ähnlich Gawith, J.B.L. 2010, 474, 475.
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blem solcher Zahlungsausfälle bzw. mit ihnen einhergehender, massenhaft vorkommender, jedoch wegen der individuellen Geringfügigkeit selten durchgesetzter Ansprüche zu begegnen sei. Einen ersten legislatorischen Versuch, dem genannten Problem beizukommen, stellte die im Jahre 13 1999 erlassene sog. Zahlungsverzugs-Richtlinie dar.18 Die dort zur Umsetzung in den Mitgliedstaaten vorgesehenen Vorschriften gingen jedoch über ein sehr allgemein gehaltenes Minimalprogramm (Regelung der Verzinsung bei Zahlungsverzug sowie Aufstellung einer 90-tägigen Frist ab Klageeinreichung, binnen welcher „ein vollstreckbarer Titel unabhängig von dem Betrag der Geldforderung in der Regel (…) erwirkt werden“ können sollte, „sofern die Geldforderung oder verfahrensrechtliche Aspekte nicht bestritten werden“)19 nicht hinaus und waren von wenig Durchschlagskraft begleitet. Schon während seiner für die Entwicklung des europäischen Zivilprozessrechts so bedeutsamen Ta- 14 gung in Tampere im Jahre 1999 – praktisch gleichzeitig also mit der Entstehung der Zahlungsverzugs-Richtlinie – hatte der Europäische Rat die Forderung nach vereinfachten und beschleunigten Zivilverfahren bei geringem Streitwert formuliert. Diese Forderung war allerdings zunächst mit Blick auf die Bedürfnisse von Verbraucherstreitigkeiten artikuliert worden. Auch das Haager Programm20 bestätigte diesen Regelungsbedarf. Im Jahre 2000 gab die Kommission sodann eine – in den damaligen Mitgliedstaaten durchzuführen- 15 de – statistische Tatsachenerhebung und eine sich daran anschließende rechtsvergleichende Studie in Auftrag. Ziel der Erhebung war es u.a., die tatsächliche Rolle bzw. überhaupt das Vorhandensein von vereinfachten Verfahren in den Mitgliedstaaten zu erschließen und damit die ins Auge gefasste künftige europäische Normgebung vorzubereiten. Aus den Antworten der Mitgliedstaaten – Griechenland, Italien und die Niederlande haben sich nicht beteiligt – wurde ersichtlich, dass zum einen nicht alle autonomen Verfahrensrechte spezielle summarische, vereinfachte Verfahren zur Beitreibung geringfügiger Forderungen kennen und zum anderen sich auch die vorhandenen solchen Verfahrensarten bedeutende Abweichungen aufweisen. Die vom Centre National de la Recherche Scientifique IDHE (Ens-Cachan) auf Grund der Erhebung fertiggestellte vorbereitende Studie vom Juli 200121 lieferte dann die Grundlage für das weitere Vorgehen, insbesondere auch für das geringfügige Forderungen und Mahnverfahren gemeinsam behandelnde Grünbuch. Ende Dezember 2002 veröffentlichte die Kommission das Grünbuch, das bereits den Regelungsgehalt 16 der späteren VO im Großen und Ganzen vorwegnahm.22 Das – von der ersten Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses vom 18.6.200323 vorbehaltslos unterstützte – Grünbuch enthielt eine Reihe von Vorschlägen, die in mehrerer Hinsicht einen Systembruch in der europäischen prozessualen Gesetzgebung aufscheinen ließen und die es entsprechend zum Gegenstand scharfer Kritik machten. Zum einen wurde schon früh erkannt, dass ein Rechtsinstrument, das das Erkenntnisverfahren der mitgliedstaatlichen Verfahrensrechte mit erfassen soll, notwendigerweise vieles der mitgliedstaatlichen Umsetzung wird überlassen müssen. Daher stand in der Anfangsphase der Normgebung selbst die Frage offen, ob die Regelung besser in einer Richtlinie oder in einer Verordnung Gestalt annehmen sollte. Schon das Grünbuch konstatierte zu Recht, dass die Regelung selbst im Falle einer Verordnung nach ausfüllenden und umsetzenden mitgliedstaatlichen Vorschriften verlangen würde. Die Unbeholfenheit des Normgebers schimmert in der ohne jede Begründung hingeworfenen Satz des Grünbuchs durch, „eine Richtlinie [könnte sich] in Bezug auf die wesentlichen Aspekte eines Bagatellverfahrens als das geeignetere Rechtsinstrument erweisen“. Nicht von un-
18 Richtlinie 2000/35 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.6.2000 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, ABl. 2000 L 200/35. Neufassung: Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Neufassung), ABl. Nr. L 48 vom 23.2 2011, S. 1. 19 Art. 5 Abs. 1 der alten Zahlungsverzugs-Richtlinie. 20 ABl. C 53/1, vom 3.3.2005, S. 1. 21 Des procédures de traitement judiciaire des demandes de faible importance ou non contestées dans les droits des Etats-Membres de l’Union Européenne, Cachan 2001. 22 Bereits das Grünbuch und der Kommissionsvorschlag wurden scharf kritisiert. Vgl. z.B. eine der ersten Stimmen aus anwaltlicher Sicht: Schriever, AnwBl. 2005, 487. 23 ABl. EU 2003 C 220/5.
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gefähr wird in der schließlich ergangenen Verordnung ähnlich zur EG-MahnVO „eine Richtlinie im Gewand einer Verordnung“24 gesehen. 17
Weitaus schärfere Kritik erntete die Kommission mit einem anderen Vorschlag, der sich praktisch während der ganzen Gesetzgebungsvorbereitung von der Veröffentlichung des Grünbuchs bis zum Kommissionsvorschlag vom 15.3.200525 gehalten hatte: Im Sinne der ursprünglichen Empfehlung der Kommission sollte sich der Anwendungsbereich der Regelung nicht auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränken sondern erstmals auch reine Inlandssachen erfassen. Begründet wurde dies mit dem Argument, das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes erfordere eine solche europaweite Einheitlichkeit, um aus unterschiedlichen Verfahren für In- und Auslandssachverhalte resultierende Wettbewerbsverzerrungen abzubauen.26 Ins Feld geführt wurde auch das nicht ohne weiteres von der Hand zu weisende Argument, der grenzüberschreitende Bezug einer Streitsache werde möglicherweise erst sichtbar, wenn der Gläubiger die Vollstreckung betreiben will und dabei feststellt, dass sie in einem anderen Mitgliedstaat zu erfolgen hat, in dem nämlich der Schuldner über pfändbares Vermögen verfügt.27 Erst relativ spät und angesichts der ganz überwiegend ablehnenden Haltung der Mitgliedstaaten wurde von dieser beabsichtigten Innovation Abstand genommen.
18
Die ablehnende Haltung der Mitgliedstaaten und damit die die Oberhand behaltende Einschränkung des Anwendungsbereichs gehen auf die restriktive Auslegung der einschlägigen Kompetenznormen in Art. 61 lit. c und Art. 65 EGV28 zurück, die schließlich in einem Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates vom 30.6.2005 bestätigt wurde.29 Nach dem Gutachten reiche für die Begründung des Merkmals „grenzüberschreitende Bezüge“ i.S.d. Art. 65 EGV allein die Tatsache, dass ein innerstaatlicher Rechtsstreit zu einem späteren Zeitpunkt theoretisch grenzüberschreitende Folgen haben kann, nicht aus.30 Vielmehr müssten die grenzüberschreitenden Bezüge tatsächlich und unmittelbar gegeben sein. Die Verordnung müsse daher Rechtsstreitigkeiten „mit einem Auslandsbezug“ regeln. Auch das Argument des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes ändere hieran nichts, da das Kriterium der grenzüberschreitenden Bezüge eine gesonderte Bedingung für die Heranziehung der EGVKompetenznormen als Rechtsgrundlage für die Verordnung darstelle.
19
Diese richtigen Ausführungen des Juristischen Dienstes sowie der sichtlich ungebrochene Widerstand der mitgliedstaatlichen Delegationen führten dazu, dass der geänderte Ratsvorschlag vom 30.9.200531 bereits im umformulierten Art. 1 das Kriterium grenzüberschreitender Streitigkeiten erstmals in den Verordnungstext aufgenommen hat, allerdings mit dem Hinweis, dass der Begriff „grenzüberschreitende Streitigkeiten“ noch einer genauen Definition bedürfe.32
20
Bereits kurz darauf wurde zwischen Vorsitz und Kommission eine grundsätzliche Einigung über die Elemente einer solchen Begriffsbildung erzielt. Als Ergebnis von zwei aufeinanderfolgenden Ratssitzungen (Justiz und Inneres) wurde im sog. Falconer-Frattini Übermittlungsvermerk vom 21.10.200533 24 Kodek, FS Rechberger (2005) 283, 297. 25 Diesem Kommissionsvorschlag lag auch eine detaillierte Folgenabschätzung bei („Extended Impact Assessment“ Europäische Kommission, 15.3.2004, KOM (2005) 87), die die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit der Einführung neuer Verfahrensarten herausstellen sollte. Die astronomischen Summen (S. 17 f. der Studie), die dort genannt sind, sorgten wohl für zusätzliche Legitimation der Gesetzgebungsinitiative. 26 Vgl. die berechtigte Kritik in der Vorauflage, Rauscher in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2006), Einf. EG-BagatellVO Rz. 4. Vgl. auch etwa die Kritik seitens der BRAK, EuZW 2005, 615: „klare Kompetenzüberschreitung“. 27 Diesen Aspekt vor Augen haltend krit. zur restriktiven Kompetenznormauslegung Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 306: die zu Lasten privater Gläubiger gehende räumlich-persönliche Einschränkung beruhe letztlich auf einem bedauerlichen „Kompetenzgerangel“ zwischen Kommission und Mitgliedstaaten. 28 Heute Art. 67 AEUV und Art. 81 AEUV, s. unten Rz. 79 ff. 29 Rat der EU, 30.6.2005, 10748/05. 30 Diese berechtigte Kritik trifft auch nach dem Vertrag von Lissabon zu, vgl. unten Rz. 81. 31 Rat der EU, 30.9.2005, 12503/05. 32 Das „Kompetenzgerangel“ war damit jedoch nicht abgeschlossen, wie das zum gegenteiligen Ergebnis kommende Arbeitspapier der Europäischen Kommission v. 11.10.2005, KOM (2005) 87 zeigt. Die Kommission stellt in ihrer „Note d’analyse relative à la base juridique“ heraus, dass das Gutachten des Juristischen Dienstes sich sowohl über Wortlaut als auch über den Sinn der EGV-Kompetenznorm hinweggesetzt habe: „La Commission estime que cette prise de position ignore tant la lettre que l’esprit de l’article 65 CE.“ 33 Rat der EU, 25.10.2005, 15470/05.
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vorgeschlagen, das Auseinanderfallen von Wohnsitz/Aufenthalt mindestens einer Partei und Forumstaat zum entscheidenden Bestandteil des Begriffs der grenzüberschreitenden Rechtssache zu erheben. Mit einigen Vereinfachungen im Vergleich zu dem ursprünglichen Wortlaut ist dieses Kriterium im weiteren Verlauf der Gesetzgebung beibehalten worden und im geltenden Art. 3 der EG-BagatellVO wiederzufinden. Ein wenig erhellendes Zwischenspiel in der Entstehungsgeschichte der EG-BagatellVO markiert die Stellungnahme des EWSA vom 14.2.200634 zum Ratsvorschlag. Zumindest in der deutschen Version ist die Stellungnahme schon rein sprachlich an manchen Strecken so gut wie unzugänglich. Neben dem Vorschlag, die Verordnung solle nun doch auch noch innerstaatliche Streitigkeiten erfassen, kommen darin – zum Glück nicht beherzigte – nebulöse Vorstellungen zur Sprache. Stellvertretend sei hier nur der Vorschlag des EWSA in Bezug auf die Rechtsmittelproblematik zitiert: „Der EWSA stellt der Kommission die Frage, ob es wirklich notwendig ist, in einem Verfahren dieser Art Rechtsmittel vorzusehen. Denn entweder wird die Streitwertgrenze in diesem Verfahren wesentlich höher als von der Kommission vorgeschlagen angesetzt, z.B. bei 5.000 EUR, und dann sind Rechtsmittel angesichts des Wertes gerechtfertigt, oder es wird ein niedrigerer Höchstwert angesetzt (etwa bis 3.500 EUR), und dann darf es keine Rechtsmittel geben.“35 Auch wenn diese und ähnliche Vorschläge keine Beachtung im Gesetzgebungsverfahren gefunden haben, geben sie doch Anlass zu Bedenken, was für Faktoren auf die europäische Normgebung Einfluss ausüben können.
21
Nach vielen punktuellen Änderungen im Rahmen des gemeinsamen Verfahrens (Parlament und Rat) im Jahre 2006 sowie nach ununterbrochener Weigerungshaltung der Kommission gegenüber der Definition der grenzüberschreitenden Rechtssache (auch noch im Kontext der gleichzeitig verhandelten EG-MahnVO) wurde die EG-BagatellVO schließlich am 11.7.2007 erlassen.36
22
Dabei wurde den mitgliedstaatlichen Rechtsanwendern eine Übergangs- und Vorbereitungszeit von 23 etwa anderthalb Jahren dadurch eingeräumt, dass die Verordnung – abgesehen von manchen technischen Ausführungsvorschriften und Aufträgen an die mitgliedstaatlichen Gesetzgebungen – erst ab dem 1.1.2009 gilt.37 Dies heißt für die Praxis, dass EG-Bagatellverfahren ab dem genannten Zeitpunkt an- und rechtshängig gemacht werden können. Die vielen Regelungslücken, Inkonsequenzen oder zumindest offenen Fragen in der EG-BagatellVO, mit denen der jeweilige mitgliedstaatliche Rechtsanwender konfrontiert sein wird,38 werden unten bei den einschlägigen Artikeln behandelt. Die folgende einleitende Auswahl reflektiert lediglich einige Problembereiche, die in mehreren Mitgliedstaaten identische Anwendungsschwierigkeiten entstehen lassen.
24
III. Regelungszweck Das hauptsächliche Ziel der EG-BagatellVO ist es, in Rechtssachen mit vergleichsweise geringem 25 Streitwert den Rechtssuchenden ein vereinfachtes, beschleunigtes und auch kostengünstiges Verfahren zur Verfügung zu stellen.39 Bereits das Grünbuch artikuliert die Absicht, der „dreiköpfigen Hydra von Kosten, Zeitaufwand und Ärgernis“ begegnen zu wollen, da erfahrungsgemäß keiner dieser drei Konstituenten proportional mit der Verminderung des Streitwertes abnehme. Zusätzlich weist der Verordnungsgeber in den Erwägungsgründen mit Recht darauf hin, dass solche summarischen Verfahren auf mitgliedstaatlicher Ebene sehr unterschiedlich ausgestaltet sind, was zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann.40 Dem ist hinzuzufügen, dass manche Mitgliedstaaten sogar 34 EWSA, 14.2.2006, ABl. EU 2006 C 88/61. 35 Dies alles mit einem Hinweis auf die angeblich entsprechende Regelung der Heimatrechtsordnung des Berichterstatters. 36 Für eine Einführung in die Hintergründe der Regelung s. Haibach, EuZW 2008, 137 ff. 37 Art. 29 S. 2 EG-BagatellVO. 38 Vgl. zu den vielfältigen „Schnittstellenproblemen“ Kodek, in CLC, Europäisches Zivilverfahrensrecht, S. 13, 24. 39 Solche Bestrebungen finden sich bereits in den Statuten zentraler Handelsstädte des Mittelalters. Vgl. m.w.N. Brokamp, S. 4. 40 Vgl. ErwGr. 7 EG-BagatellVO.
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überhaupt keine solchen, der VO vergleichbaren summarischen Verfahrensarten kennen. Grundsätzlich zu begrüßen ist daher das Anliegen, durch die Schaffung eines einheitlichen europäischen Bagatellverfahrens die internationale Forderungsdurchsetzung erleichtern bzw. erst ermöglichen zu wollen, verzichten doch viele Anspruchsberechtigte schon wegen der unverhältnismäßigen Kosten in diesem Bereich auf die grenzüberschreitende Rechtsverfolgung. 27
Wie die Folgenabschätzung zu zeigen berufen war, entsteht durch die Häufung von Zahlungsverzügen sowie dem korrespondierenden Verzicht auf internationale Rechtsdurchsetzung bei geringeren Forderungen ein volkswirtschaftliche Ausmaße erreichender Schaden, der durch die Schaffung entsprechender Durchsetzungsmechanismen gesenkt werden kann.
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Schließlich stand der Verbraucherschutz von Anfang an mit Priorität auf der Liste der Legitimationsgründe für das neue gesetzgeberische Vorhaben. Mit der EG-BagatellVO verknüpfte man die Vorstellung, durch die Schaffung eines vereinfachten und damit notwendig bürgernahen Verfahrens den Verbraucher als typischen Kläger zu begünstigen.41
IV. Anwendungsbereich und Zuständigkeit 29
Bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs der EG-BagatellVO ergeben sich recht wenige Probleme. Sachlich erfasst die neue Regelung die üblichen Zivil- und Handelssachen, allerdings mit einem etwas erweiterten Ausnahmekatalog im Vergleich etwa zur Brüssel-Ia VO.42 Innerhalb des Kreises von Zivil- und Handelssachen ist das Hauptunterscheidungsmerkmal der Streitwert: Sachlich erfasst und damit zugleich als geringfügig definiert sind Forderungen, deren Wert exklusive Zinsen, Auslagen und Kosten 5000 t nicht überschreitet.43 Der räumliche Anwendungsbereich der EG-BagatellVO gestaltet sich ähnlich wie der der anderen einschlägigen Verordnungen: Dänemark hat auch hier von seinem im EGV-Protokoll über die Position Dänemarks44 zugesicherten Recht auf Fernbleiben Gebrauch gemacht. Daher erlangt die EG-BagatellVO in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Dänemark unmittelbare Geltung. Zeitlich gilt die VO ab dem 1.1.2009, wobei die Geltung einiger weniger Regelungen auf den 1.1.2008 in einer recht problematischen Weise vorgezogen wurde.45 Diese zeitliche Ausgestaltung bedeutet, dass ein verfahrenseinleitendes Schriftstück („Formblatt A“), das zur Einleitung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen bestimmt ist, frühestens am 1.1.2009 bei Gericht eingereicht werden konnte.
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Dem Wesen und dem Regelungsgegenstand der EG-BagatellVO entsprechend sind hierin keine Vorschriften über die internationale Zuständigkeit mitgliedstaatlicher Gerichte vorhanden. Lediglich der grenzüberschreitende Charakter der Rechtssache ist definiert. Danach liegt im Sinne der EG-BagatellVO eine grenzüberschreitende Rechtssache vor, wenn mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des angerufenen Gerichts hat.46 Daher sind für die Zwecke der internationalen Zuständigkeit mehrere Fallkonstellationen mit jeweils unterschiedlicher Zuständigkeitsrechtsquelle zu unterscheiden. Bei einem Beklagten mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat kommen naturgemäß die Vorschriften der Brüssel Ia-VO zur Anwendung. Bei ei41 Dass dies nur sehr unvollkommen gelungen ist, soll unten gesondert (s. Rz. 67) gezeigt werden. Zur andauernden und aktuellen Legislation auf diesem Gebiet in Gestalt von sowohl Richtlinien als auch Verordnungen vgl. Rühl, RIW 2013, 737. Zu den paradigmatischen, zivilprozessuale Systembrüche verursachenden Unzulänglichkeiten dieser Instrumente vgl. die grundsätzliche Kritik von Roth, JZ 2013, 637. 42 Vgl. Art. 2 Abs. 2 EG-BagatellVO (z.B. Miete und Pacht unbeweglicher Sachen, Ehrverletzungen neben den üblichen Ausnahmen). 43 Kritisch bereits zu der ursprünglichen Streitwertgrenze von 2000 t in der VO a.F. Hau, GPR 2007, 93, 95, nunmehr Huber, RIW 2018, 625, sowie mit grundsätzlicher Kritik Leipold, FS Prütting (2018) 403 f. 44 ABl. C 340 vom 2.10.1997, S. 101, zuletzt geändert durch Protokoll Nr. 1 zum Lissabonner Vertrag, ABl. C 360 vom 17.12.2007, S. 165. 45 Art. 29 S. 2 EG-BagatellVO, wonach Art. 25 EG-BagatellVO „schon“ am 1.1.2008 in Kraft tritt. Nach Art. 25 EG-BagatellVO müssen die Mitgliedstaaten jedoch ihre ebendort aufgezählten Aufgaben gegenüber der Kommission betreffend Ausführung bereits bis zum selben Tag, also dem 1.1.2008 erfüllt haben. Rat und Kommission durften sich unter diesen Umständen nicht wundern, wenn die von Art. 25 EG-BagatellVO verlangten Daten bis 1.1.2008 nur spärlich geflossen sind. 46 Art. 3 Abs. 1 EG-BagatellVO.
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nem Beklagten jedoch, der außerhalb der EU seinen Wohnsitz hat, kann die EG-BagatellVO ebenfalls Anwendung finden, der grenzüberschreitende Bezug ist ja bereits bei Unterschiedlichkeit des Forumstaates und des Klägerwohnsitzes gegeben. In einem solchen Fall kommen die jeweiligen nationalen (autonomen) Vorschriften über die internationale Zuständigkeit zur Anwendung, d.h. die lex fori des jeweiligen Forumstaates.47 Ausschließlich der jeweiligen lex fori unterfallen ferner auch die sachliche, die örtliche und die funktionelle Zuständigkeit. 1. Fakultativer Charakter und Verhältnis zu mitgliedstaatlichen Verfahrensarten Die Eingangsvorschrift der EG-BagatellVO deklariert, dass diese neu geschaffene Verfahrensart lediglich als eine Alternative an die Seite der in den Mitgliedstaaten existierenden Verfahren treten soll. Es ist jedoch fragwürdig, ob dieser alternative Charakter angesichts der derzeit geltenden mitgliedstaatlichen Regelungen verwirklicht werden kann ohne tiefe Eingriffe in die nationalen Zivilprozessrechte. Solche Eingriffe dürften jedenfalls gerade wegen der betonten Alternativität nicht beabsichtigt sein.
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Die einzelnen Mitgliedstaaten haben zum einen weit divergierende Vorstellungen darüber, ab welchem Streitwert eine Rechtssache als geringfügig angesehen werden kann. Hier kann auf die bekanntlich bedeutenden Unterschiede der Einkommensverhältnisse und des allgemeinen Lebensniveaus bzw. Lebenshaltungskosten zwischen einzelnen Mitgliedstaaten etwa in Süd, Ost- und Westeuropa hingewiesen werden. Selbst in Deutschland ist bereits die Festlegung der Streitwertgrenze der VO a.F. bei 2.000 t auf vielfältige Kritik gestoßen,48 was vor allem auch hinsichtlich der viel niedrigeren Bagatellgrenze (600 t) des deutschen Rechts49 verständlich ist. Es bedarf kaum einer Erwähnung, dass die Anhebung der Streitwertgrenze auf 5.000 t durch die Reform-VO 2015 ähnliche Bedenken aufwirft und in manchen Mitgliedstaaten auf gesteigerten Unwillen stößt. Hinzu kommt aus mitgliedstaatlicher Sicht, dass die Einführung des europäischen Bagatellverfahrens möglicherweise vielfach noch zu größeren Systembrüchen als etwa in Deutschland führen wird. Manche Mitgliedstaaten haben nämlich kein autonomes streitiges Bagatellverfahren. Demgegenüber können vor mitgliedstaatlichen Gerichten Geldforderungen mit vergleichbar geringem Wert teilweise ausschließlich im Wege des Mahnverfahrens geltend gemacht werden.50 Die Alternativität ist hier problematisch, denn ein mitgliedstaatliches Mahnverfahren mit dem sich anschließenden Nachverfahren und danach immer noch möglichen Rechtsbehelfen ist von weit mehr, in den jeweiligen Verfahrensrechtsordnungen verwurzelten Verfahrensgarantien umgeben, als das europäische Bagatellverfahren. So werden den Rechtssuchenden – abhängig vom Vorhandensein einer im Sinne der VO zu definierenden Grenzüberschreitung – unterschiedliche Verfahrensarten zur Verfügung stehen, die jedoch ein sehr unterschiedliches Niveau an Verfahrensgarantien bieten. Bei der Deklarierung des alternativen Charakters hat der europäische Gesetzgeber offenbar wenig Bedacht auf mögliche funktionelle Überlappungen zwischen Bagatellund Mahnverfahren genommen. Dies hätte ein Minimum an funktionaler Prozessrechtsvergleichung vorausgesetzt,51 die ja gerade dazu berufen ist, grenzüberschreitende Normgebung zu unterstützen.
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Die Alternativität kann sehr wohl zur Benachteiligung jeweils inländischer Beklagter führen, denn es 33 liegt ausschließlich in der Hand des ausländischen (somit Grenzüberschreitung gegeben) Klägers, den Beklagten statt in einem in aller Regel zwingend mündlichen, mit suspensiven und devolutiven Rechtsmitteln ausgestatteten Verfahren gemäß der lex fori in einem solchen verurteilen zu lassen, das dieser rechtstaatlichen Garantien weitgehend entbehrt. Umgekehrt, d.h. rein aus der Sicht der Bekämpfung von Zahlungsverzug, des Gläubigerschutzes bzw. 34 des erklärten Willens des europäischen Gesetzgebers zur Gläubigerbegünstigung52 können die von et47 Für weitere Variationen der grenzüberschreitenden Rechtssache vgl. unten Art. 3 Rz. 3 ff. 48 Vgl. z.B. die kritische Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer EuZW 2005, Heft 20 (Red.) und auch darauf Bezug nehmend Hau, GPR 2007, 93, 95, ferner bereits im Vorfeld Leipold in Stein/Jonas, § 495a ZPO Rz. 5 („erstaunlich hoch“). Eingebettet in auch rechtsvergleichend begründete grundsätzliche Kritik ebenso Kern, JZ 2012, 389, 393. 49 Vgl. z.B. § 495a ZPO. 50 So z.B. in Ungarn. 51 Inhaltlich ebenso Kern, JZ 2012, 389, 396. 52 Freitag/Leible, BB 2009, 2, 6: „Das ursprüngliche Europa der Schuldner wandelt sich immer mehr zu einem Europa der Gläubiger …“
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was abgespeckten Verfahrensgarantien begleiteten Regelungen der EG-BagatellVO auch als positiv gewertet werden. Schließlich kann die Alternativität sogar zur Ausschließlichkeit (natürlich nur auf dem Gebiet der vereinfachten Forderungsdurchsetzung) erstarken, nämlich in den Mitgliedstaaten, deren Heimatverfahrensrechte kein autonomes Bagatellverfahren kennen. 35
Festzuhalten bleibt, dass das europäische Bagatellverfahren die einzelstaatlichen Prozessrechte, einschließlich deren spezieller summarischer Verfahrensarten in keiner Weise verdrängt. Vielmehr tritt es neben diese als eine weitere Alternative. Wegen der genannten Aspekte der Alternativität können die Unterschiede zwischen den einschlägigen autonomen Verfahrensregeln des jeweiligen Forumstaates und der EG-BagatellVO bei der Wahl zwischen diesen vorhandenen Forderungsdurchsetzungsmechanismen eine bedeutende Rolle spielen. Aus diesem Grund bietet es sich an, der Kommentierung der einzelnen Artikel eine kurze und nicht erschöpfende vergleichende Übersicht über geltende autonome Vorschriften, zu denen das Verhältnis der Alternativität besteht, voranzustellen.53 2. Bagatellverfahren nach den leges fori
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In einigen Mitgliedstaaten steht den Rechtssuchenden ein eigenständiges Bagatellverfahren zur Verfügung, andere Mitgliedstaaten haben nur gewisse verfahrenstechnische Vereinfachungen eingeführt, ohne ein besonderes Verfahren für geringfügige Forderungen zu schaffen.54 Darüber hinaus gibt es auch Mitgliedstaaten, in deren Verfahrensrecht kein eigenständiges Bagatellverfahren und auch keine punktuellen Vereinfachungen für Bagatellsachen vorgesehen sind.
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Die einführende Vorstellung der mitgliedstaatlichen Verfahrensregeln erfolgt einheitlich nach vier Kriterien: (1) Anwendungsbereich der Verfahrensregeln, die Arten von Streitigkeiten für die sie gelten, die Streitwertgrenze, falls eine solche festgelegt ist, (2) obligatorischer oder fakultativer Charakter der speziellen Verfahrensregeln, (3) Ausgestaltung des Verfahrens im Bereich der Beweisaufnahme und inhaltliche Anforderungen an das Urteil, (4) Vorhandensein und Ausgestaltung von Rechtsmitteln.
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Von den Gründungsmitgliedstaaten werden Deutschland, Frankreich, Belgien und die Niederlande hervorgehoben. Von den später beigetretenen Mitgliedstaaten werden das Vereinigte Königreich, Österreich, Spanien, Portugal, Schweden und Griechenland berücksichtigt. Von den 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten wird der geltenden Regelungen in Ungarn und Polen gedacht. Schließlich wird stellvertretend für die Rechtslage in den der EU in 2007 beigetretenen Mitgliedstaaten auf die Regelung in Rumänien eingegangen. Darüber hinaus empfiehlt sich ein Blick auf Dänemark gerade weil dort die EG-BagatellVO nicht gilt, weshalb die nationale Regelung in der Praxis von besonderem Interesse sein kann.55
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In Deutschland56 gibt es kein eigenständiges Bagatellverfahren, gleichwohl sieht § 495a ZPO ein vereinfachtes Verfahren vor, wenn der Streitwert 600 t nicht übersteigt. Danach kann das AG sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen. Die Parteien haben lediglich die Möglichkeit, eine mündliche Verhandlung zu beantragen. Liegt ein solcher Antrag vor, dann muss mündlich verhandelt werden. Die Vorschriften über die Beweiserhebung sind etwas gelockert, das Gericht kann Zeugen-, Sachverständigen- und Parteivernehmungen telefonisch oder auch schriftlich vornehmen. Die inhalt53 Ein solcher Überblick ist auch deswegen von einigem Erkenntniswert, weil die existierenden einzelstaatlichen besonderen Verfahrensvorschriften gewissermaßen als Vorgaben für die Ausgestaltung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen gedient haben. Vgl. Europäische Kommission, Grünbuch, 20.12.2002, KOM (2002) 746 Punkt 4.3, S. 53. 54 Für eine ähnliche Kategorisierung vgl. Kern, JZ 2012, 389, 390, der die Bagatellverfahren einzelner Länder nach dem Unterscheidungsmerkmal unterteilt, ob der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Verfahrens nur Vereinfachungen als vereinzelte Abweichungen vom normalen Verfahren vorgenommen, oder aber ein eigenes beschleunigtes Verfahren als eigenständigen Prozesstyp ausgebildet hat. 55 Für weitere, hier aus Platzgründen nicht angeführte Details der einzelnen mitgliedstaatlichen Verfahren s. https://e-justice.europa.eu/content_small_claims-42-de-de.do (die letzte Aktualisierung vom 24.7.2013 ist nur in der originellen Sprache zugänglich) sowie Mayer/Lindemann/Haibach Rz. 53–310 bzw. für Dänemark http://www.consumereurope.dk/Complaints/Small-claims-process-in-Denmark und http://ec.europa.eu/consum ers/redress_cons/docs/MS_fiches_Denmark_da.pdf. 56 § 495a ZPO.
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lichen Anforderungen an das Urteil sind abgeschwächt,57 was mit der grundsätzlichen Unanfechtbarkeit des Bagatellurteils (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) zusammenhängt. Tatbestand und Entscheidungsgründe können abgekürzt werden.58 Im Großen und Ganzen ergibt jedoch das deutsche Bagatellverfahren wegen der auch hier fortgeltenden, grundrechtliche Inhalte tragenden Prozessmaximen eine von der üblichen kaum abweichende Verfahrensart.59 Insbesondere ist – anders als in der EG-BagatellVO – keine Einschränkung hinsichtlich Sachverhaltsfeststellung vorgesehen. Vielmehr gilt nur eine Befreiung von der Bindung an die Beweisverfahrensvorschriften der §§ 355 ff. ZPO. Frankreich60 kennt ein vereinfachtes Verfahren, das nach der Art der Verfahrenseinleitung déclaration au greffe (Erklärung zur Geschäftsstelle) genannt wird. Der geltend gemachte Anspruch darf den Streitwert von 4.000 t nicht überschreiten und muss in die Zuständigkeit des Instanzgerichts (tribunal d’instance) fallen. Das Verfahren ist von fakultativem Charakter und kann nicht in ein ordentliches Verfahren übergeleitet werden. Der Richter (juge de proximité) versucht bei der Verhandlung, eine Schlichtung zwischen den Parteien herbeizuführen. Kann keine Einigung erreicht werden, nimmt das Verfahren seinen Lauf. Die Beweiserhebung, die Kostenerstattung und der Inhalt des Urteils richten sich nach den allgemeinen Regeln. Ein rein schriftliches Verfahren ist nicht möglich. Die Möglichkeit der Berufung ist ausgeschlossen, es besteht nur die Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage (pourvoi en cassation).
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Das Zivilverfahrensrecht von Belgien sieht kein eigenständiges Bagatellverfahren vor. Bei Forderungen, die in die Zuständigkeit des Friedensrichters fallen und auf Zahlung einer feststehenden Schuld abzielen, deren Betrag 1.860 t nicht übersteigt, gelangt jedoch ein gemeinrechtliches Verfahren (summarisches Verfahren zwecks Zahlungsbefehls) zur Anwendung, das allerdings sehr einfach strukturiert ist.61 In dem Verfahren geht der Klageschrift eine an den Schuldner gestellte Aufforderung zur Zahlung der geltenden gemachten Forderung voraus. Erst nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist wird die Klage beim Richter erhoben, welcher auch die Unterlagen zum Beweis der Zahlungsaufforderung bzw. zur Begründung des Anspruchs beizulegen sind. Gibt der Richter der Klage ganz oder teilweise statt, hat seine Entscheidung die Wirkungen eines Versäumnisurteils. Der Schuldner kann gegen die Entscheidung Einspruch oder Berufung einlegen. Beim Einspruch werden die Parteien zur mündlichen Verhandlung geladen. Das weitere Verfahren folgt den Regeln des ordentlichen Prozesses. Das belgische summarische Verfahren steht derzeit vor einer Reform (z.B. Anhebung der Streitwertgrenze auf 2.500 t), der entsprechende Gesetzentwurf ist bereits in Vorbereitung.62
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Das niederländische Zivilprozessrecht sieht ein gesondertes Verfahren für geringfügige Forderungen vor, für das AG (kantonrechter) ausschließlich zuständig sind. Es geht um Forderungen bis zu einer Höhe von 25.000 t, nicht genau bezifferte Ansprüche, deren Streitwert offensichtlich unter 25.000 t liegt und Ansprüche u.a. aus Arbeits-, Miet- und Pachtverträgen unabhängig vom Streitwert. Das Verfahren wird grundsätzlich durch Vorladung eingeleitet. Nach der Klageerhebung und der schriftlichen Klageerwiderung kommt es in der Regel zu einer mündlichen Verhandlung. Alternativ dazu kann der Richter den Parteien die Möglichkeit geben, weitere schriftliche Stellungnahmen einzureichen. In diesem Fall hat jede Partei das Recht auf ein ergänzendes mündliches Vorbringen. Die Beweiserhebung und der Inhalt des Urteils richten sich nach den allgemeinen Regeln. Entscheidungen des AG können nur angefochten werden, wenn die Forderung 1.750 t übersteigt.
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In England und Wales gibt es ein gesondertes Bagatellverfahren (small claims procedure). Bei Zuord- 43 nung einer Sache zu den Bagatellsachen spielen zwei Aspekte eine Rolle: der Streitwert (höchstens 10.000 GBP, für bestimmte Rechtssachen 1.000 GBP) und die Art der Forderung (z.B. Verbraucherklagen, Klagen aus einem Unfall, Mietstreitigkeiten usw). Bei der Entscheidung für oder gegen ein 57 S. § 313a Abs. 1 ZPO. 58 Die Begründung muss jedoch erkennen lassen, dass sich Gericht mit den für die Entscheidung des Rechtsstreits wesentlichen Gesichtspunkten auseinandergesetzt hat. Vgl. z.B. LG München I v. 20.1.2004 – 13 S 19545/03, NJW-RR 2004, 353. 59 MünchKomm/ZPO/Deubner, § 495a Rz. 2. 60 Art. 843 ff. Nouveau Code de Procedure Civile. 61 Art. 1344 f. Code judiciaire. 62 Vgl. die einschlägige Pressemitteilung unter http://www.iec-iab.be/nl/leden/Publicaties/actualiteit/Instituut/Doc uments/2013/PB%20-%20Summiere%20Rechtspleging%20NL.pdf.
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Bagatellverfahren berücksichtigt der Richter neben diesen Kriterien u.a. auch die Komplexität der Rechtssache und die diesbezügliche Erklärung der Parteien. Die Entscheidung über den Verfahrensweg am Anfang des Verfahrens liegt allerdings beim Richter. Ähnlich steht es im Ermessen des Richters, den Fall vom Bagatellverfahren in ein Zivilverfahren nach allgemeinen Regeln überzuleiten. Das Beweisverfahren ist wesentlich informeller ausgestaltet. So ist der Richter an recht wenige Vorschriften gebunden. Er ist z.B. nicht zur Beweisaufnahme unter Eid verpflichtet und kann Kreuzverhöre beschränken. Ein rein schriftliches Verfahren ist möglich, jedoch nur in dem Fall, wenn alle Parteien zustimmen. Was den Inhalt des Urteils anbelangt, gelten die allgemeinen Vorschriften, nach denen das Urteil selbst bloß die Entscheidung des Richters sowie etwaige Verfügungen der Parteien enthalten soll. Die Urteilsgründe werden in Form eines Aktenvermerks aufgeführt. Möchte die unterlegene Partei Berufung (appeal) gegen das Urteil einlegen, muss sie die richterliche Zulassung dazu einholen. Wenn die Partei an der Verhandlung teilnimmt, kann sie beim Richter am Ende der Verhandlung die Zulassung der Berufung beantragen. Wenn die unterlegene Partei bei der Verhandlung weder anwesend noch vertreten war und keine schriftliche Erklärung zur Abhaltung der mündlichen Verhandlung in ihrer Abwesenheit abgegeben hat, kann sie einen Antrag auf die Aufhebung (setting aside) des bei dieser Verhandlung ergangenen Urteils und auf die erneute Verhandlung der Klage erheben. 44
Das schottische Zivilverfahrensrecht kennt zwei Arten von Verfahren für geringfügige Forderungen: das eigentliche Bagatellverfahren (small claims procedure) für die Verhandlung von Fällen mit einem Streitwert von weniger als 3.000 GBP und das sog. summarische Verfahren (summary cause procedure) für Ansprüche mit einem Streitwert bis zu 5.000 GBP. Diese Verfahren sind nicht nur auf Geldforderungen anwendbar, sondern auch auf Klagen auf Herausgabe beweglicher Güter (recovery of moveable property) oder auf Lieferung (delivery). Die speziellen Verfahrensvorschriften63 sind zwingend anzuwenden. Die Verhandlungen werden so informell geführt, wie es nach den Umständen der Klage möglich ist. Die Klage muss nur dann vor dem Gericht mündlich verhandelt werden, wenn die Forderung vom Beklagten bestritten wird. Ansonsten ist ein rein schriftliches Verfahren durchzuführen. Für die Gestaltung des Urteils gelten weniger strenge Vorschriften, die Entscheidung muss lediglich mit einer kurzen Begründung versehen werden. Sowohl im Bagatellverfahren als auch im summarischen Verfahren kann man gegen das Urteil Rechtsmittel – Berufung (appeal) oder Antrag auf Aufhebung (recall) – einlegen.
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In Nordirland gibt es auch ein eigenes Bagatellverfahren (small claim procedure). Die Streitwertgrenze liegt bei 3.000 GBP, bestimmte Ansprüche (z.B. Klagen aus Körperverletzung und Verkehrsunfällen) sind jedoch vom Anwendungsbereich des Verfahrens ausgeschlossen. Dem Rechtssuchenden steht es frei, das Bagatellverfahren oder ein ordentliches Verfahren einzuleiten, das Bagatellgericht (small claims court) ist aber befugt, in bestimmten Fällen den Antrag an das LG (county court) zu verweisen. Die Beweiserhebung vor dem Bagatellgericht richtet sich nach vereinfachten und weniger strengen Vorschriften. Ein rein schriftliches Verfahren ist möglich, wenn die Forderung nicht bestritten wird und auf die Zahlung eines bestimmten Betrages gerichtet ist. Das Urteil wird den Parteien mündlich verkündet, der Richter kann es aber nach eigenem Ermessen auch in schriftlicher Form vorlegen. Für die Kostenerstattung gelten gewisse Einschränkungen: Nur Gerichtskosten und Auslagen für den Sachverständigen werden erstattet. Als Rechtsmittel stehen den Parteien die Berufung und der Antrag auf Aufhebung (setting aside) des Urteils zur Verfügung.
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In Österreich ist kein Bagatellverfahren institutionalisiert, doch sind bestimmte Verfahrensvereinfachungen im Verfahren vor den Bezirksgerichten vorgesehen. Im Regelfall sind dies besondere Verfahrensregeln bzw. ein vereinfachtes Verfahren für die in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte (Streitwerte bis zu 15.000 t) fallenden rein vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Für das Verfahren in arbeits- und sozialrechtlichen Sachen bestehen jeweils unabhängig von der Streitwerthöhe bestimmte Verfahrensvereinfachungen und Verfahrenserleichterungen. Die vorgesehenen Vereinfachungen gelten grundsätzlich für geringfügige Forderungen mit Streitwertgrenzen bis 1.000 t bzw. 2.700 t. Diese vereinfachten Verfahrensregeln sind zwingend anzuwenden, womit eine Überleitung in den ordentlichen Zivilprozess ausgeschlossen ist. Ein rein schriftliches Verfahren ist nicht zulässig. Schriftliche Zeugenaussagen werden als Urkundenbeweis gewertet. Bei Ansprüchen bis zu 1.000 t kann das
63 Small Claim Rules 2002, Summary Cause Rules 2002.
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Gericht von der Partei angebotene Beweise dann übergehen, wenn die vollständige Aufklärung aller maßgebenden Umstände mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden ist. Wenn das Urteil in Anwesenheit beider Parteien verkündet worden ist und keine Partei rechtzeitig Berufung eingelegt hat, so kann das Gericht eine gekürzte Urteilsausfertigung erlassen. Wenn die geltend gemachte Forderung 2.700 t nicht überschreitet, ist eine Berufung nur in rechtlicher Hinsicht sowie wegen Nichtigkeit, d.h. im Falle der schwerwiegendsten Verfahrensmängel möglich. In Spanien gibt es ein eigenständiges Bagatellverfahren, das sog. mündliche Verfahren. Die speziellen 47 Verfahrensregeln sind auf Forderungen bis zu höchstens 6.000 t anzuwenden. Darüber hinaus wird über bestimmte Angelegenheiten unabhängig von dem Streitwert aufgrund des Streitgegenstandes im Rahmen eines mündlichen Verfahrens verhandelt (z.B. Unterhaltsklagen, bestimmte Pachtsachen). Das Verfahren ist zwingend vorgeschrieben und die Sache kann nicht auf ein ordentliches Zivilverfahren weiterverwiesen werden. Es gelten die allgemeinen Beweisregeln. Das Verfahren ist von Mündlichkeit geprägt, nur die Klageerhebung erfolgt schriftlich. Der Inhalt des Urteils unterliegt den allgemeinen Vorschriften. Die Berufungsmöglichkeit wird nur in den Rechtssachen eröffnet, in denen der Streitwert 3.000 t übersteigt. In Portugal steht ein eigenständiges Verfahren für Geldforderungen aus vertraglichen Schuldverhält- 48 nissen bis zu 15.000 t zur Verfügung. Die Einleitung des Verfahrens ist fakultativ und es besteht keine gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zur Überführung des Verfahrens in ein ordentliches Verfahren. Die Beweisregeln sind einfacher und flexibler als jene in einem ordentlichen Verfahren. Bei einem Streitwert bis zu 5.000 t dürfen höchstens drei Zeugen für jeden zu beweisenden Sachverhalt beigebracht werden. Liegt der Streitwert über dieser Schwelle, so erhöht sich die Zahl der zugelassenen Zeugen auf fünf. Ein einmal festgesetzter Verhandlungstermin kann selbst wegen gerechtfertigter Abwesenheit der Parteien nicht vertagt werden, es sei denn, der Streitwert beträgt mindestens 5.000 t. In Bagatellsachen kann nur ein einziger Sachverständiger in Anspruch genommen werden. Ein rein schriftliches Verfahren ist nicht möglich. Die Vorschriften über die Gestaltung des Urteils sind auch flexibler, so dass eine abgekürzte Begründung ausreicht. Die Rechtsmittelfähigkeit der Entscheidung unterliegt den allgemeinen Regeln. Das Zivilprozessrecht von Griechenland behandelt Rechtstreitigkeiten mit einem Streitwert unter 5.000 t als Bagatellsachen. Diese Streitigkeiten fallen in die Zuständigkeit der AG. Das Verfahren ist obligatorisch und kann nicht in ein ordentliches Zivilverfahren überführt werden. Der Richter kann von den allgemeinen Beweisregeln abweichen und jedes geeignet erscheinende Beweismittel berücksichtigen. Er kann seine Vorgehensweise bei der Beweiserhebung nach freiem Ermessen bestimmen, wobei Schnelligkeit und Kostengünstigkeit der Sachverhaltsermittlung stets vor Augen zu halten sind. Das Verfahren kann mündlich oder schriftlich durchgeführt werden. Wenn das Urteil in Gegenwart beider Parteien (oder ihrer Vertreter) verkündet worden ist, wird es nicht zugestellt. Es erfolgt keine Kostenerstattung und das im Bagatellverfahren ergangene Urteil ist nicht anfechtbar.
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In Schweden gibt es ein gesondertes Verfahren für Forderungen mit geringem Streitwert. Die Streit- 50 wertgrenze ist nicht gesetzlich festgelegt, er ist nämlich an den sog. Preisgrundbetrag (prisbasbelopp) gebunden, so dass er jederzeit an die Preisentwicklung gekoppelt werden kann. Derzeit liegt die Streitwertgrenze bei 22.500 SEK, d.h. ca 2.500 t. Familiensachen sind von dem Anwendungsbereich des Verfahrens ausgeschlossen. Die besonderen Regeln sind zwingend anzuwenden, das Gericht kann jedoch das Verfahren in das ordentliche Zivilverfahren überleiten, wenn dies von einer der Parteien in ihrem ersten Sachvortrag mit der Begründung beantragt wird, dass der Streitwert aller Wahrscheinlichkeit nach höher ist oder dass der Ausgang des Verfahrens in anderer Weise von besonderer Bedeutung für die Beurteilung anderer Rechtsverhältnisse ist. Die Beweiserhebung und die Gestaltung des Urteils richten sich nach den allgemeinen Regeln. Ein rein schriftliches Verfahren ist möglich, wenn eine mündliche Verhandlung aufgrund aller Umstände des Einzelfalles nicht erforderlich ist und auch von keiner Partei gefordert wird. Gegen das Urteil des AG ist ein Rechtsmittel vor dem Berufungsgericht dann zugelassen, wenn dies von Bedeutung für die Rechtsanwendung ist, und ferner ein Grund für die Änderung des Urteils besteht oder wenn das sonst aus einem besonderen Grund erforderlich erscheint.
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Gemäß dem EGV-Protokoll über die Position Dänemarks beteiligte sich Dänemark an der Annahme der EG-BagatellVO nicht.64 Von der Möglichkeit, sich zur Anwendung der Vorschriften der Verordnung wie im Falle der Brüssel I-VO und der EG-ZustVO aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages zu verpflichten, hat Dänemark bis jetzt nicht Gebrauch gemacht. Am 1.1.2008 sind jedoch in Dänemark spezielle Vorschriften über ein gesondertes Bagatellverfahren (småkravsprocedure) in Kraft getreten. Die Streitwertgrenze liegt bei 50.000 DKK (ohne Kosten und Zinsen). Auch auf über diese Wertgrenze hinausgehende Forderungen finden die Vorschriften des Bagatellverfahrens Anwendung, wenn sich die Parteien darüber einigen. Ähnlich können die Parteien in einer Vereinbarung vor der Entstehung der Rechtsstreitigkeit darüber übereinkommen, dass ihr Rechtsstreit mit einem Streitwert von 50.000 DKK oder weniger im Rahmen eines ordentlichen Zivilverfahrens ausgetragen wird. In äußerst komplizierten Fällen kann das Gericht auf Antrag einer oder beider Parteien so entscheiden, dass er nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften vorgeht. Im Verfahren wird stark auf Formblätter gesetzt. Verfahrenssprachen sind Dänisch sowie die anderen skandinavischen Sprachen. Die Vorbereitung der Eingaben bzw. die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist nicht erforderlich, es werden sogar solche Kosten auch beim Obsiegen der Partei nur begrenzt erstattet. Die Parteien werden nur zu einer einzigen mündlichen Verhandlung geladen. In der Regel ergeht das Urteil innerhalb von 14 Tagen nach der mündlichen Verhandlung. Liegt der Streitwert unter 10.000 DKK, ist keine Berufung zulässig.
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Das polnische Recht kennt auch ein vereinfachtes Verfahren, das in Art. 5051–50514 der polnischen Zivilprozessordnung (im Folgenden: polnZPO) geregelt wird. Das vereinfachte Verfahren gilt für vertragliche Streitigkeiten mit einem Streitwert bis 10.000 PLN (ca 2.400 t), für Gewährleistungs- und Garantieansprüche, sowie Ansprüche wegen Mangelhaftigkeit der Sache bei einem Verbrauchsgüterkauf (der Wert des Vertragsgegenstandes kann jedoch den oben genannten Betrag nicht übersteigen), ferner für Mietstreitigkeiten unabhängig von ihrem Streitwert. Dieses vereinfachte Verfahren wird ausschließlich vor den AG durchgeführt. In einem Verfahren darf nur ein Anspruch geltend gemacht werden; die Kombination mehrerer Ansprüche ist nur zulässig, wenn sie aus dem gleichen Vertrag oder Verträgen der gleichen Art entstanden sind.65 Eine Klageänderung ist nicht zulässig.66 Das vereinfachte Verfahren ist obligatorisch, mit der Ausnahme, wenn das Gericht feststellt, dass die Streitigkeit besonders kompliziert ist oder dass für ihre Entscheidung besondere Kenntnisse erforderlich sind. In diesen Fällen wird das weitere Verfahren als „normales“ Verfahren weitergeführt.67 Die Beweisregeln folgen einem speziellen Regime. Das Gericht kann einen nach seiner Beurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles angemessenen Betrag zusprechen, wenn der genaue Nachweis der Forderungshöhe unmöglich oder erheblich erschwert ist.68 In dem Verfahren findet grundsätzlich kein Sachverständigenbeweis statt.69 Wäre die Durchführung eines über diesen Rahmen hinausgehenden Beweises notwendig, kann es jedoch dazu führen, dass das Gericht die Streitigkeit im ordentlichen Verfahren weiterverhandelt. In der zweiten Instanz ist dann grundsätzlich nur der Urkundenbeweis zulässig.70 Die Berufung kann nur auf folgende Gründe gestützt werden: Verletzung des materiellen Rechts durch fehlerhafte Auslegung oder Anwendung, Verletzung der Verfahrensvorschriften, soweit sie einen Einfluss auf den Ausgang des Rechtsstreites haben konnte71 sowie Entdeckung von neuen Tatsachen oder Beweismitteln.72 Eine Revision ist aufgrund des zu niedrigen Streitwertes nicht zulässig.
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Die ungarische Zivilprozessordnung kennt kein spezielles Bagatellverfahren, das als Alternative der EG-BagatellVO in Frage käme. „Bagatellverfahren“ werden jedoch mitunter die Verfahren73 genannt, die aus dem obligatorischen Mahnverfahren (Streitwert bis zu 3 Millionen HUF – ungefähr 8.000 t) 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73
Vgl. auch ErwGr. 38 EG-BagatellVO. Art. 5053 § 1 und 2 polnZPO. Art. 5054 polnZPO. Art. 5057 polnZPO. Art. 5056 § 3 polnZPO. Art. 5056 § 2 polnZPO. Art. 50511 § 1 und 2 polnZPO. Art. 5055 § 1 polnZPO. Art. 50511 § 2 polnZPO. §§ 254 ff. ungZPO.
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durch Einlegung eines Widerspruchs gegen den Mahnbescheid in ein kontradiktorisches Verfahren übergeleitet werden: Wenn ein Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt wird und im Zeitpunkt des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheides der Streitwert die oben erwähnte Grenze nicht überschreitet, dann sind die speziellen Regeln des auf das Mahnverfahren folgenden Zivilprozesses anzuwenden, die jedoch – entgegen dem vor 2018 geltenden Recht – keine wesentlichen Unterschiede zum normalen Zivilprozess aufweisen. Mit der neuen Zivilprozessordnung74 (im Folgenden: rumZPO) wurde in Rumänien ein besonderes Bagatellverfahren eingeführt.75 Dies stellt den Rechtssuchenden ein vereinfachtes nationales Verfahren zur Verfügung, das eigentlich eine Nachahmung des europäischen Bagatellverfahrens darstellt.76 Die Vorschriften über die Streitwertgrenze (bei 10.000 RON, ca 2.200 t) und den sachlichen Anwendungsbereich sind praktisch gleichlautend mit denen der EG-BagatellVO.77 Das Verfahren stellt eine alternative Verfahrensart dar, wobei es an dem Kläger liegt, ob er den ordentlichen oder den vereinfachten Weg einschlägt. Wird ein ordentliches Verfahren eingeleitet, kann jedoch der Kläger spätestens während der ersten mündlichen Verhandlung für das Bagatellverfahren optieren. Wird demgegenüber das Bagatellverfahren gewählt, ohne dass die Voraussetzungen dafür vorlägen, so wird das Verfahren in einen ordentlichen Zivilprozess übergeleitet, es sei denn, der Kläger nimmt seine Klage zurück.78 Das rumänische Bagatellverfahren ist grundsätzlich – in starker Anlehnung an Formblätter – schriftlich ausgestaltet, das Gericht kann jedoch die Anhörung der Parteien entweder auf Antrag einer Partei oder von sich aus anordnen. Die Ablehnung des Parteiantrags muss schriftlich begründet werden, die Entscheidung kann aber nicht angefochten werden.79 Das Gericht fällt sein Urteil innerhalb von 30 Tagen nach etwaiger mündlicher Verhandlung oder nach Vorliegen sämtlicher Entscheidungsgrundlagen. Das Urteil ist sofort vollstreckbar.80 Innerhalb von 30 Tagen ab Zustellung der Entscheidung kann Berufung eingelegt werden. Das Berufungsgericht kann die sofortige Vollstreckbarkeit aussetzen, wenn eine Kaution im Wert von 10 % des Streitwertes entrichtet ist. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts steht kein weiteres Rechtsmittel zur Verfügung.81
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3. Fakultativer Charakter und Verhältnis zu anderen europäischen Instrumenten Die EG-BagatellVO lässt nicht nur die einzelnen mitgliedstaatlichen Verfahrensarten sondern auch 55 die parallel geltenden gemeinschaftsrechtlichen Regelwerke unberührt.82 So bleibt die Brüssel-Ia VO auch weiterhin die Grundlage für die internationale Zuständigkeitsbestimmung. Als ebenbürtige Möglichkeit der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung ohne Streitwertbegrenzung steht auch das Verfahren nach der EG-MahnVO neben der EG-BagatellVO. Schwer abzuschätzen ist dahingegen, wie sich die einzelnen Vollstreckungsregime zueinander verhalten. Die EG-BagatellVO spricht von „Bestätigung“ in Gestalt eines Formblatts. Diese durch das Erstgericht ausgestellte Bestätigung muss dem Antrag auf Vollstreckung beigefügt werden.83 Es ist nicht ganz ersichtlich, wie sich diese Bestätigung zu den formalen Voraussetzungen der anderen europäischen Verfahrensarten verhält, insbesondere zur Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel. Wie bereits oben ausgeführt, dürfte dieser neuen Art der Bestätigung keine allzu große Bedeutung zukommen, da sie lediglich deklaratorischen – und nicht konstitutiven – Charakter besitzt. Mit Hinblick auf Art. 7 Abs. 3 (funktional: „Bagatellversäumnisurteil“) kann für Bagatelltitel auch eine Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel im Sinne der EG-VollstrTitelVO in Frage kommen. Neben dem vergleichsweise schwerfälligen Anerkennungs- und Vollstreckungsregime der Brüssel-Ia VO gibt es dann noch die ebenfalls neu geschaffene Möglichkeit der automatischen Vollstreckung ohne jegliche Bestätigung im Rahmen Legea nr 134/2010 privind Codul de procedura˘ civila˘ (M Of nr 485 din 15 iulie 2010). In Kraft seit 15.2.2013. Zaharia, Acta Universitatis Danubius 2010 (1), 97, 98. Art. 1025 rumZPO. Art. 1026 rumZPO. Art. 1029 alin. 1 und 2 rumZPO. Art. 1030 alin. 1 und 3 rumZPO. Art. 1032 rumZPO. Vgl. für eine Übersicht der zur Forderungsdurchsetzung zur Verfügung stehenden Alternativen König/Mayr/ Jelinek, S. 56. 83 Art. 20, 21 EG-BagatellVO.
74 75 76 77 78 79 80 81 82
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der EG-MahnVO. Die Bereicherung dieser „Artenvielfalt“84 der Vollstreckungsformalien muss sich scharfe Kritik gefallen lassen.85
V. Vereinfachtes Verfahren 56
Die Einreichung der Klage beim zuständigen Gericht sowie die Klageerwiderung seitens des Beklagten erfolgen grundsätzlich durch Ausfüllen und Einreichen von vorgefertigten Formblättern,86 die die Gerichte immer verfügbar haben und bei deren Ausfüllung sie Hilfestellung leisten müssen. Ist die dergestalt vorformulierte Klageschrift nicht ordnungsgemäß ausgefüllt oder fällt die geltend gemachte Forderung nicht in den Anwendungsbereich der EG-BagatellVO, so kann das zur Abweisung wegen Unzulässigkeit führen.87 Zu Recht wird jedoch im Schrifttum die Möglichkeit zur Weiterführung des Verfahrens nach den einschlägigen Regeln der lex fori auch in diesen Fällen bejaht.88 Das bedeutet, dass die im Sinne der EG-BagatellVO mangelhafte, jedoch den nationalen Vorschriften über die Klageerhebung genügende Verfahrenseinleitung in diesem Fall auch mit ex tunc-verjährunghemmender Wirkung89 in einen ordentlichen nationalen Zivilprozess mündet. Die Verordnung sieht über die Abweisung wegen Unzulässigkeit hinaus an gleicher Stelle90 noch die – sicherlich über das Maß der beabsichtigten Verfahrensvereinfachung deutlich und zugleich völlig unbedacht hinausgehende – Möglichkeit der Abweisung wegen offensichtlicher Unbegründetheit vor.91
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Die Verordnung enthält jedoch auch eine Vielzahl von Regelungen, die tatsächlich zur Vereinfachung und Beschleunigung der Entscheidungsfindung beitragen sollen und können. Hierzu gehören die hier einleitend nur stichwortartig zu erwähnenden Verfahrensvorschriften über die Fristen, die sowohl die Prozesshandlungen der Parteien als auch die des Gerichts erfassen. Zählt man alle in der VO genannten, vom Gericht und von den Parteien zu beachtenden Fristen (Klageerwiderung, Stellungnahme seitens des Klägers, Widerklage, etwaige Beweisanträge und Beweisaufnahme und schließlich ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung)92 zusammen, so wird es klar, dass es dem Verordnungsgeber daran gelegen war, spätestens etwa 6 Monate nach Klageerhebung das Verfahren durch Sachurteil abschließen zu lassen. Kaum verständlich bis unseriös mutet daher die „Fristengeneralklausel“ des Art. 14 Abs. 3 an, wonach das Gericht die erforderlichen Verfahrensschritte doch so bald wie möglich veranlassen solle, sollte es die genannten Fristen „ausnahmsweise nicht einhalten“ können.93 Diese Vorschrift ist dazu geeignet, die Fristen zur Bedeutungslosigkeit zu verdammen und damit letztlich eines der Hauptziele der EG-BagatellVO, nämlich die Verfahrensbeschleunigung zu vereiteln.94
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Auch die grundsätzliche Schriftlichkeit des Verfahrens mit nur Ausnahmecharakter der mündlichen Verhandlung dient vornehmlich der Vereinfachung und der Beschleunigung. Der grundsätzliche Ausschluss der Mündlichkeit wirft jedoch gerade wegen des hohen Grades an Formalisierung in Gestalt von Formblättern Probleme auf, die ebenfalls im Folgenden gesondert95 hervorgehoben werden sol84 So die berechtigte Kritik von Rauscher in MünchKomm/ZPO Anhang II zu Buch 11 (EG-BagatellVO) Rz. 34. 85 Vgl. zu den Systembrüchen bzgl. Zustellung aber auch allgemein Rauscher, FS Machacek/Matscher (2008) 665, 671. Ebenfalls krit. Schack, IZVR6 Rz. 387. 86 Vgl. die Kritik der Formblätter bei Kern, JZ 2012, 389, 394. 87 Dies ist ein besonderer Unzulässigkeitsgrund und hat mit der Zuständigkeitsfrage – entgegen Mayer/Lindemann/Haibach, Rz. 869 – nichts zu tun. 88 Vgl. z.B. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Anhang II zu Buch 11 (EG-BagatellVO) Rz. 16. 89 S. Grothe in MünchKomm/BGB, § 204 BGB Rz. 5. 90 Art. 4 Abs. 4 EG-BagatellVO. 91 S. die Kritik unten Rz. 61 und Art. 4 Rz. 10 ff. 92 Art. 5–7 EG-BagatellVO. 93 Zu Recht kritisch etwa Rauscher in MünchKomm/ZPO Anhang II zu Buch 11 (EG-BagatellVO) Rz. 28. 94 Flankiert wird diese Klausel auch noch durch die allgemeine Verlängerungsmöglichkeit der für die Parteien geltenden Fristen in Art. 14 Abs. 2 EG-BagatellVO. Entgegen Kern, JZ 2012, 389, 394 Fn. 78 wird der Gesetzgeber wohl nicht von der – unbestritten bestehenden – Realität der häufigen Nichteinhaltung von Fristen in der Praxis ausgehen dürfen. Gerade auf diese Realität will der Gesetzgeber gestaltend einwirken, anstatt sich auf eine resignierte lex-imperfecta-Regelung zurückzuziehen. 95 S. unten bei Art. 5 Abs. 1 EG-BagatellVO.
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len. Den Parteien ist ferner kein Anwaltszwang auferlegt und einen solchen dürfen auch die nationalen Gesetzgebungen nicht schleichend einführen. Ist keiner der erwähnten formalen Abweisungsgründe vorhanden und soll das Verfahren auch nicht in der geschilderten Weise in Gestalt eines ordentlichen Zivilprozesses nach der lex fori fortgeführt werden, so fällt das Gericht – nach u.U. möglicher verlängerter Beweisaufnahme und ausnahmsweise nach einer mündlichen Verhandlung – ein Urteil in der Sache. Zu einem solchen kann es allerdings auch viel früher kommen, denn die EG-BagatellVO eröffnet implizit auch die Möglichkeit eines Versäumnisurteils.96
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VI. Autonomes Zustellungsregime Ein Sonderproblem des Verhältnisses zu anderen europäischen zivilprozessualen Rechtsquellen stellt 60 die Regelung der internationalen Zustellung dar. Die ursprüngliche Fassung der Verweisungsnorm des Art. 13 Abs. 2 kombinierte noch die die grundsätzlich zu bewirkende Postzustellung mit Empfangsbestätigung mit den Zustellungsformen der Art. 13, 14 der EG-VollstrTitelVO. Damit sollten auch damals schon die europäischen Zustellungsmindeststandards für die Zwecke der EG-BagatellVO zu unmittelbar anwendbarem Zustellungsrecht erhoben werden. Da diese selbst ursprünglich gerade nicht als originäre Zustellungsregeln sondern nur als Mindeststandards für die Zwecke der Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel gedacht waren, wurde vor der Reform mit Recht allenfalls von den Ansätzen einer „schleichenden“ Einführung eines autonom-europäischen Zustellungsrechts gesprochen. Der vermutliche Wille des Verordnungsgebers war hier wohl schon immer – zwar nicht eindeutig ermittelbar – die Schaffung einheitlicher Zustellungsregimes unter den justiziellen Verordnungen. Würde man die autonome Qualität des Zustellungsregimes der EG-BagatellVO97 verneinen, so käme man zwangsläufig zur Anwendung der EG-ZustVO, des HZÜ sowie der autonomen nationalen Zustellungsregeln, was aber vom Verordnungsgeber gerade auf dieser Stufe der justiziellen Integration (originäres europäisches Erkenntnisverfahren!) offenbar nicht gewollt sein konnte. Daher sprachen schon bei der alten Fassung der VO gute Gründe dafür, dass der europäische Gesetzgeber – wenn auch etwas halbherzig – erstmals ein autonomes Zustellungsregime schaffen wollte.98 Bei der 2015-er Reform hat diese Bestrebung an Eindeutigkeit gewonnen und durch die Neufassung des Art. 13 kommt der Wille des europäischen Gesetzgebers zu einer nunmehr verordnungsübergreifenden, einheitlichen Zustellungsregime einmal mehr zum Vorschein, wobei in der Neufassung die elektronischen Übermittlungsarten eine besondere Akzentuierung erfahren.
VII. Abweisung als „offensichtlich unbegründet“ Eine bereits kritisch erwähnte Vorschrift der EG-BagatellVO ermöglicht es dem Richter in der Phase der formalen Überprüfung der Klageschrift gleich nach deren Einreichung, die Klage als offensichtlich unbegründet abzuweisen.99 Diese Vorschrift setzt sich über jeden rechtsstaatlichen Maßstab hinweg und missachtet auch die prozessuale Wirklichkeit, die doch gerade durch die EG-BagatellVO geschaffen worden ist. Danach ist das Gericht in dieser Phase nur mit der Klageschrift vertraut und kennt weder die Klageerwiderung noch alle Beweismittel, da deren sofortige Präsentierung die VO gerade nicht zwingend vorschreibt. Die Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens sollte sicherlich nicht so weit gedeihen, dass letztlich der Justizgewährungsanspruch ausgehöhlt wird. Dies zwingt nämlich manche Mitgliedstaaten nicht zuletzt zu einem Bruch mit fest verankerten nationalen Verfassungswerten. Es ist grotesk und mehr als bedauerlich, dass nunmehr die Europäische Union die
96 Vgl. Art. 7 Abs. 3 EG-BagatellVO. Die Qualifizierung als Aktenlage- oder Versäumnisentscheidung ist zwar strittig, funktional ergeben sich jedoch keine Unterschiede. Vgl. ebenso im Ergebnis Bittmann, S. 219. 97 So Rauscher in MünchKomm/ZPO, Anhang II zu Buch 11 (EG-BagatellVO) Rz. 26 und Rauscher, IPR3 Rz. 2327. 98 Dafür auch z.B. Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 312 und Brokamp, S. 56. 99 Art. 4 Abs. 4 EG-BagatellVO aE.
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Geltung einer solchen Vorschrift erzwingt.100 Diese Regel ist für mehrere mitgliedstaatliche Rechtssysteme, so etwa auch für das deutsche, mehr als befremdlich. Nicht von ungefähr will man hier etwas wohlwollend von Unschlüssigkeit statt Unbegründetheit ausgehen, um zumindest die materielle Rechtskraft potentiell grundfalscher Entscheidungen zu verhindern.101
VIII. Ausschluss von Mündlichkeit, Rechtsbehelfen und Vollstreckungsversagungsgründen 62
In dem Eifer, ein wirklich beschleunigtes Verfahren in die Welt zu setzen, verzichtet die EG-BagatellVO gleich auf eine Reihe von hergebrachten prozessualen Garantien. Das Verfahren soll hochformalisiert in Gestalt von Formblättern schriftlich geführt werden. Einen Parteiantrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung kann das Gericht mit der pauschalen Begründung, dass in Anbetracht der Umstände des Falles ein faires Verfahren auch ohne mündliche Verhandlung sichergestellt werden könne, zurückweisen. Es ist fraglich, wie diese Regelung den Anforderungen gerecht werden kann, die von Art. 6 EMRK und der sich daran anschließenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an ein faires Verfahren gestellt werden.102
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Das im Bagatellverfahren ergehende Urteil trägt das sehr wichtige und zugleich höchst problematische Effektivitätsmerkmal der vorläufigen Vollstreckbarkeit103 an sich. Lediglich in Ausnahmesituationen ist eine Beschränkung oder Aussetzung der Vollstreckung möglich.104 Aus der unmittelbaren Vollstreckbarkeit des Urteils – aber auch aus der Natur der ganzen Regelung, die in die nationalen Gerichtsverfassungen und Rechtsmittelsysteme nicht einzugreifen vermag – folgt der insoweit konsequente Verzicht der EG-BagatellVO auf die Regelung von Rechtsmitteln. Dies wird ausdrücklich den einzelnen nationalen Zivilprozessrechten überlassen, wobei hier wohl für die meisten Mitgliedstaaten von der Statthaftigkeit der Berufung (oder eines funktional gleichgestellten Rechtsmittels) auszugehen sein wird.
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Problematisch ist dabei u.a. das Verhältnis dieses in der Regel mit Devolutiv- und Suspensiveffekt ausgestatteten Rechtsmittels zu dem nicht devolutiven und auch nicht suspensiven Rechtsbehelf der EG-BagatellVO in Gestalt der sog. Überprüfung des Urteils in Ausnahmefällen.105 Dieser kann auf Zustellungsmängel und auf solche außergewöhnlichen Umstände gestützt werden, die dem Beklagten ohne sein Verschulden das Bestreiten der Forderung unmöglich gemacht haben. Auch die von der EG-BagatellVO für den Fall der Begründetheit des Überprüfungsantrags angeordnete Rechtsfolge, nämlich die Nichtigkeit des Urteils wirft weiter zu verfolgende Fragen auf, da „Nichtigkeit“ als Folge eines erfolgreichen Rechtsbehelfs in den mitgliedstaatlichen Zivilprozessrechten entweder unbekannt, bedeutungslos oder mit weit divergierendem Inhalt ausgefüllt ist.
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Schließlich wirft der Verzicht auf die Möglichkeit der Geltendmachung von Vollstreckungsversagungsgründen auch schwerwiegende Bedenken auf. Dass der Verordnungsgeber selbst auf eine ordre public-Kontrolle im jeweiligen Exequaturstaat verzichtet, steht zwar gewissermaßen in der Tradition der EG-VollstrTitelVO. Dies muss sich jedoch die gleichen verfassungsrechtlichen Kritikpunkte vorhalten lassen, wie die EG-VollstrTitelVO.106
100 Mit Begründungsversuchen bzw. Qualifikationen wie „eindeutig erfolglos oder querulatorisch“ Jahn, NJW 2007, 2890, 2894 wird wenig anzufangen sein. 101 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, EG-BagatellVO Anhang II zu Buch 11 (EG-BagatellVO) Rz. 17. Im Ergebnis ebenso Mayer/Lindemann/Haibach, Rz. 837. 102 In diesem Sinne kritisch auch Hau, GPR 2007, 93, 96, sowie nunmehr umfassend Leipold, FS Prütting (2018) 403 f. Nach der Gegenmeinung sei der Ausschluss der Mündlichkeit zu begrüßen, denn eine obligatorische mündliche Verhandlung auf Antrag hin würde das Verfahren dem Verzögerungswillen des Beklagten preisgeben. So z.B. Jahn, NJW 2007, 2890, 2892 und Kramer, ZEuP 2008, 355 ff. 103 Art. 15 Abs. 1 EG-BagatellVO. 104 Art. 23 EG-BagatellVO. 105 Art. 18 EG-BagatellVO. 106 Vgl. zur Kritik an der mangelnden Kontrolle nur Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Einl. EG-VollstrTitelVO Rz. 33–43.
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Der einzige Rechtsbehelf, den die EG-BagatellVO selbst kennt, und die u.U. zur Aussetzung der Voll- 66 streckung führen kann, nämlich die Überprüfung des Urteils, die teils auf Zustellungsmängel, teils auf außergewöhnliche, das Bestreiten der Forderung hindernde Umstände gestützt werden kann, weckt schließlich auch vielfältige Bedenken. Die begründete Geltendmachung der Überprüfung führt nämlich entsprechend der hier einschlägigen Norm107 zu der Nichtigkeit des Urteils und entfaltet wohl Wiedereinsetzungsfolgen. Es wird jedoch zu zeigen sein, dass in diesem Kontext nicht nur der Rechtsbegriff der Urteilsnichtigkeit Probleme bereitet, sondern auch die unterbliebene Abstimmung mit den mitgliedstaatlichen Rechtsmitteln voraussehbar für Rechtsunsicherheit sorgen wird.
IX. Unterbliebener Verbraucherschutz Obwohl der Verbraucherschutz von Anfang an ein Hauptanliegen des Verordnungsgebers war, hat schließlich etwas überraschend keine Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO vergleichbare Schutzbestimmung108 Eingang in den Text der VO gefunden. Damit sind Verbraucher als Beklagte nicht restlos gegen ausländische Zuständigkeiten geschützt, mögen sich diese aus der Brüssel Ia-VO oder aus der jeweiligen lex fori des Gerichtsstaates ergeben. Somit sind die Verbraucher auf die Schutzmechanismen dieser genannten Rechtsquellen angewiesen (Abschnitt 3–5 Brüssel Ia-VO).109 Gerade im Lichte der Tatsache, dass sehr viele Forderungen aus Verbraucherverträgen wegen ihres geringen Wertes in den Anwendungsbereich der VO fallen werden, wäre eine mit der EG-MahnVO – und inhaltlich auch mit Art. 6 Abs. 1 lit. b – gleichlaufende klarstellende Zuständigkeitsregelung zugunsten des Verbrauchers in Beklagtenposition angebracht gewesen. Mögen auch die Brüssel Ia-VO110 und im Einzelfall die leges fori entsprechenden Schutz bieten, wurde hier mit Recht die in der Praxis „nicht ganz grundlose Sorge“111 geäußert, dass mangels einer solchen Klarstellung eine präzise Zuständigkeitsprüfung unterbleiben und damit der Verbraucherschutz letzten Endes durch die – unanfechtbare – Bejahung von der VO nicht gewollter Zuständigkeiten ausgehöhlt werden kann.112
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Schwerer wiegt ein anderer Umstand, der maßgeblich zur Relativierung des ursprünglichen Verbraucherschutzziels beiträgt: Offenbar wird unterstellt, dass die vereinfachte Verfahrensart den Verbraucher nur begünstigen kann. Dies trifft jedoch lediglich für den Fall zu, in dem der Verbraucher als Gläubiger einer Forderung als Kläger aktiv wird. Zahlen- und streitwertmäßig nicht unterlegen dürften jedoch die Fälle sein, in denen international agierende Unternehmen, vornehmlich aus dem Bereich des Internethandels und des Versandgeschäfts mit eigener Rechtsabteilung als Kläger gegen den Verbraucher als Beklagten auftreten. In dieser Situation werden sich die Vereinfachungen und das Fehlen der über Bord geworfenen Verfahrensgarantien für den Verbraucher schnell als gravierende Nachteile enthüllen.113 Diese Bedenken werden auch durch die beabsichtigte Neuausrichtung bzw. Erweiterung des Schutzhorizonts der VO zugunsten von klein- und mittelständischen Unternehmen, wie sie in den Erwägungsgründen der Reform-VO betont wird, nicht relativiert.
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X. Reformbedürftigkeit der VO und die Reform durch die Neufassung im Jahre 2015 Gemäß Art. 28 Abs. 1 hatte die Kommission bis zum 1.1.2014 einen detaillierten Bericht über die Überprüfung des Funktionierens des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, einschließlich der in Art. 2 Abs. 1 festgesetzten Wertgrenze, vorzulegen. Dem Bericht konnten bei Bedarf auch Vorschläge zur Änderung der VO beigefügt werden. Die Kommission erarbeitete jedoch bereits 107 108 109 110 111 112
Art. 18 Abs. 3 EG-BagatellVO. Vgl. dazu Gruber in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 6 EG-MahnVO Rz. 7–22. Ebenso Kramer, ERA Forum 2011(1), 119, 123. Insbesondere auch die mit Rücksicht auf den Verbraucherschutz neuformulierten Regeln der VO 1215/2012. Rauscher in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2006), Einf. EG-BagatellVO Rz. 10. Ähnlich Kieninger, VuR 2011, 243, 244, Kern, JZ 2012, 389, 393 und Kramer, ERA Forum 2011(1), 119, 123. 113 Ebenso Brokamp, S. 6. Vgl. dazu auch die umfassende und grundsätzliche Kritik der Regelung bei Kern, JZ 2012, 389, 393.
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vor der Erstattung ihres Berichts ihr Überarbeitungsvorhaben, und zwar in ihrer Mitteilung betreffend Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT)114 unter den neuen Legislativinitiativen zur Rechtsvereinfachung und zur Verringerung der Rechtsanwendungskosten und Konsolidierung der Rechtsvorschriften.115 70
Ende 2013116 gab die Kommission ihren Bericht an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der VO117 ab.118 Im Allgemeinen stellt der Bericht fest, dass die EG-BagatellVO ein in der Tat kosten- und zeiteffizientes119 grenzüberschreitendes Gerichtsverfahren für geringfügige Forderungen innerhalb der EU etabliert habe, das auch im Vergleich zu vereinfachten Verfahren auf nationaler Ebene als weniger kostenaufwendig und unkompliziert erachtet werde.120
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Seit Beginn der Geltung der VO sei die Anzahl der eingeleiteten Bagatellverfahren konstant gestiegen, obwohl sie hinter der Anzahl potentieller Fälle immer noch erheblich zurückbleibe.121 Zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten bestünden beträchtliche Unterschiede.122 Es sei anzunehmen, dass die VO wegen der Streitwertobergrenze (damals noch 2000 t) vorrangig von Verbrauchern genutzt werde.123
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Auf Normadressatenseite würden erhebliche Informationsdefizite bestehen,124 weshalb wohl die überwiegende Mehrheit der Bürger noch nie von dem Bagatellverfahren gehört habe. Auch seien ähnliche Defizite bei etwa der Hälfte der mitgliedstaatlichen Gerichte festzustellen. All dies würde die weitere Steigerung der Effizienz der Hilfestellung gem. Art. 11 notwendig machen.125
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Die Kommission geht ferner grundsätzlich davon aus, dass die Streitwertobergrenze von damals 2000 t die Anwendbarkeit der VO unverhältnismäßig einschränke. Dies betreffe insbesondere Kleinere und Mittlere Unternehmen, deren grenzüberschreitende Streitigkeiten sich auf durchschnittlich 39.700 t beliefen. Nur 20 % der Forderungen von Unternehmen im innereuropäischen Geschäftsverkehr betrügen weniger als 2000 t, d.h. nur ein Bruchteil falle in den Anwendungsbereich
114 Vgl. Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, 2.10.2013, COM(2013) 685 final. 115 Vgl. Europäische Kommission, Anhang zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, 2.10.2013, COM(2013) 685 final S. 7. 116 Bereits aufgrund der Reihenfolge von „Bericht“ und „Vorschlag“ in Art. 28 EG-BagatellVO (Abs. 1 bzw. Abs. 3) ergibt sich die logische Reihenfolge, dass die Kommission zuerst den Bericht und erst danach den Vorschlag dem Bericht als Folgedokument beigefügt vorlegt. In der Tat folgte aber der Bericht dem Vorschlag, was aufgrund der Erstellung beider Dokumente an demselben Tag doch keine Schwierigkeiten hätte bereiten sollen, vgl. Europäische Kommission, Vorschlag, 19.11.2013, COM(2013) 794 final und Europäische Kommission, Bericht v. 19.11.2013, COM(2013) 795 final. Doch erhielt der Rat erst den Vorschlag am 9.12.2013 und erst später, am 12.12.2013 den Bericht, vgl. Rat der Europäischen Union, Vorschlag v. 25.11.2013, 16749/13 und Rat der Europäischen Union, Übermittlungsvermerk v. 12.12.2013, 17618/13. 117 Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, 19.11.2013, COM(2013) 795 final. 118 Bei den Ausführungen zum Bericht wird gegebenenfalls auf den Vorschlag auch Bezug genommen, denn gewichtige Feststellungen über das Funktionieren des Bagatellverfahrens sind wahrscheinlich infolge der umgekehrten Reihenfolge der Vorlage der Dokumente in dem vorausgehenden Vorschlag festgehalten. 119 Laut Berichts sollten die Kosten für die Rechtsdurchsetzung um bis zu 40 %, die Verfahrensdauer von bis zu 2 Jahren und 5 Monaten auf einen Durchschnittswert von 5 Monaten zurückgegangen sein. Vgl. Bericht S. 2. 120 Vgl. Bericht, S. 2 Punkt 2. 121 Vgl. Bericht, S. 3 Punkt 2. 122 Vgl. Bericht, S. 3 Punkt 2. 123 Vgl. Bericht, S. 3 Fn. 4. 124 Auch krit. Kramer, ERA Forum 2011(1), 119, 132. 125 Vgl. Bericht, S. 9 Punkt 9. Vgl. dazu auch Ontanu/Pannebakker, S. 174–175.
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der VO,126 während Forderungen zwischen 2001 und 10000 t weitere 30 % ausmachen würden.127 Bei Verbrauchern sieht die Kommission kein vergleichbares Problem, liege doch der Streitwert bei ihren Forderungen größtenteils unter 2000 t.128 Von einem bemerkenswerten fachlichen Irrtum geleitet nimmt die Kommission ferner an, dass die 74 Inanspruchnahme des Bagatellverfahrens durch den zu eng gefassten territorialen Geltungsbereich der VO gehindert werde, da das Verfahren Parteien im selben Mitgliedstaat, sowie für Klagen von Drittstaatern bzw. gegen Drittstaater129 nicht zur Verfügung stünde.130 Gefordert wird die Konzentrierung von Bagatellverfahren auf spezialisierte Gerichte,131 wie dies bereits in manchen Mitgliedstaaten Wirklichkeit geworden sei. Ferner soll der effektive Zugang zum Gericht durch die Einsetzung von elektronischen Fernkommunikationsmitteln gestärkt werden.132
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Einen weiteren Nachteil sieht der Bericht in den zuweilen unverhältnismäßigen Gerichtsgebühren, 76 die im Zusammenhang mit Bagatellverfahren erwüchsen.133 Auch sollten bei der Gebührenentrichtung die bisher unzulänglich genutzten elektronischen Zahlungsmethoden vermehrt zum Zuge kommen.134 Offenbar besinnt sich der Bericht auf die in der Literatur vielfach kritisierten Unzulänglichkeiten der Regelung der Überprüfung des Bagatellurteils in Art. 18 EG-BagatellVO und hält die Notwendigkeit einer Überarbeitung fest.135
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Schließlich erkennt der Bericht auch weitere, durch das Weiterbestehen unnötiger Übersetzungserfordernisse geschaffene Defizite der freien Zirkulierung der Bagatellurteile.
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Die Revision der VO solle laut Kommissionsbericht einer leistungsfähigeren Justiz in der EU nicht zuletzt durch stärkere Einbindung von Kleineren und Mittleren Unternehmen dienen.
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Weitere zentrale Punkte des Reformvorschlags waren: Beibehaltung der grundsätzlichen Schriftlichkeit, unveränderter Verzicht auf den Anwaltszwang, Unterstützung der online-Durchführung des Verfahrens, Anhebung der Streitwertgrenze, allgemeiner und verstärkter Einsatz elektronischer Kommunikationsmittel, transparente Berechnung und Deckelung der Gerichtsgebühren und effektivere Hilfestellung für die Nutzer des Verfahrens. Ein Hauptanliegen des Reformvorhabens war ferner die Ermöglichung der Weiterführung des Mahnverfahrens nach erfolgtem Einspruch in Gestalt eines europäischen Bagatellverfahrens. Alles in allem hatte die Kommission das Hauptanliegen, dem in der Evaluation aufgezeigten Umstand der geringen Bekanntheit und Nutzung der VO abzuhelfen und das europäische Bagatellverfahren für einen weiteren Kreis der Wirtschaftsteilnehmer zu erschließen.
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126 Hingegen hält Generalanwältin Trstenjak für übertrieben, dass es befürchtet werde, Kleinere und Mittlere Unternehmen entschieden sich nur wegen der Möglichkeit, in anderen Mitgliedstaaten geklagt zu werden, gegen das Ausrichten ihrer Tätigkeit ins Ausland. Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Trstenjak vom 18.5.2010 in der Rs. 585/08 Peter Pammer/Reederei Karl Schlüter GmbH & Co. KG und Rs. 144/09 Hotel Alpenhof/ Oliver Heller, BeckEuRS 2010, 515892 Rz. 94. 127 Diese weiteren Daten werden im Vorschlag zur Änderung der EG-BagatellVO bereitgestellt. S. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens, 19.11.2013, COM(2013) 794 final S. 6 Punkt 3.1.1. 128 Der Vorschlag gibt laut Umfrage an, dass 71 % der von Verbrauchern geltend gemacht Forderungen die Streitwertgrenze nicht erreichen. Vgl. Vorschlag S. 4 Punkt 2 und Vorschlag S. 6 Punkt 3.1.1. 129 Zum offensichtlichen Irrtum der Kommission s. Art. 2 EG-BagatellVO Rz. 12 f. 130 Vgl. Bericht, S. 4 Punkt 3.2. Zum offensichtlichen Irrtum der Kommission s. die Kommentierung zu Art. 2 EG-BagatellVO und Art. 3 EG-BagatellVO. 131 Solche Zentralisierung ist generell zulässig, vgl. Kramer, ERA Forum 2011(1), 119, 129. 132 Vgl. Bericht, S. 4 Punkt 4.1. Zu den Rückständen und Unzulänglichkeiten auf dem Gebiet der Nutzbarmachung der Informationstechnologie vgl. Bericht, S. 6 Punkt 4.3. 133 Vgl. Bericht, S. 8 Punkt 8.1, mit Verweis auf die Größenordnung 10 % des Streitwertes. 134 Vgl. Bericht, S. 9 Punkt 8.2. 135 Vgl. Bericht, S. 4 Punkt 4.7.
Varga
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Art. 1 EG-BagatellVO
Gegenstand
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Nach solchen Vorbereitungen und einer Stellungnahme des EWSA wurde am 16.12.2015 die Verordnung (EU) 2015/2421 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der VO verabschiedet (Reform-VO). Sie ist in ihren wesentlichen Teilen seit dem 14.7.2017 auf grenzüberschreitende Zivilsachen im Sinne der VO bis zu der nunmehr erhöhten Streitwertgrenze von 5.000 t anzuwenden.
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Die einzelnen Änderungen im Zuge der Reform sind unten in der detaillierten Kommentierung an der jeweils einschlägigen Stelle referiert. Alles in allem wiederholte sich die ursprüngliche Verordnungsgebungsgeschichte auch bei der Reform: Nach einem durchaus ambitionierten Kommissionsvorstoß hat der endgültige Gesetzgebungsakt recht bescheidene bis unwesentliche Änderungen gebracht. Keinen Eingang in die Reform-VO fanden insbesondere die Vorschläge der Kommission zur Erstreckung des Anwendungsbereichs auf praktisch reine Inlandsfälle, eine weitere Anhebung der Streitwertgrenze auf 10.000 t, die obligatorische mündliche Verhandlung (!)136 bei entsprechendem Parteiantrag ab 2.000 t Streitwert, oder die Anwendung elektronischer Kommunikationsmittel mit Ausschließlichkeitsanspruch. Die verwirklichten Änderungen lassen sich hingegen wie folgt zusammenfassen: Anhebung der Streitwertgrenze von 2.000 auf 5.000 v und damit potentielle Erfassung eines erweiterten Anwenderkreises, nicht zuletzt jenes der international agierenden kleinen und mittleren Unternehmen bei sonstigem Gleichbleiben des Anwendungsbereichs; bedenkliche weitere Stärkung der Schriftlichkeit zu Lasten des Mündlichkeitsgrundsatzes; damit parallel stärkere Durchsetzung der Anwendung moderner elektronischer Kommunikationsmittel bei Zustellungen und während der Durchführung des Verfahrens; Senkung der Prozesskosten durch Deckelung der Gerichtsgebühren im Interesse der Erleichterung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung; punktuelle Modifikation und Anpassung der Zustellungsnormen und des vielkritisierten, verordnungseigenen Rechtsbehelfs der Überprüfung.
Kapitel I Gegenstand und Anwendungsbereich (Art. 1–Art. 3)
Artikel 1 Gegenstand Mit dieser Verordnung wird ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen eingeführt, damit Streitigkeiten in grenzüberschreitenden Rechtssachen mit geringem Streitwert einfacher und schneller beigelegt und die Kosten hierfür reduziert werden können. Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen steht den Rechtssuchenden als eine Alternative zu den in den Mitgliedstaaten bestehenden innerstaatlichen Verfahren zur Verfügung. Mit dieser Verordnung wird außerdem die Notwendigkeit von Zwischenverfahren zur Anerkennung und Vollstreckung der in anderen Mitgliedstaaten im Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenen Urteile beseitigt.
Regelungszweck 1
Der Eingangsartikel der EG-BagatellVO hat – wie bereits in manchen vorausgehenden Verordnungen auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit – deklarativen Charakter ohne eigenständigen speziellen Regelungsgehalt. In Einklang mit den Erwägungsgründen werden hier noch einmal die hauptsächlichen gesetzgeberischen Motive angesprochen, die für den Erlass maßgebend waren: Verfahrensvereinfachung, Beschleunigung und Kostengünstigkeit. Nicht von ungefähr stehen diese, allesamt dem Gläubigerschutz dienenden Aspekte an der Spitze der Verordnung: Gläubiger sollen nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers dazu ermutigt werden, selbst bei geringen Forderungen die – 136 Zum Unterbleiben zu Recht krit. Huber, RIW 2018, 625, 628.
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Kap. I: Gegenstand und Anwendungsbereich
Art. 2 EG-BagatellVO
durch die hervorgehobenen Aspekte gerade gesenkten – Lasten einer grenzüberschreitenden Rechtsverfolgung auf sich zu nehmen. Die im zweiten Satz der Vorschrift statuierte Alternativität des Bagatellverfahrens kommt – entgegen dem Wortlaut – nicht nur gegenüber den in den Mitgliedstaaten bestehenden innerstaatlichen Verfahren zur Geltung. Vielmehr stellt es eine Alternative auch der Rechtsdurchsetzungsmechanismen des justiziellen Europarechts, etwa gerade des europäischen Mahnverfahrens dar.1
2
Im letzten Satz des Artikels wird sodann die automatische Anerkennung und Vollstreckung, also 3 praktisch der freie Urteilsverkehr innerhalb der Union statuiert. Im Vergleich zu dem bisherigen, auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung (Brüssel-Ia VO) bzw. in einem nächsten Schritt auf Bestätigung im Urteilsstaat (EG-VollstrTitelVO) aufbauenden System verkörpert jedoch die EG-BagatellVO eine neue Generation der Verordnungen auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, denn das Bagatellverfahren resultiert in einem originär europäischen Titel. Daher bedarf ein in einem solchen Verfahren ergangener Titel logischerweise keines Zwischenverfahrens zur Anerkennung und Vollstreckung, und zwar weder in Form einer Bestätigung im Ursprungsmitgliedstaat noch in Gestalt eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens im Vollstreckungsmitgliedstaat.2 Die in Art. 20 Abs. 2 EG-BagatellVO geregelte, auf Antrag zu erfolgende Bestätigung konstituiert nicht sondern deklariert lediglich die automatisch bestehende unionsweite Vollstreckbarkeit. Mit der erstmaligen Schaffung eines europaweit einheitlichen Erkenntnisverfahrens und der an die EGVollstrTitelVO anknüpfenden unmittelbaren Vollstreckbarkeit läutet daher die EG-BagatellVO zusammen mit der EG-MahnVO eine neue Generation der Rechtsinstrumente auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit ein.3
Artikel 2 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für grenzüberschreitende Rechtssachen in Zivil- und Handelssachen, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt, wenn der Streitwert der Klage ohne Zinsen, Kosten und Auslagen zum Zeitpunkt des Eingangs beim zuständigen Gericht 5000 EUR nicht überschreitet. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen, verwaltungsrechtliche Angelegenheiten sowie die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta iure imperii“). (2) Diese Verordnung ist nicht anzuwenden auf: a) den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, b) die ehelichen Güterstände oder Güterstände aufgrund von Verhältnissen, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten, c) Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen, d) das Testaments- und Erbrecht, einschließlich Unterhaltspflichten, die mit dem Tod entstehen e) Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren, f) die soziale Sicherheit, g) die Schiedsgerichtsbarkeit, h) das Arbeitsrecht, i) die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen, mit Ausnahme von Klagen wegen Geldforderungen, oder j) die Verletzung der Privatsphäre oder der Persönlichkeitsrechte, einschließlich der Verletzung der Ehre. 1 Vgl. detailliert oben Einl. Rz. 29–55. 2 Daher die berechtigte Kritik von Schlosser, Rz. 2: „Es wird nichts beseitigt.“ 3 Rechberger, FS Leipold (2009) 301.
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Art. 2 EG-BagatellVO Anwendungsbereich I. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . 1. Aufbau der Vorschrift, Zivil- und Handelssache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Streitwerthöchstgrenze . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeitsfragen . . . . . . . . . . . . . 4. Ausschluss von öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bereichsausnahmen . . . . . . . . . . . . .
. .
a) Gleichlauf mit der Brüssel Ia-VO . . . . . . 19 b) Neu hinzugefügte Ausnahmetatbestände . 22
1
. . 1 . . 6 . . 12
II. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . 23 III. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . 26 IV. Zeitliche Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
. . 17 . . 19
V. Fehlende Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . 28
I. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Aufbau der Vorschrift, Zivil- und Handelssache 1
Der sachliche Anwendungsbereich der EG-BagatellVO wird in Anknüpfung an die entsprechenden Vorschriften der Brüssel-Ia VO und der EG-VollstrTitelVO in mehreren aufeinander aufbauenden Schritten festgelegt. Zuerst erfolgt eine positive Bestimmung der erfassten Rechtsstreitigkeiten: Zivilund Handelssachen.
2
Für die Zwecke der Qualifizierung einer Rechtsstreitigkeit als Zivil- bzw. Handelssache kann und muss daher auf die vom EuGH im Zusammenhang mit Art. 1 Brüssel Ia-VO (und EuGVÜ) entwickelten Merkmale zurückgegriffen werden.1 Auf die Art der Gerichtsbarkeit kommt es zwar auch hier nicht an, doch folgt aus dem Wesen des neu geschaffenen europäischen Erkenntnisverfahrens, dass im Falle der EG-BagatellVO eine rein funktionale Qualifizierung, wie dies bei der Brüssel Ia-VO und der EG-VollstrTitelVO wesensgemäß angesagt ist, ausscheidet. Während bei den letztgenannten Verordnungen Verfahren bzw. Titel vom sachlichen Anwendungsbereich erfasst sein können, die nicht in einem Zivilprozess vor einem Zivilgericht anhängig bzw. erlassen wurden (Adhäsionsverfahren, Arbeits-,2 Verwaltungs- und Sozialverfahren, Freiwillige Gerichtsbarkeit usw), muss das europäische Bagatellverfahren als solches anhängig gemacht worden sein. Insbesondere ist es ausgeschlossen, ein Bagatellverfahren mit ähnlich vereinfachten Verfahrensvorschriften nach dem autonomen Verfahrensrecht eines Mitgliedstaates als europäisches Bagatellverfahren zu qualifizieren. Ferner entspricht der Wortlaut vollständig dem des Art. 2 EG-VollstrTitelVO. Somit deckt sich der sachliche Anwendungsbereich im Wesentlichen – und mit der ausgeführten Einschränkung – mit beiden, in diesem Sinne „Vorbildverordnungen“.
3
Eine Spezifizierung, und damit zugleich – funktional Art. 3 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO entsprechende – Eingrenzung erfolgt lediglich in quantitativer Hinsicht: Nur geringfügige Forderungen sollen erfasst werden, d.h. solche, bei denen der Streitwert ohne Zinsen, Kosten und Auslagen 5.000 t nicht überschreitet. Der Begriff der Forderung ist dabei weit auszulegen. Er erfasst – wie dies aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 5 EG-BagatellVO folgt – sowohl Geldforderungen als auch andere, in Geldeswert ausdrückbare Leistungsinhalte (z.B. Herausgabeanspruch),3 gleich ob das zugrunde liegende Rechtsverhältnis vertraglicher oder außervertraglicher Natur ist.4 Die Anwendbarkeit des Bagatellverfahrens beschränkt sich damit auf Leistungsklagen. Feststellungs- und Gestaltungsklagen können – primär5 – nicht Gegenstand eines europäischen Bagatellverfahrens werden.6 1 Dazu Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 2 ff. 2 Dies wird auch durch den vom EG-VollstrTitelDG eingefügten § 13a ArbGG deutlich, der das 11. Buch der ZPO vor den ArbG zur Anwendung bringt. Ebenso aus der Sicht des Ausschlusses der Anwendbarkeit der VO Hau in MünchKomm/ZPO4, Anh. §§ 1097 Art. 2 Rz. 5. 3 Ähnlich Kramer, ERA Forum 2011(1), 119, 121 und Kern, JZ 2012, 389, 390. 4 Arg aus der Abwesenheit einer Parallelvorschrift zu Art. 2 Abs. 2 lit. d EG-MahnVO. 5 Ein Übergang zu einem Feststellungsantrag ist jedoch – wie Brokamp, S. 9 zeigt – etwa bei zwischenzeitlich erfolgter Zahlung möglich. 6 Ein entgegenstehender Rückschluss aus Art. 4 EG-MahnVO verbietet sich hier, da das Rechtsschutzziel und damit der Wille des Verordnungsgebers hier wie dort gleich ist, wie Ulrici in MünchKomm/ZPO4 Anh. §§ 1087 ff. Art. 4 Rz. 1 zutr. feststellt: „Auch bedürfen nur fällige Forderungen einer beschleunigten Durchsetzung.“ Angesichts der divergierenden Regelung des Feststellungsinteresses und der Vielfalt der in den Mitgliedstaaten durch die jeweilige lex causae zugelassenen Gestaltungsklagearten wäre die allgemeine Zulassung von Feststellungs-
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Kap. I: Gegenstand und Anwendungsbereich
Art. 2 EG-BagatellVO
Dieses rein quantitative Merkmal dient nicht nur zur Eingrenzung des sachlichen Anwendungsbereichs sondern stellt zugleich den zentralen Legitimationsgrund der in der VO hierauf folgenden vereinfachten und vereinheitlichten Erkenntnisverfahrensregeln dar.
4
In einem letzten Schritt werden dann die, größtenteils aus den Vorgängerverordnungen bekannten 5 Rechtsstreittypen, die sog. Bereichsausnahmen, vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen. Diese negative Aufzählung ist allerdings um einige Bereiche erweitert worden. Unter diese neu aufgenommenen Bereichsausnahmen fallen Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des Arbeitsrechts, der Miete und Pacht unbeweglicher Sachen sowie des Persönlichkeitsrechts, bei denen die Qualität des Streitgegenstandes es verbietet, ausschließlich wegen des geringen Streitwertes vereinfachten Regeln unterworfen zu werden. 2. Streitwerthöchstgrenze Das Merkmal, durch das sich der sachliche Anwendungsbereich von den übrigen Verordnungen abhebt, ist die Festlegung der Streitwertobergrenze auf eine Nettosumme von 5.000 v. Zinsen, Kosten und Auslagen werden nicht zum Streitwert hinzugerechnet, können aber selbstverständlich im Urteil zugesprochen werden, so dass ein Bagatelltitel u.U. eine 5.000 t weit überschreitende Vollstreckungssumme ausweisen kann.
6
Während des Gesetzgebungsverfahrens war zwar noch die Idee der Qualifizierung des Streitwerts 7 nach autonomem mitgliedstaatlichem Recht aufgekommen, doch wurde offensichtlich früh eingesehen, dass dies zu einer unnötigen Rechtszersplitterung und Unberechenbarkeit bzw. Unvorhersehbarkeit der sachlichen Anwendbarkeit der VO geführt hätte. Aus diesem Grunde wurde die Idee verworfen, wonach es ausgereicht hätte, in der VO etwa nur eine Bandbreite („EUR von-bis“) anzugeben, innerhalb derer dann die Mitgliedstaaten eine gewisse Ausfüllungskompetenz gehabt hätten. So hat man sich auf die europaweit einheitliche feste Wertgrenze i.H.v. 5.000 t geeinigt, wobei auch so noch sämtliche weiteren Fragen des Streitwertes und dessen Berechnung nach autonomem Recht zu entscheiden sind.7 Die Festlegung der Wertgrenze hat sich aber auch manche Kritik gefallen lassen müssen. Ferner räumt sie in der Tat keineswegs alle Divergenzen aus, denn alle sonstigen Fragen des Streitwertes, etwa die Berechnungsmethode bzw. die Berechnungsgrundlage, bleiben allesamt – mangels einer Regelung in der VO – den nationalen Rechten überlassen.8 Die einzelnen Mitgliedstaaten haben zum einen weit divergierende Vorstellungen darüber, ab welchem Streitwert eine Rechtssache als geringfügig angesehen werden kann. Hier kann auf die bekanntlich bedeutenden Unterschiede der Einkommensverhältnisse und des allgemeinen Lebensniveaus bzw. Lebensunterhaltungskosten zwischen einzelnen Mitgliedstaaten etwa in Süd-, Ost- und Westeuropa hingewiesen werden. Selbst in Deutschland ist bereits die Festlegung der ursprünglichen Streitwertgrenze bei 2.000 t auf vielfältige Kritik gestoßen,9 was vor allem auch hinsichtlich der viel niedrigeren Bagatellgrenze (600 t) des deutschen Rechts nach § 495a ZPO verständlich ist. Es bedarf ferner kaum einer Erwähnung, dass diese Streitwertgrenze etwa in manchen neuen Mitgliedstaaten auf gesteigerten Unwillen gestoßen ist. Gleiches dürfte gelten hinsichtlich der nunmehr im Zuge der Reform im Jahre 2015 auf 5.000 t angehobenen Streitwertgrenze.
8
Eine allgemeinere, grundsätzliche Kritik kann sicherlich auch – wie dies etwa aus Anlass der Be- 9 schwerdewertgebundenheit von Rechtsmitteln gewöhnlich geschieht – dahingehend formuliert werden, dass der niedrige Streitwert an sich noch gar nichts über die Komplexität eines Rechtsstreits auszusagen vermag. Hinzu kommt auch, dass Gläubiger höherer Forderungen nicht davor verschlossen sind, lediglich Teilleistungen im Wege eines europäischen Bagatellverfahrens einzuklagen. In komplexen Fällen wird sich in der Praxis möglicherweise schnell herausstellen, dass daher gerade und Gestaltungsklagen kaum tragbar. A.A. Hess, EuZPR § 10 Rz. 90; Kropholler/von Hein, EuZPR9, Art. 2 Rz. 8; Hau in MünchKomm/ZPO4, Anh. §§ 1097 ff. Art. 2 Rz. 6. 7 In Deutschland etwa nach §§ 3–9 ZPO (wegen Art. 19 EG-BagatellVO). 8 Krit. daher Hau, JuS 2008, 1056, 1057. Dagegen wohlwollend, da solche Zersplitterung „beim derzeitigen Stand des Europäischen Prozessrechts wohl noch unvermeidlich“ sei Freitag/Leible, BB 2009, 2, 3. 9 Vgl. z.B. die kritische Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer, EuZW 2005 Heft 20 (Red) und auch darauf Bezug nehmend Hau, GPR 2007, 93, 95, und zuletzt grundsätzlich Leipold, FS Prütting (2018) 403 f.
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Art. 2 EG-BagatellVO Anwendungsbereich Art. 19 EG-BagatellVO, wonach bei Abwesenheit einer Spezialregelung in der VO das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen dem Verfahrensrecht des Mitgliedstaats unterliegt, in dem das Verfahren durchgeführt wird, eine der wichtigsten Vorschriften der EG-BagatellVO ist, da sie es letzten Endes erlaubt, einen mitgliedstaatlichen ordentlichen Zivilprozess mit allen Detailregelungen nachzuzeichnen. 10
Für die Bestimmung des Streitwertes kommt es auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage an.10 Überschreitet der Wert die Streitwertobergrenze im späteren Verlauf des Verfahrens etwa wegen einer entsprechenden Klageänderung, dann ist Art. 4 Abs. 3 EG-BagatellVO entsprechend anzuwenden (Überleitung des Verfahrens in einen ordentlichen Zivilprozess lege fori). Umgekehrt kann ein nach der lex fori anhängig gewordener ordentlicher Zivilprozess selbst bei zwischenzeitlichem Sinken des Streitwertes auf bzw. unter 5.000 t schon wegen des von Anfang an bestehenden Formularzwangs nicht in ein europäisches Bagatellverfahren übergehen.
11
Ist der Streitwert zwischen den Parteien streitig, so entscheidet das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss hierüber und damit praktisch endgültig auch über die Anwendbarkeit der VO (Art. 5 Abs. 5 EG-BagatellVO). 3. Zuständigkeitsfragen
12
Die internationale Zuständigkeit richtet sich nach der Brüssel Ia-VO11 oder nach der lex fori je nachdem, ob der Beklagte einen mitgliedstaatlichen (Wohn-)Sitz hat (Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO). Die Betonung dieser Varianten ist leider auch wegen eines klaren sachlichen Irrtums im als Anhang zur VO offiziell verkündeten Klageformblatt notwendig: „Das Gericht muss nach den Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates zuständig sein.“ Wie sogleich zu zeigen sein wird,12 ist es wegen der Ausgestaltung der Definition der grenzüberschreitenden Rechtssache keineswegs so, dass die Bagatellzuständigkeit sich ausschließlich aus der Brüssel IaVO ergeben kann.13 Vielmehr wird von Fall zu Fall auch das autonome internationale Zuständigkeitsrecht des Forummitgliedstaates zu prüfen sein. Ganz eindeutig ist dies der Fall in derjenigen Grenzüberschreitungskonstellation, in der der Beklagte Drittstaater ist. Hier sind zweifellos die jeweiligen autonomen mitgliedstaatlichen Regeln über die internationale Zuständigkeit anwendbar, einschließlich der exorbitanten Gerichtsstände.14 Bei von dem Anwendungsbereich des LugÜ erfassten Drittstaaterfallgestaltungen wird sich schließlich die internationale Zuständigkeit nach dem LugÜ bestimmen.15
13
Die Wertgrenze bedeutet für die sachliche Zuständigkeit in Deutschland, dass europäische Bagatellverfahren in aller Regel vor AG eingeleitet werden können (§ 23 Nr. 1 GVG). Allerdings ist es auch vorstellbar, dass – in der Praxis wohl eher selten – Forderungen auch aus solchen Rechtsverhältnissen die Wertgrenze nicht übersteigen, die ohne Rücksicht auf den Streitwert den LG zugewiesen sind (§ 71 Abs. 2 GVG). Sicherlich kommen hier Ansprüche gegen den Fiskus oder gegen Richter und Beamte wegen Überschreitung ihrer amtlichen Befugnisse oder wegen pflichtwidriger Unterlassung von Amtshandlungen (§ 71 Abs. 2 Nr. 1–2 GVG) nicht in Betracht. Wahrscheinlicher könnte eine landgerichtliche Bagatellsachenzuständigkeit aber bei den praktisch immer bedeutender werdenden Schadensersatzansprüchen auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformationen (§ 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG i.V.m. 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO) werden, gerade wenn man an die – auch das KapMuG veranlassenden – massenhaften Klagen von Kleinanlegern denkt.16 10 Bei Fremdwährungsschulden ist dieser Zeitpunkt maßgebend für den Umrechnungskurs. Vgl. Hau in MünchKomm/ZPO4, Anh. §§ 1097 Art. 2 Rz. 9. 11 Einschließlich weiterer Zuständigkeitsregeln des Gemeinschaftsrechts, die gem. Art. 67 Brüssel Ia-VO nicht verdrängt werden, so z.B. Art. 92 der der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke, ABl. Nr. L 011, 14.1.1994, S. 1. Vgl. Heinig, GPR 2010, 36, 39. 12 S. unten Art. 3 EG-BagatellVO. 13 Ebenso Fasching/Konecny/Scheuer, Art. 4 Rz. 6. A.A. unter Verweis auf den Inhalt des Klageformblattes Freitag/Leible, BB 2009, 2, 3 („allein nach der EuGVVO“) und auch Jahn, NJW 2007, 2890, 2893. 14 Etwa in Deutschland § 23 ZPO (Vermögensbelegenheit). 15 Vgl. Kropholler/von Hein, EuZPR9, Art. 4 Rz. 1. 16 Ebenso Cuypers, GPR 2009, 34, 47. Bezüglich der Praxisrelevanz a.A. Brokamp, S. 20.
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Kap. I: Gegenstand und Anwendungsbereich
Art. 2 EG-BagatellVO
Wie schon bei der sachlichen Zuständigkeit der autonomen Verfahrensrechte, steht es dem Kläger auch hier frei, durch die Geltendmachung einer niedrigeren Klagesumme, etwa in Gestalt einer Teilklage, in den Anwendungsbereich der EG-BagatellVO zu gelangen.17 Weder eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der Wertobergrenze noch eine Erschleichung der Anwendbarkeit der EG-BagatellVO ist hierin zu erblicken.18
14
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach der lex fori bzw. der u.U. auch die örtliche Zuständigkeit mit erfassenden Brüssel Ia-VO.
15
Funktional zuständig in Deutschland wird immer der Richter sein, da es sich bei der Abwicklung 16 des europäischen Bagatellverfahrens um Rechtsprechung (Erkenntnisverfahren) handelt. Die einzige Ausnahme stellt Art. 20 Abs. 2 EG-BagatellVO bereits im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung dar. Die dort genannte Bestätigung wird in § 1106 ZPO der Ausstellung einer Vollstreckungsklausel19 gleichgestellt, woraus sich hierfür wegen des Verweises in § 20 Nr. 11 RPflG die funktionale Zuständigkeit des Rechtspflegers ergibt. Die Übertragung dieser Kompetenz auf den Rechtspfleger gibt keinen Anlass zu Bedenken, weil während der formalen Ausstellung der – deklarativen – Bestätigung nicht die Einhaltung von schuldnerschützenden Mindeststandards oder sonstigen inhaltlichen Kriterien zu prüfen ist.20 4. Ausschluss von öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten Der letzte Satz von Art. 2 Abs. 1 EG-BagatellVO schließt – wieder ähnlich wie die Vorgängerverord- 17 nungen – ausdrücklich die öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom sachlichen Anwendungsbereich aus. Genannt sind nicht nur die traditionell erwähnten Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten21 sondern ausdrücklich – wie in sämtlichen Neufassungen der justiziellen Verordnungen – auch die Haftung des Staates für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta jure imperii“), wie sie erstmals in der EG-VollstrTitelVO ausdrücklich geregelt, und durch die einschlägige EuGH-Rechtsprechung22 erzwungen wurde. Eine sinngemäße Einschränkung der Anwendbarkeit aller Verordnungen auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit ist mittlerweile selbstverständlich. Nicht von ungefähr ging schon die Aufnahme der ausdrücklichen Einschränkung in den Text der EG-VollstrTitelVO auf eine deutsche Initiative im Rat zurück. Wie dies zuletzt im vom EuGH entschiedenen Lechouritou-Fall23 deutlich wird, soll in dem einschlägigen Verordnungstext der Gedanke des Vorrangs der Staatenimmunität vor der internationalen Zuständigkeit reflektiert werden und so eine Einbindung der Staatshaftung (etwa Deutschlands wegen Kriegsschäden) in das justizielle Europarecht ausgeschlossen werden. Dieser Gedanke ergab sich aber bereits aus der richtigen Interpretation der hierzu noch schweigenden Altfassung der Brüssel I-VO. Der ausdrückliche Ausschluss im Normtext hat damit lediglich deklaratorischen Charakter. Naturgemäß soll die Haftung des Staates nur im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Be- 18 fugnisse ausgeschlossen werden. Sobald sich aber der Staat in private Rechtsverhältnisse begibt, wird er sich auch aus der Sicht des justiziellen Europarechts wie ein privates Rechtssubjekt behandeln lassen müssen und damit dem Anwendungsbereich und der Zuständigkeitsordnung der Brüssel Ia-VO sowie dem Anwendungsbereich der EG-BagatellVO unterfallen.
Rauscher, IPR3 Rz. 2320. Brokamp, S. 13 f. § 724 ZPO. S. Hess, EuZPR § 10 Rz. 91. Dazu Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 3 ff. EuGH v. 14.10.1976 – 29/76, ECLI:EU:C:1976:137 Rz. 4 – LTU Lufttransportunternehmen GmbH & Co KG/ Eurocontrol; EuGH v. 16.12.1980 – 814/79, ECLI:EU:C:1980:291 Rz. 8 ff. – Niederlande/Reinhold Rüffer; EuGH v. 21.4.1993 – C-172/91, ECLI:EU:C:1993:144 Rz. 19 ff. – Volker Sonntag/Hans Weidmann, Elisabeth Waidmann, Stefan Waidmann mit klarer Abgrenzung von acta jure gestionis und acta jure imperii. 23 EuGH v. 15.2.2007 – C-292/05, ECLI:EU:C:2007:102 – Lechouritou u.a./Deutschland.
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Art. 2 EG-BagatellVO Anwendungsbereich 5. Bereichsausnahmen a) Gleichlauf mit der Brüssel Ia-VO 19
Art. 2 Abs. 2 EG-BagatellVO enthält eine Liste der ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgenommenen Rechtsgebiete. Auffällig ist daran, dass diese Liste deutlich länger ist, als die entsprechenden Bereichsausnahmevorschriften sämtlicher anderer Verordnungen des justiziellen Europarechts. Zum einen entsprechen die ersten fünf, in lit. a–e aufgeführten ausgenommenen Rechtsstreittypen denen des Art. 1 Abs. 2 Brüssel Ia-VO. Demgemäß können die vom EuGH bzw. der Rechtswissenschaft früher für die Zwecke der Brüssel Ia-VO (bzw. des EuGVÜ) für die Interpretierung und inhaltliche Abgrenzung der betreffenden Gebiete (Personenstand, Rechts- und Handlungsfähigkeit, eheliche Güterstände, Erbrecht, Insolvenzrecht,24 soziale Sicherheit sowie Schiedsgerichtsbarkeit) entwickelten Grundsätze ohne weiteres auf die EG-BagatellVO übertragen werden.25
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Seit dem Geltungsbeginn der EG-UntVO, d.h. dem 1.7.2013, ist der Gleichlauf verordnungsübergreifender Bereichsausnahmen Schritt für Schritt verwirklicht worden. Unterhaltsentscheidungen26 fallen nicht in den Anwendungsbereich der nur Statussachen und Entscheidungen über die elterliche Verantwortung erfassenden Brüssel IIa-VO. Ferner sind sie in den Ausnahmekatalog der Brüssel IaVO im Jahre 2015 aufgenommen, nicht jedoch in den der EG-VollstrTitelVO. Sie fielen nach herrschender Meinung bis zum Beginn der Geltung der EG-UntVO in den Anwendungsbereich dieser beiden Verordnungen.27 Die seit dem 1.7.2013 geltenden Abs. 1 und 2 des Art. 68 EG-UnterhaltsVO verdrängen jedoch grundsätzlich beide Verordnungen,28 da die EG-UntVO ein eigenständiges Zuständigkeits- und Vollstreckungsregime für europäische Unterhaltsentscheidungen ins Leben ruft. Daher ist es konsequent, wenn das Unterhaltsrecht nunmehr auch in den Ausnahmekatalog der EGBagatellVO aufgenommen ist und damit Unterhaltsansprüche nicht zum Gegenstand eines Bagatellverfahrens gemacht werden können.
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Keiner Begründung bedarf es, dass das grundsätzlich auf die Geltendmachung von Forderungen in Gestalt von Leistungsklagen29 zugeschnittene EG-BagatellVO auch sämtliche Anwendungsbereiche der Brüssel IIa-VO nicht erfasst. b) Neu hinzugefügte Ausnahmetatbestände
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Ausdrücklich vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen sind das Arbeitsrecht, die Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen, die Rechtsstreitigkeiten aus Verletzung der Privatsphäre, der Persönlichkeitsrechte sowie der Ehrverletzung. Ausschlaggebend für den Ausschluss waren wohl die jeweiligen Besonderheiten von Rechtsstreitigkeiten, die von diesen Rechtsgebieten herrühren.30 So dürfte beim gesamten individuellen31 Arbeitsrecht der dieses Rechtsgebiet durchdringende Aspekt des Arbeitnehmerschutzes die Hauptrolle gespielt haben. Sicherlich kann der verfahrensrechtliche Arbeitnehmerschutz in diesem stark formalisierten und vereinfachten Verfahren nicht hinreichend zur Geltung kommen. Die Miet- und Pachtstreitigkeiten über unbewegliche Sachen (mit Ausnahme von Geldforderungen, etwa Mietzinsklagen)32 sind wohl wegen des in der Regel bedeutend höher als die jeweilige bezifferte Forderung ausfallenden Gegenstandswertes ausgenommen worden. In der Praxis 24 S. dazu Niesert/Stöckel, NZI 2010, 638. 25 Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 5–31h. 26 Die Mehrheit der Vorschriften der EG-UntVO gelten ab dem 18.6.2011 mit dem Vorbehalt, dass das Haager Protokoll vom 23.11.2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht zu diesem Zeitpunkt in der Gemeinschaft anwendbar ist (Art. 76 EG-UntVO). 27 Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 2 EG-VollstrTitelVO Rz. 9. 28 In Bezug auf Europäische Vollstreckungstitel über Unterhaltspflichten, die in einem Mitgliedstaat ausgestellt wurden, der nicht durch das Haager Protokoll von 2007 gebunden ist, verdrängt Art. 68 Abs. 2 EG-UntVO die EG-VollstrTitelVO nicht. 29 Vgl. Schlosser, Rz. 3. 30 Für einen Teil dieser Gründe vgl. m.w.N. König/Mayr/Jelinek, S. 62. 31 In der umfassenden Formulierung ist natürlich auch das kollektive Arbeitsrecht inbegriffen, doch werden Forderungen von höchstens 2.000 t in der Praxis immer aus individuellen Arbeitsverhältnissen stammen. Vgl. ebenso Schlosser, Art. 3 Rz. 5. 32 Dann einfache Geldforderung und streitwertabhängige Anwendbarkeit der EG-BagatellVO.
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Varga
Kap. I: Gegenstand und Anwendungsbereich
Art. 2 EG-BagatellVO
kann es durchaus vorkommen, dass die Entscheidung über eine verhältnismäßig gering bezifferte Mietklage die dann jahrelang weiterbestehende rechtliche Stellung und wirtschaftliche Nutzung einer wertvollen Immobilie mitentschieden wird. Dieser Interessenlage kann ein auf Einfachheit und Schnelligkeit bedachtes Verfahren nicht ohne weiteres gerecht werden. Andererseits sollte wohl auch der Erlangung von sofort vollstreckbaren Räumungstiteln im Wege summarischer Verfahren ein Riegel vorgeschoben werden.33 Schließlich wird bei den Persönlichkeitsrechtsverletzungen an die Unzumutbarkeit der genauen Bezifferung der klageweise geltend zu machenden Forderung durch den Kläger (§ 287 ZPO) sowie an die Unangemessenheit bzw. Unmöglichkeit der Beweisführung mit den stark vereinfachten Mitteln der EG-BagatellVO zu denken sein. In diesen Rechtsstreitigkeiten ist eine Beurteilung des Sachverhalts ohne mündliche Verhandlung in der Regel nicht möglich.
II. Räumlicher Anwendungsbereich Die EG-BagatellVO ist in und gegenüber allen Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Dänemark anzuwenden. Anders als im Falle der Brüssel Ia-VO wird der eingeschränkte räumliche Geltungsanspruch des Gemeinschaftsrechts im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen und damit Dänemarks Einzelgängertum auch nicht durch eine völkerrechtliche Vereinbarung verdrängt.
23
Für die Zwecke der räumlichen Anwendbarkeit kommt es lediglich darauf an, dass der Anspruch vor einem mitgliedstaatlichen Forum geltend gemacht wird. Hingegen hat weder der Wohnsitz (Sitz) der Parteien noch ihre Staatsangehörigkeit Bedeutung. Auf den Wohnsitz mindestens einer der Parteien in einem Mitgliedstaat kommt es aber bei der Bestimmung des grenzüberschreitenden Charakters des Verfahrens an, der ebenfalls eine eigenständige Anwendungsvoraussetzung der EG-BagatellVO darstellt.34
24
Im Übrigen ergeben sich keine Besonderheiten hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs, so dass hier für Einzelfragen (exterritoriale Gebiete einzelner Mitgliedstaaten, Vatikan, überseeische Gebiete, Teile von Zypern, Kanalinseln usw) auf die detaillierte Kommentierung bei der EG-VollstrTitelVO verwiesen werden kann.35
25
III. Persönlicher Anwendungsbereich Die EG-BagatellVO enthält keine ausdrückliche Regel zum persönlichen Anwendungsbereich. Die Regelung impliziert aber zwei „persönliche“ Aspekte: Adressat des Rechtsschutzbegehrens muss ein Forum auf dem Gebiet eines der Mitgliedstaaten sein. Ferner muss eine „persönliche“ Voraussetzung auf Seiten der Parteien auch erfüllt sein. Eine von ihnen muss nämlich ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des angerufenen Gerichts haben. Dieser persönliche Aspekt der Anwendbarkeit deckt sich jedoch mit dem in Art. 3 EG-BagatellVO neu definierten Erfordernis des grenzüberschreitenden Charakters der Rechtsstreitigkeit und wird deshalb dort behandelt.36
26
IV. Zeitliche Geltung Der wesentliche Inhalt der EG-BagatellVO in ihrer ursprünglichen Fassung galt laut Art. 29 S. 2 ab 27 dem 1.1.2009. In Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 bedeutet dies, dass europäische Bagatellklagen ab dem genannten Tag anhängig gemacht werden konnten. Die Reform-VO ist am 14.1.2016 in Kraft getreten, der durch sie neugefasste wesentliche Inhalt der VO gilt ab dem 14.7.2017, d.h. in Verfahren, die an diesem Tag oder später anhängig gemacht worden sind. Die einzige Ausnahme in der inter-
33 34 35 36
Diesen letzten Aspekt betont Brokamp, S. 15. S. unten Art. 3 EG-BagatellVO. Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 2 EG-VollstrTitelVO Rz. 14–21. S. sogleich unten Art. 3 EG-BagatellVO.
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Art. 3 EG-BagatellVO
Grenzüberschreitende Rechtssachen
temporalen Regelung bildet die Vorschrift über die Informationspflichten der Mitgliedstaaten im neugefassten Art. 25 EG-BagatellVO, die erst seit dem 14.1.2017 gilt.37
V. Fehlende Anwendbarkeit 28
Für den Fall, dass die oben erläuterten Anwendbarkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, ordnet die VO eine eigenständige Rechtsfolge an. Laut Art. 4 Abs. 3 EG-BagatellVO hat das Gericht im Falle der Unanwendbarkeit den Kläger hierüber zu unterrichten. Nimmt dieser die Bagatellklage daraufhin nicht zurück, so hat das Gericht – wie § 1097 Abs. 2 ZPO für das deutsche Zivilprozessrecht klarstellt – die gesamte EG-BagatellVO außer Acht zu lassen und nach seinem autonomen Prozessrecht (lex fori) weiter zu verfahren. In der Anordnung dieser Rechtsfolge kommen noch einmal die zentralen Anliegen des Verordnungsgebers zum Ausdruck: Klägerbegünstigung, Prozessökonomie und Verfahrensbeschleunigung. Denn die Vorschrift geht offenbar davon aus, dass die einmal in inadäquater Form bewirkte An- bzw. Rechtshängigkeit erhalten bleibt.
Artikel 3 Grenzüberschreitende Rechtssachen (1) Eine grenzüberschreitende Rechtssache im Sinne dieser Verordnung liegt vor, wenn mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des angerufenen Gerichts hat. (2) Der Wohnsitz bestimmt sich nach den Artikeln 62 und 63 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates.1 (3) Maßgeblicher Augenblick zur Feststellung, ob eine grenzüberschreitende Rechtssache vorliegt, ist der Zeitpunkt, zu dem das Klageformblatt beim zuständigen Gericht eingeht. I. Der Begriff der grenzüberschreitenden Rechtssache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Parteien in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Parteien im selben Mitgliedstaat ansässig . . .
1 3 4 5
3. Kläger in Drittstaat ansässig . . . . . . . . . . . 4. Beklagter in Drittstaat ansässig . . . . . . . . . III. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . .
6 7 8
IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
I. Der Begriff der grenzüberschreitenden Rechtssache 1
Nach bereits erörterter,2 langer Diskussion zwischen Kommission und Rat hat die Ansicht praktisch sämtlicher Mitgliedstaaten die Oberhand gegenüber der Kommission behalten, so dass die Anwendbarkeit sowohl der EG-MahnVO als auch der EG-BagatellVO auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränkt blieb. Dies folgt aus der nach hier vertretener Ansicht richtigen Interpretation des dem Erlass der VO zugrunde liegenden Art. 65 EGV.3 Die dort formulierte Kompetenzgrundlage – auch lit. c, wo von „Förderung der Vereinbarkeit der … zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften“ die Rede ist – geht grundsätzlich von „Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen“ aus. Daher war das ur-
37 Art. 3 S. 2 ReformVO. 1 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 351 vom 20.12.2012, S. 1). 2 S. oben Einl. Rz. 13 ff. 3 Heute Art. 81 AEUV, s. oben Einl. Rz. 81 f.
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Kap. I: Gegenstand und Anwendungsbereich
Art. 3 EG-BagatellVO
sprüngliche, auch bereits während der Vorarbeiten an EG-MahnVO und EG-BagatellVO von lauter Kritik begleitete Anliegen der Kommission, die neuen europäischen Verfahrensarten auf reine Inlandsfälle auszudehnen, zum Scheitern verurteilt. Möge auch der einstweilen illusorische Gedanke einer europäischen Zivilprozessordnung vor Augen der Kommission schweben, die Kompetenzgrundlage des EGV beinhaltet eben keine Ermächtigung zur Prozessrechtsvereinheitlichung. Hieran hat sich auch im Zuge der VO-Reform des Jahres 2015 nichts geändert, obwohl der Kommissionsvorschlag zunächst noch eine Aufweichung der Definition der Grenzüberschreitung vorsah. Laut Kommissionvorschlag sollte der grenzüberschreitende Charakter nicht mehr positiv, wie in der Ursprungsfassung der VO, sondern nur noch negativ formuliert werden. Danach sollte die VO nur dann unanwendbar sein, wenn sämtliche Elemente des individuellen Rechtsstreits ausschließlich zum Forumstaat einen Bezug haben. Mit diesem Änderungsanliegen konnte sich die Kommission nicht durchsetzen und es bleibt somit auch in den Verfahren, die nach dem 14.7.2017 eingeleitet werden, beim ursprünglichen, im Folgenden detailliert abgehandelten Begriff der Grenzüberschreitung. Dies ist umso mehr zu begrüßen, als der Kommissionsvorschlag von einer eindeutig obsoleten und zu engen Interpretation der Ursprungsfassung der Vorschrift ausging: Der Vorschlag wollte einen speziellen Absatz betreffend den grenzüberschreitenden Bezug der in den Anwendungsbereich der VO fallenden Rechtssachen einfügen. Insbesondere wurde dies durch die Kommission befürwortet, damit einerseits auch Rechtssachen erfasst würden, in denen die Parteien im selben Mitgliedstaat wohnen, aber die Streitigkeit einen effektiven Auslandsbezug aufweist,4 sowie andererseits auch Drittstaatern die Inanspruchnahme des Bagatellverfahrens ermöglichen würde.5 Hieraus wird ersichtlich, dass der den Vorschlag unterbreitenden Kommission durchaus nicht bewusst war, dass – wie sogleich zu zeigen sein wird – all diese Fallkonstellationen, einschließlich Klageerhebung durch oder gegen Drittstaater gerade auch in der ursprünglichen und jetzt auch geltenden Fassung der VO ohne weiteres mit erfasst sind. Nachdem die von den Mitgliedstaaten erzwungene Einigung auf Beschränkung des Anwendungs- 2 bereichs beider Verordnungen auf grenzüberschreitende Rechtssachen erfolgt war, wurde – gerade auch im Lichte der langwierigen Diskussionen – die Notwendigkeit der Definierung der grenzüberschreitenden Rechtssache deutlich. Die Definitionsversuche förderten eine Reihe von möglichen Varianten zutage, aber letztlich blieb es beim ursprünglichen Parlamentsvorschlag, der auf die Unterschiedlichkeit von Forummitgliedstaat und Wohnsitzmitgliedstaat mindestens einer Partei abstellte. Die Definition wurde zuerst in Art. 3 EG-MahnVO aufgenommen und von dort dann wortgleich in Art. 3 EGBagatellVO übernommen. Die Legaldefinition in Art. 3 Abs. 1 EG-BagatellVO sieht demgemäß vor, dass eine grenzüberschreitende Rechtssache vorliegt, wenn mindestens eine der Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem des angerufenen Gerichts hat. Für die Bestimmung des Wohnsitzes werden Art. 62–63 Brüssel Ia-VO heranzuziehen sein.6 Der Wohnsitz anderer Verfahrenssubjekte ist für das Merkmal der Grenzüberschreitung ohne Belang: So hat der EuGH im Sinne des klaren Wortlauts der Vorschrift bestätigt, dass eine Grenzüberschreitung nicht vorliegt, wenn lediglich ein Nebenintervenient („Streithelfer“ nach tschechischem Recht) in einem anderen Mitgliedstaat seinen Sitz hat, während alle Parteien und das Gericht im selben Mitgliedstaat ihren Sitz haben. Damit schiebt der EuGH einer virtuellen Grenzüberschreitung und damit der nicht gewollten Anwendungserstreckung der VO auf nicht wirklich grenzüberschreitende Fälle einen Riegel vor.7
II. Fallgestaltungen Die Ausgestaltung der Definition hat manche, wohl auch vom Verordnungsgeber nicht ganz voraus- 3 gesehenen Folgen. Dazu gehört die Reihe von Fallgestaltungen, in denen wegen der Unterschiedlichkeit von Forummitgliedstaat und Wohnsitzmitgliedstaat mindestens einer Partei der grenzüberschrei-
4 5 6 7
Vgl. Vorschlag, S. 6 Punkt 3.1.2. Vgl. Vorschlag, S. 7 Punkt 3.1.2. Vgl. dazu Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 59, 60 Brüssel Ia-VO. EuGH v. 22.11.2018 – C-627/17, ECLI:EU:C:2018:941 – ZSE Energia, a.s./RG.
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Art. 3 EG-BagatellVO
Grenzüberschreitende Rechtssachen
tende Charakter der Streitigkeit auch ohne Binnenmarktbezug zu bejahen sein wird. Insbesondere setzt der Begriff der Grenzüberschreitung im Sinne der VO – wie sogleich zu zeigen sein wird – nicht voraus, dass die Parteien ihren Wohnsitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben.8 1. Parteien in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig 4
Logisch zwingend liegt eine grenzüberschreitende Rechtssache vor, wenn bei Anrufung eines mitgliedstaatlichen Gerichts die Parteien in unterschiedlichen Mitgliedstaaten ihren Wohnsitz haben. Dabei können Forumstaat und Wohnsitzstaat einer der Parteien zusammen- aber auch auseinanderfallen. 2. Parteien im selben Mitgliedstaat ansässig
5
Die Voraussetzung der Grenzüberschreitung ist auch dann zu bejahen, wenn sowohl der Kläger als auch der Beklagte im selben Mitgliedstaat ihren Wohnsitz haben. Dann genügt es für die Etablierung der Grenzüberschreitung, dass ein – international zuständiges – Gericht eines anderen Mitgliedstaates angerufen wird. Diese Möglichkeit wird in der Praxis vor allem wohl dann Bedeutung erlangen, wenn die Verfahrensrechtsordnung des gemeinsamen Heimatmitgliedstaates von Kläger und Beklagtem kein summarisches Verfahren zur schnellen Beitreibung geringfügiger Forderungen vorhält. 3. Kläger in Drittstaat ansässig
6
Eine grenzüberschreitende Rechtssache ist auch dann gegeben, wenn ein Drittstaater Bagatellklage gegen einen Beklagten mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat vor einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates erhebt.9 4. Beklagter in Drittstaat ansässig
7
Aus der Logik der Definition folgt schließlich, dass die Grenzüberschreitung als Anwendungsvoraussetzung der EG-BagatellVO auch dann gegeben ist, wenn lediglich der Kläger einen mitgliedstaatlichen Wohnsitz hat. Lässt sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaates – aufgrund der Brüssel Ia-VO, einer Zuständigkeitsvereinbarung oder des (u.U. exorbitanten)10 autonomen Zuständigkeitsrechts des betreffenden Mitgliedstaates – etablieren, so kann auch eine Bagatellklage gegen einen in einem Drittstaat ansässigen Beklagten erhoben werden.11 Da die internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts in diesem Fall nicht notwendigerweise auf der Brüssel IaVO zu beruhen braucht, dehnt der europäische Gesetzgeber hier – wahrscheinlich ursprünglich ungewollt – die Geltung des neuen, originär europäischen Erkenntnisverfahrens auch über autonome internationale Zuständigkeitsregeln auf Drittstaater aus.12
8 So aber und daher zu eng Jauernig/Hess, ZPR30, § 69 III Rz. 15 Fn. 7, und zur EG-MahnVO Saenger/Gierl, ZPO7 2017, Art. 3 EUMVVO Rz. 2. Bereits relativierend („praktisch ausgeschlossen“) Hess, EuZPR, § 10 Rz. 89. 9 Aus Anlass der gleichlaufenden Regelung in der EG-MahnVO kritisch zu dieser Konstellation McGuire, GPR 2006, 303, 304. 10 Art. 4 Abs. 2 Brüssel Ia-VO. 11 Zu den hieraus erwachsenden Gefahren und Missbrauchsmöglichkeiten (zwar aus Anlass der EG-MahnVO aber inhaltlich gleichlaufend) Einhaus, IPRax 2008, 323, 325 Fn. 33 (Inanspruchnahme eines fiktiven Wohnsitzes etwa in Form von Zustell- bzw. Briefkastenadressen) und Cuypers, GPR 2009, 34, 46 (forum shopping, fiktiver Wohnsitz). 12 Dass all dies der Kommission – wie der Reformvorschlag mit seiner Erweiterungsabsicht(!) hinsichtlich der Definition der grenzüberschreitenden Rechtssache bezeugt – bis heute nicht bewusst geworden ist, rüttelt an dem den EU-Rechtssetzungsorganen mancherorts noch entgegengebrachten Vertrauen.
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Kap. I: Gegenstand und Anwendungsbereich
Art. 3 EG-BagatellVO
III. Maßgeblicher Zeitpunkt Der maßgebliche Zeitpunkt für die Prüfung, ob die Grenzüberschreitung im Sinne der VO vorliegt, ist der des Eingangs des Klageformblatts beim zuständigen Gericht. Die Formulierung „beim zuständigem Gericht“ ist dahingehend eng zu verstehen, dass das angegangene Gericht jedenfalls international zuständig sein muss. Auf die innerstaatlichen Vorschriften über die sachliche, örtliche oder funktionale Zuständigkeit kommt es hingegen für die Zwecke der Feststellung, ob eine grenzüberschreitende Rechtssache vorliegt, nicht an. Ist die internationale Zuständigkeit des angerufenen mitgliedstaatlichen Gerichts nicht gegeben, so ist die VO unanwendbar, möge auch eine der Parteien ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben. Anderenfalls würde das Erfordernis der Grenzüberschreitung zur freien Disposition des Klägers gestellt und letztlich unterlaufen. Daher ist für den Anwendungsbereich der EG-BagatellVO wohl auch die Möglichkeit der nachträglichen internationalen Zuständigkeitsbegründung kraft rügeloser Einlassung13 zu verneinen.14
8
Die Qualifizierung der Klageeinreichung als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorhandenseins einer Grenzüberschreitung bedeutet ferner, dass es für die Anwendbarkeit der VO unerheblich ist, wenn das zum maßgeblichen Zeitpunkt einmal gegebene grenzüberschreitende Element später wegfällt.15
9
IV. Bewertung Die Erhebung des Auseinanderfallens von Forum- und Parteiwohnsitzmitgliedstaat zum bestimmen- 10 den Merkmal kann die Grenzüberschreitung in Einzelfällen mehr oder minder ins Fiktive hinüberleiten.16 Demgegenüber wird mancher Rechtssuchende feststellen müssen, dass Rechtsstreitigkeiten mit echtem, inhaltlichem grenzüberschreitendem Charakter nicht im Wege des europäischen Bagatellverfahrens ausgetragen werden können. Vom Verordnungsgeber ist nämlich die Tatsache nicht erkannt oder zumindest in ihrer Bedeutung unterschätzt worden, dass ein grenzüberschreitendes Element nicht mit Notwendigkeit schon am Anfang der gerichtlichen Forderungsdurchsetzung (Art. 3 Abs. 3 EG-BagatellVO, Eingang des Klageformblatts bei Gericht) wahrnehmbar ist. Vielmehr kann sich das nämliche grenzüberschreitende Element erst im weiteren Verlauf des Verfahrens, typischerweise etwa erst während der Zwangsvollstreckung herausstellen bzw. konkretisieren. Zu denken ist an Fälle, in denen entweder beide Parteien im selben Mitgliedstaat ihren Wohnsitz haben und die Gerichte desselben Mitgliedstaates international zuständig sind, oder die eine Partei Drittstaater ist und die andere ihren Wohnsitz im Forumstaat hat. Wäre in diesen Fällen das anzurufende Gericht das eines anderen Mitgliedstaates, so käme die EG-BagatellVO zur Anwendung. Mangels eines solchen Auseinanderfallens wird die VO aber nicht anwendbar sein, selbst wenn von vornherein feststeht, dass das potentielle Zwangsvollstreckungssubstrat sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet.17 Trotz mancher praktischer Unzulänglichkeit ergibt jedoch eine Gesamtschau der Regelung, dass die 11 Definition der grenzüberschreitenden Rechtssache als gelungener Kompromiss angesehen werden kann. Sie sorgt hinsichtlich der Anwendbarkeit der VO für Klarheit. Sie trägt allen voran der eingeschränkten Kompetenznorm des EGV Rechnung und verhindert damit eine vorauseilende punktuelle Prozessrechtsvereinheitlichung. Die oben genannte Gefahr der fiktiven Grenzüberschreitung wird in den meisten Fällen dadurch gebannt sein, dass die bestehende internationale Zuständigkeit des anzurufenden Gerichts zumeist bereits auf einen wirklich bestehenden grenzüberschreitenden Bezug zurückgeführt werden kann.
13 14 15 16 17
Art. 26 Brüssel Ia-VO oder autonomes Recht, z.B. § 39 ZPO. Wohl in die andere Richtung aber Schlosser, Rz. 2. „Perpetuatio“ der Anwendbarkeit, analog etwa § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. So im Ergebnis auch Cuypers, GPR 2009, 34, 46: „Grenzüberschreitend ist nicht die Sache selbst …“ Kritikpunkt übernommen von Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 306 (Anwendungsbereich zu eng).
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Art. 4 EG-BagatellVO
Einleitung des Verfahrens
Kapitel II Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen (Art. 4–Art. 19)
Artikel 4 Einleitung des Verfahrens (1) Der Kläger leitet das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen ein, indem er das in Anhang I vorgegebene Klageformblatt A ausgefüllt direkt beim zuständigen Gericht einreicht oder diesem auf dem Postweg übersendet oder auf anderem Wege übermittelt, der in dem Mitgliedstaat, in dem das Verfahren eingeleitet wird, zulässig ist, beispielsweise per Fax oder E-Mail. Das Klageformblatt muss eine Beschreibung der Beweise zur Begründung der Forderung enthalten; gegebenenfalls können ihm als Beweismittel geeignete Unterlagen beigefügt werden. (2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission mit, welche Übermittlungsarten sie zulassen. Diese Mitteilung wird von der Kommission bekannt gemacht. (3) Fällt die erhobene Klage nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung, so unterrichtet das Gericht den Kläger darüber. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin nicht zurück, so verfährt das Gericht mit ihr nach Maßgabe des Verfahrensrechts des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren durchgeführt wird. (4) Sind die Angaben des Klägers nach Ansicht des Gerichts unzureichend oder nicht klar genug, oder ist das Klageformblatt nicht ordnungsgemäß ausgefüllt und ist die Klage nicht offensichtlich unbegründet oder nicht offensichtlich unzulässig, so gibt das Gericht dem Kläger Gelegenheit, das Klageformblatt zu vervollständigen oder zu berichtigen oder ergänzende Angaben zu machen oder Unterlagen vorzulegen oder die Klage zurückzunehmen, und setzt hierfür eine Frist fest. Das Gericht verwendet dafür das in Anhang II vorgegebene Formblatt B. Ist die Klage offensichtlich unbegründet oder offensichtlich unzulässig oder versäumt es der Kläger, das Klageformblatt fristgerecht zu vervollständigen oder zu berichtigen, so wird die Klage zurück- bzw. abgewiesen. Das Gericht setzt den Kläger von der Zurück- bzw. Abweisung in Kenntnis und teilt ihm mit, ob ein Rechtsmittel gegen die Zurück- bzw. Abweisung zur Verfügung steht. (5) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass das Klageformblatt A bei allen Gerichten, bei denen das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen eingeleitet werden kann, erhältlich und über die einschlägigen nationalen Internetseiten zugänglich ist.
I. Verfahrenseinleitung, Kommunikationsmittel 1
Das europäische Bagatellverfahren wird von einem durchgehenden Formularzwang begleitet. Die VO betrachtet es aus der Sicht der Verfahrensbeschleunigung als Idealfall, wenn sämtliche Kommunikationen während des Verfahrens zwischen Parteien und Gericht sich auf die im Anhang der VO vorgefertigten, ausgefüllten „Formblätter“ beschränken.
2
Die Verfahrenseinleitung kann demgemäß nur durch Einreichung des „Klageformblatts A“ bewirkt werden. Andersgeartete Eingaben wird das Gericht – auch bei wesentlich identischem Inhalt – nicht als europäische Bagatellklage annehmen dürfen. Traditionelle Klageschriften führen daher auch entgegen dem Willen des Klägers zum Anhängigwerden eines autonomen mitgliedstaatlichen Zivilprozesses und zugleich zur Abweisung als unzulässig in der europäischen Bagatellklageart.1
3
Das Klageformblatt (Formblatt A) ist im Anhang I der EG-BagatellVO und im Internet zu finden.2 Das Klageformblatt sollte ferner gem. Abs. 5 auch bei allen Gerichten, bei denen das Bagatellverfahren eingeleitet werden kann, sowie auf den mitgliedstaatlichen justiziellen Webseiten erhältlich sein. 1 Schlosser, Rz. 1. 2 S. unter https://e-justice.europa.eu/content_small_claims_forms-177-de.do.
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Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 4 EG-BagatellVO
Im Einzelnen führt das Klageformblatt den potentiellen Kläger mit teils eindeutigen teils problematischen und sogar unrichtigen Hinweisen an die Ausfüllung heran. Eingangs wird auf einen Aspekt der Vereinfachung hingewiesen: In Einklang mit Art. 4 Abs. 1 EG-BagatellVO sind die vom Kläger als relevant angesehenen Beweismittel nur zu bezeichnen. Beweisunterlagen können,3 müssen aber nicht mit eingereicht werden. Es folgen sodann genaue Angaben zu Gericht, Kläger und Beklagtem. In diesem Kontext ist es fraglich, ob die auf möglichst weitgehende Vereinfachung bedachte VO eine Mehrheit von Parteien zulässt. Die Streitgenossenschaft würde jedenfalls die sichtlich jeweils auf einen einzigen Kläger bzw. Beklagten4 zugeschnittenen Formblätter etwas unübersichtlich werden lassen.5 Jedoch sprechen hier die ausdrücklichen Hinweise des Verordnungsgebers auf dem Klageformblatt klar für die Möglichkeit einer Streitgenossenschaft sowohl auf klägerischer, als auch auf Beklagtenseite.6
4
Nach den Parteienangaben konfrontiert das Klageformblatt in einer erstaunlichen Art und Weise den 5 Kläger mit der Zuständigkeitsfrage.7 Es findet sich eine nicht erschöpfende Liste von zuständigkeitsbegründenden Tatbeständen (vom Wohnsitz des Beklagten bis hin zur Zuständigkeitsvereinbarung) wieder in Begleitung eines Hinweises auf einen Internetlink der Kommission, der Aufschluss über Zuständigkeitsfragen bieten soll, der jedoch außer einiger spärlich erörterter Begriffsbestimmungen keinen brauchbaren Wegweiser zur Zuständigkeitsfrage enthält. Schwerer wiegt jedoch ein sachlicher Irrtum, der zu Erklärungszwecken in das Klageformblatt aufgenommen worden ist: „Das Gericht muss nach den Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates zuständig sein.“ Wie oben bereits ausgeführt,8 ist es wegen der Ausgestaltung der Definition der grenzüberschreitenden Rechtssache keineswegs so, dass die Bagatellzuständigkeit sich ausschließlich aus der Brüssel Ia-VO ergeben kann.9 Vielmehr wird von Fall zu Fall auch das autonome internationale Zuständigkeitsrecht des jeweiligen Forummitgliedstaates zu prüfen sein. Ganz eindeutig ist die lex fori ausschlaggebend in derjenigen Grenzüberschreitungskonstellation, in der der Beklagte Drittstaater ist. Wie bereits gezeigt, sind hier die jeweiligen autonomen mitgliedstaatlichen Regeln über die internationale Zuständigkeit anwendbar, einschließlich der exorbitanten Gerichtsstände.10 Dass der Verordnungsgeber dem nach seinem Willen gerade anwaltlich nicht vertretenen Kläger die Prüfung der internationalen Zuständigkeit – bei sogar rechtlich falschen Informationen auf dem Formblatt – zutraut, zeugt wiederum zumindest von ausgeprägter Zuversicht. In einem nächsten Schritt sind sodann die drei, für die Feststellbarkeit der Grenzüberschreitung relevanten Angaben zu machen, nämlich Klägerwohnsitz, Beklagtenwohnsitz und Forummitgliedstaat. Wegen der Klarheit der Definition der grenzüberschreitenden Rechtssache in Art. 3 EG-BagatellVO wird hierdurch die Anwendbarkeit der VO ohne Probleme geprüft werden können.
6
In dem nächsten Abschnitt des Klageformblatts kann der Kläger seine Bankverbindungsdaten angeben. Diese fakultative Angabe soll weitere Zahlungsmodalitäten zur Entrichtung der Gerichtgebühr ermöglichen sowie dem Beklagten zur freiwilligen Begleichung seiner Schuld die erforderlichen Kontodaten zugänglich machen. Weiterführende Informationen werden auch diesbezüglich auf dem Europäischen Justizportal11 angeboten.
7
Diesem folgt im Formblatt ein Abschnitt betreffend die Einzelheiten der Forderung und die klägerischen Begehren. Die auf dem Klageformblatt zu findenden Ausfüllungshinweise geben hier in verein-
8
3 Ob dem anwaltlich nicht vertretenen europäischen Bagatellkläger mit der auf dem Klageformblatt stehenden Formulierung „sollten gegebenenfalls“ geholfen ist, ist fraglich. 4 Vgl. zur Legitimierung eines einzigen Klägers durch Abtretung AG Gießen v. 23.4.2013 – 49 C 381/12, BeckRS 2013, 08741. 5 Mit Hinwies auf die gefährdete Vereinfachung daher klar ablehnend Schlosser, Art. 19 Rz. 4. 6 Abschnitt 2 bzw. 3 des Formblatts: „Bei mehr als einem Kläger/Beklagten verwenden Sie bitte zusätzliche Blätter.“ Dafür auch Cuypers, GPR 2009, 34, 46. 7 Krit. auch Kramer, ERA Forum 2011(1), 119, 122. 8 S. oben Art. 2 EG-BagatellVO Rz. 12. 9 A.A. unter Verweis auf den Inhalt des Klageformblattes Freitag/Leible, BB 2009, 2, 3 („allein nach der EuGVVO“); Jahn, NJW 2007, 2890, 2893; Mayer/Lindemann, NJW 2012, 2317, 2318. Differenzierter und daher zutr. Hess, EuZPR § 10 Rz. 89–91. 10 Etwa in Deutschland § 23 ZPO (Vermögensbelegenheit). 11 https://e-justice.europa.eu/content_small_claims-42-de.do.
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Art. 4 EG-BagatellVO
Einleitung des Verfahrens
fachter Form nochmals den sachlichen Anwendungsbereich der VO wieder. Bei – aus der Sicht des Euro gesehen – Fremdwährungsschulden12 stellt sich die Frage nach dem Umrechnungskurs (wichtig wegen der in EUR angegebenen Streitwertgrenze). Maßgebend wird wohl der jeweilige Tageseröffnungskurs der EZB sein.13 Anzugeben ist ferner, ob Zinsen gefordert werden. Richtigerweise wird im Formblatt an dieser Stelle auch hervorgehoben, dass es sich nicht notwendigerweise um eine Geldforderung handeln muss. Das Formblatt enthält demgemäß in Alternativform den Hinweis zum sachlichen Anwendungsbereich: „Geldforderung oder nicht auf Zahlung gerichtete Forderung.“ Dabei wird vom Kläger erwartet, „eine Geldforderung und/oder eine andere (nicht auf eine Geldzahlung gerichtete) Forderung, z.B. die Lieferung von Waren“ anzugeben. Sollte die Forderung nicht auf die Zahlung eines Geldbetrags gerichtet sein, so ist die Rubrik „andere Forderung“ im Formblatt auszufüllen, wo dann sinngemäß auch der geschätzte Wert der Forderung anzugeben ist. In solchen Fällen soll der Kläger ferner auch angeben, ob er für den Fall, dass die ursprüngliche Forderung nicht erfüllt werden kann, hilfsweise einen Anspruch auf Schadensersatz geltend zu machen gedenkt. 9
In dem praktisch wichtigsten Abschnitt 8 des Klageformblatts sind Angaben zur Klage und zu den Beweismitteln zu machen, wobei eine bloße Benennung möglicher Beweismittel ausreicht. Die in Unterabschnitt 8.1 und 8.2 zu findenden Ausfüllungshinweise muten zwar sehr einfach an (in 8.1 etwa: „Bitte begründen Sie Ihre Klage; geben Sie beispielsweise an, was wann und wo passiert ist“), doch das Klageformblatt stellt hier im Wesentlichen die gleichen Schriftsatzerfordernisse auf, wie die deutsche Substantiierungspflicht gem. § 253 ZPO. Danach muss die Klageschrift über die Bezeichnung des Gerichts und der Parteien hinaus „die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag“ enthalten. Durch diese Angaben definiert die Partei entsprechend der Dispositionsmaxime den Rahmen des Verfahrens, den Streitgegenstand.14 Für die Erfüllung der Anforderungen des § 253 ZPO reicht es aber auch schon aus, wenn die Klageschrift den dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalt unverwechselbar schildert und Details in einem solchen Umfang angibt, dass diese „den erhobenen Anspruch als in der Person des Klägers entstanden und zugleich als durch den Beklagten verletzt erscheinen … lassen.“15 Dabei braucht nicht der ganze Sachverhalt erschöpfend geschildert zu werden, vielmehr genügt es, wenn aus dem Sachvortrag die Individualität des Lebenssachverhalts hervorgeht.16 Selbstverständlich steht auch eine vollständige Substantiierung und die Benennung der Beweismittel, ferner sogar der Beweisantritt bereits in dem verfahrenseinleitenden Schriftstück den Parteien frei. Einen Muss-Inhalt stellen sie indes nach deutschem Recht nicht dar. Auch eine Nachholung von weiteren Angaben zur Substantiierung ist bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung möglich, und zwar mit heilender Wirkung für die zunächst ungenügend substantiierte Klageschrift.
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Die Formularklage nach der EG-BagatellVO nimmt den gleichen Ansatz und lässt auch für weitere Schriftsatzergänzungen nach Einreichung des Klageformblatts Raum. Art. 4 Abs. 4 EG-BagatellVO verpflichtet das Gericht sogar dazu, ein nachlässig oder unvollständig ausgefülltes Klageformblatt dem Kläger unter Fristsetzung zur Berichtigung bzw. Ergänzung zurückzuschicken.17 In Abwesenheit einer Präklusionsvorschrift in der VO wird es auch während des weiteren Verfahrensganges möglich sein, zusätzliche Beweismittel beizubringen und andere Vorbringen zu machen. Eine Präklusion findet auch über §§ 282, 296 ZPO i.V.m. Art. 19 EG-BagatellVO nicht statt, denn diese Präklusions12 Beachte die Änderung des Klageformblattes im Punkt 7.1.2. und 7.2.2., wo kroatische Kuna (HRK) infolge des Beitritts Kroatiens zur EU aufgenommen wurde. Vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. k Strich 6 und Anhang Punkt 13.A.4.a) in der Verordnung (EU) Nr. 517/2013 des Rates vom 13.5.2013 zur Anpassung einiger Verordnungen und Beschlüsse in den Bereichen freier Warenverkehr, Freizügigkeit, Gesellschaftsrecht, Wettbewerbspolitik, Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit, Verkehrspolitik, Energie, Steuern, Statistik, transeuropäische Netze, Justiz und Grundrechte, Recht, Freiheit und Sicherheit, Umwelt, Zollunion, Außenbeziehungen, Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik und Organe aufgrund des Beitritts der Republik Kroatien. 13 So Schlosser, Art. 2 Rz. 2. 14 Zur deutschen Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstand (Antrag und Gründe) vgl. nur Jauernig/Hess, ZPR30 § 37 IV. 15 Vgl. Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, § 253 ZPO Rz. 78; Stein/Jonas/Schumann, § 253 ZPO Rz. 125, Fn. 122 und bereits RGZ 126, 245, 248. 16 Vgl. Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, § 253 ZPO Rz. 79 f. 17 Anhang II Formblatt B.
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Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 4 EG-BagatellVO
regeln sind untrennbar verwoben und machen auch nur Sinn mit der völlig andersgearteten Gesamtheit der Fristenregelung der ZPO.18 Der Eingang des Klageformblattes beim Gericht entfaltet die Rechtshängigkeitssperrwirkung. Danach hat im europäischen Kontext das zweitangerufene Gericht nach Art. 29 Brüssel Ia-VO das Verfahren von Amts wegen auszusetzen, bis die internationale Zuständigkeit des erstangerufenen Gerichts feststeht. Ist dies der Fall, so ist die Klage im Zweitverfahren wegen Unzuständigkeit als unzulässig abzuweisen. Ferner gilt die Rechtshängigkeitssperre auch im jeweiligen innerstaatlichen Kontext, da das Bagatellverfahren auch zu den autonomen Verfahren im Verhältnis der Alternativität steht. In Deutschland etwa ist daher ab dem Zeitpunkt der Einreichung des Klageformblattes § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO anzuwenden: „während der Dauer der Rechtshängigkeit kann die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.“
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Die VO ist denkbar großzügig bei der Bestimmung der grundsätzlich zugelassenen Kommunikati- 12 onsmittel, die zur Klageeinreichung bzw. zur weiteren Kommunikation zwischen den Verfahrenssubjekten dienen können. Diese erfassen die Formen der modernen elektronischen Nachrichtenübermittlung. Art. 4 Abs. 2 EG-BagatellVO macht deren Anwendung lediglich von der Mitteilung des jeweiligen Forumstaates abhängig, welche dieser Übermittlungswege er für seine Gerichte akzeptiert. Deutschland hat sämtliche in der VO genannten Kommunikationsmittel (traditioneller Schriftsatz, Telekopie, elektronisches Dokument via Datenträger oder E-Mail) zugelassen (§ 1097 Abs. 1 u.U. i.V.m. § 130a ZPO). Es ist jedoch im Lichte der angestrebten „Volksnähe“ wenig einleuchtend, warum die deutsche Durchführungsvorschrift gerade die Klageeinreichung zu Protokoll der Geschäftsstelle gem. § 496 ZPO unerwähnt lässt19 und damit zugleich dem Hilfestellungsgebot des Art. 11 EG-BagatellVO zuwiderläuft.20 Ferner ist bei der Wahl der Einreichungsart (traditionelle postalische Einreichung21 oder Verwendung moderner Technologien) bei der Klageeinreichung in Deutschland das Verhältnis von Art. 4 Abs. 1 EG-Bagatell-VO zur ab dem 1.1.2022 geltenden Fassung der Vorschrift des § 130d ZPO zu beachten, da letztere bei anwaltlicher Vertretung die elektronische Einreichung zur Pflicht erhebt. Weder die VO noch die Durchführungsvorschrift des § 1097 Abs. 1 ZPO macht einen Unterschied zwischen anwaltlich vertretenem und nicht vertretenem Kläger, was auf den ersten Blick dafür sprechen könnte, dass in europäischen Bagatellverfahren in Deutschland auch für Anwälte die Möglichkeit der traditionellen Einreichungsarten erhalten bleibt. Dafür spricht auch die durchgängige Formulierung (etwa in ErwGr. 8 ReformVO), wonach die traditionellen Zustellungsarten und die elektronische gleichgestellt werden sollen. Jedoch wird diese Gleichstellungsbestrebung gleich in ErwGr. 9 der ReformVO zugunsten der Priorisierung der elektronischen Zustellung relativiert, namentlich durch den Zusatz: „Sofern die Parteien oder andere Empfänger nicht nach dem nationalen Recht verpflichtet sind, die elektronische Übermittlung zu akzeptieren, sollten sie bei der Zustellung von Schriftstücken oder bei jedem anderen Schriftverkehr mit dem Gericht die Wahl haben, ob elektronische Übermittlungswege, wenn diese zur Verfügung stehen und zulässig sind, oder traditionellere Übermittlungswege genutzt werden sollen.“ § 130d ZPO schafft jedoch ab 2022 gerade eine solche Verpflichtung für die anwaltlich vertretene Partei. Daher ist ab dem genannten Zeitpunkt in Deutschland von einer obligatorischen elektronischen Einreichung auch in europäischen Bagatellverfahren auszugehen.
II. Offensichtliche Unzulässigkeit und offensichtliche Unbegründetheit Die bereits kritisch erwähnte22 Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 EG-BagatellVO ermöglicht es dem Richter, in der Phase der formalen Überprüfung der Klageschrift gleich nach deren Einreichung, d.h. ohne 18 19 20 21
MwN Schlosser, Art. 5 Rz. 7. A.A. Jahn, NJW 2007, 2890, 2893 und Brokamp, S. 75. Krit. auch Sujecki, EuZW 2010, 448, 452–453. Hinweis übernommen von Hau, JuS 2008, 1056, 1057. Zur ursprünglichen Rechtslage bei Erlass der VO (§ 130a ZPO, Ländersache und damit zusätzliche Rechtsunsicherheit insbesondere für ausländische Kläger): Brokamp, S. 31, der auch zur Zeit der Ursprungsfassung sicherheitshalber zur Klageerhebung im herkömmlichen postalischen Weg riet. 22 S. oben Einl. Rz. 61. Vgl. nunmehr die umfassende und fundierte Kritik bei Leipold, FS Prütting (2018) 411 ff.
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Einleitung des Verfahrens
vorherige Zustellung an den Beklagten23 die Klage als offensichtlich unbegründet oder als offensichtlich unzulässig zurück- bzw. abzuweisen.24 Schon die Formulierung „bzw.“ ist sehr problematisch. Offenbar hat sich der deutsche Übersetzer die Problematik juristisch etwas tiefer bewusst gemacht, als der Verordnungsgeber. In der englischen Fassung etwa ist einheitlich von „dismissal“ die Rede. In der deutschen Übersetzung kommt die zaghafte Unentschlossenheit des Textes eklatant zum Vorschein: In einer Phase, in der das Gericht möglicherweise lediglich ein mehr oder minder vorschriftsmäßig ausgefülltes Klageformblatt in der Hand hat, wird – zumindest nach dem Wortlaut – gleich sowohl ein Prozessurteil als auch eine Sachabweisung(!)25 ermöglicht. Diese Vorschrift setzt sich klar über jeden rechtsstaatlichen Maßstab hinweg und missachtet auch die prozessuale Wirklichkeit, die gerade durch die EG-BagatellVO geschaffen worden ist. Danach ist das Gericht in dieser Phase nur mit der Klageschrift vertraut und kennt weder die Klageerwiderung noch alle Beweismittel, da deren sofortige Präsentierung die VO gerade nicht zwingend vorschreibt. Die Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens sollte sicherlich nicht so weit gedeihen, dass letztlich der Justizgewährungsanspruch und das Recht auf rechtliches Gehör ausgehöhlt werden.26 Damit gerät die VO zugleich wohl auch in Konflikt mit mancher mitgliedstaatlicher Verfassung. Es ist grotesk und mehr als bedauerlich, wenn nunmehr die Europäische Union die Geltung einer solchen Vorschrift erzwingt. Wie aus dem spärlich vorhandenen Schrifttum hervorgeht, ist diese Regel für mehrere mitgliedstaatliche Rechtssysteme, so etwa für das deutsche, mehr als befremdlich. Nicht von ungefähr will man hier etwas wohlwollend von Unschlüssigkeit statt Unbegründetheit ausgehen, um zumindest die materielle Rechtskraft potentiell grundfalscher Entscheidungen zu verhindern.27 Auch nach hier vertretener Ansicht kann und darf es nicht sein, dass eine Abweisung („bzw. Zurückweisung“) wegen „offensichtlicher Unbegründetheit“ eine rechtskraftfähige Sachentscheidung darstellt. Vielmehr muss diese Vorschrift gewissermaßen als Einheit mit der Abweisung als unzulässig (Prozessurteil) gehandhabt werden, ohne jegliche Unterscheidung der Rechtsfolgen.28 14
Bei der Abweisung wegen Unzulässigkeit handelt es sich im deutschen Sinne um ein gewöhnliches Prozessurteil, das wegen Fehlens einer oder mehrerer Prozessvoraussetzungen ergeht. Schon die Zustellung des Klageformblattes scheitert.29
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Die Unanwendbarkeit der VO reicht für die Prozessabweisung nicht aus. Überschreitet etwa der Streitwert 5.000 t, wird die Klage nur als in dieser Verfahrensart unzulässig angesehen, zugleich hat aber das Gericht – mangels Klagerücknahme – gem. Art. 4 Abs. 3 EG-BagatellVO nach seiner lex fori weiter zu verfahren.30
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Gegen die Prozessabweisung – möge diese im europäischen Verfahren wegen offensichtlicher Unzulässigkeit oder offensichtlicher Unbegründetheit erfolgen – sieht die VO keinen Rechtsbehelf vor. Selbst die Reform-VO hat hier lediglich eine Informationspflicht des Gerichts a.E. der Vorschrift eingefügt, wonach das Gericht den Kläger von der Zurück- bzw. Abweisung in Kenntnis zu setzen und ihm gleichzeitig mitzuteilen hat, ob ein Rechtsmittel gegen die Zurück- bzw. Abweisung zur Verfügung steht. Damit ist aber nichts weiter gesagt, als was schon nach alter Rechtslage galt: Über Art. 19 23 Vgl. AG Geldern v. 9.2.2011 – 4 C 4/11, BeckRS 2011, 03927. 24 Gemäß Reformvorschlag hätte hier das Gericht den Kläger von der Zurück- bzw. Abweisung in Kenntnis zu setzen. Vgl. Vorschlag Art. 1 Abs. 3 lit. a. 25 Schlosser, Rz. 6. 26 Anders AG Geldern: Optiert der Kläger statt eines normalen Klageverfahrens nach der ZPO für das Bagatellverfahren, eine Verfahrensart, die keinen Anspruch auf eine mündliche Verhandlung gewährt, so sei in dieser klägerischen Entscheidung ein Verzicht auf eine mündliche Verhandlung zu sehen. Dieser Verzicht könne auch nicht durch den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf dem Klageformblatt rückgängig gemacht werden. Daraus ergebe sich, dass das Unterbleiben der mündlichen Verhandlung gem. Art. 5 Abs. 1 S. 3 EG-BagatellVO infolge der Abweisung wegen offensichtlicher Unbegründetheit nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG oder Art. 6 EMRK verstoße. Vgl. Entscheidungsgrund V des Urteils, AG Geldern v. 9.2.2011 – 4 C 4/11, BeckRS 2011, 03927. 27 So Rauscher in MünchKomm/ZPO, Anhang II zu Buch 11 (EG-BagatellVO) Rz. 17. Im Ergebnis ebenso Mayer/ Lindemann/Haibach, Rz. 837. 28 Dafür im Ergebnis m.w.N. auch Brokamp, S. 36–55. Für eine großzügigere Behandlung des Problems vgl. Hau in MünchKomm/ZPO4 Anh. §§ 1097 Art. 4 Rz. 17 ff. 29 Jauernig/Hess, ZPR30 § 33 II. 30 Dazu sogleich unten Rz. 17 f.
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Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 5 EG-BagatellVO
EG-BagatellVO ist die Regelungskompetenz der lex fori eröffnet. In Deutschland ist deswegen gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 die sofortige Beschwerde statthaft.31
III. Fortführung des Verfahrens nach autonomem Verfahrensrecht Art. 4 Abs. 3 EG-BagatellVO verpflichtet zunächst das mit einer Bagatellklage angegangene Gericht, 17 den Kläger über die Unanwendbarkeit der VO zu unterrichten, wenn dies aus dem Klageformblatt ersichtlich wird. Die Unanwendbarkeit kann sich aus einer Bereichsausnahme, aus dem Fehlen des Merkmals der Grenzüberschreitung sowie aus der Überschreitung der Streitwertobergrenze ergeben. Gleichzeitig soll dem Kläger die Möglichkeit der Klagerücknahme offenstehen. Wird die Klage nicht zurückgenommen, so hat das Gericht das Verfahren nach seinem Verfahrensrecht lege fori fortzusetzen. Hinter der Regelung verbirgt sich zum einen der Gedanke, dass der Kläger wohl ursprünglich nicht 18 nach autonomem mitgliedstaatlichem Verfahrensrecht prozessieren wollte und er soll zeitig über die Möglichkeit der Klagerücknahme informiert werden. Auf der anderen Seite, wenn es dem Kläger namentlich überwiegend auf die Forderungsdurchsetzung, und nicht auf deren Art ankommt, soll er nicht der einmal durch die Einreichung des Klageformblatts veranlassten Wirkungen der Rechtshängigkeit verlustig werden.32 Wegen der besonderen Verfahrenssituation der Überleitung des europäischen Bagatellverfahrens in einen nationalen Zivilprozess kann sich indessen punktueller Nachholbedarf betreffend Verfahrenshandlungen, die sonst nach mitgliedstaatlichem Prozessrecht vor Etablierung der Rechtshängigkeit fällig waren, ergeben. So wird etwa nach deutschem Recht, insbesondere wenn sich die Unanwendbarkeit der VO aus der Überschreitung der Streitwertgrenze ergeben hat, trotz der bei der Überleitung bestehenbleibenden Rechtshängigkeit keine weitere gerichtliche Verfahrenshandlung vorgenommen, bis die nach dem GKG für das deutsche Erkenntnisverfahren vorgesehene Gebühr (durch Aufstockung oder – wegen § 12 Abs. 2 Nr. 2 – durch erstmalige Zahlung) eingezahlt ist, wie dies aus § 12 Abs. 4 S. 2 GKG folgt.33 Gegen die Entscheidung über die Unanwendbarkeit der VO und die gleichzeitige Überleitung in ei- 19 nen ordentlichen Zivilprozess lege fori ist kein Rechtsbehelf gegeben. Anders als im Falle des Art. 5 Abs. 5 EG-BagatellVO kommt die Schutzbedürftigkeit des Beklagten gar nicht erst auf. Für den Kläger bedeutet die Entscheidung auch nicht eine Versagung der Justizgewährung, lediglich die Ablehnung, im Prozesstyp der VO zu verfahren.34 Daher würde hier die Bejahung einer Rechtsbehelfsmöglichkeit dem Hauptanliegen der VO, der Verfahrensbeschleunigung zuwiderlaufen.
Artikel 5 Durchführung des Verfahrens (1) Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen wird schriftlich durchgeführt. (1a) Das Gericht hält eine mündliche Verhandlung nur dann ab, wenn es der Auffassung ist, dass es auf der Grundlage der schriftlichen Beweismittel kein Urteil fällen kann, oder wenn eine der 31 A.A. (für Statthaftigkeit der Berufung) Kropholler/von Hein, EuZPR9 Art. 4 Rz. 15 und Hau in MünchKomm/ ZPO4 Anh. §§ 1097 ff. Art. 4 Rz. 21. 32 Vgl. aber auch die sich später, nach der Antwort des Beklagten noch einmal einstellende Möglichkeit der Entscheidung über die Anwendbarkeit in Art. 5 Abs. 5 EG-BagatellVO. 33 Vgl. dazu auch die Begründung des deutschen Gesetzgebers im Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung, BT-Drucks. 16/8839, 31: „Da die Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 eine Zustellung des Klageformblatts innerhalb von 14 Tagen nach Eingang des ordnungsgemäß ausgefüllten Formblatts vorschreibt, darf die in § 12 Abs. 1 GKG festgelegte Vorwegleistunspflicht für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen keine Anwendung finden. Daher soll dieses Verfahren in den Katalog des § 12 Abs. 2 GKG eingestellt werden. Wird ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen als normales Zivilprozessverfahren fortgeführt, besteht für ein Absehen von der Vorwegleistungspflicht keine Veranlassung mehr. Auch zur Vermeidung von Missbräuchen ist es erforderlich, dass das Gericht – ähnlich wie bei der Klageerweiterung – weitere gerichtliche Handlungen bis zur Zahlung der Verfahregebühr zurückstellt.“ 34 Ebenso m.w.N. und mit aufschlussreicher Abgrenzung gegenüber Art. 5 Abs. 5 Brokamp, S. 35 f.
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Durchführung des Verfahrens
Parteien einen entsprechenden Antrag stellt. Das Gericht kann einen solchen Antrag ablehnen, wenn es der Auffassung ist, dass in Anbetracht der Umstände des Falles ein faires Verfahren auch ohne mündliche Verhandlung sichergestellt werden kann. Die Ablehnung ist schriftlich zu begründen. Gegen die Abweisung des Antrags ist ohne Anfechtung des Urteils selbst kein gesondertes Rechtsmittel zulässig. (2) Nach Eingang des ordnungsgemäß ausgefüllten Klageformblatts füllt das Gericht Teil I des in Anhang III vorgegebenen Standardantwortformblatts C aus. Es stellt dem Beklagten gemäß Artikel 13 eine Kopie des Klageformblatts und gegebenenfalls der Beweisunterlagen zusammen mit dem entsprechend ausgefüllten Antwortformblatt zu. Diese Unterlagen sind innerhalb von 14 Tagen nach Eingang des ordnungsgemäß ausgefüllten Klageformblatts abzusenden. (3) Der Beklagte hat innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung des Klageformblatts und des Antwortformblatts zu antworten, indem er Teil II des Formblatts C ausfüllt und es gegebenenfalls mit als Beweismittel geeigneten Unterlagen an das Gericht zurücksendet oder indem er auf andere geeignete Weise ohne Verwendung des Antwortformblatts antwortet. (4) Innerhalb von 14 Tagen nach Eingang der Antwort des Beklagten ist eine Kopie der Antwort gegebenenfalls zusammen mit etwaigen als Beweismittel geeigneten Unterlagen an den Kläger abzusenden. (5) Macht der Beklagte in seiner Antwort geltend, dass der Wert einer nicht lediglich auf eine Geldzahlung gerichteten Klage die in Artikel 2 Absatz 1 festgesetzten* Wertgrenze übersteigt, so entscheidet das Gericht innerhalb von 30 Tagen nach Absendung der Antwort an den Kläger, ob die Forderung in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt. Gegen diese Entscheidung ist ein gesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. (6) Etwaige Widerklagen, die mittels Formblatt A zu erheben sind, sowie etwaige Beweisunterlagen werden dem Kläger gemäß Artikel 13 zugestellt. Die Unterlagen sind innerhalb von 14 Tagen nach deren Eingang bei Gericht abzusenden. Der Kläger hat auf eine etwaige Widerklage innerhalb von 30 Tagen nach Zustellung zu antworten. (7) Überschreitet die Widerklage die in Artikel 2 Absatz 1 festgesetzte Wertgrenze, so werden die Klage und die Widerklage nicht nach dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen, sondern nach Maßgabe des Verfahrensrechts des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren durchgeführt wird, behandelt. Artikel 2 und Artikel 4 sowie die Absätze 3, 4 und 5 des vorliegenden Artikels gelten entsprechend für Widerklagen. I. Der Ablauf des weiteren Verfahrens . . . . . 1. Schriftlichkeit als Grundregel, mündliche Verhandlung als Ausnahme . . . . . . . . . . .
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2. Einzelheiten des Verfahrensablaufs, Fristen . . 5 3. Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
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I. Der Ablauf des weiteren Verfahrens 1. Schriftlichkeit als Grundregel, mündliche Verhandlung als Ausnahme 1
Den Beschleunigungseffekt sucht die Verordnung auch dadurch zu verstärken, dass sie die Schriftlichkeit des Verfahrens zur Grundregel macht. Ist die Bagatellklage nicht bereits nach dem – sehr problematischen – Art. 4 Abs. 4 EG-BagatellVO offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, so wird das Formularverfahren nach Art. 5 Abs. 2–5 EG-BagatellVO weiterbetrieben, indem dem Beklagten zunächst innerhalb von 14 Tagen ab Eingang des Klageformblattes nunmehr das „Antwortformblatt“1 zusammen mit einer Kopie des Klageformblattes und sämtlichen bereits verfügbaren Beweisunterlagen zugestellt wird. Die Zustellung erfolgt ohne Prüfung, ob die Klagegebühr * Wohl Tippfehler in der deutschen Übersetzung. Richtig: „festgesetzte“. 1 Anhang II Formblatt C.
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Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 5 EG-BagatellVO
bereits eingezahlt worden ist, denn die unbedingte Zustellung innerhalb von 14 Tagen nach Abs. 2 verlangt Vorrang vor der Grundregel etwa des deutschen Kostenrechts,2 die die Klagezustellung von der erfolgten Zahlung der Gerichtsgebühr abhängig macht. Grundsätzlich hat der Beklagte durch Ausfüllen und Abschicken des Antwortformblattes auf die Klage zu antworten. Den für den Kläger restlos bestehenden Formzwang schwächt Abs. 3 zugunsten des Beklagten allerdings ab: Es wird zwar nahegelegt, dass er durch Ausfüllen des für ihn einschlägigen Formblattes C antwortet, jedoch ist eine Verteidigung auch in jeder anderen Form voll wirksam. Diese Abschwächung des Formzwangs zumindest für den Beklagten ist auch deswegen zu begrüßen, weil die Ausfüllung der Formblätter – trotz allen Vereinfachungswillens – zuweilen mehr Kompliziertheit verursacht, als die Abfassung einer traditionellen Klageschrift. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wird ausdrücklich ins freie Ermessen des Richters gestellt. Er ordnet eine solche entweder auf eigene Initiative oder auf Parteiantrag hin an. Weder die „Erforderlichkeit“, worunter nunmehr im Sinne der Klarstellung durch die Reform-VO die Situation zu verstehen ist, dass der Richter aufgrund der schriftlichen Beweismittel kein Urteil fällen kann, noch ein entsprechender Parteiantrag zwingt ihn jedoch hierzu. Das Gericht kann den Parteiantrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unanfechtbar (wozu dann noch die Begründungspflicht ebenda?) ohne weiteres ablehnen, wenn ein faires Verfahren“ nach seiner Ansicht auch ohne mündliche Verhandlung sichergestellt werden kann.“3 Die Grundtendenz der Vorschrift wird weiter verstärkt durch Erwägungsgrund Nr. 11 der Reform-VO, der die mündliche Verhandlung ausdrücklich als Ausnahmefall hinstellt. Auch wenn Willkür keine Rolle spielen soll, wird – schon wegen der europaweit nicht geringen Überlastung unterer Gerichte – die Unnötigkeit der mündlichen Verhandlung wohl in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle bejaht werden.
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Es ist zweifelhaft, ob und wie diese Regelung den Anforderungen gerecht werden kann, die von Art. 6 EMRK (bzw. Art. 47 GR-Charta) und der sich daran anschließenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an ein faires Verfahren mit den Grundsätzen Mündlichkeit und Öffentlichkeit gestellt werden.4 Aus der Rechtsprechung des EGMR folgt jedenfalls ein – verzichtbares5 – Recht der Parteien auf mündliches Verfahren.6
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Es ist schwer nachzuvollziehen, was dadurch gewonnen ist, dass auch grundsätzlich verfassungsmäßig 4 verankerte Verfahrensrechtstraditionen der Mitgliedstaaten, die letzten Endes eine begründete Sachentscheidung fördern, ignoriert werden. So könnte der Vergleich der VO mit dem autonomen deutschen Verfahrensrecht sogar auch ein gewisses Abschreckungspotential in sich bergen und Rechts-
2 § 12 Abs. 1 S. 1. Daher die Aufnahme in den Ausnahmenkatalog des § 12 Abs. 2 mit der Begründung: „Da die Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen in Art. 5 Abs. 2 Satz 2 eine Zustellung des Klageformblatts innerhalb von 14 Tagen nach Eingang des ordnungsgemäß ausgefüllten Formblatts vorschreibt, darf die in § 12 Abs. 1 GKG festgelegte Vorwegleistungspflicht für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen keine Anwendung finden.“ Begr. zum Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung, BT-Drucks. 16/8839, 31. 3 Vgl. Art. 4 Fn. 197. 4 Zu Recht krit. Stürner, FS Kaissis (2012) 991, 1003 f., der eine menschenrechtskonforme Auslegung der zu „weit gehenden“ Schriftlichkeitsnorm der VO fordert. In die gleiche Richtung Hau in MünchKomm/ZPO4 Anh. §§ 1097 Art. 5 Rz. 2. Krit. bereits auch Hau, GPR 2007, 93, 96; König/Mayr/Jelinek, S. 72; Hess, EuZPR § 10 Rz. 93 und Kern, JZ 2012, 389, 394–396, Leipold, FS Prütting (2018) 403 f. mit Hinweis auf die Qualitätsminderung des Rechtsschutzes Nach der Gegenmeinung sei der Ausschluss der Mündlichkeit zu begrüßen, denn eine obligatorische mündliche Verhandlung auf Antrag hin würde das Verfahren dem Verzögerungswillen des Beklagten preisgeben. So z.B. Jahn, NJW 2007, 2890, 2892, Kramer, ZEuP 2008, 355 ff. und (rechtliches Gehör, mündliche Verhandlung und Rechtsgespräch vermengend) Mayer/Lindemann/Haibach, Rz. 788. 5 Im europäischen Bagatellverfahren disponiert aber das Gericht über die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung ohne Zutun der Parteien. Vgl. auch Art. 4 Fn. 197. 6 Auch unter dem Gesichtspunkt der Abwesenheit eines Rechtsbehelfs gegen die Versagung der beantragten mündlichen Verhandlung im Ergebnis einen EMRK-Verstoß mit guten Gründen bejahend Kern, JZ 2012, 389, 395 f. und allgemeiner in die gleiche Richtung Fasching/Konecny/Scheuer, Art. 5 Rz. 19–24. S. mit eingehender Aufbereitung der einschlägigen EGMR-Rechtsprechung Brokamp, S. 113–125. Mit ähnlicher Kritik unter Hinweis auf die EGMR-Rechtsprechung auch Schoibl, FS Leipold (2009) 335, 337, der die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sogar als Regelfall gelten lassen will.
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Durchführung des Verfahrens
suchende von dem Gebrauch der VO abhalten: In einem deutschen Bagatellverfahren nach autonomem Recht (§ 495a ZPO, mit einem Streitwert von höchstens nur 600 t) muss das Gericht eine mündliche Verhandlung anordnen, wenn dies von einer Partei beantragt wird. Der Formularzwang und die damit unweigerlich einhergehende Informationsarmut des europäischen Bagatellverfahrens hätten bei deutlich höheren Streitwerten für eine ähnliche Ausgestaltung der Antragsgebundenheit sprechen müssen.7 Der freimütige Ausschluss der Mündlichkeit ist gerade nach der Reform-VO auch noch vollkommen inkonsequent: Die Anhebung der Streitwertgrenze auf 5.000 t hat die Bedeutung und den Kreis der betroffenen Rechtsstreitigkeiten erhöht und erweitert. Bei höheren Streitwerten wird es gerade dem Verbraucher, dessen Psyche8 und dadurch dessen Vertrauen in die Rechtspflege intensiver hätten berücksichtigt werden müssen, nicht zumutbar sein, sich einem „Geheimverfahren“ zu unterwerfen, auf das er keine direkte, durch persönliche Anwesenheit und durch persönlichen Austausch mit dem Richter gesicherte Einflussmöglichkeit hat. Selbst der Kommissionsvorschlag hat daher richtigerweise zumindest anlässlich der Streitwertanhebung eine Antragsgebundenheit des Gerichts statuiert: Über 2.000 t Streitwert wäre nach dem Kommissionsvorschlag der Richter an den Antrag einer Partei auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gebunden gewesen. Während die Streitwertgrenze angehoben wurde, hat die Antragsgebundenheit jedoch keinen Eingang in die Neufassung der VO gefunden. Damit hat der europäische Gesetzgeber nach den ursprünglichen Versäumnissen auf diesem Gebiet im Jahre 2007 nun auch während der Reform in 2015 einmal mehr wenig Verständnis für die Prozessmaximen der Mitgliedstaaten gezeigt. 2. Einzelheiten des Verfahrensablaufs, Fristen 5
Nachdem das Gericht binnen der 14-tägigen Frist das Antwortformblatt zusammen mit dem Klageformblatt und etwaigen bereits beigefügten Beweisunterlagen dem Beklagten zugestellt hat, hat dieser 30 Tage, auf die Klage zu antworten. Die schriftliche Ausgestaltung des Verfahrens lässt für die Anberaumung eines für diese Phase des Zivilprozesses nach deutschem Recht üblichen frühen ersten Termins (§ 275 ZPO) selbstverständlich keinen Raum. Der entsprechende Ausschluss in § 1100 Abs. 2 ZPO ist zusätzlich auch deswegen überflüssig, weil schon aus Art. 7 Abs. 1 lit. c EG-BagatellVO folgt, dass eine mündliche Verhandlung erst nach Eingang beiderseitiger schriftlicher Vorbringen – und bei dann gleichzeitig bestehendem fortdauerndem Sachverhaltsaufklärungsbedarf – angeordnet werden kann.
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Auf dem Antwortformblatt wird vom Beklagten lediglich ein Minimum an Vortrag, zumeist nur ein Ankreuzen von vorgefertigten Antworten verlangt. Für zwei Blöcke, nämlich für den Fall des Bestreitens der klägerischen Forderung und den der Angabe von Beweismitteln wird mehr Raum gelassen. Der Beklagte darf aber auch in anderer, von der des Antwortformblattes abweichender Form antworten.
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Es ist jedoch nicht notwendig, dass das Verfahren gleich diesen als Idealfall vorgesehenen schriftlichen Lauf nimmt. Der Beklagte – wie auch der Kläger im weiteren Verlauf des Verfahrens – hat nämlich die Möglichkeit, aufgrund von Art. 6 Abs. 3 EG-BagatellVO die Annahme des Schriftstücks aus sprachlichen Gründen zu verweigern.9 In diesem Fall verzögert sich das Verfahren um die Dauer der Frist, die der Partei für die Beibringung einer Übersetzung gesetzt wird.
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Ist die Antwort des Beklagten bei Gericht eingegangen, so hat dieses wiederum 14 Tage, die Antwort samt etwaigen Beweisunterlagen dem Kläger zuzustellen. Antwortet jedoch der Beklagte überhaupt nicht, so kann das Verfahren bereits jetzt durch Sachentscheidung beendet werden: Art. 7 Abs. 3 EGBagatellVO eröffnet diese Möglichkeit und erlaubt eine schnelle Sachentscheidung, die funktional einem Versäumnisurteil gleichsteht, wenn der Beklagte innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Frist von 30 Tagen nicht antwortet. § 1103 ZPO stellt in dieser Hinsicht mit Allgemeingeltung für den ganzen Verlauf des Verfahrens fest, dass bei Säumnis einer Partei eine Entscheidung nach Aktenlage 7 Es kann daher nur Hau, JuS 2008, 1056, 1058 vorbehaltslos gefolgt werden: „Das Gericht wird allemal beherzigen müssen, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör … bei der richterlichen Verfahrensgestaltung nicht blindlings Effizienzbestrebungen geopfert werden darf.“ In die gleiche Richtung Kramer, ZEuP 2008, 355, 372. 8 So richtig Huber, RIW 2018, 625, 628. 9 S. dazu sogleich unten bei Art. 6 EG-BagatellVO.
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Art. 5 EG-BagatellVO
ergehen kann. Dies bedeutet, dass der deutsche Gesetzgeber von den säumnisrelevanten Vorschriften der ZPO (§ 251a ZPO und §§ 330 ff. ZPO) lediglich § 331a (ohne den Verweis auf § 251a!) ZPO für anwendbar hält, was schon daher schlüssig ist, weil die Aktenlageentscheidung nach der Logik der ZPO von einer bereits früher abgehaltenen mündlichen Verhandlung und dem anschließenden Untätigbleiben beider Parteien als Voraussetzungen ausgeht (§ 331a ZPO i.V.m. § 251a Abs. 2 ZPO). Abgesehen von begrifflichen Abgrenzungsschwierigkeiten und von der Abwesenheit einer Geständnisfiktion kann wohl festgehalten werden, dass in der hier einschlägigen Phase des Bagatellverfahrens (Ausbleiben der Antwort des Beklagten) die Entscheidung nach Art. 7 Abs. 3 EG-BagatellVO die Funktionen eines Versäumnisurteils10 gegen den Beklagten (§ 331 Abs. 2 ZPO) und der Aktenlageentscheidung (§ 331a i.V.m. § 251a ZPO) miteinander kombiniert,11 denn die Geltung der Vorschrift durchzieht das ganze Bagatellverfahren und dient so nicht zuletzt der Verfahrensbeschleunigung.12 Solche Aktenlageentscheidungen werden wohl einen beträchtlichen Teil der auf unverschuldete Säumnis gestützten Überprüfungsanträge nach Art. 18 EG-BagatellVO veranlassen.
9
Macht der Beklagte in seiner Antwort die streitwertbezogene Unanwendbarkeit der EG-BagatellVO geltend, so entscheidet das Gericht hierüber in einem selbstständig unanfechtbaren Zwischenentscheid über die Anwendbarkeit nach Art. 5 Abs. 5 EG-BagatellVO. Fällt der Zwischenentscheid negativ aus, so wird das Verfahren entsprechend Art. 4 Abs. 3 EG-BagatellVO in einen ordentlichen Zivilprozess nach autonomem Verfahrensrecht übergeleitet, in dem dann die Regelungen der EG-BagatellVO keinerlei Rolle mehr spielen (§ 1097 Abs. 2 ZPO).13
10
Für die Berechnung der genannten und auch sämtlicher anderer Fristen der VO wird die Verordnung 11 (EWG, Euratom) 1182/71 „zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine“14 und nicht die autonomen mitgliedstaatlichen Regeln über Art. 19 EG-BagatellVO (in Deutschland § 222 Abs. 1 i.V.m. §§ 186 ff. BGB) heranzuziehen sein. Zählt man alle in der VO genannten, vom Gericht und von den Parteien zu beachtenden Fristen (Ergänzung bzw. Berichtigung des Klageformblattes, Klageerwiderung, Stellungnahme seitens des Klägers, Widerklage, etwaige Beweisanträge und Beweisaufnahme und schließlich ausnahmsweise eine mündliche Verhandlung)15 zusammen, so wird es klar, dass es dem Verordnungsgeber daran gelegen war, spätestens etwa 6 Monate nach Klageerhebung das Verfahren durch Sachurteil abschließen zu lassen. Umso erstaunlicher und mit Hinblick auf den beabsichtigten Beschleunigungseffekt geradezu grotesk ist die alles relativierende „Fristengeneralklausel“ des Art. 14 Abs. 3 EG-BagatellVO, wonach die betreffenden Fristen praktisch unbegrenzt verlängerbar sind.16
12
3. Widerklage Begriff und Voraussetzungen der in Art. 5 Abs. 6–7 EG-BagatellVO bruchstückhaft17 geregelten Wi- 13 derklage sind autonom zu bestimmen. Insoweit statuiert ErwGr. 16 EG-BagatellVO eine Ausnahme von der generell auf die nationalen Prozessrechte verweisenden Ausfüllungsvorschrift des Art. 19 EGBagatellVO. Wegen des Verweises im genannten ErwGr. auf Art. 6 Nr. 3 Brüssel Ia-VO (und sinngemäß auf Art. 8 Nr. 3 Brüssel Ia-VO) ist für die Bagatellwiderklage das Konnexitätserfordernis der Brüssel Ia-VO18 maßgebend. Daher muss die Widerklage auf denselben Vertrag oder denselben Sachverhalt wie die Klage gestützt sein. Die etwas breiteren – insbesondere zumeist auch die Aufrech10 So im Ergebnis auch Bittmann, S. 219. 11 Wegen Fehlens der Geständnisfiktion ist dies kein echtes Versäumnisurteil im ursprünglichen Sinne. Die Qualifizierung als Versäumnisurteil wird einhellig abgelehnt, vgl. z.B. Musielak/Stadler, ZPO10 Vorbemerkung zum Teil 3. Versäumnisurteil (§ 330–§ 347) Rz. 2; Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR17 § 108 Rz. 27. 12 Für Anwendung in der Praxis vgl. AG Simmern v. 6.1.2012 – 3 C 732/11, BeckRS 2012, 17514. 13 Art. 5 Abs. 5 S. 2 EG-BagatellVO beinhaltet einen logischen Bruch. Verneint das Gericht die Anwendbarkeit, dann kann es nicht mehr zu einem Sachurteil kommen. „Ein gesondertes Rechtsmittel“ qualifiziert sich aber als solches erst in seinem Verhältnis zu gegen das Sachurteil statthaften Rechtsmitteln. 14 ABl. 1971 L 124/1. 15 Vgl. Art. 5 Abs. 2, 6, Art. 7. 16 S. dazu unten bei Art. 14 EG-BagatellVO. 17 Hau, JuS 2008, 1056, 1059. 18 Vgl. Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 6 Brüssel Ia-VO Rz. 23 ff.
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Sprachen
nungslage erfassenden – Konnexitätsbegriffe mancher mitgliedstaatlicher Rechtssysteme, wie etwa der des deutschen (§ 33 ZPO)19 kommen nicht zur Anwendung.20 Damit ist eine Widerklage, die etwa nur dem deutschen, nicht aber dem europäischen Konnexitätserfordernis entspricht, nach 1099 Abs. 1 ZPO als unzulässig abzuweisen. 14
Über die Konnexität hinaus muss die im Wege der Widerklage geltend gemachte Forderung naturgemäß auch in den Anwendungsbereich der VO fallen.21
15
Wie die meisten einzelstaatlichen Rechte will die EG-BagatellVO Klage und zulässige Widerklage konzentrieren, d.h. im Kontext der VO: In demselben Verfahren und in derselben Verfahrensart einer Entscheidung zuführen. Lediglich wenn der Streitwert der Widerklage allein 5.000 t überschreitet, werden Klage und Widerklage zusammen ins autonome Zivilprozessrecht übergeleitet, die beiden Streitwerte werden also – ebenso wie nach deutschem Streitwertrecht, § 5 Halbs. 2 ZPO – nicht zusammengerechnet. Eine gegenteilige Vorschrift hätte nicht nur eine wenig ökonomische Prozesstrennung wie im nationalen Recht zur Folge, sondern würde den eng zusammenhängenden Rechtsstreit in zwei verschiedene Verfahrensarten verzweigen lassen.
16
Im Falle einer Überleitung aufgrund des 5.000 t übersteigenden Streitwertes der Widerklage wird sowohl zur Klage als auch zur Widerklage ohne Anwendung der VO, nach nationalem Zivilprozessrecht weiter verfahren. Nach § 1099 Abs. 2 ZPO wird das Verfahren in der Lage übernommen, in der es sich zur Zeit der Erhebung der Widerklage befunden hat.
17
Für die Bagatellwiderklage gelten im Übrigen die für das Klageformblatt eingreifenden formellen Regeln. Für die Zwecke der Antwort auf die Widerklage wird der Kläger als Beklagter behandelt und damit greift für ihn die gleiche 30-tägige Antwortfrist wie für den ursprünglichen Beklagten ein.
Artikel 6 Sprachen (1) Das Klageformblatt, die Antwort, etwaige Widerklagen, die etwaige Antwort auf eine Widerklage und eine etwaige Beschreibung etwaiger Beweisunterlagen sind in der Sprache oder einer der Sprachen des Gerichts vorzulegen. (2) Werden dem Gericht weitere Unterlagen nicht in der Verfahrenssprache vorgelegt, so kann das Gericht eine Übersetzung der betreffenden Unterlagen nur dann anfordern, wenn die Übersetzung für den Erlass des Urteils erforderlich erscheint. (3) Hat eine Partei die Annahme eines Schriftstücks abgelehnt, weil es nicht in a) der Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder – wenn es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt – der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die Zustellung erfolgen soll oder an den das Schriftstück gesandt werden soll, oder b) einer Sprache, die der Empfänger versteht, abgefasst ist, so setzt das Gericht die andere Partei davon in Kenntnis, damit diese eine Übersetzung des Schriftstücks vorlegt.
I. Gerichtssprache als Verfahrenssprache 1
Art. 6 EG-BagatellVO gibt eine eindeutige Sprachenregelung, die nicht zuletzt auch die EuGH-Rechtsprechung zu dem Sprachenproblem im Zusammenhang mit der EG-ZustVO nachzeichnet. Alle wesentlichen Vorbringen (Klage, Antwort, Widerklage, Angabe der Beweismittel) sind in der Gerichtssprache zu machen. 19 Vgl. z.B. Patzina in MünchKomm/ZPO, § 33 ZPO Rz. 19 ff., 36. 20 Eine nach nationalem Recht zulässige nichtkonnexe Widerklage (§ 145 Abs. 2 ZPO) ist erst gar nicht möglich. 21 Vgl. das Fallbeispiel bei Brokamp, S. 87.
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II. Übersetzungspflicht nur im Kernbereich Lediglich in Bezug auf „weitere“ Unterlagen, zumeist also Urkundenbeweise, wird die Auferlegung ei- 2 ner Übersetzungspflicht der vorbringenden Partei ins richterliche Ermessen gestellt. Eine solche Anordnung setzt ferner voraus, dass die genaue Kenntnis der zu übersetzenden Unterlagen für die Sachentscheidung unerlässlich ist. Damit setzt Art. 6 Abs. 2 EG-BagatellVO praktisch die zur EG-ZustVO ergangene Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Weiss und Partner vs. IHK Berlin1 auf Verordnungsebene um.2 Demnach ist es keineswegs so, dass der Klageschrift und den darauffolgenden3 Schriftsätzen sämtliche Unterlagen mit einer Übersetzung versehen beizufügen sind. Lediglich die wesentlichen Schriftsätze sind zu übersetzen, damit die jeweils gegnerische Partei hinreichend über den Inhalt des Vorbringens informiert ist.4 Sonstige Unterlagen können in der Originalsprache eingereicht werden.5 Damit ist im Grundsatz die spätere Antwort des EuGH auf die erste Vorlagefrage in Weiss und Partner vs. IHK Berlin in den Verordnungstext aufgenommen. In dem Urteil heißt es, dass „… der Empfänger eines zuzustellenden verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht berechtigt ist, dessen Annahme zu verweigern, sofern es ihn in die Lage versetzt, im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens im Übermittlungsmitgliedstaat seine Rechte geltend zu machen, wenn diesem Schriftstück Anlagen beigefügt sind, die aus Beweisunterlagen bestehen, die nicht in der Sprache des Empfangsmitgliedstaats oder einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die der Empfänger versteht, abgefasst sind, aber lediglich Beweisfunktion haben und für das Verständnis von Gegenstand und Grund des Antrags nicht unerlässlich sind.“6 Ganz im Sinne des Weiss-Urteils geht sodann die EG-BagatellVO in Art. 6 Abs. 2 EG-BagatellVO einen Schritt weiter und stellt es ins richterliche Ermessen, wann es sich um Unterlagen handelt, bei denen eine Übersetzung für den Erlass des Urteils erforderlich erscheint. Diese Regel deckt sich sinngemäß auch mit dem im EuGH-Urteil verfolgten Gedankengang: „Es ist Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob der Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ausreicht, es dem Beklagten zu ermöglichen, seine Rechte geltend zu machen, oder ob es dem Absender obliegt, dem Fehlen einer Übersetzung einer unerlässlichen Anlage abzuhelfen.“7
III. Annahmeverweigerungsrecht Art. 6 Abs. 3 EG-BagatellVO übernimmt schließlich im Grunde die Regelung der Verweigerung der Annahme eines Schriftstücks aus Art. 8 EG-ZustVO. Die beiden Gründe, die den Schriftsatzempfänger zur Annahmeverweigerung berechtigen, decken sich wortwörtlich mit denen des Art. 8 Abs. 1 lit. a-b EG-ZustVO (dem Empfänger unbekannte Sprache oder keine Amtssprache des Empfangsmitgliedstaates). Für die Erklärung der Annahmeverweigerung steht dem Empfänger in Deutschland eine Notfrist von einer Woche ab Zustellung zur Verfügung (§ 1098 ZPO). Bei Versäumung ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach mitgliedstaatlichem Verfahrensrecht (in Deutschland § 233 ZPO) über Art. 19 EG-BagatellVO möglich.
3
Im Falle der Annahmeverweigerung setzt das Gericht den Absender hiervon in Kenntnis und unterrichtet ihn darüber, dass er den zur Annahmeverweigerung berechtigenden Sprachmangel durch Nachreichung einer entsprechenden Übersetzung heilen kann. Mit dieser Regelung wird die EG-Baga-
4
1 EuGH v. 28.5.2008 – 14/07, ECLI:EU:C:2008:264 – Weiss und Partner GbR/IHK Berlin, m. Anm. Hess, IPRax 2008, 400. 2 Freilich ist die Entscheidung einige Monate nach Erlass der EG-BagatellVO ergangen, so dass statt von Umsetzung eher von Vorwegnahme gesprochen werden kann. 3 Wobei hier einschränkend darauf hinzuweisen ist, dass die Entscheidung des EuGH sich auf das verfahrenseinleitende Schriftstück beschränkt. 4 Zu den Übersetzungserfordernissen vgl. Hess, EuZPR § 10 Rz. 94. 5 Schlosser, Rz. 3 formuliert andererseits zusätzlich gegenüber den Gerichten die Erwartung, englischsprachige Dokumente verstehen zu müssen. 6 EuGH v. 28.5.2008 – 14/07, ECLI:EU:C:2008:264 – Weiss und Partner GbR/IHK Berlin Rz. 78. 7 EuGH v. 28.5.2008 – 14/07, ECLI:EU:C:2008:264 – Weiss und Partner GbR/IHK Berlin Rz. 78.
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Art. 7 EG-BagatellVO Abschluss des Verfahrens tellVO den Vorgaben des noch zur alten Zustellungsverordnung8 ergangenen EuGH-Urteils Götz Leffler vs.Berlin Chemie9 gerecht. Dort wird die Vorschrift über das Annahmeverweigerungsrecht (Art. 8 EG-BagatellVO) dahingehend interpretiert, dass eine Heilungsmöglichkeit gegeben sein muss: „… wenn der Empfänger eines Schriftstücks dieses mit der Begründung zurückgewiesen hat, dass es nicht in einer Amtssprache des Empfangsmitgliedstaats oder in einer Sprache des Übermittlungsmitgliedstaats, die er verstehe, abgefasst sei, dieser Mangel dadurch geheilt werden kann, dass die Übersetzung des Schriftstücks nach den in der Verordnung vorgesehenen Modalitäten so schnell wie möglich übersandt wird.“10 Ebenso wie in der EG-ZustVO und in der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung bleiben jedoch etwaige Rechtsfolgen einer ungerechtfertigten Annahmeverweigerung auch in der EG-BagatellVO unerwähnt.11 Hier hätte zumindest schon der Reformverordnungsgeber eine Handlungsnotwendigkeit sehen müssen, machen doch Beklagte aller Provenienz – vom Verbraucher angefangen gerade auch bis zum international tätigen Großunternehmen – praktisch standardmäßig vom Annahmeverweigerungsrecht Gebrauch, was den zeitlichen Ablauf europäischer Bagatellverfahren (wie auch sonstiger grenzüberschreitender Zivilprozesse) ganz anders aussehen lässt, als was dem auf Effizienz bedachten europäischen Gesetzgeber vorschwebt.
Artikel 7 Abschluss des Verfahrens (1) Innerhalb von 30 Tagen, nachdem die Antworten des Beklagten oder des Klägers unter Einhaltung der Frist des Artikels 5 Absatz 3 oder Absatz 6 eingegangen sind, erlässt das Gericht ein Urteil oder verfährt wie folgt: a) Es fordert die Parteien innerhalb einer bestimmten Frist, die 30 Tage nicht überschreiten darf, zu weiteren die Klage betreffenden Angaben auf, b) es führt eine Beweisaufnahme nach Artikel 9 durch, c) es lädt die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung vor, die innerhalb von 30 Tagen nach der Vorladung stattzufinden hat. (2) Das Gericht erlässt sein Urteil entweder innerhalb von 30 Tagen nach einer etwaigen mündlichen Verhandlung oder nach Vorliegen sämtlicher Entscheidungsgrundlagen. Das Urteil wird den Parteien gemäß Artikel 13 zugestellt. (3) Ist bei dem Gericht innerhalb der in Artikel 5 Absatz 3 oder Absatz 6 gesetzten Frist keine Antwort der betreffenden Partei eingegangen, so erlässt das Gericht zu der Klage oder der Widerklage ein Urteil.
I. Urteilserlass oder weitere Aufbereitung des Streitstoffes 1
Im Zeichen der Verfahrensbeschleunigung versucht die Vorschrift auf eine alsbaldige Sachentscheidung hinzuwirken. Nach der ersten abgeschlossen Runde der gegenseitigen Vorbringen von Kläger und Beklagtem, d.h. nach Verstreichen der oben behandelten Fristen für die Antwort auf Klage bzw. Widerklage, hat das Gericht das Bagatellurteil zu fällen – so zumindest der Idealfall der Spruchreife gleich nach der ersten Runde der Prozesshandlungen in der Sache. Für den Urteilserlass hat das Gericht dann 30 Tage ab Eingang der Antwort auf die (Wider)Klage.
2
Innerhalb derselben Frist kann jedoch das Gericht einen – in der Praxis sich wohl statistisch als überwiegend erweisenden – Weg beschreiten und von einer (oder gleichzeitig mehreren!) der folgenden drei Möglichkeiten zur weiteren Aufbereitung des Streitstoffes und zur Vorbereitung der Sachent8 Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, ABl. 2000 L 160/37 (EG-ZustVO 2000). 9 EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG. 10 EuGH v. 8.11.2005 – C-443/03, ECLI:EU:C:2005:665 – Götz Leffler/Berlin Chemie AG Rz. 71. 11 Krit. Sujecki, NJW 2008, 1628, 1630.
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scheidung Gebrauch machen: Es kann die Parteien zur Beibringung von weiteren, ergänzenden Angaben innerhalb von nochmal 30 Tagen auffordern, eine beschränkte Beweisaufnahme nach Art. 9 EG-BagatellVO1 anordnen oder aber einen ebenfalls innerhalb von 30 Tagen stattzufindenden Termin zur mündlichen Verhandlung2 anberaumen. Wie bereits aus den ErwGr. 14 und 20 EG-BagatellVO, dem ErwGr. 11 der ReformVO sowie aus Art. 5 und Art. 9 EG-BagatellVO hervorgeht, sieht die EG-BagatellVO zumindest die beiden letztgenannten Möglichkeiten als Verfahrensgestaltungen mit Ausnahmecharakter an. Der Grundfall eines Bagatellurteils ist damit eine Aktenlageentscheidung.3 Schriftliche Vorbringen, die bis dahin eingereicht worden sind, sind nicht vorbereitender Natur, sondern Entscheidungsgrundlage ersten Ranges. Selbst wenn das Gericht eine mündliche Verhandlung abhält, kommt dieser die zentrale Bedeutung des § 128 Abs. 1 ZPO nicht zu.4 Auch die Unmöglichkeit der Anberaumung eines frühen ersten Termins (§ 1100 Abs. 2 ZPO) und dementsprechend die Entscheidung über die mündliche Verhandlung erst nach Eingang der Klageerwiderung zeigen die untergeordnete Stellung der mündlichen Verhandlung.
3
Ist nach Ansicht des Gerichts alles Entscheidungsrelevante – entweder in schriftlichen Vorbringen oder in der mündlichen Verhandlung – beigebracht, so beginnt die 30-tägige Frist zum Urteilserlass zu laufen.
4
II. Aktenlageentscheidung bei Säumnis Art. 7 Abs. 3 EG-BagatellVO eröffnet eine besondere, als Sanktionierung der Säumnis gedachte Möglichkeit der Aktenlageentscheidung und erfüllt zugleich praktisch auch die Funktion eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten, wenn der Beklagte innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden Antwortfrist von 30 Tagen nicht antwortet. Die Vorschrift gilt jedoch nicht nur für die Anfangsphase, sondern – wie § 1103 ZPO nochmals klarstellt – mit Allgemeingeltung für den ganzen Verlauf des Verfahrens.5 Daher kann bei Säumnis einer der Parteien jederzeit eine Entscheidung nach Aktenlage ergehen. Damit ist in Deutschland von den säumnisrelevanten Vorschriften der ZPO (§ 251a ZPO und §§ 330 ff. ZPO) lediglich § 331a (ohne den Verweis auf § 251a!) ZPO anwendbar, was schlüssig ist, weil die Aktenlageentscheidung nach der Logik der ZPO von einer bereits früher abgehaltenen mündlichen Verhandlung und dem anschließenden Untätigbleiben beider Parteien als Voraussetzungen ausgeht (§ 331a ZPO i.V.m. § 251a Abs. 2 ZPO).
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Abgesehen von den begrifflichen Abgrenzungsschwierigkeiten und von der Abwesenheit einer Geständnisfiktion kann festgehalten werden, dass die Vorschrift nach einem erfolglosen Verstreichen der Antwortfrist für den Beklagten die Funktionen eines Versäumnisurteils gegen den Beklagten (§ 331 Abs. 2 ZPO) erfüllt, während sie im weiteren Verlauf des Verfahrens als typische Aktenlageentscheidung (§ 331a ZPO i.V.m. § 251a ZPO) gewissermaßen als Damoklesschwert für zusätzliche Verfahrensbeschleunigung sorgt.
6
Artikel 8 Mündliche Verhandlung (1) Wird gemäß Artikel 5 Absatz 1a eine mündliche Verhandlung für erforderlich gehalten, so werden hierfür dem Gericht zur Verfügung stehende geeignete Mittel der Fernkommunikationstechnologie wie etwa die Video- oder Telekonferenz genutzt, es sei denn, deren Verwendung ist 1 S. dazu im Einzelnen die Kommentierung bei Art. 9 EG-BagatellVO. 2 S. dazu im Einzelnen die Kommentierungen bei Art. 5 EG-BagatellVO und Art. 8 EG-BagatellVO. 3 Übernommen von Schlosser, Rz. 3: „Wegen des besonderen Stellenwerts der mündlichen Verhandlung sind aber auch alle anderen Urteile Aktenlage-Entscheidungen.“ (im Verhältnis zu Art. 7 Abs. 3 EG-BagatellVO i.V.m. § 1103 ZPO). 4 Schlosser, Rz. 1. 5 BT-Drucks. 16/8839, § 1103 ZPO-E.
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Art. 8 EG-BagatellVO
Mündliche Verhandlung
in Anbetracht der besonderen Umstände des Falles für den fairen Ablauf des Verfahrens nicht angemessen. Hat die anzuhörende Person ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts, so wird die Teilnahme dieser Person an einer mündlichen Verhandlung per Videokonferenz, per Telekonferenz oder mithilfe anderer geeigneter Mittel der Fernkommunikationstechnologie in Anwendung der in der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates1 vorgesehenen Verfahren veranlasst. (2) Eine Partei, die geladen wurde, bei einer mündlichen Verhandlung persönlich anwesend zu sein, kann, sofern derartige Mittel dem Gericht zur Verfügung stehen, die Nutzung von Mitteln der Fernkommunikationstechnologie mit der Begründung beantragen, dass die für ihre persönliche Anwesenheit erforderlichen Vorkehrungen, insbesondere in Anbetracht der ihr dadurch möglicherweise entstehenden Kosten, in keinem angemessenen Verhältnis zu der Klage stehen würden. (3) Eine Partei, die geladen wurde, unter Verwendung eines Mittels der Fernkommunikationstechnologie an einer mündlichen Verhandlung teilzunehmen, kann ihre persönliche Anwesenheit bei der Verhandlung beantragen. Mit Klageformblatt A und Antwortformblatt C, die nach dem Verfahren gemäß Artikel 27 Absatz 2 erstellt werden, werden die Parteien darüber unterrichtet, dass die Rückerstattung der Kosten, die einer Partei aufgrund der von ihr selbst beantragten persönlichen Anwesenheit bei der mündlichen Verhandlung entstehen, den Bedingungen des Artikels 16 unterliegt. (4) Gegen die Entscheidung des Gerichts über einen Antrag gemäß den Absätzen 2 und 3 ist ohne Anfechtung des Urteils selbst kein gesondertes Rechtsmittel zulässig. 1
Die Vorschrift regelt entgegen ihrem amtlichen Titel nicht die Einzelheiten der mündlichen Verhandlung, sondern lediglich die Modalitäten, mit deren Hilfe sie – im Sinne des Verordnungsgebers um jeden Preis – vermieden werden kann. Sie hat damit praktisch nur eine Ergänzungsfunktion zu Art. 5 EG-BagatellVO, wo die mündliche Verhandlung mit Nachdruck als eine Ausnahmegestaltung des Verfahrens behandelt wird. Sollte es einmal wider Erwarten zur Anberaumung einer mündlichen Verhandlung kommen, so soll auch sie nicht in erster Linie der Verwirklichung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes – den ja die VO nicht von ungefähr vernachlässigt – dienen, sondern für die Zwecke der Beschleunigung und Vereinfachung im Zaum gehalten werden und möglichst unter Vermeidung der persönlichen Erscheinung der Verfahrenssubjekte abgewickelt werden. In diesem Sinne widmet sich die „Mündliche-Verhandlungsvorschrift“ der VO ausschließlich der Anwendung der modernen Fernkommunikationstechnologie sowie der internationalen Rechtshilfe, beiden wohlgemerkt als Methoden der Mündlichkeit und damit der Vermeidung jeglicher Unmittelbarkeit und persönlicher Erscheinung. Die spärliche und sich auf eine einzige Randerscheinung konzentrierende Regelung der mündlichen Verhandlung zeigt noch einmal in aller Deutlichkeit, dass die EG-BagatellVO im Gegensatz zu den mitgliedstaatlichen Verfahrensrechten (etwa § 128 ZPO) der mündlichen Verhandlung keinen besonderen Stellenwert beimisst und diese lediglich als mögliche Ergänzung, keineswegs aber etwa als notwendigen Bestandteil des europäischen Erkenntnisverfahrens ansieht. Der bedauerliche paradigmatische Unterschied zu den tradierten Lösungen der einzelstaatlichen Prozessrechte, so etwa zum deutschen Recht (§§ 128a, 495a ZPO) wird eben an dem reinen Ergänzungscharakter der Vorschrift sichtbar: Während dem § 128a ZPO der Grundsatz der Mündlichkeit in § 128 ZPO vorangestellt ist, der gem. § 495a S. 2 ZPO auch in deutschen Bagatellsachen nicht durchbrochen wird, ist Art. 8 EG-BagatellVO im Zeichen der ihr vorangestellten und zur Grundregel erhobenen Schriftlichkeit laut Art. 5 EG-Bagatell-VO zu lesen.
2
Die einzige Voraussetzung zur Anwendung moderner Technologien ist deren technische Verfügbarkeit. Dies ist angesichts der Unterschiede in der Ausstattung der einzelnen mitgliedstaatlichen Ge-
1 Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 1).
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Art. 9 EG-BagatellVO
richtssysteme konsequent.2 § 1100 Abs. 1 ZPO stellt für den Fall der Verwendung klar, dass – wie schon nach autonomem Recht, § 128a ZPO – die Verhandlung zeitgleich in Bild und Ton an den Ort, an dem sich die Parteien, Bevollmächtigten und Beistände aufhalten, und in das Sitzungszimmer übertragen, nicht aber aufgezeichnet wird. Im Unterschied zur früheren Rechtslage und entsprechend der Neufassung des § 128a ZPO ist hingegen das Einverständnis der Parteien zur Nutzung der genannten modernen Kommunikationsmittel entbehrlich. Die Entbehrlichkeit des Einverständnisses der Parteien findet ihre Legitimation in dem zu erreichenden Beschleunigungs- und Vereinfachungseffekt. Wie die Begründung des Gesetzesentwurfs zur Durchführung der VO in diesem Zusammenhang richtig klarstellt: „Im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr wäre die Notwendigkeit eines Antrags oder Einverständnisses auch unzweckmäßig. Eine Partei hätte es dann in der Hand, eine mündliche Verhandlung vor dem Prozessgericht zu erzwingen und auf diese Weise einen unverhältnismäßigen Zeitaufwand oder Reisekosten zu verursachen, die den Gegner von der gerichtlichen Durchsetzung seiner Rechte abhalten könnten.“ Nach alledem bildet jene Regelung den Hauptteil der Vorschrift, die in jeder Lage die Fernkommuni- 3 kation priorisiert: In Abs. 1 a.E. bis 3 wird einerseits die Rechtshilfe nach der EG-BeweisVO unter Verwendung moderner Technologien nahegelegt, andererseits den Parteien eine Wahlmöglichkeit eingeräumt: Den zur ausnahmsweise zur mündlichen Verhandlung geladenen Parteien wird zunächst nahegelegt, insbesondere unter Berufung einer Kostenintensität der persönlichen Erscheinung hierauf zu verzichten und auf moderne Fernkommunikationstechnologien auszuweichen. Sind die Parteien hingegen nicht zur mündlichen Verhandlung geladen, können sie eine solche zwar beantragen, jedoch werden sie auch dann unter Vorwegnahme der Erstattungsunfähigkeit der hierdurch entstandenen Kosten geladen: Stellt eine Partei einen entsprechenden Antrag, weil sie das persönliche Verhandeln für erforderlich hält, läuft sie Gefahr, dass das Gericht diese Notwendigkeit nicht sieht und – ganz im Sinne der VO mit Art. 16 EG-BagatellVO – die Kosten selbst bei Obsiegen der antragstellenden Partei nicht erstatten lässt. Selbst bei Notwendigkeit bleiben Kosten, die im Vergleich zum Streitwert als unverhältnismäßig erscheinen, ohne Erstattung wegen Art. 16 S. 2 Alt. 2. Diese Ausgestaltung der Regelung wirkt weiter entmutigend hinsichtlich möglicher Anträge auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung. Abs. 4 der Vorschrift sorgt schließlich dafür, dass in dem den Namen „kontradiktorisch“ nicht verdie- 4 nenden Hauptabschnitt des Verfahrens die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung auch im Rechtsmittelweg nicht erzwungen werden kann, da gegen die ablehnende Entscheidung des Gerichts kein eigenständiger Rechtsbehelf statthaft ist. Damit rundet Abs. 4 die Vorschrift unter dem Titel „Mündliche Verhandlung“ mit einem Inhalt ab, der mit allen Mitteln auf eine Abschneidung derselben aus ist.
Artikel 9 Beweisaufnahme (1) Das Gericht bestimmt die Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme, die im Rahmen der für die Zulässigkeit von Beweisen geltenden Bestimmungen für sein Urteil erforderlich sind. Es wählt die einfachste und am wenigsten aufwendige Art der Beweisaufnahme. (2) Das Gericht kann die Beweisaufnahme mittels schriftlicher Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen oder schriftlicher Parteivernehmung zulassen. (3) Ist eine Person im Rahmen der Beweisaufnahme anzuhören, so findet die Anhörung nach Maßgabe des Artikels 8 statt. (4) Das Gericht darf Sachverständigenbeweise oder mündliche Aussagen nur dann zulassen, wenn es nicht möglich ist, aufgrund anderer Beweismittel ein Urteil zu fällen.
2 So auch Huber, RIW 2018, 625, 628.
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Art. 9 EG-BagatellVO
Beweisaufnahme
I. Freibeweis 1
Abweichend von der Grundregel der ZPO (Strengbeweis, Ausnahme: § 284 S. 2 und § 495a ZPO) eröffnet die EG-BagatellVO den Weg zum Freibeweisverfahren.1 Schon die Durchführung einer Beweisaufnahme nach dem Schriftsatzwechsel ist mit betontem Ausnahmecharakter (Art. 7 Abs. 1 lit. b EG-BagatellVO) ins Ermessen des Gerichts gestellt. Diese lockere Haltung setzt sich auch in der Ermöglichung der völlig freien Gestaltung des „etwaigen“ Beweisverfahrens fort. Die VO zählt mehr oder weniger zufällig ausgewählte Beweismittel ohne ein ersichtliches System auf und bringt damit ein Grundanliegen zugunsten des Freibeweises zum Ausdruck.
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Diese äußerst spärliche Regelung führt – auch bereits wegen der subsidiären Geltung des einzelstaatlichen Verfahrensrechts (Art. 19 EG-BagatellVO) – dazu, dass bei einer ausnahmsweise zu erfolgenden Beweisaufnahme die Beweisvorschriften des Verfahrensrechts des Forumstaates ergänzend zur Anwendung kommen. Dies dürfte mit dem unverständlichen – und wegen Art. 19 EG-BagatellVO auch überflüssigen – Halbsatz „im Rahmen der für die Zulässigkeit von Beweisen geltenden Bestimmungen“ in Art. 9 Abs. 1 EG-BagatellVO gemeint sein.2
3
Trotz der Ausgestaltung der Beweiserhebung in Gestalt eines Freibeweisverfahrens gilt eindeutig – wie aus Art. 9 Abs. 1 und 3 EG-BagatellVO ersichtlich – ein gewisser Vorrang der schriftlichen bzw. über moderne Kommunikationstechnologien vermittelbaren Beweismittel, ganz im Sinne der grundsätzlichen Schriftlichkeit des Verfahrens. Diese Tendenz wurde durch die Neufassung der Vorschrift durch die ReformVO noch verstärkt: Die Voranstellung des Satzes, wonach „das Gericht die einfachste und am wenigsten aufwendige Art der Beweisaufnahme wählt“ in Abs. 1 zeugt von deren Stellenwert als beweisrechtlicher Verfahrensgrundsatz in der Regelungslogik der VO. Auch der neu eingefügte Verweis auf Art. 8 EG-BagatellVO in Sachen Anhörung sowie die Umformulierung der – auch nach früherer Rechtslage geltenden – Subsidiarität des Sachverständigenbeweises und der mündlichen Anhörung von Beweispersonen bestätigen, dass es dem (Reform)Verordnungsgeber weniger an gründlicher Sachverhaltsermittlung als an Schnelligkeit und Einfachheit bei der Ausgestaltung der Beweisvorschrift der VO gelegen war.
4
Wird eine grenzüberschreitende Beweisaufnahme notwendig, so kommen zwischen den Mitgliedstaaten die EG-BewVO,3 im Verhältnis zu Dänemark und Drittstaaten das HBÜ bzw. die u.U. sonst anwendbaren völkerrechtlichen Rechtshilfeverträge4 zur Anwendung.
II. Einzelne Beweismittel 5
Zu den von der VO hervorgehobenen Beweismitteln gehören schriftliche Zeugenaussagen, schriftliche Sachverständigengutachten sowie die schriftliche Parteivernehmung.
6
Der Urkundenbeweis bleibt unerwähnt, doch dürfte dieser im Großen und Ganzen die Hauptrolle spielen (Benennung bzw. Beifügung schon beim Schriftsatz/Formblattwechsel), da die in Art. 9 EGBagatellVO erwähnten anderen Beweismittel im Rahmen eines erst unter Umständen ergänzend (Art. 7 EG-BagatellVO) angeordneten weiteren Beweisverfahrens überhaupt in Frage kommen.5
7
Im Einzelnen gilt für Zeugenaussagen (auch schriftliche) nichts anderes als im autonomen Recht. Schriftliche Zeugenaussagen treten neben die bzw. haben wohl nach dem Willen des Verordnungsgebers Vorrang vor der in §§ 396, 397 ZPO als Grundfall behandelten Zeugenvernehmung im Rah1 Vgl. Hess, EuZPR § 10 Rz. 97. 2 Ebenso Rauscher, IPR3 Rz. 2329 („wohl“) und Brokamp, S. 99: Die Vorschrift solle verhindern, dass „im Europäischen Bagatellverfahren eine umfangreichere Beweisaufnahme stattfindet … als in einem entsprechenden mitgliedstaatlichen Verfahren“. Anders die Gesetzesbegründung: BT-Drucks. 16/8839, § 1101 Abs. 1 ZPO-E. 3 Art. 9 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 EG-BagatellVO kann u.U. bei der Auslegung des Art. 1 und 17 EG-BeweisVO miteinbezogen werden, vgl. Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen v. 6.9.2012 in der Rs. 332/11 – ProRail NV/Xypedy NV und andere, Rz. 64. 4 Für eine aktuelle Übersicht vgl. Schack, IZVR6 Rz. 59–63. 5 Was freilich nicht ausschließt, dass eine Partei bereits „ihrem“ Formblatt eines oder mehrere der in Art. 9 EGBagatellVO genannten schriftlichen Beweismittel beifügt.
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Varga
Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 9 EG-BagatellVO
men einer spontanen Berichterstattung und anschließender Befragung in der mündlichen Verhandlung, wobei zunächst der Zeuge seine Wahrnehmungen im Zusammenhang, möglichst unbeeinflusst und ohne Unterbrechung6 präsentieren soll. Grundsätzlich kommt es nach autonomem Recht erst anschließend zu einer ergänzenden Befragung durch das Gericht. Zuletzt haben auch die Parteien bzw. ihre Prozessvertreter ein Fragerecht. All dies setzt in der ZPO freilich die zentrale Stellung der mündlichen Verhandlung voraus, die für die EG-BagatellVO gerade nicht der Fall ist. Daher nicht von ungefähr die Nennung der schriftlichen Zeugenaussagen an erster Stelle. Auch diese sind jedoch im deutschen autonomen Zivilprozessrecht unproblematisch, weswegen sich hier wenig Abweichungen von gängiger deutscher Gerichtspraxis ergeben: Seit der Novellierung des § 377 ZPO im Jahre 19907 kommt der Möglichkeit in § 377 Abs. 3 ZPO vor deutschen Gerichten wachsende Bedeutung zu. Wie jedoch aus dem Wortlaut der Vorschrift ersichtlich, macht die schriftliche Zeugenaussage die persönliche Vernehmung grundsätzlich nicht gegenstandslos.8 Eine solche Ersetzungsfunktion kann zwar der schriftlichen Aussage zukommen, doch ist dies in der Praxis auch wegen ihres gegenüber der mündlichen Vernehmung geminderten Beweiswertes wohl eher selten.9 Dieses Verhältnis kehrt sich in der EG-BagatellVO gerade um und die schriftliche Zeugenaussage genießt grundsätzlich Vorrang. Auch hinsichtlich des Sachverständigengutachtens bestehen wohl keine wesentlichen Unterschiede im Vergleich zum geltenden deutschen Zivilprozessrecht. Es ist jedoch – zumindest aus dem Wortlaut der VO („kann … zulassen“) – eine gewisse Gewichtsverschiebung in Richtung Parteisachverständige zu ersehen. In §§ 402 ff. ZPO stellt der vom Gericht bestellte Sachverständige den Regelfall dar. Seine Bestellung kann auf Parteiantrag oder von Amts wegen gem. § 144 ZPO erfolgen. Zur amtswegigen Bestellung kann das Gericht unter Umständen sogar verpflichtet sein, wenn es das zur Beurteilung des Falles nötige Fachwissen nicht besitzt.10 Die Auswahl und die Einweisung des Sachverständigen obliegen nach §§ 404, 404a ZPO ebenfalls grundsätzlich dem Gericht. Der Sachverständigenbeweis wird nämlich laut § 403 ZPO durch die Angabe des Beweisthemas angetreten.11
8
Demgegenüber bringt die Formulierung im Verordnungstext, wonach das Gericht Sachverständigen- 9 gutachten „zulassen“ kann, zum Ausdruck, dass im europäischen Bagatellverfahren gerade Parteisachverständigen die größere Rolle zukommen soll. In der summarischen Verfahrensart ist es ja auch kaum praktikabel, das Beweisthema u.U. in mehreren Runden und einer mündlichen Verhandlung – die es ja als Grundfall gar nicht gibt – zu bestimmen und anschließend einen gerichtlichen Sachverständigen zu bestellen. Dies würde auch vielfach außer Verhältnis zum Streitwert stehen.12 Stattdessen will der Verordnungsgeber offenbar durch die Vorschrift des Art. 9 Abs. 2 EG-BagatellVO die Parteien dazu bewegen, selbst Sachverständigengutachten einzureichen, wenn sie Fachfragen13 als entscheidungsrelevant beurteilen. Es gibt auch keinen ersichtlichen Grund, die Parteien hieran zu hindern.14 Die grundsätzliche Verwertbarkeit von Parteisachverständigengutachten bedeutet auch 6 Damrau in MünchKomm/ZPO, § 396 ZPO Rz. 2. 7 Vgl. § 377 Abs. 3 ZPO u.a. als Ergebnis von Prozessrechtsvergleichung (attestation, Art. 199 ff. NCPC). Vgl. den entsprechenden Hinweis bei Stürner/Stadler in Gilles (Hrsg.), Transnationales Prozessrecht, S. 286 und Stadler, ZZP 110 (1997) 137, 151 ff. 8 Damrau in MünchKomm/ZPO, § 377 ZPO Rz. 16. 9 Zu den Gründen vgl. Stadler, ZZP 110 (1997) 137, 149, 163. 10 Vgl. BGH v. 18.3.1993 – IX ZR 198/92, NJW 1993, 1796. 11 Vgl. Hahn, Materialien CPO, S. 317 (zu § 355). 12 S. aber sogleich unten die Kritik der Vorschrift. 13 Zu denen gerade im grenzüberschreitenden Kontext der VO nicht selten auch die Ermittlung des Inhalts ausländischen materiellen Rechts gehört. Diesbezügliche Privatgutachten können schon wegen des Anspruchs der vorbringenden Partei auf rechtliches Gehör nicht aus dem Beweisverfahren ausscheiden. 14 Offenbar ebenfalls als unproblematisch behandelt von Fasching/Konecny/Scheuer, Art. 9 Rz. 8. A.A., vom Ausschluss des Parteisachverständigenbeweises ausgehend, Jauernig/Hess, ZPR30, § 69 III Rz. 18 Fn. 18 und Hess, EuZPR § 10 Rz. 97 Fn. 356. Aus dem Verordnungstext folgt jedoch, dass sich die Beschränkung sinngemäß nur auf den gerichtlich bestellten Sachverständigen beziehen soll. Auf einem anderen Blatt steht, dass die Vorschrift es dem Gericht erlaubt, ein – z.B. gleich als Anlage der Klageschrift eingereichtes – Privatgutachten, das somit Teil des Parteivortrages geworden ist, bei der Verwertung der Beweismittel als unnötig zu qualifizieren und auszuklammern und damit die mit dessen Einholung verbundenen Kosten aus dem Kostenerstattungsanspruch auszuschließen. Wohl in diese richtige Richtung der Differenzierung auch Hau in MünchKomm/ZPO4, Anh. §§ 1097 Art. 2 Rz. 7.
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Art. 9 EG-BagatellVO
Beweisaufnahme
keinen Bruch mit dem deutschen Verfahrensrechtsverständnis: Zwar ist die Beauftragung privater Sachverständiger in Zivilprozessen eine Eigenart des angelsächsischen Rechtskreises, doch ist dies auch in den kontinentalen nationalen Prozessrechtsordnungen nicht ausgeschlossen.15 In Deutschland sieht die Rechtsprechung des BGH das Parteisachverständigengutachten, also das Gutachten eines im Gegensatz zu § 404 Abs. 4 ZPO lediglich durch eine Partei beauftragten16 Sachverständigen, als substantiiertes, urkundlich belegtes Parteivorbringen an.17 Diese jedenfalls sprachlich klare Abgrenzung soll besagen, dass es sich bei der in den Prozess eingeführten privaten Begutachtung nicht um einen Sachverständigenbeweis im Sinne der ZPO handelt. Daraus folgt, dass der Richter auch bei Vorliegen von einem oder mehreren Privatgutachten grundsätzlich nicht von seiner Pflicht entbunden ist, einen neutralen gerichtlichen Sachverständigen zu bestellen.18 Dies schließt jedoch nicht aus, dass am Ende inhaltlich möglicherweise gerade das Privatgutachten den Ausschlag für die Entscheidung geben kann. Alles in allem wird trotz der Qualifizierung als Parteivorbringen eine Annäherung und inhaltlich gesehen praktisch beinahe eine Gleichstellung von privaten und gerichtlichen Sachverständigengutachten auch im autonomen Recht zunehmend sichtbar. 10
Zuletzt erwähnt noch Art. 9 Abs. 2 EG-BagatellVO die schriftliche Parteivernehmung als mögliches Beweismittel. Durch diese Hervorhebung – und natürlich schon wegen des in der VO geltenden Freibeweises – ist die vielkritisierte19 und mittlerweile wohl international überholte20 Differenzierung zwischen Zeugen- und Parteivernehmung, wo Letztere grundsätzlich nur subsidiär und erst nach Ausschöpfung sämtlicher anderer Beweismittel zum Einsatz kommen kann (§§ 445, 447 ZPO), aufgehoben. Damit wird dem Parteibeweis ein größerer Stellenwert eingeräumt und für das europäische Erkenntnisverfahren die Abschaffung der Differenzierung vollzogen, was tendenziell nicht zuletzt auch mit der neueren deutschen Rechtsprechung in Einklang steht.21
III. Einfachheit und Kosteneffizienz als problematische Leitmotive der Regelung 11
Eine merkwürdige „Neuerung“, die zugleich nur schwer mit dem Gedanken des Freibeweisverfahrens zu vereinbaren ist, stellen die Vorschriften von Art. 9 Abs. 1 S. 2 und Abs. 4 EG-BagatellVO dar. Die Vorschriften wurden zwar im Zuge der Reform 2015 neugefasst, doch hat sich an dem Wesensgehalt der Vorschrift nichts geändert. Die Regelung soll offenbar dazu dienen, selbst den subsidiär ausgestalteten Beweisantritt nach dem Schriftsatzwechsel zurückzudrängen. Die hier verwendeten Formulierungen sind nur schwer in eine halbwegs durchdachte Prozessrechtsdogmatik einzuordnen und entfernen sich – zusammen mit dem Vorrang der Schriftlichkeit – von wesentlichen Grundsätzen autonomer Beweisrechte (Unmittelbarkeit, Parteiöffentlichkeit, Beweismittelerschöpfung). Vom Gericht im Wege freien Ermessens beurteilende Verhältnismäßigkeit und Kosteneffizienz treten hier in einer sehr problematischen Art und Weise an die Stelle der Erheblichkeit.22
12
Sachverständigenbeweise und mündliche Aussagen sollen nur dann angeordnet werden dürfen, wenn es nicht möglich ist, aufgrund anderer Beweismittel ein Urteil zu fällen. Dabei soll auch noch immer das einfachste und am wenigsten aufwendige Beweismittel gewählt werden. Richtigerweise hat hier zwar die ReformVO den ausdrücklichen Zusatz, „dabei sei den Kosten Rechnung zu tragen“ gestrichen. Das wird durch die richtige Erkenntnis bewirkt worden sein, dass bei einer bereits angeordneten Beweisaufnahme dem – von der VO immer noch vorrangig behandelten – Kosteneffizienzaspekt kein absoluter, den auf echte Sachverhaltsermittlung gerichteten Anspruch entkräftender Wert 15 Vgl. z.B. Stürner, FS Sandrock 959, 961. 16 Zwischen der Partei und dem Sachverständigen kommt ein Werkvertrag zustande. 17 Vgl. z.B. BGH, VersR 1963, 1188; BGH v. 22.4.1997 – VI ZR 198/96, NJW 1997, 3381. Aus dem Schrifttum vgl. nur Döhring, Die Erforschung des Sachverhalts im Prozess, S. 256 ff. 18 Vgl. BGH v. 15.4.1981 – IVb ZB 614/81, VersR 1981, 577. 19 Vgl. für die Aufwertung des Parteibeweises z.B. Gehrlein, ZZP 110 (1997) 451 ff. Für die Abschaffung der Differenzierung z.B. G. Wagner. Für Letzteren vgl. Oepen, ZZP 113 (2000) 347, 350. 20 Vgl. die einschlägigen rechtsvergleichenden Untersuchungen von Coester-Waltjen, ZZP 113 (2000) 269 ff.; Oberhammer, ZZP 113 (2000) 295, 307; G. Wagner, ZEuP 2001, 441, 494. 21 Vgl. z.B. BGH v. 16.7.1998 – I ZR 32/96, NJW 1999, 363; BVerfG v. 21.2.2001 – 2 BvR 140/00, NJW 2001, 2531 sowie weitere Nachweise bei G. Wagner, ZEuP 2001, 441, 491. 22 Krit. m.w.N. Brokamp, S. 101 ff., Kern, JZ 2012, 389, 396 f., Leipold, FS Prütting (2018) 401.
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Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 10 EG-BagatellVO
beigemessen werden darf. Wird einmal die Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens oder einer mündlichen Aussage im Interesse der Erzielung eines begründeten Urteils bejaht, dann bleibt wohl wenig Raum für eine diesbezügliche Kostenbegrenzung.23 Problematisch bleibt dann jedoch immer noch das Verhältnis der Vorschrift zu dem Grundsatz der Wahl des einfachsten und am wenigsten aufwendigen Beweismittel. Nicht unbedingt der Wahrheitsfindung förderlich ist nämlich die allgemeine, durch die ReformVO nunmehr auf Grundsatzniveau heraufgestufte Regelung in Abs. 1 S. 2, wonach das Gericht stets „das einfachste und am wenigsten aufwendige“ Beweismittel zu wählen hat. An Beweisanträge der Parteien ist das Gericht – wie § 1101 Abs. 1 ZPO nochmals klarstellt – keineswegs gebunden. Der auch verfassungsmäßig garantierte Grundsatz der Beweismittelerschöpfung wird ebenfalls entkräftet.24 Das steht zwar mit dem Prinzip des Freibeweises in Einklang, verstärkt aber die der EG-BagatellVO ohnehin schon wesenseigene Tendenz hin zu Pauschal- bzw. Wahrscheinlichkeitsentscheidungen. Solche werden aber auch durch die Geringfügigkeit des Streitwertes nicht legitimiert.
13
Artikel 10 Vertretung der Parteien Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder einen sonstigen Rechtsbeistand ist nicht verpflichtend. Das durch die EG-BagatellVO geschaffene Verfahren ist nach der deutschen Terminologie ein Parteiprozess (§ 79 ZPO), wobei die einschlägigen Regeln über Partei- und Prozessfähigkeit der jeweiligen lex fori zu entnehmen sind. Es steht den Parteien frei, sich vertreten zu lassen, doch obligatorisch ist dies nicht. Auf einem anderen Blatt steht, dass eine anwaltliche Vertretung wegen der misslungenen Vereinfachung des Inhalts der Formblätter1 durchaus geboten2 sein kann.
1
Insbesondere darf ein Anwaltszwang auch nicht schleichend über mitgliedstaatliche Ausführungsvorschriften oder über den Umweg des im Übrigen wegen Art. 19 EG-BagatellVO anzuwendenden autonomen Prozessrechts eingeführt werden.3 Eine solche Konstellation würde in Deutschland etwa für diejenigen europäischen Bagatellverfahren entstehen, die in die Zuständigkeit der LG fallen4 (§ 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG i.V.m. § 78 Abs. 1 ZPO). Art. 10 EG-BagatellVO als Spezialvorschrift verdrängt insoweit die Verweisungsnorm Art. 19 EG-BagatellVO. Daher besteht in dem Anwendungsbereich der EG-BagatellVO auch vor deutschen LG kein Anwaltszwang.
2
Da der Anwendungsbereich der EG-BagatellVO naturgemäß nur das erstinstanzliche Verfahren erfasst, entscheidet über die Vertretungsfrage in der Rechtsmittelinstanz das jeweilige mitgliedstaatliche Verfahrensrecht.5
3
23 Mit Recht krit. daher Kern, JZ 2012, 389, 397, der von kostenabhängiger Hierarchie der Beweismittel, damit einhergehender Benachteiligung einzelner Beweismittel und im Ergebnis einer nicht zu legitimierenden Beschränkung der Wahrheitsfindung spricht. Vgl. andererseits den Vorschlag von Schlosser, EU-Zivilprozessrecht3 Art. 9 BagatellVO Rz. 4, die Grenze für noch verhältnismäßige Beweiserhebungskosten etwa bei der Hälfte des Streitwertes anzusetzen. 24 Vgl. Schlosser, Rz. 5 unter Verweis auf BVerfG, NJW 1979, 413. 1 Vgl. oben bei Art. 4 Rz. 2 ff. 2 Ebenso Brokamp, S. 26. 3 Entgegen Hess, EuZPR § 10 Rz. 94 ist also das – durch Art. 10 EG-BagatellVO insoweit verdrängte – nationale Prozessrecht gerade bedeutungslos für die Frage, „ob anwaltliche Vertretung erforderlich ist“. Vgl. zutr. z.B. Hau in MünchKomm/ZPO4, Anh. §§ 1097 ff. Art. 19 Rz. 2. 4 Vgl. oben bei Art. 2 EG-BagatellVO Rz. 8. 5 Ebenso z.B. Freitag/Leible, BB 2009, 2, 5 und König/Mayr/Jelinek, S. 64. Vgl. auch Art. 17 EG-BagatellVO.
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Art. 11 EG-BagatellVO Hilfestellung für die Parteien
Artikel 11 Hilfestellung für die Parteien (1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass es den Parteien möglich ist, sowohl praktische Hilfestellung beim Ausfüllen der Formblätter als auch allgemeine Informationen über den Anwendungsbereich des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen sowie allgemeine Informationen darüber zu erhalten, welche Gerichte in dem betreffenden Mitgliedstaat dafür zuständig sind, ein Urteil in dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen zu erlassen. Diese Hilfestellung wird unentgeltlich gewährt. Dieser Absatz verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht zur Gewährung von Prozesskostenhilfe oder rechtlicher Beratung in Form einer rechtlichen Prüfung im Einzelfall. (2) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass Angaben zu den Behörden oder Organisationen, die im Sinne des Absatzes 1 Hilfestellung geben können, bei allen Gerichten, bei denen das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen eingeleitet werden kann, zur Verfügung stehen und über die einschlägigen nationalen Internetseiten zugänglich sind. 1
Anders als die misslungene, zu allgemein gehaltene Formulierung in der Ursprungsfassung der VO1 hat sich der Reformverordnungsgeber zu mehr Präzision in der Regelung der Hilfestellung durchringen können. Hat die alte Version der Vorschrift lediglich die bloße Statuierung der Hilfestellung beim Ausfüllen der Formblätter enthalten, regelt der neue Art. 11 EG-BagatellVO darüber hinaus noch weiterreichende Informationspflichten der Mitgliedstaaten über die Natur und den Anwendungsbereich der VO sowie über die zuständigen Gerichte im betreffenden Forumstaat gegenüber den Rechtssuchenden, sowie gezielt die – online – Auffindbarkeit von Informationen. Klarstellend ist in die Regelung den Zusatz aufgenommen worden, dass diese Hilfestellung weder eine Pflicht zur Gewährung von Prozesskostenhilfe noch eine Prozessvertretung bzw. sonstige Hilfe bei der rechtlichen Prüfung des geltend zu machenden Anspruchs beinhaltet.
2
Normadressat sind unverändert die Mitgliedstaaten, doch macht auch die Neufassung von Art. 4 Abs. 5 EG-BagatellVO, wonach die Mitgliedstaaten dafür sorgen, „dass das Klageformblatt A bei allen Gerichten, bei denen das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen eingeleitet werden kann, erhältlich und über die einschlägigen nationalen Internetseiten zugänglich ist“ deutlich, dass die Hilfestellungsaufgabe letzten Endes den mit der individuellen Sache zu befassenden Gerichten zukommt. Damit ist es – wie schon nach alter Rechtslage – fraglich, wie es um die Unbefangenheit und Neutralität des Gerichts bestellt ist, wenn es im Vorfeld des Verfahrens doch im Klägerinteresse (das Ausfüllen des Formblattes A ist ja die Abfassung der Klageschrift) tätig geworden ist. Die VO ist hier zwar auf Bürgernähe bedacht, doch scheint dies in Widerspruch zu geraten mit Grundsätzen des Zivilprozessrechts, wie etwa mit der Waffengleichheit der Parteien.
3
Eine andere, eher praktische Problematik tut sich auf, sobald man das Normadressatenproblem des Abs. 2 mit Hinblick auf die im Internet auffindbaren Informationen untersucht. Selbst auf den Referenzseiten der Europäischen Union2 sind die einzelstaatlichen Informationen zwei Jahre nach Inkrafttreten der ReformVO lückenhaft. Hinzu kommt, dass ebenda, also auf dem Europäischen Justizportal ein „Praktischer Leitfaden für das Europäische Verfahren für Geringfügige Forderungen“3 für die Anwender online zur Verfügung gestellt wird, dessen Herausgabejahr 2013 ist und somit selbstverständlich keineswegs als Leitfaden für die geltende Fassung der VO dienen kann. Zwar steht beim Disclaimer der Webseite der übliche Text: „Diese Seite wird von der Europäischen Kommission verwaltet. Die Informationen auf dieser Seite geben nicht unbedingt den offiziellen Standpunkt der Europäischen Kommission wieder. Die Kommission übernimmt keinerlei Verantwortung oder Haftung für Informationen, die dieses Dokument enthält oder auf die es verweist.“ Dies ist für den Anwender jedoch ein schwacher Trost und zeugt nicht gerade von einer Vorbildfunktion der Kommission, die doch gerade beim Erlass der ReformVO eine größere Bürgernähe und eine intensivierte Hilfestellung an ihre Fahne geschrieben hat. Wenn selbst die Kommission längst veraltete Materialien als Hilfestel1 Vgl. die Kritik in der Kommentierung zu Art. 11 EG-BagatellVO in der Vorauflage (2015). 2 https://e-justice.europa.eu/content_small_claims-354-de.do. 3 https://e-justice.europa.eu/fileDownload.do?id=6fa064ef-f024-45e5-bb82-1b54d359fbb4.
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Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 12 EG-BagatellVO
lung vorhält, dann darf man sich nicht wundern, wenn man auf den einzelstaatlichen, hierzu berufenen Webseiten der Gerichte oder Justizverwaltungen ähnlich obsolete oder gar keine weiterhelfende Informationen findet, wie dies mitunter der Fall ist.4
Artikel 12 Aufgaben des Gerichts (1) Das Gericht verpflichtet die Parteien nicht zu einer rechtlichen Würdigung der Klage. (2) Das Gericht unterrichtet die Parteien erforderlichenfalls über Verfahrensfragen. (3) Soweit angemessen, bemüht sich das Gericht um eine gütliche Einigung der Parteien. Die Vorschrift bringt für die Prozessrechtstradition der meisten Mitgliedstaaten wohl nichts Neues. 1 Abs. 1 statuiert die Substantiierungspflicht im Wesentlichen entsprechend dem Normgehalt des § 253 ZPO. Danach muss die Klageschrift über die Bezeichnung des Gerichts und der Parteien hinaus „die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag“ enthalten. Durch diese Angaben definiert die Partei entsprechend der Dispositionsmaxime den Rahmen des Verfahrens, den Streitgegenstand.1 Für die Erfüllung der Anforderungen des § 253 ZPO reicht es aber auch schon aus, wenn die Klageschrift den dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalt unverwechselbar schildert und Details in einem solchen Umfang angibt, dass diese „den erhobenen Anspruch als in der Person des Klägers entstanden und zugleich als durch den Beklagten verletzt erscheinen … lassen.“2 Eine rechtliche Würdigung ist damit nicht erforderlich. Für manche anderen Mitgliedstaaten dürfte dies allerdings eine Erleichterung bedeuten im Vergleich zu dort bestehenden weitergehenden Inhaltserfordernissen gegenüber der Klage.3 Die in Abs. 2 vorgesehene gerichtliche Auskunft über Verfahrensfragen ist nach ihrem Wortlaut et- 2 was enger als etwa die deutsche richterliche Hinweispflicht nach § 139 ZPO. Jedoch wird die Vorschrift in dem weiteren, der Regel der ZPO entsprechenden Sinne zu verstehen sein. Dort besteht ja die materielle Prozessleitungs- und Hinweispflicht grundsätzlich auch im Anwaltsprozess.4 Es wäre mit der durchweg auf Hilfestellung zugunsten der Parteien bedachten inneren Logik der VO und dem Parteiprozess unvereinbar, hier engere Grenzen zu ziehen. Der Regelungsinhalt des Abs. 3 entspricht ebenfalls vollkommen der im deutschen Zivilprozessrecht aufgestellten Verpflichtung des Richters, auf eine gütliche Einigung der Parteien hinzuwirken (§ 278 Abs. 1 ZPO, wobei die weiteren Abs. 2–6 wegen ihrer Ausrichtung auf eine mündliche Güteverhandlung nur eine subsidiäre Interpretationsstütze darstellen). Mit der nach dem Wortlaut der VO wohl irgendwie beabsichtigten Einschränkung („soweit angemessen“) kann nichts angefangen werden. In der Praxis werden Vergleiche oft in Situationen geschlossen, in denen dies für den Außenstehenden, so auch den Richter, chancenlos erschien. Die Bemühung des Gerichts um eine gütliche Einigung kann nicht unangemessen sein.5
4 1 2 3 4 5
Vgl. dazu die Kommentierung der Mitteilungen bei Art. 24–25 EG-BagatellVO. Zur deutschen Lehre vom zweigliedrigen Streitgegenstand vgl. nur Jauernig/Hess, ZPR30 § 37 IV. Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, § 253 ZPO Rz. 78 und bereits RGZ 126, 245, 248. So z.B. für Ungarn oder Frankreich, zu Letzterem Schlosser, Rz. 1. Wagner in MünchKomm/ZPO, § 139 ZPO Rz. 4. Gegen die Einschränkung auch Mayer/Lindemann/Haibach, Rz. 1075. A.A. Hau in MünchKomm/ZPO4 Anh. §§ 1097 ff. Art. 12 Rz. 4, der verkennt, dass in der Formulierung „soweit angemessen“ nicht ein Wie sondern ein Ob zum Ausdruck gebracht worden ist.
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Art. 13 EG-BagatellVO Zustellung von Schriftstücken und sonstiger Schriftverkehr
Artikel 13 Zustellung von Schriftstücken und sonstiger Schriftverkehr (1) Die in Artikel 5 Absätze 2 und 6 genannten Schriftstücke und gemäß Artikel 7 ergangene Urteile werden wie folgt zugestellt: a) durch Postdienste oder b) durch elektronische Übermittlung, i) wenn die Mittel hierfür technisch verfügbar und gemäß den Verfahrensvorschriften des Mitgliedstaats zulässig sind, in dem das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen durchgeführt wird, sowie wenn die Partei, der Schriftstücke zuzustellen sind, ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat, gemäß den Verfahrensvorschriften jenes Mitgliedstaats zulässig sind und ii) wenn die Partei, der Schriftstücke zuzustellen sind, der Zustellung durch elektronische Übermittlung vorher ausdrücklich zugestimmt hat oder wenn sie nach den Verfahrensvorschriften des Mitgliedstaats, in dem jene Partei ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, rechtlich dazu verpflichtet ist, diese besondere Art der Zustellung zu akzeptieren. Die Zustellung wird durch eine Empfangsbestätigung, aus der das Datum des Empfangs hervorgeht, nachgewiesen. (2) Der gesamte nicht in Absatz 1 genannte Schriftverkehr zwischen dem Gericht und den Parteien oder anderen an dem Verfahren beteiligten Personen erfolgt durch elektronische Übermittlung mit Empfangsbestätigung, wenn die Mittel hierfür technisch verfügbar und nach den Verfahrensvorschriften des Mitgliedstaats, in dem das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen durchgeführt wird, zulässig sind, sofern die betreffende Partei oder Person dieser Form der Übermittlung zuvor zugestimmt hat oder sie nach den Verfahrensvorschriften des Mitgliedstaats, in dem betreffende Partei oder Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, rechtlich dazu verpflichtet ist, eine solche Form der Übermittlung zu akzeptieren. (3) Neben anderen Mitteln, die nach den Verfahrensvorschriften der Mitgliedstaaten zur Verfügung stehen und mit denen die nach den Absätzen 1 und 2 erforderliche vorherige Zustimmung zur Verwendung der elektronischen Übermittlung zum Ausdruck gebracht wird, kann diese Zustimmung auch mittels Klageformblatt A und Antwortformblatt C bekundet werden. (4) Ist eine Zustellung gemäß Absatz 1 nicht möglich, so kann die Zustellung auf eine der Arten bewirkt werden, die in den Artikeln 13 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 festgelegt sind. Ist eine Übermittlung des Schriftverkehrs nach Maßgabe des Absatzes 2 nicht möglich oder in Anbetracht der besonderen Umstände des Falles nicht angezeigt, so kann jede sonstige Art der Übermittlung genutzt werden, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen durchgeführt wird, zulässig ist.
I. Einheitliches, verordnungsübergreifend abgestimmtes Zustellungsrecht statt Mindeststandards 1
Es war ein Verdienst der Ursprungsfassung des Art. 13 der EG-BagatellVO, auf dem Gebiet des Zustellungsrechts einen begrüßenswerten1 Paradigmenwechsel vollzogen und damit erstmals für klare Verhältnisse hinsichtlich der Art der Zustellung gesorgt zu haben: Während die EG-VollstrTitelVO (Art. 13–14 i.V.m. Art. 12) sowie in direkter Anlehnung hieran auch noch die EG-MahnVO (Art. 13–14)2 kein unmittelbar anwendbares Zustellungsregime sondern lediglich Verfahrensmindeststandards bei Zustellungen geschaffen hatten, sah Art. 13 EG-BagatellVO bereits vor 2015 einheitliche, unmittelbar anzuwendende Zustellungsarten vor. Zwar war in Art. 13 a.F. die Bezugnahme auf 1 Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 312. 2 Vgl. dazu Gruber in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 13 EG-MahnVO Rz. 1.
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Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 13 EG-BagatellVO
die Zustellungsmindestvorschriften der EG-VollstrTitelVO (nunmehrauf die der MahnVO) enthalten, doch wurden diese in der EG-BagatellVO im Gegensatz zu ihrer Ursprungsrechtsquelle (der EGVollstrTitelVO) zu unmittelbar anzuwendenden Zustellungsregeln erhoben.3 Da die Regelungsinhalte der Ursprungsquelle, also der EG-VollstrTitelVO selbst ursprünglich gerade 2 nicht als originäre Zustellungsregeln sondern nur als Mindeststandards für die Zwecke der Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel gedacht waren, wurde im Falle der BagatellVO schon vor der Reform 2015 mit Recht von den Ansätzen einer halbherzigen, „schleichenden“ Einführung eines autonom-europäischen Zustellungsrechts gesprochen. Der Wille des Verordnungsgebers war zwar aufgrund des Wortlauts nicht einfach zu ermitteln. Verneinte man die autonome Qualität des Zustellungsregimes der EG-BagatellVO,4 so kam man jedoch zwangsläufig zur Anwendung der EG-ZustVO, des HZÜ sowie der autonomen nationalen Zustellungsregeln, was aber vom Verordnungsgeber gerade auf dieser Stufe der justiziellen Integration (originäres europäisches Erkenntnisverfahren!) offenbar nicht gewollt war. Daher sprachen bereits vor der im Jahre 2015 erfolgten Reformierung der VO gute Gründe dafür, dass der europäische Gesetzgeber – wenn auch etwas halbherzig – erstmals ein autonomes Zustellungsregime schaffen wollte.5 Das hätte damals eindeutiger – „methodenehrlicher“ – geschehen sollen, wie viele Kritiker in den Anfangsjahren der Anwendung der VO behaupteten.6 Die Neufassung, und die damit erfolgte weitere Ausdifferenzierung der Vorschrift ist vor diesem regelungsgeschichtlichen Hintergrund zu betrachten. Nunmehr hat die ReformVO 2015 mit der Neufassung des Art. 13 EG-BagatellVO für eindeutig mehr Klarheit gesorgt und das einheitliche Zustellungsregime – auch unter verordnungsübergreifender Einbettung – mit klaren und interessengerechten Vorschriften unterstrichen. An die Stelle des Generalverweises auf eine andere VO (wie in der Urspungsfassung auf die EG-VollstrTitelVO) tritt nunmehr eine detaillierte, auf die Gleichwertigkeit und Alternativität der postalischen und der elektronischen Zustellung aufbauendes System. Der Verweis auf die Zustellungsarten der EG-MahnVO sowie des Forumstaates erfolgt erst im letzten Schritt gewissermaßen als Sicherheitsventil, wenn die beiden, wohl in der überwiegenden Mehrheit der Fälle doch gut funktionierenden Hauptmethoden ohne Erfolg geblieben oder ausnahmsweise unanwendbar sind.
3
Die Bedeutung der Schaffung unmittelbar geltenden Zustellungsrechts ist auch im Lichte des besonders ausgestalteten Anwendungsbereichs der VO zu sehen, der dazu führt, dass das vereinheitlichte autonome Zustellungsregime auch Inlandszustellungen erfasst.7
4
II. Mehrschichtige Differenzierung nach Schriftsatzarten und technischen Möglichkeiten Die durch die ReformVO neugefasste Regelung ist mehrschichtig ausgestaltet. Zunächst vollzieht die 4a Neuregelung Abs. 1 für die verfahrenseinleitenden Schriftstücke (wegen des beschränkten Verweises auf Art. 5 EG-BagatellVO: Klage und Widerklage) die grundsätzliche Gleichstellung der Zustellung durch Postdienste mit Empfangsbestätigung8 mit der Zustellung auf elektronischem Wege. Diese Gleichstellung erfolgt jedoch in der Praxis erst bei Erfüllung mehrerer weiterer Bedingungen, die das Bagatellverfahren an die europäische Realität annähern und die Ausstattungsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bewusst werden lassen: Die elektronische Zustellung steht nur dann wirklich gleichberechtigt neben der postalischen, wenn sie im Forumstaat – und bei Auseinanderfallen der beiden auch im Wohnsitzstaat des Zustellungsadressaten – technisch tatsächlich verfügbar und verfahrensrechtlich zulässig ist und wenn zusätzlich der Zustellungsadressat der elektronischen Zustellungsart vorher zugestimmt hat oder er zur Annahme derselben nach dem Recht seines Wohnsitzstaates rechtlich verpflichtet ist. Diese Regelung kann als ausgewogen bewertet werden: In ihr wird 3 4 5 6 7 8
Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 312; krit. Crifo, CJQ 2013, 30(3), 283, 287. So Rauscher in MünchKomm/ZPO, Anhang II zu Buch 11 (EG-BagatellVO) Rz. 26 und Rauscher, IPR3 Rz. 2327. Dafür auch z.B. Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 312; Hess, EuZPR § 10 Rz. 95 und Brokamp, S. 56. Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO3, Anhang II zu Buch 11 (EG-BagatellVO), Rz. 11. Vgl. Brokamp, S. 56 f. und König/Mayr/Jelinek, S. 67. Mit Recht fordert Hess zu diesem Zweck ein europäisches Zustellungszeugnis, s. Hess, EuZPR § 10 Rz. 95.
Varga
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Art. 14 EG-BagatellVO Fristen sichtbar, dass der Verordnungsgeber die Garantiefunktion der ordnungsmäßigen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks ernst nimmt und den elektronischen Weg nicht unter Preisgabe jener Garantiefunktion durchsetzen will, sondern erst bei wirklich realistischer Möglichkeit ihrer Effektuierung. 5
Eine im Vergleich dazu kompromisslose Priorisierung der elektronischen Zustellung vollzieht erst Abs. 2 und zwar in Bezug auf sämtliche sonstigen zuzustellenden Schriftstücke, die von Abs. 1 nicht erfasst sind. Nachdem also die vorsichtigere und die Garantiefunktion ernsthaft vor Augen haltende ausgewogene Zustellungsregelung ihrer Funktion, d.h. der ordnungsgemäßen Etablierung des dreiseitigen Verfahrensrechtsverhältnisses gerecht geworden ist, sieht die VO in Abs. 2 logischerweise bereits eine geringere Schutzbedürftigkeit des Zustellungsadressaten während der bereits ordnungsgemäß etablierten An- bzw. Rechtshängigkeit. Freilich sind auch in dieser Phase die gleichen technischen und rechtlichen Bedingungen für die Anwendbarkeit der elektronischen Zustellung zu erfüllen.
6
Der deutsche Gesetzgeber sorgt in diesem Kontext für eine schnelle Erfüllbarkeit der technischen Voraussetzungen, namentlich durch die mit der neuen Durchführungsvorschrift des § 1104a ZPO eingeführten Ermöglichung einer Bagatellzuständigkeitskonzentration auf Länderebene.9 Bei eigens hierfür vorgesehenen einzelnen Gerichten werden die technischen Mittel voraussichtlich schneller auf den neuesten Stand zu bringen sein, als flächendeckend bei allen AG und LG. Für eine solche Verbindung der Zuständigkeitskonzentration und der dorthin konzentrierten technischen Ausstattung sprechen auch die moderaten Eingangszahlen von Bagatellklagen, ferner – in einem weiteren Zusammenhang – die Förderung der Einheitlichkeit der diesbezüglichen Rechtsprechung bei den Eingangsgerichten.10
7
Erst wenn die beiden nunmehr im Sinne von Abs. 1 gleichgestellten Zustellungsarten nicht anwendbar sind, kommen die Ersatzformen der Zustellung in Frage, nämlich die nach Art. 13 und 14 EGMahnVO bzw. die innerstaatlichen Zustellungsregeln des Forumstaates.
8
Eine Verletzung der Zustellungsnormen, die grundsätzlich einer Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör gleichsteht, kann zur Überprüfung des Urteils nach Art. 18 EG-BagatellVO führen.
9
Darüber hinaus kann eine wirksame Zustellung auch an dem Annahmeverweigerungsrecht des Adressaten scheitern, wenn nämlich das zuzustellende Schriftstück in einer Sprache abgefasst ist, die entweder der Adressat nicht versteht oder am Zustellungsort keine offizielle Sprache ist und auch keine Übersetzung beigefügt ist.11
Artikel 14 Fristen (1) Setzt das Gericht eine Frist fest, so ist die betroffene Partei über die Folgen der Nichteinhaltung dieser Frist zu informieren. (2) Das Gericht kann die Fristen nach Artikel 4 Absatz 4, Artikel 5 Absätze 3 und 6 und Artikel 7 Absatz 1 ausnahmsweise verlängern, wenn dies notwendig ist, um die Rechte der Parteien zu wahren. (3) Kann das Gericht die Fristen nach Artikel 5 Absätze 2 bis 6 sowie Artikel 7 ausnahmsweise nicht einhalten, veranlasst es so bald wie möglich die nach diesen Vorschriften erforderlichen Verfahrensschritte.
9 Gesetz zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts vom 11.6.2017, BGBl. 2017 I Nr. 37 S. 1607. 10 So auch m.w.N. Huber, RIW 2018, 625, 628. Die Konzentration wurde von dem jeweiligen Landesgesetzgeber bereits vollzogen in Hessen (AG und LG Frankfurt/M.), Nordrhein-Westfalen (AG Essen), Sachsen-Anhalt (AG Halle/Saale). 11 S. dazu ausführlich oben Art. 6 EG-BagatellVO Rz. 3.
396
Varga
Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 14 EG-BagatellVO
I. Fristenberechnung Die EG-BagatellVO enthält keine eigenständige Regelung der Fristenberechnung. Trotzdem kommt hier ausnahmsweise nicht die Gesamtheit der jeweiligen autonomen Fristenregeln über Art. 19 EG-BagatellVO zur Anwendung. ErwGr. 24 EG-BagatellVO sieht nämlich vor, dass die Berechnung sämtlicher in der VO vorgesehenen Fristen gemäß VO (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 „zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine“1 erfolgen soll.
1
Ein Vergleich zwischen den insgesamt recht spärlichen und lückenhaften2 Regeln der Fristenverord- 2 nung einerseits und den durch Art. 19 EG-BagatellVO berufenen mitgliedstaatlichen Fristenregelungen (in Deutschland § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 186 bis 193 BGB) andererseits zeigt jedoch, dass zahlreiche, im autonomen Recht geregelte Fragen von der Fristenverordnung nicht abgedeckt sind. Hinsichtlich solcher Fragen wird über Art. 19 EG-BagatellVO auf das autonome Fristenrecht zurückzugreifen sein.3 So wäre es beispielsweise für die Zwecke der doch im Zeichen der Verfahrensbeschleunigung geborenen EG-BagatellVO schon merkwürdig, wenn etwa § 224 ZPO unanwendbar und daher eine Fristkürzung ausgeschlossen wäre, währenddessen gleichzeitig in Art. 14 Abs. 2–3 EG-BagatellVO die Möglichkeit der Fristverlängerung ungewöhnliche Betonung erfährt.
II. Großzügige Fristverlängerungsmöglichkeiten und Belehrungspflicht über Säumnisfolgen Die unseriös weitherzig formulierten Vorschriften des Art. 14 Abs. 2–3 EG-BagatellVO stellen den ganzen Beschleunigungseffekt im europäischen Bagatellverfahren zur Disposition. Sämtliche für die Parteien geltenden Schriftsatzeinreichungsfristen (Abs. 2) sind praktisch beliebig verlängerbar. Die als Voraussetzung gedachte „Wahrung der Rechte der Parteien“ sorgt wohl für recht wenig Rechtsklarheit.
3
Weiter abgeschwächt wird das ursprünglich auf straffe Verfahrensführung bedachte Fristenkorsett der 4 VO durch Abs. 3, die sämtliche für die Verfahrenshandlungen des Gerichts (und dadurch wiederum mittelbar für die Parteien) geltenden Fristen im Ergebnis zu einer bloßen Empfehlung derogiert. Wenn das Gericht erforderliche Verfahrensschritte lediglich „so bald wie möglich“ veranlassen soll, werden damit nicht nur alle Fristen der VO zur Bedeutungslosigkeit verdammt sondern letztlich eines der Hauptziele der EG-BagatellVO, nämlich die Verfahrensbeschleunigung vereitelt.4 Im justiziell zusammenarbeitenden Europa der derzeit 27 Mitgliedstaaten mögen einige soweit sein, dass deren Gerichte von solchen Fristengeneralklauseln keinen Gebrauch zu machen brauchen. Den mehrheitlich deutlich überlasteten mitgliedstaatlichen Gerichten wird jedoch kein Vorwurf gemacht werden dürfen, wenn europäische Bagatellverfahren u.a. unter Berufung auf diese Vorschriften den vom Verordnungsgeber ins Auge gefassten Zeitrahmen deutlich überschreiten. Das Gericht hat stets auf die Rechtsfolgen der Versäumung einer Frist hinzuweisen. Grundsätzlich greift die innerprozessuale Sanktion des Art. 7 Abs. 3 EG-BagatellVO (für Deutschland i.V.m. § 1103 ZPO): die Aktenlageentscheidung in der Sache.5 Eine Spezialsanktion gilt im Falle des die Vervollständigung oder Berichtigung des Klageformblattes versäumenden Klägers. Hier ergeht nach Art. 4 Abs. 4 EG-BagatellVO ohne weitere Prüfung des Sachverhalts keine Aktenlageentscheidung, sondern zwingend Klageabweisung.6
1 ABl. 1971 L 124/1. 2 Sieht man von der für die Zwecke der BagatellVO bedeutungslosen, sonst aber beeindruckenden Stundenbasis der Berechnung einmal ab. 3 Daher einseitig Jahn, NJW 2007, 2890, 2894. 4 Ebenso Brokamp, S. 57 (Fristen der VO als „Papiertiger“). 5 Heilung im Wege der Überprüfung (Art. 18 EG-BagatellVO i.V.m. § 1104 ZPO) jedoch möglich, dazu unten Art. 18 EG-BagatellVO. 6 Schlosser, Rz. 1, ähnlich auch im Entscheidungsgrund II.2. des Urteils AG Geldern v. 9.2.2011 – 4 C 4/11, BeckRS 2011, 03927.
Varga
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5
Art. 15 EG-BagatellVO Vollstreckbarkeit des Urteils
Artikel 15 Vollstreckbarkeit des Urteils (1) Das Urteil ist ungeachtet eines möglichen Rechtsmittels vollstreckbar. Es darf keine Sicherheitsleistung verlangt werden. (2) Artikel 23 ist auch anzuwenden, wenn das Urteil in dem Mitgliedstaat zu vollstrecken ist, in dem es ergangen ist.
I. Sofortige Vollstreckbarkeit 1
Um die Effektivität der Durchsetzung geringfügiger Forderungen weiter zu erhöhen, erklärt Abs. 1 die sofortige Vollstreckbarkeit des europäischen Bagatellurteils im Urteilsstaat. Dies bedeutet, dass die Zwangsvollstreckung auch bei Offenstehen bzw. Anhängigkeit sowohl eines nach mitgliedstaatlichem Recht (Art. 17 EG-BagatellVO) möglichen Rechtsmittels als auch des verordnungseigenen Rechtsbehelfs der „Überprüfung“ (Art. 18 EG-BagatellVO) betrieben werden kann.
2
Das Gericht hat die sofortige Vollstreckbarkeit im zuzustellenden Urteil zu erklären, da die Zustellung mangels eines Verkündungstermins gem. § 1102 ZPO an die Stelle der Verkündung1 tritt.
3
Die deutsche Ausführungsvorschrift in § 1105 Abs. 1 ZPO ordnet – terminologisch zwar nicht konsequent aber funktional richtig2 – die vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung an. Daher wird in deutschen Bagatelltiteln der besondere Ausspruch im Tenor „Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar“ enthalten sein müssen. Auch im Lichte der in § 708 ZPO angeführten und dem Bagatellurteil funktional nahestehenden Fallgestaltungen (Nr. 2: Aktenlageentscheidung sowie Nr. 11: geringwertige Urteilssummen bis 1250 t)3 ist dies die richtige Einbettung ins deutsche System.
II. Schuldnerschutz 4
Wie den einzelstaatlichen Vollstreckungsrechten ist aber – wie dies in Abs. 2 zum Ausdruck kommt – auch der EG-BagatellVO ein Hauptanliegen, die vor Eintritt der formellen Rechtskraft eintretende Vollstreckbarkeit durch verschiedene Mechanismen des Schuldnerschutzes auszugleichen. Dies ist notwendig mit Blick auf die Möglichkeit, dass der bereits vollstreckte Titel nachträglich – etwa im Wege der Aufhebung in der Rechtsmittelinstanz – wegfällt und die Zwangsvollstreckung sich damit zugleich als ungerechtfertigt und voreilig herausstellt.
5
Zum Zwecke des Schuldnerschutzes verweist daher Abs. 2 auf Art. 23 EG-BagatellVO, der es für den Fall des Offenstehens bzw. der Anhängigkeit eines statthaften Rechtsbehelfs erlaubt, die Vollstreckung auf eine Sicherungsvollstreckung zu beschränken, von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen oder unter außergewöhnlichen Umständen auszusetzen. All diese Schutzanordnungsmöglichkeiten stehen ohne Rücksicht darauf zur Verfügung, ob der Bagatelltitel ein inländischer oder ein ausländischer ist.
6
Zuständig für die – unanfechtbare – Anordnung der Schuldnerschutzmaßnahmen ist laut § 1105 Abs. 2 ZPO das mit der Hauptsache befasste erkennende Gericht.
1 Was übrigens möglicherweise im Widerspruch zum Öffentlichkeitsgebot des Art. 6 EMRK steht. 2 Krit. Schlosser, Rz. 1, der diese Kategorisierung im Ergebnis darauf zurückführt, dass eine möglicherweise verwirrende Erweiterung der verfestigten Kategorien des § 704 ZPO (formelle Rechtskraft oder vorläufige Vollstreckbarkeit) vermieden werden sollte. 3 In der Rspr. wird jedoch die vorläufige Vollstreckbarkeit sichtlich nicht immer auf die richtige Rechtsgrundlage Art. 15 Abs. 1 EG-BagatellVO oder § 1105 Abs. 1 ZPO (wie etwa richtig AG Gießen v. 23.4.2013 – 49 C 381/12, BeckRS 2013, 08741), sondern schlicht auf den im Wesen allgemeineren § 708 Nr. 11 ZPO gestützt, vgl. AG Simmern v. 6.1.2012 – 3 C 732/11, BeckRS 2012, 17514.
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Varga
Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 15a EG-BagatellVO
Durch Art. 15 Abs. 2 EG-BagatellVO i.V.m. Art. 23 EG-BagatellVO werden die entsprechenden Schuld- 7 nerschutzvorschriften des mitgliedstaatlichen autonomen Rechts, in Deutschland §§ 707 (einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung), 709–714 (Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis, Schutzantrag bei besonderer Härte usw), 719 Abs. 1 (Einstellung bei Rechtsmittel) ZPO verdrängt.4 Nicht verdrängt sind dahingegen diejenigen autonomen Schuldnerschutzmechanismen, die in Art. 23 EG-BagatellVO keine Entsprechung finden. Zu denken ist hierbei vor allem an die in § 717 Abs. 2 ZPO verankerte verschuldensunabhängige Risikohaftung des die Vollstreckung vor Rechtskraft betreibenden Gläubigers.5
8
Artikel 15a Gerichtsgebühren und Zahlungsmethoden (1) Die in einem Mitgliedstaat für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen erhobenen Gerichtsgebühren dürfen nicht unverhältnismäßig hoch sein und die Gerichtsgebühren, die in dem betreffenden Mitgliedstaat für nationale vereinfachte Verfahren erhoben werden, nicht überschreiten. (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Parteien die Gerichtsgebühren mittels Fernzahlungsmöglichkeiten begleichen können, mit deren Hilfe sie die Zahlung auch aus einem anderen als dem Mitgliedstaat vornehmen können, in dem das Gericht seinen Sitz hat, wobei mindestens eine der folgenden Zahlungsmöglichkeiten anzubieten ist: a) Banküberweisung, b) Zahlung mit Kredit- oder Debitkarte oder c) Einzug mittels Lastschrift vom Bankkonto des Klägers.
I. Deckelung der Gerichtsgebühren Abs. (1) der durch die ReformVO neu eingefügten Vorschrift statuiert eine gleich doppelte, parallellaufende Begrenzung der Höhe der für ein europäisches Bagatellverfahren erhebbaren Gerichtsgebühren. Diese in ErwGr. (14) der ReformVO stark zum Ausdruck kommende Rechtsverfolgungserleichterungsabsicht resultiert aus der Erkenntnis, dass die voraussichtlichen Kosten eines Rechtsstreits, zu denen auch die Gerichtsgebühren gehören, die Entscheidung des Anspruchstellers, den Rechtsweg zu beschreiten, maßgeblich beeinflussen und letztlich sogar negativ ausfallen lassen können. Dem soll durch die genannte doppelte Begrenzung begegnet werden, deren erster Pfeiler die Durchsetzung eines allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, während den zweiten Pfeiler die Plafonierung der europäischen Bagatellklagegebühr in Höhe der – soweit vorhanden – mitgliedstaatlichen autonom-zivilprozessualen Bagatellklagegebühr bildet.
1
Der erste Pfeiler der doppelten Begrenzung, d.h. der Kostenverhältnismäßigkeitsgrundsatz ist dahin- 2 gehend zu verstehen, dass die in dieser Verfahrensart erhobenen Gerichtsgebühren nicht außer Verhältnis zum Streitwert stehen dürfen. Dieses allgemeine Verhältnismäßigkeitserfordernis stellt eindeutig eine Abmilderung der zunächst noch im Kommissionsentwurf avisierten prozentualen Begrenzung der Gebühr (10 % des Streitwertes) dar. Wie aus der EWSA-Stellungnahme ersichtlich wird, hat der Gesetzgeber letztlich deswegen von der prozentualen Deckelung Abstand genommen, weil vielfach die Befürchtung geäußert wurde, dass die Festlegung von 10 % des Streitwertes als Obergrenze womöglich sich als Anreiz für die Einführung und/oder Erhöhung der Gebühren in solchen Mitgliedstaaten herausstellen würde, in denen bisher keine oder niedrigere Gebührensätze gelten.1 Im deutschen Recht stellt sich dieses Problem nicht, denn das GKG behandelt das europäische Bagatellverfahren – was die
4 BT-Drucks. 16/8839, § 1105 ZPO-E. S. im Detail unten Art. 23 EG-BagatellVO. 5 S. im Detail unten Art. 23 EG-BagatellVO. 1 Vgl. m.w.N. etwa hinsichtlich des französischen Gebührenrechts Huber, RIW 2018, 625, 628 Fn. 55.
Varga
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Art. 15a EG-BagatellVO
Gerichtsgebühren und Zahlungsmethoden
Gebührenhöhe betrifft – gleich mit dem Erkenntnisverfahren der ZPO.2 Dies bedeutet freilich auch, dass bei niedrigeren Streitwerten die deutsche Gebührenlast vergleichsweise hoch ist.3 3
Der zweite, zugleich konkrete Pfeiler der doppelten Begrenzung ist die Deckelung der europäischen Bagatellklagegebühr in Höhe der Bagatellklagegebühr des autonomen Zivilprozessrechts des Forumstaates. In Mitgliedstaaten, in deren Verfahrensrecht kein autonomes Bagatellverfahren vorgesehen ist, bleibt es sinngemäß bei der Anwendung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. In Mitgliedstaaten, die über ein autonomes Bagatellverfahren verfügen, hat der Gesetzgeber die Möglichkeit zur Gleichstellung, aber selbstverständlich auch zur gebührenrechtlichen Privilegierung des europäischen Bagatellverfahrens gegenüber dem autonomen Bagatellverfahren. Wie gezeigt entschied sich der deutsche Gesetzgeber für eine Gleichbehandlung mit dem ordentlichen Erkenntnisverfahren sowohl im ersten Rechtszug als auch in den Rechtsmittelinstanzen. Zwar hat der Gesetzgeber die auf der Hand liegenden Argumente für eine gebührenrechtliche Privilegierung des europäischen Bagatellverfahrens (rein schriftliches Verfahren, begrenzte Beweisaufnahme) gesehen, er hat aber widerstreitenden rechtspolitischen Interessen, die für die Gleichstellung sprechen, etwa der Vermeidung virtueller Grenzüberschreitungssituationen und einer möglichen Flucht ins Ausland, das größere Gewicht beigemessen.4
4
Wie schon aus dem Wortlaut ersichtlich, entfalten sowohl der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz als auch die Deckelung nur in Bezug auf die dem Gericht zu entrichtenden Beträge, nicht jedoch solche, die Dritten zu entrichten sind. Sinngemäß erfasst daher der neue Art. 15a EG-BagatellVO insbesondere nicht Anwaltshonorare, Übersetzungskosten, Kosten der Zustellung von Schriftstücken durch andere Stellen als Gerichte oder an Sachverständige oder Zeugen gezahlte Beträge, wie ErwGr. (15) klarstellt. Damit die Kostenverhältnismäßigkeit auch unter Einbeziehung dieser Kostenelemente gewährleistet bleibt, verweist ErwGr. (16) der ReformVO ausdrücklich auf die auch sonst selbstverständlich zur Verfügung stehende Möglichkeit der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe nach Maßgabe der Richtlinie 2003/8/EG des Rates. Ist Deutschland der Forumstaat, kommen in dieser Hinsicht zusätzlich §§ 1076–1078 ZPO zur Anwendung.
II. Liberalisierung der Zahlungsmethoden 5
Um Bagatellklägern die Rechtsverfolgung ganz im Sinne des restlichen Inhalts der VO weiter technisch und logistisch zu erleichtern, statuiert Abs. 2 die Verpflichtung der mitgliedstaatlichen Justizsysteme, mindestens eine der aufgezählten modernen, bargeldlosen Zahlungsmodalitäten anzubieten. Bei Vorhandensein mindestens einer dieser vorgesehenen Fernzahlungsmethoden wird dem Kläger sowohl das physische Erscheinen als auch die Einschaltung eines – etwa ein anwaltliches Treuhandkonto unterhaltenden – Rechtsanwalts erspart. Die Vorschrift steht damit ganz in Einklang einerseits 2 § 1 Abs. 3 Nr. 1 GKG. Vgl. auch die Gesetzesbegründung: „Für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen sollen Gebühren nach Teil 1 Hauptabschnitt 2 KV GKG (KV: Kostenverzeichnis) anfallen, das Verfahren kostenrechtlich also wie eine normales Zivilprozessverfahren behandelt werden. … Das gilt auch dann, wenn der Antrag gem. Art. 4 Abs. 4 Satz 3 der Verordnung als offensichtlich unzulässig oder unbegründet zurückgewiesen wird. Für die Kosten im Rechtsmittelverfahren nach den Art. 16, 17 Abs. 2 der Verordnung gelten ebenfalls keine Besonderheiten.“ Begr. zum Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung, BT-Drucks. 16/8839, 31–32. 3 Daher krit. zum Unterbleiben einer allgemeinen Gebührensenkung aus Anlass der ReformVO Huber, RIW 2018, 625, 628. Vgl. auch die grundsätzliche Kritik bei Leipold, FS Prütting (2018) 410. 4 Für die rechtspolitischen Aspekte der Gleichbehandlung vgl. die Begründung des die einschlägigen Vorschriften des GKG anpassenden Gesetzes: „Zwar dürfte es aufgrund des Charakters des Verfahrens seltener zu einer mündlichen Verhandlung kommen als bei Verfahren nach § 495a ZPO. Dieser Vereinfachung kann jedoch eine größere Komplexität des Falls gegenüberstehen, weil das Gericht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten unter Umständen ausländisches Recht und ausländische Rechtsprechung heranziehen muss. Auch rechtspolitische Gründe gebieten eine Privilegierung des neuen Verfahrens nicht. Anderenfalls entstünde für Inkassobüros und andere Inhaber zahlreicher Kleinforderungen ein Anreiz, ihren Sitz ins Ausland zu verlegen oder im Ausland ansässige Mittelsmänner einzuschalten, nur um das kostengünstige Verfahren nutzen zu können. Begr. zum Gesetz zur Verbesserung der grenz-überschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung, BT-Drucks. 16/8839, 31–32.
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Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 16 EG-BagatellVO
mit dem auf ein persönliches Erscheinen der Verfahrenssubjekte verzichtenden Charakter des Verfahrens, andererseits auch mit dem fehlenden Anwaltszwang.
Artikel 16 Kosten Die unterlegene Partei trägt die Kosten des Verfahrens. Das Gericht spricht der obsiegenden Partei jedoch keine Erstattung für Kosten zu, soweit sie nicht notwendig waren oder in keinem Verhältnis zu der Klage stehen. In Übereinstimmung mit ErwGr. 29 EG-BagatellVO wiederholt Art. 16 EG-BagatellVO die wohl für sämtliche Mitgliedstaaten selbstverständliche Prozesskostentragungsregel, nach der die unterlegene Partei die Verfahrenskosten zu tragen hat. Die Grundregel entspricht damit § 91 ZPO.1
1
Abweichungen ergeben sich aus dem auch in dem einschlägigen ErwGr. 29 EG-BagatellVO betonten Verhältnismäßigkeitsprinzip2 sowie aus der beabsichtigten Vereinfachung grenzüberschreitender Forderungsdurchsetzung. So ist insbesondere gem. § 12 Abs. 2 Nr. 2 GKG kein Gebührenvorschuss zu leisten, vielmehr tritt die An- bzw. Rechtshängigkeit3 sofort ein und das Klageformblatt ist auch ohne Gebührenvorschuss zuzustellen.4
2
Aus der Entbindung von der Vorschusszahlungspflicht folgt wohl auch die Unanwendbarkeit der autonomen Vorschriften über die Prozesskostensicherheit (§ 110 ZPO), die ja im Falle von Drittstaatern als Klägern grundsätzlich Anwendung fänden.
3
Ebenso wie bei der bereits kritisierten beabsichtigten Beschränkung der Beweisaufnahme (Art. 9 EG- 4 BagatellVO) auf „erforderliche“ bzw. „wenig aufwändige“ Beweismittel, schwer abzuschätzen und wohl jeweils dem Einzelfallermessen des Richters anheimgestellt ist die Beurteilung, wann Kosten nicht notwendig bzw. unverhältnismäßig waren und daher erstattungsunfähig sind. Sicherlich wäre es unbillig, die Kosten einer angeordneten aber im Nachhinein als unnütz erscheinenden Beweisaufnahme von der Erstattungspflicht herauszunehmen.5 Gerade diese Gefahr birgt aber die geltende Regelung mit dem pauschalen Verhältnismäßigkeitsgebot.6 Auch aus der anderen Perspektive betrachtet kommt man zu einem wenig befriedigenden Ergebnis: 5 Anders als der Kläger, hat der Beklagte keine Wahlmöglichkeit zwischen einzelstaatlichem ordentlichem Zivilprozess mit vollständiger Kostenerstattung und europäischem Bagatellverfahren ohne eine solche. Es wird beim obsiegenden Beklagten auf wenig Verständnis stoßen, wenn er seine im Zuge der Verteidigung gegen die unbegründete Forderung entstandenen Kosten nicht voll erstattet verlangen kann.7 Wegen der betonten Vereinfachung des Verfahrens und des Verbots zwingender anwaltlicher Vertre- 6 tung stellt die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten eine Sonderfrage dar. Auch wegen der bereits aufgezeigten Mängel der Verfahrensausgestaltung wird über die Notwendigkeit der Einschaltung eines Rechtsanwalts sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite nur schwer zu urteilen sein. Zudem
1 Für den Fall des teilweisen Obsiegens kommt § 92 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 19 EG-BagatellVO zur Anwendung, vgl. AG Gießen v. 23.4.2013 – 49 C 381/12, BeckRS 2013, 08741. 2 Hingegen befürwortet Cortés, dass die VO dahin zu ändern wäre, dass im Falle der Ablehnung eines vernünftigen Vergleichsangebots während des Verfahrens – ähnlich zu Part 36 C.P.R. in England und Wales – ein anderes, sanktionierendes Kostenregime zur Anwendung kommen sollte. S. Cortés, CJQ 2013, 32(1), 42, 66. 3 S. oben Art. 4 EG-BagatellVO Rz. 11. 4 Ebenso Brokamp, S. 31. Vom Gegenteil ausgehend und daher gerade für den juristischen Laien – für den das Buch gedacht ist – irreführend Mayer/Lindemann/Haibach, Rz. 488 ff. 5 Schlosser, Rz. 1. 6 Ebenso krit. Majer, JR 2009, 273. 7 Ebenso krit. Brokamp, S. 145 f.
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401
Art. 16 EG-BagatellVO Kosten bezieht ErwGr. 29 EG-BagatellVO Anwaltskosten ausdrücklich in den Kreis der erstattungspflichtigen Kosten ein. Die Abwesenheit des Anwaltszwanges hat daher keine Auswirkung auf die Kostenregelung für den Fall, dass ein Anwalt eingeschaltet worden ist.8 Die einzige zu beobachtende Grenze nach oben sollte hier die Verhältnismäßigkeit9 der Anwaltsvergütung zum Streitwert sein. 7
Sämtliche anderen Fragen des Kostenrechts – u.a. auch die im Bagatellbereich praktisch wichtige Prozesskostenhilfe, Richtlinie 2003/8 sowie §§ 114 ff. ZPO in Deutschland – richten sich nach den einzelstaatlichen Vorschriften.
8
Ein Sonderproblem des Verhältnisses der Hauptregel der VO zu den einzelstaatlichen besonderen Kostentragungsregeln stellt die Situation des teilweisen Obsiegens dar, die auch dem EuGH vorlag.10 Der EuGH entschied aus Anlass der § 92 ZPO vergleichbaren schwedischen Kostentragungsregel bei teilweisem Obsiegen, dass Art. 16 EG-BagatellVO lediglich auf die Konstellation des vollständigen Obsiegens bzw. Unterliegens anzuwenden ist.11 Andere Gestaltungen, und damit auch die verfahrensrechtlichen Fragen betreffend die Aufteilung der Verfahrenskosten zwischen den Parteien bei teilweisem Obsiegen unterliegen gem. Art. 19 EG-BagatellVO i.V.m. ErwGr. (29) EG-BagatellVO dem nationalen Recht des Forumstaates.
9
Der diesbezüglichen Verfahrensrechtsregelungsautonomie der Mitgliedstaaten setzen allerdings das Äquivalenzprinzip und das Effektivitätsprinzip Grenzen. Dementsprechend dürfen die Modalitäten der Kostenaufteilung weder ungünstiger sein als diejenigen, die gleichartige Sachverhalte regeln, die dem innerstaatlichen Recht unterliegen (Äquivalenzprinzip), noch so ausgestaltet sein, dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsprinzip). Letzten Endes dürfen also die Kostentragungsmodalitäten des Forumstaates nicht dazu führen, dass die Betroffenen darauf verzichten, sich des europäischen Bagatellverfahrens zu bedienen, weil der Kläger danach, selbst wenn er überwiegend obsiegt hat, gleichwohl seine eigenen Kosten oder einen erheblichen Teil derselben zu tragen hat.12 Entsprechend und unter diesem Vorbehalt bejahte der EuGH letzten Endes die Vereinbarkeit einer Kostentragungsregel, die § 92 ZPO vergleichbar ist, mit dem europäischen Recht (Art. 16 EG-BagatellVO), so dass bei teilweisem Obsiegen sowohl eine anteilige als auch eine zu gleichen Teilen erfolgende Auferlegung der Kosten als europarechtskonform anzusehen ist. Nach Art. 17 Abs. 2 EG-BagatellVO gilt die Grundregel der VO über die Kostentragung13 auch in der Rechtsmittelinstanz. Dieser Zusatz ist befremdlich, will doch die EG-BagatellVO die Regelung von Rechtsmitteln insgesamt den autonomen Verfahrensrechten überlassen.14 Insbesondere wird man in der deutschen Rechtsmittelinstanz Aspekten der Wirtschaftlichkeit einer Beweisaufnahme schwerlich Rechnung tragen können.15
10
Durch die Einführung des Verhältnismäßigkeitsprinzips wird die Kostenfestsetzung im europäischen Bagatellverfahren teilweise unvorhersehbar. Daher könnte bei voraussichtlich beweisintensiven Rechtsstreitigkeiten der autonome Zivilprozess die bessere Wahl sein.16
8 Ausdrücklich offengelassen aber von Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 312. 9 Auch wenn dies den meisten mitgliedstaatlichen Prozessrechten fremd ist. Vgl. Vollkommer/Huber, NJW 2009, 1105, 1109. 10 EuGH v. 14.2.2019 – C-554/17, ECLI:EU:C:2019:124 – Rebecka Jonsson/Société du Journal L’Est Républicain. 11 EuGH v. 14.2.2019 – C-554/17, ECLI:EU:C:2019:124 Rz. 24. 12 EuGH v. 14.2.2019 – C-554/17, ECLI:EU:C:2019:124 Rz. 27–28. 13 Laut Reformvorschlag auch die Regeln betreffend die Grenzwerte bei den Gerichtsgebühren und die Zahlungsmodalitäten. 14 Dazu sogleich unten Art. 17 EG-BagatellVO. 15 Daher die berechtigte Kritik bei Musielak/Voit, vor § 1097 ZPO Rz. 30. 16 Vgl. auch Brokamp, S. 144 mit dem Argument, dass die eingeschränkte Kostenerstattungspflicht letzten Endes auch bei mit großer Sicherheit vorhersehbarem Obsiegen gegen die gerichtliche Rechtsdurchsetzung sprechen kann.
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Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 18 EG-BagatellVO
Artikel 17 Rechtsmittel (1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission mit, ob ihr Verfahrensrecht ein Rechtsmittel gegen ein im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenes Urteil zulässt und innerhalb welcher Frist das Rechtsmittel einzulegen ist. Diese Mitteilung wird von der Kommission bekannt gemacht. (2) Die Artikel 15a und 16 gelten auch für das Rechtsmittelverfahren. Die EG-BagatellVO regelt das Erkenntnisverfahren in der ersten Instanz. Der umsichtige Verzicht auf eine auch nur ansatzweise Regelung von Rechtsmitteln erklärt sich aus den weitreichenden Unterschieden der mitgliedstaatlichen Gerichtsverfassungen und der damit unzertrennlich verwachsenen Rechtsmittelsystemen.1
1
Dementsprechend überlässt die VO den autonomen mitgliedstaatlichen Verfahrensrechten die Entscheidung,2 ob3 überhaupt ein Rechtsmittel gegen ein europäisches Bagatellurteil statthaft ist und wenn ja, wie es im Einzelnen ausgestaltet ist.4
2
In Deutschland ist die Berufung statthaft. Zulässig ist sie unter den Voraussetzungen der §§ 511, 513 ZPO, also ab einem Wert des Beschwerdegegenstandes i.H.v. 600 t. Gegen das Berufungsurteil kann ferner unter den Voraussetzungen der §§ 542 ff. ZPO Revision eingelegt werden.5 Ist die Berufung wegen Unterschreitung der Berufungssumme des § 511 ZPO unzulässig, dann bleibt der Partei die – angesichts der durchgehend forcierten Aktenlageentscheidung wohl verstärkte Bedeutung erlangende – Gehörsrüge nach § 321a ZPO.6
3
Abs. 1 verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Mitteilung gegenüber der Kommission, welche Rechtsmittel ihre Rechtsordnungen unter welchen genauen Voraussetzungen eröffnen. Diese mitgliedstaatlichen Mitteilungen stehen zur Verfügung und sind bei der Kommentierung des die Mitteilungspflichten spezifizierenden Art. 25 EG-BagatellVO abgedruckt.7
4
Abs. 2 erklärt – etwas inkonsequent8 – die Grundregel der VO über die Kostentragung für auch in der Rechtsmittelinstanz anwendbar.
5
Artikel 18 Überprüfung des Urteils in Ausnahmefällen (1) Der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, ist berechtigt, beim zuständigen Gericht des Mitgliedstaats, in dem das Urteil im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangen ist, eine Überprüfung des Urteils zu beantragen, wenn 1 Vgl. dagegen die kaum nachvollziehbare und der Dogmatik des Zivilprozessrechts offensichtlich erst aus Anlass des zusammenwachsenden europäischen Justizraums ansatzweise bewusst werdende Kritik von Fiorini, ICLQ 2008, 449, 458: „The re-introduction of domestic variations is problematic in view of the simplification objective.“ Offenbar in die gleiche Richtung Fasching/Konecny/Scheuer, Art. 17 Rz. 1 („bedauerlich“) und Hau in MünchKomm/ZPO4 Anh. §§ 1097 ff. Art. 19 Rz. 1 („kritikwürdig“). 2 Vgl. auch Kramer, ERA Forum 2011(1), 119, 126. 3 Entgegen der insoweit unglücklichen Wortwahl bei Hess/Bittmann, IPRax 2008, 312 und Hess, EuZPR § 10 Rz. 99 handelt es sich hierbei nicht um eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, „Rechtsmittel vorzuhalten“. 4 In den meisten Mitgliedstaaten kommt die Berufung als statthaftes Rechtsmittel zur Anwendung, einschließlich jener Beschränkungen, die mit Rücksicht auf den Beschwerdewert die Zulässigkeit der Berufung einschränken. S. Kramer, ERA Forum 2011(1), 119, 129. 5 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPR17, § 108 Rz. 28. 6 Für die Konkurrenz der Gehörsrüge und der verordnungseigenen Überprüfung nach Art. 18 EG-BagatellVO vgl. sogleich unten sowie einerseits Hau in MünchKomm/ZPO4, Anh. §§ 1097 ff. Art. 17 Rz. 2, andererseits Kropholler/von Hein, EuZPR9 Art. 17 Rz. 2. 7 S. unten Art. 25 EG-BagatellVO. 8 S. krit. oben Art. 16 EG-BagatellVO Rz. 7.
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Art. 18 EG-BagatellVO Überprüfung des Urteils in Ausnahmefällen a) ihm das Klageformblatt oder im Falle einer mündlichen Verhandlung die Ladung zu dieser Verhandlung nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung hätte treffen können, oder b) er aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden daran gehindert war, das Bestehen der Forderung zu bestreiten, es sei denn, der Beklagte hat gegen das Urteil kein Rechtsmittel eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. (2) Die Frist für den Antrag auf Überprüfung des Urteils beträgt 30 Tage. Sie beginnt mit dem Tag, an dem der Beklagte vom Inhalt des Urteils tatsächlich Kenntnis genommen hat und in der Lage war, entsprechend tätig zu werden, spätestens aber mit dem Tag der ersten Vollstreckungsmaßnahme, die zur Folge hatte, dass die Vermögensgegenstände des Beklagten ganz oder teilweise seiner Verfügung entzogen wurden. Eine Verlängerung dieser Frist ist ausgeschlossen. (3) Weist das Gericht den Antrag auf Überprüfung nach Absatz 1 mit der Begründung zurück, dass keine der Voraussetzungen für eine Überprüfung nach jenem Absatz erfüllt ist, bleibt das Urteil in Kraft. Entscheidet das Gericht, dass die Überprüfung aus einem der in Absatz 1 genannten Gründe gerechtfertigt ist, so ist das im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Urteil nichtig. Der Kläger verliert jedoch nicht die Vorteile, die sich aus einer Unterbrechung der Verjährungs- oder Ausschlussfristen ergeben, sofern eine derartige Unterbrechung nach nationalem Recht gilt. I. Neuer, eigenständiger Rechtsbehelf . . . . . . .
1
II. Gehörsverletzung wegen Zustellungsmängel .
7
V. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
III. Vis maior . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8
VI. Offene Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
IV. Gemeinsame Voraussetzungen . . . . . . . . .
9
I. Neuer, eigenständiger Rechtsbehelf 1
Art. 18 EG-BagatellVO etabliert – wie sich dies aus dem Wortlaut („ist berechtigt“) unmittelbar ergibt – einen verordnungseigenen, nicht suspensiven und nicht devolutiven1 Rechtsbehelf. Anders als die noch an den alten Art. 19 EG-VollstrTitelVO2 angelehnte Ursprungsfassung, die in ihrer missglückten Überschrift3 noch von „Mindeststandards“ für die Überprüfung des Urteils“ sprach, stellt die durch die ReformVO erfolgte Neufassung der Vorschrift klar, dass Art. 18 EG-BagatellVO nicht nur Mindeststandards sondern einen eigenständigen Rechtsbehelf4 einführt, von dem die Partei bei auf gravierende Zustellungsmängel oder auf vis maior zurückzuführenden Defiziten ihrer Verteidigungsmöglichkeit Gebrauch machen kann.
2
Mit der Neufassung durch die ReformVO arbeitet der europäische Gesetzgeber zugleich die Ergebnisse bzw. Anforderungen der Rechtsprechung des EuGH5 zum fast inhaltsgleichen Art. 20 EG-MahnVO in die Vorschrift ein. In den dem EuGH vorgelegten Fällen ging es im Wesentlichen darum, dass die Beklagten vom Erlass der sie zur Zahlung verurteilenden europäischen Zahlungsbefehle wegen Zustellungsmängel gar nicht bzw. erst nachträglich, während des bereits laufenden Zwangsvollstreckungsverfahrens Kenntnis erlangt haben. Der EuGH stellte in seiner Antwort auf die Vorlagefragen klar, dass im Falle solcher gravierender, d.h. den Anforderungen der VO zuwiderlaufender Zustel1 So auch Hess, EuZPR § 10 Rz. 99. 2 Zur Diskussion um Art. 20 EG-MahnVO vgl. einerseits Rauscher in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2006), Einf. EGMahnVO Rz. 32 und andererseits Geimer/Schütze/Kodek, Art. 20 EG-MahnVO Rz. 4 f. 3 Brokamp, S. 134: Die Formulierung „Mindeststandards“ verschleiert den autonomen Charakter dieses Rechtsbehelfs. 4 Ebenso z.B. Schoibl, FS Leipold (2009) 335, 341 („europarechtlicher Schutzmechanismus sui generis“) und auch Fasching/Konecny/Scheuer, Art. 18 Rz. 1. 5 EuGH v. 4.9.2014 – C-119/13, ECLI:EU:C:2014:2144 – eco cosmetics GmbH & Co. KG/Virginie Laetitia Barbara Dupuy und C-120/13 – Raiffeisenbank St. Georgen reg. Gen. mbH/Tetyana Bonchyk.
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Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 18 EG-BagatellVO
lungsmängel der jeweilige Antragsgegner die Möglichkeit haben muss, diese Mängel mit der Folge zu beanstanden, dass die Vollstreckbarerklärung als ungültig anzusehen ist.6 In solchen Fallkonstellationen mit Ausnahmecharakter ist die Anfechtbarkeit mittels Überprüfung deswegen von eminenter Bedeutung, weil die Partei gar nicht erst von dem Anlauf des Verfahren Kenntnis hatte und demgemäß auch gegen die gegen sie ergangene Sachentscheidung kein – sonst nach Art. 17 EG-BagatellVO zur Verfügung stehendes – Rechtsmittel eingelegt hatte. Diese Situation wird reflektiert im Wortlaut der Vorschrift, wo ein Antragsteller vorausgesetzt wird, der sich weder auf das Verfahren eingelassen noch – entsprechend – Kenntnis über die Verfügbarkeit eines an sich statthaften Rechtsmittels hatte. Die Überprüfung kann beim Ursprungsgericht beantragt werden. Damit beschränkt sich die Möglichkeit jedweder Kontrolle des europäischen Bagatellurteils auf das Herkunftsland (dessen Recht ja auch für die Rechtsmittel ausschließlichen Regelungsanspruch besitzt, Art. 17 EG-BagatellVO).
3
Art. 17 EG-BagatellVO und Art. 18 EG-BagatellVO sind strikt zu trennen. Bei der Überprüfung han- 4 delt es nicht um ein Rechtsmittel i.S.v. Art. 17 EG-BagatellVO sondern um einen verordnungsautonomen Rechtsbehelf, der im Wesentlichen eine „europäische Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ ins Leben ruft. Die Vorschrift bezweckt den Schutz der Partei, die sich zum gegnerischen Vorbringen unverschuldet 5 nicht äußern konnte.7 Die Gründe, die in einem entsprechenden Antrag zur Substantiierung einer Gehörsverletzung angerufen werden können, können in zwei Gruppen unterteilt werden: Zustellungsmängel und höhere Gewalt darstellende außerordentliche Umstände. Keineswegs findet eine materielle Überprüfung des Bagatellurteils statt. Eine solche Funktion kommt lediglich den von Art. 17 EG-BagatellVO berufenen mitgliedstaatlichen Rechtsmitteln zu. Insofern unterscheidet sich die Überprüfung nach der EG-BagatellVO von dem gleichnamigen Institut des Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO, das zusätzlich auch den „offensichtlich zu Unrecht erlassenen“ europäischen Zahlungsbefehl8 für überprüfbar erklärt. Der unterschiedliche Maßstab erklärt sich offenbar aus der Überlegung des europäischen Gesetzgebers, dass das Bagatellurteil mit (idealiter!) voraufgehender Kontradiktion eine größere Gewähr für die Richtigkeit des Titels leistet als der automatisch und einseitig erlassene Mahnbescheid. Aufgrund der oben bereits kritisierten Lückenhaftigkeit der EG-BagatellVO hinsichtlich der Verfahrensgarantien ist diese qualifizierte Unterscheidung jedoch recht fragwürdig.9 Beide Fallgruppen (Zustellungsmängel und höhere Gewalt) sind in ihrer Formulierung mit Art. 19 6 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO und Art. 20 Abs. 1 EG-MahnVO harmonisiert. Der Wortlaut soll verordnungsübergreifend einheitlich und eindeutig den Ausnahmecharakter des Rechtsbehelfs zum Ausdruck bringen. Dieser die in der Sache obsiegende Partei schützende Ausnahmecharakter wird weiter verstärkt durch die ebenfalls neu eingeführte 30-tägige Frist in Abs. 2, sowie durch die Aufrechterhaltung der Verjährungshemmung auch bei Erfolg des Überprüfungsantrags.
II. Gehörsverletzung wegen Zustellungsmängel Der Antragsteller muss zeigen, dass ihm die tatsächlich und von ihm unverschuldetermaßen unter- 7 bliebene Kenntniserlangung vom Inhalt des Schriftstücks es unmöglich gemacht hat, Vorkehrungen für seine Verteidigung treffen zu können. Ist das Schriftstück der Partei tatsächlich – etwa wegen irreführender Angaben des Gegners, Fälschung der Empfangsbestätigung usw – nicht zugegangen oder aber erst zu einem so späten Zeitpunkt, was ihr (insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext) eine effektive Gegenäußerung/Verteidigung unmöglich macht, so kann die Überprüfung mit Wirkung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 1104 Abs. 1 ZPO) beantragt werden.
6 7 8 9
ECLI:EU:C:2014:2144 Rz. 49. Zur Frage, ob diese Partei nur der Beklagte sein kann (so nach dem Wortlaut der Vorschrift) s. unten Rz. 16. S. Gruber in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 20 EG-MahnVO Rz. 29–53. Mit guten Gründen krit. auch Rechberger, FS Leipold (2009) 301, 315: Zahlungsbefehl als im Vergleich zum Bagatellurteil „unsicherer Exekutionstitel“. In die gleiche Richtung ebenso krit. Brokamp, S. 135 f.
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Art. 18 EG-BagatellVO Überprüfung des Urteils in Ausnahmefällen
III. Vis maior 8
Für das Vorliegen höherer Gewalt oder sonstiger außergewöhnlicher Umstände kommt es nicht mehr auf die Zustellungsart an. Insbesondere sind auch Fälle erfasst, in denen eine persönliche Empfangsbestätigung voraufgegangen ist. In Abwesenheit näherer Spezifikation in der VO ist hierunter jedes während der versäumten Frist wirkende Ereignis zu verstehen, das die Partei am effektiven Bestreiten gehindert hat. In ihrem Normgehalt entspricht die Vorschrift der Wiedereinsetzungsregel des deutschen Rechts in § 233 ZPO.
IV. Gemeinsame Voraussetzungen 9
Für beide Gruppen der Überprüfungsgründe gilt, dass die Versäumung der Verteidigung nicht auf ein Verschulden der säumigen Partei zurückgehen darf. Entgegen dem Wortlaut von lit. a sublit. 2 kommt es hier – ebenso wie im Falle des EG-VollstrTitelVO10 und des EG-MahnVO11 – nicht auf ein Verschulden hinsichtlich der Zustellung (auf diese hat ja der Adressat in aller Regel keinen Einfluss) sondern hinsichtlich des Unterbleibens der Kenntniserlangung an. Dies erfasst dann aber natürlich auch Fälle, in denen der Adressat ausnahmsweise doch selbst auf die Zustellung Einfluss genommen hat, etwa durch physische Verhinderung bzw. effektives Unmöglichmachen der Zustellung.
10
Im Falle der anwaltlichen Vertretung wird auch ein Verschulden des Anwalts der Partei zugerechnet werden müssen.
11
Die zweite gemeinsame, d.h. für beide Gruppen der Überprüfungsgründe anzuwendende Voraussetzung des Antrags ist, dass der Antragsteller ihn innerhalb der neu eingefügten 30-tägigen Frist stellt. Gegenüber der recht vagen Pseudofrist der Ursprungsfassung (praktisch immer im Einzelfall dem richterlichen Ermessen überlassene „Unverzüglichkeit“), sorgt die neue Fristenregelung nunmehr für mehr Rechtssicherheit: Die subjektive 30-tägige Frist beginnt mit dem Tag, an dem der Beklagte vom Inhalt des Urteils tatsächlich Kenntnis erlangt und zugleich in der Lage ist, den Antrag zu stellen. Der späteste Zeitpunkt jedoch, zu dem der Lauf der Frist unbedingt beginnen muss – und damit objektiviert sich die Frist im Interesse der Rechtssicherheit – ist der Tag der ersten, die Verfügungsmacht der betroffenen Partei beschränkende Vollstreckungsmaßnahme. Die Intensität dieser Einwirkung auf die Interessen der betroffenen Partei rechtfertigt die ab jetzt erfolgende Objektivierung der Frist.
12
Als letzte gemeinsame Voraussetzung sind die Überprüfungsgründe nach § 1104 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
V. Rechtsfolge 13
Der erfolgreiche Überprüfungsantrag hat automatisch, ohne besonderen Ausspruch die Nichtigkeit des Bagatellurteils zur Folge. Lediglich die Feststellung der Nichtigkeit durch Beschluss ist auf Parteiantrag möglich (§ 1104 Abs. 1 S. 2 ZPO). Dies dient vornehmlich der Vorbeugung von missbräuchlicher Verwendung des Titels zu Zwecken der Zwangsvollstreckung.12
14
Die deutsche Durchführungsvorschrift in § 1104 ZPO stellt zusätzlich die praktische Wiedereinsetzungsfolge klar. Danach wird durch die erfolgreiche Überprüfung die betroffene Säumnis geheilt und das Verfahren wird in die Lage versetzt, in der es sich vor Erlass des Urteils befand. Die Fortsetzung des Verfahrens setzt hier sinngemäß – auch ohne Rückgriff auf das autonome Recht (§ 236 Abs. 2 ZPO) – die gleichzeitige Nachholung der unverschuldet versäumten Verfahrenshandlung voraus.
15
Bereits die Beantragung der Überprüfung eröffnet die Möglichkeit einer Aussetzung der Vollstreckung nach Art. 23 EG-BagatellVO.
10 Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 19 EG-VollstrTitelVO Rz. 9. 11 Geimer/Schütze/Kodek, Art. 20 EG-MahnVO Rz. 14. 12 BT-Drucks. 16/8839, § 1104 ZPO-E.
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Kap. II: Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen
Art. 19 EG-BagatellVO
VI. Offene Fragen Der Wortlaut von Abs. 1 („Der Beklagte, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, ist berechtigt“) beschränkt die Antragsberechtigung klar auf den Beklagten bzw. Widerbeklagten. Im Lichte des in der Regel in Gestalt einer Aktenlageentscheidung ergehenden Bagatellurteils sowie der wohl auch im intendierten europäischen einheitlichen Zivilprozess unabdingbaren Waffengleichheit erscheint diese Beschränkung als unerträglich. Nicht von ungefähr wird diesbezüglich im Schrifttum teilweise scharfe Kritik geübt,13 teilweise eine analoge Anwendung zugunsten des – mit der Klage abgewiesenen – Klägers befürwortet.14 Für die analoge Anwendung sprechen gute Gründe. Eine unbesehene Übernahme des Konzeptes der vergleichbaren Regelungen aus EG-VollstrTitelVO und EGMahnVO hätte sich schon in der Ursprungsfassung verbieten müssen.15 In Konstellationen der – z.T. einstweilen – unbestrittenen Forderung, die die beiden genannten Vorbildverordnungen erfassen, ist die Beschränkung auf den ursprünglichen Antragsgegner selbstverständlich. Im Falle der die Kontradiktion als Ausgangspunkt wählenden EG-BagatellVO ist aber das Gegenteil geboten. Auch § 1103 ZPO spricht sinngemäß allgemein von der säumigen Partei, gegen die eine Entscheidung nach Lage der Akten ergeht. Hier ist kein Wertungsunterschied zwischen dem säumigen Beklagten und dem säumigen Kläger zu erkennen, daher ist eine analoge Anwendung der Vorschrift auf den um seine Verteidigungsmöglichkeit gebrachten Kläger geboten.
16
Nicht hinreichend geklärt ist schließlich das Verhältnis der Überprüfung zu den autonomen mit- 17 gliedstaatlichen Rechtsmitteln. Diese unterliegen ganz anderen Voraussetzungen und Fristen als jene und sind auch mit ganz anderen Wirkungen ausgestattet (in der Regel Suspensiv- und Devolutiveffekt). Andererseits behandelt die VO die Überprüfung mancherorts mit den Rechtsmitteln gleich (vgl. etwa Art. 23 EG-BagatellVO). Daher wäre eine Abstimmung des Verhältnisses dieser Rechtsbehelfe zueinander angesagt gewesen, um etwa einen zeitlichen Gleichlauf und die damit vorhersehbare Verwirrung zu vermeiden. Insbesondere hätte sich im deutschen Rechtsmittelrecht ein Ausschluss der Berufung16 nach § 514 Abs. 2 S. 1 angeboten.17
Artikel 19 Anwendbares Verfahrensrecht Sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt, gilt für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen das Verfahrensrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren durchgeführt wird.
I. Erkenntnisverfahren Neben einer Reihe von Vorschriften, die gewisse Verfahrensfragen (Art. 4 EG-BagatellVO Übermittlungswege, Art. 9 EG-BagatellVO sehr unklar für die Beweisaufnahme, Art. 17 EG-BagatellVO Rechtsmittel) ausdrücklich dem Zivilprozessrecht des Forumstaates überlassen, weist der generalklauselartig ausgestaltete Art. 19 EG-BagatellVO nochmal alle von der EG-BagatellVO nicht abge-
13 Krit. vor allem unter Hinweis auf die Waffengleichheit Brokamp, S. 136. 14 So nunmehr auch für eine analoge Anwendung Hau in MünchKomm/ZPO5, EG-BagatellVO Art. 18 Rz. 2 sowie (zwar wie selbstverständlich, ohne nähere Begründung) Schlosser, Rz. 4. 15 In die gleiche Richtung, aber allgemeiner Weber, Europäisches Zivilprozessrecht und Demokratieprinzip, S. 45. 16 Dafür Brokamp, S. 139 f. (Aktenlageentscheidung nach der VO funktional als Versäumnisurteil behandelt). 17 Der Reformvorschlag will die Überprüfung des Urteils gänzlich neu gestalten, und zwar durch Adaptierung der Lösungen des Art. 19 EU-UnterhaltsVO. Demnach soll die „deutlichere Formulierung“ der jüngeren Verordnung bevorzugt werden. Dadurch könnte jedoch nicht nur eine Änderung der Formulierung sondern ein gewisser Paradigmenwechsel eingeläutet werden. Vgl. dazu Gsell/Netzer, IPRax 2010, 403.
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1
Art. 20 EG-BagatellVO Anerkennung und Vollstreckung deckten Verfahrensfragen der lex fori zu.1 Diejenigen prozessualen Fragen aber, die die VO nicht abschließend regelt, sind in deutlich überwiegender Mehrheit, so dass das europäische Bagatellverfahren praktisch in keiner Phase ohne die Heranziehung des jeweils berufenen autonomen Prozessrechts auskommt. In der Praxis gibt es daher derzeit 27 unterschiedliche europäische Bagatellverfahren,2 für deren Kern – das Erkenntnisverfahren – die VO in gerade mal 13 Artikeln (Art. 4–14, Art. 16, Art. 18) die Eckpfeiler der Regelung liefert. 2
Aus der Sicht der EG-BagatellVO gehören auch die sekundären Rechtsakte des justiziellen Europarechts (vor allem die Brüssel Ia-VO und die EG-BeweisVO) zur lex fori.
3
Bei Deutschland als Forumstaat kommen im Rahmen der lex fori zunächst die Durchführungsvorschriften der §§ 1097 ff. ZPO in Betracht. Ist eine Verfahrensfrage weder in der VO selbst noch in den Durchführungsvorschriften geregelt, so kommen die allgemeinen zivilprozessualen Vorschriften zur Anwendung (ZPO und Nebengesetze). Bei europäischen Bagatellverfahren, die zugleich im Sinne des deutschen Prozessrechts als Bagatellsachen qualifiziert werden (also bis zu einem Streitwert von 600 t) greift hinsichtlich von der VO nicht geregelter Verfahrensfragen eine zusätzliche Vereinfachung ein: Nach § 495a ZPO wird das Gericht sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen können. Abweichend von S. 2 derselben – durch die VO derogierten – Vorschrift wird es aber selbst bei einem entsprechenden Parteiantrag keine mündliche Verhandlung abhalten müssen.
II. Zwangsvollstreckung 4
Für das gesamte Gebiet der Zwangsvollstreckung gilt praktisch ausnahmslos das Zwangsvollstreckungsrecht des Exequaturstaates (Art. 21 Abs. 1 EG-BagatellVO), mit marginalen, allerdings auch wieder der mitgliedstaatlichen Ausfüllung bedürftigen Ausnahmen vor allem auf dem Gebiet des Schuldnerschutzes.3
Kapitel III Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat (Art. 20–Art. 23a)
Artikel 20 Anerkennung und Vollstreckung (1) Ein im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenes Urteil wird in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. (2) Auf Antrag einer Partei fertigt das Gericht ohne zusätzliche Kosten unter Verwendung des in Anhang IV vorgegebenen Formblatts D eine Bestätigung zu einem im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenen Urteil aus. Auf Antrag stellt das Gericht dieser Partei die Bestätigung in jeder anderen Amtssprache der Organe der Union zur Verfügung, unter Verwendung des über das Europäische Justizportal in allen Amtssprachen der Organe der Union zur 1 Zu den Schranken, die der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten durch das Äquivalenzprinzip und durch das Effektivitätsprinzip gesetzt sind vgl. EuGH v. 14.2.2019 – C-554/17, ECLI:EU:C:2019:124 Rz. 27–28 – Rebecka Jonsson/Société du Journal L’Est Républicain. 2 Man kann Rechberger, FS Leipold (2009) 301, 313 nur zustimmen: „Ein einheitliches Europäisches Bagatellverfahren kann und wird es daher nicht geben, womit die von der Verordnung beabsichtigte Vereinfachung und Reduktion der Verfahrenskosten nicht erreicht werden kann.“ Speziell aus der Sicht der unterschiedlichen Streitwertberechnung ebenso Hau in MünchKomm/ZPO4 Anh. §§ 1097 Art. 2 Rz. 7: „… uneinheitliche Anwendung … vorprogrammiert.“ Relativierend Kern, JZ 2012, 389, 391 Fn. 51. 3 Vgl. unten Art. 23 EG-BagatellVO.
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Kap. III: Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat
Art. 20 EG-BagatellVO
Verfügung stehenden dynamischen Standardformblatts. Diese Verordnung verpflichtet das Gericht nicht dazu, eine Übersetzung und/oder Transliteration des in die Freitextfelder der Bestätigung eingetragenen Texts zur Verfügung zu stellen.
I. Grundsatz Abs. 1 deklariert den Grundsatz der unmittelbaren Vollstreckung, wonach die in europäischen Ba- 1 gatellverfahren ergangenen Urteile ohne jedes, wie auch immer geartetes Zwischenverfahren in den anderen Mitgliedstaaten anzuerkennen und zu vollstrecken sind. Damit wiederholt die Vorschrift die entsprechenden Regeln der EG-VollstrTitelVO (Art. 20 Abs. 1 EG-BagatellVO) und der EG-MahnVO (Art. 21 Abs. 1 EG-MahnVO), aber auch S. 2 des Art. 21 EG-BagatellVO, wo nochmals das Herkunftslandsprinzip aufgestellt wird. Es ist nicht ersichtlich, warum dem Verordnungsgeber daran gelegen war, dasselbe Prinzip in zwei aufeinanderfolgenden Artikeln zu verlautbaren – sieht man einmal von der bereits gewohnten Redseligkeit der Verordnungen auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit ab. Die Vollstreckbarkeit tritt – wie aus Art. 15 EG-BagatellVO folgt – bereits vor Rechtskraft, in Gestalt der vorläufigen Vollstreckbarkeit ein.1 Zu ihrer inländischen Effektuierung bedarf es weder einer Bestätigung nach Abs. 2 noch der Erteilung einer Vollstreckungsklausel, wie § 1107 ZPO nochmals klarstellt. Soll hingegen das Bagatellurteil in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden, so ist ihm die in Abs. 2 genannte, im Urteilsstaat ausgestellte Bestätigung beizufügen. Die unionsweite Vollstreckbarkeit folgt jedoch unmittelbar aus der VO und nicht erst aus der ausschließlich formalen Zwecken dienenden Bestätigung.
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II. Bestätigung Nach Art. 21 Abs. 2 lit. b EG-BagatellVO setzt die Effektuierung der Zwangsvollstreckung neben dem 3 Urteil selbst auch die Vorlage der Ausfertigung einer Bestätigung in Gestalt des Formblattes D voraus. Die Bestätigung entspricht funktional der Vollstreckungsklausel des deutschen Rechts (§ 724 ZPO).2 Sie dokumentiert den Bestand und die bereits durch die VO statuierte Vollstreckbarkeit der Entscheidung.3 Daher verfügt Art. 20 Abs. 2 EG-BagatellVO, dass das Ursprungsgericht auf Parteiantrag eine solche Bestätigung ohne zusätzliche Kosten ausstellt. Anders als in der EG-VollstrTitelVO wird durch diese Bestätigung keine „Europäisierung eines mitgliedstaatlichen Titels“ vollzogen. Vielmehr ist die Bestätigung im Sinne der EG-BagatellVO eine erleichterte – und zugleich für das Betreiben der Zwangsvollstreckung zwingende – Form des Nachweises der gem. Art. 15 EG-BagatellVO bereits mit Erlass des Urteils eingetretenen europaweiten Vollstreckbarkeit des originär europäischen Bagatelltitels.4 Diese Erleichterungs- bzw. Nachweisfunktion kommt auch in der Regelung des Art. 21 Abs. 2 EG-BagatellVO zum Ausdruck, wonach nur die auf die in Formblatt D enthaltenen Daten reduzierte Bestätigung, nicht aber das Bagatellurteil selbst in einer Übersetzung in die Sprache des Exequaturstaates vorzulegen ist.
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Gemäß der Durchführungsvorschrift in § 1106 Abs. 1 ZPO behandelt das deutsche Recht die Bestätigung wie die Ausstellung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils nach § 724 ZPO. Dementsprechend wird die Bestätigung vom Ursprungsgericht ausgestellt. Funktionell zuständig für die Ausstellung ist – wegen des nicht spruchrichterlichen Charakters – der Rechtspfleger (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 RPflG). Unter den Voraussetzungen der §§ 5, 6 RPflG kann bzw. muss jedoch in Einzelfällen der Richter selbst ausstellen.
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S. oben Art. 15 EG-BagatellVO. Ebenso Hess, EuZPR § 10 Rz. 103. BT-Drucks. 16/8839, § 1106 Abs. 1 ZPO-E. Vgl. z.B. Nagel/Gottwald, IZPR7 § 6 Rz. 37; a.A. Hess, EuZPR § 10 Rz. 103, der die Entstehung des Titels an die Bestätigungserteilung knüpft.
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Art. 21 EG-BagatellVO Vollstreckungsverfahren 6
Zwecks Vollstreckung bestätigungspflichtig waren nach der Ursprungsfassung der Vorschrift lediglich die Bagatellurteile. Im Lichte des Art. 12 Abs. 3 EG-BagatellVO (Vergleichsförderungspflicht des Gerichts) verfügte jedoch auch ein „Bagatellvergleich“ über die gleichen Wirkungen wie ein Urteil. Das Unterbleiben einer diesbezüglichen (ausdrücklich gleichstellenden) Regelung in der Ursprungsfassung verursachte in der Praxis keine nachteiligen Auswirkungen, denn ein Bagatellvergleich konnte wegen seines unbestrittenen Inhalts als europäischer Vollstreckungstitel nach der EG-VollstrTitelVO bestätigt werden, was die gleichen Wirkungen entfaltete, wie eine Bestätigung nach Art. 20 Abs. 2 EG-BagatellVO.5 Dieser Regelungslücke hat aber nunmehr die durch die ReformVO eingefügte neue Art. 23a EG-BagatellVO abgeholfen, in dem Vergleiche ausdrücklich Bagatellurteilen gleichgestellt sind.
7
Höchst problematisch ist die Erweiterung der Durchführungsvorschrift § 1106 Abs. 2 um die Statuierung der zwingenden Anhörung des Schuldners. Anhaltspunkte für eine solche Anhörungspflicht enthält die VO nicht. Es ist merkwürdig, wie hier der mit Aktenlageentscheidungen und bewusstem Verzicht auf die mündliche Verhandlung sowie mit der vorläufigen Vollstreckbarkeit in der ganzen VO durchgehaltene Beschleunigungswille unerklärlich relativiert wird. Der Regierungsentwurf begründet die Anhörungspflicht mit einem plötzlich wichtig werdenden (sonst in der ganzen VO untergewichteten) Anspruch auf rechtliches Gehör des Schuldners: „Diese Anhörung ist notwendig, denn sie kann anders als bei einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nicht nachgeholt werden. Im Gegensatz zu der EG-VollstrTitelVO sieht die EG-BagatellVO nämlich keine Möglichkeit der Berichtigung oder des Widerrufs der Bestätigung vor.“ Die Begründung verkennt jedoch, dass das Bagatellurteil nicht eine unbestrittene Forderung ausweist sondern eine voraufgehende Kontradiktion voraussetzt. Wie im Schrifttum bereits mehrfach kritisch bemerkt worden ist, bewirkt diese von der VO nicht gebotene Anhörungspflicht einen deutlichen Rückschritt auch gegenüber dem einzelstaatlichen Vollstreckungsrecht, das selbst keine solche Anhörung vor Ausstellung der – funktional entsprechenden – Vollstreckungsklausel kennt.6 Die dem – selbst nicht kritikfesten – Geist der VO klar zuwiderlaufende Vorschrift sollte daher keine Anwendung finden.7
Artikel 21 Vollstreckungsverfahren (1) Unbeschadet der Bestimmungen dieses Kapitels gilt für das Vollstreckungsverfahren das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. Jedes im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Urteil wird unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie ein im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangenes Urteil. (2) Die Partei, die die Vollstreckung beantragt, muss Folgendes vorlegen: a) eine Ausfertigung des Urteils, die die Voraussetzungen für den Nachweis seiner Echtheit erfüllt; und b) die Bestätigung im Sinne des Artikels 20 Absatz 2 sowie, falls erforderlich, ihre Übersetzung in die Amtssprache des Vollstreckungsmitgliedstaats oder – falls es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt – nach Maßgabe der Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats in die Verfahrenssprache oder eine der Verfahrenssprachen des Ortes, an dem die Vollstreckung betrieben wird, oder in eine sonstige Sprache, die der Vollstreckungsmitgliedstaat zulässt. (3) Für die Vollstreckung eines Urteils, das in dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen in einem anderen Mitgliedstaat erlassen worden ist, darf von der Partei, die die Vollstreckung beantragt, nicht verlangt werden, dass sie im Vollstreckungsstaat über 5 Schlosser, Rz. 2. Vgl. auch krit. zu der durch diese neue Form der Bestätigung geschaffenen „Artenvielfalt“ Rauscher in MünchKomm/ZPO, Anhang II zu Buch 11 (EG-BagatellVO) Rz. 34. 6 So die berechtigte Kritik von Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 313: „Die Vorschrift ist weder mit dem Äquivalenz-, noch mit dem Effektivitätsgebot des Gemeinschaftsrecht(s) zu vereinbaren.“ Vgl. auch zutr. krit. Kropholler/von Hein, EuZPR9 Art. 20 Rz. 6; Gebauer/Wiedmann/Sujecki2, Kap. 35 Rz. 80. 7 Dafür auch Freitag/Leible, BB 2009, 2, 5 und Mayer/Lindemann, NJW 2012, 2317, 2320.
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Kap. III: Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat
Art. 21 EG-BagatellVO
a) einen bevollmächtigten Vertreter oder b) eine Postanschrift außer bei den Vollstreckungsagenten verfügt. (4) Von einer Partei, die in einem Mitgliedstaat die Vollstreckung eines im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Urteils beantragt, darf weder wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer noch wegen Fehlens eines inländischen Wohnsitzes oder Aufenthaltsorts im Vollstreckungsmitgliedstaat eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung auch immer, verlangt werden.
I. Grundsätze Abs. 1 S. 1 stellt noch einmal klar, dass für die Abwicklung des Vollstreckungsverfahrens – mit ganz wenigen Ergänzungen durch die VO, insbesondere Art. 23 EG-BagatellVO – die lex fori des Exequaturstaates ausschlaggebend ist. In Deutschland als Exequaturstaat gelten daher für die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung §§ 750, 751 ZPO mit Ausnahme der Vollstreckungsklausel als Voraussetzung, an deren Stelle ja die Bestätigung (Formblatt D) tritt. Sämtliche Zwangsmaßnahmen der jeweiligen lex fori stehen unverändert zur Verfügung.
1
Zum europaweit recht bunten Bild des Ablaufs der Bagatellvollstreckung werden insbesondere die entsprechend fortgeltenden Schuldnerschutz- bzw. Rechtsbehelfsmechanismen der mitgliedstaatlichen Rechte (in Deutschland §§ 766, 767,1 771)2 beitragen. Diese werden auch dazu führen, dass die in Art. 15 EG-BagatellVO statuierte sofortige Vollstreckbarkeit vielfach relativiert wird.3
2
Abs. 1 S. 2 wiederholt lediglich das bereits in Art. 20 EG-BagatellVO enthaltene Prinzip der unmittelbaren Vollstreckung. Die Prüfung der Vollstreckbarkeit ist restlos dem Ursprungsmitgliedstaat anvertraut. Weder eine inhaltliche (révision au fond, ordre public-Kontrolle) noch eine formelle Überprüfung (etwa der Bestätigung) darf im Exequaturstaat stattfinden. Insbesondere ist in dieser Phase auch aus dem Grund keine Überprüfungsmöglichkeit mehr gegeben, dass der Streitgegenstand nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der EG-BagatellVO fällt.
3
II. Vorzulegende Urkunden In inhaltlicher Übereinstimmung mit Art. 20 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO und Art. 21 Abs. 2 EG-MahnVO bestimmt Abs. 2 lit. a-b die zwecks effektiven Beginns der Zwangsvollstreckung vom Gläubiger vorzulegenden Dokumente und deren Formerfordernisse. Dies ist eine abschließende Regelung, d.h. es können vom Zwangsvollstreckungsrecht des Exequaturstaates keine zusätzlichen Dokumente gefordert werden.
4
Zum einen ist eine Ausfertigung des Bagatellurteils erforderlich und zwar in einer Form, die für seine Echtheit Gewähr bietet. Das Urteil braucht nicht übersetzt zu sein. Für den Nachweis der Echtheit sind die Formvorschiften des Ursprungsmitgliedstaates auschlaggebend.4 Für deutsche Bagatelltitel gilt damit § 317 Abs. 4 ZPO (Gerichtssiegel und Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle). Die Regelung entspricht Art. 53 Abs. 1 Brüssel I-VO.5
5
Die andere vorzulegende Urkunde ist laut Art. 21 Abs. 2 lit. b EG-BagatellVO die Ausfertigung der Bestätigung (Formblatt D). Im Gegensatz zu dem Bagatellurteil selbst kann sich hier eine Überset-
6
1 Auch besonders klargestellt in § 1109 Abs. 2 ZPO. S. dazu noch Gsell, EuZW 2011, 87, 91, nach der es sich hier nicht um die ausschließliche Zuständigkeit deutscher Gerichte handelt, denn eine solche sei nach Art. 22 Nr. 5 Brüssel I-VO nicht eröffnet. 2 Zur Zuständigkeit vgl. entsprechend Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 20 EG-VollstrTitelVO Rz. 5 f. 3 Ebenso im Ergebnis Freitag/Leible, BB 2009, 2, 6. 4 Daher ist immer auch diesbezüglich die lex fori zu ermitteln, was zuweilen zu Schwierigkeiten führen wird, ebenso wie bei Titeln, die nach der EG-VollstrTitelVO bestätigt sind. Dazu vgl. Pabst in Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Art. 20 EG-VollstrTitelVO Rz. 8. 5 Vgl. für weitere Einzelheiten Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 53 Brüssel Ia-VO.
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Art. 21a EG-BagatellVO
Sprache der Bestätigung
zungsobliegenheit ergeben.6 Der entsprechende Zusatz „falls erforderlich“ ist auch im Lichte des Art. 25 Abs. 1 lit. i EG-BagatellVO zu verstehen: Danach teilen die Mitgliedstaaten als potentielle Exequaturstaaten mit, in welchen Sprachen sie Bestätigungen als Vollstreckungsersuchen entgegennehmen. In aller Regel sind das die jeweiligen Amtssprachen. In Deutschland als Exequaturstaat ist ausschließlich Deutsch zugelassen (§ 184 GVG, § 1108 ZPO). Darüber hinaus bleibt es in einer Bestätigung aufgrund des Formblatts D auch nicht viel zu übersetzen, denn sie enthält hauptsächlich nicht zu übersetzende Inhalte (z.B. Daten der Parteien, Datum des Urteils).7
III. Diskriminierungsverbote 7
Abs. 3 und 4 enthalten, ähnlich wie sämtliche Vorgängerverordnungen (Art. 51 Brüssel Ia-VO, Art. 51 Brüssel IIa-VO, Art. 20 Abs. 3 EG-VollstrTitelVO, Art. 21 Abs. 3 EG-MahnVO) Diskriminierungsverbote, die dem weit verstandenen Verbot in Art. 18 AEUV zur Geltung zu verhelfen berufen sind. Weder ein Anwaltszwang, noch ein Wahldomizil, noch irgendwelche Art von Sicherheitsleistung darf dem die Zwangsvollstreckung beantragenden Ausländer abverlangt werden. Da das Diskriminierungsverbot offenbar an die Vollstreckung aus einem europäischen Bagatelltitel geknüpft ist, kommt es wegen des besonderen Anwendungsbereichs der VO8 auch Drittstaatern zugute.
8
Wie bei den anderen genannten Verordnungen ist auch hier keine Besserstellung, lediglich die Gleichbehandlung ausländischer Titel mit inländischen geboten.9
Artikel 21a Sprache der Bestätigung (1) Jeder Mitgliedstaat kann angeben, welche Amtssprache oder Amtssprachen der Organe der Union er neben seiner oder seinen eigenen für die Bestätigung nach Artikel 20 Absatz 2 zulässt. (2) Jede Übersetzung von Informationen über den Inhalt eines Urteils, die in einer Bestätigung nach Artikel 20 Absatz 2 erteilt werden, ist von einer Person vorzunehmen, die zur Anfertigung von Übersetzungen in einem der Mitgliedstaaten befugt ist. 1
Es steht den Mitgliedstaaten frei, zusätzliche Sprachen für die Zwecke der bei Ihnen vorgelegten Bestätigungen zu akzeptieren. Aufgrund von Abs. 2 kann in manchen Mitgliedstaaten eine Prüfung des Vorhandenseins der Qualifikation bzw. Anerkennung als offizieller Übersetzer derjenigen Person oder Institution notwendig werden, von der die jeweilige Übersetzung stammt. Im Übrigen wird hierzu auf die Mitteilungen der Mitgliedstaaten unter Art. 25 verwiesen.
Artikel 22 Ablehnung der Vollstreckung (1) Auf Antrag der Person, gegen die die Vollstreckung gerichtet ist, wird die Vollstreckung vom zuständigen Gericht im Vollstreckungsmitgliedstaat abgelehnt, wenn das im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Urteil mit einem früheren in einem Mitgliedstaat oder einem Drittland ergangenen Urteil unvereinbar ist, sofern 6 Der Reformvorschlag macht jedoch eindeutig, dass hier nur die Übersetzung des Inhalts des Urteils unter Punkt 4.3 gerechtfertigt ist. 7 Daher fordern nur punktuelle Übersetzung für fremdsprachige Wörter Mayer/Lindemann, NJW 2012, 2317, 2321. 8 S. oben Art. 3 EG-BagatellVO. 9 S. Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 20 EG-VollstrTitelVO Rz. 26 f.
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Kap. III: Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat
Art. 22 EG-BagatellVO
a) das frühere Urteil zwischen denselben Parteien wegen desselben Streitgegenstandes ergangen ist, b) das frühere Urteil im Vollstreckungsmitgliedstaat ergangen ist oder die Voraussetzungen für die Anerkennung im Vollstreckungsmitgliedstaat erfüllt und c) die Unvereinbarkeit im gerichtlichen Verfahren des Mitgliedstaats, in dem das Urteil im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangen ist, nicht geltend gemacht wurde und nicht geltend gemacht werden konnte. (2) Keinesfalls darf ein im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenes Urteil im Vollstreckungsmitgliedstaat in der Sache selbst nachgeprüft werden.
I. Widersprechende frühere Entscheidung als Vollstreckungsverweigerungsgrund Die EG-BagatellVO kennt einen einzigen Grund,1 der im Exequaturstaat zur Verweigerung der Aner- 1 kennung und Vollstreckung führen kann: die Unvereinbarkeit des bereits mit Formblatt D bestätigten Bagatellurteils mit einer früheren Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat oder auch Drittstaat zwischen denselben Parteien wegen desselben Streitgegenstandes ergangen und im Exequaturmitgliedstaat anerkennungsfähig ist. Art. 22 Abs. 1 EG-BagatellVO umfasst jedoch nicht die Folgen der Unvereinbarkeit mit einem im Ursprungmitgliedstaat ergangenen Urteil. In diesem Fall muss über Art. 19 EG-BagatellVO das nationale Recht eingreifen. Weitere Voraussetzung ist, dass die Unvereinbarkeit im Bagatellverfahren nicht geltend gemacht werden konnte.2 Die unvereinbare andere Entscheidung ist als früher ergangen zu betrachten, wenn sie vor der Bestätigung des Bagatellurteils gefällt wurde.
2
Die frühere Entscheidung kann aus einem der Mitgliedstaaten – auch dem Exequaturstaat – oder auch aus einem Drittstaat stammen. Unterschiede ergeben sich lediglich hinsichtlich der Beurteilung der Anerkennungsfähigkeit: Bei mitgliedstaatlichen Entscheidungen greifen Art. 33 ff. Brüssel Ia-VO ein, während für drittstaatliche Entscheidungen die jeweilige lex fori des Exequaturmitgliedstaates (in Deutschland § 328 ZPO) ausschlaggebend ist.
3
Für die Beurteilung der Identität des Streitgegenstandes gelten die autonom-europäischen Grundsätze, die für die Auslegung von Art. 34 Nr. 4 Brüssel Ia-VO heranzuziehen sind.3
4
Schließlich darf den Antragsteller bei der Unterlassung der Berufung auf die unvereinbare frühere 5 Entscheidung während des Bagatellverfahrens kein Verschulden treffen. Es kommt auf die Kenntnis des Antragstellers vom früheren Urteil im Zeitpunkt der Bestätigung an. Sämtliche Voraussetzungen dieses einzigen Vollstreckungsversagungsgrundes der EG-BagatellVO decken sich im Übrigen mit denen in Art. 34 Nr. 4 Brüssel Ia-VO, Art. 21 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO und Art. 22 Abs. 1 EG-MahnVO.4 Wie bei den Vorgängerverordnungen entfaltet die Verweigerung nur auf die Vollstreckung im betreffenden Exequaturstaat Wirkungen, und sie führt nicht zum unionsweiten Wegfall der Verbindlichkeit des Bagatelltitels.
1 Die anderen möglichen Gründe, etwa der ordre public Einwand, wurden abgeschafft, vgl. Kieninger, VuR 2011, 243 und zu Recht, weil dem Spannungsverhältnis zwischen abgeschwächten Verfahrensgarantien und der Abschaffung der Versagungsgründe gebührend Rechnung tragend krit. Kern, JZ 2012, 389, 397: gerade das unstreitig abgeschwächte Garantiekorsett der VO würde die Gewährung etwa des ordre public Einwandes erfordern. 2 Vgl. auch Schlussanträge des Generalanwalts Wahl vom 16.5.2013 in der Rs. 157/12 – Salzgitter Mannesmann Handel GmbH/S. C. Laminorul SA, Rz. 47: „… alle diese Versagungsgründe [stehen] unter dem Vorbehalt, dass die Unvereinbarkeit im gerichtlichen Verfahren im Ursprungsmitgliedstaat nicht geltend gemacht worden ist und nicht geltend gemacht werden konnte. Daher erscheint klar, dass die Versagungsgründe nach diesen Vorschriften keine Anwendung auf Fälle finden, in denen – wie im Ausgangsverfahren – die Unvereinbarkeit innerhalb des Ursprungsmitgliedstaats hätte abgehandelt werden können.“ 3 Vgl. Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 34 Brüssel Ia-VO Rz. 43 ff. 4 Auf die entsprechenden Kommentierungen kann daher für weitere Einzelheiten verwiesen werden.
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Art. 23 EG-BagatellVO Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung 7
Für die Zuständigkeit und Erledigung des Antrags auf Verweigerung der Vollstreckung gelten kraft Verweis in § 1109 ZPO dieselben Vorschriften wie für den entsprechenden Antrag im Rahmen der EG-VollstrTitelVO.5
8
Es ist nicht zu erraten, warum der Verordnungsgeber – im Gegensatz zur EG-MahnVO (Art. 22 Abs. 2)6 – für die Aufnahme des Verweigerungsgrundes der erfolgten Zahlung keine Veranlassung sah.7 Für diesen Fall ist damit der Vollstreckungsschuldner auf die mitgliedstaatlichen Rechtsbehelfe verwiesen, in Deutschland auf die Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO), deren Anwendbarkeit § 1109 Abs. 2 ZPO klarstellt.8
II. Verbot der révision au fond 9
Entsprechend Art. 36 Brüssel Ia-VO, Art. 21 Abs. 2 EG-VollstrTitelVO und Art. 22 Abs. 3 EG-MahnVO statuiert auch die EG-BagatellVO das für das System unmittelbarer Vollstreckung selbstverständliche Verbot einer Nachprüfung in der Sache selbst. Auch eine ordre public-Kontrolle darf nicht stattfinden.
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Hiervon zu trennen ist die – ebenfalls verneinend zu beantwortende – Frage nach der Nachprüfbarkeit der Entscheidung aus dem Grunde, dass die Rechtssache gar nicht in den Anwendungsbereich der VO fällt. Diese – insbesondere auch mangels eines Art. 20 Abs. 2 EG-MahnVO entsprechenden Überprüfungsgrundes bestehende – Schutzlücke eröffnet den Weg zur Zweckentfremdung der VO.
Artikel 23 Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung Hat eine Partei ein im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenes Urteil angefochten oder ist eine solche Anfechtung noch möglich oder hat eine Partei eine Überprüfung nach Artikel 18 beantragt, so kann das zuständige Gericht oder die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat auf Antrag der Partei, gegen die sich die Vollstreckung richtet, a) das Vollstreckungsverfahren auf Sicherungsmaßnahmen beschränken b) die Vollstreckung von der Leistung einer von dem Gericht zu bestimmenden Sicherheit abhängig machen oder c) unter außergewöhnlichen Umständen das Vollstreckungsverfahren aussetzen.
I. Einstweiliger Schuldnerschutz 1
Die Notwendigkeit des einstweiligen Schuldnerschutzes in der Zwangsvollstreckung ergibt sich aus der in Art. 15 Abs. 1 EG-BagatellVO statuierten vorläufigen Vollstreckbarkeit des europäischen Bagatellurteils. Die bereits vor Eintritt der formellen Rechtskraft eintretende Vollstreckbarkeit ist – wie in den einzelstaatlichen Verfahrensrechten auch – durch verschiedene Mechanismen des Schuldner5 S. Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 21 EG-VollstrTitelVO Rz. 11 ff. 6 S. Gruber in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 22 EG-MahnVO Rz. 28–35. 7 Vgl. die berechtigte Kritik auch bei Hess/Bittmann, IPRax 2008, 305, 313; Hess, EuZPR § 10 Rz. 106; Gebauer/ Wiedmann/Sujecki2, Kap. 35 Rz. 87. 8 Freilich ergeben sich bei einem ausländischen Bagatelltitel Interpretationsprobleme bereits aus dem Wortlaut des § 767 ZPO („Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges“). Zweifelhaft ist insbesondere, ob sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Exequaturstaates (hier Deutschland) aus Art. 22 Nr. 5 Brüssel I-VO ableiten lässt. Hierfür spricht zunächst EuGH v. 4.7.1985 – 220/84, ECLI:EU:C:1985:302 – AS-Autoteile Service GmbH/Pierre Malhé, dagegen jedoch ein beträchtlicher Teil der Literatur unter Verweis auf die funktionale Nichtzugehörigkeit des Bestreitens der Forderung zum von der ausschließlichen Zuständigkeitsvorschrift der Brüssel-I VO erfassten Gebiet des Zwangsvollstreckungsrechts. Vgl. dazu eingehend Gsell, EuZW 2011, 87, 91 sowie m.w.N. Hau in MünchKomm/ZPO4 Anh. §§ 1097 ff. Art. 22 Rz. 5.
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Kap. III: Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat
Art. 23 EG-BagatellVO
schutzes auszugleichen vor allem mit Blick auf die Möglichkeit, dass der bereits vollstreckte Titel nachträglich – etwa im Wege der Aufhebung in der Rechtsmittelinstanz – wegfällt und die Zwangsvollstreckung sich damit zugleich als ungerechtfertigt und voreilig herausstellt. Das greifbare Risiko der ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung taucht in erster Linie bei Offenstehen bzw. Anhängigkeit eines statthaften Rechtsbehelfs gegen das Bagatellurteil auf. Ein solcher Rechtsbehelf kann sowohl in Gestalt eines nach mitgliedstaatlichem Recht (Art. 17 EG-BagatellVO) möglichen Rechtsmittels als auch der verordnungseigenen „Überprüfung“ (Art. 18 EG-BagatellVO) gegeben sein. Daher dienen diese Rechtsbehelfe in Art. 23 EG-BagatellVO als Hauptanknüpfungspunkt für die möglichen Schuldnerschutzanordnungen.
2
Offenbar unterscheidet Art. 23 EG-BagatellVO jedoch zwischen den mitgliedstaatlichen Rechtsmitteln einerseits und der Überprüfung nach Art. 18 EG-BagatellVO andererseits. Während nämlich bei den autonomen Rechtsmitteln das Offenstehen ausreicht („eine solche Anfechtung noch möglich“), muss die Überprüfung des Urteils nach Art. 18 EG-BagatellVO bereits beantragt worden sein, damit sich die Partei darauf zwecks Erlasses einer Schutzanordnung berufen kann. Die auf den ersten Blick differenzierte Regelung des für den Antrag eröffneten Zeitrahmens ist jedoch bedeutungslos, da der Antrag auf Überprüfung fristlos ausgestaltet ist.1
3
Alle Schutzanordnungsmöglichkeiten stehen ohne Rücksicht darauf zur Verfügung, ob der Bagatelltitel ein inländischer oder ein ausländischer ist.
4
Zuständig für die – unanfechtbare – Anordnung der Schuldnerschutzmaßnahmen ist in Deutschland als Forumstaat laut § 1105 Abs. 2 ZPO das mit der Hauptsache befasste Gericht. Stammt hingegen der Titel aus einem anderen Mitgliedstaat und ist Deutschland Exequaturstaat, so ist nach 1109 Abs. 1 i.V.m. § 1084 Abs. 1 ZPO das nach deutschem Vollstreckungsrecht örtlich zuständige AG als Vollstreckungsgericht zuständig.
5
Alle Schutzmaßnahmen ergehen im Wege einstweiliger Anordnungen. Nach § 1105 Abs. 2 a.E. ZPO 6 sind schließlich die „tatsächlichen Voraussetzungen des Artikels 23“ glaubhaft zu machen. Diese Formulierung beschränkt die Prüfung auf das Gegebensein von Rechtsbehelfen (vgl. § 713 ZPO), doch ist wohl davon auszugehen, dass hier auch substantielle Voraussetzungen, die für die Schutzanordnungen nach nationalem Recht sonst üblich sind, wie etwa besondere Härte oder Unverhältnismäßigkeit aus der Sicht des Vollstreckungsschuldners zu prüfen sind.2 Durch Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 23 EG-BagatellVO werden die entsprechenden Schuldnerschutzvorschriften des mitgliedstaatlichen Rechts, in Deutschland §§ 707 (einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung), 709–714 (Sicherheitsleistung, Abwendungsbefugnis, Schutzantrag bei besonderer Härte usw), 719 Abs. 1 (Einstellung bei Rechtsmittel) ZPO verdrängt.
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Nicht verdrängt sind dahingegen diejenigen autonomen Schuldnerschutzmechanismen, die in Art. 23 EG-BagatellVO keine Entsprechung finden. Zu denken ist hierbei vor allem an die in § 717 Abs. 2 ZPO verankerte verschuldensunabhängige Risikohaftung des die Vollstreckung vor Rechtskraft betreibenden Gläubigers.
8
II. Die einzelnen Schutzanordnungen Das Gericht kann die Zwangsvollstreckung auf Sicherungsmaßnahmen beschränken. Dies bedeutet entsprechend dem Konzept des § 720a ZPO, dass die Vollstreckung einstweilen „auf halbem Weg“ stehenbleibt und eine Verwertung nicht stattfinden darf. Möglich sind in diesem Rahmen Sach- und Forderungspfändung sowie die Eintragung dinglicher Sicherheiten.
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Ferner kann der Schuldnerschutz dadurch verwirklicht werden, dass das Gericht die Effektuierung der Zwangsvollstreckung von einer Sicherheitsleistung durch den Gläubiger abhängig macht. Für Höhe und ggf. Rückgabe der Sicherheit werden §§ 108 f., 709 ZPO entsprechend heranzuziehen sein.
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1 S. oben krit. Art. 18 EG-BagatellVO. 2 Dazu sogleich unten Rz. 9 ff.
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Art. 23a EG-BagatellVO
Gerichtliche Vergleiche
Die Sicherheit soll den potentiellen Vollstreckungsschaden des Schuldners für den Fall der Aufhebung des Urteils decken. 11
Schließlich ist unter außergewöhnlichen Umständen auch eine Aussetzung der Vollstreckung möglich. Die Umstände müssen die Person des Schuldners als besonders schutzwürdig erscheinen lassen (existenzielle Bedrohung durch die Vollstreckung). Das entsprechende autonome Rechtsinstitut der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 707 ZPO ist zwar durch Art. 23 EG-BagatellVO verdrängt, jedoch dürften deren Anwendungsvoraussetzungen mangels Detailregeln in der VO sinngemäß gelten.
12
Bei der Entscheidung über den Schutzantrag wird sinngemäß die gleiche Interessenabwägung stattfinden müssen, die im deutschen Recht in §§ 707 Abs. 1, 710, 712, 719 Abs. 2 ZPO ihren Niederschlag findet. Überwiegen Härte bzw. Nachteile für den Schuldner gegenüber dem Interesse des Gläubigers an der Fortsetzung der Zwangsvollstreckung, so erscheint eine Schutzanordnung begründet. Würde hingegen das Stocken der Vollstreckung ein überwiegendes Interesse des Gläubigers verletzen, etwa ihm einen schwer zu ersetzenden oder schwer abzusehenden Nachteil bringen oder seine Lebenshaltung gefährden, so wird in aller Regel die Schutzanordnung unterbleiben müssen. Diese Gründe sind – trotz der missverständlichen Formulierung des § 1105 Abs. 2 a.E. ZPO glaubhaft zu machen.3
13
Im Übrigen stimmt die Regelung der einzelnen Schutzanordnungen inhaltlich mit Art. 23 EGVollstrTitelVO sowie mit Art. 23 EG-MahnVO überein.4
Artikel 23a Gerichtliche Vergleiche Ein im Laufe des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen von einem Gericht gebilligter oder vor einem Gericht geschlossener gerichtlicher Vergleich, der in dem Mitgliedstaat, in dem das Verfahren durchgeführt wurde, vollstreckbar ist, wird in einem anderen Mitgliedstaat unter denselben Bedingungen anerkannt und vollstreckt wie ein im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenes Urteil. Die Bestimmungen des Kapitels III gelten entsprechend für gerichtliche Vergleiche. 1
Entgegen der Ursprungsfassung der VO, wo in Art. 20 EG-BagatellVO für die Zwecke der Freien europäischen Zirkulation lediglich die Bagatellurteile genannt waren, stellt nunmehr der durch die ReformVO eingefügte Art. 23a EG-BagatellVO Bagatellurteile und Bagatellvergleiche gleich. Im Lichte des Art. 12 Abs. 3 EG-BagatellVO (Vergleichsförderungspflicht des Gerichts) verfügte auch nach früherer Rechtslage ein „Bagatellvergleich“ über die gleichen Wirkungen wie ein Urteil. Das Unterbleiben einer diesbezüglichen (ausdrücklich gleichstellenden) Regelung in der Ursprungsfassung verursachte in der Praxis keine nachteiligen Auswirkungen, denn ein Bagatellvergleich konnte wegen seines unbestrittenen Inhalts als europäischer Vollstreckungstitel nach der EG-VollstrTitelVO bestätigt werden, was die gleichen Wirkungen entfaltete, wie eine Bestätigung nach Art. 20 Abs. 2 EG-BagatellVO. Dieser Regelungslücke hilft nunmehr Art. 23a EG-BagatellVO ab, in dem Vergleiche ausdrücklich Bagatellurteilen gleichgestellt sind. Dem scheint intertemporär – praktisch aber unbedeutend – ErwGr. 18 EG-BagatellVO der ReformVO zu widersprechen, denn dort ist die Rede von einer Präzisierung. Sollte der neu eingefügte Art. 23a EG-BagatellVO wirklich lediglich klarstellenden Charakter haben, so sind auch frühere (vor Inkraftreten der ReformVO am 14.7.2017 entstandene) Vergleiche als gleichgestellt zu behandeln.1
3 Die „tatsächlichen“ Voraussetzungen des Art. 23 EG-BagatellVO sind in der VO nicht geregelt. 4 S. daher die entsprechenden Kommentierungen bei Pabst in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 23 EG-VollstrTitelVO und Gruber in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 23 EG-MahnVO. 1 So auch Hau in MünchKomm/ZPO5, EG-BagatellVO Art. 23a Rz. 1.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 24 EG-BagatellVO
Kapitel IV Schlussbestimmungen (Art. 24–Art. 29)
Artikel 24 Information Die Mitgliedstaaten arbeiten insbesondere im Rahmen des gemäß der Entscheidung 2001/470/EG eingerichteten Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen zusammen, um die Öffentlichkeit und die Fachwelt über das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, einschließlich der Kosten, zu informieren. In ihrem Aktionsplan zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts1 hielten der Rat und die Kommission fest, dass die Verstärkung der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen einen wesentlichen Fortschritt zur Schaffung eines europäischen Rechtsraums darstelle. Die Idee eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen war keine neue Erfindung des Rates und der Kommission, sie hatte nämlich ihr Vorbild in Gestalt des Europäischen Justiziellen Netzes für Strafsachen, das bereits im Jahre 1998 mit einer gemeinsamen Maßnahme des Rates zustande gebracht worden war.2
1
Nachdem der Europäische Rat in den Schlussfolgerungen seiner Sondertagung vom 15./16.10.1999 in Tampere die Einrichtung eines leicht zugänglichen Informationssystems auch im Bereich des Zivilrechts als eine Forderung bezeichnet hatte, wurde das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen mit der Entscheidung 2001/470/EG des Rates vom 28.5.2001 gegründet.3
2
Aufgrund der Entscheidung 2001/470/EG soll das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen zugleich der Verwirklichung von zwei Zielsetzungen dienen, wobei letztlich beide Zielsetzungen dem grundsätzlichen Gemeinschaftsziel untergeordnet sind, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen und weiterzuentwickeln.4 Diese beiden Zielsetzungen sind einerseits die Förderung der wirksamen justiziellen Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der Justizgewährung in Zivilsachen (d.h. zwischen Akteuren der „Fachwelt“ i.S.d. Art. 24 EG-BagatellVO) und andererseits die Erleichterung des Zugangs zum Recht für die Rechtssuchenden (d.h. für die „Öffentlichkeit“ i.S.d. Art. 24 EG-BagatellVO) in grenzüberschreitenden Rechtssachen auf dem ganzen Gebiet der Gemeinschaft.5
3
Als Zentralelemente des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen, das in seinem 4 „physischen Wirklichkeit“ aus bestimmten Behörden der Mitgliedstaaten besteht,6 gelten das System des Informationsflusses zwischen den Mitgliedern des Netzes, d.h. zwischen den zuständigen mitgliedstaatlichen Behörden, und ein anderes Informationssystem für die Öffentlichkeit, das mit der Mitwirkung der Mitgliedsbehörden des Netzes von der Kommission verwaltet wird.7 Gemäß Art. 17 1 ABl. EU 1999 C 19/1. 2 Gemeinsame Maßnahme 98/428/JI, ABl. EU 1998 L 191. 3 Entscheidung 2001/470/EG des Rates vom 28.5.2001 über die Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen, ABl. EU 2001 L 174/25. 4 Vgl. ErwGr. 1 der Entscheidung 2001/470/EG. 5 Mit der Ausnahme von Dänemark, das gemäß den Art. 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks nicht an der Einrichtung des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen teilnimmt, vgl. ErwGr. 19 der Entscheidung 2001/470/EG. Das Vereinigte Königreich und Irland haben von ihrer Opt-InMöglichkeit gem. Art. 3 des dem Vertrag über das Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands Gebrauch gemacht, vgl. ErwGr. 18 der Entscheidung 2001/470/EG. 6 Kontaktstellen, Zentralstellen und Zentralbehörden, Verbindungsrichter, ggf. andere Justiz- und Verwaltungsbehörden, die Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen besitzen, und Berufskammern. Vgl. Art. 2 der Entscheidung 2001/470/EG. 7 Vgl. Art. 3 Abs. 1 und Art. 17 Punkt 1 der Entscheidung 2001/470/EG.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Punkt 2 der Entscheidung 2001/470/EG hat die Kommission im Einvernehmen mit den Kontaktstellen auch eine besondere Website für das Netz eingerichtet.8 5
Bei der Ausgestaltung der Informationswebseiten ging man von Anfang an von einer gewissen Aufgabentrennung aus. Während nämlich die offizielle Website des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen bezüglich der Justizgewährung in den Mitgliedstaaten in Zivilsachen sehr umfangreiche und regelmäßig aktualisierte, zwar nicht jederzeit auf den geltenden nationalen Vorschriften beruhenden Zusammenfassungen bot, verwies sie hinsichtlich der einschlägigen Gemeinschaftsrechtsakte schon auf eine andere Website, nämlich die Homepage des Europäischen Gerichtsatlasses für Zivilsachen weiter.9 Diese Differenzierung wurde mit der Errichtung10 des Europäischen Justizportals aufrechterhalten und weiter vertieft.11 Das neue Portal soll bestimmte Inhalte von der Website des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen und dem Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen übernehmen. Diese Inhalte werden in Zukunft nur auf dem neuen Justizportal aktualisiert.
6
Gemäß Art. 24 EG-BagatellVO soll die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten in erster Linie durch das oben dargestellte Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen erfolgen. Die erforderlichen Informationen über das europäische Bagatellverfahren werden auf der sowohl für die Fachwelt als auch für die Öffentlichkeit zugänglichen Website des Europäischen Justizportals bzw. des Europäischen Gerichtsatlasses für Zivilsachen bereitgestellt. Die von Art. 25 EG-BagatellVO verlangten Mitteilungen werden dann durch den Gerichtsatlas veröffentlicht, während die Zusammenfassungen über die vorgegebenen nationalen Verfahren für geringfügige Forderungen über das Europäische Justizportal zu erreichen sind. Damit kommen die Mitgliedstaaten und die Kommission sowohl den einschlägigen Bestimmungen der Entscheidung 2001/470/EG12 als auch Art. 24 EG-BagatellVO nach. Welche Form der Zusammenarbeit neben dem Europäischen Justiziellen Netz für Zivil- und Handelssachen bzw. dem Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen und dem Europäischen Justizportal noch in Betracht kommt, kann weder der VO noch anderen Gemeinschaftsrechtsakten entnommen werden.
Artikel 25 Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen (1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission bis zum 13.1.2017 Folgendes mit, a) die Gerichte, die für den Erlass von Urteilen im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig sind; b) die Kommunikationsmittel, die für die Zwecke des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen zulässig sind und den Gerichten nach Artikel 4 Absatz 1 zur Verfügung stehen; c) die Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe nach Artikel 11 zuständig sind; 8 Die Homepage des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen ist über die Website der Kommission zugänglich, auf Deutsch unter dem folgenden Link: http://ec.europa.eu/civiljustice/index_de. htm. 9 Die Homepage des Europäischen Gerichtsatlasses für Zivilsachen ist unter dem folgenden Link erreichbar: http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/index_de.htm. 10 Vgl. Das Stockholmer Programm, S. 31 (Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für den Rat, 8.12.2009, 17024/2/09 REV 2) Aktionsplan für die europäische E-Justiz, Rz. 30–34 (Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für den AStV/Rat, 7.11.2008, 15315/08), Durchführung des Aktionsplans für die europäische E-Justiz – Fahrplan (Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für den AStV/Rat, 21.5.2010, 9714/1/10 REV 1). 11 Das Europäische Justizportal ist unter dem folgenden Link erreichbar: https://e-justice.europa.eu. Die für die VO relevanten Informationen und Mitteilungen sind unter https://e-justice.europa.eu/content_small_claims354-de-de.do zu erreichen. 12 Vgl. Art. 15 Abs. 2 lit. b Entscheidung 2001/470/EG.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
d) die elektronischen Zustellungs- und Kommunikationsmittel, die technisch verfügbar und nach ihren Verfahrensvorschriften gemäß Artikel 13 Absätze 1, 2 und 3 zulässig sind und die nach Artikel 13 Absätze 1 und 2 erforderlichen Mittel, die für die vorherige Zustimmung zur Verwendung der elektronischen Übermittlung im Rahmen ihres nationalen Rechts zur Verfügung stehen; e) die Personen oder Berufsgruppen, die gegebenenfalls rechtlich verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs gemäß Artikel 13 Absätze 1 und 2 zu akzeptieren; f) die Gerichtsgebühren, die für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen erhoben werden oder wie sie berechnet werden und welche Zahlungsweise gemäß Artikel 15a anerkannt wird; g) jegliche Rechtsmittel, die im Sinne des Artikels 17 nach ihrem Verfahrensrecht eingelegt werden können, innerhalb welchen Zeitraums diese Rechtsmittel einzulegen sind und die für diese Rechtsmittel zuständigen Gerichte; h) die Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung gemäß Artikel 18 und die Gerichte, die für eine derartige Überprüfung zuständig sind; i) die Sprachen, die sie nach Artikel 21a Absatz 1 zulassen und j) die Behörden, die für die Vollstreckung und die Behörden, die für die Zwecke der Anwendung des Artikels 23 zuständig sind. Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über alle späteren Änderungen dieser Angaben. (2) Die Kommission macht die nach Absatz 1 mitgeteilten Angaben auf geeignete Weise, beispielsweise über das Europäische Justizportal, öffentlich zugänglich. Art. 25 EG-BagatellVO verpflichtet die Mitgliedstaaten, der Kommission bestimmte Angaben1 sowie alle späteren Änderungen dieser Angaben mitzuteilen. Die Mitteilungspflicht ergibt sich daraus, dass die VO keine abschließende Regelung zum europäischen Bagatellverfahren darstellt (Art. 19 EGBagatellVO). Es kommen daher bei der Anwendung der VO notwendigerweise solche verfahrensrechtlichen Fragen auf, die nach dem Zivilverfahrensrecht des Mitgliedstaates des angerufenen Gerichts zu beantworten sind. Außer den in Art. 25 EG-BagatellVO sowie in einigen Vorschriften der Kapitel II und III der VO2 ausdrücklich bezeichneten Verfahrensfragen gibt es eine Reihe weiterer Elemente des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, die sich nach dem autonomen Recht des Forumstaates richten. Die Mitteilungspflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 25 Abs. 1 EGBagatellVO erstreckt sich zwar nur auf die dort erwähnten Angaben, Art. 24 EG-BagatellVO kann aber so ausgelegt werden, dass die Tragweite der in Art. 25 EG-BagatellVO verankerten Mitteilungspflicht der Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Zusammenarbeit um zusätzliche Informationen erweitert wird. Es ist ja die Kommission, die die Informationen über das europäische Bagatellverfahren auf der Website des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen, des Europäischen Gerichtsatlasses für Zivilsachen und auf dem Europäischen Justizportal veröffentlicht, daher ist auch die Kooperationspflicht im Rahmen des Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen nach Art. 24 EG-BagatellVO letztlich durch Mitteilungen an die Kommission zu erfüllen.
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Abweichend von allen anderen Vorschriften der EG-BagatellVO, gilt Art. 25 EG-BagatellVO gem. Art. 29 EG-BagatellVO bereits ab dem 1.1.2008. Das Anfangsdatum der Geltung des Art. 25 der VO wurde in Anbetracht der in Art. 25 Abs. 1 EG-BagatellVO für die Erfüllung der Mitteilungspflicht ge-
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1 Die bestehende Mitteilungspflicht soll laut Reformvorschlag der Kommission für die Überarbeitung der VO auf die Übermittlung von Angaben über die für das europäische Bagatellverfahren zu leistenden Gerichtsgebühren, die praktische Hilfestellung bietenden nationalen Behörden, die Rechtsmittelfrist und die Modalitäten für die Beantragung der Überprüfung gem. Art. 18 EG-BagatellVO erstreckt werden, nicht jedoch – was bemerkenswert ist – auf die Angaben über die Verfahrenssprache der mitgliedstaatlichen Gerichte, vgl. dazu Ontanu/ Pannebakker, Erasmus Law Review Vol 5 Issue 3 2012, 169, 174. 174. 2 S. z.B. Art. 21 Abs. 1 EG-BagatellVO.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen setzten Frist – „bis zum 1.1.2008“ – nicht ganz folgerichtig festgelegt.3 Aus der gemeinsamen Auslegung des Art. 25 EG-BagatellVO und des Art. 29 EG-BagatellVO folgt nämlich, dass die Mitteilungspflicht an einem einzigen Tag, d.h. am 1.1.2008, erfüllt werden musste und konnte, da die Pflicht selbst erst an jenem Tag zustande kam, was allerdings der Formulierung des Art. 25 EG-BagatellVO – „bis zum“ – etwas widerspricht. 3
Der europäische Gesetzgeber hat den Beginn der Geltung des fraglichen Artikels offensichtlich in der Absicht vorgezogen, bis zum Anfang der Geltung des wesentlichen Teils der Regelung eine Vorbereitungsperiode dadurch zu gewährleisten, dass die grundsätzlichen Informationen in Bezug auf die neue Verfahrensart den Gerichten und anderen Behörden, die später für verschiedene Aspekte des europäischen Bagatellverfahrens zuständig sein werden, rechtzeitig zugänglich gemacht werden.4 Diese Zielsetzung scheiterte dann an der Unterlassung zahlreicher Mitgliedstaaten, der Mitteilungspflicht nach Art. 25 EG-BagatellVO bis zum 1.1.2008 nachzukommen. Inzwischen haben alle Mitgliedstaaten ihre Mitteilungspflicht erfüllt. Seit dem Ablauf der erwähnten Frist bzw. dem Beginn der Geltung der VO erweiterte sich der räumliche Anwendungsbereich der VO durch den Beitritt Kroatiens zur EU.5 Kroatien kam seinen einzelnen Mitteilungspflichten, die die Verordnungen für den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit einem Mitgliedstaat auferlegen, in einer zusammenfassenden6 Mittelung7 nach.
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Aus dem Wortlaut des Art. 25 Abs. 1 EG-BagatellVO ergibt sich keine Gesetzgebungspflicht für die Mitgliedstaaten, die VO verpflichtet ja die Mitgliedstaaten nur zu bestimmten Mitteilungen an die Kommission. Hat ein Mitgliedstaat keine spezielle Regelung zum europäischen Bagatellverfahren getroffen, so sind die allgemeinen Vorschriften seines Zivilverfahrens- und Gerichtsverfassungsrechts anzuwenden. Allerdings können sämtliche in Art. 25 Abs. 1 EG-BagatellVO aufgelisteten Fragen aufgrund der allgemeinen Verfahrensregeln beantwortet werden. Da aber die VO ein eigenständiges Verfahren schafft, dessen Vorschriften ins mitgliedstaatliche Zivilverfahrensrecht an einigen Punkten stark eingreifen, und gleichzeitig keine abschließende Regelung darstellt, ist eine Mindestanpassung des nationalen Zivilverfahrensrechts an die VO letztlich unvermeidlich. Neben solchen offensichtlichen Problempunkten wie z.B. das Rechtsmittel gegen ein im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenes Urteil und die Vollstreckbarkeit des Urteils ohne Rücksicht auf ein mögliches Rechtsmittel enthält die Verordnung weitere, „teilweise ausfüllungsbedürftig beschriebene Verfahrensregeln“ (s. z.B. Art. 8 EG-BagatellVO zu den verfügbaren bzw. zulässigen Mitteln der Kommunikationstechnologie zur Durchführung der mündlichen Verhandlung, Art. 9 EG-BagatellVO zu den Beweisaufnahmeregeln, Art. 11 EG-BagatellVO zu den Hilfestellungen für die Parteien usw).8
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Der deutsche Gesetzgeber hat sich entschlossen, den oben erwähnten Regelungsbedarf durch Hinzufügung eines neuen Abschnittes 6 zu Buch 11 (Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union) der ZPO zu bedienen.9 Als Vorschriften, die ausdrücklich zum Zwecke der Erfüllung der Mit3 S. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Anhang II zu Buch 11 (EG-BagatellVO) Rz. 10. 4 Vgl. auch die Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 6.9.2011 in der Rs. 412/10 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA Rz. 20 ff. 5 S. Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, der Republik Bulgarien, der Tschechischen Republik, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, dem Großherzogtum Luxemburg, der Republik Ungarn, der Republik Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Republik Polen, der Portugiesischen Republik, Rumänien, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Republik Kroatien über den Beitritt der Republik Kroatien zur Europäischen Union, ABl. Nr. L 112 vom 24.4.2012, S. 10–110. 6 Sie bezieht sich auf die Mitteilungspflichten laut Art. 74 Abs. 1 Brüssel I-VO, Art. 68 Abs. 1 Brüssel IIa-VO, Art. 71 Abs. 1 EG-UntVO, Art. 23 EG-ZustVO, Art. 22 EuInsVO, Art. 28 und 29 EG-MahnVO, Art. 25 EG-BagatellVO, Art. 30 EG-VollstrTitelVO. 7 Vgl. die Mitteilung von Kroatien. Abrufbar: https://e-justice.europa.eu/content_croatia__cooperation_in_civil_ matters-276-de.do. 8 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Anhang II zu Buch 11 (EG-BagatellVO) Rz. 10. 9 Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung vom 30.10.2008, BGBl. I 2122.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
teilungspflicht nach Art. 25 Abs. 1 EG-BagatellVO verabschiedet worden sind, gelten die folgenden: § 1097 Abs. 1 ZPO zu den Kommunikationsmitteln nach Art. 25 Abs. 1 lit. b und Art. 4 Abs. 1 EGBagatellVO, § 1105 Abs. 2 ZPO zur Bestimmung der zuständigen Behörde gem. Art. 25 Abs. 1 lit. j und Art. 23 EG-BagatellVO und § 1108 ZPO zu den zugelassenen Sprachen i.S.d. Art. 25 Abs. 1 lit. i und Art. 21 Abs. 2 lit. b EG-BagatellVO. Andernfalls wird im neuen Abschnitt 6 zu Buch 11 der ZPO auf solche Einzelheiten des europäischen Bagatellverfahrens eingegangen, die in der VO entweder ungeregelt geblieben sind, im deutschen System des Zivilprozesses etwa einen Systembruch verursachen oder dem deutschen Zivilprozessrecht einfach nur fremd sind. Gemäß Art. 25 Abs. 2 EG-BagatellVO veröffentlicht die Kommission die ihr mitgeteilten Angaben vor allem im Amtsblatt der Europäischen Union und macht sie zusätzlich durch alle anderen geeigneten Mittel zugänglich. Als solche geeigneten Mittel kommen das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen bzw. der Europäische Gerichtsatlas für Zivilsachen in Betracht.10 Diese Informationsquellen werden durch das Europäische Justizportal ergänzt, wo praktische Informationen über die Inanspruchnahme des Bagatellverfahrens11 sowie seit 201112 zum Online-Ausfüllen der Formblätter A bis D dynamische Formulare13 bereitgestellt sind.
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Der Stand der Mitteilungen der Mitgliedstaaten ist am 11.12.2019 der folgende:14
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Belgien Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Bezüglich der Gerichte, die für den Erlass von Urteilen im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig sind, wird mitgeteilt, dass nach dem belgischen Gerichtsgesetzbuch Friedensrichter, das Gericht erster Instanz oder das Handelsgericht mit materieller oder örtlicher Zuständigkeit zuständig sind. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Die Kommunikationsmittel, die nach Artikel 4 Absatz 1 dieser Verordnung für die Zwecke des Verfahrens zulässig sind und den Gerichten zur Verfügung stehen, sind in Belgien auf die direkte Übermittlung des Klageformblatts A in Anhang I der Verordnung und die betreffenden Nachweise an die Kanzlei des örtlich zuständigen Gerichts erster Instanz und die Übermittlung von Klageformblatt A samt Nachweisen per Einschreiben auf dem Postweg an das örtlich zuständige Gericht erster Instanz beschränkt. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Die Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts ist berechtigt, praktische Hilfestellung beim Ausfüllen der Formblätter zu leisten und allgemeine Informationen zu erteilen. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung In Belgien werden Schriftstücke und Urteile in manchen Fällen von einem Gerichtsvollzieher (huissier de justice/ gerechtsdeurwaarder) zugestellt (signification). Demnächst soll auch die elektronische Zustellung möglich sein. Die Notifizierung (notification), d.h. die Zustellung ohne Einschaltung eines Gerichtsvollziehers, erfolgt auf dem Postweg oder, sofern dies gesetzlich zulässig ist, per Fax. Die Notifzierung soll demnächst auch elektronisch möglich sein. Genauere Informationen zur Zustellung und Notifizierung von Schriftstücken und Urteilen sind auf der entsprechenden Seite im Europäischen Justizportal abrufbar. 10 Die Mitteilungen werden auf der Website des Europäischen Gerichtsatlasses für Zivilsachen in konsolidierter Fassung (http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/pdf/vers_consolide_de_861.pdf) sowie einzeln aufgeführt (http://ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/sc_communicationsHTML_de.htm) und regelmäßig aktualisiert. Die Mitteilung Kroatiens ist in der Datenbank bis dato nicht aufgenommen worden und ist nur auf dem Europäischen Justizportal zugänglich. S. dazu oben Rz. 3. 11 Der „Praktische Leitfaden für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen“ ist als Handbuch unter den Veröffentlichungen des Europäischen Justiziellen Netzes (https://e-justice.europa.eu/content_ejn_s_publica tions-287-de.do) abrufbar. Vgl. noch Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die Bürger Europas: Aktionsplan zur Durchsetzung des Stockholmer Programms, S. 22 (Europäische Kommission, KOM(2010) 171 endgültig). 12 Vgl. Bericht, S. 6 Punkt 4.6. 13 Die dynamischen Formulare sind auf dem folgenden Link zugänglich: https://e-justice.europa.eu/content_ small_claims_forms-177-de.do. Vgl. noch Durchführung des Aktionsplans für die europäische E-Justiz – Fahrplan, Rz. 15 (Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes für den AStV/Rat, 21.5.2010, 9714/1/10 REV 1). 14 Sinnstörende Übersetzungsfehler sind – soweit das Original dem Autor sprachlich zugänglich – korrigiert.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Die Gerichtsgebühren (Ausgaben und Verfahrenskosten) sind in Artikel 1017 bis 1022 des Gerichtsgesetzbuches geregelt, die Zeugengebühr in Artikel 953 des Gerichtsgesetzbuches und die Registrierungsgebühren im Registrierungs-, Hypotheken- und Kanzleigebührengesetzbuch (Code des droits d’enregistrement, d’hypothèque et de greffe/ Wetboek der registratie-, hypotheek- en griffierechten), insbesondere Artikel 142 ff. und Artikel 268 ff. In Artikel 1018 des Gerichtsgesetzbuches sind die Verfahrenskosten im Einzelnen aufgeführt: 1. Verschiedene Gebühren, Kanzlei- und Registrierungsgebühren. Zu den Kanzleigebühren zählen Gebühren für die Eintragung in das Streitsachenverzeichnis, für die Vornahme bestimmter Handlungen durch den Greffier und Ausfertigungsgebühren (siehe Artikel 268 ff. des Registrierungs-, Hypotheken- und Kanzleigebührengesetzes). Registrierungsgebühren sind für Verfahren mit einem Streitwert von mehr als 12.500 EUR (ohne Verfahrenskosten) zu entrichten; sie sind auf 3 % des Streitwerts begrenzt. Für geringfügige Forderungen fallen daher keine Registrierungsgebühren an. 2. Kosten der und die Bezüge und Besoldungen für gerichtliche Handlungen. 3. Kosten für die Ausfertigung eines Urteils. 4. Kosten für Untersuchungsmaßnahmen, insbesondere Gebühren für Zeugen und Sachverständige. Mit Königlichem Erlass vom 27.7.1972 wurde diese Gebühr auf 200 Francs pro Zeugen festgesetzt, was heute etwa 5 EUR entspricht. Zusätzlich werden Reisekosten erstattet. Sachverständige können ihre Aufwendungen und Honorare für Gutachten selbst festsetzen. Sie müssen aber eine genaue Kostenaufstellung vorlegen. Bei der abschließenden Prüfung der Gesamtkosten kann das Gericht den Betrag kürzen, wenn beispielsweise unnötige Ausgaben in Rechnung gestellt wurden. 5. Reisekosten und Spesen für Magistrate, Greffiers und Parteien, wenn sie auf Anordnung des Gerichts anreisen müssen, sowie Beurkundungskosten, wenn diese ausschließlich im Hinblick auf den Prozess gemacht worden sind. 6. Verfahrensentschädigung (Artikel 1022 des Gerichtsgesetzbuches). Sie ist von der unterlegenen Partei zu zahlen. Es handelt sich um einen Pauschalbetrag für die Aufwendungen und Honorare des Anwalts der obsiegenden Partei. Die Beträge sind an den Verbraucherpreisindex gekoppelt. Jede Veränderung um plus oder minus 10 Punkte bewirkt eine Anhebung oder eine Reduzierung des Betrags um 10 %. Streitwert Grundbetrag* Mindestbetrag* Höchstbetrag* Bis 250,00 EUR 180,00 EUR 90,00 EUR 360,00 EUR Von 250,01 bis 750,00 EUR 240,00 EUR 150,00 EUR 600,00 EUR Von 750,01 bis 2.500,00 EUR 480,00 EUR 240,00 EUR 1.200,00 EUR * Neue Beträge ab 1.6.2016 Arbeitsgericht (Sonderregelung) Streitwert Grundbetrag Mindestbetrag Höchstbetrag Bis 250,00 EUR 43,75 EUR 31,75 EUR 55,75 EUR Bis 620,00 EUR 87,43 EUR 59,43 EUR 105,43 EUR 155,18 EUR Bis 2.500,00 EUR 131,18 EUR 107,18 EUR 7. Gebühren, Vergütung und Kosten eines nach Artikel 1734 des Gerichtsgesetzbuches bestellten Vermittlers Aus den oben genannten Gründen fallen in jedem Verfahren andere Kosten an. Die Höhe der Kosten hängt beispielsweise davon ab, ob das Verfahren gewonnen wurde, ob Sachverständige bestellt wurden, ob Zeugen befragt wurden, ob Richter ins Ausland reisen mussten, ob ein Vermittler benötigt wurde usw. Kanzleigebühren sind im Voraus zu entrichten; andernfalls wird die Sache nicht in das Streitsachenverzeichnis aufgenommen. Bevor Sachverständige ihre Arbeit aufnehmen, muss eine Anzahlung geleistet werden. Wer die Anhörung eines Zeugen beantragt, muss die Kosten im Voraus beim Greffier entrichten. Bleibt die Zahlung aus, wird angenommen, dass der Antrag auf Zeugenanhörung zurückgezogen wurde. Die Zahlung kann per Überweisung oder Einzahlung, durch elektronische Überweisung, bar oder per Scheck auf Namen der Geschäftsstelle erfolgen (die letztgenannte Zahlungsweise ist Rechtsanwälten und Gerichtsvollziehern vorbehalten). Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Rechtsmittel gemäß Artikel 17 der Verordnung können nach belgischem Zivilverfahrensrecht eingelegt werden. Rechtsmittel sind beim sachlich zuständigen Gericht erster Instanz, Handelsgericht oder Berufungsgericht nach Maßgabe des Gerichtsgesetzbuches einzulegen. Welches Berufungsgericht örtlich zuständig ist, ist dem Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen zu entnehmen. Nach Artikel 1051 des belgischen Gerichtsgesetzbuches sind vorbehaltlich anderer in zwingenden supranationalen oder internationalen Rechtsvorschriften vorgesehener Fristen Rechtsmittel innerhalb eines Monats ab Zustellung oder Notifizierung des Urteils gemäß Artikel 792 Absätze 2 und 3 des Gerichtsgesetzbuches einzulegen. Analog da-
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
zu sind Rechtsmittel im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen grundsätzlich innerhalb eines Monats ab Zustellung oder Notifizierung des vom zuständigen Gericht erlassenen Urteils gemäß Artikel 13 der Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen einzulegen. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Dem jeweiligen Sachverhalt entsprechend sieht das belgische Recht mehrere Möglichkeiten für die Beantragung der Überprüfung eines Urteils vor: – Erstens können nach Artikel 1051 des Gerichtsgesetzbuches (Code judiciaire/Gerechtelijk Wetboek) innerhalb eines Monats ab Zustellung oder in manchen Fällen ab Notifzierung des Urteils gemäß Artikel 792 Absätze 2 und 3 des Gesetzbuches Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob beide Parteien vor Gericht erschienen sind. – Zweitens kann nach Artikel 1048 des Gerichtsgesetzbuches ein Antrag auf Aufhebung eines Versäumnisurteils innerhalb eines Monats ab Zustellung des Urteils gemäß Artikel 792 Absätze 2 und 3 des Gerichtsgesetzbuches gestellt werden. Die oben genannten Fristen für das Einlegen eines Rechtsmittels oder einen Antrag auf Aufhebung eines Urteils gelten: – vorbehaltlich anderer in zwingenden supranationalen oder internationalen Rechtsvorschriften festgelegter Fristen; – unbeschadet der nach Artikel 50 des Gerichtsgesetzbuches bestehenden Möglichkeit, eine zwingend einzuhaltende Frist unter bestimmten gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen zu verlängern; – unbeschadet der Möglichkeit, den wiederholt durch den belgischen Kassationsgerichtshof bestätigten allgemeinen Rechtsgrundsatz anzuwenden, wonach die Fristen für die Vornahme einer Rechtshandlung zugunsten einer Partei verlängert werden können, wenn diese durch höhere Gewalt an der fristgerechten Vornahme gehindert war. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Gemäß Artikel 21 Absatz 2 lit. b akzeptiert Belgien keine andere Sprache als die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Vollstreckungsorts nach belgischem Recht. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Zuständig für die Vollstreckung eines von einem Gericht in einem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen erlassenen Urteils sind in Belgien die Gerichtsvollzieher. Zuständig für die Anwendung von Artikel 23 der Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen ist zu allererst der Vollstreckungsrichter („juge des saisies (exécution)“ und „beslagrechter (tenhuitvoerlegging“)) am Ort der Vollstreckung. Nach Artikel 1395 des belgischen Gerichtsgesetzbuchs ist der Vollstreckungsrichter für alle Sicherungsvollstreckungen und Vollstreckungsmittel zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ist in Artikel 633 des belgischen Gerichtsgesetzbuchs definiert. Daneben ist auch das nach belgischem Gerichtsgesetzbuch örtlich zuständige Gericht erster Instanz zuständig. Artikel 569 Nummer 5 des belgischen Gerichtsgesetzbuchs sieht vor, dass das Gericht erster Instanz befugt ist, Streitsachen über die Vollstreckung von Gerichtsurteilen und -entscheidungen entgegenzunehmen. Außerdem besitzt das Gericht erster Instanz nach Artikel 566 des belgischen Gerichtsgesetzbuchs umfassende Zuständigkeit. Bulgarien Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Nach den in der Zivilprozessordnung festgelegten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit sind die Bezirksgerichte für Urteile im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Das Klageformblatt А für die Einleitung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen in Bulgarien kann beim zuständigen Gericht persönlich oder auf dem Postweg eingereicht werden. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Praktische Hilfe und Informationen nach Artikel 11 der Verordnung ist beim Europäischen Verbraucherzentrum in Bulgarien erhältlich, das zum Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren (ECC-Net) gehört. Auf Anfrage gibt das Justizministerium Auskunft über die Anwendung der Verordnung. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Die Zustellungsmittel sind in der bulgarischen Zivilprozessordnung (im Folgenden „ZPO“) dargelegt. Nach Artikel 43 kann die Zustellung persönlich oder durch eine andere Person erfolgen. Das Gericht kann eine Zustellung in der Form anordnen, dass das entsprechende Dokument zur Akte hinzugefügt, an der Haustür oder am Briefkasten des Empfängers angebracht oder öffentlich bekannt gemacht wird.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Nach Artikel 42 Absatz 4 ZPO kann die Zustellung an die Verfahrensparteien auch per E-Mail erfolgen. Die Zustellung gilt als erfolgt, sobald das Dokument im System eingegeben ist. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Es wurden keine ausdrücklich benannt. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Nach der Staatliche Gebührenordnung für gemäß ZPO erhobene Gerichtsgebühren belaufen sich die Gerichtskosten in Bulgarien auf 4 % des Klagewerts, mindestens jedoch 50 BGN. Gerichtskosten sind per Überweisung zu zahlen. Nach Artikel 13 Absatz 3 der Gebührenordnung sind für einen Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung eines bulgarischen Gerichtsurteils 40 BGN zu entrichten. Nach Artikel 15 der Gebührenordnung beträgt die Gebühr für einen Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Gerichtsurteils, Schiedsurteils oder Urteils einer anderen Stelle 50 BGN. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Rechtsmittel gegen Urteile im Verfahren für geringfügige Forderungen sind beim zuständigen Bezirksgericht (Окръжен съд) einzulegen (Artikel 624 Absatz 2 ZPO). Rechtsmittel sind innerhalb von zwei Wochen, nachdem der Verfahrenspartei das Urteil des Kreisgerichts zugestellt wurde, einzulegen. Das Verfahren ist in Kapitel 20 der ZPO dargelegt. Gegen das Urteil des Bezirksgerichts kann vor dem Obersten Kassationsgericht nach Maßgabe der Bestimmungen von Artikel 280 (Artikel 624 Absatz 2 ZPO) ein Rechtsmittel eingelegt werden. Die Bedingungen und Bestimmungen für die Vollstreckung eines Urteils des Kassationsgerichts sind in Kapitel 22 der ZPO festgelegt. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Der Beklagte kann einen Antrag auf Überprüfung eines Urteils im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen vor dem zuständigen Berufungsgericht und nach Maßgabe der Bestimmungen von Artikel 18 einreichen. Das Gericht übermittelt der gegnerischen Verfahrenspartei eine Kopie des Antrags; diese kann innerhalb von einer Woche dazu Stellung nehmen. Der Antrag auf Überprüfung wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit geprüft. Sofern es das Gericht für erforderlich hält, kann der Antrag öffentlich geprüft werden. Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Überprüfung können keine Rechtsmittel eingelegt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Für die Zwecke des Artikels 21 Absatz 2 lit. b ist Bulgarisch die zugelassene Sprache. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Für die Vollstreckung zuständig sind die (staatlichen und privaten) Gerichtsvollzieher. Für die Zwecke der Anwendung des Artikels 23 der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen ist das Gericht zuständig, vor dem die Rechtssache anhängig ist, oder, wenn das Urteil bereits rechtskräftig ist, das Gericht erster Instanz (Artikel 624 Absatz 4 der Zivilprozessordnung). Deutschland Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Für den Erlass von Urteilen im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen sind sämtliche Amtsgerichte nach den Regeln über ihre örtliche Zuständigkeit zuständig. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Flächendeckend stehen folgende Möglichkeiten der Kommunikation zur Verfügung: Post einschließlich privater Zustelldienste, Telefax. Im Land Brandenburg ist daneben ein elektronischer Zugang zu allen Amtsgerichten und zu dem Brandenburgischen Oberlandesgericht möglich. Elektronische Dokumente gemäß § 130a Zivilprozessordnung (ZPO) können mittels eines elektronischen Gerichtsbriefkastens über die Internetseite www.gerichtsbriefkasten.de eingereicht werden. Die technischen Anforderungen für eine prozessual wirksame Einreichung der Dateien finden sich unter www.erv.brandenburg.de sowie weitere Informationen auf den jeweiligen Internetseiten der Gerichte. In Bremen ist ein elektronischer Zugang zu allen Amtsgerichten und zu dem Hanseatischen Oberlandesgericht nach Maßgabe des § 130a ZPO möglich. Die technischen Anforderungen für eine prozessual wirksame Einreichung der Dateien können über die jeweiligen Internetseiten der Gerichte erlangt werden.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
Im Land Hessen ist bei allen Amtsgerichten die Einreichung von elektronischen Dokumenten nach Maßgabe des § 130a ZPO möglich. Die technischen Anforderungen für eine prozessual wirksame Einreichung der Dateien finden sich unter www.hmdj.hessen.de. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Für die Gewährung praktischer Hilfe nach Artikel 11 der geänderten Verordnung (EG) Nr. 861/2007 sind die Amtsgerichte zuständig. Praktische Hilfe wird von den nach Maßgabe des jeweiligen Geschäftsverteilungsplans zuständigen Bediensteten geleistet, überwiegend durch Bedienstete in den Rechtsantragstellen oder Infotheken. Die Informationen über die zuständigen Amtsgerichte einschließlich der Kommunikationswege sind dem europäischen Gerichtsatlas zu entnehmen. Auf die Antwort zu Frage (a) wird insoweit Bezug genommen. Art. 25 Abs. 1 Buchstabe d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Nach § 174 Absatz 1 und 2 ZPO kann ein Schriftstück an einen Rechtsanwalt, einen Notar, einen Gerichtsvollzieher, einen Steuerberater oder an eine sonstige Person, bei der auf Grund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, eine Behörde, eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts gegen Empfangsbekenntnis durch Telekopie (Fax) zugestellt werden. An die Genannten kann gemäß § 174 Absatz 3 ZPO auch ein elektronisches Dokument zugestellt werden. Gleiches gilt für andere Verfahrensbeteiligte, wenn sie der Übermittlung elektronischer Dokumente ausdrücklich zugestimmt haben. Für die Übermittlung ist das elektronische Dokument mit einer elektronischen Signatur zu versehen und gegen unbefugte Kenntnisnahme Dritter zu schützen. Die Übermittlung kann auch über De-MailDienste erfolgen. Mit Wirkung vom 1.1.2018 kann ein elektronisches Dokument statt mit einer elektronischen Signatur auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a ZPO zugestellt werden. Die oben Genannten haben dann einen sicheren Übermittlungsweg für die Zustellung elektronischer Dokumente zu eröffnen. Die elektronische Zustellung wird in diesem Fall durch ein elektronisches Empfangsbekenntnis nachgewiesen, das in strukturierter, maschinenlesbarer Form zu übermitteln ist. Hierfür ist ein vom Gericht mit der Zustellung zur Verfügung gestellter Datensatz zu nutzen. Die Zustimmung nach Artikel 13 sowie § 174 Absatz 3 ZPO kann auf den unter (b) beschriebenen Wegen erklärt werden. Ergänzend wird auf die Beantwortung der Frage (b) Bezug genommen. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Mit Einführung des § 31a Absatz 1 Satz 1 BRAO erhielt die Bundesrechtsanwaltskammer den gesetzlichen Auftrag, für jeden Rechtsanwalt in Deutschland ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einzurichten. Eines der Ziele des Gesetzgebers bei Einführung des § 31a BRAO war es, die Erreichbarkeit jedes einzelnen Rechtsanwalts in Deutschland auf elektronischem Wege sicherzustellen. Die Einrichtung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs erfolgte am 28.11.2016. Eine Pflicht zur Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs besteht derzeit gleichwohl nicht. § 31 der Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung stellt vielmehr klar, dass über das besondere elektronische Anwaltspostfach empfangene Nachrichten bis einschließlich 31.12.2017 nur dann zu Kenntnis genommen werden müssen, wenn der Postfachinhaber zuvor sein Einverständnis mit dessen Nutzung erklärt hat. Diese Phase der freiwilligen Nutzung soll den Rechtsanwälten einen gleitenden Einstieg in die neue Technologie ermöglichen und sicherstellen, dass das besondere elektronische Anwaltspostfach vor der Einführung einer gesetzlichen Nutzungspflicht weitgehend störungsfrei funktioniert. Mit Wirkung zum 1.1.2018 soll § 31a BRAO dann um einen neuen Absatz 6 ergänzt werden, der alle Rechtsanwälte dazu verpflichtet, die auf ihrem besonderen elektronischen Anwaltspostfach eingehenden Nachrichten zur Kenntnis zu nehmen. Der Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe sieht eine entsprechende Gesetzesänderung vor (Bundestagsdrucksache 18/9521, S. 9 und 107 ff.). Im Übrigen gilt die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken). Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Die Gerichtskosten für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen sind im „Gerichtskostengesetz“ (GKG) geregelt. Die Gerichtskosten werden durch das Gericht per Gerichtskostenrechnung angefordert. Die Gebühren werden mit Eingang des verfahrenseinleitenden Antrags fällig, der Fortgang des Verfahrens ist jedoch nicht von der Zahlung der Gebühren abhängig.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Für die Kosten haftet neben dem Antragsteller auch derjenige, dem sie durch das Gericht auferlegt wurden oder der sie in einem Vergleich übernommen hat. Die konkreten Gebühren sind in einer Anlage zum Gerichtskostengesetz (Kostenverzeichnis-KV-GKG) bestimmt. In Nummer 1210 KV-GKG ist für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen eine Gebühr mit einem Gebührensatz von 3,0 vorgesehen. Bei vorzeitiger Beendigung des Verfahrens ermäßigt sich diese Gebühr auf einen Gebührensatz von 1,0 (Nummer 1211 KV-GKG). Für die Höhe der Gebühr ist der Streitwert maßgebend, der regelmäßig mit der Höhe der geltend gemachten Forderung identisch ist. Sind außer dem Hauptanspruch auch Zinsen oder Kosten als Nebenforderungen betroffen, wird der Wert dieser Nebenforderungen nicht berücksichtigt. Folgende Gebühren entstehen: Wert bis v 3,0-Gebühr v 1,0-Gebühr v 500,00 105,00 35,00 1.000,00 159,00 53,00 1.500,00 213,00 71,00 2.000,00 267,00 89,00 3.000,00 324,00 108,00 4.000,00 381,00 127,00 5.000,00 438,00 3146,00 Neben den Gebühren sind anfallende Auslagen, zum Beispiel für Zeugen, Sachverständige und Dolmetscher zu zahlen. Eine Zahlung ist per Überweisung möglich. Die Bankverbindung wird im jeweiligen Einzelfall gemeinsam mit der Zahlungsaufforderung der Justizkasse mitgeteilt. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Urteile ist nach Maßgabe der Regelungen der Zivilprozessordnung, insbesondere der §§ 511 ff. ZPO, das Rechtsmittel der Berufung eröffnet. Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils. Zur Entscheidung über die Berufungen gegen Urteile im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen sind sämtliche Landgerichte nach den Regeln über ihre örtliche Zuständigkeit berufen. Gegen die im Berufungsrechtszug ergangenen Urteile der Landgerichte ist die Revision eröffnet, soweit das Landgericht diese zulässt. Die Zulassung der Revision hat nach § 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO zu erfolgen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Nach § 1104 Absatz 1 ZPO wird im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des Artikels 18 das Verfahren auf Antrag fortgesetzt und in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor Erlass des Urteils befand. Zuständig ist das Gericht, bei dem das Ausgangsverfahren geführt wurde. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Es ist allein die deutsche Sprache zu benutzen. In den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung haben die Sorben das Recht vor Gericht sorbisch zu sprechen. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Vollstreckungsgericht ist ebenfalls das Gericht der Hauptsache. Estland Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Estland teilt mit, dass im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen in Estland das zuständige Amtsgericht entscheidet (§ 405 Absatz 1 der Zivilprozessordnung). Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Was Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung betrifft, sind im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen in Estland folgende Kommunikationsmittel zulässig, die den Gerichten zur Verfügung stehen: die persönliche Abgabe, die Versendung per Post, Fax und über elektronische Übermittlungswege. Bei der Übermittlung von Dokumenten sind die Formvorschriften nach §§ 334–336 der Zivilprozessordnung zu beachten. Danach sind dem Gericht eigenhändig unterschriebene Anträge klar lesbar, maschinengeschrieben im Format A4 vorzulegen. Nach den gesetzlichen Vorschriften reichen die Verfahrensbeteiligten darüber hinaus nach Möglichkeit schriftliche Verfahrensunterlagen auch in elektronischer Form beim Gericht ein. Gemeint ist die einfache E-MailÜbersendung, um den Gerichten die Bearbeitung der Dokumente zu erleichtern, wobei eine digitale Unterschrift oder eine andere Authentifizierung nicht erforderlich ist.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
Wenn Dokumente per Fax oder mit E-Mail oder in anderer, die Vervielfältigung ermöglichender Form an die dafür vorgesehene Adresse geschickt werden, ist das Original des Dokuments dem Gericht unmittelbar nach Verschickung, spätestens aber bei Ablauf der Frist für die Einreichung von Unterlagen für die Gerichtsverhandlung oder das schriftliche Verfahren zu übergeben. In diesem Fall gilt die Frist für die Einreichung der schriftlichen Forderung oder der Klage als eingehalten. Beim Gericht können Anträge und andere Schriftstücke, die schriftlich vorzulegen sind, auch in elektronischer Form eingereicht werden, wenn das Gericht das vorgelegte Dokument ausdrucken und davon Kopien machen kann. Das Dokument muss in diesem Fall mit der digitalen Unterschrift des Versenders versehen werden oder in einer ähnlich gesicherten Weise übersandt werden, die eine Feststellung des Absenders ermöglicht. Als beim Gericht eingereicht gilt ein elektronisches Dokument, wenn es in der für die Annahme von Gerichtsunterlagen vorgesehenen Datenbank abgespeichert ist. Genauere Vorschriften für die Übermittlung von elektronischen Dokumenten an das Gericht und Formatanforderungen sind in einer Verordnung des Justizministers festgelegt. Das Gericht kann Anträge oder per E-Mail verschickte sonstige Verfahrensunterlagen von Verfahrensbeteiligten, die nicht eigenhändig unterschrieben sind bzw. keine digitale Unterschrift aufweisen, als ausreichend ansehen, wenn das Gericht nicht an der Identität des Versenders oder an der Verschickung des Dokuments zweifelt, insbesondere wenn das Gericht in demselben Verfahren von demselben Verfahrensbeteiligten unter Verwendung der gleichen E-Mail-Adresse Unterlagen mit digitaler Unterschrift erhalten hat oder wenn das Gericht den Verfahrensbeteiligten erlaubt hat, Anträge oder sonstige Schriftstücke auf diese Weise einzureichen. Im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen kann das Gericht von den festgelegten gesetzlichen Formvorschriften für die Zustellung von Verfahrenunterlagen abweichen, es sei denn, es handelt sich um die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Praktische Hilfe bezüglich des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen kann bei den Geschäftsstellen der Gerichte eingeholt werden. Die maßgeblichen Kontaktinformationen sind unter lit. a zu finden. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Die in estnischen Gerichten zulässigen und technisch verfügbaren elektronischen Zustellungs- und Kommunikationsmittel sind das Verfahrensinformationssystem „e-Akte“ (http://www.e-toimik.ee) und die Zustellung von Schriftstücken mittels E-Mail oder Fax. Stellt ein Gericht ein Verfahrensschriftstück über das Verfahrensinformationssystem „e-Akte“ zu, übermittelt das Gericht dem Empfänger unter der dem Gericht bekannt gegebenen E-Mailadresse oder Telefonnummer eine Mitteilung, dass das Schriftstück im System bereitgestellt wurde (§ 3111 Absatz 1 der Zivilprozessordnung). Das Gericht kann eine Mitteilung mit der Aussage, dass das Schriftstück bereitgestellt wurde, auch an eine Telefonnummer oder E-Mailadresse übermitteln, die im Internet, auf der mutmaßlichen Benutzerkontoseite eines virtuellen sozialen Netzwerks oder der Seite einer sonstigen virtuellen Kommunikationsumgebung aufgefunden wird, die der Adressat laut den im Internet zur Verfügung gestellten Informationen vermutlich nutzt oder bei der davon auszugehen ist, dass dorthin übersandte Informationen den Adressaten erreichen. Nach Möglichkeit wird das Gericht die Mitteilung auf der mutmaßlichen Benutzerkontoseite eines virtuellen sozialen Netzwerks oder der Seite einer sonstigen virtuellen Kommunikationsumgebung so bereitstellen, dass die Mitteilung für keine anderen Personen außer dem Adressaten einsehbar ist. Ein Verfahrensschriftstück gilt als zugestellt, wenn es der Empfänger im Informationssystem öffnet oder seinen Empfang im Informationssystem bestätigt, ohne es zu öffnen; das Schriftstück gilt ebenfalls als zugestellt, wenn dies durch eine andere Person, der der Empfänger Lesezugang zu den Schriftstücken im Informationssystem gewährt hat, erfolgt. Das Informationssystem erfasst die Zustellung des Schriftstücks automatisch. Kann von einem Empfänger nicht erwartet werden, dass er zur Nutzung des für die Zustellung von Schriftstücken verwendeten Informationssystems in der Lage ist, oder ist die Zustellung über das Informationssystem technisch nicht möglich, kann das Gericht dem Empfänger die Verfahrensschriftstücke auch elektronisch per E-Mail oder per Fax übermitteln. In derartigen Fällen gilt ein Schriftstück als dem Empfänger zugestellt, wenn dieser den Empfang des Schriftstücks schriftlich, per Fax oder auf elektronischem Wege bestätigt. In der Bestätigung ist das Eingangsdatum des Schriftstücks anzugeben und sie muss mit der Unterschrift des Empfängers oder dessen Vertreters versehen sein. Eine Bestätigung in elektronischer Form muss die digitale Signatur des Absenders tragen oder auf eine andere sichere Weise übermittelt werden, die die Identifizierung des Absenders und die Feststellung des Sendezeitpunkts erlaubt. Dies ist nicht erforderlich, wenn für das Gericht kein Zweifel besteht, dass die ohne digitale Signatur versandte Bestätigung vom Empfänger oder dessen Vertreter übermittelt wurde. Dem Gericht kann eine Bestätigung in elektronischer Form per E-Mail übermittelt werden, wenn dem Gericht die E-Mailadresse des Empfängers bekannt ist und davon ausgegangen werden kann, dass keine Unberechtigten Zugang dazu haben, und wenn das Gericht darüber hinaus im Verlauf derselben Sache bereits Schriftstücke an diese E-Mailadresse gesandt hat oder wenn der bzw. die Verfahrensbeteiligte dem Gericht unabhängig seine bzw. ihre E-Mailadresse zur Verfügung gestellt hat.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Die vorherige Zustimmung zur Verwendung der elektronischen Zustellung von Schriftstücken kann über das Verfahrensinformationssystem „E-Akte“, per E-Mail oder per Fax erteilt werden. Eine solche Zustimmung kann dem Gericht mittels Beantragung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen oder durch die Antwort darauf übermittelt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Im Allgemeinen müssen nur Anwälten, Notaren, Gerichtsvollziehern, Insolvenzverwaltern und staatlichen oder kommunalen Agenturen Schriftstücke elektronisch über das Verfahrensinformationssystem „E-Akte“ übermittelt werden. Die Zustellung von Schriftstücken auf anderem Wege ist nur zulässig, wenn wichtige Gründe vorliegen. In Bezug auf andere Personen gibt es keine gesetzlichen Verpflichtungen bezüglich der für die Zustellung von Schriftstücken zu nutzenden Mittel. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Für die Beantragung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen bei einem Landgericht ist eine staatliche Gebühr zu entrichten. Die Höhe dieser Gebühr wird auf der Grundlage des Streitwerts der Zivilsache bestimmt, und dieser wiederum wird anhand des Forderungsbetrags berechnet. Bei der Berechnung des Streitwerts einer Zivilsache wird der Betrag der Hauptforderung dem Betrag der Nebenforderungen hinzugerechnet. Wird ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen zum Zweck der Einziehung von noch nicht entstandenen Verzugszinsen beantragt, muss dieser Betrag außerdem um eine Summe erhöht werden, die den Verzugszinsen für ein Jahr entspricht. Der Betrag der staatlichen Gebühr wird auf der Grundlage des eingenommenen endgültigen Betrags (den Kosten der Zivilsache) anhand der in § 59 Absatz 1 von Anhang 1 des Gesetzes über staatliche Kosten (auf Estnisch und Englisch) dargestellten Tabelle berechnet. Für die Beantragung der Überprüfung eines Gerichtsurteils (Antrag auf Aufhebung eines Versäumnisurteils) ist eine Sicherheit zu leisten. Hierbei handelt es sich um einen Betrag, der der staatlichen Gebühr für die Hälfte des Streitwerts der Klage entspricht. Die staatliche Gebühr darf nicht weniger als 100 EUR und nicht mehr als 1500 EUR betragen. Für die Einlegung eines Rechtsmittels ist die gleiche staatliche Gebühr zu entrichten, die auch für die ursprüngliche Beantragung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen beim Landgericht gezahlt wurde; hierbei wird der Umfang des Rechtsmittels berücksichtigt. Auch für die Einlegung einer Kassationsbeschwerde und die Beantragung einer Überprüfung muss eine Sicherheitsleistung gezahlt werden. Die Berechnung der Sicherheitsleistung stützt sich auf den geforderten Betrag; ein Prozent dieses Betrags entspricht den Kosten der Zivilsache. Die staatliche Gebühr darf nicht weniger als 100 EUR und nicht mehr als 3000 EUR betragen. Für die Einlegung von Rechtsmitteln ist eine staatliche Gebühr von 50 EUR an das Bezirksgericht oder den Staatsgerichtshof zu entrichten. Die staatliche Gebühr kann mittels Banküberweisung auf jedes der Bankkonten des Finanzministeriums eingezahlt werden: SEB Pank – Kontonummer (IBAN) EE571010220229377229 (SWIFT: EEUHEE2X); Swedbank – Kontonummer (IBAN) EE062200221059223099 (SWIFT: HABAEE2X); Danske Bank – Kontonummer (IBAN) EE513300333522160001 (SWIFT: FOREEE2X); Nordea Bank – Kontonummer (IBAN) EE221700017003510302 (SWIFT: NDEAEE2X). Die staatliche Gebühr muss stets vor Antragstellung gezahlt werden. Mit dem Antrag muss dem Gericht ein Beleg über die Zahlung der staatlichen Gebühr vorgelegt oder es müssen Informationen übermittelt werden, anhand deren sich das Gericht von der Zahlung der staatlichen Gebühr überzeugen kann (beispielsweise das Datum, an dem die Zahlung erfolgte, der Betrag, der Zahler der Gebühr usw.). Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Gegen ein in einem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenes Gerichtsurteil können Rechtsmittel eingelegt werden, wenn im Urteil des Landgerichts die Einlegung von Rechtsmitteln zugelassen wurde. Das Gericht wird im Allgemeinen Rechtsmittel zulassen, wenn es der Auffassung ist, dass die Entscheidung eines Berufungsgerichts erforderlich ist, um die Meinung eines Bezirksgerichts zu einer Rechtsfrage einzuholen. Sind im Urteil des Landgerichts keine Rechtsmittel zugelassen worden, besteht immer noch die Möglichkeit, bei einem Bezirksgericht Rechtsmittel einzulegen; das Bezirksgesicht wird das jeweilige Rechtsmittel jedoch nur zulassen, wenn ersichtlich ist, dass das Landgericht bei der Urteilsfindung eine materialrechtliche Bestimmung fehlerhaft angewendet, gegen Verfahrensvorschriften verstoßen oder Beweise falsch bewertet hat und dass die Entscheidung hierdurch unter Umständen maßgeblich beeinflusst wurde. Rechtsmittel sind bei dem Bezirksgericht einzulegen, in dessen Zuständigkeitsgebiet das Landgericht, das die Entscheidung im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen erließ, seinen Sitz hat. Rechtsmittel können innerhalb von 30 Tagen nach der Zustellung des Urteils beim Antragsteller, aber nicht später als innerhalb von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils des erstinstanzlichen Gerichts eingelegt werden. Wurde das Urteil eines Landgerichts ohne den Teil mit der Beschreibung und Begründung des Urteils verfasst und
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
hat ein Verfahrensbeteiligter das Gericht ersucht, dem Urteil einen solchen Teil hinzuzufügen, beginnt die Rechtsmittelfrist ab der Zustellung des vollständigen Urteils erneut zu laufen. Rechtsmittel dürfen nicht eingelegt werden, wenn beide Verfahrensparteien in einem dem Gericht übermittelten Antrag auf ihr Recht zur Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet haben. Beim Staatsgerichtshof kann Kassationsbeschwerde gegen ein in einem Beschwerdeverfahren ergangenes Urteil erhoben werden (Kapitel 66 der Zivilprozessordnung). Ein Verfahrensbeteiligter kann beim Staatsgerichtshof Kassationsbeschwerde erheben, wenn ein Bezirksgericht in erheblichem Maß gegen Verfahrensvorschriften verstoßen oder eine materialrechtliche Bestimmung fehlerhaft angewendet hat. Eine Kassationsbeschwerde kann innerhalb von 30 Tagen nach der Zustellung des Urteils beim Verfahrensbeteiligten, aber nicht später als innerhalb von fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils erhoben werden. Kassationsbeschwerden dürfen nicht erhoben werden, wenn beide Verfahrensparteien in einem dem Gericht übermittelten Antrag auf ihr Recht zur Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet haben. Unter außergewöhnlichen Umständen kann, wenn ein Verfahrensbeteiligter dies wünscht und wenn neue Beweise bekannt geworden sind, beim Staatsgerichtshof nach dem in Kapitel 68 der Zivilprozessordnung festgelegten Verfahren ein Antrag auf Überprüfung eines rechtskräftigen Urteils gestellt werden. Ein Antrag auf Überprüfung kann innerhalb von zwei Monaten nach dem Bekanntwerden des Bestehens eines Grundes für eine solche Überprüfung gestellt werden. War ein Verfahrensbeteiligter im Verfahren nicht vertreten, kann innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung der Entscheidung beim Verfahrensbeteiligten oder, im Fall einer Person ohne aktive Prozessfähigkeit in Zivilverfahren, beim gesetzlichen Vertreter dieses Verfahrensbeteiligten, ein Antrag auf Überprüfung gestellt werden. Zu diesem Zweck wird eine Zustellung durch öffentlichen Aushang nicht berücksichtigt. Ist die Gerichtsentscheidung, die überprüft werden soll, bereits seit fünf Jahren rechtskräftig, ist die Stellung eines Antrags auf Überprüfung nicht mehr möglich. Ist die Gerichtsentscheidung seit zehn Jahren rechtskräftig, ist ein Antrag auf Überprüfung mit der Begründung, dass die Partei nicht am Verfahren teilgenommen habe oder dort nicht vertreten worden sei, bzw. in dem in § 702 Absatz 2 und 8 der Zivilprozessordnung festgelegten Fall, nicht mehr möglich. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Das Verfahren für die Beantragung der Überprüfung eines Gerichtsurteils entspricht dem Verfahren zur Aufhebung eines Versäumnisurteils (§ 415 der Zivilprozessordnung). Ein Überprüfungsantrag muss bei demjenigen Gericht gestellt werden, das das Urteil bezüglich des Antrags auf ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen erließ. Der Antrag ist schriftlich zu stellen und muss Folgendes enthalten: eine Bezugnahme auf das Urteil, dessen Überprüfung angestrebt wird, ein Ersuchen um Überprüfung des Urteils und eine Beschreibung der Umstände und Gründe, aus denen das Urteil überprüft werden sollte. Anschließend stellt das Gericht den Antrag der Gegenpartei zu und setzt ihr eine Frist zur Stellungnahme. Das Gericht ist berechtigt, für die Entscheidung über den eingereichten Antrag eine mündliche Verhandlung abzuhalten. Das Gericht erlässt anschließend eine schriftliche Entscheidung über den Antrag. Wird dem Antrag entsprochen, wird das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen in der Situation fortgesetzt, in der es sich vor dem Erlass der Entscheidung befand. Gegen Gerichtsentscheidungen, mit denen Anträge auf Überprüfung von Gerichtsurteilen abgewiesen werden, können beim Bezirksgericht Rechtsmittel eingelegt werden. Gegen Entscheidungen eines Bezirksgerichts können nur dann Rechtsmittel beim Staatsgerichtshof eingelegt werden, wenn das Bezirksgericht das Rechtsmittel zuvor abgewiesen hat. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Nach Artikel 21 Absatz 2 lit. b der Verordnung sind die zulässigen Sprachen Estnisch und Englisch. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden In Estland werden Urteile im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen durch freiberufliche Gerichtsvollzieher vollstreckt. Das Vollstreckungsgesuch wird an den Gerichtsvollzieher gerichtet, der für den Wohn- oder Aufenthaltsort des Schuldners oder den Ort, an dem sich das Vermögen befindet, zuständig ist. Die Liste der Gerichtsvollzieher-Kanzleien kann im Internet unter folgender Adresse abgerufen werden: http://www.just.ee/4263. Wird Berufung gegen ein Urteil im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen eingelegt, ergreift das mit der Berufung befasste Landgericht die in Artikel 23 der Verordnung vorgesehenen Maßnahmen. Wenn das Gerichtsurteil in Abwesenheit ergangen ist und nach § 415 der Zivilprozessordnung dagegen Einspruch eingelegt wurde, müssen die betreffenden Maßnahmen bei dem Gericht beantragt werden, das über den Einspruch zu entscheiden hat. Wenn noch keine Berufung eingelegt wurde, ergreift das Gericht, das das Urteil in der Sache gesprochen hat, die in Artikel 23 der Verordnung aufgeführten Maßnahmen. Für die Anwendung der in Artikel 23 lit. c der Verordnung aufgeführten Maßnahme ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich die Vollstreckung vollzogen wird oder vollzogen werden müsste. In den in § 46 der Vollstreckungsordnung aufgeführten Fällen kann neben dem Gericht auch der Gerichtsvollzieher die Aussetzung des Vollstreckungsverfahrens beschließen.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Finnland Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Für Entscheidungen im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ist das Amtsgericht Helsinki zuständig. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Das in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung genannte Formblatt kann nach dem Gesetz über elektronische Behördendienste per Post, Fax oder E-Mail direkt an die Registratur des Amtsgerichts Helsinki geschickt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Das zur Finnischen Wettbewerbs- und Verbraucherbehörde (Kilpailu- ja kuluttajavirasto) gehörende Europäische Verbraucherzentrum Finnland (Euroopan kuluttajakeskus Suomessa) bietet Unterstützung und allgemeine Informationen über den Anwendungsbereich des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und erteilt allgemeine Auskünfte darüber, welche Gerichte für den Erlass von Urteilen im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig sind. In Finnland können Prozessparteien unter den im Gesetz über die Prozesskostenhilfe 257/2002 festgelegten Voraussetzungen aus staatlichen Mitteln Prozesskostenhilfe beziehen. Dieses Gesetz erfüllt die Anforderungen der Richtlinie 2003/8/EG des Rates zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung In Finnland wird das Verfahren durch Kapitel 11 der Verfahrensordnung über die Zustellung von Mitteilungen in Verfahren und das Gesetz über elektronische Dienste und Kommunikation (öffentlicher Sektor) 13/2003 geregelt. Nach Kapitel 11 § 3 Absatz 3 der Verfahrensordnung können Schriftstücke im Verfahren in der vom Adressaten genannten Weise als elektronische Nachricht übermittelt werden. Die Prozesspartei kann dem Gericht auch eine elektronische Zustelladresse nennen, an die im Verlauf eines Gerichtsverfahrens zugestellte Schriftstück übermittelt werden können. Die Empfangsbestätigung kann dem Gericht in Form einer elektronischen Nachricht, beispielsweise als Anhang zu einer E-Mail, zugesandt werden. In der Praxis sind die in Gerichtsverfahren verwendeten elektronischen Kommunikationsmittel E-Mail und Fax. Es besteht keine gesetzliche Verpflichtung zur Annahme elektronischer Zustellungen oder Mitteilungen. In Finnland bestehen keine besonderen Verfahrensregeln für die vorherige Zustimmung zur Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Entfällt. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Nach § 2 Absatz 6 des Gerichtsgebührengesetzes 1455/2015 wird für kontradiktorische Verfahren, die nach dem in der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen dargelegten Verfahren an einem Amtsgericht geführt werden, eine Gebühr von 86 EUR erhoben. Handelt es sich um ein Rechtsmittelverfahren, wird nach dem Gerichtsgebührengesetz die gleiche Gebühr wie bei einem nationalen Verfahren erhoben. In Finnland wird die Gebühr für Gerichtsverfahren erhoben, wenn die Rechtssache abgeschlossen ist. In der Regel wird eine Rechnung, d.h. ein Überweisungsträger für die Zahlung der Gebühr, an die jeweilige Prozesspartei geschickt. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Rechtsmittel gegen im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Urteile können gemäß den Bestimmungen in Kapitel 25 und 25a der Verfahrensordnung (Rechtsmittel vom Amtsgericht an das Rechtsmittelgericht) beim Rechtsmittelgericht Helsinki (Helsingin hovioikeus) eingelegt werden. Nach Kapitel 25 § 5 der Verfahrensordnung muss eine Partei, die gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts Rechtsmittel einlegen möchte, diese Absicht erklären; andernfalls droht ihr der Verlust des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Die Erklärung der Absicht zur Einlegung von Rechtsmitteln muss spätestens am siebten Tag nach dem Tag, an dem die Entscheidung des Amtsgerichts erging oder den Parteien zugänglich gemacht wurde, eingereicht werden. Ist die Erklärung der Absicht zur Einlegung von Rechtsmitteln eingereicht und angenommen worden, erhält die betreffende Prozesspartei im Einklang mit Kapitel 25 § 11 Rechtsmittelhinweise; diese werden einer Kopie der Entscheidung des Amtsgerichts beigefügt. Die Frist für die Einlegung des Rechtsmittels beträgt 30 Tage ab dem Tag,
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
an dem die Entscheidung des Amtsgerichts erging oder den Parteien zugänglich gemacht wurde (Kapitel 25 § 12 der Verfahrensordnung). Die Prozesspartei muss das Schriftstück mit dem Rechtsmittel spätestes bis zum Ende der Geschäftszeit des letzten für die Einlegung des Rechtsmittels vorgesehenen Tages bei der Geschäftsstelle des Amtsgerichts übergeben. Ein verspätet eingereichtes Rechtsmittel wird als nicht zulässig zurückgewiesen. Werden gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts Rechtsmittel eingelegt, ist nach Kapitel 25a der Verfahrensordnung eine Erlaubnis des Rechtsmittelgerichts zur Fortführung der Prüfung erforderlich. Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts müssen nach den Bestimmungen in Kapitel 30 der Verfahrensordnung beim Obersten Gerichtshof (korkein oikeus) eingelegt werden. Die Frist für die Beantragung der Erlaubnis zur Einlegung von Rechtsmitteln und für die Einlegung des Rechtsmittels beträgt 60 Tage ab dem Tag, an dem die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts den Parteien zugänglich gemacht wurde. Der an den Obersten Gerichtshof gerichtete Antrag auf eine Erlaubnis zur Einlegung von Rechtsmitteln muss bei der Geschäftsstelle des Rechtsmittelgerichts, das das Urteil erließ, übergeben werden. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Zurzeit wird ein Entwurf nationaler Bestimmungen erstellt. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Die in Artikel 20 Absatz 2 der Verordnung genannte Bestätigung kann in finnischer, schwedischer oder englischer Sprache ausgefertigt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden In Finnland ist der Gerichtsvollzieher („ulosottomies“) für die Vollstreckung der Urteile im Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig. Die Einleitung der Vollstreckung unterliegt Kapitel 3 der Vollstreckungsordnung (705/2007). Zuständig ist der Gerichtsvollzieher in der Heimatgemeinde oder am Wohnort des Beklagten oder ein anderer lokaler Vollstreckungsbeamter. Der Gerichtsvollzieher ist außerdem zuständig für die Anwendung von Artikel 23. Der Bezirksgerichtsvollzieher entscheidet selbst über die in dem Artikel aufgeführten Maßnahmen. Frankreich Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Zuständig für europäische Verfahren für geringfügige Forderungen sind die Tribunaux d’instance und in den Grenzen der ihnen zugewiesenen Zuständigkeiten die Tribunaux de commerce. Soweit die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen nicht das örtlich zuständige Gericht, sondern die Gerichte eines Mitgliedstaats bestimmt, wird das örtlich zuständige Gericht nach französischem Recht bestimmt. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Das verfahrenseinleitende Schriftstück kann dem Gericht per Post oder auf elektronischem Weg übermittelt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Die Prozessparteien können im Einklang mit Artikel 11 bei folgenden Stellen um Auskunft bezüglich des Ausfüllens der Vordrucke im Anhang der Verordnung ersuchen: – Geschäftsstellen (personnel de greffe) der Gerichte, die für Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen zuständig sind, d.h. der Amtsoder Handelsgerichte; bei den Amtsgerichten erteilen gewöhnlich die Bediensteten im Empfangsdienst des Gerichts (SAUJ – service d’accueil du justiciabledie erforderlichen Informationen über die Verfahren. Solche Empfangsdienste werden bis zum 31.12.2017 an allen Amtsgerichten eingerichtet. – Rechtsberatungsstellen (maisons de la justice et du droit) im gesamten Land; – Rechtsanwälten, die von den Prozessparteien in den Beratungsbereitschaftsdiensten (centres départementaux d’accès au droit) konsultiert werden können. Diese Dienste werden von den Rechtsberatungsdiensten auf Ebene der Départements kostenlos bereitgestellt. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Eine Zustellung der betreffenden Schriftstücke auf elektronischem Weg ist nicht zulässig. Es stehen daher keine technischen Kommunikationsmittel zur Verfügung. Die Kommunikation mit den Gerichten, die für Verfahren nach der Verordnung über geringfügige Forderungen zuständig sind, erfolgt ausschließlich per Post. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Weder Privatpersonen noch Fachkräfte sind verpflichtet, ein nach Artikel 13 auf elektronischem Weg zugestelltes Schriftstück anzunehmen.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise – Wird ein Verfahren beim Amtsgericht angestrengt, entstehen keine Gerichtsgebühren. Das Gericht kann die unterlegene Partei jedoch zur Zahlung der entstandenen Aufwendungen verurteilen; hierunter fallen auch die Kosten der Vollstreckung der Entscheidung. Die Kosten der Zustellung per Einschreiben trägt das Gericht. In Bezug auf Zustellungskosten, die nach Artikel 1387 der Zivilprozessordnung entstanden sind, ist ein vom Gericht ausgestellter Vollstreckungstitel erforderlich; für die Beitreibung ist die Staatskasse zuständig. Das Amtsgericht kann die unterlegene Partei ferner zur Zahlung nicht erstattungsfähiger Aufwendungen, d.h. der obsiegenden Partei entstandener Aufwendungen für Vertretung und Unterstützung, verurteilen. – Handelt es sich um ein bei einem Handelsgericht angestrengtes Verfahren, hängt die Höhe der Gerichtsgebühren davon ab, ob eine mündliche Verhandlung stattfindet oder nicht. Findet keine mündliche Verhandlung statt, beträgt die Gerichtsgebühr 17,80 EUR (Kosten für die Beantragung einer gerichtlichen Anordnung), findet eine mündliche Verhandlung statt, beläuft sich die Gebühr auf etwa 67 EUR. In diesen Beträgen sind keine weiteren, zusätzlich entstandenen Aufwendungen enthalten. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Nach französischem Recht können folgende Rechtsmittel nach Artikel 17 der Verordnung eingelegt werden: – Berufung (appel) kann eingelegt werden, wenn das Urteil in erster Instanz ergeht, d.h. wenn die Forderung 4.000 EUR übersteigt. Berufung kann von jeder Prozesspartei innerhalb eines Monats nach dem Tag der Zustellung des Urteils eingelegt werden (Artikel 528 und 538 der Zivilprozessordnung). – Einspruch (opposition) kann von einem Beklagten erhoben werden, dem Klage- und Antwortformblatt nicht wie in Artikel 5 Absatz 2 vorgesehen persönlich zugestellt wurde und der nicht gemäß Artikel 5 Absatz 3 darauf geantwortet hat („Versäumnisurteil“). Der Einspruch wird vor dem Gericht erhoben, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat (Artikel 571 bis 578 der Zivilprozessordnung). Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Ist die Entscheidung rechtskräftig, können die Parteien beim Kassationsgerichtshof einen auf Rechtsfragen gestützten Aufhebungsantrag (pourvoi en cassation) stellen (Artikel 605 bis 618-1 der Zivilprozessordnung). Liegt vorsätzliche Umgehung der Gerichtsbarkeit (fraude au jugement) vor, können die Parteien bei dem Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, Antrag auf Überprüfung der Entscheidung (recours en révision) stellen (Artikel 593 bis 603 der Zivilprozessordnung). Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Gemäß Artikel 21 Absatz 2 lit. b sind folgende Sprachen zugelassen: Französisch, Englisch, Deutsch, Italienisch und Spanisch. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Die für die Vollstreckung zuständigen Behörden sind die Gerichtsvollzieher und – bei der vom Richter am Tribunal d’instance genehmigten Lohnpfändung – die Hauptrechtspfleger („greffiers en chef“) der Amtsgerichte. Bei der Anwendung von Artikel 23 gilt Folgendes: Bei einem Versäumnisurteil kann das mit dem Widerspruch befasste Gericht, bevor es die Sache in materieller Hinsicht erneut überprüft, sein Urteil – soweit damit die vorläufige Vollstreckung angeordnet wurde – widerrufen, was die Aussetzung der Vollstreckung zur Folge hat. In jedem Fall kann bei dringenden Fällen der Richter der einstweiligen Anordnung und nach Zustellung einer Zahlungsaufforderung oder eines Pfändungsbeschlusses der Vollstreckungsrichter die Vollstreckung dadurch aussetzen, dass er dem Schuldner eine Nachfrist einräumt (Artikel 510 der französischen Zivilprozessordnung). Griechenland Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Für geringfügige Forderungen sind die Friedensgerichte (Eirinodikeia) zuständig. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Die Klage wird durch Einreichung des Schriftsatzes bei der Geschäftsstelle des Friedensgerichts oder durch eine zu Protokoll gegebene Erklärung vor einem Richter am Friedensgericht erhoben. Art. 25 Abs. 1 Buchstabe c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Eine solche Behörde ist nicht eingerichtet worden. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Elektronische Zustellungs- oder Kommunikationsmittel sind nicht zulässig.
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Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Wer in Griechenland über das Internet Dienstleistungen anbietet oder Verkäufe tätigt, ist nach Artikel 8 Absatz 1 des Präsidialdekrets Nr. 131/2003 (Harmonisierung griechischer Rechtsvorschriften mit der Richtlinie 2000/31/ EG) gesetzlich verpflichtet, in Streitigkeiten aus Verträgen, die von den Parteien mittels einer einfachen elektronischen Signatur (d.h. durch einfachen E-Mailverkehr oder elektronischen Nachrichtenaustausch, geschlossen wurden) auf elektronischem Wege übermittelte Mitteilungen zu akzeptieren. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Die Kosten werden auf der Grundlage der Kosten berechnet, die der in dem betreffenden Gerichtsverfahren obsiegenden Partei entstanden sind. Die vom Kläger zu zahlenden Gerichtsgebühren beinhalten: a) die Anwaltsgebühr in Höhe von 32 EUR, sofern das maßgebliche Verfahren von einem griechischen Rechtsanwalt abgeschlossen wurde, und b) die für die gerichtliche Prüfung des Falles zu entrichtende gerichtliche Stempelsteuer in Höhe von etwa 1,14 % des insgesamt geforderten Betrags (Hauptforderung und Zinsen). Für Forderungen bis 200 EUR ist keine Stempelsteuer zu entrichten. Übergibt der oder die Beklagte die Rechtssache einem Rechtsanwalt (der das ausgefüllte Formblatt C unterschreiben muss), ist ein Vorschuss auf die Anwaltsgebühr in Höhe von 32 EUR zu leisten. In Ausnahmefällen ist ein zusätzlicher Vorschuss auf die Anwaltsgebühr in Höhe von 32 EUR erforderlich, wenn der Rechtsanwalt zu einer mündlichen Verhandlung hinzugezogen wird. Die gerichtliche Stempelsteuer ist an die Staatskasse zu entrichten, während das Anwaltshonorar an die Anwaltskammer gezahlt wird, die die Gelder in Empfang nimmt und den Rechtsanwälten gegen Vorlage eines entsprechenden Belegs auszahlt. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Für Urteile, die nach dem Verfahren für geringfügige Forderungen ergehen, sind keine Rechtsmittel zugelassen. Versäumnisurteile können jedoch angefochten werden, indem bei dem Gericht, das die Entscheidung erließ, ein entsprechender Antrag eingereicht wird; ferner kann ein außerordentlicher Rechtsbehelf beim Obersten Gerichtshof (Areopag) eingelegt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Ein Antrag auf Überprüfung kann nur mittels Einreichung eines Antrags bei der Geschäftsstelle des Gerichts, das die Entscheidung erließ, gestellt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Zugelassene Sprache ist Griechisch. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Für die Vollstreckung zuständige Behörde ist der Gerichtsvollzieher, dem vom Vollstreckungsgläubiger ein entsprechender Auftrag erteilt wird. Zuständig für die Anwendung des Artikels 23 der Verordnung sind die Friedensgerichte. Irland Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Zuständig ist der District Court. Anträge sind bei der Geschäftsstelle für geringfügige Forderungen des District Court zu stellen. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Kommunikationsmittel sind Post und Fax. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Praktische Hilfestellung beim Ausfüllen der Formblätter und allgemeine Informationen über den Anwendungsbereich des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen sowie allgemeine Informationen darüber, welches Gericht in Irland für den Erlass eines Urteils im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig ist, erhalten die Parteien in den Geschäftsstellen der Gerichte. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Hierzu sehen die Rules of Court (Verfahrensordnung) Folgendes vor: – „Sofern in dieser Verfahrensordnung nichts anderes bestimmt ist und sofern der Courts Service (Gerichtsdienst) für diesen Zweck geeignete Einrichtungen bereitgestellt und das Gericht oder der Registrar (Geschäftsstellenleiter) dies angeordnet hat, gelten Schriftstücke, die im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen übermittelt, übergeben, versandt oder zugestellt werden müssen, als zugestellt, wenn sie in elektronischer Form per E-Mail an die E-Mail-Adresse des Klägers bzw. des Beklagten (die dem Briefkopf oder Briefpapier des Klä-
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen gers bzw. des Beklagten zu entnehmen ist oder von ihm zur Übermittlung von Mitteilungen an den Registrar benutzt wurde) bzw. an die E-Mail-Adresse des Registrar (die auf jeder Website des Courts Service angegeben ist) geschickt worden sind; wenn jedoch der Absender (aufgrund einer DSN-Nachricht) von einer fehlgeschlagenen Übermittlung der elektronischen Mitteilung an den vorgesehenen Empfänger ausgehen muss oder innerhalb einer Frist von sieben Tagen nach der elektronischen Übermittlung keine Antwort eingegangen ist, wird die elektronische Mitteilung als nicht übermittelt betrachtet und muss das betreffende Schriftstück innerhalb von acht Tagen nach Ablauf dieser Frist auf eine andere in dieser Order vorgesehene Weise zugestellt werden.“ (Order 53B Rule 3) – „Das Klageformblatt und Beweisunterlagen können per Einschreiben oder, falls Rule 3 zur Anwendung kommt, in elektronischer Form übermittelt werden.“ (Order 53B Rule 4) – „Wenn die Forderung nicht in den Anwendungsbereich des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen fällt, muss der Registrar dies dem Kläger mitteilen, nach Möglichkeit auf dem gleichen Wege, auf dem der Antrag beim Registrar eingegangen ist (oder, falls dies nicht möglich ist, per Einschreiben) …“ (Order 53B Rule 6) – „Der Registrar muss dem Kläger innerhalb der in Artikel 5 Absatz 4 der EU-Verordnung vorgesehenen Frist per Einschreiben (oder gegebenenfalls auf eine andere nach Rule 3 zulässige Weise) eine Kopie der Antwort des Beklagten zusenden. … Der Registrar muss dem Kläger innerhalb der in Artikel 5 Absatz 6 der EU-Verordnung vorgesehenen Frist per Einschreiben (oder gegebenenfalls auf eine andere nach Rule 3 zulässige Weise) Kopien von Widerklagen und Beweisunterlagen (soweit vorhanden) zusenden.“ (Order 53B Rule 8) – „Jede Zustellung oder Mitteilung des Registrar an eine Partei eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen zu einem in der EU-Verordnung vorgesehenen Zweck muss auf dem gleichen Wege erfolgen, auf dem der Registrar Mitteilungen von dieser Partei erhalten hat (oder an die Anschrift oder die Kontaktdaten, die für diese Partei angegeben wurden) …“ (Order 53B Rule 18) Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Keine Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Für ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen wird ebenso wie für ein irisches Verfahren für geringfügige Forderungen eine Antragsgebühr in Höhe von 25 EUR erhoben. Auch für eine Widerklage beträgt die Gebühr 25 EUR. Wie oben zu lit. a angegeben, ist der Antrag auf Einleitung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen an den Registrar des zuständigen District Court zu richten, der dem Kläger mitteilt, wie diese Zahlung zu leisten ist. Die Kontaktdaten sind oben zu lit. a angegeben. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Rechtsmittel können, soweit es sich nicht um Rechtsmittel gegen eine Zurück- oder Abweisung nach Artikel 4 Absatz 4 handelt, innerhalb von 14 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung beim zuständigen Circuit Court eingelegt werden. Die Anschriften und Kontaktdaten der Circuit Courts finden Sie unter: http://www.courts.ie/offices.nsf/WebCOByJurisdiction?OpenView&Start=1&Count=30&Expand=4#4 Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Hierzu sehen die einschlägigen Rules of Court Folgendes vor: „(1) Ein Beklagter, gegen den in einem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ein Versäumnisurteil ergangen ist, kann im Einklang mit dieser Order bei dem Gericht des Gerichtsbezirks, in dem der Beschluss auf Aufhebung oder Änderung des betreffenden Beschlusses ergangen ist, aus den in Artikel 18 Absatz 1 der EU-Verordnung genannten Gründen eine Überprüfung des Urteils beantragen. (2) Der Antrag ist innerhalb von zehn vollen Tagen ab dem Tag, an dem der Beklagte von dem Versäumnisurteil Kenntnis erlangt hat, dem Kläger oder gegebenenfalls dessen Anwalt zuzustellen. (3) Die Zustellung des Antrags bewirkt keine Aussetzung des Verfahrens. (4) Das Gericht kann die tatsächliche Zustellung des Antrags für ausreichend erklären. (5) Im Antrag ist kurz und klar darzulegen, auf welchen der in Artikel 18 Absatz 1 der EU-Verordnung genannten Gründe sich die Partei stützt. (6) Das Gericht kann dem Antrag in der Verhandlung auf der Grundlage des Artikels 18 Absatz 1 der EU-Verordnung stattgeben oder ihn ablehnen. (7) Wenn das Gericht den Antrag auf Überprüfung mit der Begründung ablehnt, dass keiner der in Artikel 18 Absatz 1 der EU-Verordnung genannten Gründe vorliegt, bleibt das Urteil in Kraft. (8) Stellt das Gericht fest, dass die Überprüfung aus einem der in Artikel 18 Absatz 1 der EU-Verordnung genannten Gründe gerechtfertigt ist, wird das im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Urteil aufgehoben und ist nichtig.“
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Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Irisch und Englisch. Art. 25 Abs. 1 lit. j- Zuständige Behörden Die Vollstreckung ist bei dem zuständigen County Registrar/Sheriff über den entsprechenden Circuit Court zu beantragen. Für die Bearbeitung von Anträgen auf Ablehnung, Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung ist der entsprechende District Court zuständig. Italien Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Die für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen zuständigen Gerichte sind: das Friedensgericht oder, falls das italienische Recht in dieser Materie die ausschließliche Zuständigkeit vorsieht, das Zivilgericht oder das Berufungsgericht als Gericht erster und letzter Instanz. Insbesondere hat das Zivilgericht im Anwendungsbereich der Verordnung und in Angelegenheiten, die nicht durch Artikel 2 ausgeschlossen werden, die Zuständigkeit in folgenden Fällen: 1. Geldforderungen im Zusammenhang mit der Miete oder Pacht unbeweglicher Sachen (Artikel 2 Absatz 2 lit. g der Verordnung Nr. 861/2007 und Artikel 447-a der italienischen Zivilprozessordnung); 2. Forderungen im Zusammenhang mit Agrarverträgen (in diesem Fall sind die spezialisierten Agrarabteilungen des ordentlichen Gerichts im Sinne des Gesetzes Nr. 29 vom 14.2.1990 zuständig); 3. Forderungen im Zusammenhang mit Unternehmen, Banken und Börsenmaklergesellschaften sowie Krediten für öffentliche Arbeiten im Sinne von Artikel 1 des Legislativdekrets Nr. 5 vom 17.1.2003, 4. Forderungen im Zusammenhang mit Patenten und Handelsmarken (in diesem Fall sind die auf gewerbliche und geistige Schutzrechte spezialisierten Abteilungen der ordentlichen Gerichte im Sinne des Legislativdekrets Nr. 168 vom 27.6.2003 zuständig); 5. Forderungen im Zusammenhang mit dem Schifffahrtsrecht, insbesondere Schäden infolge von Schiffskollisionen; Schäden, die von Schiffen bei der Verankerung und Vertäuung und sonstigen Manövern in Häfen oder an anderen Anlegeplätzen verursacht werden; Schäden, die beim Einsatz von Be- und Entladungsvorrichtungen und bei der Abfertigung von Waren im Hafen verursacht werden; Schäden, die von Schiffen an Netzen und anderen Fischereiausrüstungen verursacht werden; Entschädigungen und Vergütungen für Hilfe, Rettung und Wiederbeschaffung; Erstattung der Kosten und Zulagen für die Bergung von Wracks auf der Grundlage von Artikel 589 des Codice della navigazione. Im Anwendungsbereich der Verordnung und in nicht durch Artikel 2 ausgeschlossenen Angelegenheiten ist das Berufungsgericht die erste und letzte Instanz für Schadenersatzforderungen im Zusammenhang mit unzulässigen Wettbewerbsabsprachen und dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung (Artikel 33 Absatz 2 des Gesetzes Nr. 287 vom 10.10.1990). Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Für die Zwecke des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen sind nur die Postdienste als Kommunikationsmittel zulässig. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind ECC-NET Italien (http://www.euroconsumatori.org/141.html) (auf Italienisch und Englisch), das im Rahmen seines Zuständigkeitsbereichs ausschließlich Verbrauchern Unterstützung bietet. Bei Angelegenheiten außerhalb des Zuständigkeitsbereichs von ECC-NET Italien ist das Justizministerium (Ministero della Giustizia) zuständig. Dipartimento per gli Affari di Giustizia Direzione Generale della Giustizia Civile Ufficio I – affari civili internazionali Via Arenula 70 – 00186 Rom Tel. (+39) 06.68852480 E-Mail: [email protected] Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Der Einsatz dieser Kommunikationsmittel ist in Fällen, die vor dem Friedensrichter verhandelt werden, nicht geregelt. Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel können jedoch in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten eingesetzt werden. Genauere technische Informationen sind (auf Italienisch und Englisch) unter folgendem Link erhältlich: https://pst.giustizia.it/PST/it/pst_1_7.wp
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Die Anwälte der Parteien, allerdings nur in Verfahren vor den ordentlichen Gerichten. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Die geltenden Gerichtsgebühren sind im Präsidialdekret Nr. 115 vom 30.5.2002 geregelt. Die Gebühren gliedern sich in drei Teile: (A) eine Standardgebühr, (B) eine Kostenvorschusspauschale und (C) eine Festgebühr für die Registrierung gerichtlicher Schriftstücke, die nur für beim Kassationsgerichtshof (Corte di cassazione) anhängige Rechtssachen zu zahlen ist. A) Die Höhe der Standardgebühr hängt vom Streitwert der Forderung und von der Instanz ab: a) für Forderungen bis 1.100 EUR beträgt die Gebühr 43 EUR bei Gerichtsverfahren in erster Instanz, 64,50 EUR in der Berufungsinstanz und 86 EUR in der Revisionsinstanz vor dem Kassationsgerichtshof; b) für Forderungen zwischen 1.100 EUR und 5.200 EUR beträgt die Gebühr 98 EUR bei Gerichtsverfahren in erster Instanz, 147 EUR in der Berufungsinstanz und 196 EUR in der Revisionsinstanz vor dem Kassationsgerichtshof. B) Zusätzlich zur Standardgebühr ist ein Betrag von 27 EUR als Vorschusspauschale für entstehende Kosten zu entrichten. Hiervon ausgenommen sind Verfahren vor einem Friedensrichter und außergerichtliche Schlichtungsversuche mit einem Streitwert unter 1033 EUR sowie die entsprechenden Handlungen und Maßnahmen; in diesen Fällen nur die Standardgebühr zu entrichten (d.h. ohne den unter B) genannten Vorschuss). C) Geht die Rechtssache an den Kassationsgerichtshof, wird eine weitere Zahlung in Höhe von 200 EUR fällig; da es sich hierbei um eine Festgebühr für die Registrierung gerichtlicher Schriftstücke handelt, ist der Streitwert der Forderung unerheblich. Zugelassene Zahlungsmethoden: A) Die Standardgebühr kann wie folgt entrichtet werden: a) bei italienischen Postämtern mittels Überweisung vom Postscheckkonto (bollettino di conto corrente personale); b) bei italienischen Banken mittels des Vordrucks F23; c) bei in Italien bestehenden Verkaufsstellen für Steuerwertmarken unter Verwendung einer geeigneten Form der Zahlungsbenachrichtigung; d) mittels Banküberweisung an: BIC: BITAITRRENT IBAN: IT 04 O 01000 03245 350008332100. Diese Zahlungsweise steht Personen offen, die nicht in Italien ansässig sind und kein Girokonto bei einer Bank haben, die einen entsprechenden Vertrag mit der Steuerbehörde (Agenzia delle Entrate) geschlossen hat. B) Die Kostenvorschusspauschale kann wie folgt gezahlt werden: a) bei in Italien bestehenden Verkaufsstellen für Steuerwertmarken unter Verwendung einer geeigneten Form der Zahlungsbenachrichtigung; b) elektronisch allerdings nur bei Verfahren vor den ordentlichen Gerichten. C) Die Registrierungsgebühr kann wie folgt entrichtet werden: a) bei italienischen Banken mittels des Vordrucks F23; b) mittels Banküberweisung. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Die Entscheidungen der Friedensrichter können vor den ordentlichen Gerichten angefochten werden. Gegen die Entscheidungen der ordentlichen Gerichte können bei den Berufungsgerichten (corte di appello) Rechtsmittel eingelegt werden. Die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels beträgt 30 Tage ab der Zustellung des Urteils (Artikel 325 der italienischen Zivilprozessordnung); falls das Urteil nicht zugestellt wurde, beträgt die Frist sechs Monate ab seiner Veröffentlichung (Artikel 327 der Zivilprozessordnung). Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Folgende Organe sind für die Überprüfung von Urteilen zuständig: a) bei Entscheidungen des Friedensrichters – das ordentliche Gericht; b) bei Entscheidungen des ordentlichen Gerichts – das Berufungsgericht. Für das Überprüfungsverfahren gelten die allgemeinen Vorschriften für Rechtsmittelverfahren (Artikel 323 ff. der Zivilprozessordnung).
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Art. 25 EG-BagatellVO
Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Die zugelassene Sprache ist Italienisch. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Für die Vollstreckung sind Zivilgerichte zuständig. Ihnen obliegt auch die Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung gemäß Artikel 23 der Verordnung. Kroatien Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte In der Republik Kroatien sind die im Anhang II,15 Kapitel I und II aufgelisteten Bezirksgerichte und Handelsgerichte für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Formulare und sonstige Anträge bzw. Erklärungen müssen in Form von Schriftsätzen, per Fax oder auf elektronischem Weg eingereicht werden. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Nach dem Gesetz über die unentgeltliche Prozesskostenhilfe (Narodne novine (NN – Amtsblatt der Republik Kroatien Nr. 143/13 – https://narodne-novine.nn.hr/clanci/sluzbeni/2013_12_143_3064.html) leisten Ämter, Berufsverbände und Rechtsberatungsstellen primäre rechtliche Unterstützung. Die primäre rechtliche Unterstützung umfasst: a) allgemeine juristische Informationen; b) Rechtsauskünfte; c) die Erstellung von Schriftsätzen zur Einreichung bei Einrichtungen des öffentlichen Rechts, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und internationalen Organisationen im Rahmen internationaler Abkommen und der Regeln für die Arbeitsweise dieser Einrichtungen; d) Vertretung in Verfahren bei Einrichtungen des öffentlichen Rechts; e) rechtliche Unterstützung bei einvernehmlichen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren. Ein Verzeichnis von primäre rechtliche Unterstützung leistenden Berufsverbänden und Rechtsberatungsstellen ist zugänglich unter: https://pravosudje.gov.hr/istaknute-teme/besplatna-pravna-pomoc/ovlastene-udruge-i-pravneklinike-za-pruzanje-primarne-pravne-pomoci/6190. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Schriftstücke werden per Post oder durch einen besonderen Justizbeamten (d.h. einen Bediensteten eines Gerichts), über eine zuständige Justizbehörde, einen Notar, direkt im Gericht oder durch elektronische Mittel nach Maßgabe eines entsprechenden Gesetzes zugestellt. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Entfällt. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Die Gerichtsgebühr beruht auf dem Streitwert des Antrags und wird erhoben: – für Klageschriften und Widerklagen, – für Klageerwiderungen, – für Entscheidungen über Klagen, – für Rechtsmittel gegen Urteile, – für Anträge auf Urteilsvollstreckung, – für Anträge auf Überprüfung von Urteilen. Sofern nichts anderes vorgeschrieben ist, entsteht nach Artikel 4 des Gerichtsgebührengesetzes die Verpflichtung zur Entrichtung der Gebühr zum Zeitpunkt der Antragseinreichung.
15 Anhang II über die Liste und Kontaktdaten der Gerichte findet man der Mitteilung Kroatiens angeschlossen, die auf der folgenden Webseite abrufbar ist: https://e-justice.europa.eu/content_croatia__cooperation_in_civ il_matters-276-de.do.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Gerichtsgebühren dürfen je nach Streitwert der betreffenden Sache für jeden einzelnen Vorgang nach der folgenden Tabelle berechnet werden: Über Bis HRK HRK 0,00 3.000,00 100,00 3.000,00 6.000,00 200,00 6.000,00 9.000,00 300,00 9.000,00 12.000,00 400,00 12.000,00 15.000,00 500,00 Bei Beträgen über 15.000,00 HRK ist eine Gebühr in Höhe von 500,00 HRK zuzüglich 1 % des 15.000,00 HRK übersteigenden Betrags zu entrichten; es gilt ein Höchstbetrag von 5000,00 HRK. Die im Gerichtsgebührenverzeichnis festgesetzten Gebühren sind in kroatischen Steuerwertmarken zu entrichten; übersteigt der zu zahlende Gebührenbetrag 100,00 HRK, kann die Gebühr in bar entrichtet und unabhängig von der Höhe des Betrags, sofern dies vorgesehen ist, direkt auf ein hierzu eingerichtetes Konto eingezahlt werden. Gebühren werden sowohl als absolute Zahlen in HRK als auch als Prozentsätze ausgedrückt. Bei der Berechnung einer als Prozentsatz festgelegten Gebühr wird die Gebührengrundlage zum nächsten Hunderter auf- oder abgerundet; eine Gebühr bis 50,00 HRK wird also zum niedrigeren Hunderter abgerundet, während eine Gebühr von mehr als 50,00 HRK zum höheren Hunderter aufgerundet wird. Nach Artikel 15a der Verordnung Nr. 861/2007 können Gerichtsgebühren per Banküberweisung entrichtet werden. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Gegen Urteile können Rechtsmittel eingelegt werden. Das Rechtsmittel ist innerhalb von acht Tagen nach dem Tag der Veröffentlichung des Urteils bei dem Gericht einzulegen, das das Urteil erließ; wird das Urteil jedoch zugestellt, beginnt die Frist am Tag der Zustellung. Über ein Rechtsmittel in einem Verfahren für geringfügige Forderungen entscheidet ein Einzelrichter bei einem Gericht der zweiten Instanz. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Macht ein Beklagter glaubhaft, dass die Voraussetzungen für eine Überprüfung eines im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen erlassenen Urteils nach Artikel 18 der Verordnung Nr. 861/2007 gegeben sind, wird der Antrag auf Überprüfung in Form einer Klage beim zuständigen Amts- oder Handelsgericht eingereicht; dieses kann das Urteil für null und nichtig erklären. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dagegen wird bei dem mit dem Verfahren befassten Gericht gestellt. Dieses kann unter anderem das Verfahren wieder in den Stand versetzen, in dem es sich vor dem Erlass des Urteils befand. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Zugelassene Sprachen Die Bestätigung als ein im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenes Urteil fertigt das Gericht aus, das das Urteil gefällt hat. Es muss eine Übersetzung in kroatischer Sprache vorgelegt werden, die von einer zur Anfertigung von Übersetzungen in einem der Mitgliedstaaten befugten Person beglaubigt worden ist. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Zuständige Behörden Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts richtet sich nach den Regeln für die örtliche Zuständigkeit der Gerichte in Vollstreckungsverfahren, wie im Anhang II, Kapitel VI aufgelistet. (Zu Art. 23:) Das mit der Anordnung der Vollstreckung befasste Gericht entscheidet über die Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung, während diese Maßnahmen nach dem Beginn der Vollstreckung von dem durchsetzenden, im Anhang II, Kapitel I und II aufgelisteten Bezirksgericht wahrgenommen werden. Lettland Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte In Lettland sind die ordentlichen Gerichte für den Erlass von Urteilen im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Der Antragsteller kann seinen Antrag entweder direkt bei dem zuständigen Gericht einreichen oder per Post übermitteln. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Berufungsgerichte Das lettische Verfahrensrecht sieht zu erstinstanzlichen Urteilen vor, dass Verfahrensparteien innerhalb von 20 Tagen nach Urteilsverkündung Rechtsmittel einlegen können (§ 413 Absatz 1 und § 415 Absatz 1 Zivilprozessordnung). Wenn ein Gericht erster Instanz ein abgekürztes Urteil erlassen und für die Verkündung des vollständigen Urteils eine andere Frist gesetzt hat, läuft die Rechtsmittelfrist ab dem Termin, den das Gericht für die Verkündung des vollständigen Urteils festgesetzt hat (§ 415 Absatz 2 Zivilprozessordnung). Gegen ein Urteil einer Rechts-
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
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mittelinstanz kann von den Verfahrensparteien gemäß den verfahrensrechtlichen Vorschriften zur Kassation Beschwerde eingelegt werden. Die Kassationsbeschwerde muss innerhalb von 30 Tagen ab Erlass des Urteils eingelegt werden (§§ 450 Absatz 1 und 454 Absatz 1 Zivilprozessordnung). Wenn ein abgekürztes Urteil erlassen wurde, beginnt die Frist ab dem Datum, das das Gericht für den Erlass des vollständigen Urteils festgesetzt hat. Ergeht das Urteil erst nach dem festgesetzten Termin, beginnt die Rechtsmittelfrist gegen das Urteil ab dem Datum, an dem das Urteil tatsächlich erlassen wurde (§ 454 Absatz 2 Zivilprozessordnung). Art. 25 Abs. 1 lit. d – Zugelassene Sprachen Gemäß Artikel 21 Absatz 2 lit. b wird das in Artikel 20 Absatz 2 genannte Formblatt D in lettischer Sprache ausgefertigt. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Zuständige Behörden In Lettland sind vereidigte Gerichtsvollzieher zur Urteilsvollstreckung befugt. Gemäß § 644 Absatz 1 der Zivilprozessordnung liegt die allgemeine Zuständigkeit für die Anwendung von Artikel 23 der Verordnung für die Vollstreckung eines Urteils, das im Ausland erging, bei dem Bezirks- oder Stadtgericht, in dessen Bezirk die entsprechende ausländische gerichtliche Entscheidung vollstreckt werden soll. Wird Artikel 23 der Verordnung in Verbindung mit Artikel 15 Absatz 2 angewandt, d.h. wird die Entscheidung in dem Mitgliedstaat vollstreckt, in dem sie erging, liegt nach dem lettischen Verfahrensrecht (§ 206 Absatz 1 Zivilprozessordnung) die allgemeine Zuständigkeit für die Durchführung von Artikel 23 der Verordnung bei dem Gericht, das das Urteil gemäß den Vorschriften der Verordnung verkündet hat. Litauen Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Gemäß Artikel 26 des litauischen Gesetzes über die Umsetzung von Rechtsakten der Europäischen Union und internationalen Rechtsakten im Bereich Zivilverfahren, das notwendige Bestimmungen für die Anwendung der Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen enthält, werden europäische geringfügige Forderungen von Bezirksgerichten gemäß den Regeln für die örtliche Zuständigkeit der litauischen Zivilprozessordnung (Valstybe˙s zˇinios, 2002, Nr. 36-1340) behandelt. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Bei Anwendung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (einschließlich Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 861/2007) werden die Prozessunterlagen direkt beim zuständigen Gericht eingereicht oder diesem auf dem Postweg übersendet. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Berufungsgerichte Gemäß Artikel 29 des Gesetzes kann gegen ein im Rahmen des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen ergangenes Urteil Berufung eingelegt werden. Berufung kann über das Gericht, das das betreffende Urteil erlassen hat, bei einem Bezirksgericht eingelegt werden. Die Berufung kann innerhalb von 30 Tagen nach Erlass des Urteils des Gerichtes erster Instanz eingelegt werden. Liegt der Wohn- bzw. Niederlassungsort des Antragstellers im Ausland, so beträgt die Berufungsfrist 40 Tage. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Zugelassene Sprachen Gemäß Artikel 21 Absatz 2 lit. b der Verordnung Nr. 861/2007 ist die zulässige Sprache Litauisch. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Zuständige Behörden Gemäß Artikel 31 des Gesetzes gilt ein im Rahmen des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen ergangenes und mit Hilfe des Formblatts D gemäß Anhang IV der Verordnung Nr. 861/2007 bestätigtes Urteil als Vollstreckungstitel. Die Vollstreckung obliegt dem Gerichtsvollzieher. Mit den Anträgen gemäß Artikel 22 Absatz 1 der Verordnung Nr. 861/2007 in Bezug auf eine Ablehnung der Vollstreckung eines im Rahmen des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen ergangenen Urteils wird das litauische Berufungsgericht befasst. Mit den Anträgen gemäß Artikel 23 der Verordnung Nr. 861/2007 in Bezug auf die Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung eines im Rahmen des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen ergangenen Urteils wird das Bezirksgericht am Ort der Vollstreckung befasst. Luxemburg Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Für die in der Verordnung genannten Entscheidungen ist der Friedensrichter zuständig. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Luxemburg akzeptiert den Postweg als Kommunikationsmittel.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Service d’accueil et d’information juridique (Gerichtlicher Empfangs- und Auskunftsdienst) – Luxembourg Cité Judiciaire Bâtiment JP L-2080 – Luxemburg Tel.: (+352) 221846 Service d’accueil et d’information juridique (Gerichtlicher Empfangs- und Auskunftsdienst) – Diekirch Justice de paix Place Joseph Bech L-9211 – Diekirch Tel.: (+352) 802315 Europäisches Verbraucherzentrum EIG (Centre Européen des Consommateurs GIE – ‚CEC Luxembourg‘) 271 Route d’Arlon L-1150 – Luxemburg Tel.: (+352) 2684641 Fax: (+352) 26845761 E-Mail: [email protected] Art. 25 Abs. 1 Buchstabe d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung In Luxemburg sind elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften noch nicht zulässig; die Kommunikation erfolgt per Post. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Siehe lit. d. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise In Luxemburg fallen für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen keine Gerichtsgebühren an. Gerichtsgebühren können jedoch im Anschluss an ein Urteil anfallen, wenn die obsiegende Partei die Vollstreckung der Entscheidung betreibt. Es gilt die großherzogliche Verordnung vom 24.1.1991 zur Festlegung der Gebührensätze für Gerichtsvollzieher in ihrer geänderten Fassung. Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie auf der Website der Gerichtsvollzieherkammer des Großherzogtums Luxemburg Chambre des huissiers de justice du Grand-Duché du Luxembourg: http://www.huissier.lu. Auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten beträgt die einheitliche Festgebühr für die Zustellung von Schriftstücken durch einen Gerichtsvollzieher (huissier de justice) 138 EUR. Zahlungen an Gerichtsvollzieher können mittels Banküberweisung erfolgen. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Soweit der Forderungsbetrag 2.000 EUR nicht übersteigt, sind die Entscheidungen der Friedensgerichte rechtskräftig. Möglich ist lediglich ein auf Rechtsfragen beschränkter Rechtsbehelf (pourvoi en cassation). Übersteigt der Forderungsbetrag 2.000 EUR, kann ein in erster Instanz durch ein Friedensgericht erlassenes Urteil mit einer Berufung (appel) beim Vorsitzenden Richter des Bezirksgerichts (tribunal d’arrondissement) angefochten werden. Die Berufung kann mittels eines Antrags entweder des Antragstellers selbst oder von dessen Anwalt eingelegt werden. Die Vertretung durch einen bei den Berufungsgerichten zugelassenen Anwalt (avocat à la cour) ist wahlweise möglich. Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt 40 Tage ab der Bekanntgabe des Urteils. Die Parteien werden spätestens acht Tage vor der Verhandlung durch die Geschäftsstelle des Gerichts geladen. Leben die Parteien in einem anderen Mitgliedstaat der EU, wird diese Frist aufgrund der räumlichen Entfernung nach Artikel 167 der neuen Zivilprozessordnung um fünfzehn Tage verlängert. Das Verfahren vor dem Vorsitzenden Richter des Bezirksgerichts erfolgt in mündlicher Verhandlung. Eine auf Rechtsfragen beschränkte Nachprüfung kann sowohl gegen rechtskräftige Entscheidungen eines Friedensgerichts als auch gegen die vom Vorsitzenden Richter eines Bezirksgerichts erlassenen Entscheidungen angestrengt werden. Für die auf Rechtsfragen beschränkte Nachprüfung ist der Kassationsgerichtshof (Cour de Cassation) zuständig; hier ist die Vertretung durch einen bei den Berufungsgerichten zugelassenen Anwalt zwingend vorgeschrieben. Link zur nationalen Website: http://www.justice.public.lu/fr/annuaire/index.html
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Tribunal d’arrondissement – Luxemburg Bâtiments TL, CO, JT Cité Judiciaire L-2080 – Luxemburg Tel.: (352) 475981-1 Tribunal d’arrondissement – Diekirch Palais de Justice Place Guillaume L-9237 Diekirch Tél.: (+352) 803214-1 Fax: (+352) 807119 Cour de Cassation Cité Judiciaire Bâtiment CR L-2080 – Luxemburg Tel.: (+352) 475981-369/373 Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Über den Antrag auf Überprüfung entscheidet der Präsident bzw. die Präsidentin des Friedensgerichts, das die Entscheidung erließ, oder der stellvertretende Präsident bzw. die stellvertretende Präsidentin. Der Antrag auf Überprüfung muss entweder vom Beklagten oder vom bevollmächtigten Vertreter des Beklagten schriftlich bei der Geschäftsstelle des Gerichts, das die Entscheidung erließ, eingereicht werden. Eine Vertretung durch einen bei den Berufungsgerichten zugelassenen Anwalt ist wahlweise möglich; die Parteien können persönlich erscheinen oder sich von einer der in Artikel 106 der neuen Zivilprozessordnung genannten Personen unterstützen oder vertreten lassen (Link zur Prozessordnung: http://www.legilux.public.lu/leg/textescoordonnes/codes/ nouveau_code_procedure_civile/PageAccueil.pdf – S. 21 ff.). Die Parteien werden spätestens acht Tage vor der mündlichen Verhandlung von der Geschäftsstelle des Gerichts geladen. Nach Artikel 103 und 167 der neuen Zivilprozessordnung wird diese Frist verlängert, wenn die Parteien ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Luxemburg haben. Die Verhandlung beim Friedensgericht erfolgt mündlich. Link zur nationalen Website: http://www.justice.public.lu/fr/annuaire/index.html Justice de paix – Luxemburg Bâtiment JP Cité Judiciaire L-2080 – Luxemburg Tel.: (+352) 475981-1 Fax: (+352) 465434 Justice de paix – Diekirch Bei der Aaler Kiirch L-9211 – Diekirch Tel.: (+352) 808853-1 Fax: (+352) 804190 Justice de paix – Esch-sur-Alzette Place Norbert Metz L-4006 – Esch-sur-Alzette Tel.: (+352) 530.529 Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen In Luxemburg sind die französische und die deutsche Sprache zugelassen. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Für die Vollstreckung und die Anwendung von Artikel 23 ist der Friedensrichter zuständig.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Malta Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Für geringfügige Forderungen ist gemäß dem Gesetz über das Gericht das gleichnamige Gericht (Small Claims Tribunal) zuständig (Kapitel 380). Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Akzeptiert werden Einschreibebrief und Telefax. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Ein Verbraucher, der gegen einen Gewerbetreibenden klagt, erhält praktische Hilfe beim Europäischen Verbraucherzentrum Malta (ECC Malta). Anschrift: ECC Malta Consumer House, 47A, South Street, Valletta VLT1101, Malta. E-Mail: [email protected]. Ein Gewerbetreibender, der gegen einen anderen Gewerbetreibenden klagt, erhält praktische Hilfe bei Malta Enterprise. Anschrift: Malta Enterprise Corporation Gwardamangia Hill, Pieta’, MEC0001, Malta. E-Mail: [email protected]. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Das maltesische Prozessrecht sieht keine elektronische Zustellung vor. Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel sind weder verfügbar noch zulässig. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Weder Privatpersonen noch Geschäftsleute sind dazu verpflichtet. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise An Gebühren werden erhoben: 40 EUR für die Vorlage des Klageformblatts A und 7,20 EUR für jede Zustellung an den Beklagten. Bei Verwendung des Antwortformblatts C beträgt die Gebühr 25 EUR und die Zustellungsgebühr 7,20 EUR. Gemäß Artikel 15a ist die Gebühr per Banküberweisung zu zahlen. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Small Claims Tribunal in Malta können beim Berufungsgericht (untere Gerichtsbarkeit) in Malta und Rechtsmittel gegen Entscheidungen des Small Claims Tribunal in Gozo beim Berufungsgericht (untere Gerichtsbarkeit) in Gozo eingelegt werden. Nach Artikel 8 in Kapitel 380 der Gesetzessammlung Laws of Malta können Rechtsmittel innerhalb von 20 Tagen ab Erlass der Entscheidung durch einen Antrag eingelegt werden. Nach Artikel 8 Absatz 2 können Rechtsmittel unabhängig vom Streitwert eingelegt werden: a) bei allen Rechtssachen, für die ein Tribunal (Gericht) zuständig ist; b) wenn es um Verjährung geht; c) bei Verstößen gegen die Bestimmungen des Artikels 7 Absatz 2 in Kapitel 380. Danach muss das Tribunal ein Verfahren aussetzen, wenn Einwendungen gegen die Klage unter Geltendmachung eines Sachverhalts erhoben werden, der nicht in den Zuständigkeitsbereich des Tribunal fällt, und/oder wenn bei einem anderen Gericht ein Verfahren anhängig ist, dessen Ausgang sich auf die vor dem Tribunal erhobene Klage auswirken könnte; d) wenn das Tribunal die Regeln der Unparteilichkeit und Gleichheit verletzt und damit die Rechte des Klägers beeinträchtigt hat. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Anträge auf Überprüfung der Entscheidung nach Artikel 18 der Verordnung werden beim Small Claims Tribunal in Malta bzw. Gozo gestellt. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Maltesisch und Englisch. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Zuständig für die Vollstreckung und für die Zwecke des Artikels 23 ist nach Artikel 10 Absatz 4 des Gesetzes über das Gericht für geringfügige Forderungen (Kapitel 380) der Court of Magistrates (Malta) bzw. der Court of Magistrates (Gozo), je nachdem wo der Vollstreckungsgegner wohnhaft ist.
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Art. 25 EG-BagatellVO
Niederlande Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Artikel 2 Absatz 1 der Durchführungsvorschriften zum europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen: 1. Rechtssachen, die unter das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen fallen, werden vom Amtsrichter (kantonrechter) geprüft und entschieden. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Nach niederländischem Zivilprozessrecht (Artikel 33 der Zivilprozessordnung – Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering) ist die elektronische Einreichung eines Klageformblatts gemäß Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zulässig, sofern die Verfahrensvorschriften des Gerichts dies vorsehen. Zurzeit sieht noch kein Gericht diese Möglichkeit vor, so dass das Formblatt nur auf folgende Weise übermittelt werden kann: – auf dem Postweg, – durch Abgabe bei der Geschäftsstelle des Gerichts. Auch die sonstige Kommunikation mit dem Gericht kann derzeit nicht generell auf elektronischem Wege erfolgen. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Praktische Hilfe kann von der Rechtsdienstleistungsstelle (Juridisch Loket), insbesondere dem bei dieser Stelle angesiedelten europäischen Verbraucherinformationszentrum, erteilt werden. Siehe dazu http://www.eccnederland.nl/und http://www.juridischloket.nl/. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Zustellungen nach Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung und der Schriftverkehr nach Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung werden im Einklang mit Artikel 30e der Zivilprozessordnung bewirkt. Sobald die vorstehend erwähnten Rechtsvorschriften in Kraft treten, werden die Niederlande davon ausgehen, dass Verfahren auf elektronischem Wege eingeleitet werden. Nach Artikel 30e der Zivilprozessordnung werden sonstige Schriftstücke, deren Übermittlung nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, sowie sonstige Mitteilungen zwischen dem Gericht und den Prozessparteien elektronisch bereitgestellt, sofern nicht Artikel 30c Absatz 5 gilt. Nach Artikel 30c Absatz 5 nutzen Parteien, die nicht zur Weiterleitung von Schriftstücken auf elektronischem Wege verpflichtet sind und dies auch nicht tun, den Papierweg. Im Rahmen der Rechtsvorschriften über die Vereinfachung und Digitalisierung des Verfahrensrechts ist es technisch noch nicht möglich, dass Prozessparteien mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat Schriftstücke direkt übermitteln (siehe lit. b oben) und sie über das digitale System der Gerichte weiterleiten. Weder Unternehmen noch natürliche Personen aus dem Ausland müssen Schriftstücke elektronisch übermitteln. Sofern eine Prozesspartei aus einem anderen Mitgliedstaat einen rechtlichen Vertreter in den Niederlanden hat, findet das Verfahren auf elektronischem Wege statt und das Gericht kann dementsprechend die in Artikel 13 Absatz 1 genannten Schriftstücke elektronisch zustellen. Bei Prozessparteien, die Schriftstücke nicht auf elektronischem Wege einreichen müssen und über keinen rechtlichen Vertreter verfügen, erfolgt die Zustellung per Post. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Siehe die Informationen unter d) Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Nur Personen, die Forderungen beim Amtsrichter einreichen, werden für Gerichtsgebühren herangezogen. Beklagte müssen keine Gerichtsgebühren zahlen. Hinsichtlich der Höhe der Gerichtsgebühren wird in den Niederlanden gegebenenfalls unterschieden zwischen: – Forderungen unter 500 EUR oder über einen unbestimmten Betrag und – Forderungen über einen Betrag zwischen 500 EUR und 12.500 EUR. Es bestehen drei Pauschalsätze. Welcher Satz jeweils gilt, hängt davon ab, ob der Kläger eine juristische Person, eine natürliche Person oder eine natürliche Person mit begrenzten finanziellen Mitteln ist. Angaben zu den Gebührensätzen finden Sie unter http://www.rechtspraak.nl. Fernzahlungen an die niederländischen Gerichte können mittels Banküberweisung getätigt werden. In der vom Urkundsbeamten übermittelten Gebührenrechnung (griffienota) wird die Bankverbindung des Gerichts angegeben. Die Gerichtsgebühren sind auf das genannte Konto zu überweisen. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Nach den nationalen Vorschriften können Rechtsmittel gegen Entscheidungen, die ein Amtsrichter erlassen hat, beim Berufungsgericht (gerechtshof) eingelegt werden, wenn es sich um geringfügige Forderungen im Rahmen des
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen europäischen Verfahrens handelt und Beträge von mindestens 1750 EUR betroffen sind. Die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels beträgt 30 Tage ab dem Datum der Entscheidung. Informationen über die Gerichte in den Niederlanden finden Sie unter http://www.rechtspraak.nl. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Beklagte können bei dem Amtsrichter, der eine Entscheidung über eine Rechtssache nach dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen erlassen hat, die Überprüfung der Entscheidung aus den in Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung dargelegten Gründen beantragen. Dieser Antrag muss innerhalb der in Artikel 18 Absatz 2 genannten Frist von 30 Tagen eingereicht werden. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Artikel 7 Absatz 2 der Durchführungsvorschriften zum europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen: 2. Eine von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats erstellte Ausfertigung einer Bestätigung nach Artikel 20 Absatz 2 der Verordnung muss im Einklang mit Artikel 21 Absatz 2 lit. b der Verordnung auf Niederländisch vorgelegt oder ins Niederländische übersetzt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Für die Vollstreckung eines im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenen Urteils sind die niederländischen Gerichtsvollzieher zuständig. Zu den für die Zwecke der Anwendung von Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zuständigen Behörden siehe Artikel 8 der Durchführungsvorschriften zum europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen. Artikel 8 der Durchführungsvorschriften zum europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen: Für Anträge auf Vollstreckung im Sinne der Artikel 22 und 23 der Verordnung ist Artikel 438 der Zivilprozessordnung („Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering“) maßgebend. Artikel 438 der Zivilprozessordnung: 1. Im Zusammenhang mit einer Zwangsvollstreckung auftretende Streitigkeiten werden vor dem Gericht verhandelt, das nach den üblichen Vorschriften zuständig ist, oder vor einem Gericht, in dessen Gerichtsbarkeit die Beschlagnahme fällt, sich einer oder mehrere der betreffenden Gegenstände befinden bzw. die Zwangsvollstreckung erfolgen wird. 2. Bis zum Erlass einer einstweiligen Maßnahme kann auch der Richter der einstweiligen Anordnung (voorzieningenrechter) des nach Absatz 1 zuständigen Gerichts mit der Sache befasst werden. Unbeschadet seiner sonstigen Befugnisse kann der Richter der einstweiligen Anordnung die Zwangsvollstreckung auf Antrag für eine gewisse Zeit bzw. bis zur Entscheidung des Rechtsstreits aussetzen oder bestimmen, dass die Zwangsvollstreckung nur gegen Hinterlegung einer Sicherheit erfolgen oder fortgesetzt werden kann. Er kann Beschlagnahmen mit oder ohne Sicherheitsleistung aufheben. Er kann während der Zwangsvollstreckung die Erfüllung nicht eingehaltener Förmlichkeiten verlangen, wobei von ihm anzugeben ist, welche Formalitäten noch zu erfüllen sind und wer die Kosten zu tragen hat. Er kann festlegen, dass ein betroffener Dritter die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung dulden und in dem Verfahren mitarbeiten muss, auch wenn der Vollstreckungsgläubiger keine Sicherheiten stellt. 3. Sofern sich die Rechtssache nicht im Verfahren der einstweiligen Anordnung regeln lässt, kann der Richter der einstweiligen Anordnung, anstatt den Antrag zurückzuweisen, die Rechtssache auf Antrag des Klägers unter Angabe des Tages, an dem sie verhandelt werden muss, an das Gericht verweisen. Gegen einen Beklagten, der zu dem angegebenen Zeitpunkt nicht vor dem Richter der einstweiligen Anordnung erschienen ist und sich auch nicht durch einen Anwalt hat vertreten lassen, ergeht nur dann ein Versäumnisurteil, wenn er unter Einhaltung der Vorladungsfrist oder der Frist, die auf Verlangen des Klägers vom Richter der einstweiligen Anordnung festgelegt wurde, ausdrücklich für diesen Tag vorgeladen worden ist. 4. Der mit der Zwangsvollstreckung beauftragte Gerichtsvollzieher, an den ein Einwand gerichtet wird, der eine unverzügliche Maßnahme erfordert, kann sich mit einem von ihm erstellten Bericht an den zuständigen Richter wenden, damit dieser im Verfahren einer einstweiligen Anordnung einen Beschluss zwischen den betreffenden Parteien herbeiführt. Der Richter der einstweiligen Anordnung verschiebt die Prüfung des Falls bis zur Vorladung der Parteien, sofern er nicht wegen der Art des Einwands einen unmittelbaren Beschluss für erforderlich hält. Der Gerichtsvollzieher, der die vorerwähnten Befugnisse ohne Zustimmung des Klägers ausübt, kann selbst zur Übernahme der Kosten verurteilt werden, wenn sich herausstellt, dass diese Maßnahme ungerechtfertigt war. 5. Die Anfechtung der Zwangsvollstreckung durch Dritte erfolgt im Wege der Vorladung beider von der Zwangsvollstreckung betroffenen Parteien.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
Österreich Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Zur Führung des erstinstanzlichen Verfahrens nach der VO (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen sind in Österreich aufgrund der in der Verordnung vorgesehenen Streitwertgrenze bis 2.000 EUR grundsätzlich die Bezirksgerichte sachlich zuständig. In besonderen Ausnahmefällen können aber auch die Landesgerichte zuständig sein. Die sachliche und örtliche Zuständigkeit richtet sich – soweit sie sich nicht bereits aus der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ergibt – nach den Bestimmungen der österreichischen Jurisdiktionsnorm. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Eingaben in Verfahren nach der VO (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen können – neben der Papierform – auch elektronisch über den WebERV (webbasierter Elektronischer Rechtsverkehr) eingebracht werden. Grundsätzlich steht der WebERV allen natürlichen und juristischen Personen offen. Technische Voraussetzung dafür sind eine spezielle Software und die Zwischenschaltung einer Übermittlungsstelle. Eine jeweils aktuelle Liste der Übermittlungsstellen kann unter http://www.edikte.justiz.gv.at/ edikte/km/kmhlp05.nsf/all/erv abgerufen werden. Eine Eingabe per Fax oder E-Mail ist nicht möglich. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Hilfestellung und allgemeine Informationen erhalten die Parteien – soweit eine internationale Zuständigkeit Österreichs besteht – vom jeweils zuständigen Bezirksgericht. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Für die elektronische Zustellung des Gerichts an die Parteien beziehungsweise deren Vertreter steht der webbasierte Elektronische Rechtsverkehr (ERV) zur Verfügung. Dabei handelt es sich um eine technisch genau vorgegebene Übermittlungsart innerhalb eines Teilnehmerkreises, in dem die einzelnen Mitglieder identifiziert sind. Grundsätzlich steht der ERV allen natürlichen und juristischen Personen offen. Technische Voraussetzung dafür sind eine spezielle Software und die Zwischenschaltung einer Übermittlungsstelle. Eine jeweils aktuelle Liste der Übermittlungsstellen kann unter http://www.edikte.justiz.gv.at/edikte/km/kmhlp05.nsf/all/erv abgerufen werden. Die elektronische Zustellung kann auch nach den Bestimmungen des 3. Abschnitts des Zustellgesetzes (§§ 28 ff. ZustG) im Wege eines Zustelldienstes der Verwaltung erfolgen, wenn die Zustellung im ERV nicht möglich ist. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Zur Teilnahme am österreichischen ERV (nicht jedoch an anderen elektronischen Zustellungssystemen) verpflichtet sind Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Verteidigerinnen und Verteidiger in Strafsachen, Notarinnen und Notare, Kredit- und Finanzinstitute (§ 1 Abs. 1 und 2 BWG), Unternehmen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 6, 7 und 8 des Versicherungsaufsichtsgesetzes 2016 (VAG 2016), Sozialversicherungsträger (§§ 23 bis25 ASVG, § 15 GSVG, § 13 BSVG, § 9 B-KUVG, § 4 NVG 1972), Pensionsinstitute (§ 479 ASVG), die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (§ 14 BUAG), die Pharmazeutische Gehaltskasse (§ 1 Gehaltskassengesetz 2002), der InsolvenzEntgelt-Fonds (§ 13 IESG) und die IEF-Service GmbH (§ 1 IEFG), der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger (§ 31 ASVG), die Finanzprokuratur (§ 1 ProkG) und die Rechtsanwaltskammern. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Im österreichischen Gerichtsgebührenrecht sind für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen keine eigenständigen innerstaatlichen Regelungen vorgesehen. Für die Klage und das nachfolgende Verfahren erster Instanz kommt die Tarifpost 1 (TP 1) des Gerichtsgebührengesetzes (GGG), für die Berufung und das nachfolgende Verfahren zweiter Instanz kommt die Tarifpost 2 (TP 2) des Gerichtsgebührengesetzes (GGG) zum Tragen, die für alle nationalen Zivilprozesse vorgesehen sind. Die Bemessung der Gerichtsgebühren richtet sich nach dem Wert des Streitgegenstandes (Streitwert des in der Klage sowie später durch Erweiterung der Klage geltend gemachten Anspruchs) beziehungsweise dem Berufungsinteresse und der Anzahl der Parteien. Zur Veranschaulichung werden die aktuellen Tarife nach Tarifpost 1 GGG und Tarifpost 2 GGG vollständig abgebildet: Tarifpost 1 Wert des Streitgegenstandes Höhe der Gebühren bis 150 Euro 22 Euro über 150 Euro bis 300 Euro 43 Euro über 300 Euro bis 700 Euro 61 Euro über 700 Euro bis 2.000 Euro 102 Euro über 2.000 Euro bis 3.500 Euro 163 Euro über 3.500 Euro bis 7.000 Euro 299 Euro
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Tarifpost 2
Berufungsinteresse Höhe der Gebühren bis 150 Euro 18 Euro über 150 Euro bis 300 Euro 39 Euro über 300 Euro bis 700 Euro 67 Euro über 700 Euro bis 2.000 Euro 137 Euro über 2.000 Euro bis 3.500 Euro 271 Euro über 3.500 Euro bis 7.000 Euro 544 Euro Die Art der Gebührenentrichtung wird in § 4 GGG geregelt. Danach können die Gebühren durch Verwendung von Bankkarten mit Bankomatfunktion oder Kreditkarten, durch Einzahlung oder Überweisung auf das Konto des zuständigen Gerichts oder durch Bareinzahlung bei diesem Gericht entrichtet werden. Weiters können sämtliche Gebühren auch durch Abbuchung und Einziehung entrichtet werden, wenn das Gericht (oder ganz allgemein die österreichische Justiz) in Ansehung eines von der zahlungspflichtigen Partei bekanntzugebenden Kontos zur Einziehung der Gerichtsgebühren auf ein Justizkonto ermächtigt ist und die Eingabe die Angabe des Kontos, von dem die Gebühren einzuziehen sind, und allenfalls den höchstens abzubuchenden Betrag enthält. Wird die Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) eingebracht, sind die Gebühren zwingend durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten. Die Bekanntgabe eines höchstens abzubuchenden Betrags ist in diesem Fall nicht möglich. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Gegen ein nach der VO (EG) Nr. 861/2007 in der Fassung VO (EG) 2421/2015 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen durch ein österreichisches Bezirksgericht erlassenes erstinstanzliches Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung zulässig. Die Berufung muss binnen 4 Wochen ab Zustellung des Urteiles bei jenem Bezirksgericht, welches das Urteil in erster Instanz erlassen hat, schriftlich eingebracht werden. Sie muss durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Auch im anschließenden Berufungsverfahren ist die Vertretung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt verpflichtend. Die Bekämpfung der Entscheidung über die Prozesskosten hat – wenn das Urteil selbst unangefochten bleibt – mittels Kostenrekurs zu erfolgen. Dieser ist binnen 14 Tagen ab Zustellung des Urteils bei dem Gericht, welches das Urteil erlassen hat, einzubringen. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Gemäß § 548 Absatz 5 der österreichischen Zivilprozessordnung ist das für das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen zuständige Gericht erster Instanz auch für die Überprüfung nach Artikel 18 der Verordnung zuständig. Das Überprüfungsverfahren setzt einen ausdrücklichen Antrag des Beklagten voraus. Darin hat der Beklagte die Umstände, auf die sich sein Überprüfungsantrag gründet, glaubhaft zu machen. Das Gericht ist auf die Überprüfung der Behauptungen des Beklagten beschränkt. Eine mündliche Verhandlung hat das Gericht nur dann anzuberaumen, wenn es eine solche für erforderlich hält. Liegen nach Auffassung des Gerichts die Voraussetzungen des Artikels 18 Absatz 1 der Verordnung nicht vor, weist es den Antrag gemäß Artikel 18 Absatz 3 ab; das ursprüngliche Urteil bleibt in diesem Fall in Kraft. Dieser Beschluss kann mit Rekurs angefochten werden. Liegen die Voraussetzungen des Artikels 18 Absatz 1 der Verordnung hingegen vor, hält das Gericht die geltend gemachten Gründe also für gerechtfertigt, so erklärt es das von ihm ursprünglich erlassene Urteil für nichtig, hebt es also auf. Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtmittel nicht zulässig. Der Rechtsstreit tritt in die Lage zurück, in der er sich vor dem zur Nichtigerklärung führenden Verfahrensschritt befunden hat. Während der Dauer des Überprüfungsverfahrens nach Artikel 18 kann der Beklagte gemäß Artikel 23 der Verordnung im Vollstreckungsstaat die Aussetzung oder Beschränkung der Vollstreckung beantragen. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Die gemäß Artikel 21 Absatz 2 litera b zulässige Sprache ist Deutsch. Aufgrund der nach § 2 Absatz 1 Ziffer 3 des Volksgruppengesetzes16 erlassenen Amtssprachenverordnungen17 ist vor den in diesen Verordnungen genannten Gerichten für bestimmte Personengruppen zusätzlich zur deutschen die Verwendung der Sprache der Volksgruppe als Amtssprache zugelassen. 16 Bundesgesetzes vom 7.7.1976 über die Rechtsstellung von Volksgruppen in Österreich, BGBl. Nr. 396/1976 i.d.F. BGBl. I Nr. 2/2008. 17 Verordnung der Bundesregierung vom 31.5.1977 über die Bestimmung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und sonstigen Dienststellen, vor denen die slowenische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen wird, BGBl. Nr. 307/1977 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 428/2000; Verordnung der Bundesregierung vom 24.4.1990 über die Bestimmung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und
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Art. 25 EG-BagatellVO
Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Für das Vollstreckungsverfahren sind ebenso wie für die Zwecke der Anwendung des Artikels 23 die Bezirksgerichte zuständig. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach den Bestimmungen der österreichischen Exekutionsordnung. Polen Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Kreisgerichte mit örtlicher Zuständigkeit gemäß den Bestimmungen der Zivilprozessordnung (Artikel 16 der Zivilprozessordnung in Verbindung mit Artikel 17 der Zivilprozessordnung Artikel 27 bis 46 der Zivilprozessordnung) Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel In Schriftform (Artikel 125 Absätze 1 und 2 der Zivilprozessordnung in Verbindung mit Artikel 126 Absätze 1 und 2 der Zivilprozessordnung und Artikel 187 Absatz 1 der Zivilprozessordnung) Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Bürgerservicebüros (Biura Obsługi Interesantów) bei den Kreis- oder Bezirksgerichten. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Elektronische Kommunikationsmittel sind nicht zulässig. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Eine solche Verpflichtung besteht nicht. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Für Anträge im Rahmen des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen wird eine Festgebühr in Höhe von 100 PLN erhoben. Diese Gebühr wird auch für die Einlegung von Rechtsmitteln erhoben. In Zivilsachen können Gerichtsgebühren bargeldlos auf das Girokonto des zuständigen Gerichts überwiesen werden (die Bankverbindung kann direkt beim Gericht oder über die Website des Gerichts oder des Justizministeriums in Erfahrung gebracht werden); sie können bei der Gerichtskasse entrichtet werden oder in Form von Gebührenmarken, die bei der Gerichtskasse erhältlich sind. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Liegen die Voraussetzungen gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung vor, erlässt das zuständige Gericht sein Urteil. Die betroffene Partei kann gegen dieses Urteil beim Gericht zweiter Instanz Rechtsmittel einlegen (d.h. gegen Urteile des Kreisgerichts werden beim Bezirksgericht Rechtsmittel eingelegt und gegen Urteile des Bezirksgerichts beim Berufungsgericht). Rechtsmittel müssen innerhalb von zwei Wochen, nachdem dem Beschwerdeführer das Urteil mit Entscheidungsgründen zugestellt wurde, bei dem Gericht eingelegt werden, das das angefochtene Urteil erlassen hat. Stellt die betroffene Partei nicht innerhalb von einer Woche nach Urteilsverkündung (oder wenn das Urteil in nichtöffentlicher Sitzung verkündet wurde, innerhalb von einer Woche nach Erhalt des Urteils) einen Antrag auf Zustellung eines Urteils mit Entscheidungsgründen, beginnt die Rechtsmittelfrist, wenn die Frist für den Antrag auf Zustellung des Urteils mit Entscheidungsgründen abgelaufen ist (Artikel 316 § 1, Artikel 367 § 1 und 367 § 2 in Verbindung mit Artikel 369 und 50526 der Zivilprozessordnung). Liegen die Voraussetzungen gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung vor, erlässt das Gericht ein Versäumnisurteil. Der Beklagte kann dagegen bei dem Gericht Einspruch einlegen, das das Versäumnisurteil erlassen hat. Im Fall eines ablehnenden Bescheids kann der Beklagte nach den allgemeinen Bestimmungen Rechtsmittel einlegen (Artikel 339 § 1, Artikel 342 und 344 § 1 der Zivilprozessordnung). Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Antrag auf Aufhebung eines Urteils (Artikel 50527a der Zivilprozessordnung). Für die Prüfung des Antrags ist das Gericht zuständig, welches das Urteil erlassen hat. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Polnisch
sonstigen Dienststellen, vor denen die kroatische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen wird, BGBl. Nr. 231/1990 in der Fassung der Verordnung BGBl. Nr. 6/1991; Verordnung der Bundesregierung über die Bestimmung der Gerichte, Verwaltungsbehörden und sonstigen Dienststellen, vor denen die ungarische Sprache zusätzlich zur deutschen Sprache als Amtssprache zugelassen wird, BGBl. II Nr. 229/ 2000 in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 335/2000.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen (Artikel 256 der Zivilprozessordnung in Verbindung mit Artikel 1147 Absatz 2 der Zivilprozessordnung in Verbindung mit Artikel 4 Nummer 1 des Gesetzes über die polnische Sprache vom 7.10.1999 (Polnisches Gesetzblatt Dz U z 1999 r, Nr. 90, poz 999)). Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden I. Die Maßnahmen nach Artikel 23 lit. a bis c der Verordnung werden von den zuständigen Kreisgerichten im Rahmen von Sicherheitsleistungen angewandt. Ausnahmsweise werden diese Maßnahmen vom Bezirksgericht bei der Prüfung von Berufungsanträgen angewandt, falls der Antrag auf Sicherheitsleistungen in den Zeitraum des Berufungsprozesses fällt. (Artikel 734 der Zivilprozessordnung) II. Für die Maßnahmen in Artikel 23 lit. a bis b der Verordnung ist grundsätzlich der Gerichtsvollzieher zuständig. In bestimmten Fällen ist auch das Kreisgericht zuständig. Das Kreisgericht ist allerdings nur zur Aussetzung des Verfahrens befugt. (Artikel 23 lit. c der Verordnung). (Artikel 739, Artikel 742 und Artikel 755 Absatz 1 Nummer 3 der Zivilprozessordnung). Portugal Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Amtsgerichte (Tribunais de comarca) – d.h. Gerichte erster Instanz. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Zulässige Kommunikationsmittel: Einschreiben, Fax und elektronische Datenübertragung. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind DGAJ – Generaldirektion für Justizverwaltung (http://www.dgaj.mj.pt/DGAJ/sections/home) (auf Portugiesisch und Englisch). Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Es stehen folgende Kommunikationsmittel zur Verfügung: – die elektronische Kommunikation über das IT-System zur Unterstützung der Arbeit der Gerichte (URL https:// citius.tribunaisnet.mj.pt/habilus/myhabilus/Login.aspx) in Fällen, in denen die Parteien rechtliche Vertreter bestellt haben. Zu diesem Zweck muss der rechtliche Vertreter einer Prozesspartei erst eine Registrierung bei der mit der Verwaltung des Zugangs zum IT-System betrauten Stelle beantragen (Artikel 132 Absatz 1 und 3, Artikel 247 und 248 der Zivilprozessordnung und Artikel 3, 5, 25 und 26 der Ministeriellen Durchführungsverordnung (Portaria) Nr. 280/2013 vom 26.8.2013). – Kommunikation mittels eingeschriebenem Brief an den Wohn- oder Firmensitz der Prozesspartei oder die gewählte Zustelladresse in Fällen, in denen die Parteien keinen rechtlichen Vertreter bestellt haben (Artikel 249 der Zivilprozessordnung). Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Rechtliche Vertreter, Richter, Staatsanwälte und Justizbedienstete über das IT-System zur Unterstützung der Arbeit der Gerichte (https://citius.tribunaisnet.mj.pt/habilus/myhabilus/Login.aspx) (Artikel 3 und 5 der Ministeriellen Durchführungsverordnung Nr. 280/2013 vom 26.8.2013). Sind rechtliche Vertreter vorhanden, müssen sie erst eine Registrierung bei der mit der Verwaltung des Zugangs zum IT-System betrauten Stelle beantragen. Hier ist zu beachten, dass das System das Datum der Benachrichtigung bescheinigt, wobei angenommen wird, dass diese am dritten Tag nach der Erstellung oder alternativ am ersten Geschäftstag danach erfolgt ist (Artikel 247 und 248 der Zivilprozessordnung). Hat die Prozesspartei keinen rechtlichen Vertreter bestellt, werden Benachrichtigungen per eingeschriebenen Brief an den Wohn- oder Firmensitz der Prozesspartei oder die gewählte Zustelladresse geschickt. Die Benachrichtigung gilt am dritten Tag nach dem Registrierungsdatum oder alternativ am ersten Geschäftstag danach als erfolgt (Artikel 249 Absatz 1 der Zivilprozessordnung). Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise – In Fällen mit einem Streitwert bis 2000 EUR: 102 EUR (1 Rechnungseinheit); – In Fällen mit einem Streitwert über 2000 EUR, aber nicht höher als 5000 EUR: 204 EUR (2 Rechnungseinheiten). Erweist sich die Rechtssache als besonders komplex, kann der Richter beschließen, folgende Kosten anzusetzen: – In Fällen mit einem Streitwert bis 2000 EUR: 153 EUR (1,5 Rechnungseinheiten); – In Fällen mit einem Streitwert über 2000 EUR, aber nicht höher als 5000 EUR: 306 EUR (3 Rechnungseinheiten).
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
(Artikel 6 Absätze 1 und 5 der Verfahrenskostenverordnung, angenommen durch Gesetzesverordnung Nr. 34/2008 vom 26.2.2008 in der zuletzt geänderten Fassung) Legt der Beklagte nach Artikel 17 Absatz 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 im Anwendungsbereich des Europäischen Mahnverfahrens Einspruch ein und läuft das Verfahren weiter, wird auf Seiten des Antragstellers der im Rahmen dieses Verfahrens gezahlte Betrag um den Betrag der für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen geschuldeten Kosten gekürzt. Die Kürzung kann 102 EUR (1 Rechnungseinheit) oder 153 EUR (1,5 Rechnungseinheiten) betragen. (Artikel 7 Absatz 6 der Verfahrenskostenverordnung, angenommen durch Gesetzesverordnung Nr. 34/2008 vom 26.2.2008 in der zuletzt geänderten Fassung) Im Falle einer Widerklage werden bei der Kostenberechnung die für beide Klagen anfallenden Beträge addiert, was zu einem Streitwert über 10.000 EUR führen kann. In Fällen mit einem Streitwert zwischen 8.000,01 EUR und 10.000,00 EUR werden die Kosten mit 3 Rechnungseinheiten (306,00 EUR) oder für besonders komplexe Fälle mit 4,5 Rechnungseinheiten (459,00 EUR) angesetzt. Bei Fällen mit einem Streitwert zwischen 5.000,01 EUR und 8.000,00 EUR bleiben die Kosten allerdings auf 2 Rechnungseinheiten (204,00 EUR) bzw. in besonders komplexen Fällen auf 3 Rechnungseinheiten (306,00 EUR) begrenzt (Artikel 11 der Verfahrenskostenverordnung, angenommen durch Gesetzesverordnung Nr. 34/2008 vom 26.2.2008 in der zuletzt geänderten Fassung in Verbindung mit Artikel 145 Absatz 5, Artikel 530 Absatz 2, Artikel 299 Absätze 1 und 2 und Artikel 297 Absatz 2 der Zivilprozessordnung). Zugelassene Zahlungsmethode ist die Banküberweisung. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Rechtsmittel sind nur in den in Artikel 629 Absatz 2 oder Artikel 696 der Zivilprozessordnung vorgesehenen Fällen zulässig. Daher sind nach Artikel 629 Absatz 2 der Zivilprozessordnung ungeachtet des Streitwerts der Sache und der Höhe des von der unterlegenen Partei getragenen Verlustes Rechtsmittel stets wie folgt zulässig: a) aufgrund einer Verletzung der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit, der Vorschriften für die sachliche oder hierarchische Zuständigkeit oder bei einem Konflikt mit einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung; b) gegen Entscheidungen über den Streitwert der Sache oder damit zusammenhängende Beträge – mit der Begründung, dass der Wert die Streitwertgrenze des in der Sache angerufenen Gerichts übersteigt; c) gegen Entscheidungen, die auf dem gleichen Rechtsgebiet zu der gleichen grundlegenden Rechtsfrage erlassen wurden und der einheitlichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zuwiderlaufen; d) gegen ein Urteil eines Rechtsmittelgerichts, das einem anderen Urteil desselben oder eines anderen Rechtsmittelgerichts auf dem gleichen Rechtsgebiet und zu der gleichen grundlegenden Rechtsfrage widerspricht und gegen das außer aus Gründen der Streitwertgrenze des betreffenden Gerichts kein ordentliches Rechtsmittel eingelegt werden kann, sofern nicht ein Urteil ergangen ist, in dem eine damit kohärente, einheitliche Rechtsprechung festgelegt wird. Nach Artikel 696 der Zivilprozessordnung kann eine rechtskräftige Entscheidung nur dann Gegenstand einer Überprüfung sein, wenn: a) in einer anderen rechtskräftigen Entscheidung bewiesen wurde, dass die betreffende Entscheidung das Ergebnis eines von dem betreffenden Richter bei der Wahrnehmung seiner Pflichten begangenen Vergehens war; b) erwiesen ist, dass ein Urkundenbeweis, eine offizielle Aussage vor Gericht oder eine von einem Sachverständigen oder Schiedsrichter abgegebene Erklärung falsch ist und bei der zu überprüfenden Entscheidung ein bestimmender Faktor gewesen sein kann; ferner, wenn die Angelegenheit in dem Verfahren, in dem die Entscheidung erging, nicht erörtert wurde; c) ein Schriftstück vorgelegt wird, das der betreffenden Partei nicht bekannt war oder das sie in dem Verfahren, in dem die zur Überprüfung anstehende Entscheidung erlassen wurde, nicht hätte nutzen können und das für sich genommen ausreicht, um die Entscheidung zugunsten der unterlegenen Partei zu ändern; d) ein Geständnis, eine Rücknahme oder Zustimmung, auf der die Entscheidung basierte, ungültig ist oder für ungültig erklärt werden kann; e) Klage und Vollzug in Abwesenheit, ohne eine wie auch immer geartete Beteiligung des Beklagten stattgefunden haben und nachgewiesen wird, dass keine Ladung ausgestellt wurde oder dass die ausgestellte Ladung nichtig ist; f) die Entscheidung mit der rechtskräftigen, für den portugiesischen Staat verbindlichen Entscheidung einer internationalen Rechtsmittelinstanz unvereinbar ist; g) der Rechtsstreit auf einer von den Prozessparteien simulierten Handlung basierte und das Gericht die ihm nach Artikel 612 verliehenen Befugnisse nicht nutzte, weil es den Betrug nicht bemerkte.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Laut Artikel 638 Absatz 1 der Zivilprozessordnung beträgt die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels 30 Tage ab Zustellung der Entscheidung. Laut Artikel 697 Absatz 2 und 3 der Zivilprozessordnung kann kein außerordentlicher Überprüfungsantrag mehr gestellt werden, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung mehr als fünf Jahre verstrichen sind. Die Frist für die Einlegung eines solchen Rechtsmittels beträgt 60 Tage: i. ab dem Datum der rechtskräftigen Entscheidung, die die Grundlage der Überprüfung bildet, sofern es sich um einen Fall nach Artikel 696 lit. a handelt; ii. ab dem Zeitpunkt, an dem die Entscheidung, die die Grundlage der Überprüfung bildet, rechtskräftig wurde, sofern es sich um einen Fall nach Artikel 696 lit. f handelt; iii. oder alternativ ab dem Zeitpunkt, an dem der Rechtsmittelführer das Schriftstück erhielt oder über den Umstand unterrichtet wurde, auf das bzw. den sich die Überprüfung stützt. iv. Bei Artikel 696 lit. g beträgt die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels zwei Jahre ab dem Zeitpunkt, an dem der Rechtsmittelführer über die Entscheidung informiert wird; dies gilt unbeschadet der oben genannten Fünfjahresfrist. Die Zuständigkeit für Rechtsmittelentscheidungen in den Fällen nach Artikel 629 Absatz 2 der Zivilprozessordnung liegt bei den Tribunais de Relação (Rechtsmittelgerichten). In Fällen nach Artikel 696 lit. a der Zivilprozessordnung liegt die Zuständigkeit bei dem Gericht, das die zu überprüfende Entscheidung erließ. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Das Rechtsmittel wird bei dem Gericht eingelegt, das die zu überprüfende Entscheidung erließ; der Rechtsmittelführer muss den Sachverhalt darlegen, der die Grundlage für das Rechtsmittel bildet. Bei der Einlegung des Rechtsmittels muss der Rechtsmittelführer eine Bescheinigung bezüglich der Entscheidung oder das Schriftstück vorlegen, auf dem der Antrag basiert (Artikel 697 Absatz 1 und Artikel 698 der Zivilprozessordnung). Wie unter lit. a angegeben, liegt die Zuständigkeit für die Entscheidung über das Rechtsmittel bei dem Gericht, das die zur Überprüfung anstehende Entscheidung erließ. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Es sind keine Sprachen außer Portugiesisch zugelassen. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Bei den für die Vollstreckung und deren Aussetzung oder Beschränkung zuständigen Behörden handelt es sich um das Gericht, das das Urteil gefällt hat, oder im Falle von Urteilen, die in anderen Mitgliedstaaten ergangen sind, das Gericht am Wohnsitz des Vollstreckungsschuldners. Rumänien Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Gemäß Artikel 1 der rumänischen Zivilprozessordnung sind die ordentlichen Gerichte (judeca˘torii) für den Erlass von Urteilen im Rahmen des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen zuständig. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Anträge auf die Einleitung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung können auf dem Postweg oder per Fax eingereicht werden. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind – Es ist eine Gesetzesänderung geplant, um praktische Hilfe beim Ausfüllen der Formblätter zu ermöglichen. Sobald die erforderlichen Änderungen vorgenommen wurden, werden die Informationen aktualisiert. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung – Artikel 154 Absatz 6 ZPO (6) Ladungen und andere Verfahrensschriftstücke können vom Gerichtsbediensteten und per Fax, per E-Mail oder in anderer Form zugestellt werden, bei der der Inhalt des Dokuments gegen eine Empfangsbestätigung übermittelt wird, sofern die betreffende Partei dem Gericht ihre Kontaktdaten für diesen Zweck angegeben hat. Wenn das Gericht ein Verfahrensdokument übermittelt, sendet es zur Bestätigung auch ein Formblatt, in dem die Bezeichnung des Gerichts, das Datum, der Name des Gerichtsbediensteten und die übermittelten Dokumente angegeben sind. Dieses Formblatt ist vom Empfänger mit dem Eingangsdatum und seinem Namen in Druckbuchstaben auszufüllen und von demjenigen zu unterzeichnen, der für die eingehende Korrespondenz zuständig ist. Das Formblatt wird per Fax, per E-Mail oder in anderer Form an das Gericht zurückgeschickt. – Artikel 205 Absatz 2 lit. a ZPO Die Erwiderung muss folgende Angaben enthalten: Vor- und Nachname(n), Personenidentifikationsnummer, Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Beklagten bzw. Namen und Geschäftssitz juristischer Personen und gegebenenfalls Registrierungscode oder Steueridentifikationsnummer, Eintragungsnummer im Handelsregister oder im Register juris-
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
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tischer Personen, sowie die Kontonummer, wenn sie nicht bereits in der Klageschrift angegeben wurde. Die Bestimmungen des Artikels 148 Absatz 1 Satz 2 gelten entsprechend. Wenn der Beklagte im Ausland lebt, wird in der Erwiderung auch eine Anschrift in Rumänien angegeben, an die sämtliche die Sache betreffende Korrespondenz geschickt werden soll. – Artikel 194 lit. a ZPO Die Klageschrift muss folgende Angaben enthalten: a) Vor- und Nachname(n), Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Parteien bzw. Geschäftssitz juristischer Personen; außerdem die Personenidentifikationsnummer oder gegebenenfalls den Registrierungscode oder die Steueridentifikationsnummer, die Eintragungsnummer im Handelsregister oder im Register juristischer Personen sowie die Kontonummern des Klägers und des Beklagten, soweit die Parteien diese Identifikationsmerkmale gemäß den gesetzlichen Bestimmungen haben oder erhalten haben und sie dem Kläger bekannt sind. Die Bestimmungen des Artikels 148 Absatz 1 Satz 2 gelten entsprechend. Wenn der Beklagte im Ausland lebt, wird in der Erwiderung auch eine Anschrift in Rumänien angegeben, an die sämtliche die Sache betreffende Korrespondenz geschickt werden soll. – Artikel 148 Absätze 1 bis 3 ZPO (1) Anträge an das Gericht sind schriftlich einzureichen. Jeder Antrag muss die Bezeichnung des Gerichts enthalten, an das er adressiert ist, sowie Vor- und Nachnamen, Wohnsitz oder Aufenthaltsort der Parteien bzw. Namen und Anschrift ihres Unternehmens und gegebenenfalls Vor- und Nachnamen, Wohnsitz oder Aufenthaltsort ihrer Vertreter sowie Streitgegenstand und Streitwert, die Gründe für die Forderung und die Unterschrift. Der Antrag muss gegebenenfalls auch eine E-Mail-Adresse oder andere Kontaktdaten der Parteien für diesen Zweck sowie eine Telefonnummer, Fax-Nummer usw. enthalten. (2) Persönlich oder von einem Bevollmächtigten eingereichte Anträge können in einem elektronischen Format abgefasst sein, sofern es den gesetzlichen Vorgaben entspricht. (3) Absatz 2 gilt entsprechend auch in den Fällen, in denen Vorlagen, Argumente oder Schlussfolgerungen der Parteien und andere Verfahrensdokumente dem Gericht nach Maßgabe der Zivilprozessordnung schriftlich vorgelegt werden müssen. – Artikel 169 ZPO Sobald eine Sache bei Gericht anhängig ist, können Anträge, Erwiderungen und andere Schriftstücke von dem gegebenenfalls die Parteien vertretenden Anwalt oder Rechtsberater direkt an das Gericht übermittelt werden. In dem Fall bestätigt der Empfänger des Antrags den Erhalt der beim Gericht eingegangenen Abschrift oder teilt gegebenenfalls in anderer Form mit, dass der Vorgang abgeschlossen ist. – Artikel 199 Absatz 1 ZPO (1) Eine Klageschrift, die persönlich oder von einem Bevollmächtigten per Post, per Kurier, per Fax, als gescanntes Dokument per E-Mail oder als elektronisches Dokument übermittelt wird, wird registriert und mit einem Eingangsstempel versehen. – Artikel 149 Absatz 4 ZPO (4) Wenn der Antrag den gesetzlichen Vorschriften entsprechend per Fax oder per E-Mail übermittelt wurde, bedeutet das automatisch, dass der Gerichtsbedienstete Abschriften auf Kosten der Partei anfertigt, die dazu verpflichtet ist. Die Bestimmungen des Artikels 154 Absatz 6 gelten weiterhin. – In dem speziellen Verfahren für geringfügige Forderungen (anwendbar auf interne Streitigkeiten) leitet der Kläger das Verfahren durch ein Antragsformular ein, das er ausfüllt und per Post oder in anderer Form, die das Ausstellen einer Eingangsbestätigung ermöglicht, an das zuständige Gericht übermittelt (Artikel 1029 Absatz 1 ZPO). Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren – Wenn das Gericht gemäß den gesetzlichen Bestimmungen Verfahrensdokumente elektronisch übermittelt, müssen die Parteien diese Form der Kommunikation akzeptieren. Dies gilt jedoch nur, wenn die Parteien (oder ihre Vertreter oder Anwälte) ihre E-Mail-Adresse angegeben haben (siehe auch Antwort zu lit. d). – Wenn eine Partei gemäß den gesetzlichen Bestimmungen Verfahrensdokumente elektronisch übermittelt, müssen die Parteien diese Form der Kommunikation akzeptieren. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise – Artikel 10 Absatz 1 lit. b, Absatz 2 und Absatz 3 der Dringlichkeitsverordnung Nr. 80/2013 über Gerichtsstempelgebühren (1) Für die nachfolgend aufgeführten Anträge im Zusammenhang mit einer Vollstreckung fallen folgende Gebühren an: (…) b) Antrag auf Aussetzung der Vollstreckung einschließlich vorläufiger Vollstreckbarkeit – 50 RON.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen (2) Wenn die Vollstreckung angefochten wird, berechnet sich die Gebühr anhand des Gegenstandswertes oder, falls die Forderung geringer ist als der Gegenstandswert, anhand des Forderungsbetrags. Unabhängig vom Streitwert darf die Gebühr nicht mehr als 1000 RON betragen. Wenn der Vollstreckungsgegenstand nicht in Geld bemessen werden kann, wird für den Widerspruch gegen das Vollstreckungsverfahren eine Gebühr von 100 RON erhoben. (3) Wenn sich der Widerspruch gegen das Vollstreckungsverfahren nach Artikel 712 Absatz 2 der Zivilprozessordnung auch auf sachliche oder rechtliche Gründe stützt, berechnet sich die Stempelgebühr nach Artikel 3 Absatz 1. – Artikel 33 Absatz 1 der Dringlichkeitsverordnung Nr. 80/2013 über Gerichtsstempelgebühren Gerichtsstempelgebühren sind im Voraus zu zahlen, soweit gesetzlich nichts anderes vorgesehen ist. – Artikel 40 Absätze 1 und 2 der Dringlichkeitsverordnung Nr. 80/2013 über Gerichtsstempelgebühren Wer eine Gerichtsstempelgebühr zahlen muss und weder einen Wohnsitz noch einen Aufenthaltsort bzw. einen Geschäftssitz in Rumänien hat, zahlt die Gebühr bar, per Überweisung oder online auf das örtliche Konto der Verwaltungseinheit ein, in der das mit der Klage oder dem Antrag befasste Gericht seinen Sitz hat. Es handelt sich um ein separates Konto für die Einnahmen aus Gerichts- und anderen Stempelgebühren bei der örtlichen Verwaltungseinheit, bei der die natürliche Person ihren Wohnsitz oder Aufenthalt bzw. die juristische Person ihren Geschäftssitz hat. – Um ein hohes Maß an Berechenbarkeit zu gewährleisten, sind Gesetzesänderungen zur Umsetzung insbesondere von Artikel 15a Absatz 1 der Verordnung (EU) 2015/2421 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens geplant. Sobald die erforderlichen Änderungen vorgenommen wurden, werden die betreffenden Informationen aktualisiert. – Anm.: Auf der Website http://portal.just.ro/SitePages/acasa.aspx finden Sie bei jedem Gericht unter „Bine de s, tiut“ [Gut zu wissen] Angaben zu den Konten, auf die Stempelgebühren eingezahlt werden können. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte – Gemäß Artikel 17 der Verordnung können Rechtsmittel innerhalb von 30 Tagen nach Erlass der Entscheidung beim Landgericht (Gericht zweiter Instanz) eingelegt werden (Artikel 466 Absatz 1, Artikel 468 Absatz 1 und Artikel 94 Absatz 1 lit. k in Verbindung mit Artikel 95 Absatz 2 ZPO). – Anm.: In dem speziellen Verfahren für geringfügige Forderungen (anwendbar auf interne Streitigkeiten) können Rechtsmittel gegen Entscheidungen eines Amtsgerichts innerhalb von 30 Tagen nach Erlass der Entscheidung nur beim Landgericht eingelegt werden (Artikel 1033 Absatz 1 ZPO). Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte – Regeln des ordentlichen Verfahrens: – Ein Antrag auf Aufhebung des endgültigen Urteils (contestat,ie în anulare) kann gestellt werden, wenn der Antragsteller nicht ordnungsgemäß geladen wurde und folglich in der Verhandlung nicht anwesend war. Der Antrag auf Aufhebung wird bei dem Gericht gestellt, dessen Urteil angefochten wird (Artikel 503 Absatz 1 und Artikel 505 Absatz 1 ZPO). – Möglicherweise muss aus (nicht) materiell-rechtlichen Gründen Revision (revizuire) gegen ein Urteil eingelegt werden, wenn die Partei durch von ihr nicht beeinflussbare Umstände daran gehindert war, vor Gericht zu erscheinen und das Gericht darüber zu informieren. Der Revisionsantrag muss bei dem Gericht gestellt werden, das die Entscheidung erlassen hat, deren Revision beantragt wird (Artikel 509 Absatz 1 Nummer 9 und Absatz 2 sowie Artikel 50 Absatz 1 ZPO). – Wer eine Frist versäumt hat, kann nur dann mit einer neuen Fristsetzung rechnen, wenn er stichhaltige Gründe für sein Versäumnis anführen kann. Dazu muss die Partei innerhalb von 15 Tagen, nachdem der Hinderungsgrund entfallen ist, dem Verfahrensdokument entsprechend handeln und gleichzeitig eine neue Frist beantragen. Es gilt die gleiche Frist wie im Rechtsmittelverfahren. Den Antrag auf eine neue Fristsetzung prüft das Gericht, das für den Antrag bezüglich des fristgerecht geltend gemachten Rechts zuständig ist (Artikel 186 ZPO). – Es sind Gesetzesänderungen zur Umsetzung der entsprechenden Bestimmungen der Verordnung (EU) 2015/ 2421 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens geplant. Sobald die erforderlichen Änderungen vorgenommen wurden, werden die Informationen aktualisiert. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Die Bestätigung gemäß Artikel 21 Absatz (2) lit. b wird in Rumänisch ausgefertigt. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Zuständig für die Vollstreckung der Entscheidung ist der Gerichtsvollzieher (executor judeca˘toresc) des Gerichtsbezirks, in der die Vollstreckung durchzuführen ist, oder im Falle der Beschlagnahme von Sachen der Gerichtsvollzieher des Gerichtsbezirks, in dem sich die Sachen befinden. Falls die einzuziehenden Sachen auf mehrere Ge-
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
richtsbezirke verteilt sind, ist jeder der Gerichtsvollzieher dieser Bezirke zuständig (Art. 373 der rumänischen Zivilprozessordnung). Die für die Anwendung von Artikel 23 beziehungsweise für die Aussetzung oder Einschränkung der Vollstreckung zuständige Behörde ist – soweit das Gesetz nichts anderes vorsieht – die Vollstreckungsinstanz (instant¸a de executare) beziehungsweise das Gericht, in deren (dessen) Gerichtsbezirk die Vollstreckung stattfindet. Schweden Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Das Amtsgericht (tingsrätt) ist für die Prüfung von Anträgen auf Einleitung von europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig (Artikel 2 des schwedischen Gesetzes über das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen). Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Anträge auf Einleitung von europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen werden direkt beim zuständigen Gericht eingereicht oder diesem auf dem Postweg übersendet. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Zuständig ist das Amtsgericht oder, sofern ein Rechtsmittel gegen das Urteil in einem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen eingelegt wurde, das Berufungsgericht (hovrätt) oder der Oberste Gerichtshof (Högsta domstolen). Weitere Informationen stehen auf der Website der schwedischen Gerichte zur Verfügung: http://www. domstol.se. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Behörden dürfen Schriftstücke auf elektronischem Weg (z.B. per E-Mail oder per Fax) zustellen. Auf welchem Weg die Zustellung erfolgt, hängt von Inhalt und Umfang des Schriftstücks ab. Sie sollte zudem die geringstmöglichen Kosten und den geringstmöglichen Aufwand verursachen. Die Zustellung von Schriftstücken muss in einer der Sache angemessenen Form erfolgen. Sonstige schriftliche Mitteilungen können per Post oder auf elektronischem Weg (z.B. per E-Mail oder per Fax) übermittelt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Eine Verpflichtung zur Annahme elektronisch zugestellter Schriftstücke besteht nicht. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Die Antragsgebühr in Höhe von 900 SEK kann per Kreditkarte (Mastercard/Visa) oder per Banküberweisung über die Website der schwedischen Gerichte unter https://betala.domstol.se/ansokan entrichtet werden. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Gegen das Urteil eines Amtsgerichts können Rechtsmittel beim Berufungsgericht eingelegt werden. Rechtsmittel müssen dem Amtsgericht innerhalb von drei Wochen ab dem Tag der Zustellung des Urteils zugehen. Rechtsmittel sind an das zuständige Berufungsgericht zu richten. Hat eine Partei ein Rechtsmittel gegen das Urteil eines Amtsgerichts eingelegt, gilt für die andere Partei über die obigen Ausführungen hinaus, dass sie binnen einer Woche nach Ablauf der für die erste Partei geltenden Rechtsmittelfrist ein Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen kann. Dieses Rechtsmittel verfällt jedoch, falls das erste Rechtsmittel zurückgenommen wird oder aus anderen Gründen verfällt. Gegen das Urteil eines Berufungsgerichts können Rechtsmittel beim Obersten Gerichtshof eingelegt werden. Rechtsmittel müssen dem Berufungsgericht innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Urteils zugehen. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Anträge auf Überprüfung sind beim zuständigen Berufungsgericht zu stellen Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Bestätigungen zu einem im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenen Urteil müssen in Schwedisch oder Englisch ausgefertigt sein bzw. in diese Sprachen übersetzt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Das Amt für Beitreibung und Vollstreckung (kronofogdemyndigheten) ist für die Vollstreckung in Schweden zuständig und kann Beschlüsse gemäß Artikel 23 der Verordnung fassen.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Slowakei Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Für den Erlass von Urteilen im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen sind in der Slowakischen Republik die Bezirksgerichte („okresny´ súd“) zuständig. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Die zulässigen Kommunikationsmittel im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 der Verordnung sind in § 42 des Gesetzes Nr. 99/1963 Slg (Zivilprozessordnung) aufgeführt: „… durch elektronische Mittel unter Verwendung einer sicheren elektronischen Signatur gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften, auf telegrafischem Wege oder per Telefax. Wurde die Klage in der Hauptsache per Fernschreiben eingereicht, ist sie darüber hinaus innerhalb von drei Tagen schriftlich oder mündlich zu Protokoll zu geben; im Falle einer Übermittlung per Telefax ist innerhalb von drei Tagen das Original nachzureichen.“ Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Auf der Website des slowakischen Justizministeriums unter https://www.justice.gov.sk/Stranky/default.aspx stehen vollständige Informationen über den Anwendungsbereich des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, darunter auch Angaben zu den Gerichten, die in den einzelnen Mitgliedstaaten für den Erlass von Urteilen zuständig sind, zur Verfügung. Auch die für dieses Verfahren verwendeten Formblätter sind auf dieser Website zu finden. Antragsteller, die die rechtlichen Voraussetzungen für Prozesskostenhilfe erfüllen, können diese beim Zentrum für Prozesskostenhilfe (Centrum právnej pomoci), das diese Hilfe durch eigenes Personal und benannte Anwälte leistet, beantragen. Die Bedingungen für die Leistung von Prozesskostenhilfe sind in § 17 von Gesetz Nr. 327/2005 über die Leistung von Prozesskostenhilfe an bedürftige Personen und zur Änderung von Gesetz Nr. 586/2003 über Rechtsberufe und zur Änderung von Gesetz Nr. 455/1991 über Handelsaktivitäten (Handelsgesetz) in der durch Gesetz Nr. 8/2005 geänderten Fassung (auf Slowakisch und Englisch) geregelt. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Laut Zivilprozessordnung ist die bevorzugte Zustellungsweise die Übergabe in der mündlichen Verhandlung oder bei anderen gerichtlichen Handlungen sowie die Zustellung an ein Funktionspostfach, das auf der Grundlage einer speziellen Regelung, nämlich dem Gesetz über elektronische Behördendienste, eingerichtet wurde. Laut diesem Gesetz dürfen die Gerichte ab 1.11.2016 Schriftstücke nur dann elektronisch zustellen, wenn ein Funktionspostfach für die Zustellung aktiviert worden ist. Das Verfahren zur Aktivierung eines Funktionspostfachs ist für juristische und natürliche Personen unterschiedlich. Natürliche Personen müssen die Aktivierung beantragen. Für juristische Personen, die im Unternehmensregister eingetragen sind, muss der Staat ab 1.7.2017 ein Funktionspostfach aktivieren; ab diesem Datum übermitteln die Behörden einschließlich der Gerichte ihre Entscheidungen ausschließlich auf elektronischem Weg. Ist die Zustellung eines Schriftstücks weder während einer Verhandlung oder einer anderen gerichtlichen Handlung noch an ein Funktionspostfach möglich und besteht keine Notwendigkeit einer persönlichen Zustellung, übermittelt das Gericht auf Ersuchen der betreffenden Partei das Schriftstück an eine E-Mailadresse. Sind Schriftstücke persönlich zuzustellen, erfolgt die Zustellung mit Empfangsbestätigung – d.h. der Adressat bestätigt in der Empfangsbestätigung den Eingang des dort angegebenen Schriftstücks. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Alle im Unternehmensregister eingetragenen juristischen Personen, die über ein aktiviertes Funktionspostfach verfügen müssen, sind ab dem 1.7.2017 verpflichtet, auf elektronischem Wege an Funktionspostfächer übermittelte Schriftstücke zu akzeptieren. Aktivieren jedoch andere natürliche oder juristische Personen ein Funktionspostfach für die Zustellung, werden Schriftstücke auch an das Funktionspostfach dieser Personen zugestellt. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Nach dem Gesetz Nr. 71/1992 über Gerichtsgebühren entsteht die Verpflichtung zur Zahlung einer Gebühr mit Einreichung einer Klage – mittels eines ausgefüllten Klageformblatts A, mit dem das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen eingeleitet wird. Die Gerichtsgebühren sind in der Gebührenordnung als Prozentsatz eines Grundgebührensatzes („Prozentsatz“) oder als Festbetrag aufgeführt. Wird im Rahmen eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen eine Klage eingereicht, wird die entsprechende Gebühr in der Gebührenordnung unter der Position Nummer 1 aufgeführt; diese errechnet sich aus dem Preis (der Zahlung) des Gegenstandes der Rechtssache oder dem Streitwert der Klage; in diesem Fall wird die Gebühr auf 6 % festgesetzt (mindestens 16,50 EUR und höchstens 16.596,50 EUR). Das Gesetz enthält keine besonderen Bestimmungen für Gebühren, die im Rahmen von europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen eingenommen werden.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
Von Gerichten eingezogene Gebühren können unter anderem in bar, mittels Banküberweisung oder in der Niederlassung einer ausländischen Bank bezahlt werden. Gebühren können dann in bar entrichtet werden, wenn die Gerichte die Voraussetzungen für diese Methode der Gebührenzahlung geschaffen haben und wenn die Gebühr für eine einzelne Rechtssache 300 EUR nicht überschreitet. Gebühren werden an das Gericht gezahlt, das mit der Rechtssache in erster Instanz befasst ist oder in dessen Namen die Gebühr eingezogen wird. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Gegen die Entscheidung eines Gerichts erster Instanz können Rechtsmittel eingelegt werden. Sie sind innerhalb von 15 Tagen ab der Bekanntgabe der Entscheidung bei dem Gericht einzulegen, gegen dessen Entscheidung sich das Rechtsmittel richtet. Ein Rechtsmittel gilt auch dann als rechtzeitig eingelegt, wenn es innerhalb der gesetzten Frist beim zuständigen Rechtsmittelgericht eingelegt wird. Rechtsmittel gelten ferner als rechtzeitig eingelegt, wenn sie nach Ablauf der 15-tägigen Frist eingelegt werden, weil der Rechtsmittelführer Anweisungen des Gerichts befolgte, die fehlerhafte Angaben zur Rechtsmittelfrist enthielten. Enthält ein Urteil keine Hinweise auf die Rechtsmittelfrist oder wird darin fälschlich erklärt, dass keine Rechtsmittel zulässig sind, können innerhalb von drei Monaten nach der Bekanntgabe der Entscheidung Rechtsmittel eingelegt werden. Rechtsmittel gelten ferner als rechtzeitig eingelegt, wenn sie bei einem nicht zuständigen Gericht eingelegt werden, weil der Rechtsmittelführer fehlerhafte Angaben des Gerichts zum Rechtsmittelgerichtbefolgte. Dies gilt auch dann, wenn in der Entscheidung das zuständige Gericht, bei dem Rechtsmittel einzulegen sind, nicht genannt wird. Neben den allgemeinen Angaben muss in einem Rechtsmittel das Urteil, gegen das das Rechtsmittel eingelegt wird, sowie der Umfang des Rechtsmittels genannt werden. Anzugeben ist auch, in welcher Hinsicht das Urteil für fehlerhaft gehalten wird (Gründe für das Rechtsmittel) und welche Abhilfe der Rechtsmittelführer anstrebt (Rechtsmittelforderung). Für Verhandlungen und Urteile im Zusammenhang mit Rechtsmitteln sind die Regionalgerichte (krajské súdy) zuständig. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Für die Überprüfung einer Entscheidung ist das Gericht zuständig, das die Entscheidung in erster Instanz erlassen hat. Nach der Zivilprozessordnung kann ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt werden, wenn sich die Möglichkeit zur Überprüfung eines Urteils aus besonderen Rechtsvorschriften, darunter auch der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, ergibt. Neben den allgemeinen Angaben müssen in einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Aktenzeichen des Urteils, gegen das Rechtsmittel eingelegt wird, der Umfang des Rechtsmittels, die Gründe für eine Wiederaufnahme des Verfahrens, die Umstände, die die rechtzeitige Einreichung des Antrags belegen, Beweise für die Begründetheit des Antrags sowie die vom Rechtsmittelführer angestrebte Abhilfe genannt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Zugelassene Sprache im Sinne des Artikels 21 Absatz 2 lit. b der Verordnung ist Slowakisch. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Die für die Vollstreckung zuständigen Stellen sind in der Slowakischen Republik die Gerichtsvollzieher („súdny exekútori“). Für die Anwendung des Artikels 23 der Verordnung sind in der Slowakischen Republik die Gerichte zuständig. Slowenien Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen zuständige Gerichte: Für Zivilsachen das Kreisgericht (okrajno sodisˇcˇe) (Artikel 30 der Zivilprozessordnung – Zakon o pravdnem postopku, Gesetzblatt der Republik Slowenien Nr. 73 vom 13.8.2007, S. 10425, im Folgenden ZPP) und für Handelssachen das Bezirksgericht (okrozˇno sodisˇcˇe) (Artikel 32 ZPP). Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Kommunikationsmittel, die für die Zwecke des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen zulässig sind und den Gerichten nach Artikel 4 Absatz 1 zur Verfügung stehen: – Das in Anhang I vorgegebene Klageformblatt A kann beim zuständigen Gericht eingereicht werden: per Post, per E-Mail, unter Nutzung der Kommunikationstechnologie, per Direktzustellung oder durch eine Person, die solche Übermittlung beruflich vornimmt (Artikel 105 lit. b ZPP). Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Behörden oder Organisationen, die nach Artikel 11 Hilfestellung geben können: Die Bediensteten des zuständigen Gerichts helfen unentgeltlich beim Ausfüllen der Formblätter und informieren allgemein über das Verfahren. Verbraucher erhalten praktische Unterstützung vom Europäischen Verbraucherzentrum, Kotnikova 5, 1000 Ljubljana, E-Mail: [email protected], Tel. (01) 400 37 29, Website: https://www.epc.si/ pages/en/home.php.
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Die Parteien können eine kostenlose Rechtsberatung und Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen, sofern sie die im Gesetz über die unentgeltliche Beratungs- und Prozesskostenhilfe festgelegten Voraussetzungen erfüllen (Zakon o brezplacˇni pravni pomocˇi) (Amtsblatt der Republik Slowenien Nr. 96/04 – amtliche konsolidierte Fassung, 23/08, 15/14 – Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs und Nr. 19/15, im Folgenden „ZBPP“). Die rechtliche Unterstützung kann in Form von Rechtsberatung, Vertretung durch einen Rechtsbeistand und anderen im ZBPP vorgesehenen Rechtsdienstleistungen gewährt werden. Auch eine Befreiung von den Prozesskosten ist möglich. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Die elektronischen Zustellungs- und Kommunikationsmittel, die technisch verfügbar und nach Artikel 13 Absätze 1, 2 und 3 zulässig sind, und die nach Artikel 13 Absätze 1 und 2 erforderlichen Mittel, die für die vorherige Zustimmung zur Verwendung der elektronischen Übermittlung zur Verfügung stehen: Schriftstücke im Sinne des Artikels 5 Absätze 2 und 6 sowie Urteile nach Artikel 7 werden nach Maßgabe der Zivilprozessordnung zugestellt. Die Zustellung von Schriftstücken und die Akteneinsicht sind in den Artikeln 132 bis 150 ZPP geregelt. Artikel 132 ZPP sieht mehrere Zustellungsmodalitäten vor: auf dem Postweg, auf gesichertem elektronischem Weg, durch einen Gerichtsbediensteten oder auf jede andere im Gesetz vorgesehene Weise (Zustellung durch eine natürliche oder juristische Person, die diese Tätigkeit gewerbsmäßig ausübt). Da die elektronische Zustellung technisch noch nicht möglich ist, werden gerichtliche Schriftstücke ausschließlich physisch und in der Regel per Post zugestellt. Zustellungszeiten: tagsüber von 6.00 bis 22.00 Uhr; auf elektronischem Weg rund um die Uhr (Artikel 139 erster Unterabsatz der Zivilprozessordnung). Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Personen oder Berufsgruppen, die gegebenenfalls rechtlich verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs gemäß Artikel 13 Absätze 1 und 2 zu akzeptieren: Da die elektronische Zustellung technisch noch nicht möglich ist, werden gerichtliche Schriftstücke ausschließlich physisch und in der Regel per Post zugestellt. Sobald die elektronische Zustellung gerichtlicher Schriftstücke technisch möglich ist, werden die Schriftstücke den Behörden, Rechtsanwälten, Notaren, Gerichtsvollziehern, Gerichtssachverständigen, Schätzern, Gerichtsdolmetschern, Insolvenzverwaltern und anderen Personen oder Einrichtungen, von denen angenommen werden kann, dass sie aufgrund der Art ihrer Tätigkeit besonders zuverlässig sind, in einem sicheren elektronischen Postfach zugestellt werden. Der Oberste Gerichtshof der Republik Slowenien veröffentlich auf seiner Website („e-Sodstvo“) eine Liste der Personen und Einrichtungen, von denen angenommen werden kann, dass sie aufgrund der Art ihrer Tätigkeit besonders zuverlässig sind. Die Personen und Einrichtungen auf dieser Liste müssen ein sicheres elektronisches Postfach einrichten und dem Obersten Gerichtshof der Republik Slowenien ihre Anschrift und jede Änderung ihres sicheren elektronischen Postfachs mitteilen. Die Anschrift auf der Liste gilt als offizielle Anschrift des sicheren elektronischen Postfachs. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Gerichtsgebühren für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen oder ihre Berechnungsweise und für die Zahlung der Gerichtsgebühren zugelassene Zahlungsmethoden gemäß Artikel 15a: Die Gerichtsgebühren sind im Gerichtsgebührengesetz (Zakon o sodnih taksah) geregelt (Amtsblatt der Republik Slowenien Nr. 37/08, 97/10, 63/13, 58/14 – Entscheidung desVerfassungsgerichtshofs, 19/15 – Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, 30/16, 10/17 – ZPP-E, 11/18 – ZIZ-L und 35/18 – Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs, nachstehend „ZST-1“). Die Gerichtsgebühren, die für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen erhoben werden, entsprechen den Gebühren für das vereinfachte nationale Verfahren. Im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen wird als Gerichtsgebühr ein streitwertabhängiger Pauschalbetrag erhoben. Bei einem Streitwert bis einschließlich … EUR 300 600 900 1.200 1.500 2.000 2.500
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betragen die Gerichtsgebühren … EUR 54 78 102 126 150 165 180
Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
Bei einem Streitwert bis einschließlich … EUR betragen die Gerichtsgebühren … EUR 3.000 195 3.500 210 4.000 225 4.500 240 255 5.000 Der Kläger zahlt die vorgenannten Gerichtsgebühren zu Beginn des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen. Die Gerichtsgebühren können im Voraus entrichtet werden, d.h. zum Zeitpunkt der Klageerhebung bei Gericht. Der Kläger kann aber auch abwarten, bis das Gericht ihn zur Zahlung auffordert. Dabei teilt ihm das Gericht nicht nur die Höhe des Betrags mit, sondern auch andere für die Zahlung notwendige Angaben (u.a. die Zahlungsfrist). Für die Zahlung der Gerichtsgebühren stehen mindestens die nachstehenden Fernzahlungsmethoden zur Verfügung, sodass die Parteien die Gebühren auch von einem anderen Mitgliedstaat aus als dem zahlen können, in dem das Gericht seinen Sitz hat: a) Banküberweisung, b) Zahlung per Kredit- oder Debitkarte oder c) Einzug mittels Lastschrift vom Bankkonto des Klägers Die Gerichtsgebühren im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen können gemäß Artikel 6 ZST-1 in bar, elektronisch oder unter Verwendung jeder anderen gültigen Zahlungsweise entrichtet werden. In der Praxis steht als Fernzahlungsmethode nur die Banküberweisung zur Verfügung. Am Gericht selbst ist auch Kartenzahlung möglich. Alle Banken verfügen über eigene Online-Zahlungsdienste. Bei einer elektronischen Zahlung unter Verwendung des Online-Zahlungsdienstes einer Bank werden die Gerichtsgebühren auf ein eigens hierfür eingerichtetes Bankkonto des Gerichts überwiesen, dessen Angaben der Website des betreffenden Gerichts zu entnehmen sind. Links zu den Websites der zuständigen Gerichte mit Angabe der Konten und sonstigen zur Entrichtung der Gerichtsgebühren erforderlichen Informationen sind bei den Kontaktangaben des jeweiligen Gerichts unter lit. a aufgeführt. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Rechtsmittel, die nach Artikel 17 eingelegt werden können, Rechtsmittelfrist und die für diese Rechtsmittel zuständigen Gerichte: Rechtsmittel müssen innerhalb von acht Tagen nach Zustellung des Urteils eingelegt werden (Artikel 458 ZPP). Das Rechtsmittel ist bei dem Gericht einzulegen, das das Urteil in der ersten Instanz erlassen hat (Bezirksgericht (okrajno sodisˇcˇe)) (Artikel 342 ZPP). In Handelssachen müssen Rechtsmittel innerhalb von acht Tagen nach Zustellung des Urteils eingelegt werden (Artikel 458 in Verbindung mit Artikel 480 und Artikel 496 ZPP). Das Rechtsmittel ist bei dem Gericht einzulegen, das das Urteil in der ersten Instanz erlassen hat (Kreisgericht (okrozˇno sodisˇcˇe)) (Artikel 342 ZPP). Über das Rechtsmittel entscheidet das Obergericht (visˇje sodisˇˇce) (Artikel 35 und 333 ZPP). Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung gemäß Artikel 18 und die Gerichte, die für eine derartige Überprüfung zuständig sind: Bei diesem Rechtsbehelf handelt es sich um die Möglichkeit eines Verfahrensbeteiligten, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen (Artikel 116 ZPP). Gibt das Gericht dem Antrag statt, wird die Situation wiederhergestellt, die vor Eintritt des Fristversäumnisses bestanden hat. Alle später ergangenen Entscheidungen des Gerichts werden aufgehoben. Sind nach dem Fristversäumnis sechs Monate verstrichen, besteht für den Verfahrensbeteiligten nur noch die Möglichkeit, die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß Artikel 394 Absatz 3 ZPP zu beantragen. In beiden Fällen ist das Gericht zuständig, das das Urteil erlassen hat. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen – Amtssprachen sind Slowenisch und die beiden Volksgruppensprachen Italienisch und Ungarisch, die bei den Gerichten in den Gebieten, in denen diese Volksgruppen leben, als Gerichtssprachen verwendet werden (Artikel 6 und 104 ZPP). Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Für die Vollstreckung zuständige Behörden und für die Zwecke der Anwendung des Artikels 23 zuständige Behörden:
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen – Für die Vollstreckung sind die Kreisgerichte zuständig (Artikel 5 des Gesetzes über die Vollstreckung und Sicherstellung, Gesetzblatt der Republik Slowenien Nr. 3/2007 vom 12.1.2007, S. 207; ZIZ – UPB4). Diese Gerichte sind auch für die Zwecke des Artikels 23 zuständig. Spanien Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Gerichte erster Instanz (Juzgados de primera instancia). Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Das Klageformblatt kann persönlich abgegeben und per Post oder Fax übermittelt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Die Parteien können in den Bürgerbüros praktische Hilfe beim Ausfüllen der Formblätter sowie Informationen über den Anwendungsbereich des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und die hierfür zuständigen Gerichte erhalten. Es gibt einen technischen Dienst, der bei der elektronischen Klageeinreichung Hilfestellung leistet. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Über die elektronischen Justizportale. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Im Verkehr mit den Justizbehörden sind mindestens die folgenden Personen zur Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel verpflichtet: a) juristische Personen b) Unternehmen ohne eigene Rechtspersönlichkeit c) Personen, die eine berufliche Tätigkeit ausüben, für die eine Mitgliedschaft in einem Berufsverband vorgeschrieben ist, wenn sie im Rahmen dieser Tätigkeit mit der Justiz in Verbindung treten d) Notariate und Register e) Vertreter einer Person, die im Verkehr mit der Justiz zur Verwendung elektronischer Kommunikationsmittel verpflichtet ist f) Bedienstete der öffentlichen Verwaltung, die ihm Rahmen ihrer Tätigkeit mit der Justiz in Verbindung treten. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen werden keine Gerichtsgebühren erhoben. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte In Verfahren für geringfügige Forderungen mit einem Streitwert unter 3.000 EUR gibt es kein ordentliches Rechtsmittel. Bei einem Streitwert zwischen 3.000 und 5.000 EUR besteht die Möglichkeit, bei dem Gericht, das über die Forderung entschieden hat, ein Rechtsmittel einzulegen. Dieses Rechtsmittel wird anschließend, wenn es vom Gericht zugelassen wird, zur Entscheidung an das Provinzgericht (Audiencia Provincial) verwiesen. Die Rechtsmittelfrist beträgt 20 Arbeitstage ab dem Tag, der auf die Zustellung des Urteils folgt. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Das Rechtsmittelverfahren läuft in gleicher Weise ab wie das ordentliche Verfahren. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Spanisch. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Für die Vollstreckung und die Anwendung von Artikel 23 der Verordnung sind die Gerichte erster Instanz zuständig. Tschechien Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Zur Bestimmung der Gerichte, die für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig sind, werden in der Tschechischen Republik die allgemeinen Vorschriften über die Zuständigkeit der Gerichte in Zivilsachen angewandt, die in der Zivilprozessordnung (Gesetz Nr. 99/1963 Sb, obcˇansky´ soudní rˇád, in der geltenden Fassung) festgelegt sind. Die sachliche Zuständigkeit ist in den §§ 9 bis 12, die örtliche Zuständigkeit in den §§ 84 bis 89a geregelt.
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Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
In Anbetracht der zu erwartenden Rechtssachen sind in der Sache die Bezirksgerichte zuständig. Das Kriterium für die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ist in der Regel der Wohnort bzw. der Sitz des Beklagten. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Die Tschechische Republik teilt mit, dass sie u.a. folgende Kommunikationsmittel akzeptiert: a) E-Mail unter Verwendung der fortgeschrittenen elektronischen Signatur gemäß dem Gesetz über die elektronische Signatur in der geltenden Fassung (Gesetz Nr. 227/2000 Sb, o elektronickém podpisu, v platném zneˇní), b) E-Mail, c) Fax. In den Fällen b) und c) müssen die Unterlagen binnen spätestens drei Tagen durch die Vorlage des Originals ergänzt werden, andernfalls wird die Eingabe vom Gericht nicht berücksichtigt. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Elektronisches Zustellungsmittel in der Tschechischen Republik ist die „Datenbox“ (datová schránka). Die Datenbox ist eine von den Behörden für die Zustellung von Schriftstücken (Datenmeldungen) vorgesehene elektronische Ablage. Die Einzelheiten werden durch das Gesetz Nr. 300/2008 über elektronische Transaktionen, persönliche Identifikationsnummern und zugelassene Dokumentenkonvertierung geregelt. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Für im Handelsregister eingetragene juristische Personen, kraft Gesetz gegründete juristische Personen, ausgegründete Unternehmen ausländischer, im Handelsregister eingetragener juristischer Personen, Rechtsanwälte, Steuerberater und Insolvenzverwalter werden Datenboxen gebührenfrei und ohne besonderen Antrag eingerichtet. Für diesen Personenkreis besteht die Pflicht zur Einrichtung einer Datenbox. Für andere Arten juristischer und natürlicher Personen werden Datenboxen auf Antrag eingerichtet. Die Einzelheiten werden durch das Gesetz Nr. 300/2008 über elektronische Transaktionen, persönliche Identifikationsnummern und zugelassene Dokumentenkonvertierung geregelt. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Nach tschechischem Recht ist ein Rechtsbehelf in Form eines durch die §§ 201 bis 226 des Gesetzes Nr. 99/1963, der Zivilprozessordnung (obcˇansky´ soudní rˇád), geregelten Rechtsmittels möglich. Rechtsmittel sind spätestens 15 Tage nach der Zustellung der schriftlichen Entscheidung bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird. Das Gericht leitet das Rechtsmittel an ein höheres Gericht weiter und dieses führt das Rechtsmittelverfahren durch. Nach § 202 Absatz 2 der Zivilprozessordnung (obcˇansky´ soudní rˇád) sind gegen Entscheidungen, mit denen die Zahlung von Beträgen unter 10.000 CZK angeordnet wird, keine Rechtsmittel zulässig; Nebenforderungen werden nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht für Anerkenntnisurteile und Versäumnisurteile. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Die Zuständigkeit für Überprüfungsverfahren liegt bei dem Kreisgericht (okresní soud), das das Urteil in erster Instanz erließ. Gegen Entscheidungen zur Abweisung von Anträgen auf Überprüfung können Rechtsmittel eingelegt werden. Dies ist in den §§ 201 bis 226 des Gesetzes Nr. 99/1963, der Zivilprozessordnung (obcˇansky´ soudní rˇád), geregelt. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Zugelassene Sprachen Die Tschechische Republik erkennt neben der tschechischen auch die slowakische und die englische Sprache an. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Zuständige Behörden 1. Für die Vollstreckung sind in der Tschechischen Republik die Bezirksgerichte und die Gerichtsvollzieher zuständig. Der Vollstreckungsgläubiger kann a) einen Antrag auf Vollstreckung des Gerichtsurteils beim örtlich zuständigen Bezirksgericht einreichen, b) einen Antrag auf Zwangsvollstreckung beim örtlich zuständigen Bezirksgericht einreichen oder c) einen Antrag auf Zwangsvollstreckung bei einem beliebigen Gerichtsvollzieher einreichen. Die örtliche Zuständigkeit der Bezirksgerichte bestimmt sich auf den lit. a nach §§ 84 bis 86 der Zivilprozessordnung und in Bezug auf den lit. b nach § 45 der Vollstreckungsordnung (Gesetz Nr. 120/2001 Sb o soudních exekutorech a exekucˇní cˇinnosti, v platném zneˇní). Bei Vollstreckung des Urteils wird nach der Zivilprozessordnung verfahren. Bei Mitwirkung von Gerichtsvollziehern ist die Vollstreckungsordnung maßgebend.
Varga
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Nähere Angaben zur Vollstreckung in der Tschechischen Republik wurden auf der Website des Europäischen Justiziellen Netzes veröffentlicht. 2. Als zuständige Organe im Sinne von Artikel 23 hat die Tschechische Republik die Bezirksgerichte benannt. Ihre örtliche Zuständigkeit bestimmt sich im Falle der Vollstreckung eines Gerichtsurteils (lit. a) nach den §§ 84 bis 86 der Zivilprozessordnung bzw. bei der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsvollzieher (lit. b und c) nach § 45 der Vollstreckungsordnung. Ungarn Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte In Ungarn: a) die Amtsgerichte („helyi bíróságok/járásbíróságok“) b) die Komitatsgerichte („megyei bíróságok/törvényszékek“) sowie in Budapest das Hauptstädtische Gericht („Fo˝városi Bíróság/Törvényszék“) bei den unten stehenden Prozessen: – Prozesse im Zusammenhang mit Urheber- und Nachbarrechten sowie gewerblichem Rechtschutz (§ 23 Abs. 1 lit. c Zivilprozessordnung); – Prozesse im Zusammenhang mit internationalen Fracht- oder Speditionsverträgen (§ 23 Abs. 1 lit. d Zivilprozessordnung); – Prozesse im Zusammenhang mit Rechtsverhältnissen aus Wertpapieren (§ 23 Abs. 1 lit. h Zivilprozessordnung); – Prozesse zur Geltendmachung von Geldforderungen wegen Nichtigkeit unlauterer Vertragsbedingungen (§ 23 Abs. 1 lit. k Zivilprozessordnung); Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel In Ungarn kann – das Klageformblatt (Klageformblatt A), das den Zweck der Klageschrift erfüllt, ausgefüllt beim Gericht eingereicht werden; – es dem Gericht auf dem Postweg übermittelt werden; oder – die Klage vor Gericht auch mündlich vorgebracht werden. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Berufungsgerichte In Ungarn kann gegen ein ergangenes Urteil im Sinne des Kapitels XII der Zivilprozessordnung (§ 233 ff.) Berufung eingelegt werden. Die Berufung muss innerhalb von fünfzehn Tagen nach Mitteilung des Urteils eingelegt werden, bei dem Gericht, welches das (erstinstanzliche) Urteil gefällt hat. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Zugelassene Sprachen In Ungarn muss die unter Verwendung des Formblatts D angefertigte Bestätigung (Artikel 20 Absatz 2) in jedem Fall mit einer Übersetzung in die ungarische Sprache vorgelegt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Zuständige Behörden In Ungarn gilt für Vollstreckungen im Sinne dieser Verordnung Folgendes: Für die Anordnung der Vollstreckung sind die nachstehenden Behörden zuständig: das am Sitz desjenigen Komitatsgerichts tätige Amtsgericht, in dessen Bezirk – der inländische Wohnsitz, Sitz des Schuldners; in Ermangelung eines solchen – der Ort seines pfändbaren Vermögensgegenstands, – bei Zweigniederlassung bzw. direkter Handelsvertretung in Ungarn eines Unternehmens mit ausländischem Sitz der Ort der Zweigniederlassung bzw. Vertretung auffindbar sind; im Fall von Budapest das Zentrale Bezirksgericht von Buda („Budai Központi Kerületi Bíróság“). Zuständige Behörde für die Erlassung von Maßnahmen gemäß Artikel 23: In Ungarn ist für die Erlassung von in Artikel 23 niedergelegten Maßnahmen das Vollstreckungsgericht zuständig. Das Vollstreckungsgericht ist im ungarischen Recht – das Gericht, bei dem der vorgehende unabhängige Gerichtsvollzieher bestellt wurde bzw. – das dem Sitz desjenigen Komitatsgerichts nach zuständige örtliche Gericht, bei welchem Komitatsgericht der Gerichtsvollzieher des Komitats bestellt wurde; beim Gerichtsvollzieher des Hauptstädtischen Gerichts aber das Zentrale Bezirksgericht von Pest („Pesti Központi Kerületi Bíróság“).
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Varga
Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 25 EG-BagatellVO
Vereinigtes Königreich Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte 1. England und Wales In England und Wales sind die County Courts und der High Court of Justice als erstinstanzliches Gericht mit unbeschränkter Zuständigkeit zuständig. In den meisten Fällen wird das Verfahren vor einem Bezirksrichter (District Judge) an einem County Court stattfinden. Die Zuständigkeit der County Courts beruht ausschließlich auf Gesetz und umfasst beinahe das ganze Gebiet des Zivilrechts. Im Zivilrecht konkurriert die allgemeine Zuständigkeit der County Courts weitgehend mit der des High Court, ausgenommen hiervon sind allerdings Klagen wegen Körperverletzung mit einem Streitwert von unter 50.000 £ und wegen Geldforderungen mit einem Streitwert von unter 15.000 £, die bei einem County Court einzureichen sind. Weitere Informationen sind der geänderten Fassung der High Court and County Courts Jurisdiction Order 1991 zu entnehmen. Den County Courts wird durch eine ganze Reihe von Gesetzen die ausschließliche Zuständigkeit verliehen – zum Beispiel in praktisch allen Fällen, die unter das Verbraucherkreditgesetz (Consumer Credit Act 1974) fallen, und für die meisten Klagen von Hypothekengläubigern, Hauseigentümern und Grundbesitzern. Eine Forderung kann vor jedem County Court in England und Wales geltend gemacht werden. Der Internetseite des Court Service sind die Adressen aller County Courts und des High Court zu entnehmen. 2. Schottland In Schottland ist der Sheriff Court für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig; das Verfahren findet grundsätzlich vor dem Sheriff statt. 3. Nordirland In Nordirland ist das Gericht für Bagatellklagen (Small Claims Court) für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig. Das Verfahren findet grundsätzlich vor einem Bezirksrichter (District Judge) statt. 4. Gibraltar In Gibraltar ist der Supreme Court of Gibraltar für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen zuständig. Das Verfahren findet vor dem Master of the Supreme Court statt, dem für Verfahren mit geringem Streitwert eingesetzten Richter. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel 1. England und Wales Die zur Einleitung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen vor den Gerichten in England und Wales zulässige Übermittlungsart ist der Postweg, da für die Verfahrenseröffnung eine Gerichtsgebühr zu entrichten ist. Die Gerichte in England und Wales können derzeit keine Zahlung per Kredit- oder Debitkarte akzeptieren. Nachträglich einzureichende Dokumente können jedoch nach Maßgabe der Anleitungen für die Einreichung und Übermittlung von Dokumenten in Part 5.5 der Civil Procedure Rules and Practice Directions auf dem Postweg, per Fax oder durch E-Mail an das Gericht übermittelt werden. 2. Schottland Die für die schottischen Gerichte zur Einleitung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen zulässige Übermittlungsart orientiert sich an der des inländischen Verfahrens für Bagatellforderungen, wo die Unterlagen als Briefsendung mit bevorzugter Zustellung und Empfangsbestätigung eingereicht werden. 3. Nordirland Die für die Gerichte in Nordirland zur Einleitung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen zulässige Übermittlungsart orientiert sich an der des inländischen Verfahrens für Bagatellforderungen, wo die Unterlagen als Briefsendung mit bevorzugter Zustellung und Empfangsbestätigung eingereicht werden. 4. Gibraltar Die zur Einleitung des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen vor den Gerichten in Gibraltar zulässige Übermittlungsart ist ausschließlich der Postweg, da für die Verfahrenseröffnung eine Gerichtsgebühr zu entrichten ist. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Berufungsgerichte 1. England und Wales In England und Wales sind gegen ein im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenes Urteil Rechtsmittel zulässig. Im Access to Justice Act 1999 (Destination of Appeals) Order 2000 ist niedergelegt, bei welcher Stelle Rechtsmittel gegen richterliche Entscheidungen einschließlich der an County Courts ergangenen Entscheidungen einzulegen sind. Danach ist der Circuit Jugde (folgt am County Court in der richterlichen Reihenfolge auf den District Judge) des County Court für Rechtsmittel gegen eine im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Entscheidung des District Judge zuständig. Danach ist der High Court die zuständige Rechtsmittelinstanz.
Varga
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Art. 25 EG-BagatellVO Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen Weitere Bestimmungen für das Rechtsmittelverfahren sind in Part 52 der Civil Procedure Rules und den dazugehörigen Praxisanweisungen enthalten. In C.P.R.-Rule 52.4 sind die Fristen für die Einlegung von Rechtsmitteln niedergelegt. 2. Schottland Wie im inländischen Verfahren für Streitigkeiten mit geringem Streitwert sind im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen Rechtsmittel gegen ein vom Sheriff erlassenes Urteil zulässig. Rechtsmittel sind beim Oberrichter (Sheriff Principal) einzulegen und dürfen nur Rechtsfragen betreffen. Die Entscheidung des Sheriff Principal ist endgültig und kann keiner weiteren Überprüfung unterworfen werden. In Rule 23.1 (1) der Small Claim Rules 2002 ist die Frist zur Einlegung von Rechtsmitteln im inländischen Bagatellverfahren niedergelegt (14 Tage). Diese Frist gilt auch für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen. 3. Nordirland In Nordirland ist es nicht möglich, Rechtsmittel gegen ein im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenes Urteil einzulegen. Klägern steht es natürlich frei, eine Überprüfung gemäß Artikel 18 der Verordnung zu beantragen. 4. Gibraltar Rechtsmittel sind in Gibraltar nach Maßgabe der Supreme Court Rules 2000 zulässig, in denen im Wesentlichen festgelegt ist, dass diese vor dem Ergänzungsrichter (Additional Judge) oder dem Oberrichter (Chief Justice) des Supreme Court einzulegen sind. Weitere Bestimmungen für das Rechtsmittelverfahren sind in Part 52 der Civil Procedure Rules und den dazugehörigen Praxisanweisungen enthalten. In den Supreme Court Rules 2000 ist der zeitliche Rahmen für die Einlegung von Rechtsmitteln niedergelegt, während in Part 52.4 die Fristen für die Einreichung von Rechtsmitteln angegeben sind. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Zugelassene Sprachen 1. England und Wales Die zulässige Amtssprache gemäß Artikel 21 Absatz 2 lit. b Verordnung ist Englisch. 2. Schottland Die zulässige Amtssprache gemäß Artikel 21 Absatz 2 lit. b Verordnung ist Englisch. 3. Nordirland Die zulässige Amtssprache gemäß Artikel 21 Absatz 2 lit. b Verordnung ist Englisch. 4. Gibraltar Die zulässige Amtssprache gemäß Artikel 21 Absatz 2 lit. b Verordnung ist Englisch. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Zuständige Behörden 1. England und Wales Wie beim inländischen Verfahren für Streitigkeiten mit geringem Streitwert obliegt es im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen der obsiegenden Partei, die Vollstreckung des Gerichtsbeschlusses zu veranlassen. Für die Vollstreckung und die Zwecke von Artikel 23 der Verordnung sind der County Court und der High Court zuständig. Kontaktangaben können von der vorstehend unter lit. a angegebenen Internetseite abgerufen werden. 2. Schottland Wie beim inländischen Verfahren für Streitigkeiten mit geringem Streitwert obliegt es im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen der obsiegenden Partei, die Vollstreckung des Gerichtsbeschlusses zu veranlassen. Für die Anwendung von Artikel 23 EU-Verordnung ist der Sheriff Court zuständig. 3. Nordirland Wie beim inländischen Verfahren für Bagatellklagen obliegt es im europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen der obsiegenden Partei, die Vollstreckung des Gerichtsbeschlusses zu veranlassen. Für die Anwendung von Artikel 23 der Verordnung ist das Amt für die Vollstreckung von Urteilen (Enforcement of Judgments Office) zuständig, genauer gesagt der Rechtspfleger für die Vollstreckung von Urteilen (Master, Enforcement of Judgments). 4. Gibraltar Für die Vollstreckung und Anwendung des Artikels 23 der Verordnung ist der Supreme Court of Gibraltar zuständig.
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Varga
Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 26 EG-BagatellVO
Zypern Art. 25 Abs. 1 lit. a – Zuständige Gerichte Erstinstanzliche Gerichte der Republik Zypern sind, abgesehen von den „Fachgerichtsbarkeiten“, die Bezirksgerichte der vier Verwaltungsbezirke Zyperns, die von der Republik Zypern kontrolliert werden, d.h. Nikosia, Limassol, Larnaka-Famagusta und Pafos. Die Zuständigkeit der Richter wird durch das Gerichtsgesetz (14/60) bestimmt und richtet sich nach der hierarchischen Position des Richters, d.h. Bezirksrichter, vorsitzender Provinzrichter oder Gerichtspräsident. Rechtsstreitigkeiten über geringfügige Forderungen fallen nach der Arbeitsaufteilung zwischen den Gerichten in die Zuständigkeit eines Bezirksrichters, ohne dass dies bedeutet, dass sonstige Richter über keine solche Zuständigkeit verfügen; sie sind aber in der Regel für Rechtsstreitigkeiten größeren Umfangs zuständig. Art. 25 Abs. 1 lit. b – Kommunikationsmittel Für die Zwecke des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen zulässige und zur Verfügung stehende Kommunikationsmittel sind: die persönliche Hinterlegung des Schriftsatzes bei der Geschäftsstelle des Gerichts, seine Versendung auf dem Postweg oder per sonstigem Kommunikationsmittel, wie Fax und E-Mail. Art. 25 Abs. 1 lit. c – Behörden oder Organisationen, die für die Erteilung praktischer Hilfe zuständig sind Die Geschäftsstellen („prytokokkgtea“) der Bezirksgerichte. Art. 25 Abs. 1 lit. d – Elektronische Zustellungs- und Kommunikationsmittel und die Mittel für die Zustimmung zu deren Verwendung Schriftstücke werden per Post oder Einschreibesendung mit Empfangsbestätigung, die auch das Eingangsdatum enthält, zugestellt. Ist diese Form der Zustellung nicht möglich, kann die Zustellung durch eine der in Artikel 13 oder 14 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 aufgeführten Formen erfolgen. Art. 25 Abs. 1 lit. e – Personen oder Berufsgruppen, die verpflichtet sind, die Zustellung von Schriftstücken durch elektronische Übermittlung oder andere Arten des elektronischen Schriftverkehrs zu akzeptieren Nicht umgesetzt. Art. 25 Abs. 1 lit. f – Gerichtsgebühren und Zahlungsweise Für das Ausfüllen des Formblatts werden keine Gerichtsgebühren erhoben. Art. 25 Abs. 1 lit. g – Rechtsmittel und für diese Rechtsmittel zuständige Gerichte Gegen Entscheidungen des erstinstanzlichen Gerichts in geringfügige Forderungen betreffenden Rechtssachen können beim Obersten Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt werden. Das Rechtsmittel muss innerhalb von 14 Tagen nach dem Erlass der Entscheidung in der ersten Instanz eingelegt werden. Art. 25 Abs. 1 lit. h – Verfahren für die Beantragung einer Überprüfung und dafür zuständige Gerichte Nicht umgesetzt. Art. 25 Abs. 1 lit. i – Zugelassene Sprachen Gerichtssprache ist griechisch. Verfahren, die unter die Verordnung fallen, können jedoch auch in englischer Sprache durchgeführt werden, die in Zypern ebenfalls verwendet wird. Art. 25 Abs. 1 lit. j – Zuständige Behörden Zuständige Behörden für die Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidungen und die Anwendung von Artikel 23 sind die Gerichte, die nach zyprischem Recht grundsätzlich die Vollstreckung ihrer Entscheidungen kontrollieren.
Artikel 26 Änderung der Anhänge Der Kommission wird die Befugnis übertragen, gemäß Artikel 27 in Bezug auf die Änderung der Anhänge I bis IV delegierte Rechtsakte zu erlassen. Die auf die künftig uU notwendig werdenden Änderungen der Anhänge beschränkte Befugnisüber- 1 tragung hat das Ziel vor dem Auge, in der Praxis aufkommenden, technischen Problemen bei der Handhabung der Anhänge durch Anpassung des betreffenden Teils schnelle und effektive Abhilfe leisten zu können. Die Möglichkeit einer solchen Befugnisübertragung auf die Kommission folgt zwar grundsätzlich aus Artikel 290 AEUV. Dort ist jedoch die Befugnisübertragung ausdrücklich auf „nicht wesentliche Vorschriften des betreffenden Gesetzgebungsaktes“ beschränkt, weil die wesentlichen Aspekte eines Bereichs dem Gesetzgebungsakt selbst vorbehalten sind und eine BefugnisübertraVarga
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Art. 27 EG-BagatellVO Ausübung der Befugnisübertragung gung für wesentliche inhaltliche Aspekte ausgeschlossen ist. Es ist daher fraglich, ob die Befugnisübertragung die Anhänge vollumfänglich erfasst, oder aber je nach Inhalt des betreffenden, zu ändernden Teils weiter zu differenzieren ist. Die besseren Argumente sprechen für die letztere Sichtweise, enthalten doch die Anhänge eben auch für die Forderungsdurchsetzung mittels der Bagatell-VO wesentliche und für den Rechtsanwender bei weitem nicht unproblematische Abschnitte, s dazu insbesondere die Kommentierung zu Art. 4 EG-BagatellVO Rz. 9 ff.
Artikel 27 Ausübung der Befugnisübertragung (1) Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen. (2) Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 26 wird der Kommission auf unbestimmte Zeit ab dem 13.1.2016 übertragen. (3) Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 26 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt. (4) Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat. (5) Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 26 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert. 1
Die Vorschrift trägt den Anforderungen des Art. 290 AEUV Rechnung, wonach Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung in der VO selbst ausdrücklich festgelegt werden müssen.
Artikel 28 Überprüfung (1) Die Kommission legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss bis zum 15.7.2022 einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung vor, der auch eine Bewertung dahingehend enthält, ob a) eine weitere Anhebung der in Artikel 2 Absatz 1 genannten Wertgrenze angemessen ist, um das Ziel dieser Verordnung zu erreichen, nämlich Bürgern und kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zur Justiz bei grenzüberschreitenden Rechtssachen zu erleichtern, und b) eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, insbesondere über Gehaltsansprüche, angemessen ist, um Arbeitnehmern den Zugang zur Justiz bei grenzüberschreitenden arbeitsrechtlichen Streitigkeiten mit ihrem Arbeitgeber zu erleichtern, wobei die gesamten Auswirkungen einer solchen Ausweitung zu berücksichtigten* sind. Dem Bericht werden gegebenenfalls Gesetzgebungsvorschläge beigefügt. * Wohl Tippfehler in der deutschen Übersetzung. Richtig: „berücksichtigen“.
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Varga
Kap. IV: Schlussbestimmungen
Art. 29 EG-BagatellVO
Zu diesem Zweck übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission bis zum 15.7.2021 Angaben über die Anzahl der nach dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen gestellten Anträge sowie über die Anzahl der Anträge auf Vollstreckung von in diesen Verfahren ergangenen Urteilen. (2) Bis zum 15.7.2019 legt die Kommission dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht über die Verbreitung der Information über das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen in den Mitgliedstaaten vor und kann Empfehlungen in Bezug auf die Verbesserung der Bekanntheit des Verfahrens erarbeiten. Wie bereits vor der Verabschiedung der ReformVO wird in den Jahren, die auf ihr Inkrafttreten folgen, eine empirische Vorbereitung der nächsten, für 2022 avisierten Überprüfung und ggf. Modifizierung der VO vorgesehen. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die praktischen Erfahrungen mit den wichtigsten, durch die ReformVO eingeführten Neuerungen gerichtet sein, so etwa auf die angehobene Wertgrenze sowie die beabsichtigte Erweiterung der praktischen Nutzung durch KMU.
1
Artikel 29 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 1.1.2009, mit Ausnahme des Artikels 25, der ab dem 1.1.2008 gilt. Auf der Grundlage des Art. 29 ist die EG-BagatellVO am 1.8.2007 in Kraft getreten.1 Da der europäische Gesetzgeber den Zeitpunkt des Beginns der Geltung, d.h. den Anfang der Anwendbarkeit der VO, vom Zeitpunkt des Inkrafttretens zeitlich getrennt geregelt hat, ist es fraglich, welche Wirkungen das Inkrafttreten am 1.8.2007 entfaltete, mit Rücksicht darauf, dass die VO ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens bis zum Beginn der Geltung (1.1.2009) noch nicht anzuwenden war. Diese Lösung – die getrennte Regelung des Inkrafttretens und der Geltung – kommt allerdings auch in anderen auf dem Gebiet des Europäischen Zivilverfahrensrechts erlassenen Rechtsakten vor. Seit der Brüssel IIa-VO ist es die allgemeine Praxis, die Regelung zunächst in Kraft treten zu lassen und den Anfang der zeitlichen Anwendbarkeit auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen.2
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Der Gesetzgeber hat das Inkrafttreten und die Geltung der VO offensichtlich in der Absicht auf diese Weise geregelt, den mitgliedstaatlichen Rechtsanwendern und den Rechtssuchenden sowie – hinsichtlich der in Art. 25 verankerten Mitteilungspflicht – den Mitgliedstaaten eine gewisse Vorbereitungszeit zu gewähren.3 Diese Vorgehensweise kann jedoch aus mehreren Gründen kritisiert werden. Einerseits braucht eine Regelung gar nicht in Kraft gesetzt zu werden, damit für die Praxis eine Vorbereitungszeit sichergestellt wird. Dazu reicht die bloße Veröffentlichung des Rechtsaktes im Amtsblatt, die dem Zeitpunkt des Inkrafttretens rechtzeitig vorausgeht, ebenso gut aus. Andererseits ist die Regelung der Geltung gerade bei Art. 25 etwas misslungen, denn die Vorschrift, die die Mitteilungspflicht der Mitgliedstaaten festlegt, gilt ab 1.8.2008, d.h. ab demselben Tag, an dem die Mitgliedstaaten ihrer Mitteilungspflicht spätestens hätten nachkommen müssen.4
2
Obwohl die VO keine Übergangsvorschrift enthält, versteht es sich von selbst, dass ihre Vorschriften 3 nur auf solche Verfahren anzuwenden sind, die an oder nach dem 1.1.2009 nach der Wahl des Klägers 1 Die VO wurde im Amtsblatt vom 31.7.2007 veröffentlicht, ABl. EU 2007 L 199/1, zugänglich unter www. euzpr.eu. 2 Vgl. Art. 72 Brüssel IIa-VO, Art. 33 EG-VollstrTitelVO und Art. 33 EG-MahnVO. 3 Ähnlich auch die Schlussanträge des Generalanwalts Mengozzi vom 6.9.2011 in der Rs. 412/10 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA Rz. 20 ff. sowie EuGH v. 17.11.2011 – C-412/10, ECLI:EU:C:2011:747 – Deo Antoine Homawoo/GMF Assurances SA. 4 S. zur Problematik des Verhältnisses der Geltung des Art. 25 EG-BagatellVO zur Frist für die Erfüllung der Mitteilungspflichten oben bei Art. 25 EG-BagatellVO.
Varga
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Art. 29 EG-BagatellVO Inkrafttreten als europäische Bagatellverfahren eingeleitet worden sind. Das Verfahren wird gem. Art. 4 Abs. 1 der VO dadurch eingeleitet, dass der Kläger das Klageformblatt A ausgefüllt direkt beim zuständigen Gericht einreicht oder diesem auf dem Postweg übersendet oder auf anderem Wege übermittelt, der in dem Mitgliedstaat, in dem das Verfahren eingeleitet wird, zulässig ist, beispielsweise per Fax oder E-Mail. Demgemäß ist die Klage in dem Zeitpunkt als erhoben und dadurch das europäische Bagatellverfahren in dem Zeitpunkt als eingeleitet zu betrachten, in dem das Klageformblatt auf eine der oben genannten Übermittlungsweise beim Gericht eingegangen ist. Der wesentliche Inhalt der EGBagatellVO in ihrer ursprünglichen Fassung galt somit laut Art. 29 S. 2 ab dem 1.1.2009. In Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 bedeutet dies, dass europäische Bagatellklagen ab dem genannten Tag anhängig gemacht werden konnten. Die Reform-VO ist am 14.1.2016 in Kraft getreten. Der durch sie neugefasste wesentliche Inhalt der VO gilt ab dem 14.7.2017, d.h. in Verfahren, die an diesem Tag oder später anhängig gemacht worden sind. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Geschehen zu Straßburg am 11.7.2007. Im Namen des Europäischen Parlaments Der Präsident H.-G. Pöttering
Im Namen des Rates Der Präsident M. Lobo Antunes
Formblätter A–D https://e-justice.europa.eu/content_small_claims_forms-177-de.do?clang=de (zuletzt abgerufen am 21.9.2021)
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Varga
Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.5.2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen ABl. EU 2014 L 189/59 Schrifttum: d’Alessandro, Il mezzi di ricorso e la protezione dei terzi, in Franzina/Leandro (Hrsg.), Il sequestro europeo di conti bancari (2015), 87; Ambrose, European Account Preservation Orders: why Ireland may need to optout, CL Pract 2012, 19 (11), 211; Antón Juárez, La orden europea de retención de cuentas: ¿adiós a la dificultad que plantea el cobro de la deuda transfronteriza en la UE?, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5; Anzenberger/Ivanc, Provisional Account Preservation Measures in European Civil Procedure Law – A comparison between Brussels Ia and the Regulation on the European Account Preservation Order from an Austrian and a Slovenian perspective, Austrian Law Journal 2017, 57; Atema, Het Europees bankbeslag: een ruwe diamant, MvV 2012, 11; Bendtsen in Saenger (Hrsg.), ZPO (9. Aufl. 2021), Vorbemerkung zu §§ 946 ff. ZPO; Biavati, La realizzazione dello spazio giudiziario europeo di giustizia, libertà e sicurezza: stato attuale e tendenze evolutive alla luce del programma di Stoccolma, Riv. trim. dir. proc. civ. 2013, 185; Bitter, Vollstreckbarerklärung und Zwangsvollstreckung ausländischer Titel in der Europäischen Union (2009), zitiert: Bitter, Vollstreckbarerklärung und Zwangsvollstreckung (2009); Bohata, Slowakische Republik: Gesetz über den Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontopfändung, WiRO 2018, 19; Brebion, L’ordonnance de saisie conservatoire européenne des comptes bancaires à l’examen du Parlement européen: bref aperçu, Droit des procédures 2013, 8; Bruns, Das Grünbuch Effiziente Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in der Europäischen Union – empfehlenswerte Erleichterungen des Zwangsvollstreckungszugriffs durch Transparenz des Schuldnervermögens?, ZEuP 2010, 809; Chuah, Draft Regulation on EUWide Freezing Orders, JIML 2011, 17 (3), 238; Cordón Moreno, La orden europea de retención de cuentas en un proceso seguido en España: ¿Naturaleza cautelar o ejecutiva?, Revista Española de Derecho Internacional 2017, 301; Cranshaw, Der europäische Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung. 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Ireland, 5.9.2012, 13140/12 ADD 9; Council of the EU, Note from the Hungarian Delegation, 6.9.2012, 13140/12 ADD 10; Council of the EU, Note from the Delegation of Finland, 7.9.2012, 13140/12 ADD 11; Council of the EU, Note from the Latvian Delegation, 10.9.2012, 13140/12 ADD 12; Council of the EU, Note from the French Delegation, 13.9.2012, 13140/12 ADD 13; Council of the EU, Note from the Delegation of Lithuania, 14.9.2012, 13140/12 ADD 14; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 20.9.2012, 13701/12, Council of the EU, Note from the Delegation of Belgium, 28.9.2012, 13140/12 ADD 15; Council of the EU, Note from the Delegation of Finland, 12.10.2012, 14852/12 ADD 1; Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 15.10.2012, 14852/12 ADD 2; Council of the EU, Note from the Italian Delegation, 15.10.2012, 14852/12 ADD 3; Council of the EU, Note from the Hungarian Delegation, 15.10.2012, 14852/12 ADD 4; Council of the EU, Note from the Delegation of the Netherlands, 15.10.2012, 14852/12 ADD 5; Council of the EU, Note from the Delegation of Spain, 15.10.2012, 14852/12 ADD 6; Council of the EU, Note from the Delegation of Belgium, 17.10.2012, 14852/12 ADD 7; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 17.10.2012, 14799/12; Council of the EU, Note from the French Delegation, 23.10.2012, 14852/12 ADD 8; Council of the EU, Note from the German Delegation, 24.10.2012, 14852/12 ADD 9; Council of the EU, Note from the Delegation of Sweden, 25.10.2012, 14852/12 ADD 10; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 30.10.2012, 15478/12; Council of the EU, Note from the Presidency, 31.10.2012, 15687/12; Council of the EU, Note from the Delegation of Lithuania, 5.11.2012, 14852/12 ADD 11; Council of the EU, Note from the Delegation of Malta, 5.11.2012, 14852/12 ADD 12; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 9.11.2012, 15918/12; Council of the EU, Note from the Delegation of Slovenia, 22.11.2012, 14852/12 ADD 13; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 22.11.2012, 16350/12; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes und des künftigen irischen Vorsitzes, 18.12.2012, 17738/12; Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 14.2.2013, 6451/13; Council of the EU, Note from the Spanish Delegation, 14.2.2013, 6450/13, korrigiert durch; Council of the EU, Note from the Spanish Delegation, 5.3.2013, 6450/1/13 REV 1; Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 19.2.2013, 6609/13; Council of the EU, Note from the General Secretariat, 5.3.2013, 6746/13, korrigiert durch; Council of the EU, Revised note from the General Secretariat, 16.4.2013, 6746/1/13 REV 1 und Council of the EU, Revised Note from the General Secretariat, 9.8.2013, 6746/2/13 REV 2; Council of the EU, Note from the German Delegation, 13.3.2013, 7272/13; Council of the EU, Note from the Services of the Commission, 13.3.2013, 7442/13; Council of the EU, Note from the Presidency, 21.3.2013, 7443/13; Council of the EU, Note from the Dutch Delegation, 4.4.2013, 8125/13, korrigiert durch; Council of the EU, Corrigendum to the Note from the Dutch Delegation, 9.4.2013, 8125/13 COR 1; Council of the EU, Note from the Presidency, 11.4.2013, 8123/13, korrigiert durch: Council of the EU, Corrigendum to Note from the Presidency, 12.4.2013, 8123/13 COR 1; Council of the EU, Note from the Presidency, 11.4.2013, 8124/13; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 26.4.2013, 8806/13; Council of the EU, Note from the Polish Delegation, 29.4.2013, 8942/13; Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 29.4.2013, 8943/13; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 16.5.2013, 9395/13; Council of the EU, Note from the Presidency, 16.5.2013, 9397/13; Council of the EU, Note from the Polish Delegation, 24.5.2013, 10022/13; Council of the EU, Note from the Presidency, 27.5.2013, 10047/13; Council of the EU, Note from the delegations of France, Spain, Belgium, Luxembourg, Portugal, Poland, Italy, and Germany, 10.6.2013, 10115/13; Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, Bericht über den Vorschlag [wie vorstehend], 19.6.2013, A7-0227/2013; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes und des künftigen litauischen Vorsitzes, 28.6.2013, 11713/13; Council of the EU, Note from the Services of the Commission, 25.7.2013, 12521/13; Council of the EU, Note from the Finnish Delegation, 2.9.2013, 13221/13; Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 9.9.2013, 13364/13; Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 9.9.2013, 13371/13; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 27.9.2013, 14119/13; Council of the EU, Note from the Irish delegation and the delegation of the United Kingdom, 2.10.2013, 14316/13; Council of the EU, Note from the French Delegation, 10.10.2013, 14777 ADD 5; Council of the EU, Note from the Presidency, 11.10.2013, 14122/13; Council of the EU, Note from the Swedish Delegation, 11.10.2013, 14777/13 ADD 3; Council of the EU, Note from the Dutch Delegation, 11.10.2013, 14777/13 ADD 4; Council of the EU, Note from the Italian Delegation, 15.10.2013, 14777/13 ADD 6; Council of the EU, Note from the Austrian Delegation, 28.10.2013, 15419/13; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 31.10.2013, 15288/13; Council of the EU, Note from the Spanish Delegation, 31.10.2013, 15544/13; Council of the EU, Note from the Belgian Delegation, 31.10.2013, 15545/13; Council of the EU, Note from the delegations of Belgium, France, Luxembourg and Spain, 31.10.2013, 15559/13; Council of the EU, Note from the Presidency, 8.11.2013, 15948/13; Council of the EU, Note from the Delegation of the Netherlands, 13.11.2013, 16122/13; Council of the EU, Note from the Presidency, 15.11.2013, 16136/13; Council of the EU, Note from the Presidency, 22.11.2013, 16571/13; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13; Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1; Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 29.11.2013, 16810/13; Council of the EU, Note from the Presidency, 29.11.2013, 16817/13; Council of the EU, Note from the Presidency, 29.11.2013, 16818/13; Council of the EU, Note from the Delegation of Romania, 29.11.2013, 16819/13; Rat der EU, Vermerk des litauischen Vorsitzes und des künftigen griechischen Vorsitzes, 11.12.2013, 17429/13; Council of the EU, Note from the Polish Delegation, 20.12.2013, 18001/13; Rat der EU, Vermerk des litauischen Vorsitzes und des künftigen griechischen Vorsitzes, 20.12.2013, 18025/13, korrigiert durch Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 15.1.2014, 18025/1/13 REV 1; Council of the EU, Note to JHA Counsellors meeting (Account Preservation Order), 30.1.2014, 5912/14; Council of the EU, Note from the Polish, Irish, Bulgarian,
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Erwägungsgründe
Croatian, Czech, Estonian, Finnish, Hungarian, Latvian, Romanian and Slovenian delegations, 30.1.2014, 5919/14; Council of the EU, Note from the delegations of France, Italy and Spain, 30.1.2014, 5914/14; Council of the EU, Note from the Presidency, 30.1.2014, 5924/14; Council of the EU, Note from the Presidency, 31.1.2014, 5940/14, korrigiert durch Council of the EU, Note from the Presdency, 3.2.2014, 5940/14 COR 1; Council of the EU, Note from the Belgian, French, German, Italian, Luxemburg and Spanish delegations, 6.2.2014, 6192/14; Council of the EU, Note from the Presidency, 6.2.2014, 6213/14; Council of the EU, Note from the General Secretariat of the Council, 6.2.2014, 6215/14; Europäisches Parlament, Legislative Entschließung, 15.4.2014, PV 15/04/2014 – 8.27 (zu Text P7_TA(2014)0367);Council of the EU, Information Note from the General Secretariat of the Council, 29.4.2014, 8662/14; Rat der EU, I/A-Punkt-Vermerk des Generalsekretariats des Rates, 5.5.2014, 9348/14; Rat der EU, Vermerk betreffend Abstimmungsergebnis, 13.5.2014, 9815/14.
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION – gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 81 Absatz 2 Buchstaben a, e und f, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,1 gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,2 in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Union hat sich zum Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zum schrittweisen Aufbau eines solchen Raums hat die Union im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, die einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen, Maßnahmen zu erlassen, insbesondere wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist. (2) Gemäß Artikel 81 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) können dazu Maßnahmen gehören, die unter anderem Folgendes sicherstellen sollen: die gegenseitige Anerkennung und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten, einen effektiven Zugang zum Recht und die Beseitigung von Hindernissen für die reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren, erforderlichenfalls durch Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften. (3) Am 24.10.2006 leitete die Kommission mit dem Grünbuch „Effizientere Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union: vorläufige Kontenpfändung“ eine Konsultation über die Notwendigkeit eines einheitlichen europäischen Verfahrens für die vorläufige Pfändung von Bankkonten und etwaige Merkmale dieses Verfahrens ein. (4) Im Stockholmer Programm vom Dezember 2009,3 in dem die Prioritäten im Bereich Freiheit, Sicherheit und Recht für den Zeitraum 2010–2014 festgelegt sind, forderte der Europäische Rat die Kommission auf, das Erfordernis bestimmter einstweiliger Maßnahmen auf Unionsebene, einschließlich solcher, die auf eine Sicherung gerichtet sind, wie z.B. Verhinderung der Entziehung von Vermögensgegenständen vor Vollstreckung einer Forderung, sowie die Durchführbarkeit solcher Maßnahmen zu prüfen und angemessene Vorschläge zur Verbesserung der Effizienz der Vollstreckung von Urteilen in der Union betreffend Bankkonten und Schuldnervermögen vorzulegen. (5) Nationale Verfahren zur Erwirkung von Sicherungsmaßnahmen etwa in Gestalt von Beschlüssen zur vorläufigen Kontenpfändung gibt es in allen Mitgliedstaaten; allerdings unterscheiden sie sich hinsichtlich der Bedingungen für ihren Erlass und der Effizienz ihrer Ausführung beträchtlich voneinander. Außerdem kann sich die Inanspruchnahme nationaler Sicherungsmaßnahmen in Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug als aufwändig erweisen, vor allem wenn der Gläubiger mehrere Konten in verschiedenen Mitgliedstaaten vorläufig pfänden lassen will. Daher 1 Amtliche Fußnote: ABl. C 191 vom 29.6.2012, S. 57. 2 Amtliche Fußnote: Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 15.4.2014 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Beschluss des Rates vom 13.5.2014. 3 Amtliche Fußnote: ABl. C 115 vom 4.5.2010, S. 1.
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scheint es erforderlich und angemessen, ein verbindliches und unmittelbar geltendes Rechtsinstrument der Union zu erlassen, mit dem ein neues Unionsverfahren eingeführt wird, das in grenzüberschreitenden Fällen die vorläufige Pfändung von Geldern auf Bankkonten in einer effizienten und zügigen Weise ermöglicht. (6) Das mit dieser Verordnung eingeführte Verfahren sollte dem Gläubiger als weitere fakultative Möglichkeit dienen; es steht ihm nach wie vor frei, von einem anderen Verfahren zur Erwirkung einer gleichwertigen Maßnahme nach nationalem Recht Gebrauch zu machen. (7) Ein Gläubiger sollte eine Sicherungsmaßnahme in Form eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung (im Folgenden „Beschluss zur vorläufigen Pfändung“ oder „Beschluss“) erwirken können, um die Überweisung oder Abhebung von Geldern, die sein Schuldner auf einem in einem Mitgliedstaat geführten Bankkonto hält, zu verhindern, wenn die Gefahr besteht, dass die spätere Vollstreckung seiner Forderung gegenüber dem Schuldner ohne eine solche Maßnahme unmöglich oder erheblich erschwert wird. Die Pfändung von Geldern auf dem Konto des Schuldners sollte zur Folge haben, dass nicht nur der Schuldner selbst, sondern auch Personen, die von diesem mit der Ausführung von Zahlungen über dieses Konto betraut sind, z.B. in Form von Daueraufträgen oder durch Lastschriftverfahren oder die Verwendung einer Kreditkarte, daran gehindert werden, die Gelder zu verwenden. (8) Der sachliche Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich, von einigen genau festgelegten Rechtsgebieten abgesehen, auf das gesamte Zivil- und Handelsrecht erstrecken. Keine Anwendung finden sollte diese Verordnung insbesondere auf Forderungen gegenüber einem Schuldner im Rahmen eines Insolvenzverfahrens. Dies sollte bedeuten, dass ein Beschluss zur vorläufigen Pfändung nicht gegen einen Schuldner erlassen werden kann, sobald gegen ihn ein Insolvenzverfahren im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates4 eingeleitet worden ist. Andererseits sollte durch diesen Ausschluss ermöglicht werden, dass der Beschluss zur vorläufigen Pfändung zur Sicherung der Rückforderung benachteiligender Zahlungen, die ein solcher Schuldner an Dritte geleistet hat, verwendet werden kann. (9) Diese Verordnung sollte für Konten gelten, die bei Kreditinstituten unterhalten werden, deren Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder von Kunden entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren. Sie sollte somit nicht für Finanzinstitute gelten, die keine solchen Einlagen entgegennehmen, beispielsweise Institute, die Ausfuhr- und Investitionsprojekte oder Projekte in Entwicklungsländern finanzieren, oder Institute, die Finanzmarktdienstleistungen erbringen. Ferner sollte diese Verordnung weder für Konten gelten, die von oder bei Zentralbanken geführt werden, wenn sie in ihrer Eigenschaft als Währungsbehörden handeln, noch für Konten, die nicht durch nationale Beschlüsse, die einem Beschluss zur vorläufigen Pfändung gleichwertig sind, vorläufig gepfändet werden können oder die auf andere Weise nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das besagte Konto geführt wird, nicht gepfändet werden dürfen. (10) Diese Verordnung sollte ausschließlich auf grenzüberschreitende Rechtssachen Anwendung finden und festlegen, in welchem Fall in diesem besonderen Kontext eine grenzüberschreitende Rechtssache vorliegt. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte gelten, dass eine grenzüberschreitende Rechtssache dann vorliegt, wenn das mit dem Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung befasste Gericht seinen Sitz in einem Mitgliedstaat hat und das von dem Beschluss betroffene Bankkonto in einem anderen Mitgliedstaat geführt wird. Ferner sollte gelten, dass eine grenzüberschreitende Rechtssache vorliegt, wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat und das Gericht sowie das vorläufig zu pfändende Bankkonto in einem anderen Mitgliedstaat belegen sind. Diese Verordnung sollte nicht auf die vorläufige Pfändung von Konten Anwendung finden, die in dem Mitgliedstaat des Gerichts, bei dem der Beschluss zur vorläufigen Pfändung beantragt worden ist, geführt werden, sofern der Wohnsitz des Gläubigers sich ebenfalls in diesem Mitgliedstaat befindet, auch wenn der Gläubiger zum selben Zeitpunkt einen Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung stellt, der ein oder mehrere Konten betrifft, die in einem 4 Amtliche Fußnote: Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 1).
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anderen Mitgliedstaat geführt werden. In einem solchen Fall sollte der Gläubiger zwei getrennte Anträge – einen auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung und einen auf Erlass einer nationalen Maßnahme – stellen. (11) Das Verfahren für einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung sollte jeder Gläubiger in Anspruch nehmen können, der vor Einleitung des Hauptsacheverfahrens bzw. in jeder Phase des Rechtsstreits sicherstellen will, dass eine spätere in der Hauptsache ergehende gerichtliche Entscheidung vollstreckt wird. Es sollte auch Gläubigern offenstehen, die bereits eine gerichtliche Entscheidung, einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde erwirkt haben, mit der bzw. dem der Schuldner aufgefordert wird, die Forderung des Gläubigers zu erfüllen. (12) Der Beschluss zur vorläufigen Pfändung sollte zur Sicherung bereits fälliger Forderungen in Anspruch genommen werden können. Er sollte ferner in Bezug auf noch nicht fällige Forderungen in Anspruch genommen werden können, sofern diese sich aus einer bereits erfolgten Transaktion oder einem bereits eingetretenen Ereignis ergeben und ihre Höhe bestimmbar ist, einschließlich Forderungen aus einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, sowie Klagen auf Schadenersatz oder auf Wiederherstellung des früheren Zustands, die auf eine mit Strafe bedrohte Handlung gestützt werden. Der Gläubiger sollte die Möglichkeit haben, einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung über einen Betrag in Höhe der Hauptforderung oder über einen niedrigeren Betrag zu beantragen. Letzteres könnte beispielsweise in seinem Interesse liegen, wenn er für einen Teil seiner Forderung bereits andere Sicherheiten erhalten hat. (13) Damit eine enge Verbindung zwischen dem Verfahren zum Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung und dem Verfahren in der Hauptsache gewährleistet ist, sollte die internationale Zuständigkeit für den Erlass des Beschlusses bei den Gerichten des Mitgliedstaats liegen, dessen Gerichte in der Hauptsache zuständig sind. Für die Zwecke dieser Verordnung sollte der Begriff „Verfahren in der Hauptsache“ alle Verfahren abdecken, die darauf gerichtet sind, einen vollstreckbaren Titel über die zugrunde liegende Forderung zu erwirken, einschließlich beispielsweise summarische Mahnverfahren und Verfahren wie das französische Verfahren der einstweiligen Anordnung („procédure de référé“). Ist der Schuldner ein Verbraucher mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, so sollte die Zuständigkeit für den Erlass des Beschlusses ausschließlich bei den Gerichten dieses Mitgliedstaats liegen. (14) Hinsichtlich der Bedingungen für den Erlass des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung sollten das Interesse des Gläubigers daran, einen Beschluss zu erwirken, und das Interesse des Schuldners daran, dass ein Missbrauch des Beschlusses verhindert wird, angemessen gegeneinander abgewogen werden. Wenn der Gläubiger einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung beantragt, bevor er eine gerichtliche Entscheidung erwirkt hat, sollte sich das Gericht, bei dem der Antrag eingereicht wird, daher anhand der vom Gläubiger vorgelegten Beweismittel vergewissert haben, dass über die Forderung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner in der Hauptsache voraussichtlich zugunsten des Gläubigers entschieden wird. Ferner sollte der Gläubiger in allen Fällen, auch wenn er bereits eine gerichtliche Entscheidung erwirkt hat, dem Gericht hinreichend nachweisen müssen, dass eine gerichtliche Maßnahme zum Schutz seiner Forderung dringend erforderlich ist und dass ohne den Beschluss die Vollstreckung einer bestehenden oder künftigen gerichtlichen Entscheidung wahrscheinlich unmöglich oder erheblich erschwert würde, weil eine tatsächliche Gefahr besteht, dass der Schuldner seine Vermögenswerte aufbraucht, verschleiert oder vernichtet oder aber unter Wert oder in einem unüblichen Ausmaß oder durch unübliche Handlungen veräußert, noch bevor der Gläubiger die Vollstreckung der bestehenden oder einer künftigen gerichtlichen Entscheidung erwirken kann. Das Gericht sollte die Beweismittel bewerten, die der Gläubiger vorgelegt hat, um nachzuweisen, dass eine solche Gefahr besteht. Dies könnte sich beispielsweise auf das Verhalten des Schuldners hinsichtlich der Forderung des Gläubigers oder in einer vorangegangenen Streitigkeit zwischen den Parteien, die Kredithistorie des Schuldners, die Art der Vermögenswerte des Schuldners und alle jüngst vorgenommenen Handlungen des Schuldners im Zusammenhang mit seinen Vermögenswerten beziehen. Bei der Bewertung der Beweismittel kann das Gericht dem Umstand Rechnung tragen, dass Kontoabhebungen und Ausgaben des Schuldners zur Erhaltung seiner nor474
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malen Geschäftstätigkeit oder regelmäßige Ausgaben für seine Familie als solche nicht unüblich sind. Die bloße Nichtzahlung oder das bloße Bestreiten der Forderung oder die bloße Tatsache, dass der Schuldner mehr als einen Gläubiger hat, sollten an sich nicht als ausreichende Beweismittel gelten, um den Erlass eines Beschlusses zu rechtfertigen. Auch sollte die bloße Tatsache, dass die finanzielle Situation des Schuldners schlecht ist oder schlechter wird, an sich nicht als ausreichender Grund gelten, um den Erlass eines Beschlusses zu rechtfertigen. Das Gericht kann diese Faktoren jedoch bei der Gesamtbewertung des Bestehens einer Gefahr berücksichtigen. (15) Damit der Überraschungseffekt des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung gewährleistet ist und damit sichergestellt wird, dass er ein nützliches Instrument für einen Gläubiger ist, der versucht, in grenzübergreifenden Fällen Schulden von einem Schuldner einzutreiben, sollte der Schuldner weder über den Antrag des Gläubigers informiert noch vor dem Erlass des Beschlusses angehört, noch vor Ausführung des Beschlusses von dem Beschluss in Kenntnis gesetzt werden. Gelangt das Gericht auf Grundlage der vom Gläubiger oder gegebenenfalls dessen Zeuge(n) vorgelegten Beweismittel und Informationen nicht zu der Überzeugung, dass die vorläufige Pfändung des besagten Kontos oder der Konten gerechtfertigt ist, sollte es den Beschluss nicht erlassen. (16) In Situationen, in denen der Gläubiger einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung beantragt, bevor er ein Verfahren in der Hauptsache vor einem Gericht einleitet, sollte er durch diese Verordnung dazu verpflichtet werden, ein solches Verfahren innerhalb einer konkreten Frist einzuleiten sowie dem Gericht, bei dem er den Antrag auf einen Beschluss gestellt hat, einen Nachweis über die Einleitung dieses Verfahrens vorzulegen. Sollte der Gläubiger dieser Verpflichtung nicht nachkommen, so sollte der Beschluss vom Gericht auf eigene Initiative widerrufen werden oder automatisch enden. (17) Da keine vorherige Anhörung des Schuldners erfolgt, sollten in dieser Verordnung spezifische Garantien zur Vermeidung des Missbrauchs des Beschlusses und für den Schutz der Rechte des Schuldners vorgesehen werden. (18) Eine solche wichtige Garantie sollte in der Möglichkeit bestehen, vom Gläubiger eine Sicherheitsleistung zu verlangen, damit gewährleistet ist, dass der Schuldner für einen etwaigen Schaden, der ihm aufgrund des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung entstanden ist, zu einem späteren Zeitpunkt entschädigt werden kann. Je nach den nationalen Rechtsvorschriften könnte diese Sicherheit in Form einer Kaution oder einer anderweitigen Sicherheitsleistung, wie etwa einer Bankgarantie oder eines Grundpfandrechts, geleistet werden. Das Gericht sollte bei der Bestimmung der Höhe der Sicherheit, die so bemessen sein muss, dass ein Missbrauch des Beschlusses verhindert wird und der Schadenersatz für den Schuldner gewährleistet ist, über eine Ermessensbefugnis verfügen und es sollte in Ermangelung spezifischer Beweismittel in Bezug auf die Höhe des potenziellen Schadens dem Gericht offenstehen, den Betrag, für den der Beschluss erlassen werden soll, als Richtschnur für die Bestimmung der Höhe der Sicherheit zu betrachten. In Fällen, in denen der Gläubiger noch keine gerichtliche Entscheidung, keinen gerichtlichen Vergleich oder keine öffentliche Urkunde erwirkt hat, mit der bzw. dem der Schuldner aufgefordert wird, die Forderung des Gläubigers zu erfüllen, sollte die Leistung einer Sicherheit die Regel sein; das Gericht sollte nur in Ausnahmefällen von dieser Anforderung absehen oder die Leistung einer geringeren Sicherheit fordern, wenn es der Auffassung ist, dass eine solche Sicherheitsleistung angesichts der Umstände des Falls unangemessen, überflüssig oder unverhältnismäßig ist. Zu diesen Umständen könnte beispielsweise gehören, dass besonders viele Gesichtspunkte für den Gläubiger sprechen, der Gläubiger aber nicht über ausreichende Mittel verfügt, um die Sicherheit zu leisten, dass die Forderung sich auf Unterhalts- oder Lohnzahlungen bezieht oder dass die Forderung so gering ist, dass dem Schuldner wahrscheinlich kein Schaden entsteht; als Beispiel sei eine geringfügige Geschäftsschuld genannt. In Fällen, in denen der Gläubiger bereits eine gerichtliche Entscheidung, einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde erwirkt hat, sollte die Leistung einer Sicherheit dem Ermessen des Gerichts überlassen werden. Die Leistung einer Sicherheit kann – von den obengenannten Ausnahmefällen abgesehen – beispielsweise angemessen sein, wenn die gerichtliche Entscheidung, deren Vollstreckung mit dem Beschluss zur vorläufigen Pfändung gesichert werden soll, wegen eines anhängigen Rechtsmittels noch nicht vollstreckbar oder nur vorläufig vollstreckbar ist. Wiedemann
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(19) Als ein weiteres wichtiges Element zur Herstellung eines angemessenen Gleichgewichts zwischen den Interessen des Gläubigers und denen des Schuldners sollte die Regel gelten, dass der Gläubiger für jeden Schaden haftet, der dem Schuldner durch den Beschluss zur vorläufigen Pfändung entsteht. Diese Verordnung sollte daher als Mindeststandard die Haftung des Gläubigers für einen Schaden vorsehen, den der Schuldner durch den Beschluss zur vorläufigen Pfändung aufgrund eines Verschuldens des Gläubigers erlitten hat. In diesem Zusammenhang sollte die Beweislast beim Schuldner liegen. Was die in dieser Verordnung angegebenen Haftungsgründe betrifft, so sollte eine harmonisierte Vorschrift eine widerlegbare Vermutung des Verschuldens des Gläubigers vorsehen. Ferner sollten die Mitgliedstaaten in der Lage sein, andere als die in dieser Verordnung angegebenen Haftungsgründe in ihrem nationalen Recht beizubehalten oder in ihr nationales Recht aufzunehmen. In Bezug auf diese anderen Haftungsgründe sollten die Mitgliedstaaten ferner in der Lage sein, andere Arten der Haftung wie eine Gefährdungshaftung beizubehalten oder aufzunehmen. Diese Verordnung sollte ferner eine Kollisionsnorm enthalten, nach der das auf die Haftung des Gläubigers anzuwendende Recht das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats sein sollte. Gibt es mehrere Vollstreckungsmitgliedstaaten, so sollte das anzuwendende Recht das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats, in dem der Schuldner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sein. Hat der Schuldner in keinem der Vollstreckungsmitgliedstaaten seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so sollte das anzuwendende Recht das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats, der die engste Verknüpfung mit dem Fall aufweist, sein. Bei der Bestimmung der engsten Verknüpfung könnte die Höhe des in den verschiedenen Vollstreckungsmitgliedstaaten vorläufig gepfändeten Betrags einer der vom Gericht zu berücksichtigenden Faktoren sein. (20) Um die bestehenden praktischen Schwierigkeiten dabei, Informationen über die Belegenheit des Bankkontos des Schuldners in einem grenzüberschreitenden Kontext zu erhalten, zu überwinden, sollte diese Verordnung einen Mechanismus vorsehen, wonach der Gläubiger beantragen kann, dass das Gericht vor dem Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung die Informationen, die für die Ermittlung des Kontos des Schuldners erforderlich sind, von der benannten Auskunftsbehörde des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner der Ansicht des Gläubigers nach ein Konto unterhält, einholt. Angesichts des besonderen Charakters einer solchen Intervention staatlicher Stellen und eines solchen Zugriffs auf private Daten sollte der Zugang zu Kontoinformationen generell nur in Fällen erteilt werden, in denen der Gläubiger bereits eine vollstreckbare gerichtliche Entscheidung, einen vollstreckbaren gerichtlichen Vergleich oder eine vollstreckbare öffentliche Urkunde erwirkt hat. In Ausnahmefällen sollte der Gläubiger jedoch die Einholung von Kontoinformationen auch dann beantragen können, wenn die gerichtliche Entscheidung, der gerichtliche Vergleich oder die öffentliche Urkunde, die er erwirkt hat, noch nicht vollstreckbar ist. Ein entsprechender Antrag sollte gestellt werden können, wenn es sich unter Berücksichtigung der einschlägigen Gegebenheiten um einen vorläufig zu pfändenden Betrag von erheblicher Höhe handelt und wenn das Gericht aufgrund der vom Gläubiger vorgelegten Beweismittel zu der berechtigten Annahme kommt, dass diese Kontoinformationen dringend erforderlich sind, da sonst die spätere Vollstreckung der Forderung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner wahrscheinlich gefährdet ist, und dass dies in der Folge zu einer wesentlichen Verschlechterung der finanziellen Lage des Gläubigers führen könnte. Damit dieser Mechanismus funktioniert, sollten die Mitgliedstaaten zur Einholung dieser Informationen eine oder mehrere Methoden, die wirksam und effizient sind und keinen unverhältnismäßigen Kosten- oder Zeitaufwand verursachen, in ihren nationalen Rechtsvorschriften vorsehen. Der Mechanismus sollte nur angewandt werden, wenn alle Bedingungen und Anforderungen für den Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung erfüllt sind und der Gläubiger in seinem Antrag gebührend begründet hat, weshalb Grund zu der Annahme besteht, dass der Schuldner in einem bestimmten Mitgliedstaat ein oder mehrere Konten unterhält, z.B. weil der Schuldner in diesem Mitgliedstaat arbeitet oder einer beruflichen Tätigkeit nachgeht oder über Eigentum verfügt. (21) Damit der Schutz der personenbezogenen Daten des Schuldners gewährleistet wird, sollten die erhaltenen Informationen über die Ermittlung des Bankkontos oder der Bankkonten des 476
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Schuldners nicht an den Gläubiger weitergegeben werden. Sie sollten lediglich dem ersuchenden Gericht und in Ausnahmefällen der Bank des Schuldners bereitgestellt werden, wenn die Bank oder die sonstige Stelle, die für die Vollstreckung des Beschlusses im Vollstreckungsmitgliedstaat zuständig ist, nicht in der Lage ist, ein Konto des Schuldners auf der Grundlage der im Beschluss angegebenen Informationen zu ermitteln, beispielsweise wenn mehrere Personen, die den gleichen Namen und die gleiche Anschrift haben, Konten bei der gleichen Bank haben. Ist in einem solchen Fall im Beschluss angegeben, dass die Nummer(n) des/der vorläufig zu pfändenden Kontos/Konten durch einen Antrag auf Einholung von Informationen erlangt wurde/wurden, so sollte die Bank die Einholung dieser Informationen bei der Auskunftsbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats beantragen, und sie sollte diesen Antrag auf informelle und einfache Weise stellen können. (22) Diese Verordnung sollte dem Gläubiger das Recht auf einen Rechtsbehelf gegen eine Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung gewähren. Dieses Recht sollte nicht die Möglichkeit des Gläubigers berühren, auf der Grundlage neuer Fakten oder neuer Beweismittel einen neuen Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung zu stellen. (23) Die einzelnen Mitgliedstaaten verfügen über sehr unterschiedliche Strukturen zur Vollstreckung der vorläufigen Pfändung von Bankkonten. Um eine Überschneidung dieser Strukturen in den Mitgliedstaaten zu vermeiden und um die nationalen Verfahren soweit wie möglich einzuhalten, sollte diese Verordnung in Bezug auf die Vollstreckung und die tatsächliche Ausführung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung auf den bestehenden Methoden und Strukturen für die Vollstreckung und Ausführung gleichwertiger nationaler Beschlüsse in dem Mitgliedstaat, in dem der Beschluss zu vollstrecken ist, aufbauen. (24) Um eine zügige Vollstreckung sicherzustellen, sollte diese Verordnung vorsehen, dass die Übermittlung des Beschlusses vom Ursprungsmitgliedstaat an die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats mit geeigneten Mitteln erfolgt, mit denen sichergestellt wird, dass der Inhalt der übermittelten Schriftstücke korrekt und zutreffend sowie mühelos lesbar ist. (25) Sobald die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung erhält, sollte sie die erforderlichen Schritte unternehmen, um den Beschluss gemäß ihrem nationalen Recht vollstrecken zu lassen, entweder indem sie den eingegangenen Beschluss an die Bank oder die sonstige Stelle, die für die Vollstreckung dieser Beschlüsse in diesem Mitgliedstaat zuständig ist, weiterleitet, oder indem sie – falls dies im nationalen Recht vorgesehen ist – die Bank anweist, den Beschluss auszuführen. (26) Der Beschluss zur vorläufigen Pfändung sollte – je nach der nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats für gleichwertige nationale Beschlüsse verfügbaren Methode – ausgeführt werden, indem der vorläufig zu pfändende Betrag auf dem Konto des Schuldners gesperrt wird oder, wenn dies im nationalen Recht vorgesehen ist, indem dieser Betrag auf ein spezielles Konto zu Pfändungszwecken überwiesen wird, bei dem es sich um ein von der zuständigen Vollstreckungsbehörde, dem Gericht, der Bank, bei der der Schuldner sein Konto führt, oder einer als koordinierende Stelle für die vorläufige Pfändung in einem bestimmten Fall benannten Bank geführtes Konto handeln könnte. (27) Diese Verordnung sollte der Möglichkeit, dass für die Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung im Voraus die Zahlung von Gebühren verlangt werden kann, nicht entgegenstehen. Die Regelung dieser Frage sollte dem nationalen Recht des Mitgliedstaats, in dem der Beschluss zu vollstrecken ist, überlassen bleiben. (28) Ein Beschluss zur vorläufigen Pfändung sollte gegebenenfalls denselben Rang haben, den ein gleichwertiger nationaler Beschluss im Vollstreckungsmitgliedstaat besitzt. Falls bestimmte Vollstreckungsmaßnahmen nach nationalem Recht Vorrang vor vorläufigen Pfändungsmaßnahmen haben, sollte ihnen in Bezug auf den Beschluss zur vorläufigen Pfändung nach dieser Verordnung der gleiche Vorrang eingeräumt werden. Für die Zwecke dieser Verordnung sollten Beschlüsse in personam, die es in einigen nationalen Rechtsordnungen gibt, als gleichwertige nationale Beschlüsse angesehen werden. (29) Diese Verordnung sollte die Bank oder die sonstige Stelle, die für die Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung im Vollstreckungsmitgliedstaat zuständig ist, dazu verpflichWiedemann
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ten, zu erklären, ob und – falls ja – in welchem Ausmaß durch den Beschluss Guthaben des Schuldners vorläufig gepfändet wurden; ferner sollte sie den Gläubiger verpflichten, für die Freigabe aller vorläufig gepfändeten Guthaben Sorge zu tragen, die über den im Beschluss angegebenen Betrag hinausgehen. (30) Diese Verordnung sollte das Recht des Schuldners auf ein faires Verfahren sowie sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf wahren und es ihm daher – unter Berücksichtigung dessen, dass das Verfahren für den Erlass des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners erfolgt – ermöglichen, den Beschluss oder seine Vollstreckung aus den in dieser Verordnung vorgesehenen Gründen unmittelbar nach Ausführung des Beschlusses anzufechten. (31) In diesem Zusammenhang sollte diese Verordnung vorschreiben, dass der Beschluss zur vorläufigen Pfändung, alle dem Gericht im Ursprungsmitgliedstaat vom Gläubiger vorgelegten Schriftstücke und alle erforderlichen Übersetzungen dem Schuldner nach Ausführung des Beschlusses unverzüglich zugestellt werden. Das Gericht sollte nach eigenem Ermessen weitere Schriftstücke beifügen können, auf die es seinen Beschluss gestützt hat und die der Schuldner für seinen Rechtsbehelf benötigen könnte, beispielsweise Mitschriften von Anhörungen. (32) Der Schuldner sollte insbesondere dann eine Nachprüfung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung verlangen können, wenn die in dieser Verordnung vorgesehenen Bedingungen oder Anforderungen nicht erfüllt wurden oder wenn die Umstände, die zu dem Erlass des Beschlusses geführt haben, sich derart geändert haben, dass der Erlass des Beschlusses nicht mehr gerechtfertigt wäre. So sollte dem Schuldner z.B. ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen, wenn der betreffende Fall keinen grenzüberschreitenden Fall im Sinne dieser Verordnung dargestellt hat, wenn die in dieser Verordnung vorgesehenen Regeln der Zuständigkeit nicht eingehalten worden sind, wenn der Gläubiger nicht innerhalb der in dieser Verordnung vorgesehenen Frist ein Verfahren in der Hauptsache eingeleitet hat und das Gericht folglich nicht auf eigene Initiative den Beschluss widerrufen hat oder der Beschluss nicht automatisch geendet hat, wenn die Forderung des Gläubigers keinen dringenden Schutz in Form eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung erfordert hat, da keine Gefahr bestand, dass die spätere Vollstreckung der Forderung unmöglich oder erheblich erschwert würde, oder wenn die Leistung einer Sicherheit nicht im Einklang mit den Anforderungen dieser Verordnung stand. Ferner sollte dem Schuldner ein Rechtsbehelf zur Verfügung stehen, wenn der Beschluss und die Erklärung hinsichtlich der vorläufigen Pfändung ihm nicht wie in dieser Verordnung vorgesehen zugestellt worden sind oder wenn die ihm zugestellten Schriftstücke die in dieser Verordnung vorgesehenen Sprachanforderungen nicht erfüllt haben. Dieser Rechtsbehelf sollte jedoch nicht gewährt werden, wenn die fehlende Zustellung oder fehlende Übersetzung innerhalb einer bestimmten Frist geheilt wird. Um die fehlende Zustellung zu heilen, sollte der Gläubiger bei der Stelle, die für die Zustellung im Ursprungsmitgliedstaat zuständig ist, beantragen, dass die einschlägigen Schriftstücke dem Schuldner per Einschreiben zugestellt werden, oder wenn der Schuldner damit einverstanden ist, die Schriftstücke bei dem Gericht abzuholen, dem Gericht die erforderlichen Übersetzungen der Schriftstücke zur Verfügung stellen. Ein solcher Antrag sollte nicht erforderlich sein, wenn die fehlende Zustellung bereits durch andere Mittel geheilt worden ist, beispielsweise wenn das Gericht im Einklang mit dem nationalen Recht die Zustellung auf eigene Initiative eingeleitet hat. (33) Die Regelung der Frage, wer die gemäß dieser Verordnung erforderlichen Übersetzungen bereitzustellen hat und wer die Kosten für diese Übersetzungen zu tragen hat, bleibt dem nationalen Recht überlassen. (34) Die Zuständigkeit dafür, den Rechtsbehelfen gegen den Erlass des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung stattzugeben, sollte bei den Gerichten des Mitgliedstaats liegen, in dem der Beschluss erlassen wurde. Die Zuständigkeit dafür, den Rechtsbehelfen gegen die Vollstreckung des Beschlusses stattzugeben, sollte bei den Gerichten oder gegebenenfalls bei den zuständigen Vollstreckungsbehörden im Vollstreckungsmitgliedstaat liegen. (35) Der Schuldner sollte das Recht haben, die Freigabe der gepfändeten Guthaben zu beantragen, wenn er eine angemessene anderweitige Sicherheit leistet. Diese anderweitige Sicherheit
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könnte in Form einer Kaution oder einer anderweitigen Sicherheitsleistung, wie etwa einer Bankgarantie oder eines Grundpfandrechts, geleistet werden. (36) Mit dieser Verordnung sollte sichergestellt werden, dass die vorläufige Pfändung des Kontos des Schuldners nicht die Beträge berührt, die nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats von der Pfändung freigestellt sind, zum Beispiel die Beträge, die zur Sicherstellung des Lebensunterhalts des Schuldners und seiner Familie notwendig sind. Entsprechend dem Verfahren, das in diesem Mitgliedstaat anwendbar ist, sollte der einschlägige Betrag entweder von Amts wegen durch die zuständige Stelle, bei der es sich um ein Gericht, eine Bank oder die zuständige Vollstreckungsbehörde handeln könnte, vor Ausführung des Beschlusses freigestellt werden oder auf Antrag des Schuldners nach Ausführung des Beschlusses freigestellt werden. Werden Konten in mehreren Mitgliedstaaten vorläufig gepfändet und wurde die Freistellung mehrmals angewandt, so sollte der Gläubiger bei dem zuständigen Gericht eines der Vollstreckungsmitgliedstaaten oder, soweit dies im nationalen Recht des betreffenden Vollstreckungsmitgliedstaats vorgesehen ist, bei der zuständigen Vollstreckungsbehörde in diesem Mitgliedstaat eine Anpassung der in diesem Mitgliedstaat geltenden Freistellung beantragen können. (37) Um sicherzustellen, dass der Beschluss zur vorläufigen Pfändung rasch und zügig erlassen wird, sollten in dieser Verordnung Fristen für den Abschluss der verschiedenen Verfahrensschritte festgesetzt werden. Die an dem Verfahren beteiligten Gerichte oder Behörden sollten nur unter außergewöhnlichen Umständen von diesen Fristen abweichen können, beispielsweise in rechtlich oder sachlich komplexen Fällen. (38) Für die Berechnung der in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen und Termine sollte die Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates5 Anwendung finden. (39) Um die Anwendung dieser Verordnung zu erleichtern, sollten die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, der Kommission bestimmte Informationen über ihre Rechtsvorschriften und Verfahren in Bezug auf Beschlüsse zur vorläufigen Pfändung und gleichwertige nationale Beschlüsse mitzuteilen. (40) Um die praktische Anwendung dieser Verordnung zu erleichtern, sollten Standardformulare insbesondere für die Beantragung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung, für den Beschluss selbst, für die Erklärung hinsichtlich der vorläufigen Pfändung von Geldern und für die Einlegung eines Rechtsbehelfs gemäß dieser Verordnung erstellt werden. (41) Um die Effizienz der Verfahren zu steigern, sollte diese Verordnung die Nutzung moderner Kommunikationstechnologien, die gemäß den Verfahrensvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zulässig sind, im größtmöglichen Ausmaß erlauben, insbesondere für das Ausfüllen der in dieser Verordnung vorgesehenen Standardformulare und für die Kommunikation zwischen den an den Verfahren beteiligten Behörden. Ferner sollten die Verfahren für die Unterzeichnung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung sowie anderer Schriftstücke gemäß dieser Verordnung technologieneutral sein, so dass die Anwendung bestehender Verfahren – wie digitale Bescheinigung oder sichere Authentifizierung – möglich ist und künftige technische Entwicklungen in diesem Bereich berücksichtigt werden können. (42) Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse im Hinblick auf die Erstellung und spätere Änderung der in dieser Verordnung vorgesehenen Standardformulare übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates,6 ausgeübt werden. (43) Das Beratungsverfahren sollte für den Erlass von Durchführungsrechtsakten zur Erstellung und anschließenden Änderung der in dieser Verordnung vorgesehenen Standardformulare gemäß Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 angewendet werden.
5 Amtliche Fußnote: Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3.6.1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (ABl. L 124 vom 8.6.1971, S. 1). 6 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13).
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(44) Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Mit ihr sollen insbesondere die Achtung des Privat- und Familienlebens, der Schutz personenbezogener Daten, das Eigentumsrecht sowie das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren gemäß den Artikeln 7, 8, 17 bzw. 47 der Charta gefördert werden. (45) Im Rahmen des Zugangs zu personenbezogenen Daten sowie der Verwendung und Weiterleitung solcher Daten gemäß dieser Verordnung sollten die Anforderungen der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates7 wie sie in das nationale Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt ist, beachtet werden. (46) Für die Zwecke der Anwendung dieser Verordnung sind jedoch bestimmte spezifische Bedingungen für den Zugang zu personenbezogenen Daten und für deren Verwendung und Weiterleitung festzulegen. In diesem Zusammenhang wurde die Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten8 berücksichtigt. Die Benachrichtigung der von der Datenerhebung betroffenen Person sollte im Einklang mit dem nationalen Recht erfolgen. Die Benachrichtigung des Schuldners über die Offenlegung von Informationen über sein Konto bzw. seine Konten sollte jedoch um 30 Tage aufgeschoben werden, um zu verhindern, dass eine frühzeitige Benachrichtigung die Wirkung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung gefährdet. (47) Da das Ziel dieser Verordnung, nämlich die Festlegung eines Unionsverfahrens für eine Sicherungsmaßnahme, die es einem Gläubiger ermöglicht, einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung zu erwirken, der verhindert, dass die spätere Vollstreckung der Forderung des Gläubigers durch die Überweisung oder die Abhebung der Gelder, die ein Schuldner auf einem Bankkonto innerhalb der Union hält, gefährdet wird, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs und ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus. (48) Diese Verordnung sollte nur für die Mitgliedstaaten gelten, für die sie gemäß den Verträgen verbindlich ist. Das Verfahren für das Erwirken eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung nach dieser Verordnung sollte deshalb nur Gläubigern mit Wohnsitz in einem durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaat zur Verfügung stehen, und aufgrund dieser Verordnung erlassene Beschlüsse sollten nur für die vorläufige Pfändung von Bankkonten gelten, die in einem solchen Mitgliedstaat geführt werden. (49) Gemäß Artikel 3 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hat Irland mitgeteilt, dass es sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchte. (50) Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts und unbeschadet des Artikels 4 dieses Protokolls beteiligt sich das Vereinigte Königreich nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet. (51) Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem EUV und dem AEUV beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet – HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
7 Amtliche Fußnote: Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31). 8 Amtliche Fußnote: ABl. C 373 vom 21.12.2011, S. 4.
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Einleitung I. Grundlagen und Entwicklung . . 1. Rechtslage jenseits der EU-KPfVO a) Zwangsvollstreckungsrecht . . b) Einstweiliger Rechtsschutz . . . 2. Entwicklung der EU-KPfVO . . . 3. Gesetzgebungsverfahren . . . . . .
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. 1 . 1 . 1 . 4 . 6 . 10
II. Kompetenzgrundlage . . . . . . . . . . . . . . 15 III. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . 17 IV. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . 21 V. Nationale Durchführungsvorschriften . . . . 22 VI. Vorlagepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
I. Grundlagen und Entwicklung 1. Rechtslage jenseits der EU-KPfVO a) Zwangsvollstreckungsrecht In den zivilverfahrensrechtlichen EU-Verordnungen blieb das Gebiet der Zwangsvollstreckung, ab- 1 gesehen von den Regelungen der Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile, lange unangetastet und wurde deshalb von der Kommission als „Achillesferse des Europäischen Ziviljustizraumes“ beklagt.1 Das aus dem völkerrechtlichen Prinzip der Souveränität der Staaten abgeleitete Territorialitätsprinzip verbietet Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, so dass Vollstreckungsmaßnahmen wegen ihrer hoheitlichen Zwangswirkung (Beschlagnahme) nur im Inland belegenes Vermögen erfassen können.2 Im Gegensatz zu Gerichtsentscheidungen bestehen für Vollstreckungsmaßnahmen keine vereinheitlichten Anerkennungsregelungen.3 Darüber hinaus werden Regelungen des Vollstreckungsrechts überwiegend nicht materiell-rechtlich, sondern verfahrensrechtlich qualifiziert.4 Es gilt die lex fori executionis.5 Insbesondere wegen seiner Verwobenheit mit typisch national geprägten Rechtsbereichen wie der Gläubigerrangfolge im Vollstreckungsrecht, dem Rang von Sicherungsmitteln im Sachenrecht und dem sozialrechtlich geprägten Vollstreckungsschutz blieb das Zwangsvollstreckungsrecht lange ein Privileg der nationalen Gesetzgeber.
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Harmonisierungsvorschläge, wie der Richtlinienentwurf der Working Group for the Approximation of the Civil Procedure Law (Storme Group), der die EU-weite Einführung einer astreinte (gerichtliche Zahlungsanordnung für den Fall der Nichterfüllung eines Urteils)6 vorsah, schufen eine wichtige Quelle der Vollstreckungsrechtsvergleichung.7 Die ALI/UNIDROIT Principles of Transnational
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1 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, KOM (2006) 618, S. 2. 2 BGH v. 13.8.2009 – I ZB 43/08, FamRZ 2009, 2077 = IPRax 2013, 173 = NJW-RR 2010, 279 Rz. 11; Cranshaw, ZInsO 2018, 1333, 1339; Domej, ZEuP 2013, 496, 497; Hök, MDR 2005, 306, 307; Kotrschal/Stalberg, BKR 2009, 38, 40; van het Kaar, NIPR 2011, 642; Hess, FS Kropholler (2008) 795; Hess, DGVZ 2010, 45; Nagel/Gottwald, IZPR, Rz. 19.4; Schack, IZVR, Rz. 1133; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht (2. Aufl. 2021), Rz. 10.117. Zur Lockerung des Territorialitätsprinzips aufgrund des Fehlens einer einheitlichen Belegenheitsdefinition bei Forderungen und aufgrund der Zustellungsübereinkommen vgl. aber Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung (2004), 172 ff.; Schimrick, Forderungsvollstreckung (2012), 70 ff.; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht (13. Aufl. 2006), Rz. 57.9; Stürner, FS Henckel (1995) 863, 866; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht (8. Aufl. 2020), Rz. 3203. 3 Cranshaw, ZInsO 2018, 1333, 1339. 4 Zu den Einzelheiten s. Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung (2003), 233 ff. 5 Hess, FS Kropholler (2008) 795; Hess, DGVZ 2010, 45; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht (2. Aufl. 2021), Rz. 10.117; Schack, IZVR, Rz. 1133; Gottwald, IPRax 1991, 285; van het Kaar, NIPR 2011, 642, 643; Kerameus, RdC 264 (1997) 179, 376 ff.; Remien FS Coester-Waltjen (2015) 661, 662; Nagel/Gottwald, IZPR Rz. 19.5; Baur/ Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht (13. Aufl. 2006), Rz. 57.6. 6 Working Group for the Approximation of the Civil Procedure Law (Storme Group) ZZP 1996, 345, 365, dazu Bruns, ZZP 2005, 3, 17; Tarzia, ZEuP 1996, 231, 240; Jongbloet, De dwangsom als een speciale sanctie in het Europese privaatrecht, in Storme (Hrsg.), Procedural Laws in Europe (2003), 193 ff. 7 Vgl. iÜ zu Harmonisierungsbestrebungen durch das American Law Institute und UNIDROIT mit den Principles of Transnational Civil Procedure Cuniberti/Normand/Cornette, Droit international de l’exécution (2010) 336 f.
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Civil Procedure, die als Modell für neue Kodifikationen oder Gesetzesreformen dienen sollen, enthalten keine speziellen Regelungen zur Zwangsvollstreckung, sondern empfehlen lediglich ein geeignetes Verfahren zur raschen und effektiven Vollstreckung von Entscheidungen.8 Ebenfalls keine Regelungen zur Zwangsvollstreckung enthalten die Empfehlungen des Europäischen Parlaments an die Kommission zu gemeinsamen Mindeststandards des Zivilprozessrechts in der Europäischen Union9 und die ELI-UNIDROIT Model European Rules of Civil Procedure;10 insbesondere gelten die Grundsätze für die Zustellung von Schriftstücken nur für das Erkenntnis- und nicht für das Zwangsvollstreckungsverfahren (verfahrenseinleitende und gleichwertige Schriftstücke). b) Einstweiliger Rechtsschutz 4
Ebenfalls nicht vereinheitlicht waren internationale Zuständigkeit und Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.11 Art. 35 Brüssel Ia-VO verweist für den einstweiligen Rechtsschutz neben der verordnungseigenen Hauptsachezuständigkeit auf die besonderen, sich aus dem mitgliedstaatlichen Recht ergebenden Zuständigkeiten. Die Anerkennung und Vollstreckung einstweiliger Maßnahmen begrenzt sich auch nach der Neufassung der Brüssel Ia-VO auf die von einem in der Hauptsache zuständigen Gericht erlassenen Maßnahmen (Art. 2 lit. a Unterabs. 2 S. 1 Brüssel Ia-VO),12 bei denen der Gegner vor Erlass angehört wurde bzw. die dem Gegner vor der Vollstreckung zugestellt wurden (Art. 2 lit. a Unterabs. 2 S. 2 Brüssel Ia-VO).13
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Zur weiteren Vereinheitlichung schlug die International Law Association in ihren Helsinki Principles vor, ein „Uniform Protective Order“ oder zumindest ein „European Protective Order“ zu schaffen.14 Als Vorlage für neue Gesetzvorhaben und damit zur schrittweisen Harmonisierung des einstweiligen Rechtsschutzes dienen die ALI/UNIDROIT Principles of Transnational Civil Procedure,15 die ELIUNIDROIT Model European Rules of Civil Procedure16 und die Empfehlungen des Europäischen Parlaments an die Kommission zu gemeinsamen Mindeststandards des Zivilprozessrechts in der Europäischen Union.17
8 ALI/UNIDROIT, Principles of Transnational Civil Procedure, https://perma.cc/LS9F-7Q5L, Ziff. 29. 9 Europäischen Parlament, Entschließung vom 4.7.2017 mit Empfehlungen an die Kommission zu gemeinsamen Mindeststandards des Zivilprozessrechts in der Europäischen Union, ABl. C 334, 19.9.2018, 39, dazu Stadler, JZ 2017, 693 ff. 10 https://www.europeanlawinstitute.eu/fileadmin/user_upload/p_eli/Publications/200925-eli-unidroit-rules-e.pdf (27.9.2021). 11 Hess in FS Kaissis (2012), 399, 400 ff.; Hess in FS Kropholler (2008), 795 f.; Nagel/Gottwald, IZPR Rz. 17.3; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht (2. Aufl. 2021), Rz. 10.118. 12 Obgleich der EuGH in C-391/95 – van Uden/Deco-Line, EuGHE 1998 I-7091 und EuGH v. 27.4.1999 – C-99/96, ECLI:EU:C:1999:202 – Mietz/InternshipYachting, EuGHE 1999 I-2277 auch Maßnahmen von nach mitgliedsstaatlichen Recht zuständigen Gerichten als anerkennungsfähig ansah, soweit diese einen „hinreichende Binnenbeziehung“ aufweisen, dazu Honorati, Riv. dir. int. priv. proc. 2012, 525, 530. 13 Fortschreibung und Erweiterung der Rechtsprechung des EuGH v. 21.5.1980 – 125/79, ECLI:EU:C:1980:130 – Denilauler/Couchet Fréres, EuGHE 1980, 1553 vgl. dazu de Götzen in Pekcanıtez/Bolayır/Simil (Hrsg.), XV. Dünya Usûl Hukukçuları Kongresi (2016), 567, 569 ff.; Hess in FS Kaissis (2012), 399, 402 ff.; Jiménez Blanco, Revista Española de Derecho Internacional 2018, 101, 114 ff.; Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014) 263, 267 f.; Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 8; Skamel/Wilhelm, ZInsO 2014, 1789; Villamarín López in Gascón Inchausti/Hess (Hrsg.), The future of the European law of civil procedure (2020), 111. 14 International Law Association, Principles on Provisional and Protection Measures in International Litigation, Helsinki 1996, abgedruckt bei Andrews, Unif. L. Rev. 2001, 931, 947 ff.; vgl. dazu auch Andrews, Towards a European Protective Order in Civil Matters, in Storme (Hrsg.), Procedural Laws in Europe (2003), 267, 269 ff.; Kramer, Harmonization of Provisional and Protective Measures in Europe, in Storme (Hrsg.), Procedural Laws in Europe (2003), 305. 15 ALI/UNIDROIT, Principles of Transnational Civil Procedure (2004), https://perma.cc/LS9F-7Q5L, Ziff. 8. 16 https://www.europeanlawinstitute.eu/fileadmin/user_upload/p_eli/Publications/200925-eli-unidroit-rules-e.pdf (27.9.2021), Part X (Provisional and Protective Measures). 17 Europäischen Parlament, Entschließung vom 4.7.2017 mit Empfehlungen an die Kommission zu gemeinsamen Mindeststandards des Zivilprozessrechts in der Europäischen Union, ABl. C 334, 19.9.2018, 39 (zu einstweiligen Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen vgl. Art. 6), dazu Stadler, JZ 2017, 693 ff.
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2. Entwicklung der EU-KPfVO Die Kommission warnte bereits vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam18 in einer Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament, die sehr unterschiedlich organisierten nationalen Zwangsvollstreckungssysteme könnten die Freizügigkeit der Urteile zur Illusion werden lassen, beschränkte ihre Reformüberlegungen allerdings auf Einzelfragen der Kontopfändung, z.B. zur Festlegung des Pfändungsortes und der Reichweite von Pfändungsmaßnahmen.19 Außerdem stufte die Kommission das Brüsseler Übereinkommen von 1968 in Bezug auf einstweilige Maßnahmen als ungenügend ein und schlug neben einer einheitlichen Definition für einstweilige Maßnahmen eine Vereinfachung ihrer Anerkennung vor.20
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Im Jahr 1999 ersuchte der Europäische Rat von Tampere den Rat und die Kommission um Ausarbeitung neuer verfahrensrechtlicher Vorschriften, insbesondere im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes.21 Dem Ersuchen entsprach der Rat mit der Erstellung eines Maßnahmenprogrammes zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen.22 Der Rat empfahl der Kommission, Sicherungsmaßnahmen auf europäischer Ebene sowie eine europaweite Beschlagnahme von Bankguthaben einzuführen. Die Anregung aufnehmend gab die Kommission eine Studie in Auftrag, die die Unterschiede in den Vollstreckungssystemen und dem einstweiligen Rechtsschutz der Mitgliedstaaten aufzeigen und Lösungen für ein effizienteres System finden sollte.
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Auf Grundlage der 2004 fertiggestellten Studie23 veröffentlichte die Kommission zwei Grünbücher 8 zur effizienten Vollstreckung von Urteilen in der Europäischen Union. Das Grünbuch vom 24.10.2006 beinhaltet detaillierte Fragen zu einer europäischen Regelung für die vorläufige Kontenpfändung.24 In einem separaten Grünbuch erwägt die Kommission zur Verbesserung der Transparenz des Schuldnervermögens u.a. den grenzüberschreitenden Zugang zu Sozial- und Steuerregistern, die häufig Informationen zu Bankverbindungen enthalten, sowie eine EU-weite Offenbarungsversicherung des Schuldners.25 Bereits vor Veröffentlichung der Grünbücher hatte die Kommission einen ersten Kodifikationsentwurf für die Arbeitseinkommens- und Kontenpfändung im Vorschlag zur EG-UntVO gewagt,26 der jedoch unausgegoren27 und daher nicht mehrheitsfähig war. Auf die Veröffentlichung der Grünbücher folgte nach Abschluss der Konsultationsverfahren am 31.3.2007 9 (Kontenpfändung) bzw. 30.9.2008 (Transparenz Schuldnervermögen) eine längere Pause, die der Befassung mit zahlreichen anderen Projekten, nicht aber der zwischenzeitlichen Abkehr von der europäischen Kontenpfändung geschuldet war. Die Aufnahme des Kontenpfändungsprojekts in das Stockhol-
18 Vertrag von Amsterdam vom 2.10.1999, BGBl. 1998 II 387 berichtigt BGBl. 1999 II 416, ABl. EG 1997 C 340/1, in Kraft seit 1.5.1999, BGBl. 1999 II 296. 19 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 26.11.1997, KOM (1997) 609, 22 ff. 20 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 26.11.1997, KOM (1997) 609, 15 ff. 21 Europäischer Rat (Tampere), 15./16.10.1999, Schlussfolgerungen des Vorsitzes, NJW 2000, 1925 Ziff. 38. Dagegen fehlt ein ausdrücklicher Auftrag für Maßnahmen im Bereich des Zwangsvollstreckungsrechts. 22 Rat der EU, ABl. EG 2001 C 12/1; der Entwurfscharakter ergibt sich erst aus der Berichtigung, ABl. EG 2001 C 115/4. Im Haager Programm vom 4./5.11.2004 ersuchte der Europäische Rat die Kommission nicht erneut um Maßnahmen zum einstweiligen Rechtsschutz oder zur Zwangsvollstreckung, sondern bat um Festlegung von Mindeststandards für verfahrensrechtliche Aspekte, u.a. der Vollstreckung von Entscheidungen, Europäischer Rat, ABl. EU 2005 C 53/1, 13. 23 Hess, Study, 18.2.2004, JAI/A3/2002/02. 24 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, KOM (2006) 618 nebst Arbeitsdokument v. 24.20.2006, SEK (2006) 1341; dazu Cuniberti/Normand/Cornette, Droit international de l’exécution (2010), 338 ff.; Graf v. Bernstorff, RIW 2007, 88, 91; Hess in FS Kropholler (2008), 795, 798 ff.; Hess, DGVZ (2010) 45, 47 ff.; Hess/Mack, JAmt 2007, 229, 234; Holzapfl, Sachaufklärung und Zwangsvollstreckung in Europa, 2008, 200 ff.; Wagner, ZEuP 2008, 6, 24 f. 25 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 6.3.2008, KOM (200) 128; dazu Bruns, ZEuP 2010, 809; Hess, DGVZ 2010, 45, 49 ff.; Hess in FS Kropholler (2008), 795, 804 ff.; Cuniberti/Normand/Cornette, Droit international de l’exécution (2010) S. 200 ff. 26 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 15.12.2005, KOM (2005) 649, Art. 34, 35. 27 Zu den Vorschlägen s. Beyer, FF 2007, 20, 26; Dörner, IPRax 2006, 550, 552; Dörner, FS Yamauchi (2006) 81, 102; Gebauer, FPR 2006, 252, 255; Gottwald, FS Lindacher (2007) 13, 21 ff.; Hess/Mack, JAmt 2007, 229, 233 f.; Linke, FPR 2006, 237, 240; Strasser, FPR 2007, 451, 455.
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mer Programm des Europäischen Rats,28 in das Mehrjahresprogramm29 sowie in den Aktionsplan der Kommission zur Umsetzung des Stockholmer Programms30 und in die Entschließung des Parlaments zum Einfrieren und Offenlegen von Schuldnervermögen31 zeugen von einem ungebrochenen politischen Interesse an der europäischen Kontenpfändung. 3. Gesetzgebungsverfahren 10
Die EU-KPfVO wurde im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren (Mitentscheidungsverfahren) erlassen (Art. 294 Abs. 1, 81 Abs. 2 AEUV).
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Der am 25.7.2011 verabschiedete Kommissionsvorschlag zur Einführung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung32 beinhaltet die im Grünbuch von 2006 behandelte vorläufige Kontenpfändung. Anders als seine Bezeichnung suggeriert, bezieht sich der vorgeschlagene Europäische Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung nicht nur auf die Kontenpfändung, sondern vereint Aspekte des einstweiligen Rechtsschutzes mit Aspekten der Zwangsvollstreckung (Art. 1 EU-KPfVO Rz. 8). Außerdem enthält der Entwurf ein Verfahren zur Beschaffung von Kontoinformationen. Dieses Verfahren gibt Mitgliedstaaten u.a. die Möglichkeit, Gläubigern die in öffentlichen Registern gespeicherten Bankdaten zur Verfügung zu stellen und greift damit eine der im Grünbuch (2008) erwogenen Maßnahmen auf. Einen umfassenden Vorschlag zur Transparenz von Schuldnervermögen machte die Kommission, obgleich im Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer Programms für 2013 vorgesehen33 und vom Europäischen Parlament und WSA gefordert,34 nicht.35
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Der Europäische Datenschutzbeauftragte gab seine Stellungnahme am 13.10.2011 ab.36 Die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses folgte am 26.4.2012.37
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Die Kommission orientierte sich bei der Erarbeitung des Entwurfs überwiegend an den Interessen der Gläubiger.38 Über die organisatorischen Vorteile hinaus, die ein grenzüberschreitend anwendbares Instrument allein schon wegen der Frequenz seiner Nutzung für grenzüberschreitend tätige Unternehmen in der Gläubigerposition gegenüber Privatschuldnern mit sich bringt, begünstigte der Entwurf typisiert Gläubigerinteressen: Die Erlassvoraussetzungen waren eher vage formuliert, eine Sicherheitsleistung des Gläubigers war nicht zwingend vorgesehen, der Schuldner durfte nie angehört werden; zudem bestanden zahlreiche Ungereimtheiten im Rechtsbehelfsverfahren. Der Vorschlag zielte daher einseitig auf die Verbesserung der Rechtsverfolgungsmöglichkeiten von Gläubigern mit begründeten Forderungen ab. Dass Schuldner auch unbegründeten Forderungsbehauptungen ausgesetzt sein können, blendete die Kommission nahezu aus.
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Im Einklang mit der Gemeinsamen Erklärung zu den praktischen Modalitäten des Mitentscheidungsverfahrens39 führten der Rat und das Europäische Parlament informelle Gespräche, um in erster Le-
28 Europäischer Rat, 10./11.12.2009, ABl. EU (2010) C 115/1, 16. 29 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 10.6.2009, KOM (2009) 262, 14, 34. 30 Europäische Kommission, 20.4.2010, KOM (2010) 171, 26, wo ein Vorschlag für die Europäische Kontenpfändung im Zeitplan allerdings bereits für 2010 vorgesehen war. 31 Europäisches Parlament, 10.5.2011, ABl. EU 2012 C 377 E/1. 32 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, vgl. dazu u.a. Hess, DGVZ 2012, 69, 71 ff. 33 Europäische Kommission, 20.4.2010, KOM (2010) 171, 26. 34 Europäisches Parlament, 10.5.2011, ABl. EU 2012 C 377 E/1, 5 Ziff. 13 ff.; Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, 26.4.2012, ABl. EU 2012 C 191/57 Ziff. 3.9. 35 Krit. zur „Vernachlässigung der Sachaufklärung als vorrangigen Regelungsbereich“ Stamm, IPRax 2014, 124, 125. 36 Europäischer Datenschutzbeauftragter, 13.10.2011, ABl. EU 2011 C 373/4. 37 Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, 26.4.2012, ABl. EU 2012 C 191/57. 38 So auch Wagner, NJW 2012, 1333, 1334; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2012, 1, 7; Domej, ZEuP 2013, 496, 525; Domej, FS Simotta (2012) 129, 142; Häcker, WM 2012, 2180, 2184; Sujecki, EWS 2011, 414, 420; Guinchard, RTD eur. 2011, 871, 873. 39 Europäisches Parlament, Rat der EU, Europäische Kommission, 13.6.2007, ABl. EU 2007 C 145/5.
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sung eine Einigung zu erzielen.40 Sowohl die zuständige Ratsgruppe „Zivilrecht“41 als auch der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments42 befürworteten einen besseren Schutz der Schuldnerinteressen. Das Europäische Parlament fand am 15.4.2014 seinen Standpunkt zum Kommissionsvorschlag.43 Das Ergebnis der Abstimmung im Europäischen Parlament entsprach dem bereits zuvor zwischen Rat und Parlament ausgehandelten Kompromiss, so dass der Rat den Standpunkt des Parlaments ohne Abänderungen am 13.5.2014 billigte44 und damit die Verordnung erlassen wurde (Art. 294 Abs. 4 AEUV). Für Ratsbeschlüsse im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren genügt zwar grundsätzlich eine qualifizierte Mehrheit (Art. 16 Abs. 3 EUV). Vorliegend hatte allerdings die Kommission erklärt, die durch Parlament und Rat beschlossene Einschränkung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs (Art. 4 Nr. 6 EU-KPfVO) nicht unterstützen zu wollen.45 Gemäß Art. 293 Abs. 1 AEUV bedurfte es daher der Einstimmigkeit im Rat.
II. Kompetenzgrundlage Die EU-KPfVO wurde auf Grundlage von Art. 81 Abs. 2 lit. a, e und f AEUV erlassen (ErwGr. 2 EUKPfVO).46 Art. 81 Abs. 2 lit. a AEUV verleiht der EU die Kompetenz zur Regelung der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten. Die Vorschrift umfasst nicht nur die Koordination nationaler Verfahren durch Vereinheitlichung der internationalen Zuständigkeit sowie Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, sondern eröffnet auch die Möglichkeit der Schaffung neuer, originär unionsrechtlicher Erkenntnisverfahren und die Erleichterung der Anerkennung und Vollstreckbarkeit von in diesem Verfahren ergangenen Entscheidungen.47 Die EU-KPfVO beschränkt sich nicht auf die Schaffung eines neuen (einstweiligen) Erkenntnisverfahrens und die Regelung der Anerkennung und Vollstreckbarkeit, sondern regelt darüber hinaus Teile des Vollstreckungsverfahrens (vgl. Überschrift Kapitel 3), das aufbauend auf Brüssel-Ia bislang sorgsam von der Vollstreckbarkeit abgegrenzt wurde. Der Kompetenzbereich der „Vollstreckung“ ist allerdings grammatikalisch nicht auf die Vollstreckbarerklärung beschränkt, sondern bezieht auch das Zwangsvollstreckungsverfahren ein.48
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Die nach Art. 65 EGV a.F. kumulativ geforderte Binnenmarktrelevanz ist mit dem Vertrag von Lissa- 16 bon einer neuen Formulierung gewichen, nach der Maßnahmen nur erlassen werden dürfen, wenn sie „insbesondere“ für das Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sind (Art. 81 Abs. 2 AEUV). Daher können nun auch andere Gründe jenseits der Binnenmarktrelevanz die Kompetenz der EU begründen; die Binnenmarktrelevanz ist bloßes Regelbeispiel.49 Gleichwohl müssen sich die Maßnahmen am allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzip und am Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 S. 2 EUV) messen lassen, dürfen also nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinausgehen und müssen die Ziele besser verwirklichen als einzelstaatliche Maßnahmen. Die EU-KPfVO dient freilich nicht sonstigen Zielen, sondern soll das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes verbessern. Um nach wie vor bestehende Hindernisse bei der Rechtsverfolgung und insbesondere bei der Vollstreckung im Ausland zu belegen, hat die Kommission u.a. eine Befragung
40 Krit. Grabitz/Hilf/Nettesheim/Krajewski/Rösslein, Das Recht der Europäischen Union (62. Erg.-Lfg. 2017) Art. 294 AEUV Rz. 33. 41 Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 22.11.2012, 16350/12, 5; s. auch weitere Orientierungsdebatte v. 6./7.6.2013 zu wesentlichen Grundsätzen zur Umsetzung der Balance zwischen Gläubiger und Schuldner: Council of the EU, Note from Presidency, 27.5.2013, 10047/13. 42 Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 19.6.2013, A7-0227/2013. 43 Europäisches Parlament, Legislative Entschließung, 15.4.2014, P7_TA(2014)0367. 44 Rat der EU, Vermerk, 13.5.2014, 9815/14. 45 Rat der EU, I/A-Punkt-Vermerk des Generalsekretariats, 5.5.2014, 9348/14, 2 Fn. 3. 46 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, 11; an einer Kompetenz zweifelnd Deutscher Anwaltverein, Februar 2007, Stellungnahme Nr. 9/07, 5 ff.; Häcker, WM 2012, 2180, 2183; Stamm, IPRax 2014, 124, 126 f. 47 Streinz/Leible, EUV/AEUV (3. Aufl. 2018), Art. 81 AEUV Rz. 24. 48 Streinz/Leible, EUV/AEUV (3. Aufl. 2018), Art. 81 AEUV Rz. 25. 49 Streinz/Leible, EUV/AEUV (3. Aufl. 2018), Art. 81 AEUV Rz. 11.
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betroffener Unternehmen50 sowie eine Studie51 in Auftrag gegeben. Ob die EU-KPfVO, die zwar weitgehend einheitliche Vorschriften für den Erlass des Beschlusses, nicht aber für dessen Vollzug enthält, tatsächlich zum besseren Funktionieren des Binnenmarktes beitragen wird, bleibt abzuwarten.52
III. Räumlicher Anwendungsbereich 17
Die EU-KPfVO gilt nur für Gerichte und Behörden der Mitgliedstaaten, für die sie gemäß den Verträgen verbindlich ist (ErwGr. 48 S. 1 EU-KPfVO). Grundsätzlich hat eine Verordnung in jedem Mitgliedstaat unmittelbare Geltung (Art. 288 Abs. 2 AEUV), ist also von mitgliedstaatlichen Gerichten und Behörden ohne weiteren Umsetzungsakt anzuwenden. Ausnahmen gelten für Irland und Dänemark, sowie, bis zum 31.1.2020, für das UK.
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Gemäß Protokoll Nr. 2153 beteiligt sich Irland nicht an Maßnahmen im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Dritter Teil Titel V AEUV), solange Irland nicht innerhalb von drei Monaten nach Vorlage eines Gesetzesvorschlages oder jederzeit nach Annahme der Maßnahme seinen Beteiligungswillen gegenüber dem Rat kundtut. Irland teilte dem Rat mit, dass es die Verordnung anzunehmen wünscht,54 so dass die EU-KPfVO in Irland gilt. Auch auf das UK fand Protokoll Nr. 21 Anwendung. Die Regierung des UK entschied aufgrund signifikanter Bedenken hinsichtlich des Schuldnerschutzes sowie des Mehraufwandes für nationale Behörden und Banken, sich nicht zu beteiligen.55 Das UK war daher weder durch die EU-KPfVO gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet. Der Austritt des UK am 31.1.2020 um 24 Uhr MEZ und die in Art. 66 ff. des Austrittsübereinkommens56 geregelten Übergangsbestimmungen zur Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen tangieren den räumlichen Anwendungsbereich der EU-KPfVO dementsprechend nicht. Nichtsdestoweniger beeinflusste das UK den Gesetzgebungsprozess maßgeblich.57
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Dänemark beteiligt sich wegen des in Protokoll Nr. 2258 erklärten Vorbehalts nicht an der Verordnung und hat keine Möglichkeit, für die Anwendung einer einzelnen Verordnung zu optieren.59 Zwar hat Dänemark nach dem Vertrag von Lissabon nicht mehr nur die Option, durch Mitteilung an die anderen Mitgliedstaaten von einem Gebrauch des Protokolls insgesamt Abstand zu nehmen, sondern kann nunmehr gem. Art. 8 des Protokolls Nr. 22 den Mitgliedstaaten mitteilen, dass das Protokoll zukünftig aus den Bestimmungen im Anhang zu diesem Protokoll bestehen soll.60 In Art. 3 des Anhanges ist eine partielle opt-in Option für Maßnahmen des Dritten Teils Titel V AEUV, welcher die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen einschließt, vorgesehen. Dänemark hat allerdings bisher keine Mitteilung nach Art. 8 Protokoll Nr. 22 abgegeben. 50 European Commission, Impact Assessment Accompanying the Proposal, 25.7.2011, SEC (2011) 937, Annex V. 51 Centre for Strategy and Evaluation Services (CSES), Study for an Impact Assessment on a Draft Legislative Proposal on the Attachment of Bank Accounts, 5.1.2011, https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publica tion/b4325c5f-1a4f-492e-8f7c-9790fec23518# (27.9.2021). 52 Krit. Stamm, IPRax 2014, 124 f., der den mangelnden empirischen Beleg für die Notwendigkeit eines singulären Vollstreckungsrechtsinstituts auf europäischer Ebene beklagt; Tajti/Iglikowski, A Cross Border Study of Freezing Orders and Provisional Measures, 2018, 83 ff.; zuversichtlich Fawzy, DGVZ 2015, 1, 6; unentschieden Stürner, ZVglRWiss 2020, 143, 164. 53 ABl. EU (2010) C 83/295. 54 ErwGr. 49 EU-KPfVO; Council of the EU, Cover Note from Mr Rory Montgomery, Permanent Representative of Ireland, 27.10.2011, 16074/11; krit. Ambrose, CL Pract 2012, 19(11), 211. 55 ErwGr. 50 EU-KPfVO; UK Ministry of Justice Response to Consultation CP(R) 1/2012, 6; Rat der EU, Vermerk der britischen Delegation, 11.1.2012, 5173/12; dazu Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, 26.4.2012, ABl. EU 2012 C 191/57, 60 Ziff. 3.10; Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 404; krit. Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014) 263, 265. 56 Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft vom 24.1.2020, ABl. Nr. L 29, 7. 57 UK Ministry of Justice, Response to Consultation, 26.1.2012, CP/R 1/2012, 14. 58 ABl. EU (2010) C 83/299. 59 ErwGr. 51 EU-KPfVO. 60 Streinz/Leible, EUV/AEUV (3. Aufl. 2018) Art. 81 AEUV Rz. 3.
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Darüber hinaus ist der räumlich-persönliche Anwendungsbereich auf Gläubiger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat beschränkt (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 20). In räumlich-gegenständlicher Hinsicht ist der Anwendungsbereich auf die Pfändung von Konten beschränkt, die in einem Mitgliedstaat geführt werden (Art. 1 Abs. 1 EU-KPfVO, Art. 4 EU-KPfVO Rz. 9).
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IV. Zeitlicher Anwendungsbereich Die EU-KPfVO trat am 17.7.2014 in Kraft. Ihre zeitliche Geltung war um eineinhalb Jahre bis zum 18.1.2017 aufgeschoben (Art. 54 EU-KPfVO).
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V. Nationale Durchführungsvorschriften Der deutsche Gesetzgeber schuf mit dem Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/ 2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung (EuKoPfVODG) Ausführungsbestimmungen zu EU-KPfVO (§§ 946 ff. ZPO). Länderspezifische Informationen (Art. 50 EU-KPfVO) sind auf der Website des Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen verfügbar.61
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VI. Vorlagepflicht Soweit nicht aufgrund von Verweisungen (Art. 1 EU-KPfVO Rz. 5 ff.) nationales Recht Anwendung findet, sind die Vorschriften der EU-KPfVO autonom auszulegen. Stellt sich eine Auslegungsfrage in einem EU-KPf-Verfahren vor einem letztinstanzlichen Gericht, ist dieses Gericht vorlagepflichtig (Art. 267 Abs. 3 AEUV). Der summarische Charakter des Verfahrens lässt die Vorlagepflicht nicht entfallen.62 Eine Ausnahme von der Vorlagepflicht in summarischen Verfahren besteht nur, wenn im Hauptsacheverfahren eine erneute Prüfung jeder summarisch entschiedenen Rechtsfrage möglich ist.63 Hieran fehlt es bei Auslegungsfragen zu den Bestimmungen der EU-KPfVO.
61 https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_order-379-de.do (27.9.2021). 62 A.A. OLG Köln v. 16.2.2021 – 13 W 40/20. 63 Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV (50. EL 2013), Art. 267 AEUV Rz. 59.
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Art. 1 EU-KPfVO Gegenstand
Kapitel 1 Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (Art. 1–Art. 4)
Artikel 1 Gegenstand (1) Mit dieser Verordnung wird ein Unionsverfahren eingeführt, mit dem ein Gläubiger einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung (im Folgenden „Beschluss zur vorläufigen Pfändung“ oder „Beschluss“) erwirken kann, der verhindert, dass die spätere Vollstreckung seiner Forderung dadurch gefährdet wird, dass Gelder bis zu dem im Beschluss angegebenen Betrag, die vom Schuldner oder in seinem Namen auf einem in einem Mitgliedstaat geführten Bankkonto geführt werden, überwiesen oder abgehoben werden. (2) Der Beschluss zur vorläufigen Pfändung steht dem Gläubiger als eine Alternative zu den Maßnahmen zur vorläufigen Pfändung nach dem nationalen Recht zur Verfügung. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
3. Vorläufigkeit der Pfändung . . . . . . . . . . . 12
II. Unionsverfahren (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsgehalt des Unionsverfahrens . . . . . 2. Rechtsnatur des Pfändungsbeschlusses . . . .
2 3 8
III. Alternative zu nationalen Eilverfahren (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
I. Normzweck 1
Art. 1 EU-KPfVO beschreibt den Gegenstand der EU-KPfVO: Ein Unionsverfahren zur Erwirkung einer vorläufigen Kontenpfändung (Abs. 1), das dem Gläubiger als Alternative zu nationalen Eilverfahren zur Verfügung steht (Abs. 2).
II. Unionsverfahren (Abs. 1) 2
Die EU-KPfVO etabliert ein Unionsverfahren für die Pfändung von Bankkonten in grenzüberschreitenden Rechtssachen. Das Verfahren ermöglicht Gläubigern, einen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung1 zu erwirken, um zu verhindern, dass der Schuldner „Gelder“ „von seinem Bankkonto abhebt oder überweist“2 und damit die spätere Vollstreckung gefährdet. 1. Regelungsgehalt des Unionsverfahrens
3
Neben dem Erlass (Kapitel 2) regelt die Verordnung die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und die Vollstreckung des Beschlusses (Kapitel 3) sowie Rechtsbehelfe (Kapitel 4) und allgemeine Fragen (Kapitel 5). Nach dem Entwurf der Kommission sollte der Beschluss zur vorläufigen Pfändung – anders als die bisherigen EU-Titel (EG-VollstrTitel, Europäischer Zahlungsbefehl, Urteil nach EG-BagatellVO) – nicht nur nach einheitlichen Vorschriften erlassen, sondern auch nach einheitlichen Vorschriften vollstreckt werden. Nach der Vereinheitlichung, Vereinfachung und schließlich Abschaffung des Exequaturverfahrens sowie der Schaffung von EU-Erkenntnisverfahren (Mahnverfahren, Bagatellverfahren) wollte die Kommission mit der Schaffung eines EU-Vollstreckungsverfahrens eine neue Stufe der europäischen Verfahrensrechtssetzung betreten.
1 Die im Kommissionsentwurf verwendete Abkürzung „EuBvKpf“, vgl. KOM(2011) 445 (Art. 1 Abs. 1), wird in der Verordnung nicht mehr verwendet. 2 Die Verordnung bedient sich bewusst einer wenig technischen Sprache um nationale dogmatische Unterschiede bei der Kontenpfändung abzudecken, vgl. auch Art. 4 Nr. 3 EU-KPfVO.
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Kap. 1: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 1 EU-KPfVO
Aufgrund zahlreicher Verweise auf nationales Recht schafft die EU-KPfVO jedoch lediglich ein Verfahrensgerüst und kein geschlossenes Zwangsvollstreckungssystem.3 Die Verweise sollen Konflikte mit nationalem Recht vermeiden und nationalen Vollstreckungsorganen die Handhabung erleichtern. An vielen Stellen erscheinen Verweise aufgrund der Verwobenheit des Vollstreckungsrechts mit anderen Bereichen nationalen Rechts, wie dem Sachenrecht oder dem Insolvenzrecht, zwingend.4 Sie relativieren aber den Anspruch der Schaffung eines eigenständigen, europäischen Verfahrens.5
4
Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO enthält für alle nicht ausdrücklich in der Verordnung geregelten Fragen eine Generalverweisung auf nationales Verfahrensrecht.6 Die EU-KPfVO regelt grundsätzlich das Verfahren; weist die Verordnung Lücken auf, sind die Lücken durch nationales Recht zu schließen.
5
Der Rat ergänzte während seiner Beratungen eine weitere Generalverweisung für die Vollstreckung 6 des Pfändungsbeschlusses: Die Vollstreckung erfolgt nach den nationalen Regelungen des Vollstreckungsmitgliedstaats, es sei denn die Verordnung enthält spezielle Vorschriften (Art. 23 Abs. 1 EUKPfVO).7 Dem Wortlaut nach dient das nationale Recht für das Vollstreckungsverfahren nicht bloß der Lückenfüllung, sondern als primäre Rechtsquelle. Für die Vollstreckung wurde das Prinzip der unionsautonomen Regelung als Grundsatz und Verweisung auf mitgliedstaatliches Recht als Ausnahme (Rz. 5) folglich umgekehrt. Neben den beiden Generalverweisungen in Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO und Art. 23 Abs. 1 EU-KPfVO enthält die Verordnung Spezialverweisungen auf nationales Recht8 und Öffnungsklauseln für abweichende nationale Regelungen.9
7
2. Rechtsnatur des Pfändungsbeschlusses Der Beschluss kann vor und während eines gerichtlichen Verfahrens sowie nach Erlangung eines Titels 8 beantragt werden (Art. 5 EU-KPfVO). Der Gläubiger kann also auch dann einen Antrag stellen, wenn er noch keinen vollstreckbaren Titel erwirkt hat (Art. 5 lit. a EU-KPfVO). Die Bezeichnung als „Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung“ lässt nicht auf den ersten Blick erkennen, dass es sich nicht nur um eine Vollstreckungsmaßnahme handelt, sondern dass der Pfändungsbeschluss ggf. auch eine vorläufige Titulierung umfasst. Liegt noch kein vollstreckbarer Titel vor, beinhaltet der Beschluss gleichzeitig eine, mit dem deutschen Arrest (§§ 916 ff. ZPO) vergleichbare, einstweilige Maßnahme,10 ohne dass eine klare Trennung zwischen Titelschaffung und vorläufiger Pfändung erfolgt. Das zum Erlass der einstweiligen Maßnahme führende summarische Erkenntnisverfahren ist, anders als der Arrest,11 zwingend mit dem Erlass eines Pfändungsbeschlusses verbunden (Art. 23 EU-KPfVO Rz. 3). Das summarische Erkenntnisverfahren dient demnach einzig als Vehikel für die vorläufige 3 4 5 6 7 8
9
10 11
Cranshaw, ZInsO 2018, 1382, 1391. Vgl. auch ErwGr. 23 EU-KPfVO. Krit. daher Guinchard, RTD eur. 2011, 871, 874. Diese Generalverweisung fand sich bereits im Kommissionsentwurf: Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 45. Die vom Parlament verabschiedete Fassung geht an dieser Stelle zurück auf die Formulierung der Ratsgruppe Zivilrecht vom 31.10.2013, 15288/13 Art. 24 Abs. 1, die sich ebenfalls in der allgemeinen Ausrichtung des Rates vom 28.11.2013, 16991/13 ADD 1 wiederfindet. Z.B. Beweismittel – Art. 9 EU-KPfVO, nicht geregelte Aspekte der Haftung – Art. 13 4 S. 2 EU-KPfVO, Kontoinformationen – Art. 14 Abs. 5 EU-KPfVO, Vollstreckung – Art. 23 Abs. 5 EU-KPfVO, Zustellung an den Schuldner, Gemeinschafts- und Treuhandkonten – Art. 30 EU-KPfVO, Pfändungsfreigrenzen – Art. 31 EUKPfVO, Gläubigerrangfolge – Art. 32 EU-KPfVO, Mitteilung Schuldnersicherheit an Gläubiger – Art. 38 Abs. 2 EU-KPfVO, Rechte Dritter – Art. 39 Abs. 1 und 2. EU-KPfVO. Z.B. Haftungstatbestände – Art. 13 Abs. 4 S. 1 EU-KPfVO, Anweisung – Art. 24 Abs. 1 EU-KPfVO, Überweisung des gepfändeten Betrages – Art. 24 Abs. 2 lit. b EU-KPfVO, Freigabe – Art. 27 Abs. 3 EU-KPfVO, Zuständigkeit Vollstreckungsbehörde – Art. 34 Abs. 1 EU-KPfVO, Art. 35 Abs. 3, 4 EU-KPfVO, Art. 36 Abs. 4 EUKPfVO, Art. 38 Abs. 1 lit. b EU-KPfVO. Cordón Moreno, Revista Española de Derecho Internacional 2017, 301, 302 ff.; Cranshaw, ZInsO 2018, 1382, 1391; Häcker, WM 2012, 2180, 2182; Kreutz, GPR 2017, 307; Müller, RIW 2012, 151, 154; Rieländer, RIW 2020, 102, 103, 108; Schimrick, Forderungsvollstreckung (2012), 275. Zur möglichen Verbindung von Arrest und Pfändungsbeschluss vgl. Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht (13. Aufl. 2006), Rz. 51.16.
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Art. 1 EU-KPfVO Gegenstand Kontenpfändung und ist nicht als allgemeines europäisches einstweiliges Erkenntnisverfahren konzipiert.12 Gleichwohl tritt es als Verfahrenselement der EU-KPfVO in Konkurrenz neben nationale einstweilige Verfahren. 9
Hat der Gläubiger bereits einen im Vollstreckungsmitgliedstaat vollstreckbaren Titel erlangt, ergeht lediglich ein vorläufiger Pfändungsbeschluss. Seiner Zielrichtung nach ist der Pfändungsbeschluss mit der Vorpfändung (§§ 802a Abs. 2 Nr. 5, 845 ZPO) vergleichbar.13 Die Vorpfändung ist im deutschen Recht jedoch als private Vollstreckungsmaßnahme ausgestaltet, die der nachträglichen hoheitlichen Legitimation durch die Hauptpfändung bedarf, um Grundlage staatlicher Zwangsmaßnahmen sein zu können (Art. 23 EU-KPfVO Rz. 14).
10
Der Balanceakt, den der Entwurf zwischen einer einstweiligen Maßnahme und einer Pfändung vollführt, wird bei den Parteibezeichnungen deutlich: Weil bei Antragstellung noch nicht unbedingt ein vollstreckbarer Titel vorliegt, sprach der Kommissionsentwurf neutral von Antragsteller und Antragsgegner und nicht von Gläubiger und Schuldner. Die EU-KPfVO verwendet die Bezeichnungen Gläubiger und Schuldner, wenngleich die Gläubiger- bzw. Schuldnerstellung vor Titulierung nur eine vermeintliche ist.14
11
Nach dem Europäischen Mahnverfahren (EG-MahnVO) und dem Verfahren für geringfügige Forderungen (EG-BagatellVO) schafft die EU damit für zwei weitere Bereiche, nämlich die Zwangsvollstreckung sowie – wenn auch nur implizit – den einstweiligen Rechtsschutz, ein neben den nationalen Prozessordnungen operierendes, europäisches Sonderverfahrensrecht und erweitert den prozessrechtlichen Flickenteppich. Für die Zwangsvollstreckung beschränkt sich die EU-KPfVO auf Rahmenregelungen. 3. Vorläufigkeit der Pfändung
12
Nach Ausführung des Beschlusses durch die Bank (Art. 24 EU-KPfVO), kann der Schuldner keine Abhebungen oder Überweisungen mehr tätigen. Die Wirkungen der Pfändung im Übrigen richten sich nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats (Art. 23 Abs. 1 EU-KPfVO, Art. 32 EUKPfVO). In jedem Fall ist die Pfändung nur vorläufiger Natur, d.h. der Gläubiger erhält keine Zahlungen bzw. keine Überweisung des gepfändeten Betrages, sondern lediglich eine Sicherung (Art. 1 Abs. 1 EU-KPfVO).15 Zur Umwandlung des Sicherungspfandrechts in ein zur Befriedigung berechtigendes Pfandrecht s. Art. 20 EU-KPfVO Rz. 6 f.
III. Alternative zu nationalen Eilverfahren (Abs. 2) 13
Die Kommission entschied sich weder für eine die nationalen Verfahrensvorschriften ersetzende Vereinheitlichung noch für eine schrittweise Harmonisierung der nationalen Verfahrensvorschriften, sondern wählte, wie bereits beim Europäischen Mahnverfahren und beim Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen, eine alternativ zu den nationalen Rechtsschutzsystemen operierende Maßnahme (Art. 1 Abs. 2 EU-KPfVO), deren Gebrauch ausschließlich in der Hand des Gläubigers liegt (fakultativer Charakter). Dem Gläubiger bleiben nationale Maßnahmen uneingeschränkt erhalten, so dass sich seine Rechtsverfolgungsmöglichkeiten um eine zusätzliche Option erweitern.16 12 Schimrick, Forderungsvollstreckung (2012), 299. 13 Häcker, WM 2012, 2180, 2182. 14 So auch die deutsche ZPO, wenn auch uneinheitlich vgl. z.B. § 922 ZPO (Partei, die den Arrest erwirkt hat und Gegner) und § 929 ZPO (Gläubiger und Schuldner); krit. und für eine Differenzierung zwischen Antragsteller/Antragsgegner vor Titelerlass und Gläubiger/Schuldner nach Titelerlass Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 4. 15 Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 400; Cranshaw, ZInsO 2018, 1382, 1390; Garber in Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017) Rz. 9.1; Müller, RIW 2012, 151, 152; Schack, IZVR, Rz. 1168; Zwickel in DouchyOudet/Guinchard (Hrsg.), La justice civile européenne en marche (2012) 233, 239; für eine Beschränkung auf vorläufige Maßnahmen auch Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 256. 16 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 7; van het Kaar, WPNR 2011, 903; van het Kaar, NIPR 2011, 642, 645; Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 400; Domej, ZEuP 2013, 496, 516; Harbeck, ZInsO 2012,
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Kap. 1: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 2 EU-KPfVO
Auch im Verhältnis zur Brüssel Ia-VO besteht kein Vorrang; die nach nationalem Recht beantragten einstweiligen Maßnahmen sind zuständigkeits- und vollstreckungsrechtlich weiterhin im Brüssel IaSystem zu behandeln. Die ebenfalls in Erwägung gezogene Angleichung der nationalen Verfahrensvorschriften mit Hilfe ei- 14 ner Richtlinie wurde verworfen. Die Kommission meinte, eine Richtlinie schaffe aufgrund der Umsetzungsverpflichtung der Mitgliedstaaten (Art. 288 Abs. 3 AEUV) zum einen kein einheitliches Gesetzeswerk und demgemäß für Gläubiger keine wesentliche Erleichterung; zum anderen bestünde aufgrund der Verschiedenheit und Verwobenheit der nationalen Vollstreckungssysteme auch bei minimalen Angleichungen die Gefahr einer zu tiefgreifenden Beeinflussung des nationalen Rechts.17 Beide Argumente greifen zu kurz: Das Europäische Pfändungsverfahren ist auf Grund der zahlreichen, eher richtlinientypischen Verweisungen kein geschlossenes System. Außerdem hätten die Mitgliedstaaten auch bei einer Richtlinie die Möglichkeit gehabt, eine Umsetzung durch Schaffung eines neuen Rechtsinstituts ohne Änderung ihres nationalen Verfahrensrechts zu wählen und wären dabei nur an die Ziele der Richtlinie, nicht aber an die zwingenden Vorschriften einer Verordnung gebunden. Die Schaffung einer Richtlinie hätte also durchaus nahe gelegen, um den Mitgliedstaaten unter Umständen größere Flexibilität bei der Anpassung an nationales Vollstreckungsrecht zu belassen.
Artikel 2 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für Geldforderungen in Zivil- und Handelssachen bei grenzüberschreitenden Rechtssachen im Sinne des Artikels 3, ohne dass es auf die Art des Gerichts ankommt. Sie gilt insbesondere nicht für Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten oder die Haftung des Staats für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta jure imperii“). (2) Diese Verordnung gilt nicht für: a) die ehelichen Güterstände oder Güterstände aufgrund von Verhältnissen, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten; b) das Gebiet des Testaments- und Erbrechts, einschließlich Unterhaltspflichten, die mit dem Tod entstehen; c) Forderungen gegenüber einem Schuldner, gegen den Insolvenzverfahren, Vergleiche oder ähnliche Verfahren eröffnet worden sind; d) die soziale Sicherheit; e) die Schiedsgerichtsbarkeit. (3) Diese Verordnung gilt weder für Bankkonten, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Konto geführt wird, nicht gepfändet werden dürfen, noch für Konten, die im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Systems im Sinne des Artikels 2 Buchstabe a der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates1 geführt werden. (4) Diese Verordnung gilt nicht für Bankkonten, die von oder bei Zentralbanken geführt werden, wenn diese in ihrer Eigenschaft als Währungsbehörden tätig werden. 805, 807; Müller, RIW 2012, 151, 153; Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 8; Senés Motilla, Revista Española de Derecho Internacional 2017, 309, 310 Rz. 5; Sujecki, EWS 2011, 414, 415; a.A. de Götzen in Pekcanıtez/Bolayır/Simil (Hrsg.), XV. Dünya Usûl Hukukçuları Kongresi (2016), 567, 586. 17 European Commission, 25.7.2011, SEC (2011) 937, 40 ff.; vgl. auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, KOM (2006) 618, 4; Kommission der Europäischen Gemeinschaften 24.10.2006 SEK (2006) 1341, 2.1.; Entschließungen des Europäischen Parlaments, 25.10.2007, ABl. EU 2008 C 263 E/655, Nr. 4 und 10.5.2011, ABl. EU 2012 C 377 E/1, 3; Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 255; Sala in Kengyel/Harsági (Hrsg.), Grenzüberschreitende Vollstreckung (2011), 275, 289. 1 Amtliche Fußnote: Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (ABl. L 166 vom 11.6.1998 S. 45).
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Art. 2 EU-KPfVO Anwendungsbereich I. II. 1. 2.
Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zu sichernde Forderung . . . . . . . . . . . . 2 Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . 2 Ausgeschlossene Zivilrechtliche Materien (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 a) Güterrecht und Erbrecht (Abs. 1 lit. a, b) . 3 b) Forderungen gegenüber einem Insolvenzschuldner (Abs. 2 lit. c) . . . . . . . . . . . 5 aa) Insolvenzverfahren, Vergleich oder ähnliches Verfahren eröffnet . . . . . . 6 bb) Schuldner der Forderung . . . . . . . . 7 cc) Art des Gläubigers . . . . . . . . . . . 8 c) Soziale Sicherheit (Abs. 2 lit. d) . . . . . . . 10 d) Schiedsgerichtsbarkeit (Abs. 2 lit. e) . . . . 11
3. III. 1. 2.
aa) Ausschluss aller schiedsgebundenen Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausschluss Hauptschiedsverfahren und Hilfsverfahren (wie Brüssel IaVO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht ausgeschlossen: Unterhaltsrecht . . . . Zugriffsobjekt: Bankkonten . . . . . . . . . . Sachliche Beschränkung: Bankkonten nach Abs. 3, 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumliche Beschränkung: Führung in einem Mitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . .
12 14 18 19 20 21 23
I. Normzweck 1
Art. 2 EU-KPfVO beschreibt den sachlichen Anwendungsbereich der EU-KPfVO hinsichtlich der zu sichernden Forderung und hinsichtlich des Zugriffsobjekts: Erfasst ist die Pfändung von Bankkonten (Zugriffsobjekt, Rz. 20 ff.) wegen Geldforderungen in Zivil- und Handelssachen (zu sichernde Forderung, Rz. 2 ff.).
II. Zu sichernde Forderung 1. Zivil- und Handelssachen 2
Die EU-KPfVO ist sachlich anwendbar, wenn es sich bei der zu sichernden Forderung des Gläubigers um eine Geldforderung (Art. 4 Nr. 5 EU-KPfVO) in Zivil- und Handelssachen handelt. Der Begriff der Zivil- und Handelssachen ist wie in Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO auszulegen, so dass auf die dort bereits entwickelte unionsautonome Begriffsausfüllung zurückgegriffen werden kann.2 Neben Zwangsgeldern werden auch Ordnungsgelder als Zivil- und Handelssachen eingestuft,3 vgl. auch Art. 4 EUKPfVO Rz. 11 (Geldforderung); Art. 4 EU-KPfVO Rz. 23 (Aktivlegitimation), Art. 4 EU-KPfVO Rz. 34 (Entscheidungsqualität). Ausgeschlossen sind öffentlich-rechtliche Angelegenheiten. Hierzu zählen insbesondere Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten und die Haftung des Staats für Handlungen oder Unterlassungen im Rahmen der Ausübung hoheitlicher Rechte („acta iure imperii“). Bei der Abgrenzung von Zivil- und Handelssachen zu öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kommt es auf die Art der Gerichtsbarkeit nicht an.4 2. Ausgeschlossene zivilrechtliche Materien (Abs. 2) a) Güterrecht und Erbrecht (Abs. 1 lit. a, b)
3
Der Entwurf der Kommission schloss, anders als die Brüssel Ia-VO, die Angelegenheiten des Güterrechts und des Erbrechts nicht aus, sondern wollte die Verordnung angewendet wissen, sobald sich 2 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 8; Garber in Mayr (Hrsg.) Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017) Rz. 9.14; Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407; Sikorski, Kontenpfändungen (2018), 43; Klöpfer in Geimer/Schütze, Rz. 4. 3 EuGH v. 18.10.2011 – C-406/09 – Realchemie Nederland BV/Bayer CropScience, ECLI:EU:C:2011:668 Rz. 44; BGH v. 25.3.2010 – I ZB 116/08, BGHZ 185, 124, 127 ff. (Rz. 11 ff.); von Hein/Imm, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Forderungen in der EU, IWRZ 2019, 112, 115. 4 Mit der von Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO („Art der Gerichtsbarkeit“) abweichenden Formulierung („Art des Gerichts“) ist keine andere Begrifflichkeit gemeint, wie die Identität der englischen („court or tribunal“) und französischen Fassungen („juridiction“) des Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO und des Art. 2 Abs. 1 EU-KPfVO zeigen, ebenso: Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.13; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014) Rz. 20.
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Kap. 1: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 2 EU-KPfVO
internationale Zuständigkeit, anwendbares Recht, Anerkennung und Vollstreckung nach Unionsrecht bestimmen.5 Die EU-KPfVO sieht nun, dem Bericht des Rechtsausschusses folgend, eine Ausnahme für güter- und erbrechtliche Forderungen vor. Da die Kommission mit ihrem Vorschlag die Förderung der Wirtschaft im Blick habe, bedürfe eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches auf familien- und erbrechtliche Angelegenheiten einer besonderen Folgenabschätzung.6 Einen Ausschluss familienrechtlicher Statussachen hielt man vermutlich mangels daraus resultierender Geldforderungen nicht für notwendig. Zur Definition beider Bereichsausnahmen (Abs. 2 lit. a und b) kann die bereits zur Brüssel Ia-VO gefundene Auslegung herangezogen werden. Ein Europäischer Kontenpfändungsbeschluss kann z.B. nicht beantragt werden zur Sicherung einer Zugewinnausgleichsforderung oder eines Pflichtteilsanspruchs. Unterhaltspflichten, die mit dem Tod entstehen, stehen zwar an der Grenze zum von der EU-KPfVO erfassten Unterhaltsrecht (Rz. 19), weil sie im wesentlichen Versorgungscharakter haben, sind aber ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgeschlossen (Abs. 2 lit. b). Erfasst sind Unterhaltspflichten, die passiv vererblich sind, also auf die Erben des Unterhaltsschuldners übergehen.
4
b) Forderungen gegen einen Insolvenzschuldner (Abs. 2 lit. c) Zur Sicherung von Forderungen gegenüber einem Schuldner, gegen den ein Insolvenzverfahren, Ver- 5 gleich oder ein ähnliches Verfahren eröffnet worden ist, kann der Gläubiger keinen Europäischen Pfändungsbeschluss beantragen. Art. 2 Abs. 2 lit. c EU-KPfVO weicht von Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel Ia-VO ab. Die Brüssel Ia-VO verfolgt einen gegenstandsbezogenen Ansatz: Neben dem insolvenzrechtlichen Hauptsacheverfahren sind Klagen vom Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO ausgeschlossen, wenn sie ihre rechtliche Grundlage im Insolvenzverfahren und nicht in sonstigen Anspruchsnormen haben. Deshalb sind z.B. Verfahren durch oder gegen den Insolvenzverwalter ausgeschlossen, wenn sie auf insolvenzrechtliche Ansprüche gestützt werden und damit nicht ohne Insolvenzverfahrenseröffnung ablaufen könnten;7 allgemeine Zivilsachen fallen hingegen in den Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO. Die EU-KPfVO verfolgt einen situationsbezogenen Ansatz und schließt Forderungen gegen einen Schuldner aus, gegen den ein Insolvenzverfahren, ein Vergleich oder ein ähnliches Verfahren eröffnet worden ist. aa) Insolvenzverfahren, Vergleich oder ähnliches Verfahren eröffnet Gemeint sind förmliche Insolvenzverfahren i.S.v. Art. 2 Nr. 4 EuInsVO (ErwGr. 8 S. 2 EU-KPfVO).8 6 Darunter fallen auch vorläufige Insolvenzverfahren (vgl. Art. 1 Abs. 1 EuInsVO).9 Die Führung informeller Einigungsverhandlungen vor Einleitung eines Insolvenzverfahrens hindert den Beschlusserlass nicht; ebenso nicht ein vorinsolvenzrechtliches Sanierungsverfahren.10 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Bereichsausnahme ist der Zeitpunkt des Erlasses des Pfändungsbeschlusses.11 Art. 2 Abs. 2 lit. c EU-KPfVO hindert gemäß ErwGr. 8 S. 2 EU-KPfVO nur den Erlass, nicht aber die Vollstreckung des Beschlusses. Erfolgt die Insolvenzeröffnung vor Erlass des Pfändungsbeschlusses, wird ein Pfändungsantrag wegen Art. 2 Abs. 2 lit. c EU-KPfVO unzulässig. Die Wirkungen eines nach Beschlusserlass eröffneten Insolvenzverfahrens auf die Pfändung bestimmen sich hingegen nach dem nationalen Insolvenzrecht (Art. 46 Abs. 2 EU-KPfVO). Zu welchem Zeitpunkt ein Insolvenzverfahren als eröffnet gilt, regelt ebenfalls das nationale Insolvenzrecht (Art. 7 Abs. 1 EuInsVO).12
5 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 2 Abs. 4. 6 Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 19.6.2013, A7-0227/2013, 13, 62; zur Intention der Kommission s. Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, 4. 7 Rauscher/Mankowski, Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 126. 8 Cranshaw, DZWiR 2010, 399, 402 f. 9 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher Rz. 44; a.A. Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 403. 10 Kindl/Meller-Hannich/Harbeck, Rz. 21. 11 A.A. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 53 f. 12 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 49.
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Art. 2 EU-KPfVO Anwendungsbereich bb) Schuldner der Forderung 7
Vom Anwendungsbereich ausgenommen sind nur Forderungen gegen den Insolvenzschuldner. Zur Sicherung vertraglicher und außervertraglicher Forderungen des Schuldners und von Rückforderungsansprüchen infolge anfechtbarer Handlungen (§ 143 InsO) steht dem Insolvenzverwalter gegen Dritte die EU-KPfVO offen.13 Auch Haftungsansprüche gegen den Insolvenzverwalter können mit einem Europäischen Kontenpfändungsbeschluss gesichert werden.14 Insolvenzrechtliche Annexverfahren, die nach dem gegenstandsbezogenen Ansatz vom Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO ausgeschlossen sind (Rz. 5), sind folglich von der EU-KPfVO umfasst. cc) Art des Gläubigers
8
Der situationsbezogene Ansatz soll verhindern, dass sich einzelne Gläubiger über die EU-KPfVO eine Sicherung verschaffen und damit das Ziel der Insolvenz, eine tragfähige Lösung für alle Gläubiger zu schaffen, konterkarieren.15 Art. 2 Abs. 2 lit. c EU-KPfVO nimmt die etwa im deutschen Insolvenzrecht ohnehin angeordnete (§ 89 InsO) und von Art. 7 Abs. 2 lit. f EuInsVO koordinierte Unwirksamkeit jeglicher Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens16 vorweg. Art. 2 Abs. 2 lit. c macht allerdings keine Einschränkung hinsichtlich der Art des Gläubigers. Über § 89 InsO hinaus sind dem Wortlaut nach nicht nur Insolvenzgläubiger, sondern auch sonstige Gläubiger (Aussonderungsberechtigte, § 47 InsO, Absonderungsberechtigte, § 50 InsO, Massegläubiger,17 § 53 InsO und Neugläubiger) ausgeschlossen, sobald gegen den Schuldner ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.
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Teilweise wird vertreten, der Ausschluss beschränke sich seinem Sinn und Zweck entsprechend (gleichmäßige Gläubigerbefriedigung) nur auf Forderungen gegen den Schuldner, die die Insolvenzmasse betreffen.18 Handelt es sich um Neuforderungen, die nicht die Insolvenzmasse schmälern, sei Art. 2 Abs. 2 lit. c EU-KPfVO teleologisch zu reduzieren und der Erlass eines Europäischen Kontenpfändungsbeschlusses zulässig.19 Ebenso sei die Bereichsausnahme nicht auf die Sicherung von Masseforderungen sowie Absonderungs- und Aussonderungsansprüchen anzuwenden.20 Gegen eine teleologische Reduktion spricht die dadurch entstehende Überfrachtung des Eilverfahrens mit Fragen des (ggf. ausländischen) Insolvenzrechts. c) Soziale Sicherheit (Abs. 2 lit. d)
10
Die EU-KPfVO gilt nicht für Forderungen, die die soziale Sicherheit betreffen. Auf die unter der Brüssel Ia-VO entwickelte Auslegung kann zurückgegriffen werden. Mittels eines Europäischen Pfändungsbeschlusses können also insbesondere nicht Forderungen des Berechtigten gegen den Sozialversicherungsträger oder Forderungen des Sozialversicherungsträgers auf Rückgewähr solcher Leistungen gesichert werden.21 13 ErwGr. 8 EU-KPfVO; Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013 ADD 1, 16991/13, 3 Fn. 2; s. auch Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes und des künftigen irischen Vorsitzes, 18.12.2012, 17738/12, 3 Fn. 2; Domej, GPR 2017, 84; Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.15; de Götzen in Pekcanıtez/Bolayır/Simil (Hrsg.), XV. Dünya Usûl Hukukçuları Kongresi (2016), 567, 576; Kindl/Meller-Hannich/Harbeck, Rz. 22; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 9; Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 408; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 134; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2. 14 Domej, GPR 2017, 84; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 9. 15 Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 14.2.2013, 6451/13, 1. 16 Cranshaw, DZWiR 2010, 399, 403. 17 Auch der Anspruch des Massegläubigers wird als Anspruch gegen den Insolvenzschuldner angesehen, vgl. Hefermehl in MünchKomm/InsO, § 53 InsO Rz. 30 m.w.N. 18 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 9. 19 Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014) Rz. 28; Rechberger in FS Coester-Waltjen (2015), 651, 653; Schumacher/ Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 56. 20 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 57 f.; a.A. Rechberger, FS Coester-Waltjen (2015) 651, 653 f. 21 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 62.
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Kap. 1: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 2 EU-KPfVO
d) Schiedsgerichtsbarkeit (Abs. 2 lit. e) Die schiedsrechtliche Bereichsausnahme ist nebulös. Die Ausnahme betrifft die zu sichernde Geldfor- 11 derung und entspricht ihrem Wortlaut nach Art. 1 Abs. 2 lit. d Brüssel la-VO. Im Gesetzgebungsverfahren wurde Art. 2 Abs. lit. e EU-KPfVO nicht präzisiert, obwohl der Ratsvorsitz die nationalen Delegationen um Erörterung ersuchte, ob die Bereichsausnahme angebracht sei und wie weit sie ggf. reichen solle.22 Anders als bei der insolvenzrechtlichen Bereichsausnahme (Rz. 5) ist dem Verordnungswortlaut in lit. e kein situationsbezogener Ansatz zu entnehmen. Die Bereichsausnahme betrifft den Gegenstand „Schiedsgerichtsbarkeit“ und bezieht sich auf alle Forderungen, für deren Durchsetzung eine Schiedsvereinbarung besteht (schiedsgebundenen Forderungen), und auf Forderungen, die aus dem Hauptschiedsverfahren oder aus Hilfsverfahren resultieren (aa).23 Die Auffassung, wonach sich die Ausnahme – wie unter der Brüssel Ia-VO – nur auf nur auf Forderungen bezieht, die aus dem Hauptschiedsverfahren oder aus Hilfsverfahren resultieren,24 kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass ein Pfändungsantrag für schiedsgebundene Forderungen unzulässig ist (bb). aa) Ausschluss schiedsgebundener Forderungen und Forderungen aus Hauptschiedsverfahren oder Hilfsverfahren Für schiedsgebundene Forderungen kann kein Europäischer Pfändungsbeschluss erlassen werden. 12 Diese Auslegung entspricht der Intention der Kommission: Die Bereichsausnahme beruht auf dem Entwurf der Kommission, die die Auffassung vertrat, dass die Einbeziehung „komplexe Fragen aufwerfen [würde], die noch nicht im EU-Recht geregelt sind, zum Beispiel unter welchen Umständen Schiedssprüche gerichtlichen Entscheidungen gleichgestellt werden können. Daher erschien es nicht angemessen, diesen Aspekt erstmals in diesem Instrument zu behandeln.“25 Die Wortwahl im Verordnungsentwurf kann nicht für eine Beschränkung der Ausnahme auf bestimmte Stadien des Schiedsverfahrens herangezogen werden. Die englische und die französische Fassung des Kommissionsentwurfes zeigen, dass nur infolge einer Übersetzungsungenauigkeit in der deutschen Entwurfsfassung und der Entwurfsbegründung nicht von „Schiedsgerichtsbarkeit“, sondern von „Schiedssprüchen“ die Rede war.26 22 Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes und des künftigen irischen Vorsitzes, 18.12.2012, 17738/2, S. 3 Fn. 3: „Die Delegationen werden ersucht, zu erörtern, ob dieser Ausschluss angebracht ist und, wenn ja, wie weit er reichen sollte. Sollte beispielsweise ein Pfändungsbeschluss zur Verfügung stehen, – wenn eine Schiedsvereinbarung geschlossen wurde? – wenn die Parteien ein Schiedsverfahren eingeleitet und gerichtliche Unterstützung beantragt haben? – wenn ein Schiedsspruch ergangen ist, im Vollstreckungsstaat jedoch noch nicht für vollstreckbar erklärt wurde? – wenn ein Schiedsspruch ergangen ist und im Vollstreckungsmitgliedstaat eine Entscheidung ergangen ist, mit der der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wird?“ Kritisch aufgrund der fehlenden Konkretisierung auch Cuniberti/Migliorini, Rev crit DIP 2018, 31, 34: „L’exclusion la plus dommageable …“ 23 Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.15; Schlosser/Hess/Hess, Art. 2 Rz. 3; Geimer/Schütze/Garber, EuZVR, Rz. 9; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 7; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 34; Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 10; Trenker in König/Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht Ill (2015), 129, 134; einschränkend: Cuniberti/Migliorini, Rev. crit. DIP 2018, 31, 34 (Ausschluss jedenfalls ab Erlass Schiedsspruch); Kindl/Meller-Hannich/Harbeck, Rz. 23 (Ausschluss bis Titulierung durch Schiedsspruch oder Schiedsvergleich); Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 9 (Ausschluss ab Einleitung Schiedsverfahren); Jungemeyer, jurisPR-IWR 2/2019 Anm. 3 (Ausschluss ab Einleitung Schiedsverfahren); Kreutz, Rpfleger 2016, 509, 513 (Ausschluss nur, wenn Forderungen im Schiedsverfahren geltend gemacht werden); Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 68 (Ausschluss bis Rechtskraft Schiedsspruch oder Schiedsvergleich). 24 Cuniberti/Migliorini, 27; Franzina, in Franzina/Leandro (Hrsg.), Il sequestro europeo di conti bancari (2015) S. 4 f.; Poboz˙niak/Sikora, Czech Yearbook of Arbitration 2018, 221, 231. 25 Europäische Kommission, Vorschlag, KOM(2011) 445, S. 6. 26 Vgl. die englische Fassung, die in Art. 2 Abs. 2 lit. c EU-KPfVO und der Entwurfsbegründung von „arbitration“ spricht: „… the inclusion of arbitration would entail complex questions which have not yet been addressed by EU law, e. g. under which circumstances arbitral awards can be put on an equal footing with judgments and it did not seem appropriate to address them for the first lime in this instrument.“ (Hervorhebung duch die Autorin, nicht im Onginal). Die französische Fassung folgt der englischen Wortwahl: „… l’inclusion de l’arbitrage engendrerait des questions complexes qui n’ont pas encore été étudiées par le législateur de l’Union: par exemp-
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Art. 2 EU-KPfVO Anwendungsbereich 13
Auch die verordnungsinterne Systematik deutet darauf hin, dass schiedsgebundene Forderungen in jeder Verfahrensphase ausgeschlossen sein sollen: Der Pfändungsbeschluss ist um das gerichtliche Hauptsacheverfahren herumgestrickt; er kann vor Einleitung eines Hauptsacheverfahrens, während des Hauptsacheverfahrens und nach Erlangung eines Titels beantragt werden (Art. 5 EU-KPfVO). Aus Art. 10 Abs. 3 EU-KPfVO ergibt sich, dass ein Hauptsacheverfahren nur bei einem Gericht eingeleitet werden kann. Schiedsgerichte sind keine mitgliedstaatlichen Gerichte (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 33). Vor einem Schiedsgericht kann folglich weder ein Hauptsacheverfahren eingeleitet werden noch anhängig sein (Art. 10 EU-KPfVO Rz. 6). Ferner ist ein Schiedsspruch nicht als gerichtliche Entscheidung anzusehen und kann nicht Grundlage für den Erlass eines Pfändungsbeschlusses nach Art. 5 lit. b EU-KPfVO sein (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 33). bb) Ausschluss von Forderungen aus Hauptschiedsverfahren und Hilfsverfahren (wie Brüssel Ia-VO)
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Unter Art. 1 Abs. 2 lit. d Brüssel Ia-VO sind nur die eigentlichen Verfahren vor Schiedsgerichten und Hilfsverfahren, die der Durchführung der Schiedsverfahren dienen (z.B. Schiedsrichterernennung), ausgeschlossen.27 Verfahren, die nicht die Schiedsgerichtsbarkeit als Rechtsgebiet, sondern die Geltendmachung anderer Ansprüche zum Gegenstand haben, unterliegen dem Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO. So ist die Brüssel Ia-VO grundsätzlich auf den Erlass einstweiliger Maßnahmen in Zivil- und Handelssachen anwendbar, auch wenn der Anspruch aus einem Rechtsverhältnis abgeleitet wird, das einer Schiedsabrede unterliegt.28 Die Auswirkungen der Schiedsvereinbarung richten sich nach nationalem Recht (vgl. § 1033 ZPO).
15
Bei Übertragung des Ansatzes der Brüssel Ia-VO auf die EU-KPfVO im Wege einer verordnungsübergreifend einheitlichen Auslegung wäre die Bereichsausnahme in der EU-KPfVO weitgehend bedeutungslos:29 Die Anwendung der EU-KPfVO wäre nur ausgeschlossen, wenn die Schiedsgerichtsbarkeit als Rechtsgebiet betroffen ist (Erlass EU-Pfändungsbeschluss für Forderung, die aus Hilfsverfahren resultiert, z.B. Schiedsrichtergebühren). Die Anwendung der EU-KPfVO wäre nicht bereits ausgeschlossen, wenn die zu sichernde Forderung einem Rechtsverhältnis entstammt, über welches eine Schiedsvereinbarung geschlossen wurde.30
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Allerdings bestünde für den Erlass eines Pfändungsbeschlusses zur Sicherung einer schiedsgebundenen Forderung keine internationale Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts: Hat der Gläubiger bereits einen Schiedsspruch, kann sich die Zuständigkeit nicht aus Art. 6 Abs. 3 EU-KPfVO ergeben; Schiedssprüche sind keine mitgliedstaatlichen Entscheidungen (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 33).31 Abgesehen von Verbrauchersachen wäre daher stets auf Art. 6 Abs. 1 EU-KPfVO abzustellen, einerlei, ob der Gläubiger bereits einen Schiedsspruch gegen den Schuldner hat oder nicht. Art. 6 Abs. 1 EUKPfVO setzt die Zuständigkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichts in der Hauptsache voraus. Hat der Schuldner seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat, bestimmt sich die Hauptsachezuständigkeit grundsätzlich nach Art. 4 ff. Brüssel la-VO. Der EuGH entschied jedoch, dass keine Zuständigkeit in der Hauptsache besteht, weil die Brüssel la-VO auf die Hauptsache aufgrund der Schiedsvereinbarung keine Anwendung findet.32
27 28 29 30 31 32
le, dans quelles circonstances une sentence arbitrale peut-elle être assimilée aux décisions judiciaires. Il n’a pas semblé approprié de les aborder pour la première fois dans le présent instrument.“ (Hervorhebung durch die Autorin, nicht im Original). Rauscher/Mankowski, Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 180 ff. EuGH v. 17.11.1998 – C-391/95 – Van Uden Maritime BV/KG in Fa Deco-Line, EuGHE 1998 I 7122, 7133 Rz. 34. Die weitgehende Bedeutungslosigkeit dürfte zugleich gegen eine Auslegung des Art. 2 Abs. 2 lit. e im Sinne der Brüssel Ia-VO sprechen, Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015) 129, 134 f. („redundant“). Franzina in Franzina/Leandro (Hrsg.), Il sequestro europeo di conti bancari (2015) S. 4 f.; Poboz˙niak/Sikora, Czech Yearbook of Arbitration 2018, 221, 231. Ähnlich Franzina in Franzina/Leandro (Hrsg.), Il sequestro europeo di conti bancari (2015) S. 5. EuGH v. 17.11.1998 – C-391/95 – Van Uden Maritime BV/KG in Fa Deco-Line, EuGHE 1998 I 7122, 7131 Rz. 24 zu Art. 24 Brüsseler Übereinkommen. Für eine berechtigte Kritik an dieser Rechtsprechung vgl. Heß/ Vollkommer, IPRax 1999, 219, 222.
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Kap. 1: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 2 EU-KPfVO
Vereinzelt wurde argumentiert, die fehlende Hauptsachezuständigkeit nach der Brüssel Ia-VO bedeute nicht, dass keine internationale Zuständigkeit i.R.d. der EU-KPfVO bestehen kann; mangels Eröffnung des Anwendungsbereichs der Brüssel la-VO könne vielmehr auf nationale Regelungen zur internationalen Zuständigkeit zurückgegriffen werden.33 Ein Rückgriff auf nationale Zuständigkeitsregelungen ist jedoch schwerlich mit der gesetzgeberischen Intention in Einklang zu bringen, ein einheitliches Zuständigkeitssystem für den europäischen Kontenpfändungsbeschluss zu schaffen (Art. 6 EU-KPfVO Rz. 1), insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass die Mitgliedstaaten uneinheitlich beurteilen, ob die Zuständigkeit im einstweiligen Rechtsschutz fiktiv nach den gesetzlichen Zuständigkeitsregeln ohne Berücksichtigung der Schiedsvereinbarung zu bestimmen ist oder die staatlichen Gerichte am Ort des Schiedsgerichts zuständig sind.34 Bei Beschränkung der Bereichsausnahme auf schiedsverfahrensrechtliche Haupt- und Hilfsverfahren wäre folglich zwar der Anwendungsbereich der EU-KPfVO eröffnet; es würde aber an einer internationalen Zuständigkeit fehlen.35
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cc) Bewertung Praktisch sinnvoll ist ein umfassender Ausschluss aller schiedsgebundenen Forderungen bzw. eine Ablehnung der internationalen Zuständigkeit nicht: Das mit dem Pfändungsantrag befasste Gericht prüft die Eröffnung des Anwendungsbereichs und seine internationale Zuständigkeit von Amts wegen. Erlangt das Gericht Kenntnis36 von einer Schiedsvereinbarung (etwa aus den vom Gläubiger eingereichten Unterlagen), muss es die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung als Vorfrage untersuchen,37 und zwar auch dann, wenn im nationalen Recht die Schiedsvereinbarung nur im Wege der Schiedseinrede Berücksichtigung findet (vgl. § 1032 Abs. 1 ZPO).38 Dies kann den Eilcharakter des Pfändungsverfahrens konterkarieren.39 Zudem mag man bezweifeln, ob ein umfassender Ausschluss sachlich gerechtfertigt ist.40
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3. Nicht ausgeschlossen: Unterhaltsrecht Im sachlichen Anwendungsbereich enthalten ist das Unterhaltsrecht (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 12).41 Ob für den Erlass der Verordnung gem. Art. 81 Abs. 3 Unterabs. 1 AEUV Einstimmigkeit im Rat erforderlich war, konnte offen bleiben, weil der Rat letztlich wegen Art. 293 Abs. 1 AEUV einstimmig entscheiden musste (Einl. EU-KPfVO Rz. 14). Die Sicherung von Unterhaltsforderungen nach der EU-KPfVO könnte einzig aus dem vermögensrechtlichen Blickwinkel betrachtet werden und damit dem Mitentscheidungsverfahren unterliegen. Allerdings schafft die EU-KPfVO gleichzeitig die Voraussetzungen für ein summarisches Erkenntnisverfahren, in dem der materiell-rechtliche (Unterhalts-)anspruch beurteilt wird (Art. 5 lit. a EU-KPfVO, Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO). Jedenfalls damit 33 Poboz˙niak/Sikora, Czech Yearbook of Arbitration 2018, 221, 227 ff. 34 Schack, IZVR Rz. 1489. 35 Domej, GPR 2017, 84, 85; Franzina in Franzina/Leandro (Hrsg.), Il sequestro europeo di conti bancari (2015) 1, 5. So auch ein polnisches Gericht, erwähnt bei Poboz˙niak/Sikora, Czech Yearbook of Arbitration 2018, 221, 223 ff. 36 Erlangt das Gericht im Erlassverfahren keine Kenntnis von der Schiedsvereinbarung, muss der Schuldner die Schiedseinrede im Rechtsbehelfsverfahren (Art. 33 ff. EU-KPfVO) erheben. 37 Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 23; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 75; Trenker in König/Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht Ill (2015), 129, 135; a.A. Rechberger in FS Coester-Waltjen (2015), 651, 655. Die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung ist, wie im System Brüssel Ia, nach Maßgabe des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts zu beantworten, dazu Wächter, Die Schiedseinrede bei Auslandsberührung (2020), 224 ff. 38 Dazu Wächter, Die Schiedseinrede bei Auslandsberührung (2020) 17 ff. 39 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 66; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015) 129, 135; zur Prüfungsdichte im Hinblick auf die Wirksamkeit der Schiedsklausel s. aber HilbigLugani in MünchKomm/ZPO, Art. 2 Rz. 10; Rechberger, FS Coester-Waltjen (2015), 651, 654 f. Zur gerichtlichen Prüfungsdichte im deutschen Recht Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit (7. Aufl. 2005), Kap. 7 Rz. 9. 40 Domej, GPR 2017, 84, 85; Trenker in König/Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht Ill (2015), 129, 135. 41 ErwGr. 18 Abs. 2 S. 2 EU-KPfVO; Domej, GPR 2017, 84; Garber in Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017) Rz. 9.15; Jeuland, IJPL 2016, 282, 290; Stürner, ZVglRWiss 2020, 143, 150.
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Art. 2 EU-KPfVO Anwendungsbereich dürfte die Grenze zum Familienrecht überschritten sein. Der Entwurf bezieht sich deshalb sowohl auf Aspekte, die im Mitentscheidungsverfahren verabschiedet werden können, als auch auf Aspekte, die dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegen.42 Bei der Wahl des Verfahrens hätte zum einen auf den Schwerpunkt der Maßnahme abgestellt werden können,43 wofür jedenfalls die Unterstellung der gesamten Maßnahme und nicht einzelner Aspekte44 unter das Familienrecht spricht (Art. 81 Abs. 3 AEUV). Zum anderen wäre eine Kumulierung von Mitentscheidungsverfahren und Einstimmigkeitsverfahren durchaus denkbar; sie würde die Kommission zudem an taktischen, aber gesetzgebungssystematisch nicht unbedingt vorteilhaften Abspaltungen kritischer Teile aus familienrechtlichen Verordnungen zur Umgehung des Einstimmigkeitserfordernisses hindern.
III. Zugriffsobjekt: Bankkonten 20
Zugriffsobjekt ist „Geld“ auf „Bankkonten“ (Art. 1 Abs. 1 EU-KPfVO, Art. 4 Nr. 1–3 EU-KPfVO). Die Verordnung bedient sich bei der Umschreibung des Zugriffsobjektes bewusst einer wenig technischen Sprache, um nationale Unterschiede bei der Kontenpfändung abzudecken. In Deutschland (Art. 4 Nr. 4, 12 EU-KPfVO) wird nicht „das Konto“, sondern der Auszahlungsanspruch des Schuldners gegen die Bank gepfändet.45 Die EU-KPfVO bezieht sich nicht auf die Sachpfändung, die Pfändung anderer Forderungen wie bspw. des Arbeitseinkommens46 oder die Vollstreckung durch die Anordnung einer zusätzlichen Zahlungspflicht des Schuldners zugunsten des Gläubigers (astreinte). 1. Sachliche Beschränkung: Bankkonten nach Abs. 3, 4
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Nicht vom Geltungsbereich der Verordnung erfasst sind Bankkonten, die nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates (vgl. Art. 4 Nr. 12 EU-KPfVO) nicht gepfändet werden dürfen (Art. 2 Abs. 3 Halbs. 1 EU-KPfVO, ErwGr. 9 Abs. 2 S. 2 EU-KPfVO). Anders als der weit gefasste Wortlaut vermuten ließe, ist damit nicht die Unpfändbarkeit einzelner Beträge gemeint.47 Auch das Pfändungsschutzkonto (P-Konto) des deutschen Rechts ist nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen;48 ein P-Konto führt vielmehr dazu, dass die nach dem Recht des Vollstreckungsstaates vorgesehenen Pfändungsfreibeträge (Art. 31 EU-KPfVO) automatisch bei der Ausführung des Pfändungsbeschlusses durch die Bank zu berücksichtigen sind.49 Vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind vielmehr gem. Abs. 3 Halbs. 1 solche Vermögenswerte, die überhaupt nicht gepfändet werden dürfen, z.B. weil sie wegen ihrer vollstreckungsrechtlichen Immunität nicht der Gerichtsbarkeit des Vollstreckungsmitgliedstaates unterliegen.50 Auch wenn eine Klage gegen einen ausländischen Staat oder eine sonstige der Immunität unterliegende Einheit zulässig ist, kann die Vollstreckung in Vermögensgegenstände, die hoheitlichen Zwecken gewidmet sind, unzulässig sein.51
42 Sikorski, Kontenpfändung (2018), 46 f. 43 Zu einem ähnlichen Vorschlag für eine Rom 0-Verordnung s. Wagner in Leible/Unberath (Hrsg.), Brauchen wir eine Rom 0-VO? (2013), 51, 67 f. 44 Anders im Wortlaut noch Art. 67 Abs. 5 EGV. 45 Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 400. 46 van het Kaar, WPNR 2011, 903; van het Kaar, NIPR 2011, 642, 645; Domej, ZEuP 2013, 496, 521; Müller, RIW 2012, 151, 152. 47 Sikorski, Kontenpfändungen (2018), 47; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 11; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 79; a.A. Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 192. Zur Pfändbarkeit einzelner Forderungen s. Art. 4 EU-KPfVO Rz. 5, Art. 30 EU-KPfVO, Art. 31 EU-KPfVO. 48 Domej, GPR 2017, 84, 91; Schlosser/Hess/Hess, Art. 31 Rz. 2; a.A. Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 11; Kreutz, Rpfleger 2016, 509, 513; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 214. 49 Domej, GPR 2017, 84, 91; vgl. dazu Art. 31 EU-KPfVO Rz. 6 f. 50 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 11; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 11; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 79. Vgl. auch Formulierung im Entwurf der Europäischen Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 2 Abs. 3. 51 Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 402; BGH v. 4.7.2007 – VII ZB 6/05, NJW-RR 2007, 1498 (Pfändung von Forderungen aus einem laufenden, allgemeinen Bankkonto der Botschaft eines fremden Staates).
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Kap. 1: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 3 EU-KPfVO
Außerdem gilt die EU-KPfVO nicht für die Zahlungsverkehrs- und Wertpapierabrechnungssysteme der Richtline 98/26/EG (Art. 2 Abs. 3 Halbs. 2 EU-KPfVO)52 und nicht für Konten, die von oder bei in ihrer Eigenschaft als Währungsbehörden handelnden Zentralbanken53 geführt werden (Art. 2 Abs. 4 EU-KPfVO, ErwGr. 9 Abs. 2 S. 2 EU-KPfVO).
22
2. Räumliche Beschränkung: Führung in einem Mitgliedstaat In räumlicher Hinsicht ist der Anwendungsbereich der EU-KPfVO auf die vorläufige Pfändung von 23 Bankkonten beschränkt, die in einem Mitgliedstaat geführt werden (Art. 1 Abs. 1 EU-KPfVO, ErwGr. 48 S. 2 Halbs. 2 EU-KPfVO, Art. 4 Nr. 1, 4 EU-KPfVO).
Artikel 3 Grenzüberschreitende Rechtssachen (1) Für die Zwecke dieser Verordnung gilt eine Rechtssache dann als grenzüberschreitend, wenn das mit dem Beschluss zur vorläufigen Pfändung vorläufig zu pfändende Bankkonto oder die damit vorläufig zu pfändenden Bankkonten in einem anderen Mitgliedstaat geführt werden als a) dem Mitgliedstaat des Gerichts, bei dem der Beschluss zur vorläufigen Pfändung gemäß Artikel 6 beantragt worden ist, oder b) dem Mitgliedstaat, in dem der Gläubiger seinen Wohnsitz hat. (2) Maßgeblicher Zeitpunkt zur Feststellung, ob eine grenzüberschreitende Rechtssache vorliegt, ist der Tag, an dem der Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung bei dem Gericht, das für den Erlass des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung zuständig ist, eingereicht wird. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Erfasste Konstellationen (Abs. 1) . . . . . . . . III. Pfändung mehrerer Bankkonten . . . . . . . .
3 5
IV. Zeitpunkt (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . .
8
V. Anwendung auf Inlandssachverhalte . . . . . . 10
I. Normzweck Die Verordnung findet nur auf grenzüberschreitende Rechtssachen Anwendung (Art. 2 Abs. 1 EUKPfVO). Art. 3 EU-KPfVO enthält eine Definition der grenzüberschreitenden Rechtssache.
1
Inspiriert von Art. 1 Abs. 2 EU-KPfVO des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandverein- 2 barungen vom 30.6.20051 sah die Kommission eine negative Abgrenzung der grenzüberschreitenden Rechtssache vor. Ein grenzüberschreitender Bezug sollte nur ausnahmsweise nicht vorliegen, wenn sowohl das angerufene Gericht als auch alle betroffenen Bankkonten und alle beteiligten Parteien sich in demselben Mitgliedstaat befinden. Die Anlehnung an die Haager Definition verkehrte die positive Kompetenzvoraussetzung des grenzüberschreitenden Bezuges (Art. 81 Abs. 1 S. 1 AEUV) in eine Vermutung zugunsten ihres Vorliegens.2 Nachdem die Kommission bereits bei ihren Entwürfen zur EGMahnVO und zur EG-BagatellVO keinen Erfolg mit der geplanten Ausdehnung auf innerstaatliche
52 Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen, ABl. EG (1998) L 166/45. 53 Vgl. zu dieser Einschränkung Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 9.9.2013, 13371/13. 1 Rat der EU, 26.2.2009 ABl. EU 2009 L 133/1. 2 Krit. auch Deutscher Bundesrat, BR-Drucks. 426/11, 2; Council of the EU, Note from French Delegation, 13.9.2012, 13140/12 ADD 13, 3; Guinchard, RTD eur. 2011, 871, 872 Fn. 5; Sikorski, Kontenpfändungen (2018), 51.
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Art. 3 EU-KPfVO Grenzüberschreitende Rechtssachen Sachverhalte hatte,3 beschlossen Rat und Rechtsausschuss auch für die EU-KPfVO eine positive Definition und verhinderten damit die Verwässerung des in Art. 81 Abs. 1 S. 1 AEUV vorausgesetzten grenzüberschreitenden Bezuges.
II. Erfasste Konstellationen (Abs. 1) 3
Ein grenzüberschreitender Bezug liegt vor, wenn das vorläufig zu pfändende Bankkonto in einem anderen Mitgliedstaat geführt wird,4 als dem des Gerichts, bei dem der Beschluss beantragt ist oder5 als dem des Wohnsitzes des Gläubigers.6 Die vom Rechtsausschuss favorisierte zusätzliche Konstellation, nach der ein grenzüberschreitender Bezug vorliegt, wenn der Wohnsitz des Schuldners sich in einem anderen Mitgliedstaat befindet als dem, in dem das Bankkonto geführt wird,7 wurde nicht aufgegriffen. Die Definition weicht von Art. 3 EG-MahnVO und Art. 3 EG-BagatellVO8 ab,9 weil Ausgangspunkt der Bestimmung des grenzüberschreitenden Bezuges in Art. 3 EU-KPfVO nicht die Wohnsitze von Gläubiger und Schuldner sind. Ausgangspunkt der Definition ist vielmehr das Bankkonto, welches stets in einem Mitgliedstaat geführt werden muss (Art. 4 Nr. 4 EU-KPfVO).10
4
Befinden sich Bankkonto, Gericht und Gläubigerwohnsitz im selben Mitgliedstaat, ist der Antrag abzulehnen.11 Gläubigerwohnsitz oder Kontobelegenheit in einem Drittstaat genügt nicht. Unterhält der Schuldner ein Konto in Deutschland, liegt demnach kein grenzüberschreitender Bezug vor, wenn der Gläubiger seinen Wohnsitz in der Schweiz hat und einen Pfändungsbeschluss vor deutschen Gerichten beantragt. Art. 3 Abs. 1 EU-KPfVO verbietet allerdings nicht die Konstruktion eines grenzüberschreitenden Bezuges mittels Abtretung der zu sichernden Forderung an einen anderen Gläubiger, etwa ein Unternehmen derselben Unternehmensgruppe mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat. Nach der Abtretung hat der Neugläubiger die Möglichkeit, einen europäischen Pfändungsbeschluss zu beantragen.12
III. Pfändung mehrerer Bankkonten 5
Im Gesetzgebungsverfahren war zweifelhaft, ob ein Gläubiger mit Wohnsitz im Staat des angerufenen Gerichts befugt sein sollte, die Pfändung von Konten im Inland zusammen mit der Pfändung von Konten im europäischen Ausland nach der EU-KPfVO zu beantragen, oder ob der Gläubiger in einem derartigen Fall zwei getrennte Anträge (einen Antrag nach nationalem Recht und einen nach der EU-KPfVO) zu stellen hätte. Es stellte sich also die Frage, ob ein grenzüberschreitender Bezug bzgl. aller zu pfändenden Konten bestehen muss.
6
Während der Kommissionsentwurf 13 und frühe Ratsfassungen14 noch davon ausgingen, dass eine Rechtssache bereits dann als grenzüberschreitend gilt, wenn für mindestens ein Konto ein grenzüber3 Rauscher/Gruber, Art. 3 EG-MahnVO Rz. 2; Rauscher/Varga, Art. 3 EG-BagatellVO Rz. 1. 4 Zur Bestimmung des Mitgliedstaats, in dem das Bankkonto geführt wird: Art. 4 Nr. 4 EU-KPfVO. 5 Zur Fehlerhaftigkeit der spanischen Verordnungsversion, die ein kumulatives anstatt einem alternativen Erfordernis zu statuieren scheint s. Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 12; Senés Motilla, Revista Española de Derecho Internacional 2017, 309, 311 f. Rz. 10. 6 Zur Bestimmung des Wohnsitzes: Art. 4 Nr. 15 EU-KPfVO. 7 Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 19.6.2013, A7-0227/2013, 14; vgl. auch Council of the EU, Note from the delegation of Ireland, 5.9.2012, 13140/12 ADD 9, 3. 8 Dazu Magnus, ZEuP 2018, 507, 518. 9 Krit. Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 2. 10 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 12 f.; Hess in von Hein/Rühl (Hrsg.), Kohärenz im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht der Europäischen Union (2016) S. 67, 83; Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 10. 11 Rechtbank Rotterdam v. 4.4.2018 – C/10/543305/KG RK 18-104, Ziff. 2.5. 12 Krit. Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 2. 13 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 3. 14 Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 20.9.2012, 13701/12, Art. 3 EU-KPfVO; die Delegationen zu dieser Frage um Äußerung ersuchend: Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes und des künftigen irischen Vorsitzes, 18.12.2012,
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Kap. 1: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 3 EU-KPfVO
schreitender Bezug vorliegt, verlangt die Verordnung den grenzüberschreitenden Bezug für alle zu pfändenden Konten (Art. 3 Abs. 1 EU-KPfVO, ErwGr. 10 Abs. 2 EU-KPfVO).15 Die Verordnung ist – auch bei gleichzeitiger Pfändung mit ausländischen Konten – nicht auf die Pfändung von Konten anzuwenden, die in dem Mitgliedstaat des Gerichts, bei dem der Pfändungsbeschluss beantragt worden ist, geführt werden, sofern der Wohnsitz des Gläubigers sich ebenfalls in diesem Mitgliedstaat befindet.16 In einem solchen Fall muss der Gläubiger zwei getrennte Anträge (einen nach nationalem Recht und einen nach der EU-KPfVO) stellen. Die EU-KPfVO bestimmt nicht, dass die Mitgliedstaaten die Behandlung von nationalen Anträgen und Anträgen nach der EU-KPfVO im selben Verfahren gewährleisten müssen.17 Da eine Verpflichtung zur Verfahrensverbindung somit nicht besteht, steht es den Mitgliedstaaten frei, eine Verfahrensverbindung anzuordnen (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).
7
IV. Zeitpunkt (Abs. 2) Für die Bestimmung eines grenzüberschreitenden Bezuges ist der Zeitpunkt der Antragseinreichung beim zuständigen Gericht maßgeblich (Art. 3 Abs. 2 EU-KPfVO). Gemeint ist der Antragseingang, nicht das Absenden.18 Fallen die Merkmale des grenzüberschreitenden Bezuges später weg, so führt dies nicht zur Unanwendbarkeit der Verordnung.19 Die Bezugnahme auf die Zuständigkeit des Gerichts ist dahingehend zu verstehen, dass nur die internationale Zuständigkeit des Gerichts (Art. 6 EU-KPfVO) bestehen muss.20
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Ein drohender grenzüberschreitender Bezug bei Antragseinreichung, etwa bei drohendem Beiseiteschaffen in einen anderen Mitgliedstaat, ist nicht ausreichend.21 Entsteht der grenzüberschreitende Bezug erst nach Antragseinreichung und vor Entscheidung über den Antrag, bleibt der Antrag unzulässig,22 denn Art. 3 EU-KPfVO enthält keine Heilungsvorschrift. Hält der Gläubiger nach Zwischenverfügung (Art. 17 Abs. 3 EU-KPfVO) an seinem Antrag fest, kann dieses Verhalten als neuer, stichtagsbegründender Antrag ausgelegt werden.
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V. Anwendung auf Inlandssachverhalte Den Mitgliedstaaten steht es frei, die Verordnung unabhängig vom Bestehen eines grenzüberschrei- 10 tenden Bezuges auf Inlandssachverhalte anzuwenden. Der deutsche Gesetzgeber erweiterte den Anwendungsbereich der EU-KPfVO nicht. In Österreich ist die EU-KPfVO gem. § 422 Abs. 3 EO auch dann anzuwenden, wenn sich das zuständige Gericht, das zu pfändende Bankkonto und der Gläubigerwohnsitz in Österreich befinden.23
15 16
17 18 19 20 21 22 23
17738/12, Art. 3 Fn. 6; vgl. dagegen spätere allgemeine Ausrichtung: Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, 4 Fn. 5. Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 6. Rechtbank Rotterdam v. 4.4.2018 – C/10/543305/KG RK 18-104, Ziff. 2.5; Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 13; Domej, GPR 2017, 84, 85; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2; Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 10; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 55; Schumacher/ Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 14 f. (auch zur möglichen teilweisen Bewilligung eines Antrags). Eine Verfahrensverbindung wurde im Rat zeitweise befürwortet: Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes und des künftigen irischen Vorsitzes, 18.12.2012, 17738/12, 4 Fn. 6. Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014) Rz. 51. Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.24. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5; ebenso für die EG-BagatellVO Rauscher/Varga, Art. 3 EG-BagatellVO Rz. 8. Domej, ZEuP 2013, 496, 521. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3; a.A. allgemein zum grenzüberschreitenden Bezug Magnus, ZEuP 2018, 507, 537. Anzenberger/Ivanc, Austrian Law Journal 2017, 57, 63; Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.25.
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501
Art. 4 EU-KPfVO Begriffsbestimmungen
Artikel 4 Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck 1. „Bankkonto“ oder „Konto“ jedes Konto, das im Namen des Schuldners oder in fremdem Namen für den Schuldner bei einer Bank geführt wird und auf dem Gelder gutgeschrieben sind; 2. „Bank“ ein Kreditinstitut im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates1 einschließlich der Zweigniederlassungen im Sinne des Artikels 4 Absatz 1 Nummer 17 jener Verordnung, die ihren Hauptsitz innerhalb oder – gemäß Artikel 47 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates2 – außerhalb der Union haben, wenn sich diese Zweigniederlassungen in der Union befinden; 3. „Gelder“ ein in beliebiger Währung auf einem Konto gutgeschriebener Geldbetrag oder vergleichbare Geldforderungen, wie beispielsweise Geldmarkteinlagen; 4. „Mitgliedstaat, in dem das Bankkonto geführt wird“ a) den Mitgliedstaat, der in der internationalen Kontonummer (IBAN) des Kontos angegeben ist, oder b) bei einem Bankkonto ohne IBAN, den Mitgliedstaat, in dem die Bank, bei der das Konto geführt wird, ihren Hauptsitz hat, oder, sofern das Konto bei einer Zweigniederlassung geführt wird, den Mitgliedstaat, in dem sich die Zweigniederlassung befindet; 5. „Forderung“ eine Forderung auf Zahlung eines bestimmten fälligen Geldbetrags oder eine Forderung auf Zahlung eines bestimmbaren Geldbetrags, der sich aus einer bereits erfolgten Transaktion oder einem bereits eingetretenen Ereignis ergibt, sofern eine solche Forderung gerichtlich eingeklagt werden kann; 6. „Gläubiger“ eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat oder eine juristische Person mit Sitz in einem Mitgliedstaat oder ein sonstiger Rechtsträger mit Sitz in einem Mitgliedstaat, der nach dem Recht eines Mitgliedstaats vor Gericht klagen oder verklagt werden kann, welche bzw. welcher einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung für eine Forderung beantragt oder bereits erwirkt hat; 7. „Schuldner“ eine natürliche oder juristische Person oder ein sonstiger Rechtsträger, der nach dem Recht eines Mitgliedstaats vor Gericht klagen oder verklagt werden kann, gegen die bzw. den der Gläubiger einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung für eine Forderung erwirken will oder bereits erwirkt hat; 8. „gerichtliche Entscheidung“ jede von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung, einschließlich des Kostenfestsetzungsbeschlusses eines Gerichtsbediensteten; 9. „gerichtlicher Vergleich“ einen Vergleich, der von einem Gericht eines Mitgliedstaats gebilligt oder vor einem Gericht eines Mitgliedstaats im Laufe eines Verfahrens geschlossen worden ist; 10. „öffentliche Urkunde“ ein Schriftstück, das in einem Mitgliedstaat als öffentliche Urkunde förmlich errichtet oder eingetragen worden ist und dessen Beweiskraft a) sich auf die Unterschrift und den Inhalt der Urkunde bezieht und b) durch eine Behörde oder eine andere hierzu ermächtigte Stelle festgestellt worden ist; 11. „Ursprungsmitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, in dem der Beschluss zur vorläufigen Pfändung erlassen worden ist; 1 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1). 2 Amtliche Fußnote: Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338).
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Kap. 1: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 4 EU-KPfVO
12. „Vollstreckungsmitgliedstaat“ den Mitgliedstaat, in dem das vorläufig zu pfändende Konto geführt wird; 13. „Auskunftsbehörde“ die von einem Mitgliedstaat benannte Behörde, die befugt ist, die erforderlichen Informationen zu dem Konto oder den Konten des Schuldners gemäß Artikel 14 einzuholen; 14. „zuständige Behörde“ die von einem Mitgliedstaat benannte Behörde oder benannten Behörden, die befugt ist bzw. sind, den Empfang, die Übermittlung oder die Zustellung gemäß Artikel 10 Absatz 2, Artikel 23 Absätze 3, 5 und 6, Artikel 25 Absatz 3, Artikel 27 Absatz 2, Artikel 28 Absatz 3 und Artikel 36 Absatz 5 Unterabsatz 2 vorzunehmen; 15. „Wohnsitz“ den Wohnsitz nach Maßgabe der Artikel 62 und 63 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates.* I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Zugriffsobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bankkonto (Nr. 1) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gelder (Nr. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 3 4
III. Bank (Nr. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
IV. Mitgliedstaat, in dem das Bankkonto geführt wird (Nr. 4) . . . . . . . . . . . . . .
9
V. 1. 2. 3. 4. VI. 1. 2. 3. 4.
Forderung (Nr. 5) Geldforderung . . . Fälligkeit . . . . . . Einklagbarkeit . . . Teilforderung . . .
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11 11 12 14 16
Gläubiger und Schuldner (Nr. 6, 7) . . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich Partei- und Prozessfähigkeit . . . . . . . . . . Prozess- und Vollstreckungsstandschaft . . .
17 17 18 22 23
VII. Gerichtliche Entscheidung (Nr. 8) . . . . . 24 1. Feststellungsentscheidungen . . . . . . . . . 25
2. 3. 4. 5.
Summarische Entscheidungen . . . . . . Einstweilige Maßnahmen . . . . . . . . . Drittstaatliche Entscheidungen . . . . . . Anerkennungs- oder Vollstreckbarkeitsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . a) Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat verschieden . . . b) Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat identisch . . . . . 6. Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zwangs- und Ordnungsgeldbeschlüsse .
. . 26 . . 27 . . 28 . . 29 . . 31 . . 32 . . 33 . . 34
VIII. Gerichtlicher Vergleich (Nr. 9) . . . . . . . 35 IX. Öffentliche Urkunde (Nr. 10) . . . . . . . . 36 X. Ursprungsmitgliedstaat, Vollstreckungsmitgliedstaat (Nr. 11, 12) . . . . . . . . . . . 37 XI. Auskunftsbehörde (Nr. 13) . . . . . . . . . . 38 XII. Zuständige Behörde (Nr. 14) . . . . . . . . . 39 XIII. Wohnsitz (Nr. 15) . . . . . . . . . . . . . . . 40
I. Normzweck Art. 4 EU-KPfVO beinhaltet den in der jüngeren Gesetzgebungstradition der EU üblich gewordenen 1 Katalog von Begriffsbestimmungen.
II. Zugriffsobjekt Zugriffsobjekt der Pfändung ist „Geld“ auf „Bankkonten“ (Art. 2 EU-KPfVO Rz. 20).
2
1. Bankkonto (Nr. 1) Ein Bankkonto ist jedes Konto, das im Namen des Schuldners oder in fremdem Namen für den Schuldner bei einer Bank (Art. 4 Nr. 2 EU-KPfVO) geführt wird und auf dem „Gelder“ (Art. 4 Nr. 3
* Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 351 vom 20.12.2012, S. 1).
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3
Art. 4 EU-KPfVO Begriffsbestimmungen EU-KPfVO) aller Art gutgeschrieben sind.3 Gepfändet werden können in erster Linie Forderungen aus Girokonten und aus Sparkonten, aber auch Geldmarkteinlagen (insbesondere Tagesgeldkonten). Obgleich im Kommissionsvorschlag noch enthalten, sind sonstige Finanzinstrumente4 von der Verordnung nicht mehr erfasst. Zu dieser Einschränkung führten vor allem die Bedenken des UK um die häufig komplizierte Realisierbarkeit der Pfändung bei Finanzinstrumenten.5 Die Sorge der Kommission, einzelne Schuldner könnten dem Pfändungsbeschluss entkommen, indem sie ihre liquiden Mittel in Finanzinstrumenten deponieren, blieb ungehört.6 Die Kommission wird in einem Bericht über die Anwendung der Verordnung die Einbeziehung von Finanzinstrumenten erneut prüfen (Art. 53 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO). Art. 2 Abs. 3, 4 EU-KPfVO benennen Bankkonten, auf die die EU-KPfVO nicht anwendbar ist. 2. Gelder (Nr. 3) 4
„Gelder“ sind in beliebiger Währung auf einem Konto gutgeschriebene Geldbeträge oder vergleichbare Geldforderungen, wie beispielsweise Geldmarkteinlagen. Ist ein Konto debitorisch, ergibt sich kein gutgeschriebener Geldbetrag. Die Pfändung scheidet dann aus, auch wenn der Schuldner über den Debetsaldo aufgrund eines Dispositionskredits oder aufgrund einer von der Bank geduldeten Überziehung verfügen kann und die Pfändung nach nationalem Recht möglich wäre.7
5
Art. 4 Nr. 3 EU-KPfVO legt nicht fest, welche Ansprüche des Schuldners gegen die Bank pfändbar sind. Für von der Pfändung ausgenommene Beträge und für die Pfändbarkeit von Treuhand- und Gemeinschaftskonten verweisen Art. 30, 31 EU-KPfVO auf das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates. Konten, die nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates überhaupt nicht gepfändet werden dürfen, sind gem. Art. 2 Abs. 3 Halbs. 1 EU-KPfVO vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Auch im Übrigen richtet sich die Frage der Pfändbarkeit, soweit sie verfahrensrechtlich qualifiziert wird,8 nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO). Enthält das Vollstreckungsrecht Regelungen für die Pfändbarkeit von Forderungen, gelten diese. Verweist das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats bezüglich der Pfändbarkeit auf die Übertragbarkeit des Anspruchs (§ 851 Abs. 1 ZPO), so richtet sich die Übertragbarkeit nach der lex causae.
III. Bank (Nr. 2) 6
Art. 4 Nr. 2 EU-KPfVO definiert den Begriff der Bank unter Verweis auf andere Rechtsakte der EU. Eine Bank ist ein Unternehmen, dessen Tätigkeit darin besteht, Einlagen oder andere rückzahlbare Gelder von Kunden entgegenzunehmen und Kredite für eigene Rechnung zu gewähren (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 VO (EU) Nr. 575/2013, ErwGr. 9 Abs. 1 EU-KPfVO). Finanzinstitute, die keine solchen Einlagen entgegennehmen, beispielsweise solche Institute, die Ausfuhr- und Investitionsprojekte oder Projekte in Entwicklungsländern finanzieren, oder Institute, die Finanzmarktdienstleistungen erbringen, sind keine Banken i.S.d. Verordnung.9 So ist beispielsweise die Kreditanstalt für Wiederaufbau 3 Die Bezugnahme auf Gelder statt auf Forderungen zeugt freilich von einem eher untechnischen als juristischen Sprachgebrauch der Verordnung. 4 Geplante Definition: Anhang I Abschnitt C Richtlinie 2004/39/EG. 5 UK Ministry of Justice, Response to Public Consultation, 26.1.2012, CP(R) 1/2012, S. 12 Nr. 23; Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/1, 3; Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 9.9.2013, 13364/13, 4 f.; dazu Orfanidis in Hopt/Tzouganatos, Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 275 f. 6 Council of the EU, Note from the Services of the Commission, 13.3.2013, 7442/13, 2. 7 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 9; Ritz, Kontenpfändung (2019), 103 f.; Sikorski, Kontenpfändungen (2018), 285. Zum deutschen Vollstreckungsrecht vgl. BGH, Urt. v. 29.3.2001 – IX ZR 34/00 (zumindest die Ansprüche des Schuldners gegen die Bank aus einem vereinbarten Dispositionskredit sind pfändbar, soweit der Schuldner den Kredit in Anspruch nimmt), zum Kollisionsrecht vgl. Heinrich/Pendl, Kontoüberziehungen und internationales Privatrecht, BRK 2020, 374 ff. 8 Schack, IZVR, Rz. 1137; Nagel/Gottwald, IZPR, Rz. 19.86 f.; Gottwald, IPRax 1991, 285, 290; differenzierend Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung (2004), 248. 9 ErwGr. 9 Abs. 2 S. 1 EU-KPfVO.
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Kap. 1: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 4 EU-KPfVO
(KfW) keine Bank i.S.v. Art. 4 Nr. 1 EU-KPfVO. Von einer abschließenden Enumeration der nicht erfassten Institute wurde abgesehen.10 Als Banken gelten auch Zweigniederlassungen, die als Betriebsstelle einen rechtlich unselbständigen Teil eines Kreditinstituts bilden und sämtliche Geschäfte oder einen Teil der Geschäfte, die mit der Tätigkeit eines Kreditinstituts verbunden sind, unmittelbar betreiben (Art. 4 Abs. 1 Nr. 17 VO (EU) Nr. 575/2013). Zum räumlichen Anwendungsbereich Rz. 9.
7
E-Geld-Institute i.S.d. Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2009/110/EG sind keine Kreditinstitute i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 der VO (EU) Nr. 575/2013.11 Eine Einbeziehung von E-Geld-Instituten wurde im Rat erwogen,12 findet sich aber in der EU-KPfVO nicht wieder. E-Geld-Institute sind daher vom Bankbegriff der EU-KPfVO nicht umfasst.13
8
IV. Mitgliedstaat, in dem das Bankkonto geführt wird (Nr. 4) Der räumliche Anwendungsbereich der EU-KPfVO ist eröffnet, wenn das zu sichernde Bankkonto in einem Mitgliedstaat geführt wird (Art. 1 Abs. 1 EU-KPfVO, Art. 2 EU-KPfVO Rz. 23).14 Zur Vermeidung von Unsicherheiten bei der Lokalisation von Bankkonten15 indiziert der zweistellige Ländercode, der in den ersten zwei Buchstaben der IBAN (International Bank Account Number) zu finden ist, den Ort der Kontoführung (Art. 4 Nr. 4 lit. a EU-KPfVO). Die im Zuge der Umstellung des Überweisungsverkehrs in das Marktbewusstsein vorgedrungene IBAN ist ein, eine Länderkennung enthaltender alphanumerischer Code, der ein Zahlungskonto in einem (Mitglied-)Staat eindeutig identifiziert und dessen Elemente durch die Internationale Organisation für Normung (ISO) spezifiziert sind.16 Innerhalb der EU müssen Banken ihren Kunden eine IBAN für Konten bereitstellen,17 so dass davon auszugehen ist, dass jedes in der EU geführte Konto auch mit einer IBAN versehen ist. Die Länderkennung der IBAN richtet sich nach dem Ort der kontoführenden und ggf. unselbständigen Zweigniederlassung. Für Bankkonten, die ausnahmsweise ohne IBAN geführt werden, ist auf die – ggf. unselbständige – Zweigniederlassung abzustellen, bei der das Konto geführt wird (Art. 4 Nr. 4 lit. b EU-KPfVO).18 Der räumliche Anwendungsbereich der EU-KPfVO erstreckt sich daher auf Konten bei ggf. unselbständigen Zweigniederlassungen innerhalb der EU, auch wenn sich der Sitz der Hauptniederlassung außerhalb der EU befindet.19
9
Die Verordnung definiert lediglich den Ort der Kontoführung. Eine Definition für den Ort der Be- 10 legenheit der Forderung ist, in Abweichung vom Kommissionsentwurf,20 nicht mehr vorgesehen. 10 Eine solche Aufführung erwägend: Council of the EU, Note from the Delegation of the United Kingdom, 9.9.2013, 13364/13, 1 ff. 11 Vgl. zur RL 2013/36/EU, die in Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 auf die VO (EU) Nr. 575/2013 verweist: Söbbing, BKR 2019, 443, 446. 12 Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes und des künftigen litauischen Vorsitzes, 28.6.2013, 11713/13, Art. 4 Nr. 2 lit. b EU-KPfVO; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 31.10.2013, 15288/13, Art. 4 Nr. 2 lit. b EU-KPfVO. 13 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 22. 14 Van het Kaar, NIPR 2011, 642, 645; Domej, ZEuP 2013, 496, 520; Staehelin, IJPL 2017, 276, 280. Offenlassend, ob bei kontoführender Zweigniederlassung in Drittstaat und Hauptniederlassung in Mitgliedstaat eine Pfändung bei der Hauptniederlassung möglich ist: Domej, GPR 2017, 84, 86. 15 Zwickel in Douchy-Oudet/Guinchard (Hrsg.), La justice civile européenne en marche (2012) 233, 239. 16 Art. 2 Abs. 15 VO (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.3.2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009, ABl. EU 2012 L 94/22. 17 Art. 4 VO (EG) Nr. 924/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2560/2001, ABl. EU 2009 L 266/11. 18 Krit. im Hinblick auf die Durchsetzungszuständigkeit im Staat der Zweigniederlassung Markus, IPRax 2021, 290, 295. 19 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 7. Zum Erfordernis der Erfüllung der Anzeigepflicht nach Art. 47 Abs. 2 der Richtlinie 2013/36/EU bei Zweigniederlassungen mit Hauptsitz außerhalb der EU s. ebenfalls Geimer/Schütze/ Klöpfer, Rz. 7. 20 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 4 Nr. 6.
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Art. 4 EU-KPfVO Begriffsbestimmungen Die Belegenheit von Forderungen bestimmt sich in Deutschland (vgl. § 23 S. 2 Alt. 1 ZPO) und auch der Mehrheit der übrigen Mitgliedstaaten nach dem Wohnsitz/Sitz des Drittschuldners.21 Befindet sich das Konto des Schuldners bei einer unselbständigen Zweigniederlassung der Bank, divergieren die Ansichten der Mitgliedstaaten, ob auf den Sitz der kontoführenden Zweigniederlassung oder den Sitz der juristischen Person, die die unselbständige Niederlassung betreibt, abzustellen ist.22 Eine einheitliche Definition des Belegenheitsortes erschien daher zunächst notwendig, verschwand aber en passant mit der ebenfalls zunächst angestrebten Zuständigkeit für den Erlass des Beschlusses am Belegenheitsort der Forderung (Art. 6 EU-KPfVO Rz. 4).
V. Forderung (Nr. 5) 1. Geldforderung 11
Der sachliche Anwendungsbereich ist auf den Erlass von Maßnahmen zur Sicherung von Geldforderungen des Gläubigers beschränkt (Art. 2 Abs. 1 S. 1 EU-KPfVO). Soweit die Verordnung von Forderungen spricht, sind damit nur Forderungen auf Zahlung einer bestimmten oder bestimmbaren Geldsumme gemeint (Art. 4 Nr. 5 EU-KPfVO). Vermögensrechtliche Ansprüche, die in eine Forderung auf Zahlung einer Geldsumme übergehen können, sind sicherbar,23 soweit der Zahlungsanspruch als betagter oder bedingter Anspruch sicherbar ist. Herausgabeansprüche, Unterlassungsansprüche und Ansprüche auf Vornahme einer Handlung werden nicht erfasst.24 Für die Sicherung anderer Ansprüche als Geldforderungen bleiben nur die Sicherungsmaßnahmen nach nationalem Recht.25 Ob Zwangs- und Ordnungsgeldforderungen als Geldforderungen anzusehen sind, ist derzeit noch offen.26 Jedenfalls dürften sie nur unter Nr. 5 fallen, wenn die Höhe des Zwangs- oder Ordnungsgeldes bereits endgültig festgesetzt wurde; die Forderung ist nicht bestimmbar, wenn die Festsetzung noch aussteht. Vgl. auch Art. 2 EU-KPfVO Rz. 2 (Zivil- und Handelssache), Rz. 23 (Aktivlegitimation), Rz. 34 (Entscheidungsqualität). 2. Fälligkeit
12
Im Gesetzgebungsverfahren war zweifelhaft, ob die Geldforderung fällig sein muss.27 Der Rechtsausschuss beschränkte die Definition auf fällige Geldforderungen und schloss die Sicherung betagter oder bedingter Ansprüche damit aus.28 Die EU-KPfVO erlaubt hingegen, der Auffassung des Rates folgend, eine Sicherung noch nicht fälliger Forderungen, sofern diese sich aus einer bereits erfolgten Transaktion (d.h. Rechtsgeschäft)29 oder einem bereits eingetretenen Ereignis ergeben und ihre Höhe bestimmbar ist (ErwGr. 12 Abs. 1 EU-KPfVO). Gesetzliche Unterhaltsverpflichtungen rühren aus einem Ereignis her (z.B. Eheschließung, Scheidung, Geburt, Vaterschaftsanerkennung) und können daher per Pfändungsbeschluss gesichert werden, auch wenn sie noch nicht fällig sind.30
21 22 23 24 25 26 27 28 29 30
Kotrschal/Stalberg, BKR 2009, 38, 40; Hök, WM 2005, 306, 308 m.w.N. Hess in FS Kropholler (2008), 795, 801. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 7. Reith, ecolex 2016, 780, 781. Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014) S. 263, 273. Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal de première instance de Liège (Belgien) v. 7.5.2021 – C-291/21 – Starkinvest SRL; dafür: BGH v. 25.3.2010 – I ZB 116/08, BGHZ 185, 124, 127, 131 (Rz. 10, 19) (für die EG-VollstrTitelVO); dagegen: OLG Köln v. 2.12.2020 – 13 W 40/20. Für eine Erfassung bedingter und betagter Ansprüche i.R.d. europäischen Kontenpfändung Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 257. Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 19.6.2013, A7-0227/2013, S. 15 Art. 4 Nr. 7. Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014) Rz. 36; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 8. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 43; a.A. Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014) Rz. 19; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Art. 1 Rz. 3.
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Kap. 1: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 4 EU-KPfVO
Die Einbeziehung bestimmbarer Forderungen erlaubt die Sicherung von sog. non-liquidated damages des Common Law, die erst dann eine Verpflichtung begründen, wenn über das Verschulden des Schädigers und die Höhe des Schadens gerichtlich entschieden wurde.31
13
3. Einklagbarkeit Zudem muss die Forderung gerichtlich einklagbar sein. Das Merkmal wurde hinzugefügt, um klarzustellen, dass Art. 4 Nr. 5 EU-KPfVO für nicht fällige und nicht bestimmte Forderungen die Klagbarkeit nicht erweitert. Das Erfordernis der Klagbarkeit gilt jedoch ungeachtet des nicht eindeutigen Wortlauts auch für fällige und bestimmte Forderungen.32
14
Damit stellt sich die Frage, welches Recht auf die Klagbarkeit der Forderung anwendbar ist. Betrachtet man die Klagbarkeit als Eigenschaft des Anspruchs, führt dies zu einer materiell-rechtlichen Qualifikation, mit der Folge, dass die jeweilige lex causae anzuwenden ist. Betrachtet man die Klagbarkeit als die durch Prozessrecht geregelte Befugnis, die Forderung klageweise geltend zu machen,33 dann ist die Klagbarkeit verfahrensrechtlich zu qualifizieren. Aufgrund des mitunter bereits in den nationalen Rechtsordnungen bestehenden Streits über die Qualifikation der Klagbarkeit,34 wäre eine Klarstellung wünschenswert gewesen. Mangels Regelung in der EU-KPfVO richtet sich die Qualifikation der Klagbarkeit nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO).
15
4. Teilforderung Der Gläubiger muss nicht zwingend die Sicherung seiner gesamten Forderung beantragen, sondern kann seinen Antrag auch auf eine Teilforderung beziehen,35 z.B. weil der andere Teil seiner Forderung bereits in sonstiger Weise gesichert ist.
16
VI. Gläubiger und Schuldner (Nr. 6, 7) 1. Allgemeines Als Gläubiger wird diejenige natürliche oder juristische Person oder derjenige sonstige Rechtsträger bezeichnet, die bzw. der einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung für eine Forderung beantragt oder bereits erwirkt hat (Art. 4 Nr. 6 EU-KPfVO). Schuldner ist diejenige natürliche oder juristische Person oder derjenige sonstige Rechtsträger, gegen die bzw. den der Gläubiger einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung für eine Forderung erwirken will oder bereits erwirkt hat (Art. 4 Nr. 7 EU-KPfVO). Für Schuldner, die Verbraucher sind, enthält Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO eine zuständigkeitsrechtliche Privilegierung.
17
2. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich Der Kommissionsentwurf setzte nicht ausdrücklich voraus, dass eine der Parteien, Gläubiger oder 18 Schuldner, ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat.36 Zweifel an der Anwendbarkeit auf Schuldner aus Drittstaaten ergaben sich aus der Beschränkung der Zustellungsregelung auf Schuldner mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat.37 Nicht geregelt war, wie der Beschluss an Schuldner in Drittstaaten zuzustellen ist. Grund für die Lücke war der Umstand, dass für solche Zustellungen völkervertragli-
31 Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 4. 32 Garber in Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.10; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 135. 33 Für eine prozessrechtliche Qualifikation Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 49. 34 Zum Streit im deutschen Recht: Weller, Die Vertragstreue: Vertragsbindung – Naturalerfüllungsgrundsatz – Leistungstreue (2009) 382 ff. 35 ErwGr. 12 Abs. 2 EU-KPfVO; OLG Innsbruck v. 7.5.2019 – 10R25/19f. 36 Van het Kaar, NIPR 2011, 642, 645; Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 404. 37 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 25 Abs. 2 bis 4.
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Art. 4 EU-KPfVO Begriffsbestimmungen ches oder einzelstaatliches Recht gilt und nicht die EG-ZustVO 2007, die nur auf Zustellungen zwischen Mitgliedstaaten Anwendung findet. 19
Die EU-KPfVO verweist nun für Schuldner mit Wohnsitz in einem Drittstaat auf die im Ursprungsmitgliedstaat geltenden Regelungen der internationalen Zustellung (Art. 28 Abs. 4 EU-KPfVO). Damit ist klargestellt, dass die Verordnung auch auf Schuldner mit Wohnsitz in einem Drittstaat Anwendung findet.38
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Die EU-KPfVO beinhaltet allerdings eine, den Verordnungen zum Zivilverfahrensrecht bisher fremde, Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Gläubiger mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat (ErwGr. 48 S. 2 Halbs. 1 EU-KPfVO).39 Dieser im Rat gefundene40 und vom Parlament zunächst missbilligte41 Kompromiss trägt Bedenken aus Kreisen der Mitgliedstaaten Rechnung.42
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Die Kommission unterstützte die Einschränkung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs nicht, weshalb bei der Abstimmung über die Verordnung im Rat gem. Art. 293 Abs. 1 AEUV Einstimmigkeit erforderlich war (Einl. EU-KPfVO Rz. 14). 3. Partei- und Prozessfähigkeit
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Als beteiligte Gläubiger und Schuldner kommen neben natürlichen Personen auch juristische Personen und sonstige Rechtsträger in Betracht. Voraussetzung ist gem. Nr. 6, 7, dass die Beteiligten vor Gericht klagen bzw. verklagt werden können. Die Einbeziehung der Parteifähigkeit in die Definitionen mutet etwas eigentümlich an, ist die Parteifähigkeit doch ohnehin als allgemeine Verfahrensvoraussetzung vom Ursprungsgericht zu prüfen (Art. 17 EU-KPfVO Rz. 2). Die Partei- und Prozessfähigkeit bestimmt sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO). 4. Prozess- und Vollstreckungsstandschaft
23
Die Gläubigerrolle nach Art. 4 Nr. 6 EU-KPfVO ist nicht an das Behaupten einer eigenen Forderung gegen den Schuldner geknüpft. Es genügt die Antragstellung (Art. 4 Nr. 6 EU-KPfVO).43 Die Zulässigkeit der Geltendmachung einer fremden Forderung im Wege der Prozess- bzw. Vollstreckungsstandschaft ist nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zu beantworten (Art. 46 Abs. 1 EUKPfVO).44 Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO indiziert für titulierte Forderungen zwar eine Identität von Titelgläubiger und antragstellendem Gläubiger (Titel, „mit dem der Schuldner aufgefordert wird, die Forderung des Gläubigers zu erfüllen“); mit der Formulierung wollte der Unionsgesetzgeber jedoch vermutlich nationale Regelungen zur Vollstreckungsstandschaft nicht vorwegnehmen. Bei Antragstellung in Deutschland dürfte es darauf ankommen, ob bereits ein Titel vorliegt oder nicht. Liegt noch kein Titel vor, ist das Erlassverfahren mit einem Arrestverfahren vergleichbar, in dem die Prozessstandschaft unter Umständen zulässig ist.45 Liegt ein Titel vor, darf nur der im Titel benannte Gläubiger bzw. dessen Rechtsnachfolger (§ 727 ZPO) die Vollstreckung betreiben. Eine gewillkürte Vollstreckungsstandschaft ist grundsätzlich unzulässig.46 38 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 14; Domej, GPR 2017, 84; Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017) Rz. 9.22; Jeuland, IJPL 2016, 283, 289. 39 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 14; Senés Motilla, Revista Española de Derecho Internacional 2017, 309, 311 Rz. 6; krit. Domej, GPR 2017, 84 f.; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 12; a.A. Jeuland, IJPL 2016, 283, 289. 40 Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, 7 Rz. 12. 41 Council of the EU, Note from the Polish, Irish, Bulgarian, Croatian, Czech, Estonian, Finnish, Hungarian, Latvian, Romanian and Slovenian delegations, 30.1.2014, 5919/14, 2; zu den Argumenten des Parlaments s. Council of the EU, Note to JHA Counsellors meeting, 30.1.2014, 5912/14, 1 ff. 42 Council of the EU, Note from the Presidency, 29.11.2013, 16817/13, 1; Council of the EU, Note from the delegations of Belgium, France, Luxemburg and Spain, 31.10.2013, 15559/13; dazu Orfanidis in Hopt/Tzouganatos, Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014) 263, 277 f. 43 BGH, Beschluss v. 25.3.2010 – I ZB 116/08, Rz. 15 (für die EG-VollstrTitelVO); Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 11. 44 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 408. 45 Berger/Berger, Einstweiliger Rechtsschutz im Zivilrecht (2006), 144 f. Rz. 84 ff. 46 Becker-Eberhard in MünchKomm/ZPO, (5. Aufl. 2020) § 265 ZPO Rz. 10 m.w.N.
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Kap. 1: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 4 EU-KPfVO
VII. Gerichtliche Entscheidung (Nr. 8) Zur Definition der gerichtlichen Entscheidung übernimmt Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO die aus Art. 2 lit. a 24 Halbs. 1 Brüssel Ia-VO und Art. 4 Nr. 1 EG-VollstrTitelVO bekannte Begriffsbestimmung. Erfasst werden alle von einem Gericht stammenden Akte, wobei es auf die Bezeichnung der Entscheidung nicht ankommt. Zusätzlich ist erforderlich, dass es sich um eine Entscheidung in der Hauptsache handelt. Darauf weist zum einen der Zusatz „in der Hauptsache“ in Art. 33 Abs. 1 lit. f, g EU-KPfVO hin. Zum anderen schafft dieses Erfordernis eine Synchronität (Art. 10 EU-KPfVO Rz. 8) zwischen Pfändungsverfahren vor Erwirkung eines Titels (Art. 5 Nr. 1 EU-KPfVO) und Pfändungsverfahren nach Erwirkung eines Titels (Art. 5 Nr. 2 EU-KPfVO): Verfügt der Gläubiger noch nicht über einen Titel, muss er als Surrogat für dieses Manko ein Verfahren betreiben oder zumindest innerhalb der von Art. 10 EU-KPfVO genannten Frist anhängig machen. Art. 5 Nr. 1 EU-KPfVO und Art. 10 EUKPfVO setzen voraus, dass es sich bei einzuleitenden Verfahren um ein Verfahren in der Hauptsache handelt. Die gerichtliche Entscheidung ersetzt das Erfordernis der Einleitung eines Hauptsachverfahrens. Daher kann es sich bei der Entscheidung i.S.v. Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO, Art. 5 Abs. 2 EU-KPfVO, Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO nur um eine Entscheidung in der Hauptsache handeln. Entscheidungen in der Hauptsache sind alle Entscheidungen, die einen vollstreckbaren Titel über die zugrunde liegende Forderung schaffen (vgl. ErwGr. 13 S. 2 EU-KPfVO) und folglich einen Leistungsbefehl enthalten.47 1. Feststellungsentscheidungen Feststellungsentscheidungen schaffen keinen vollstreckbaren Titel über die zugrunde liegende Forderung und sind folglich keine Entscheidungen i.S.v. Nr. 8.48 Mit einer Feststellungsentscheidung kann der Gläubiger allerdings seinen Erlassanspruch darlegen (Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO).
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2. Summarische Entscheidungen Summarische Entscheidungen sind Entscheidungen i.S.v. Nr. 8 (vgl. ErwGr. 13 S. 2 EU-KPfVO). Hierzu gehören neben nationalen Vollstreckungsbescheiden auch europäische Zahlungsbefehle.49
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3. Einstweilige Maßnahmen Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes sind – anders als unter Art. 2 Brüssel Ia-VO – nur als 27 Entscheidungen i.S.d. EU-KPfVO zu qualifizieren, wenn sie einen Leistungsbefehl enthalten. Erfasst sind folglich Leistungsverfügungen (§ 935 ZPO), einstweilige Anordnungen zur Zahlung von Unterhalt (§ 246 FamFG) und die französischen procédure de référé (ErwGr. 13 S. 2 EU-KPfVO). Nicht erfasst sind einstweilige Maßnahmen, die nur einen Sicherungsbefehl enthalten (z.B. Arrest).50 4. Drittstaatliche Entscheidungen Die Entscheidung muss aus einem Mitgliedstaat stammen. Entscheidungen aus Drittstaaten werden nicht erfasst.
47 Vgl. Art. 5 lit. b EU-KPfVO: „… mit dem der Schuldner aufgefordert wird, die Forderung des Gläubigers zu erfüllen.“ 48 A.A. Orfanidis in Hopt/Tzouganatos, Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 284. 49 AG Wedding v. 3.4.2017 – 6a C 1001/17 Rz. 7 juris; Cranshaw, jurisPR-HaGesR 7/2020 Anm. 1; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 13; Ulrici, RIW 2018, 718, 726. 50 OLG Hamm v. 13.11.2019 – 8 W 30/19, NJW-RR 2020, 550 Rz. 12–16; Cranshaw, jurisPR-HaGesR 7/2020 Anm. 1; Schack, IZVR, Rz. 1168; a.A. (alle Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes erfasst) Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 13; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 16; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 59; Rauscher/Rauscher/Wiedemann, Rz. 22 (Vorauflage).
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Art. 4 EU-KPfVO Begriffsbestimmungen 5. Anerkennungs- oder Vollstreckbarkeitsentscheidungen 29
Unter der Brüssel Ia-VO sind Anerkennungs- und Vollstreckbarkeitsentscheidungen anderer Mitgliedstaaten keine Entscheidungen i.S.v. Art. 2 lit. a Brüssel Ia-VO (kein Doppelexequatur).51 Anerkennungs- und Vollstreckbarkeitsentscheidungen sind auf das Staatsterritorium beschränkt, in dem sie erlassen wurden. Ansonsten könnte jeder Mitgliedstaat durch seine einzelstaatliche Anerkennung einer drittstaatlichen Entscheidung zugleich – mithilfe von Art. 36, 39 Brüssel Ia-VO – alle übrigen Mitgliedstaaten zur Anerkennung und Vollstreckung dieser drittstaatlichen Entscheidung verpflichten.
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Die für die Brüssel Ia-VO gegebene Begründung kann auch für die EU-KPfVO fruchtbar gemacht werden: Würden mitgliedstaatliche Anerkennungen oder Vollstreckbarkeitserklärungen drittstaatlicher Entscheidungen als Entscheidung i.S.d. Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO und damit als Grundlage für den Erlass eines Pfändungsbeschlusses gelten (Art. 5 lit. b EU-KPfVO), könnte der anerkennende Staat (= Ursprungsmitgliedstaat i.S.v. Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO) durch seine einzelstaatliche Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung den Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 4 Nr. 12 EU-KPfVO) zur Vollstreckung einer drittstaatlichen Entscheidung verpflichten. Damit ergibt sich folgende Differenzierung: a) Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat verschieden
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Wird der Pfändungsbeschluss in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt, kann die (inzidente) Anerkennungsentscheidung des Ursprungsmitgliedstaates, nicht Grundlage des Pfändungsbeschlusses i.S.v. Art. 5 lit. b EU-KPfVO, Art. 6 Abs. 3 EU-KPfVO sein. Eine Prüfung, ob die drittstaatliche Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat anerkennungsfähig wäre, widerspräche dem Charakter des Anerkennungsverfahrens als Ausprägung staatlicher Souveränität.52 Die Möglichkeit der Beendigung der Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat gem. Art. 34 Abs. 1 lit. b sublit. ii EU-KPfVO schützt die Souveränität des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht ausreichend, weil eine Beendigung der Vollstreckung nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Schuldners erfolgt (vgl. Art. 34 Abs. 1 EU-KPfVO). b) Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat identisch
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Wird der Pfändungsbeschluss im Anerkennungsstaat vollstreckt, ist die (inzidente) Anerkennungsund Vollstreckbarkeitsentscheidung als Entscheidung i.S.v. Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO anzusehen (s. auch Art. 7 EU-KPfVO Rz. 6). 6. Schiedssprüche
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Schiedssprüche sind keine Entscheidungen, weil sie nicht von einem Gericht eines Mitgliedstaates erlassen werden.53 Ein Schiedsgericht ist kein Gericht eines Mitgliedstaats im Sinne des Europäischen Zivilverfahrensrechts. Gerichte eines Mitgliedstaats sind nur solche Institutionen, die nach der Verfassung des Mitgliedstaats als Teil des Systems der gerichtlichen Streitentscheidung vorgesehen sind.54 Schiedsgerichte sind nicht Teil des innerstaatlichen Gerichtssystems, sondern stehen als Sonderform der Streitentscheidung neben diesem System.55 Vollstreckbarerklärungen von Schiedssprüchen sind ebenfalls nicht als Entscheidungen i.S.d. EU-KPfVO anzusehen (Art. 2 EU-KPfVO Rz. 12). 51 Rauscher/Leible, Art. 32 Brüssel Ia-VO Rz. 17 m.w.N. 52 Dazu auch Geimer/Schütze/Klöpfer, Art. 7 Rz. 10, Art. 10 Rz. 3. 53 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 13; krit. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Eichel, Vor EuKoPfVO, Rz. 6. 54 EuGH v. 6.3.2018 – C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158 Rz. 44 – Slowakische Republik/Achmea. 55 EuGH v. 12.6.2014 – C-377/13, ECLI:EU:C:2014:1754 Rz. 29 – Ascendi Beiras Litoral e Alta, Auto Estradas das Beiras Litoral e Alta SA/Autoridade Tributária e Aduaneira; GA Wathelet C-536/13 „Gazprom“ OAO ECLI:EU:C:2014:2414 Rz. 1. Schiedsgerichte sind im Übrigen auch nicht berechtigt, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu stellen (EuGH v. 6.3.2018 – C-284/16, ECLI:EU:C:2018:158 Rz. 49 – Slowakische Republik/Achmea).
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Kap. 1: Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 4 EU-KPfVO
7. Zwangs- und Ordnungsgeldbeschlüsse Zwangsvollstreckungsmaßnahmen fehlt eine für Entscheidungen maßgebliche Eigenschaft: Im Wege der Zwangsvollstreckung wird nicht über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien entschieden, sondern ein als bestehend erkannter Anspruch durchgesetzt. Zwangsvollstreckungsmaßnahmen fallen daher, auch wenn sie gerichtlich angeordnet werden, grundsätzlich nicht unter den Begriff der Entscheidung.56 Nach Art. 55 Brüssel Ia-VO sind Zwangsgeldbeschlüsse gleichwohl Entscheidungen gleichgestellt, wenn die Höhe des Zwangsgeldes durch das Ursprungsgericht endgültig festgesetzt ist. In der EU-KPfVO fehlt eine Vorschrift, die Zwangsgeldbeschlüsse Entscheidungen gleichstellt; eine Entscheidung des EuGH zur Behandlung von Zwangsund Ordnungsgeldbeschlüssen ist in Kürze zu erwarten.57 Vgl. auch Art. 2 EU-KPfVO Rz. 2 (Zivilund Handelssache), Art. 4 EU-KPfVO Rz. 11 (Forderung), Art. 4 EU-KPfVO Rz. 23 (Aktivlegitimation).
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VIII. Gerichtlicher Vergleich (Nr. 9) Art. 4 Nr. 9 EU-KPfVO definiert den Begriff „gerichtlicher Vergleich“. Die Definition ist zumindest nach der Korrektur des Rates58 mit dem in Art. 2 lit. b Brüssel Ia-VO und Art. 3 Abs. 1 lit. a Alt. 2 EG-VollstrTitelVO verwendeten Vergleichsbegriff identisch. Erfasst ist nicht nur der vor einem Gericht geschlossene Prozessvergleich, sondern auch der von einem Gericht festgestellte (z.B. i.R. eines Mediationsverfahrens geschlossene) außergerichtliche Vergleich.59 Der Vergleich darf auch prozessfremde Streitgegenstände einschließen.60
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IX. Öffentliche Urkunde (Nr. 10) Die Definition der öffentlichen Urkunde entspricht inhaltlich der Begriffsbestimmung in Art. 4 Nr. 3 36 lit. a EG-VollstrTitelVO. Obgleich der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung auch Unterhaltssachen einschließt (Art. 2 Rz. 19), werden Unterhaltsvereinbarungen, soweit sie nicht beurkundet, sondern lediglich vor einer Behörde geschlossen wurden, anders als in Art. 4 Nr. 3 lit. b EGVollstrTitelVO,61 nicht erfasst. Schriftstücke, die unter den Begriff der gerichtlichen Entscheidung (Nr. 8) fallen, können nicht gleichzeitig öffentliche Urkunden i.S.v. Nr. 10 sein. Zwischen Nr. 8 und Nr. 10 besteht dementsprechend ein Exklusivitätsverhältnis.62 Nationale Mahnbescheide sowie der Europäische Zahlungsbefehl sind keine öffentlichen Urkunden, sondern gerichtliche Entscheidungen.63 Ein europäischer Pfändungsbeschluss kann aber nur dann auf Grundlage eines Mahnbescheides erlassen werden, wenn der Mahnbescheid vollstreckbar ist (Art. 7 EU-KPfVO Rz. 5). 56 Rauscher/Leible, Art. 2 Brüssel Ia-VO Rz. 18. 57 Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal de première instance de Liège (Belgien) v. 7.5.2021 – C-291/21 – Starkinvest SRL. 58 In der deutschen Fassung des Kommissionsentwurfes hatte sich zum einen versehentlich die zum Prozessvergleich gehörige Wendung „im Laufe eines Verfahrens“ in den ersten Halbsatz der Definition verschoben. Zum anderen wurde entgegen der sprachlichen Kongruenz mit der EG-VollstrTitelVO auf die Feststellung des Vergleichs und nicht die Billigung durch das Gericht abgestellt. Siehe aber Kongruenz in anderen Sprachfassungen des Kommissionsentwurfs Art. 3 Abs. 1 S. 2 lit. a Alt. 2 EG-VollstrTitelVO und Art. 4 Nr. 9 EU-KPfVO: im Englischen „approved“, im Französischen „approuvée“, nicht aber im Portugiesischen „homologada – aprovada“. 59 Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 284. 60 Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 284. 61 Gemäß Art. 68 Abs. 2 EG-UntVO außer Kraft für Mitgliedstaaten, die an das Haager Unterhaltsprotokoll 2007 gebunden sind. 62 Rieländer, RIW 2020, 102, 105. 63 OLG Hamm v. 10.4.2017 – k 32 SA 28/17, BeckRS 2017, 110970 Rz. 7; AG Wedding v. 3.4.2017 – 6a C 1001/17 Rz. 7 juris; Heinze, ZVglRWiss 119 (2020) 167, 186; a.A. Orfanidis in Hopt/Tzouganatos, Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014) 263, 284; GA Szpunar C-555/18 – K.H.K/B.A.C., E.
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Art. 4 EU-KPfVO Begriffsbestimmungen
X. Ursprungsmitgliedstaat, Vollstreckungsmitgliedstaat (Nr. 11, 12) 37
Nr. 11 und 12 beschreiben die an der vorläufigen Pfändung beteiligten Staaten. Der Mitgliedstaat, dessen Gericht den Beschluss zur vorläufigen Pfändung erlässt, wird als Ursprungsmitgliedstaat bezeichnet (Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO). Das zuständige Gericht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 5 EUKPfVO) prüft die Voraussetzungen für den Erlass des Beschlusses (Kapitel II der Verordnung). Vollstreckungsmitgliedstaat ist jeder Mitgliedstaat, in dem ein vorläufig zu pfändendes Konto geführt wird (Art. 4 Nr. 12 EU-KPfVO). Im Vollstreckungsmitgliedstaat wird der Beschluss ausgeführt, d.h. insbesondere an die Bank zugestellt (Kapitel III der Verordnung). Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat können identisch sein. Sie fallen auseinander, wenn das Ursprungsgericht und das zu pfändende Konto sich in unterschiedlichen Mitgliedstaaten befinden.
XI. Auskunftsbehörde (Nr. 13) 38
Art. 14 EU-KPfVO sieht einen Mechanismus vor, wonach der Gläubiger beantragen kann, dass das Gericht im Ursprungsmitgliedstaat die zur Ermittlung des Schuldnerkontos erforderlichen Informationen einholt (ErwGr. 20 EU-KPfVO). Die Einholung der Informationen erfolgt über die Auskunftsbehörde des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner nach Ansicht des Gläubigers ein Konto unterhält. Die Mitgliedstaaten haben der Kommission ihre Auskunftsbehörde mitgeteilt (Art. 50 Abs. 1 lit. b EU-KPfVO). Auskunftsbehörde in Deutschland ist das Bundesamt für Justiz (§ 948 Abs. 1 ZPO).
XII. Zuständige Behörde (Nr. 14) 39
Das Gericht im Ursprungsmitgliedstaat (Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO) ist zunächst nur für den Erlass des Beschlusses zuständig. Wird das zu pfändende Konto im Ursprungsmitgliedstaat geführt, ist der Ursprungsmitgliedstaat also zugleich Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 4 Nr. 12 EU-KPfVO), obliegt dem Ursprungsmitgliedstaat auch die Ausführung des Beschlusses. Wird das zu pfändende Konto in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat geführt, übernimmt die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat Hilfstätigkeiten zur Ausführung des Pfändungsbeschlusses im Vollstreckungsmitgliedstaat wie den Empfang, die Übermittlung oder die Zustellung von Schriftstücken. In erster Linie wird der zuständigen Behörde der Pfändungsbeschluss übermittelt (Art. 23 Abs. 3 EU-KPfVO); diese hat sodann die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (Art. 23 Abs. 5 EU-KPfVO), die Erklärung der Bank entgegenzunehmen (Art. 25 Abs. 3 EU-KPfVO) und die Freigabe überschüssiger gepfändeter Beträge zu veranlassen (Art. 27 Abs. 2 EU-KPfVO). Schließlich hat die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat auch dafür zu sorgen, dass ein vom Gericht im Ursprungsmitgliedstaat erlassener Widerruf (Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 3 EU-KPfVO) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung (Art. 36 Abs. 5 Unterabs. 2 EU-KPfVO) ausgeführt wird. Die zuständige Behörde des Mitgliedstaates, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat, stellt dem Schuldner ggf. den Pfändungsbeschluss zu (Art. 28 Abs. 3 EU-KPfVO). Die Mitgliedstaaten haben der Kommission ihre zuständigen Behörden mitgeteilt (Art. 50 Abs. 1 lit. e, f EU-KPfVO).
XIII. Wohnsitz (Nr. 15) 40
Die Bestimmung des Wohnsitzes ist relevant zur Feststellung des grenzüberschreitenden Bezuges (Art. 3 lit. b EU-KPfVO), des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs der Verordnung (Art. 4 Nr. 6 EU-KPfVO), der Zuständigkeit in Verbrauchersachen (Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO) sowie in Art. 28 Abs. 2, 3 und 4 EU-KPfVO, Art. 41 EU-KPfVO und Art. 49 Abs. 1 EU-KPfVO. Auf den gewöhnlichen Aufenthalt kommt es für den grenzüberschreitenden Bezug nicht an (anders Art. 3 EGMahnVO und in Art. 3 EG-BagatellVO). Der gewöhnliche Aufenthalt des Schuldners wird lediglich zur Bestimmung des auf die Haftung des Gläubigers anwendbaren Rechts herangezogen (Art. 13 Abs. 4 Unterabs. 2 lit. a EU-KPfVO). E.K., Rz. 45; Rieländer, RIW 2020, 102, 105; offenlassend: EuGH v. 7.11.2019 – C-555/18 – K.H.K/B.A.C., E. E.K., RIW 2020, 30.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 6 EU-KPfVO
Der Wohnsitz der Parteien bestimmt sich entsprechend der Verweisung in Nr. 15 bei natürlichen Personen nach dem Recht des Staats, in dem der Pfändungsbeschluss erlassen wird, oder, soweit die Person dort keinen Wohnsitz hat, nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem ein Wohnsitz bestehen soll (Art. 62 Brüssel Ia-VO). Für Gesellschaften gilt Art. 63 Brüssel Ia-VO entsprechend.
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Kapitel 2 Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung (Art. 5–Art. 21)
Artikel 5 Verfügbarkeit Ein Beschluss zur vorläufigen Pfändung steht dem Gläubiger in den folgenden Situationen zur Verfügung: a) bevor der Gläubiger in einem Mitgliedstaat ein Verfahren gegen den Schuldner in der Hauptsache einleitet oder während eines solchen Verfahrens, bis die gerichtliche Entscheidung erlassen oder ein gerichtlicher Vergleich gebilligt oder geschlossen wird; b) nachdem der Gläubiger in einem Mitgliedstaat eine gerichtliche Entscheidung, einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde erwirkt hat, mit der bzw. dem der Schuldner aufgefordert wird, die Forderung des Gläubigers zu erfüllen. Der Pfändungsbeschluss kann vor1 einem Hauptsacheverfahren, während eines Hauptsacheverfahrens (Art. 5 lit. a EU-KPfVO) oder nach Erlangung eines Titels beantragt werden (Art. 5 lit. b EUKPfVO).
1
Der Kommissionsvorschlag sah zwei verschiedene Verfahren mit unterschiedlichen Anforderungen 2 vor, die in unterschiedlichen Abschnitten des zweiten Kapitels beschrieben waren.2 Maßgebliches Kriterium für die Zuordnung eines Antrags zu einer der beiden vorgesehenen Verfahrensalternativen bildete die Vollstreckbarkeit des Titels im Vollstreckungsmitgliedstaat. Der Rat beseitigte diese Differenzierung und Untergliederung des zweiten Kapitels, um die Verordnung zu vereinfachen.3 Die EUKPfVO sieht daher nun für alle Verfahrenssituationen ein einheitliches Verfahren zum Erlass des vorläufigen Beschlusses vor. Unterschieden wird hinsichtlich der Zuständigkeit und der Voraussetzungen im Einzelnen nur zwischen einem Szenario vor Erwirkung eines Titels und einem Szenario nach Erwirkung eines Titels (Art. 6 EU-KPfVO, Art. 7 EU-KPfVO, zur Vollstreckbarkeit des Titels s. Art. 7 EU-KPfVO Rz. 5). Zudem besteht nach Erwirkung eines Titels die Möglichkeit eines Auskunftsersuchens nach Art. 14 EU-KPfVO.
Artikel 6 Zuständigkeit (1) In Fällen, in denen der Gläubiger noch keine gerichtliche Entscheidung, keinen gerichtlichen Vergleich oder keine öffentliche Urkunde erwirkt hat, liegt die Zuständigkeit für den Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung bei den Gerichten des Mitgliedstaats, die gemäß den einschlägigen anzuwendenden Zuständigkeitsvorschriften für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig sind. 1 Krit. Harbeck, ZInsO 2012, 805, 807. 2 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 5 EU-KPfVO. 3 Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes und des künftigen litauischen Vorsitzes, 28.6.2013, 11713/13, 9 Fn. 13; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 27.9.2013, 14119/13, 1.
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Art. 6 EU-KPfVO Zuständigkeit (2) Ungeachtet des Absatzes 1 sind, sofern der Schuldner ein Verbraucher ist und einen Vertrag mit dem Gläubiger zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Schuldners zugerechnet werden kann, ausschließlich die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat, für den Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung zur Sicherung einer Forderung aus diesem Vertrag zuständig. (3) Hat der Gläubiger bereits eine gerichtliche Entscheidung oder einen gerichtlichen Vergleich erwirkt, so sind die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Entscheidung erlassen wurde oder der gerichtliche Vergleich gebilligt oder geschlossen wurde, für den Erlass des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung über die in der gerichtlichen Entscheidung oder dem gerichtlichen Vergleich angegebene Forderung zuständig. (4) Hat der Gläubiger die Ausstellung einer öffentlichen Urkunde erwirkt, so sind die als hierfür zuständig bezeichneten Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Urkunde errichtet wurde, für den Erlass des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung über die in der Urkunde angegebene Forderung zuständig. I. Verhältnis zu anderen Verordnungen und zur lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zuständigkeit vor Erwirkung eines Titels (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hauptsachezuständigkeit . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit mehrerer Mitgliedstaaten . . a) Noch kein Hauptsacheverfahren anhängig . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hauptsacheverfahren anhängig . . . . .
. . .
1 2 4 6 8
. 9 . 10
IV. Zuständigkeit in Verbrauchersachen (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Schuldner mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
3. Verbraucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schuldner ist Verbraucher . . . . . . . . . b) Gläubiger ist Verbraucher . . . . . . . . . . 4. Vertragspartner des Verbrauchers . . . . . . . 5. Ausschließlichkeit der Zuständigkeit . . . . . V. Zuständigkeit nach Erwirkung eines Titels . 1. Gerichtliche Entscheidung oder gerichtlicher Vergleich (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentliche Urkunde (Abs. 4) . . . . . . . . . VI. Rechtsweg, örtliche und sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 13 16 17 18 19 20 22 24
VII. Prüfung der Zuständigkeit . . . . . . . . . . 26
I. Verhältnis zu anderen Verordnungen und zur lex fori 1
Die internationale Zuständigkeit für die Anordnung nationaler Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wird nicht bereits durch Art. 24 Nr. 5 Brüssel Ia-VO geregelt, denn Art. 24 Nr. 5 Brüssel Ia-VO gilt nur für vollstreckungsrechtliche Streitverfahren, woran es bei der Anordnung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen regelmäßig fehlt.1 Auch die Zuständigkeit für einstweilige Maßnahmen in der EU wird durch Art. 35 Brüssel Ia-VO, der neben der Hauptsachezuständigkeit auf das Verfahrensrecht der Mitgliedstaaten verweist, nicht vollständig vereinheitlicht. Für den Erlass des Europäischen Pfändungsbeschlusses sieht die Verordnung nun eine weitgehend einheitliche, unionsrechtliche Regelung der internationalen Zuständigkeit vor.
II. Gericht 2
Während der Kommissionsentwurf nur vor Erlangung eines vollstreckbaren Titels den Pfändungsbeschluss zwingend von einem Gericht erlassen wissen wollte,2 ist nach der endgültigen Verordnungsfassung stets ein Gericht und nie eine sonstige Behörde für den Erlass zuständig.3 Auch verzichtet die Verordnung auf die versehentlich zu weit geratene Gerichtsdefinition des Kommissionsentwurfs: 1 Rauscher/Mankowski, Art. 24 Brüssel Ia-VO Rz. 206. 2 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 6 Abs. 1 EU-KPfVO. 3 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 15; Orfanidis in Hopt/Tzouganatos, Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 286.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 6 EU-KPfVO
In scheinbarer Erweiterung des in der Brüssel Ia-VO verwendeten Begriffs sollten nicht nur Gerichte erfasst sein, sondern auch andere Behörden.4 Nach Streichung dieser Vorschrift ist auf den unter der Brüssel Ia-VO geprägten Gerichtsbegriff zurückzugreifen.5 Ein Gericht ist demnach jedes Rechtsprechungsorgan, das kraft seines öffentlichen Auftrags selbst über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheidet.6 Schiedsgerichte können keinen europäischen Pfändungsbeschluss erlassen, weil Schiedsgerichte keine Gerichte i.S.d. EU-KPfVO sind (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 33). Die Zuweisung der funktionalen Zuständigkeit innerhalb des Gerichts bleibt den Mitgliedstaaten überlassen.7 Mit dem Erlass des Europäischen Pfändungsbeschlusses hätten daher in Deutschland theoretisch Rechtspfleger betraut werden können. Wegen der Komplexität, insbesondere der u.U. erforderlichen Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO), fällt der Erlass des Pfändungsbeschlusses in die richterliche Zuständigkeit.8
3
III. Zuständigkeit vor Erwirkung eines Titels (Abs. 1) Der Kommissionsentwurf enthielt ein Wahlrecht des Gläubigers zwischen den Gerichten des Mit- 4 gliedstaats, die für das Hauptsacheverfahren zuständig sind, und den Gerichten des Mitgliedstaats, in dem das Bankkonto belegen ist.9 Die Zuständigkeit mehrerer Gerichte birgt allerdings die Gefahr von Parallelverfahren mit divergierenden Bewertungen und, bei Pfändung verschiedener Konten, die Gefahr der Überpfändung.10 Eine mit Art. 29 Brüssel Ia-VO11 vergleichbare Prioritätsregel oder Sanktionen für Gläubiger, die mehrere Anträge stellen, war im Kommissionentwurf nicht enthalten.12 Der Gläubiger könnte daher insbesondere bei zweifelhaften Erfolgsaussichten Maßnahmen bei mehreren Gerichten einleiten. In der endgültigen Verordnungsfassung wurde dieses Wahlrecht zugunsten einer alleinigen Zustän- 5 digkeit der Hauptsachegerichte aufgegeben. Ziel ist es, stets eine enge Verbindung zwischen dem Verfahren zum Erlass eines Pfändungsbeschlusses und dem Verfahren in der Hauptsache zu gewährleisten (ErwGr. 13 S. 1 EU-KPfVO).13 Die internationale Zuständigkeit des Mitgliedstaats, in dem das Bankkonto belegen ist, besteht nur für nationale Sicherungsmaßnahmen (Art. 35 Brüssel Ia-VO i.V.m. nationalen Zuständigkeitsvorschriften).14 1. Hauptsachezuständigkeit Die Hauptsachezuständigkeit ergibt sich primär aus den einschlägigen EU-Instrumenten.15 In Ab- 6 hängigkeit vom sachlichen Anwendungsbereich kommen damit Zuständigkeiten nach der Brüssel IaVO sowie nach der EG-UntVO in Betracht. Ein Rückgriff auf Art. 35 Brüssel Ia-VO oder Art. 14 EG4 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 4 Nr. 9; zur Korrektur der Definition, die zu einer petitio principii geführt hätte, s. Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 19.6.2013, A7-0227/ 2013, S. 15 Art. 4 Nr. 9 EU-KPfVO. 5 Garber, FS Geimer (2017) 81, 99. Vgl. zum Gerichtsbegriff EuGH v. 2.6.1994 – C-414/92, ECLI:EU:C:1994: 221 – Solo Kleinmotoren GmbH/Emilio Boch, EuGHE 1994 I 2247 Rz. 17; EuGH v. 14.10.2004 – C-39/02 – Mærsk Olie & Gas A/S/Firma M. de Haan en W. de Boer, EuGHE 2004 I 9686 Rz. 45. 6 Zu den Einzelheiten s. Rauscher/Leible, Art. 32 Brüssel Ia-VO Rz. 17 ff. 7 Garber, FS Geimer (2017), 81, 99. 8 OLG Karlsruhe v. 14.12.2018 – 209 AR 12/18 Rz. 9 juris. 9 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 6 Abs. 2, 3. 10 Deutscher Bundesrat, BR-Drucks. 426/11, 2; Harbeck, ZInsO 2012, 805, 807; Häcker, WM 2012, 2180, 2183; Sikorski, Kontenpfändungen (2018), 78 f. 11 Zur Anwendung des Art. 29 Brüssel Ia-VO auf einstweilige Maßnahmen Pfeiffer/Wais, IJPL 2013, 129, 145 ff. 12 Für eine Prioritätsregel Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 267, 271 f. 13 Krit. gegenüber einer Zuständigkeit des Hauptsachegerichts wegen des Erfordernisses einer gewissen Beziehung des Vollstreckungsstaats zur Vollstreckungsforderung Schimrick, Forderungsvollstreckung (2012), 282 ff. 14 Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 286. 15 OLG Innsbruck v. 7.5.2019 – 10R25/19f; Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, 7; Sikorski, Kontenpfändungen (2018), 77.
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Art. 6 EU-KPfVO Zuständigkeit UntVO ist ausgeschlossen.16 Abs. 2 verweist ausdrücklich nur auf die Zuständigkeit in der Hauptsache, weil möglichst eine unionsweit einheitliche internationale Zuständigkeit des Hauptsachegerichts bestehen soll (ErwGr. 13 EU-KPfVO).17 Die Zuständigkeit nach Art. 6 Abs. 1 EU-KPfVO kann sich aus einer Gerichtsstandsvereinbarung für die Hauptsache (Art. 25 Brüssel Ia-VO) ergeben.18 Für die Europäische Kontenpfändung können die Parteien hingegen keine Zuständigkeit vereinbaren.19 Ebenso kann die Unzuständigkeit zum Erlass eines Europäischen Kontenpfändungsbeschlusses nicht durch rügelose Einlassung geheilt werden.20 Die Hauptsachezuständigkeit kann aber durch rügelose Einlassung begründet werden (Art. 26 Brüssel Ia-VO); ist ein Hauptsacheverfahren bereits anhängig, kann die rügelose Einlassung mittelbar auch eine internationale Zuständigkeit nach Art. 6 Abs. 1 EU-KPfVO begründen. 7
Die allgemeinen und besonderen Gerichtsstände der Brüssel Ia-VO bestehen nur gegenüber Beklagten mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats (Art. 4 Abs. 1 Brüssel Ia-VO, Art. 7 Brüssel Ia-VO). Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich der EU-KPfVO erstreckt sich hingegen auch auf Schuldner ohne Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats (Art. 4 Nr. 7 EU-KPfVO) und geht daher in dieser Hinsicht weiter als der der Brüssel Ia-VO. Soweit der räumlich-persönliche Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO nicht eröffnet ist (Art. 6 Abs. 1 Brüssel Ia-VO), bestimmt sich die Hauptsachezuständigkeit und damit auch die Zuständigkeit für den Erlass des Pfändungsbeschlusses nach völkervertraglichem oder einzelstaatlichem Recht. Insoweit können auch exorbitante einzelstaatliche Gerichtsstände (z.B. § 23 ZPO), die nur innerhalb des Anwendungsbereichs der Brüssel Ia-VO ausgeschlossen sind,21 zuständigkeitsbegründend wirken.22 Die EG-UntVO regelt die internationale Zuständigkeit für Unterhaltssachen abschließend, so dass in Unterhaltssachen kein Rückgriff auf nationale Restzuständigkeiten möglich ist.23 2. Zuständigkeit mehrerer Mitgliedstaaten
8
Der Gläubiger darf nicht wegen derselben Forderung Anträge bei mehreren Gerichten stellen (Art. 16 Abs. 1 EU-KPfVO). Sind in der Hauptsache die Gerichte mehrerer Mitgliedstaaten international zuständig, stellt sich aber die Frage, ob der Gläubiger ein Wahlrecht hat, bei welchem der zuständigen Gerichte er den Pfändungsbeschluss beantragt. Die im Kommissionsentwurf enthaltene Beschränkung der Zuständigkeit auf das Gericht des Mitgliedstaats, in dem der Gläubiger das Hauptsacheverfahren anhängig gemacht hat oder anhängig zu machen beabsichtigt,24 ist in der Verordnung nicht mehr enthalten.25 a) Noch kein Hauptsacheverfahren anhängig
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Ist noch kein Hauptsacheverfahren anhängig, hat der Gläubiger ein Wahlrecht zwischen den in der Hauptsache zuständigen Mitgliedstaaten.26 Die spätere Anhängigkeit eines Hauptsacheverfahrens in 16 Garber, FS Geimer (2017), 81, 87 f.; Heinze, ZVglRWiss 119 (2020) 167, 187; Sikorski, Kontenpfändungen (2018), 80 ff. 17 Zum Begriff des Hauptsacheverfahrens s. Art. 10 EU-KPfVO Rz. 5. 18 Garber, FS Geimer (2017), 81, 83. 19 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 6. 20 Garber, FS Geimer (2017), 81, 84. 21 Art. 3 Abs. 2 Brüssel Ia-VO i.V.m. Anhang I Brüssel Ia-VO; Art. 5 Abs. 2, 76 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO. 22 Garber, FS Geimer (2017), 81, 88; Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.37. 23 Pasche, NJW-Spezial 2015, 708. Ein Rückgriff auf nationales Zuständigkeitsrecht kommt lediglich mittelbar über Art. 3 lit. c, d EG-UntVO in Betracht: Geimer/Schütze/Reuß, Art. 3 EG-UntVO Rz. 3. 24 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 6 Abs. 2 S. 2. 25 Der Grund für die Streichung dieses Satzes ist nicht erkennbar. Die deutsche Delegation (Council of the EU, Note from the German Delegation, 28.8.2012, 13140/12 ADD 6, 8) plädierte im Rat vielmehr für die Einführung objektiver Kriterien. 26 Garber, FS Geimer (2017),81, 89; Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.38; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 202; Ritz, Kontenpfändung (2019), 80; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 84.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 6 EU-KPfVO
einem Mitgliedstaat macht das Pfändungsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat nicht unzulässig.27 Zur Frage, ob der Gläubiger bei der Einleitung des Hauptsacheverfahrens auf die Gerichte des Mitgliedstaats beschränkt ist, in er den Pfändungsbeschluss beantragt hat s. Art. 10 EU-KPfVO Rz. 7. b) Hauptsacheverfahren anhängig Ist bereits ein Hauptsacheverfahren bei einem Gericht eines Mitgliedstaats anhängig, müssten sich 10 alle übrigen Gerichte nach Art. 29 Abs. 3 Brüssel Ia-VO bzw. Art. 12 EG-UntVO in der Hauptsache für unzuständig erklären. Ob andere Gerichte als das mit der Hauptsache befasste sodann auch für den Erlass eines Pfändungsbeschlusses nicht mehr zuständig sind, ist zweifelhaft. Eine Pfändungszuständigkeit nur in dem Mitgliedstaat anzunehmen, in dem das Hauptsacheverfahren anhängig ist, entspräche zwar dem Ziel der Verordnung, eine enge Verbindung zwischen Hauptsache- und Pfändungsverfahren zu gewährleisten (ErwGr. 13 S. 1 EU-KPfVO). Gegen eine Unzuständigkeit anderer Gerichte spricht aber, dass nach dem Wortlaut des Art. 29 Abs. 3 Brüssel Ia-VO auch nach Feststehen der Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts das später angerufene Gericht nicht automatisch unzuständig wird; es hat vielmehr nur eine Pflicht zur Unzuständigerklärung.28 Ein später mit der Pfändung befasstes anderes Gericht wird folglich ebenfalls nicht automatisch unzuständig; mangels einer Art. 29 Brüssel Ia-VO entsprechenden Vorschrift in der EU-KPfVO ist das mit der Pfändung befasste Gericht auch nicht zur Aussetzung/Unzuständigerklärung verpflichtet. Wenn bei Einleitung des Pfändungsverfahrens bereits ein Hauptsacheverfahren anhängig ist, entfällt i.R.d. EU-KPfVO folglich nicht das Wahlrecht zwischen mehreren Hauptsachegerichtständen.29
IV. Zuständigkeit in Verbrauchersachen (Abs. 2) 1. Allgemeines Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO enthält für Pfändungsverfahren gegen Verbraucher eine ggü. Abs. 1 speziellere30 internationale Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat. Während der Kommissionsentwurf keine Wohnsitzzuständigkeit enthielt,31 optierten sowohl der Rechtsausschuss32 als auch der Rat33 für eine solche Zuständigkeit, um die typischerweise schwächere Partei zu schützen. Abs. 2 gilt nur als Ausnahme zu Abs. 1, solange der Gläubiger noch keinen Titel erwirkt hat; nach Erwirkung eines Titels gilt gegenüber Verbrauchern Abs. 3, 4.34 Für andere, typischerweise schwächere Parteien, insb. Versicherungsnehmer und Arbeitnehmer, enthält die Verordnung keine Sonderregelungen; eine analoge Anwendung des Abs. 2 auf andere Gruppen scheidet aus.35
27 Garber, FS Geimer (2017), 81, 96. 28 Ähnlich Garber, FS Geimer (2017), 81, 90. 29 Domej, GPR 2017, 84, 85; Geimer/Schütze/Klöpfer Rz. 3, 6; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187; Garber, FS Geimer (2017) 81, 90; Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.38; Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 286; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 84 f.; a.A. Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 94; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 5; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 7; in diese Richtung auch Ritz, Kontenpfändung (2019), 80. 30 Garber, FS Geimer (2017), 81, 92; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 87. 31 Obgleich ursprünglich im Grünbuch angedacht: Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, KOM (2006) 618, 7; Für eine Zuständigkeit der Gerichte am Wohnsitz des Schuldners: Schimrick, Forderungsvollstreckung (2012), 288 ff., 298. 32 Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 19.6.2013, A7-0227/2013, 18 Art. 6 Abs. 4. 33 Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, Art. 6 Abs. 4. 34 Domej, GPR 2017, 84, 86; Garber, FS Geimer (2017), 81, 92; Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.40; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 87; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 87. 35 Garber, FS Geimer (2017), 81, 92.
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Art. 6 EU-KPfVO Zuständigkeit 2. Schuldner mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat 12
Voraussetzung der Begründung einer Zuständigkeit nach Abs. 2 ist, dass der Schuldner seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat. Die Beschränkung ergibt sich daraus, dass die Verordnung nur vor mitgliedstaatlichen Gerichten räumlich anwendbar ist (ErwGr. 48 S. 1 EU-KPfVO). Hat der Schuldner seinen Wohnsitz in einem Drittstaat, kann die Verordnung keine Zuständigkeit in diesem Drittstaat anordnen.36 Es stellt sich aber die Frage, ob stattdessen die Zuständigkeitsvorschriften für die Hauptsache nach Art. 6 Abs. 1 EU-KPfVO anzuwenden sind oder ob mangels Zuständigkeit in einem Mitgliedstaat überhaupt kein Pfändungsbeschluss gegen Verbraucher mit Wohnsitz in Drittstaaten erwirkt werden kann. Für die Anwendbarkeit des Abs. 1 spricht die Erstreckung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereichs der Verordnung auf alle Schuldner unabhängig vom Wohnsitz (Art. 4 Nr. 7 EU-KPfVO). Demgegenüber schützt Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO seinem Wortlaut nach Schuldner als Verbraucher allgemein und nicht bloß Schuldner mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat. Die Vorschrift beschränkt nicht den Schutz auf Verbraucher mit Wohnsitz in einem Mitgliedstaat („sofern der Schuldner ein Verbraucher ist …“), sondern sie beschränkt die Zuständigkeit auf die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat („ausschließlich die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat …“). Gegen Verbraucher aus Drittstaaten kann der Gläubiger daher keinen Pfändungsbeschluss gem. Abs. 1 erwirken.37 3. Verbraucher a) Schuldner ist Verbraucher
13
Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO gilt nur für den Fall, dass der Schuldner Verbraucher ist. Die Verordnung bestimmt die Verbrauchereigenschaft des Schuldners ebenso anhand des Zweckes, zu dem der Vertrag geschlossen wird, wie Art. 17 Brüssel Ia-VO und Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO, auch wenn der Wortlaut („und“) den Eindruck erweckt, als müsse der Vertragszweck neben die Verbrauchereigenschaft treten. Der Verbraucherbegriff ist autonom auszulegen und kann teilweise in Anlehnung an die Brüssel Ia-VO bzw. die Rom I-VO ausgefüllt werden.
14
Die Verbrauchereigenschaft kann nur bei Forderungen aus einem Vertrag (vgl. Art. 7 Nr. 1 Brüssel IaVO)38 vorliegen. Der Schuldner ist Verbraucher in Ansehung einer vertraglichen Forderung, wenn der Vertragsschluss nicht der beruflichen, freiberuflichen oder gewerblichen Tätigkeit des Schuldners zugerechnet werden kann.39 Kann der Vertragsschluss sowohl der privaten als auch der beruflichen/gewerblichen Tätigkeit zugeordnet werden, muss die beruflich/gewerbliche Nutzung eine deutlich untergeordnete Rolle spielen.40
15
Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO stellt, anders als Art. 17 Brüssel Ia-VO und Art. 6 Rom I-VO, keine Anforderungen an den Vertragstypus und an die Vertragsabschlusssituation.41 Der Gläubiger muss seine Tätigkeit insbesondere nicht im Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgeübt oder auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtet haben. Der Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO und damit der Schutz des Verbrauchers gehen daher weiter als der Schutz unter Art. 17 ff. Brüssel Ia-VO und Art. 6 Rom I-VO. b) Gläubiger ist Verbraucher
16
Ist nur der Gläubiger Verbraucher, enthält die EU-KPfVO keine Sondervorschriften. Die Hauptsachezuständigkeit ergibt sich aus der Brüssel Ia-VO. Art. 17, 18 Abs. 1 Brüssel Ia-VO sind zu beachten. 36 Sikorski, Kontopfändungen (2018), 87. 37 Ebenso Rauscher/Gruber, Art. 6 EG-MahnVO Rz. 12; Ulrici, RIW 2018, 718, 725 für Art. 6 Abs. 2 EG-MahnVO; a.A. Garber, FS Geimer (2017), 81, 95; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 14. 38 Garber, FS Geimer (2017), 81, 93. 39 Garber, FS Geimer (2017), 81, 93. 40 EuGH v. 20.1.2005 – C-464/01, ECLI:EU:C:2005:32 – Gruber/BayWa AG, Rz. 41; Garber, FS Geimer (2017), 81, 93; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 10. 41 Domej, GPR 2017, 84, 85; Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.39; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 196.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 6 EU-KPfVO
4. Vertragspartner des Verbrauchers Ob der Gläubiger und Vertragspartner des Verbrauchers Unternehmer sein muss oder ob die Bestimmung auch C2C-Geschäfte erfasst, ist fraglich. Der Wortlaut enthält keine Beschränkung auf B2CGeschäft. Für eine teleologische Reduktion auf Gläubiger, die als Unternehmer kontrahiert haben, könnte sprechen, dass Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO den Schutz der schwächeren Vertragspartei bezweckt. Hingegen besteht die zuständigkeitsrechtliche Gefahr für den Verbraucher auch dann, wenn ein anderer Verbraucher gegen ihn eine Pfändung ausbringt, was durchaus auch eine wortlautentsprechende Auslegung erlaubt. Für die gleichlautende Formulierung in Art. 6 Abs. 1 lit. d EG-VollstrTitelVO hat der EuGH unter Berücksichtigung der verbraucherschützenden Ziele und des Interesses an einer kohärenten Auslegung des Unionsrechts eine Anwendung auf C2C-Geschäfte verweigert.42 Im Sinne einer rechtaktübergreifend einheitlichen Auslegung des Unionsrechts muss daher auch die Anwendung des 6 Abs. 3 EU-KPfVO auf C2C-Geschäfte ausscheiden.43
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5. Ausschließlichkeit der Zuständigkeit Ist Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO anwendbar, sind die Gerichte im Wohnsitzmitgliedstaat ausschließlich zuständig. Der Verbrauchergerichtsstand des Abs. 2 ist gegenüber den Hauptsachezuständigkeiten des Abs. 1 vorrangig. Auch ausschließliche Zuständigkeitsregeln für das Hauptsacheverfahren (Art. 24 Brüssel Ia-VO) und vereinbarte Hauptsachezuständigkeiten (Art. 25 Brüssel Ia-VO) verdrängt Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO.44 Eine von Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO abweichende Gerichtsstandsvereinbarung ist unbeachtlich.45 Eine Heilung der Unzuständigkeit durch rügelose Einlassung ist nicht möglich.46
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V. Zuständigkeit nach Erwirkung eines Titels Die Zuständigkeiten nach Erwirkung eines Titels (Abs 3, 4) sind als ausschließliche Zuständigkeiten 19 zu verstehen.47 Der Verweis auf etwaige konkurrierende Hauptsachezuständigkeiten in Abs 1 gilt nur „[i]n Fällen, in denen der Gläubiger noch keine gerichtliche Entscheidung, keinen Vergleich oder keine öffentliche Urkunde erwirkt hat.“ 1. Gerichtliche Entscheidung oder gerichtlicher Vergleich (Abs. 3) Soweit es sich bei dem erlangten Titel um eine gerichtliche Entscheidung (Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO) oder einen gerichtlichen Vergleich (Art. 4 Nr. 9 EU-KPfVO) handelt, sind die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Entscheidung erlassen bzw. der Vergleich gebilligt oder geschlossen wurde, für den Erlass des Beschlusses zuständig (Art. 6 Abs. 3 EU-KPfVO). Die Besonderheiten nach Abs. 2 gelten nicht (Rz. 11). Der Kommissionsvorschlag sah eine ähnliche Formulierung vor, bestimmte aber gleichzeitig auch die örtliche Zuständigkeit des den Titel erlassenden Gerichts.48 Die Verordnung bestimmt nunmehr lediglich die internationale Zuständigkeit.49
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Bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit für den Erlass des Pfändungsbeschlusses 21 kommt es nicht darauf an, in welchem Mitgliedstaat die gerichtliche Entscheidung hätte erlassen oder der Vergleich hätte geschlossen werden müssen. Vielmehr ist auf den tatsächlichen Herkunftsmitgliedstaat des Titels abzustellen. Fehler bei der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit, 42 EuGH v. 5.12.2013 – C-508/12, ECLI:EU:C:2013:790 Rz. 25, 39 – Vapenik/Thurner. 43 Garber, FS Geimer (2017), 81, 94; Lüttringhaus, ZZP 129 (2016) 187, 196 f.; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014,) Rz. 90; Sikorski, Kontopfändung (2018), 87 f.; Eichel in Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vor EuKontPfVO Rz. 8; a.A. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 10; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 16; offenlassend: Domej, GPR 2017, 84, 85; Rauscher/Rauscher/Wiedemann, Rz. 13 (Vorauflage). 44 Garber, FS Geimer (2017), 81, 92. 45 Garber, FS Geimer (2017), 81, 92 f. 46 Garber, FS Geimer (2017), 81, 93. 47 A.A. Heinze, ZVglRWiss 119 (2020) 167, 188; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Eichel, Vor EuKontPfVO Rz. 8. 48 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 14 Abs. 1. 49 AG Wedding v. 3.4.2017 – 6a C 1001/17 Rz. 4 juris.
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Art. 6 EU-KPfVO Zuständigkeit auch Verstöße gegen ausschließliche Zuständigkeitsvorschriften, setzen sich daher zuständigkeitsbegründend für die Kontenpfändung fort.50 2. Öffentliche Urkunde (Abs. 4) 22
Wird der Pfändungsbeschluss auf Grundlage einer öffentlichen Urkunde (Art. 4 Nr. 10 EU-KPfVO) beantragt, sind die Gerichte des Mitgliedstaats international zuständig, in dem die Urkunde errichtet wurde. Die Mitgliedstaaten haben der Kommission die Gerichte benannt, welche zum Beschlusserlass örtlich zuständig sind (Art. 50 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO). Wurde die Urkunde in einem Drittstaat errichtet, gelten die Art. 6 Abs. 1, 2 EU-KPfVO.51
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Im Gegensatz dazu war nach dem Kommissionsvorschlag die Behörde, welche nach nationalem Recht für die Errichtung der Urkunde zuständig ist, auch zuständig für den Erlass des Pfändungsbeschlusses.52 Der in seiner deutschen Formulierung obendrein wenig geglückte Kommissionsvorschlag, der anscheinend auf die rechtliche Zuständigkeit der Behörde und nicht auf die tatsächlich errichtende Behörde abstellt, bürdete den ansonsten nicht mit der Vollstreckung befassten Stellen (Notare, Jugendämter) eine Mehrbelastung und funktionswidrige Tätigkeiten auf. Im Rat stieß die Vorschrift daher nicht auf Zustimmung und wurde durch die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die Urkunde tatsächlich errichtet wurde, ersetzt.
VI. Rechtsweg, örtliche und sachliche Zuständigkeit 24
Der Rechtsweg sowie die örtliche und die sachliche Zuständigkeit richten sich grundsätzlich nach dem mitgliedstaatlichen Verfahrensrecht (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).53 Bestimmt die einschlägige Zuständigkeitsvorschrift für die Entscheidung in der Hauptsache zugleich mit der internationalen Zuständigkeit die örtliche Zuständigkeit (z.B. Art. 7 Nr. 1, 2 Brüssel Ia-VO), wird die örtliche Zuständigkeit auch für den Erlass des Pfändungsbeschlusses fixiert.54 Ein Rückgriff auf mitgliedstaatliches Verfahrensrecht ist dann nicht möglich. Den Mitgliedstaaten wird – anders als in Art. 29 Abs. 1 lit. a EG-MahnVO – in Art. 50 EU-KPfVO nicht ausdrücklich die Kompetenz belassen, die für den Erlass des Pfändungsbeschlusses zuständigen Gerichte näher zu bestimmen (z.B. zentrales Pfändungsgericht); da es sich hierbei um eine rein interne Angelegenheit handelt, besteht diese Möglichkeit gleichwohl.55 Bestimmt Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO (Verbraucher) die internationale Zuständigkeit, kann für die örtliche Zuständigkeit nicht auf Art. 7 Nr. 1, 2 Brüssel Ia-VO („Gericht des Ortes“) zurückgegriffen werden; Art. 7 Nr. 1, 2 Brüssel Ia-VO will die örtliche Zuständigkeit nicht isoliert, sondern nur als Annex zur internationalen Zuständigkeit bestimmen.56
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Sachlich zuständig ist in Deutschland grundsätzlich das Gericht des ersten Rechtszuges (§§ 946 Abs. 1 S. 2, 943 Abs. 1 ZPO). Örtlich zuständig ist in Deutschland das Gericht der Hauptsache (§ 946 Abs. 1 S. 1 ZPO). Bei bereits anhängiger Hauptsache ist das Gericht, bei dem das Hauptsacheverfahren zur Zeit der Beantragung des Pfändungsbeschlusses schwebt, als Gericht der Hauptsache anzusehen.57 Liegt bereits eine gerichtliche Entscheidung vor, ist das Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, als Gericht der Hauptsache anzusehen. Auch die zentralen Mahngerichte nach § 689 50 Dauses/Ludwigs/Micklitz/Rott, Kap. H.V. Rz. 768; Garber, FS Geimer (2017), 81, 96; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 9; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 195; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 196. 51 Domej, GPR 2017, 84, 86. 52 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 14 Abs. 2. 53 OLG Innsbruck v. 7.5.2019 – 10R25/19f (Erwägungen Ziff. 2); Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes und des künftigen irischen Vorsitzes, 18.12.2012, 17738/12, 10 Fn. 16; Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 404; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 141. 54 OLG Innsbruck v. 7.5.2019 – 10R25/19f (Erwägungen Ziff. 2); BR-Drucks. 633/15, 43; Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.41; Martin, JAP 2016, 163, 164; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 76; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 946 Rz. 10 f., Art. 6 Rz. 1. 55 Vgl. zur Zentralisierung in Österreich (Bezirksgericht Innere Stadt Wien) Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.42. 56 Garber, FS Geimer (2017), 81, 95. 57 BR-Drucks. 633/15, 42.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 7 EU-KPfVO
Abs. 3 ZPO und das Zentrale Mahngericht nach § 1087 ZPO (AG Wedding) sind Gerichte der Hauptsache.58 Würde man die Zuständigkeit entsprechend § 796 Abs. 3 ZPO bestimmen, bestünde die Gefahr eines Zuständigkeitsvakuums, in dem deutsche Gerichte nach Art. 6 Abs. 3 EU-KPfVO international, aber nicht nach § 946 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig wären. Handelt es sich bei dem Titel um eine öffentliche Urkunde (Art. 4 Nr. 10 EU-KPfVO), ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Urkunde errichtet worden ist (§ 946 Abs. 2 ZPO).
VII. Prüfung der Zuständigkeit Das Gericht prüft von Amts wegen anhand der Angaben des Gläubigers, ob es für den Erlass des Pfändungsbeschlusses international zuständig ist (Art. 17 Abs. 1 EU-KPfVO).59 Ist das Gericht anhand der Angaben des Gläubigers offensichtlich unzuständig, weist es den Antrag zurück. Eine grenzüberschreitende Verweisung an Gerichte eines anderen Mitgliedstaats ist nicht möglich.60 Kann das Gericht seine Zuständigkeit aufgrund der Angaben des Gläubigers nicht beurteilen, gibt es dem Gläubiger auf, seine Angaben zu vervollständigen (Art. 17 Abs. 3 S. 1 EU-KPfVO). Die internationale Zuständigkeit muss grundsätzlich im Zeitpunkt der Entscheidung (noch) vorliegen (Art. 17 EU-KPfVO Rz. 1); ob eine perpetuatio fori möglich ist, richtet sich nach dem Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO, Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO); in Deutschland gilt § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.61 Nimmt das Gericht seine Zuständigkeit zu Unrecht an, kann der Schuldner sich mit einem Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaats wehren (Art. 33 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO).
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Ob und inwieweit eine Überprüfung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit stattfindet, richtet sich nach dem Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaates (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).
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Artikel 7 Bedingungen für den Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung (1) Das Gericht erlässt einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung, wenn der Gläubiger hinreichende Beweismittel vorgelegt hat, die das Gericht zu der berechtigten Annahme veranlassen, dass eine Sicherungsmaßnahme in Form eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung dringend erforderlich ist, weil eine tatsächliche Gefahr besteht, dass ohne diese Maßnahme die spätere Vollstreckung der Forderung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner unmöglich oder sehr erschwert wird. (2) Hat der Gläubiger noch in keinem Mitgliedstaat eine gerichtliche Entscheidung, einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde erwirkt, mit der bzw. mit dem der Schuldner aufgefordert wird, die Forderung des Gläubigers zu erfüllen, so legt er zudem hinreichende Beweismittel vor, die das Gericht zu der berechtigten Annahme veranlassen, dass über die Forderung gegenüber dem Schuldner in der Hauptsache voraussichtlich zugunsten des Gläubigers entschieden wird. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Darlegung des verfolgten Anspruchs (Erlassanspruch) . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1. Vor Erwirkung eines mitgliedstaatlichen Titels (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nach Erwirkung eines mitgliedstaatlichen Titels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 4
58 LG Freiburg v. 20.8.2018 – 5 O 269/18, DGVZ 2019, 39; Ulrici, RIW 2018, 718, 726 Fn. 148; a.A. OLG Hamm v. 10.4.2017 – 32 SA 28/17 (vorgehend: AG Wedding v. 3.4.2017 – 6a C 1001/17 Rz. 8 juris); Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 946 Rz. 11; offenlassend: OLG Karlsruhe v. 14.12.2018 – 209 AR 12/18. 59 Garber, FS Geimer (2017) 81, 100. 60 Ebenso für die Brüssel Ia-VO: Rauscher/Mankowski, Art. 27 Brüssel Ia-VO Rz. 9. 61 Geimer/Schütze/Klöpfer, Art. 3 Rz. 11; a.A. (Art. 3 Abs. 2 EU-KPfVO analog): Garber, FS Geimer (2017), 81, 99; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 93; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 1.
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Art. 7 EU-KPfVO Bedingungen für den Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung 3. Nach Erwirkung eines drittstaatlichen Titels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
III. Darlegung einer drohenden Vollstreckungserschwerung/-vereitelung (Erlassgrund) (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. In allen Verfahrenssituationen . . . . . . . . . 2. Erlassgründe im Einzelnen . . . . . . . . . . .
7 7 8
a) Verhalten des Schuldners hinsichtlich der Forderung des Gläubigers und in vorangegangen Streitigkeiten zwischen den Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 b) Kredithistorie des Schuldners . . . . . . . . 11 c) Vollstreckbare Vermögenswerte und jüngst vorgenommene vermögensrelevante Handlungen des Schuldners . . . . . . . . . 12 IV. Beweismaß der „berechtigten Annahme“ . . 13
I. Normzweck 1
Art. 7 EU-KPfVO normiert die Voraussetzungen der Begründetheit des Antrags auf Erlass eines Europäischen Kontenpfändungsbeschlusses. Die Erlassvoraussetzungen sind äußerlich ähnlich gefasst wie die der weitaus meisten mitgliedstaatlichen Eilverfahren.1 Sie bestehen aus zwei Komponenten: Erlassanspruch und Erlassgrund. Bei der Beurteilung von Erlassanspruch und Erlassgrund hat das Gericht zwischen dem Rechtsdurchsetzungsinteresse des Gläubigers und dem Schutz des Schuldners vor Missbrauch abzuwägen (ErwGr. 14 Abs. 1 EU-KPfVO).
2
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen und das Verfahren richten sich nach Art. 6, 8–12 EU-KPfVO und, soweit die EU-KPfVO keine Regelungen vorsieht, nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO). Die Auswirkungen des Europäischen Kontenpfändungsverfahrens auf die Verjährung, insbesondere die Hemmung der Verjährung, bestimmen sich nach der lex causae.2
II. Darlegung des verfolgten Anspruchs (Erlassanspruch) 1. Vor Erwirkung eines mitgliedstaatlichen Titels (Abs. 2) 3
Hat der Gläubiger noch keinen Titel erlangt, muss er als Äquivalent zum Arrestanspruch im innerstaatlichen Recht dem Gericht eine Forderung schlüssig darlegen.3 2. Nach Erwirkung eines mitgliedstaatlichen Titels
4
Hat der Gläubiger bereits einen mitgliedstaatlichen Titel erwirkt, mit dem der Schuldner aufgefordert wird, die Forderung (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 11) des Gläubigers zu erfüllen, darf das Gericht nicht mehr einstweilen über das Bestehen des Anspruchs entscheiden und der Gläubiger muss seinen Anspruch nicht mehr gesondert darlegen.4 Statt der Darlegung der Begründetheit seines Anspruchs muss der Gläubiger den zur vorläufigen Pfändung geeigneten Titel vorlegen (Art. 8 Abs. 3 EUKPfVO). Geeignete Titel sind gerichtliche Entscheidungen (Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO), gerichtliche Vergleiche (Art. 4 Nr. 9 EU-KPfVO) und öffentliche5 Urkunden (Art. 4 Nr. 10 EU-KPfVO).
1 Europäische Kommission, Vorschlag vom 25.7.2011, KOM(2011) 445 endgültig, S. 7; Hess, Study, 129. 2 Art. 12 Abs. 1 lit. d Rom I-VO, Art. 15 lit. h Rom II-VO, Art. 11 lit. d Haager Unterhaltsprotokoll. Im deutschen Recht tritt die Verjährungshemmung mit der Einreichung des Antrags auf Erlass eines Europäischen Kontenpfändungsbeschlusses ein, wenn der Beschluss innerhalb eines Monats seit Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 Alt. 2 BGB). Erfolgt die Zustellung später, entfällt die Hemmung rückwirkend, BT-Drucks. 14/6040, S. 115. 3 Zur Differenzierung zwischen der Darlegung des voraussichtlichen Obsiegens in der Hauptsache und der Darlegung der Forderung s. Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 76 f. 4 OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 15; Domej, GPR 2017, 84, 88. 5 Obgleich im Entwurf der Europäischen Kommission (25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 14 Abs. 2) nur von „Urkunden“ die Rede ist, waren auch hier bereits mit Blick auf die Antragsvoraussetzungen (KOM (2011) 445, Art. 15 Abs. 2 lit. e) und andere Sprachfassungen (im Englischen: „authentic instrument“, im Französischen „acte authentique“) nur „öffentliche Urkunden“ gemeint.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 7 EU-KPfVO
Der Titel muss im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sein.6 Daraus folgt zum einen, dass der Titel 5 generell zur Zwangsvollstreckung taugen und einen vollstreckbaren Anspruch enthalten muss. So ist beispielsweise ein deutscher Mahnbescheid kein zur Vollstreckung tauglicher Titel, wohl aber ein Vollstreckungsbescheid (§ 794 Abs. 1 Nr. 4 ZPO).7 Zum anderen muss der Titel in zeitlicher Hinsicht schon und noch vollstreckbar sein; vorläufige Vollstreckbarkeit genügt.8 3. Nach Erwirkung eines drittstaatlichen Titels Das Vorhandensein einer drittstaatlichen Entscheidung bzw. die Einleitung eines Verfahrens in einem 6 Drittstaat macht den Antrag auf Erlass eines EU-KPf-Beschlusses nicht unzulässig.9 Eine drittstaatliche Entscheidung ist allerdings keine gerichtliche Entscheidung i.S.v. Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 28). Gerichtliche Entscheidung i.S.v. Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO ist die (inzidente) Anerkennungsentscheidung (vgl. § 328 ZPO) über die drittstaatliche Entscheidung, wenn der Pfändungsbeschluss im Anerkennungsstaat (= Ursprungsmitgliedstaat i.S.v. Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO) vollstreckt wird, d.h. Anerkennungsstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat identisch sind (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 32). In diesem Fall muss der Gläubiger seinen Erlassanspruch nicht nach Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO darlegen.10 Wird der Pfändungsbeschluss hingegen in einen anderen Mitgliedstaat als dem Anerkennungsstaat vollstreckt (Anerkennungsstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat nicht identisch), gilt eine etwaige (inzidente) Anerkennung nicht als Entscheidung i.S.d. VO (Art. 4 EUKPfVO Rz. 31). Der Gläubiger kann nach Art. 6 Abs. 1, 2 EU-KPfVO, Art. 7 Abs. 1, 2 EU-KPfVO vorgehen. Mit dem drittstaatlichen Titel kann der Gläubiger seine Forderung glaubhaft machen (Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO), wenn dieser Titel im Ursprungsmitgliedstaat anerkennungsfähig ist.11 Zur Verpflichtung der Einleitung eines Verfahrens in der Hauptsache in einem Mitgliedstaat s. aber Art. 10 EU-KPfVO Rz. 7 ff.
III. Darlegung einer drohenden Vollstreckungserschwerung/-vereitelung (Erlassgrund) (Abs. 1) 1. In allen Verfahrenssituationen Als Äquivalent zum Arrestgrund (vgl. § 917 ZPO) muss der Gläubiger dem Gericht darlegen, dass 7 ohne den vorläufigen Pfändungsbeschluss die Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung droht (Erlassgrund). Anders als noch von der Kommission vorgesehen,12 muss der Gläubiger den Erlassgrund in allen Verfahrenssituationen darlegen, also auch, wenn er bereits einen Titel hat (ErwGr. 14 Abs. 3 EU-KPfVO).13 Die Anforderungen an die Darlegung eines Erlassgrundes sind für titulierte Forderungen grundsätzlich nicht niedriger (zur mangelnden Kooperativität des Schuldners vgl. aber Rz. 10).14 Damit werden die Einsatzmöglichkeiten des Pfändungsbeschlusses deutlich eingeschränkt: Ohne diese Einschränkung hätten Gläubiger den Beschluss regelmäßig vor der eigentlichen Vollstreckung einsetzen können.
6 EuGH v. 7.11.2019 – C-555/18, ECLI:EU:C:2019:937 – K.H.K./B.A.C., E.E.K., RIW 2020, 30 Rz. 44; Heinze, ZVglRWiss 119 (2020) S. 167, 186; Rieländer, RIW 2020, 102, 106 ff.; a.A. Domej, GPR 2017, 84, 88; Martin, JAP 2016, 163, 164; Rauscher/Rauscher/Wiedemann, Rz. 3 (Vorauflage). 7 Vgl. für einen nach bulgarischem Recht erlassenen Mahnbescheid EuGH v. 7.11.2019 – C-555/18, ECLI:EU: C:2019:937 – K.H.K./B.A.C., E.E.K., RIW 2020, 30 Rz. 17, 44; Cranshaw, jurisPR-HaGesR 7/2020 Anm. 1. 8 Vgl. ErwGr. 18 Abs. 3 S. 2 a.E. EU-KPfVO. 9 Garber, FS Geimer (2017), 81, 98; Geimer/Schütze/Klöpfer, Art. 10 Rz. 16. 10 Ähnlich Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 9. 11 Huber/Geier-Thieme in Dierck/Morvilius/Vollkommer (Hrsg.), Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht (2016), Kap. 11 Rz. 38; Geimer/Schütze/Klöpfer Rz. 10; ähnlich für EG-MahnVO: Geimer in FS Simotta (2012), 163, 180 (actio iudicati). 12 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 14 f. EU-KPfVO. 13 OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 15; Cour d’appel de Versailles v. 13.7.2020 – n° 18/05040; Jungemeyer, jurisPR-IWR 2/2019 Anm. 3; a.A. U. Gottwald, ZAP 2017, 241, 248 (Fach 14, 781). 14 Krit. Hess, Europäisches Zivilprozessrecht (2. Aufl. 2021), Rz. 10.128.
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Art. 7 EU-KPfVO Bedingungen für den Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung 2. Erlassgründe im Einzelnen 8
Wann ein Erlassgrund vorliegt, ist unionsautonom zu bestimmen.15 Soll ein gerechter Interessenausgleich zwischen Gläubiger und Schuldner hergestellt (ErwGr. 14 Abs. 1 EU-KPfVO) und der Missbrauch des vorläufigen Pfändungsbeschlusses verhindert werden, kann die bloße abstrakte Gefahr, dass ein bestimmtes Kontoguthaben im Zeitpunkt der Vollstreckung dem Gläubiger nicht mehr als Pfand zur Verfügung steht, nicht ausreichen.16 Erforderlich sind konkrete Anhaltspunkte für eine Vollstreckungsvereitelung oder -erschwerung.17 Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache und die Folgen einer Kontensperre für den Schuldner sind für den Erlassgrund nicht von Belang; die Erfolgsaussichten sind i.R.v. Art. 7 Abs. 1 EU-KPfVO zu prüfen, die Folgen der Kontensperre für den Schuldner finden i.R.v. Art. 12 EU-KPfVO Berücksichtigung.18
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Es wäre aber nicht interessengerecht, nur die Gefahr der Vollstreckungsvereitelung bzgl. des zu pfändenden Kontoguthabens genügen zu lassen.19 Wenn der Schuldner das Pfändungsobjekt beiseiteschafft, ist es für den Gläubiger regelmäßig schon zu spät, eine Sicherung zu beantragen. Die EUKPfVO beschränkt den Erlassgrund daher nicht auf Verfügungen bzgl. des Pfändungsobjekts, sondern verlangt eine Gesamtschau aller jüngst vorgenommenen Handlungen des Schuldners, die darauf schließen lassen, dass der Schuldner sein Vermögen aufbraucht, verschleiert, vernichtet oder unter Wert, in unüblichem Ausmaß oder durch unübliche Handlungen veräußert (ErwGr. 14 Abs. 3 EUKPfVO). Die Handlungen müssen zeitlich so nah bevorstehen, dass es dem Gläubiger ohne die Europäische Kontenpfändung voraussichtlich nicht mehr möglich wäre, „die Vollstreckung der bestehenden oder einer künftigen gerichtlichen Entscheidung [zu] erwirken“ (ErwGr. 14 Abs. 3 EU-KPfVO).20 a) Verhalten des Schuldners hinsichtlich der Forderung des Gläubigers und in vorangegangen Streitigkeiten zwischen den Parteien
10
Ein Erlassgrund kann sich ergeben aus dem Verhalten des Schuldners im Hinblick auf die zu sichernde Geldforderung des Gläubigers und vorangegangene Streitigkeiten zwischen Gläubiger und Schuldner (ErwGr. 14 Abs. 4 S. 2 EU-KPfVO). Nicht ausreichend ist das bloße Nichterfüllen oder das Bestreiten der Forderung (ErwGr. 14 Abs. 4 S. 4 EU-KPfVO).21 Diese Faktoren können aber in einer Gesamtschau mit anderen Faktoren einen Erlassgrund begründen (ErwGr. 14 Abs. 4 S. 6 EU-KPfVO); so ist z.B. in der Gesamtschau zu berücksichtigen, wenn der Schuldner sich im Hinblick auf eine titulierte Forderung unkooperativ zeigt.22 Zu den Faktoren, die einen Erlassgrund darstellen können, gehören zudem vorangegangene erfolglose Vollstreckungsmaßnahmen wegen der zu sichernden Forderung.23 Ein gegen den Schuldner eingeleitetes Strafverfahren wegen Untreue und Betrug zu Lasten des Gläubigers kann noch keinen Erlassgrund begründen,24 wohl aber eine rechtskräftige Verurteilung. Existieren zum Zeitpunkt des Pfändungsantrages wegen derselben Forderung bereits gleichwertige nationale Pfändungen, schließt dies einen Erlassgrund nicht aus; vielmehr prüft das Gericht nach Art. 16 Abs. 4 EU-KPfVO, ob der Beschlusserlass noch angemessen ist.25
15 Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 11. 16 Harbeck, ZInsO 2012, 805, 808; Domej, ZEuP 2013, 496, 505 f. (Sicherung vor Titulierung sollte Ausnahme bleiben und nicht zur Regel werden); Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 7. 17 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 17; Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017) Rz. 9.61; krit. Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014) 263, 182 („zu streng und einseitig“). 18 A.A. Ritz, Kontenpfändung (2019), 55. 19 So exemplarisch Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 7 Abs. 1 lit. b. 20 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 9. 21 LG Bremen v. 7.1.2020 – 3 O 2166/19. 22 Goebel, zfm 2019, 160; Wiedemann in von Hein/Kruger (Hrsg.), Informed Choices in Cross-Border Enforcement (2021), 103, 123; a.A. OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 15. 23 A.A. OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 14. 24 OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 14. 25 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 13; a.A. wohl Schlosser/Hess/Hess, Art. 16 Rz. 1.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 7 EU-KPfVO
b) Kredithistorie des Schuldners Relevant ist außerdem die finanzielle Vorgeschichte (Kredithistorie) des Schuldners (ErwGr. 14 Abs. 4 11 S. 2 EU-KPfVO). Hierzu gehören z.B. vorangegangene Vollstreckungsmaßnahmen wegen anderer Forderungen. Im Gesetzgebungsverfahren war lange ungeklärt, ob auch die drohende Konkurrenz anderer Gläubiger oder das bloße Risiko der Insolvenz einen Erlassgrund darstellen können.26 Die deutsche Literatur verneinte – wie beim Arrest – die Gläubigerkonkurrenz als Erlassgrund mit dem Argument, eine einstweilige Maßnahme solle nicht einzelnen Gläubigern den Vorrang vor den übrigen sichern.27 Allerdings ist die Gläubigerkonkurrenz in anderen Mitgliedstaaten eine legitime Begründung zum Erlass einer einstweiligen Maßnahme.28 ErwGr. 14 Abs. 4 S. 4, 5 EU-KPfVO stellen nun klar, dass die bloße Tatsache, dass der Schuldner mehr als einen Gläubiger hat oder die finanzielle Situation schlecht ist oder schlechter wird, allein nicht ausreichen sollen.29 Beide Faktoren können aber bei der Gesamtbewertung des Bestehens der Gefahr der Vollstreckungsvereitelung Berücksichtigung finden (ErwGr. 14 Abs. 4 S. 6 EU-KPfVO). c) Vollstreckbare Vermögenswerte und jüngst vorgenommene vermögensrelevante Handlungen des Schuldners Auch die vollstreckbaren Vermögenswerte des Schuldners und sein Verhalten im Hinblick darauf sind 12 von Bedeutung (ErwGr. 14 Abs. 4 S. 2 EU-KPfVO). In die Gesamtabwägung einzubeziehen ist die Frage, ob das zu pfändende Kontoguthaben das einzige Vermögen des Schuldners ausmacht, oder ob der Schuldner weiteres pfändbares Vermögen besitzt.30 Ein Erlassgrund liegt z.B. vor, wenn der Schuldner beginnt, sein vollstreckungsrelevantes Vermögen aus dem räumlichen Anwendungsbereich von Brüssel Ia-VO und Lugano Übereinkommen, z.B. auf eine karibische Insel, zu verbringen.31 Dagegen reicht es grundsätzlich nicht, wenn der Schuldner sein Konto in einem Mitgliedstaat kündigt und in einem anderen neu eröffnet, denn in dem neuen Mitgliedstaat kann der Gläubiger seine Forderung ebenso mit nationalen Instrumenten oder einem Europäischen Pfändungsbeschluss vorläufig sichern.32 Auch dass der Schuldner ein Konto außerhalb seines Wohnsitzstaates führt, genügt nicht.33 Kündigt der Schuldner sein Konto jedoch unmittelbar vor Ausführung einer nationalen Pfändungsmaßnahme und geht die nationale Maßnahme deshalb ins Leere, ist eine Vollstreckungsvereitelung naheliegend.34 Gleiches gilt bei Abhebungen oder Überweisungen, die dazu führen, dass eine anstehende Pfändung ins Leere geht.35 Ein Hindernis wird nämlich auch dann geschaffen, wenn der Gläubiger fortan auf nationale Aufklärungsmaßnahmen oder einen Antrag nach Art 14 EU-KPfVO, ggf. in mehreren Staaten, angewiesen ist, um vollstreckbares Vermögen zu finden.36 Hingegen sind Kontoabhebungen und Ausgaben zur Bestreitung des Lebensunterhaltes und Erhaltung der Geschäftstätigkeit im üblichen Umfang nicht ausreichend (ErwGr. 14 Abs. 4 S. 3 EU-KPfVO). In einer Grauzone liegen größere Kontoabhebungen und Ausgaben. Diese Handlungen sollten im Hinblick auf die wirtschaftliche Freiheit des Schuldners nicht ohne weiteres den Verdacht einer Vollstreckungs26 27 28 29
30 31 32
33 34 35 36
Häcker, WM 2012, 2180, 2184; Harbeck, ZInsO 2012, 805, 808. Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 405. Hess, Study, 18.2.2004, No JAI/A3/2002/02, 129. LG Bremen v. 7.1.2020 – 3 O 2166/19, juris Rz. 11. Ebenfalls gegen eine Erfassung der Gläubigerkonkurrenz Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 260; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 137 und andeutungsweise Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, SEK (2006) 1341, 12 (3.2.2.). A.A. OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 14. Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 137 f. OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 13, 15; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 8. Zur damit u.U. auch einhergehenden Diskriminierung wegen Staatsangehörigkeit vgl. EuGH v. 10.2.1994 – 398/92 – Mund & Fester/Hatrex Internationaal Transport, EuGHE 1994 I 467 (zu § 917 Abs. 2 ZPO a.F.), anders Harbeck, ZInsO 2012, 805, 808. OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 14. Zu restriktiv daher: OLG Köln v 16.2.2021 – 13 W 40/20. Wiedemann in von Hein/Kruger (Hrsg.), Informed Choices in Cross-Border Enforcement (2021), 103, 123. Sikorski, Kontenpfändungen (2018), 150; vgl. auch Goebel, zfm 2019, 160 (Auslandsvollstreckung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden).
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Art. 8 EU-KPfVO Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung vereitelung begründen, können aber bei der Gesamtbewertung berücksichtigt werden, wenn sie der Vermögensverschleierung oder Vermögensverschwendung dienen.37
IV. Beweismaß der „berechtigten Annahme“ 13
Dass Art. 7 EU-KPfVO von Beweismitteln spricht, darf nicht als Beschränkung des Beweismaßes auf den Strengbeweis (§ 284 ZPO) verstanden werden. Das Gericht muss lediglich zu der „berechtigten Annahme“ veranlasst werden, dass Erlassanspruch und Erlassgrund bestehen; eine volle Überzeugung ist nicht erforderlich. Art. 7 EU-KPfVO legt insoweit ein unionsautonomes Beweismaß fest (zu den Beweismitteln s. Art. 9 EU-KPfVO).38
14
Umstritten ist, ob dieses Beweismaß der Glaubhaftmachung (überwiegende Wahrscheinlichkeit, § 294 ZPO) entspricht39 oder strenger40 ist (zwischen Glaubhaftmachung und voller richterlicher Überzeugung). Der Gerechtshof ’s-Hertogenbosch begründete ein strengeres Beweismaß mit einem Vergleich der aktuellen Fassung der VO („berechtigte Annahme“) zum Kommissionsentwurf, der formulierte, „dass [die] Forderung dem ersten Anschein nach begründet“ sein muss. Auch die erste Fassung des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments verlangte nur, dass der „Antrag glaubhaft gemacht wird.“ In der Praxis ist eine Ebene zwischen überwiegender Wahrscheinlichkeit und voller richterlicher Überzeugung allerdings kaum handhabbar.41 Das europäisch-autonome Beweismaß sollte deshalb dem der Glaubhaftmachung (überwiegende Wahrscheinlichkeit) entsprechen.
Artikel 8 Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung (1) Anträge auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung sind unter Verwendung des gemäß dem Beratungsverfahren nach Artikel 52 Absatz 2 erstellten Formblatts einzureichen. (2) Der Antrag muss folgende Angaben enthalten: a) Name und Anschrift des Gerichts, bei dem der Antrag eingereicht wird; 37 Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 6. 38 LG Berlin v. 7.1.2020 – 3 O 2166/19, juris Rz. 9; Domej, ZEuP 2013, 496, 500; Domej, GPR 2017, 84, 88; Heinze, ZVglRWiss 119 (2020) 167, 189; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht (2. Aufl. 2021), Rz. 10.132; Schlosser/ Hess/Hess, Rz. 4; Huber/Geier-Thieme in Dierck/Morvilius/Vollkommer (Hrsg.), Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht (2016), Kap. 11 Rz. 41; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 4; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 199; Martin, JAP 2016, 163, 165; Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 11; Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 75; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 163 f.; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 138 Fn. 39; a.A. Hess in FS Kaissis (2012), 399, 405; Hess/Raffelsieper, IPRax 2015, 46, 48; Nunner-Krautgasser in Hess (Hrsg.), Anerkennung (2014), 125, 139; Raffelsieper in Hess (Hrsg.), Anerkennung (2014), 214, 217; Villamarín López in Gascón Inchausti/Hess (Hrsg.), The future of the European law of civil procedure (2020), 111, 116; Wolber, Schuldnerschutz (2015), 195. 39 Dafür: LG Bremen v. 7.1.2020 – 3 O 2166/19, juris Rz. 9; Lechner, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 9.10.2007, A6-0371/2007, Vorschlag Nr. 3; BR-Drucks. 633/15, 43; Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 404; Domej, GPR 2017, 84, 88; Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.63; Geimer/Schütze/Garber, EuZVR, Rz. 3; Heinze, ZVglRWiss 119 (2020) 167, 189 f.; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 4; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 18; Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 13; Lüttringhaus, ZZP 129 (2016) 187, 199; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014) Rz. 103; Müller, RIW 2012, 151, 154; Rechberger, FS Coester-Waltjen (2015) 651, 656 f.; Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 75 f.; Sujecki, EWS 2011, 414, 416; Trenker in Europäischen Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), S 129, 138. 40 Dafür: Gerechtshof’s-Hertogenbosch, 29.8.2017 – 200.215.789_01, Ziff. 3.18.1.; Kreutz, Rpfleger 2016, 509, 513 („hinreichend wahrscheinlich“); Schlosser/Hess/Hess Rz. 4; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO Rz. 5. 41 Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 75.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 8 EU-KPfVO
b) Angaben zum Gläubiger: Name und Kontaktdaten sowie gegebenenfalls Name und Kontaktdaten des Vertreters des Gläubigers und i) wenn der Gläubiger eine natürliche Person ist, ihr Geburtsdatum und, falls vorhanden und falls verfügbar, ihre Identifikations- oder Passnummer, oder ii) wenn der Gläubiger eine juristische Person oder ein sonstiger Rechtsträger ist, der nach dem Recht eines Mitgliedstaats vor Gericht klagen oder verklagt werden kann, den Staat ihrer Gründung, Erlangung der Rechtsfähigkeit oder Registrierung und ihre Identifikations- oder Registrierungsnummer oder, falls keine solche Nummer vorhanden ist, Datum und Ort ihrer Gründung, Erlangung der Rechtsfähigkeit oder Registrierung; c) Angaben zum Schuldner: Name und Kontaktdaten sowie gegebenenfalls Name und Kontaktdaten des Vertreters des Schuldners und, falls verfügbar: i) wenn der Schuldner eine natürliche Person ist, ihr Geburtsdatum und ihre Identifikations- oder Passnummer, oder ii) wenn der Schuldner eine juristische Person oder ein sonstiger Rechtsträger ist, der nach dem Recht eines Mitgliedstaats vor Gericht klagen oder verklagt werden kann, den Staat ihrer Gründung, Erlangung der Rechtsfähigkeit oder Registrierung und ihre Identifikations- oder Registrierungsnummer oder, falls keine solche Nummer vorhanden ist, Datum und Ort ihrer Gründung, Erlangung der Rechtsfähigkeit oder Registrierung; d) eine Nummer, mit der die Bank identifiziert werden kann, wie IBAN oder BIC und/oder Name und Anschrift der Bank, bei der der Schuldner ein oder mehrere vorläufig zu pfändende Konten unterhält; e) falls verfügbar die Nummer des oder der vorläufig zu pfändenden Konten und in diesem Fall die Angabe, ob andere Konten des Schuldners bei derselben Bank vorläufig gepfändet werden sollen; f) falls keine der nach Buchstabe d erforderlichen Angaben vorgelegt werden kann, eine Erklärung, dass die Einholung der Kontoinformationen gemäß Artikel 14 beantragt wurde, sofern ein solcher Antrag möglich ist, und die Angabe der Gründe, warum nach Auffassung des Gläubigers der Schuldner ein oder mehrere Konten bei einer Bank in einem bestimmten Mitgliedstaat unterhält; g) die Höhe der Forderung, für die der Beschluss zur vorläufigen Pfändung beantragt wird: i) wenn der Gläubiger noch keine gerichtliche Entscheidung, keinen gerichtlichen Vergleich oder keine öffentliche Urkunde erwirkt hat, die Höhe der Hauptforderung oder eines Teils der Hauptforderung und etwaiger Zinsen, soweit diese gemäß Artikel 15 eingetrieben werden können; ii) wenn der Gläubiger bereits eine gerichtliche Entscheidung oder einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde erwirkt hat, die Höhe der Hauptforderung, die in der gerichtlichen Entscheidung, dem gerichtlichen Vergleich oder der öffentlichen Urkunde angegeben ist, oder eines Teils der Hauptforderung und etwaiger Zinsen und Kosten, soweit diese gemäß Artikel 15 eingetrieben werden können; h) wenn der Gläubiger noch keine gerichtliche Entscheidung, keinen gerichtlichen Vergleich oder keine öffentliche Urkunde erwirkt hat, i) eine Beschreibung aller sachlich relevanten Umstände, die die Zuständigkeit des Gerichts, bei dem der Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung eingereicht wird, begründen; ii) eine Beschreibung aller sachlich relevanten Umstände, auf die sich die Forderung sowie gegebenenfalls die Zinsforderungen gründen; iii) eine Erklärung, die Auskunft darüber gibt, ob der Gläubiger bereits ein Verfahren gegen den Schuldner in der Hauptsache eingeleitet hat; i) wenn der Gläubiger bereits eine gerichtliche Entscheidung oder einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde erwirkt hat, eine Erklärung, dass der gerichtlichen Entscheidung, dem gerichtlichen Vergleich oder der öffentlichen Urkunde noch nicht Folge geleistet wurde, oder, falls dieser bzw. diesem zum Teil Folge geleistet wurde, Angaben darüber, inwieweit ihr bzw. ihm nicht Folge geleistet wurde; Wiedemann
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Art. 8 EU-KPfVO Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung j)
eine Beschreibung aller sachlich relevanten Umstände nach Maßgabe des Artikels 7 Absatz 1, die den Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung rechtfertigen; k) gegebenenfalls eine Angabe der Gründe, warum der Gläubiger seiner Ansicht nach von der Sicherheitsleistung nach Artikel 12 befreit werden sollte; l) eine Liste der vom Gläubiger vorgelegten Beweismittel; m) eine Erklärung gemäß Artikel 16, die Auskunft darüber gibt, ob der Gläubiger bei anderen Gerichten oder Behörden einen Antrag auf Erlass eines gleichwertigen nationalen Beschlusses gestellt hat oder ob ein solcher Beschluss bereits erwirkt oder abgelehnt wurde und, falls ein solcher erwirkt wurde, inwieweit er bereits ausgeführt wurde; n) eine fakultative Angabe des Bankkontos des Gläubigers, das für eine freiwillige Erfüllung der Forderung durch den Schuldner zu verwenden ist; o) eine Erklärung, dass die Angaben im Antrag vom Gläubiger nach bestem Wissen und Gewissen wahrheitsgemäß und vollständig gemacht wurden und dass dem Gläubiger bewusst ist, dass vorsätzlich falsche oder unvollständige Angaben Rechtsfolgen nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem der Antrag eingereicht wurde, oder eine Haftung nach Artikel 13 nach sich ziehen können. (3) Dem Antrag sind alle zweckdienlichen Unterlagen beizufügen sowie, wenn der Gläubiger bereits eine gerichtliche Entscheidung oder einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde erwirkt hat, eine Ausfertigung der gerichtlichen Entscheidung, des gerichtlichen Vergleichs oder der öffentlichen Urkunde, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. (4) Der Antrag und die Unterlagen können auf jedem Weg übermittelt werden, der nach den Verfahrensvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Antrag eingereicht wird, zulässig ist, einschließlich elektronischer Kommunikationswege. I. Antragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Formblatt (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . .
3
III. Angaben im Antrag (Abs. 2) . . . . . . . . . . 4 1. Gericht (Abs. 2 lit. a) . . . . . . . . . . . . . . . 5 2. Angaben zu Gläubiger und Schuldner (Abs. 2 lit. b, c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3. Angaben zum Bankkonto (Abs. 2 lit. d–f) . . . 8 4. Angaben zu Erlassanspruch und Erlassgrund (Abs. 2 lit. g–j) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 5. Gründe für die Befreiung von der Sicherheitsleistung (Abs. 2 lit. k) . . . . . . . . . . . . . . 12
6. Liste der Beweismittel (Abs. 2 lit. l) . . . . . 7. Andere Sicherungsmaßnahmen nach nationalem Recht (Abs. 2 lit. m) . . . . . . . . . . 8. Freiwillige Erfüllung (Abs. 2 lit. n) . . . . . . 9. Erklärung zur Wahrheitsgemäßheit und Richtigkeit der Angaben (Abs. 2 lit. o) . . . . IV. Beizufügende Unterlagen (Abs. 3) . . . . .
. 13 . 14 . 15 . 16 . 19
V. Übermittlung (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . 23 VI. (Teilweise) Antragsrücknahme . . . . . . . . 24
I. Antragserfordernis 1
Der Erlass eines vorläufigen Pfändungsbeschlusses setzt einen Antrag des Gläubigers bei Gericht voraus. Das Verfahren findet nicht von Amts wegen statt.1 Art. 8 EU-KPfVO normiert die Anforderungen an einen verfahrenseinleitenden Antrag. Bei der Antragstellung ist der Gläubiger verpflichtet, ein Formblatt zu verwenden (Abs. 1), eine Reihe von Informationen hinsichtlich Gläubiger, Schuldner, Konto, Forderung, Eilbedürftigkeit anzugeben (Abs. 2) und verschiedene Unterlagen beizufügen (Abs. 3). War der Antrag unvollständig oder unrichtig, erlangt Art. 8 EU-KPfVO auch Bedeutung im Rahmen einer Vervollständigung oder Berichtigung des Antrags nach Art. 17 Abs. 3 EU-KPfVO. Art. 8 EU-KPfVO regelt Form und Inhalt des Antrags abschließend.2
1 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 14. 2 Vgl. zur EG-MahnVO EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Iwona Szyrocka/SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, 147; Rauscher/Gruber, Art. 7 EG-MahnVO Rz. 30.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 8 EU-KPfVO
Bei der Antragstellung und während des Verfahrens bedarf keine der Parteien eines Rechtsanwalts 2 oder sonstigen Rechtsbeistands (Art. 41 S. 1 EU-KPfVO), auch wenn das nationale Verfahrensrecht einen Anwaltszwang für vergleichbare Verfahren vorsieht.
II. Formblatt (Abs. 1) Der Antrag ist zwingend unter Verwendung eines Formblattes in einer am Ursprungsgericht zugelassenen Sprache zu stellen.3 Wird der Antrag ohne Verwendung des Formblattes gestellt, fordert das Gericht den Gläubiger zur Verwendung des Formblattes auf (Art. 17 Abs. 3 S. 1 EU-KPfVO) und gibt entsprechende Hinweise, wo das Formblatt zu finden ist. Das Formblatt für den Antrag findet sich in Anhang I DVO (EU) 2016/1823 (Art. 51 EU-KPfVO). Der Gläubiger muss das Formblatt in einer der Amtssprachen des Ursprungsmitgliedstaats verwenden und ausfüllen, es sei denn, der Ursprungsmitgliedstaat akzeptiert gem. Art. 49 Abs. 2 EU-KPfVO, Art. 50 Abs. 1 lit. o EU-KPfVO auch andere Sprachen.4 Deutschland akzeptiert nur Anträge in deutscher Sprache.
3
III. Angaben im Antrag (Abs. 2) Art. 8 Abs. 2 EU-KPfVO beschreibt, welche Informationen der Antrag des Gläubigers enthalten muss. 4 Dazu gehören zwingend Informationen zum zuständigen Gericht (lit. a), zum Gläubiger (lit. b), zum Schuldner (lit. c), zum Bankkonto (lit. d–f), zu der zu pfändenden Forderung (lit. g, h) und zur Eilbedürftigkeit (lit. j). Soweit der Gläubiger bereits einen Titel erwirkt hat, muss er erklären, dass der Schuldner dem Titel noch nicht Folge geleistet hat (lit. i). Die vorgelegten Beweismittel muss der Gläubiger im Antragsformular auflisten (lit. l). Schließlich muss sich der Gläubiger über weitere gleichwertige Sicherungen erklären (lit. m) und die Wahrheitsgemäßheit seiner Angaben versichern (lit. o). 1. Gericht (Abs. 2 lit. a) Das Gericht, bei dem der Antrag gestellt wird, ist mit Namen und Anschrift inkl. Mitgliedstaat (Ländercode)5 anzugeben (Ziff. 1 Anhang I DVO (EU) 2016/1823).
5
2. Angaben zu Gläubiger und Schuldner (Abs. 2 lit. b, c) Der Gläubiger muss für sich und den Schuldner Namen und Kontaktdaten mitteilen (Ziff. 2 und 3 Anhang I DVO (EU) 2016/1823). Damit werden die Beteiligten des Verfahrens bestimmt und die Voraussetzungen für die spätere Übermittlung von Schriftstücken geschaffen. Zu den zwingenden Angaben gehören jedenfalls der vollständige Name und die Adresse von Gläubiger (Abs. 2 lit. c, Ziff. 2.1., 2.2. Anhang I DVO (EU) 2016/1823) und Schuldner (Abs. 2 lit. c, Ziff. 3.1., 3.2. Anhang I DVO (EU) 2016/1823).6 Zwingende Angaben zum Gläubiger sind außerdem: bei natürliche Person das Geburtsdatum (Abs. 2 lit. b sublit. i, Ziff. 2.7.1. Anhang I DVO (EU) 2016/1823); bei juristischen Personen oder sonstigen Rechtsträgern das Land der Gründung, Erlangung der Rechtsfähigkeit oder Registrierung sowie die Registernummer oder Datum und Ort der Gründung (Abs. 2 lit. b sublit. ii, Ziff. 2.8. Anhang I DVO (EU) 2016/1823). Zu den freiwilligen Angaben gehören beim Gläubiger die Identifikations- oder Passnummer (Abs. 2 lit. b sublit. i, Ziff. 2.7.2. Anhang I DVO (EU) 2016/1823). Beim Schuldner, der eine natürliche Person ist, können das Geburtsdatum und die Identifikationsoder Passnummer angegeben werden (Abs. 2 lit. c sublit. i, Ziff. 3.7. Anhang I DVO (EU) 2016/1823); beim Schuldner, der eine juristischen Personen ist, das Land der Gründung, Erlangung der Rechts3 EuGH v. 7.11.2019 – C-555/18 – K.H.K/B.A.C., E. E.K., RIW 2020, 30 Rz. 33; Cour d’appel de Versailles v. 13.7.2020 – n° 18/05040; OLG Innsbruck v. 7.5.2019 – 10R25/19f (Erwägungen Ziff. 3); Sikorski, Kontopfändungen (2018), 95. 4 Fawzy, DGVZ 2015, 141, 142; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 3. 5 http://publications.europa.eu/code/de/de-370100.htm (zuletzt abgerufen am 27.9.2021). 6 So ausdrücklich Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 8 Abs. 2 lit. a, b.
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Art. 8 EU-KPfVO Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung fähigkeit oder Registrierung sowie die Registernummer oder Datum und Ort der Gründung (Abs. 2 lit. c sublit. ii: „falls verfügbar“, Ziff. 3.8. Anhang I DVO (EU) 2016/1823).7 Zum Schuldner und Gläubiger können außerdem Telefonnummer, Fax, und E-Mail-Adresse angegeben werden. 7
Ggf. sind die Kontaktdaten eines Vertreters anzugeben. Damit ist der Verfahrensvertreter (gesetzlich oder gewillkürt) der Beteiligten gemeint. Wer im Verfahren vertretungsbefugt ist, richtet sich nach dem im Ursprungsmitgliedstaat anzuwendenden nationalen Verfahrensrecht. Es besteht kein Anwaltszwang (Rz. 2). 3. Angaben zum Bankkonto (Abs. 2 lit. d–f)
8
Abs. 2 lit. d–f regeln die notwendigen Angaben zum Bankkonto autonom, weil die Gesetze und die Rechtsprechung der Mitgliedstaaten sich erheblich voneinander unterscheiden, wenn es um die Bezeichnung der zu sperrenden Konten geht.8 Bei der Beantragung eines Europäischen Pfändungsbeschlusses muss der Gläubiger Angaben machen, die dem Gericht eine Identifikation der kontoführenden Bank und sodann der Bank die Identifikation des Kontos ermöglichen. Hierzu sind mindestens Name und Anschrift der Bank anzugeben.9 Alternativ genügt die Angabe von BIC, IBAN oder, so lange diese noch geführt wird, BLZ (Abs. 2 lit. d, Ziff. 6.2. Anhang I DVO (EU) 2016/1823). Der Gläubiger muss nicht zwingend die Kontonummer angeben (Abs. 2 lit. e, Ziff. 6.6. Anhang I DVO (EU) 2016/1823); die Bank muss die Kontonummer ggf. ermitteln (Art. 24 Abs. 4 EU-KPfVO).
9
Kann der Gläubiger nicht einmal Name und Anschrift der Bank mitteilen, muss er zugleich mit dem Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses einen Antrag um Einholung von Kontoinformationen nach Art. 14 EU-KPfVO stellen (Art. 8 Abs. 2 lit. f, Ziff. 7 und ggf. Ziff. 10.2. Anhang I DVO (EU) 2016/1823).
10
Der Gläubiger kann mehrere Konten pfänden.10 Eine Beschränkung ist dabei nicht vorgesehen, so dass der Gläubiger, der die Bankverbindung seines Schuldners nicht kennt, verdachtsweise bei mehreren Banken eine Pfändung beantragen könnte (sog. Verdachts- oder Ausforschungspfändung).11 Anders als beim Antrag auf Einholung von Kontoinformationen (Art. 8 Abs. 1 lit. f EU-KPfVO, Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2 EU-KPfVO), muss der Gläubiger beim Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses keinen Grund für die Annahme mitteilen, dass der Schuldner ein oder mehrere Konten bei einer Bank unterhält.12 Die deutsche Rechtsprechung hat Verdachtspfändungen zuletzt zunehmend als zulässig angesehen, weil das deutsche Vollstreckungsrecht dem Gläubiger bis zur Reform der Sachaufklärung13 keine effektiven Aufklärungsmöglichkeiten für Bankguthaben gab.14 Die EU-KPfVO etabliert ein spezielles Verfahren zur Einholung von Kontoinformationen (Art. 14 EUKPfVO), so dass Verdachtspfändungen darüber hinaus überflüssig sind und aufgrund der zusätzlichen Belastung der Banken von den Gerichten als rechtsmissbräuchlich angesehen werden müssen, wenn sich die verdachtsweise Pfändung bereits aus dem Antrag ergibt.15
7 Fawzy, DGVZ 2015, 141, 142; a.A. Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 5 („zwingend“). Das Formular (Ziff. 3.8) geht im Hinblick auf juristische Personen abweichend von Art. 8 Abs. 2 lit. c sublit. ii EU-KPfVO von einer zwingenden Angabe dieser Daten bei juristischen Personen aus. 8 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006 SEK(2006) 1341, 3.3. 9 Vgl. dazu Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 16; Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 19.6.2013, A7-0227/2013, Art. 16; Rat der EU, Addendum Vermerk des Vorsitzes, 31.11.2013, 16991/13 ADD 1, Art. 8 Abs. 2 lit. ca. 10 Steinhofer/Karl, exolex 2017, 764, 766. 11 Krit. Schimrick, Forderungsvollstreckung (2012), 311. 12 Anders wohl Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 284. 13 Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.7.2009 (BGBl. 2009 I 2258). 14 Zur Behandlung der Verdachtspfändungen im deutschen Recht BGH v. 19.3.2004 – IX a ZB 229/03, NJW 2004, 2096, 2097; Hess, NJW 2004, 2350. 15 Steinhofer/Karl, exolex 2017, 764, 767; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 9; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 125; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 96.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 8 EU-KPfVO
4. Angaben zu Erlassanspruch und Erlassgrund (Abs. 2 lit. g–j) Abs. 2 lit. g betrifft den Erlassanspruch (Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO) und ist kompliziert formuliert.16 11 Übersichtlicher sind Ziff. 8 (vollstreckbarer Titel vorhanden) und Ziff. 9 (noch kein vollstreckbarer Titel vorhanden) des Antragsformulars im Anhang I DVO (EU) 2016/1823. Verfügt der Gläubiger über einen vollstreckbaren Titel, muss er Erlassgericht bzw. Behörde (Ziff. 8.1. ff.), Datum (Ziff. 8.6.), Währung (Ziff. 8.7.), zuerkannten Hauptbetrag (Ziff. 8.8.1.), zuerkannte Zinsen inkl. Einzelheiten der Zinsberechnung nach dem Recht des Erlassstaats (Ziff. 8.8.2.1.) und dem Schuldner auferlegte Kosten (Ziff. 8.8.3.) angeben. Nicht im Titel zuerkannte Beträge muss der Gläubiger in Ziff. 9 oder in einem separaten Antrag erfassen.17 Der Gläubiger muss außerdem bestätigen, dass der Schuldner die titulierte Forderung noch nicht beglichen hat (Abs. 2 lit. i, Ziff. 8.8.1.1., 8.8.1.2. und 8.9. Anhang I DVO (EU) 2016/1823). Verfügt der Gläubiger über keinen vollstreckbaren Titel, muss er Hauptforderung, Zinsen, Vertragsstrafen, Währung (Buchst. g lit. i und Ziff. 9.1. bis 9.4.) und die relevanten Umstände, auf denen die Forderung beruht (Buchst. h lit. i, ii und Ziff. 9.5.), angeben. Außerdem muss der Gläubiger im Hinblick auf die Verpflichtung nach Art. 10 EU-KPfVO Auskunft darüber geben, ob er bereits ein Verfahren in der Hauptsache eingeleitet hat (Buchst. h lit. iii, Ziff. 5.14). Der Erlassgrund (Dringlichkeit, Art. 7 Abs. 1 EU-KPfVO, Art. 8 Abs. 2 lit. j EU-KPfVO) ist unter Ziff. 10 Anhang I DVO (EU) 2016/1823 darzulegen. 5. Gründe für die Befreiung von der Sicherheitsleistung (Abs. 2 lit. k) Der Gläubiger kann im Antrag Gründe für die Befreiung von der ansonsten nach Art. 12 Abs. 1 EUKPfVO erforderlichen Sicherheitsleistung angeben (lit. k, Ziff. 11 Anhang I DVO (EU) 2016/1823).
12
6. Liste der Beweismittel (Abs. 2 lit. l) Der Gläubiger muss in Ziff. 12 Anhang I DVO (EU) 2016/1823 alle Beweismittel zur Begründung seines Antrags auflisten. Hierzu gehören die Beweismittel bzgl. Erlassanspruch (sofern der Gläubiger nicht über einen Titel verfügt) und Erlassgrund. Neben der Auflistung beigefügter Beweismittel (Abs. 3), sollte der Gläubiger an dieser Stelle auch eine weitere Beweiserhebung nach Art. 9 Abs. 2 EU-KPfVO (z.B. Zeugenvernehmung) anregen.18
13
7. Andere Sicherungsmaßnahmen nach nationalem Recht (Abs. 2 lit. m) Im Hinblick auf die Verpflichtung nach Art. 16 Abs. 2 EU-KPfVO muss der Gläubiger sich in Ziff. 13 14 Anhang I DVO (EU) 2016/1823 zu etwaigen erwirkten oder beantragten nationalen Sicherungsmaßnahmen erklären. Verstößt der Gläubiger gegen seine Erklärungspflicht und wäre der Beschluss nicht oder zu einem geringeren Betrag gerechtfertigt gewesen, springt die Beweislast vom Schuldner (Art. 13 Abs. 1 S. 2 EU-KPfVO) auf den Gläubiger (Art. 13 Abs. 2 lit. c EU-KPfVO). 8. Freiwillige Erfüllung (Abs. 2 lit. n) Der Gläubiger kann im Antrag sein Bankkonto angeben, damit der Schuldner die Forderung freiwillig begleichen kann (lit. n, Ziff. 14 Anhang I DVO (EU) 2016/1823). Hat der Gläubiger sein Bankkonto angegeben, ermächtigt das Gericht die Bank im Pfändungsbeschluss zur Überweisung vom Konto des Schuldners auf das Konto des Gläubigers (Art. 19 Abs. 2 lit. j EU-KPfVO); die Überweisung findet statt, wenn die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 3 EU-KPfVO erfüllt sind.
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9. Erklärung zur Wahrheitsgemäßheit und Richtigkeit der Angaben (Abs. 2 lit. o) Der Gläubiger ist verpflichtet, die Wahrheitsgemäßheit und Richtigkeit seiner Angaben zu versichern 16 (Abs. 2 lit. o, Ziff. 15 Anhang I DVO (EU) 2016/1823). Mit einer im Common Law für freezing in16 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 10 („regelungstechnische Zumutung“). 17 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 10. 18 Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 137; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 16.
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Art. 8 EU-KPfVO Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung junctions bestehenden duty of full and frank disclosure ist die Wahrheitspflicht nach Art. 8 Abs. 2 lit. o EU-KPfVO jedoch nicht vergleichbar.19 17
Die Folgen vorsätzlich unrichtiger oder unvollständiger Angaben bestimmen sich zum einen nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats; insoweit enthält Abs. 2 lit. o eine von Art. 13 Abs. 4 EUKPfVO abweichende Kollisionsnorm.20 Zum anderen haftet der Gläubiger für Schäden des Schuldners nach der verordnungsautonomen Haftungsnorm des Art. 13 Abs. 1 EU-KPfVO. Bei falschen oder unrichtigen Angaben wird das Verschulden nicht nach Art. 13 Abs. 2 EU-KPfVO vermutet (Art. 13 EU-KPfVO Rz. 19).
18
Eine Haftung für fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben ist in Abs. 2 lit. o nicht vorgesehen. Dementsprechend greift die unionsautonome Haftung abweichend von Art. 13 Abs. 1 S. 1 EUKPfVO nur bei Vorsatz des Gläubigers.21 Zudem beschränkt Abs. 2 lit. o die Haftung nach nationalem Recht auf Vorsatz.22 Nach Art. 13 Abs. 3 EU-KPfVO können die Mitgliedstaaten zwar weitergehende Haftungsgründe in ihrem einzelstaatlichen Recht beibehalten oder aufnehmen; Art. 13 Abs. 3 EU-KPfVO ist sogar darauf angelegt, umfassende verschuldensunabhängige Haftungsvorschriften der Mitgliedstaaten wie § 945 ZPO aufrecht zu erhalten.23 Allerdings warnt Ziff. 15 Anhang I DVO (EU) 2016/1823 den Gläubiger ausschließlich vor einer Vorsatzhaftung: „mir [ist] bewusst, dass vorsätzlich falsche oder unvollständige Angaben Rechtsfolgen nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem der Antrag eingereicht wurde, oder eine Haftung nach Artikel 13 der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 nach sich ziehen können.“ Die Haftung des Gläubigers kann nicht weiter gehen, als es die Belehrung ankündigt.
IV. Beizufügende Unterlagen (Abs. 3) 19
Dem Antrag sind alle zweckdienlichen Unterlagen beizufügen. Dazu gehören Beweismittel für die Eilbedürftigkeit (Erlassgrund) und, soweit der Gläubiger noch keinen Titel erwirkt hat, auch Nachweise für den Bestand der Forderung (Erlassanspruch). Einzelheiten zur Beweisaufnahme regelt Art. 9 EU-KPfVO. Die Beweismittel sind gem. Abs. 2 lit. l im Antrag aufzulisten.
20
Hat der Gläubiger bereits einen vollstreckbaren Titel (Entscheidung, Vergleich, Urkunde) erwirkt, muss er eine Ausfertigung dieses Titels vorlegen. Die Ausfertigung muss „die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen“ erfüllen (Art. 8 Abs. 3 letzter Halbs. EU-KPfVO). Die Formulierung wurde aus Art. 42 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO bzw. Art. 20 Abs. 2 lit. a EG-VollstrTitelVO übernommen und ist in gleicher Weise zu verstehen. Gemeint ist nicht die Beweiskraft, sondern der Beweis der Echtheit als Vorstufe der Beweiskraft.24 Die Anforderungen bestimmen sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats des Titels.25
21
Der Titel muss im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sein. Der Gläubiger kann die Vollstreckbarkeit der Entscheidung mittels Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung nachweisen, soweit die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates vorgesehen ist.26
22
Der Gläubiger muss die Unterlagen in einer der Amtssprachen des Ursprungsmitgliedstaats einreichen, es sei denn, der Ursprungsmitgliedstaat akzeptiert gem. Art. 49 Abs. 2 EU-KPfVO, Art. 50 Abs. 1 lit. o EU-KPfVO auch andere Sprachen. Deutschland hat keine entsprechende Erklärung abgegeben. 19 Raffelsieper, Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018), 265; Kyriakides, CJQ 2014 (33) 93, 102. Für eine solche Vermutung noch: Council of the EU, Note from the Austrian Delegation, 28.10.2013, 15419/13, 2; Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 6. 20 Cuniberti/Migliorini, Rz. 19. 21 A.A. Domej, GPR 2017, 84, 92; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 28. 22 A.A. Domej, GPR 2017, 84, 92; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 18; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 28. 23 ErwGr. 19 Abs. 2 S. 2 EU-KPfVO. 24 Alio, NJW 2014, 2395, 2397. 25 Jenard-Bericht ABl. EG 1979 C 59/1, 55 (vor Art. 48); Geimer/Schütze/Tschauner, Art. 53 Brüssel Ia-VO Rz. 2. 26 Dazu Wiedemann, Vollstreckbarkeit (2017), 163 f.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 9 EU-KPfVO
V. Übermittlung (Abs. 4) Der Antrag kann in einer Form eingereicht werden, die im Ursprungsmitgliedstaat (Art. 4 Nr. 11 EUKPfVO) zulässig ist. Die elektronische Übermittlung ist zulässig, soweit der Ursprungsmitgliedstaat die elektronische Kommunikation erlaubt.27 Eine elektronische Signatur ist, anders als in Art. 7 Abs. 6 EG-MahnVO, nicht zwingend vorgesehen; die Mitgliedstaaten können eine elektronische Signatur voraussetzen. Für Anträge in Deutschland gilt § 130a ZPO.
23
VI. (Teilweise) Antragsrücknahme Vor Erlass des Beschlusses kann der Gläubiger seinen Antrag jederzeit, auch teilweise, zurücknehmen.28 Die Kostenfolge der Rücknahme regelt das Recht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 42 EUKPfVO). Nach Beschlusserlass kann der Gläubiger die Abänderung oder den Widerruf des Beschlusses beantragen (Art. 35 Abs. 1 EU-KPfVO).
24
Artikel 9 Beweisaufnahme (1) Das Gericht trifft seine Entscheidung im Wege eines schriftlichen Verfahrens auf Grundlage der Informationen und Beweismittel, die der Gläubiger in seinem Antrag vorgebracht bzw. seinem Antrag beigefügt hat. Erachtet das Gericht die vorgelegten Beweismittel für nicht ausreichend, so kann es, sofern dies nach nationalem Recht zulässig ist, den Gläubiger auffordern, zusätzliche schriftliche Beweismittel vorzulegen. (2) Ungeachtet des Absatzes 1 und vorbehaltlich des Artikels 11 kann das Gericht, sofern das Verfahren dadurch nicht übermäßig verzögert wird, außerdem jede andere geeignete Methode der Beweiserhebung anwenden, die nach seinem nationalen Recht zur Verfügung steht, wie beispielweise die mündliche Anhörung des Gläubigers oder seines bzw. seiner Zeugen, unter anderem auch mittels Videokonferenz oder einer anderen Kommunikationstechnologie. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2
III. Verfahren der Beweisaufnahme . . . . . . . . 1. Erster Schritt: Beifügung „schriftlicher“ Beweismittel (Abs. 1 S. 1) . . . . . . . . . . . . 2. Zweiter Schritt: . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 5 9
a) Nachforderung „schriftlicher“ Beweismittel (Abs. 1 S. 2) . . . . . . . . . . . . . . 9 b) Andere Methoden der Beweiserhebung (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 3. Grenzüberschreitende Beweisaufnahme . . . . 15
I. Normzweck Der Gläubiger muss nicht nur Erlassgrund und – soweit er noch keinen Titel erwirkt hat – Erlassanspruch darlegen, sondern jeweils auch hinreichende Beweismittel vorlegen (Art. 7 Abs. 1, 2 EUKPfVO, Art. 8 Abs. 3 EU-KPfVO). Zu unterscheiden sind Beweismaß, Beweismittel, Verfahren der Beweisaufnahme und Beweislastverteilung: Das Beweismaß der „berechtigten Annahme“ legt Art. 7 Abs. 1, 2 EU-KPfVO fest (Art. 7 EU-KPfVO Rz. 13). Die zulässigen Beweismittel richten sich nach dem Recht des Ursprungsstaats (Rz. 2 f.). Art. 9 EU-KPfVO regelt das Verfahren der Beweisaufnahme (Rz. 4 ff.). Die Regeln zur Beweislastverteilung sind dem z.B. nach der Rom I-VO oder Rom II-VO anwendbaren materiellen Recht zu entnehmen (lex causae).1
27 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 21. 28 OLG Innsbruck v. 7.5.2019 – 10R25/19f (Erwägungen Ziff. 3). 1 Cuniberti/Migliorini, Rz. 2.
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Art. 9 EU-KPfVO Beweisaufnahme
II. Beweismittel 2
Der Kommissionsentwurf enthielt keine Bestimmung der zulässigen Beweismittel.2 Da die Beweisanforderungen für den Erlass einstweiliger Maßnahmen zwischen den Mitgliedstaaten signifikant variieren3 und eben die mit den unterschiedlichen Anforderungen der Mitgliedstaaten einhergehenden Rechtsverfolgungskosten minimiert werden sollten,4 war eine Präzisierung notwendig,5 die im weiteren Gesetzgebungsverfahren jedoch nicht gelungen ist.
3
Abs. 1 S. 1 wird teils ein unionsrechtlich autonomer Beweismittelbegriff entnommen,6 teils werden die Beweismittel dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats unterstellt (Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO, 46 Abs. 1 EU-KPfVO).7 Für einen unionsrechtlich-autonomen Beweismittelbegriff in Abs. 1 S. 1 streiten auf den ersten Blick die systematische Zusammenschau von Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 und das Verordnungsziel: Abs. 2 scheint Abs. 1 S. 1 um die nach nationalem Recht zulässigen Beweismittel zu erweitern. Zudem schwächt die Heranziehung der nach nationalem Recht zulässigen Beweismittel das Vereinheitlichungsziel der Verordnung.8 Selbst wenn man den unionsautonomen Beweismittelbegriff nach Abs. 1 S. 1 auf schriftliche Beweismittel beschränken würde, blieben aber wesentliche Fragen offen: Die Anforderungen (z.B. öffentliche Urkunden, Privaturkunden, Kopien), der Beweiswert und das Verhältnis zu anderen Beweismitteln müssten nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO) beurteilt werden.9 Art. 9 Abs. 1 EU-KPfVO enthält daher keinen unionsrechtlich-autonomen Beweismittelbegriff; die zulässigen Beweismittel sowie deren Anforderungen und Beweiswert bestimmen sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats. In Deutschland gilt § 947 Abs. 1 S. 1 ZPO: zulässig sind alle Beweismittel des Strengbeweises zzgl. der Versicherung an Eides statt, soweit die Beweisaufnahme sofort stattfinden kann (§ 947 Abs. 1 S. 2 ZPO).10
III. Verfahren der Beweisaufnahme 4
Art. 9 EU-KPfVO regelt seiner Überschrift entsprechend nur die Beweisaufnahme. Das Gericht erlässt den Pfändungsbeschluss auf der Basis der vom Gläubiger gelieferten Informationen und Beweismittel (Art. 9 Abs. 1 S. 1 EU-KPfVO). Fehlen Beweismittel, kann das Gericht diese gem. Art. 9 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 EU-KPfVO nachfordern. Ist der Antrag im Übrigen unvollständig, kann das Gericht dem Gläubiger gem. Art. 17 Abs. 3 EU-KPfVO die Möglichkeit der Vervollständigung einräumen. 1. Erster Schritt: Beifügung „schriftlicher“ Beweismittel (Abs. 1 S. 1)
5
Das Gericht trifft seine Entscheidung grundsätzlich im schriftlichen Verfahren. Von den nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zulässigen Beweismitteln (Rz. 2 f.) kann der Gläubiger seinem Antrag daher zunächst nur „schriftliche“ Beweismittel beifügen. Der Begriff der Schriftlichkeit ist auto-
2 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 11. 3 Vgl. Hess Study 18.2.2004 JAI/A3/2002/02, 129 ff. mit einem generellen Überblick und die Reporte der Mitgliedstaaten unter http://www2.ipr.uni-heidelberg.de/studie/nationalrep.htm (27.9.2021); Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, SEK (2006) 1341, 3. 2. 1; Zerr, EuZW 2013, 292, 294. 4 European Commission, Impact Assessment Accompanying the Proposal, 25.7.2011, SEC (2011) 937, 15. 5 Krit. auch DAV, Zivilverfahrensrechtsausschuss Stellungnahme zum Grünbuch Vorläufige Kontenpfändung, Februar 2007, 9/07, 9; Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 17 (Möglichkeit des forum shopping). 6 Harbeck, ZInsO 2012, 805, 808 (Urkunden); Harbeck in Zwangsvollstreckung aktuell (2016), 271 Rz. 34 („konkrete Beweise“); Jeuland, IJPL 2016, 283, 290; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 10 f.; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 199 f.; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger Rz. 2; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 154; Rauscher/Rauscher/Wiedemann, (Vorauflage) Rz. 6; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 165. 7 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 17; Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 404; Müller, RIW 2012, 151, 154; Hess in FS Kaissis (2012), 399, 405; Sujecki, EWS 2011, 414, 417; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 947 Rz. 3, Art. 9 Rz. 4. 8 Vgl. ErwGr. 5 S. 3 EU-KPfVO. 9 Überzeugend: Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 4. 10 Krit. Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 12.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 9 EU-KPfVO
nom auszufüllen.11 Als schriftliches Beweismittel zählt jede durch Schriftzeichen verkörperte Gedankenerklärung.12 Zu den schriftlichen Beweismitteln gehören z.B. Vertragsunterlagen, Rechnungen, Kontoauszüge, Briefwechsel sowie schriftliche Erklärungen von Zeugen (§ 377 ZPO)13 und Sachverständigen. Eine Versicherung an Eides statt ist als schriftliches Beweismittel zu berücksichtigen, wenn sie nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats als Beweismittel zulässig ist. Elektronische Dokumente zählen als schriftliche Beweismittel, wenn der Ursprungsmitgliedstaat ein elektronisches Verfahren unterstützt (Art. 8 EU-KPfVO Rz. 23) und müssen andernfalls in gedruckter Form vorliegen.14
6
Der Wortlaut des Abs. 1 S. 1 ist indes zu eng gefasst: Das Schriftlichkeitserfordernis bezweckt ledig- 7 lich die Wahrung der Schnelligkeit des Verfahrens; dieser Zweck wird auch dann gewahrt, wenn der Gläubiger seinem Antrag sonstige präsente und perpetuierte Beweismittel beifügt, die keine durch Schriftzeichen verkörperte Gedankenerklärung enthalten. Abs. 1 S. 1 ist deshalb erweiternd auszulegen: der Gläubiger kann seinem Antrag neben schriftlichen Unterlagen auch andere präsente und perpetuierte Beweismittel15 beifügen, z.B. Augenscheinsobjekte (Fotos, Grafiken etc.).16 Anträge bzw. Anregungen des Gläubigers zur Einholung nicht präsenter oder perpetuierter Beweismittel (z.B. Zeugenvernehmung) können i.R.v. Art. 9 Abs. 2 EU-KPfVO Berücksichtigung finden (Rz. 10 ff.).
8
2. Zweiter Schritt: a) Nachforderung „schriftlicher“ Beweismittel (Abs. 1 S. 2) Erachtet das Gericht die vom Gläubiger vorgelegten Beweismittel nicht für ausreichend, kann es zusätzliche schriftliche Beweismittel (zum Begriff Rz. 5 ff.) nachfordern, sofern die amtswegige Nachforderung von Beweisen nach dem Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats zulässig ist (Abs. 1 S. 2).17 Zur Entscheidungsfrist Art. 18 EU-KPfVO Rz. 2.
9
b) Andere Methoden der Beweiserhebung (Abs. 2) Des Weiteren kann das Gericht andere geeignete Methoden der Beweiserhebung anwenden. Eine „an- 10 dere Methode“ der Beweiserhebung ist jede Beweiserhebung, die nicht unter Abs. 1 (Beibringung schriftlicher Beweismittel durch den Gläubiger) fällt. Abs. 2 nennt Beispiele für solche anderen Methoden: „mündliche Anhörung des Gläubigers oder seines bzw. seiner Zeugen, unter anderem auch mittels Videokonferenz.“ Die Zulässigkeit anderer Methoden steht unter einem vierfachen Vorbehalt: Erstens steht die Anwendung anderer Methoden unter dem Vorbehalt, dass das Recht des Ursprungsmitgliedstaats die amtswegige Beweiserhebung zulässt (Abs. 1 S. 2) oder der Gläubiger die Erhebung anderer Beweise beantragt hat.18
11
Zweitens bestimmt das Recht des Ursprungsmitgliedstaats, welche Beweismittel generell zulässig sind (Rz. 2 f.). Ob der Gläubiger oder Zeugen angehört werden dürfen, sei es per Videokonferenz, entscheidet folglich das Recht des Ursprungsmitgliedstaats.19
12
11 12 13 14 15 16 17 18 19
Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 8. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 8. Zum Beweiswert Sikorski, Kontopfändungen (2018), 166 f. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 9. Council of the EU, Note from the delegation of Lithuania, 14.9.2012, 13140/12 ADD 14, 4; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5. MünchKomm/Hilbig-Lugani, Rz. 3. Vgl. zum deutschen Recht Musielak/Huber, § 920 ZPO Rz. 10. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 11. Vgl. zum deutschen Recht (§ 947 Abs. 1 ZPO) BR-Drucks. 633/15, 43; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 947 Rz. 3, Art. 9 Rz. 8.
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Art. 10 EU-KPfVO
Einleitung des Verfahrens in der Hauptsache
13
Drittens darf bei der Beweisaufnahme das Verbot der Anhörung des Schuldners (Art. 11 EU-KPfVO) nicht umgangen werden. Die Anhörung des Schuldners als Zeugen ist daher eine stets unzulässige Methode der Beweiserhebung, auch wenn diese nach nationalem Recht zulässig wäre.20
14
Und viertens darf das Verfahren durch die Beweiserhebungsmethode nicht übermäßig verzögert werden. Wann eine übermäßige Verzögerung vorliegt, ist autonom zu bestimmen.21 Eine übermäßige Verzögerung droht, wenn die zu erwartende Verzögerung dem Eilbedürfnis des Pfändungsverfahrens und dem Interesse des Gläubigers unangemessen ist.22 Ist zu erwarten, dass der Zugriff auf das Konto nach der Beweisaufnahme nicht mehr möglich sein wird, muss das Gericht von der Beweiserhebung absehen. Die mündliche Anhörung des Gläubigers und jede andere Beweisaufnahme sind jedenfalls unverzüglich vorzunehmen (Art. 18 Abs. 3 EU-KPfVO). 3. Grenzüberschreitende Beweisaufnahme
15
Für die grenzüberschreitende Beweisaufnahme gilt die EG-BewVO, ab 1.7.2022 die EU-BewVO (Verordnung (EU) 2020/1783), Art. 49 lit. e EU-KPfVO.23
Artikel 10 Einleitung des Verfahrens in der Hauptsache (1) Hat der Gläubiger vor der Einleitung eines Verfahrens in der Hauptsache einen Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung gestellt, so leitet er ein solches Verfahren ein und weist vor dem Gericht, bei dem der Antrag auf Erlass des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung eingereicht wurde, innerhalb von 30 Tagen nach Einreichung seines Antrags oder innerhalb von 14 Tagen nach dem Erlass des Beschlusses, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist, nach, dass er ein solches Verfahren eingeleitet hat. Das Gericht kann diese Frist auf Antrag des Schuldners auch verlängern, beispielsweise um es den Parteien zu ermöglichen, eine Einigung hinsichtlich der Erfüllung der Forderung zu erzielen; es unterrichtet beide Parteien entsprechend. (2) Geht der Nachweis über die Einleitung des Verfahrens nicht innerhalb der Frist nach Absatz 1 beim Gericht ein, so wird der Beschluss zur vorläufigen Pfändung widerrufen oder er endet und die Parteien werden entsprechend unterrichtet. Hat das Gericht, das den Beschluss erlassen hat, seinen Sitz im Vollstreckungsmitgliedstaat, so erfolgt der Widerruf oder die Beendigung des Beschlusses in diesem Mitgliedstaat nach dem Recht dieses Mitgliedstaats. Ist der Widerruf oder die Beendigung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat durchzuführen, so widerruft das Gericht den Beschluss zur vorläufigen Pfändung unter Verwendung des Widerrufsformblatts, das im Wege von gemäß dem Beratungsverfahren nach Artikel 52 Absatz 2 erlassenen Durchführungsakten erstellt wurde, und übermittelt das Widerrufsformblatt gemäß Artikel 29 der zuständigen Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats. Diese Behörde unternimmt die erforderlichen Schritte, indem sie gegebenenfalls Artikel 23 anwendet, damit der Widerruf oder die Beendigung ausgeführt wird. (3) Für die Zwecke des Absatzes 1 gilt ein Verfahren in der Hauptsache als eingeleitet a) zu dem Zeitpunkt, zu dem das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, vorausgesetzt, dass der Gläubiger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um die Zustellung des Schriftstücks an den Schuldner zu bewirken, oder 20 Domej, GPR 2017, 84, 87; Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 269; Skamel/Wilhelm, ZInsO 2014, 1789, 1794. 21 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 7. 22 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 7; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 9 (10-15 Tage). 23 Krit. ggü. einer grenzüberschreitenden Beweisaufnahme aufgrund der möglichen Verzögerung Cuniberti/ Migliorini, Rz. 3.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 10 EU-KPfVO
b) falls die Zustellung an den Schuldner vor Einreichung des Schriftstücks bei Gericht zu bewirken ist, zu dem Zeitpunkt, zu dem die für die Zustellung verantwortliche Behörde das Schriftstück erhalten hat, vorausgesetzt, dass der Gläubiger es in der Folge nicht versäumt hat, die ihm obliegenden Maßnahmen zu treffen, um das Schriftstück bei Gericht einzureichen. Die für die Zustellung verantwortliche Behörde im Sinne des Unterabsatzes 1 Buchstaben b ist die Behörde, die die zuzustellenden Schriftstücke zuerst erhält. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Verfahrenseinleitung in der Hauptsache (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 1. Frist für den Nachweis der Verfahrenseinleitung (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung (Abs. 3) . 4 3. Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 5 4. Hauptsacheverfahren in einem Mitgliedstaat . 7 5. Hauptsacheverfahren in einem Drittstaat . . . 8 6. Anerkennungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 III. Rechtsfolgen der Fristversäumung . . . . . . 11
1. Automatische Beendigung oder Widerruf (Abs. 2 Unterabs. 1) . . . . . . . . . . . . . 2. Weiteres Verfahren . . . . . . . . . . . . . . a) Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat identisch (Abs. 2 Unterabs. 2) . . . . . . . . . . . b) Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat nicht identisch (Abs. 2 Unterabs. 3) . . . . . . . . . . .
. . 11 . . 14 . . 15 . . 16
IV. Klagerücknahme, Erledigungserklärung, Abweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 V. Rechtsbehelf des Gläubigers . . . . . . . . . . 20
I. Normzweck Art. 10 EU-KPfVO verpflichtet den Gläubiger, der vor Einleitung eines Hauptsacheverfahrens oder 1 Erlangung eines Titels einen Pfändungsbeschluss beantragt hat, ein Hauptsacheverfahren binnen einer konkreten Frist einzuleiten und einen Nachweis über die Verfahrenseinleitung vorzulegen (ErwGr. 16 EU-KPfVO). Darin zeigt sich die dienende Funktion der Europäischen Kontenpfändung gegenüber dem Hauptsacheverfahren. Ob Hauptsacheverfahren und Europäische Kontenpfändung verbunden werden können, richtet sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO, Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO); in Deutschland ist keine Verbindung möglich.1 Bei titulierten Geldforderungen verpflichtet die EU-KPfVO den Gläubiger nicht zur Einleitung eines zur Befriedigung führenden Vollstreckungsverfahrens nach nationalem Recht; eine entsprechende Verpflichtung kann sich aus dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates ergeben.2
II. Verfahrenseinleitung in der Hauptsache 1. Frist für den Nachweis der Verfahrenseinleitung (Abs. 1) Stellt der Gläubiger den Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses vor Einleitung eines Haupt- 2 sacheverfahrens, muss er binnen 30 Tagen nach Einreichung seines Antrags oder binnen 14 Tagen nach Erlass des Beschlusses, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist, ein Hauptsacheverfahren einleiten und – ebenfalls binnen der Frist – die Verfahrenseinleitung dem Ursprungsgericht nachweisen (Abs. 1 S. 1).3 Vor Beschlusserlass ist der Gläubiger daher nicht gezwungen ein Hauptsacheverfahren einzuleiten; das Ursprungs- oder Rechtsbehelfsgericht (Art. 21 EU-KPfVO) kann den Beschluss nicht mit der Begründung zurückweisen, ein Nachweis der Verfahrenseinleitung innerhalb von 30 Tagen nach Antragstellung fehle.4 Anders als nach § 926 Abs. 1 ZPO bedarf es keines Schuld-
1 2 3 4
Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Art. 5 Rz. 2. Markus, IPRax 2021, 290, 297. Zum alternativen Fristbeginn s. Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 31.10.2013, 15288/13, 3. A.A. OLG Hamm v. 13.11.2019 – 8 W 30/19, NJW-RR 2020, 550 Rz. 19 f.
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Art. 10 EU-KPfVO
Einleitung des Verfahrens in der Hauptsache
nerantrags für den Fristbeginn. Für die Berechnung der Frist gilt die Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/715 (ErwGr. 38 EU-KPfVO). Eine Verlängerung der Frist auf Antrag des Gläubigers oder von Amts wegen ist nicht vorgesehen. Nur der Schuldner kann – für den Gläubiger – eine Fristverlängerung beantragen, um beispielsweise Zeit für Vergleichsverhandlungen mit dem Gläubiger zu gewinnen (Abs. 1 S. 2). Der Schuldner muss seinen Fristverlängerungsantrag nicht begründen.6 3
Der Gläubiger muss die Verfahrenseinleitung dem Gericht, bei dem der Antrag auf Erlass des Beschlusses eingereicht wurde, nachweisen. Weil die Verordnung keine grenzüberschreitende Verweisung bei internationaler Unzuständigkeit des Gerichts vorsieht (Art. 6 EU-KPfVO Rz. 26), ist damit grundsätzlich das Ursprungsgericht gemeint, welches den Beschluss erlassen hat.7 Hat bei örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit eine Verweisung nach nationalem Recht stattgefunden, sollte der Nachweis gegenüber dem Gericht erfolgen, das den Beschluss schlussendlich erlassen hat.8 2. Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung (Abs. 3)
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Der Begriff der Verfahrenseinleitung ist an Art. 32 Abs. 1 Brüssel Ia-VO angelehnt.9 Dementsprechend differenziert Art. 10 Abs. 3 EU-KPfVO danach, ob das verfahrenseinleitende Schriftstück nach dem Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO) zuerst beim Gericht einzureichen (lit. a) oder zuerst dem Schuldner zuzustellen ist (lit. b). Im ersten Fall gilt ein Verfahren als eingeleitet, wenn das Schriftstück bei Gericht eingereicht worden ist, sofern der Gläubiger alle notwendigen Schritte unternommen hat, um die Zustellung an den Schuldner zu bewirken; damit in Deutschland der Tag der Einreichung des Antrags bei Gericht als Einleitung des Verfahrens gilt, muss der Gläubiger eine Zustellungsanschrift des Schuldners angeben und den Prozesskostenvorschuss einzahlen (§ 12 Abs. 1 GKG).10 Im zweiten Fall gilt die Einleitung mit der Übergabe des Schriftstücks an die für die Zustellung zuständige Behörde als bewirkt, sofern der Gläubiger das Schriftstück fristgerecht nach Maßgabe des Verfahrensrechts des Ursprungsmitgliedstaats einreicht. 3. Hauptsacheverfahren
5
Zur Fristwahrung muss der Gläubiger die Einleitung eines „Verfahrens in der Hauptsache“ nachweisen (Art. 10 Abs. 1 EU-KPfVO). Hierzu gehören alle Verfahren, „die darauf gerichtet sind, einen vollstreckbaren Titel über die zugrunde liegende Forderung zu erwirken, einschließlich beispielsweise summarische Mahnverfahren und Verfahren wie das französische Verfahren der einstweiligen Anordnung („procedure de référé“)“ (ErwGr. 13 S. 2 EU-KPfVO). Erfasst sind folglich nur solche Verfahren, die zu einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache i.S.v. Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO führen können (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 24 ff.). Als Hauptsacheverfahren gelten Leistungsklagen (Nicht: Feststellungsklagen)11, summarische Verfahren (z.B. Mahnverfahren nach §§ 688 ff. ZPO)12, einstweilige Verfahren, die zu einem vollstreckbaren Titel führen (z.B. Leistungs-/Befriedigungsverfügung
5 Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3.6.1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (ABl. EG 1971 L 124/1). 6 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 6; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 173. 7 So auch Art. 19 Abs. 3 lit. c EU-KPfVO. 8 Sikorski, Kontopfändungen (2018), 131. 9 Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, 17 Fn. 28. 10 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 409. 11 Garber, FS Geimer (2017), 81, 85; Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 409; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Art. 6 Rz. 5; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 12; Schumacher/Köllensperger/ Trenker/Köllensperger, Rz. 10; Rauscher/Rauscher/Wiedemann, Rz. 4 (Vorauflage). 12 EuGH v. 7.11.2019 – C-555/18 – K.H.K./B.A.C., E. E.K., RIW 2020, 30 Rz. 52 (zum Mahnverfahren nach der bulgarischen Zivilprozessordnung); Cranshaw, jurisPR-HaGesR 7/2020 Anm. 1; Cuniberti/Migliorini, Rz. 5; Hess, Europäisches Zivilprozessrecht (2. Aufl. 2021), Rz. 10.136; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 10 EU-KPfVO
nach § 935 ZPO,13 einstweilige Anordnung nach § 246 FamFG, procédure de référé; Nicht: Arrest)14 und Adhäsionsverfahren.15 Da in summarischen Verfahren, wie dem nach der EG-MahnVO oder der EG-BagatellVO, ebenfalls ein vollstreckbarer Titel erwirkt wird, genügt auch die Einleitung eines EG-Mahnverfahrens oder EGBagatellverfahrens.16 Außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren sind keine Verfahren in der Hauptsache.17 Ebenso genügt nicht die Einleitung eines Schiedsverfahrens.18
6
4. Hauptsacheverfahren in einem Mitgliedstaat Art. 10 EU-KPfVO unterlässt eine Spezifizierung, ob das Hauptsacheverfahren in dem Mitgliedstaat 7 eingeleitet werden muss, in dem der Pfändungsbeschluss erlassen wurde. Nach dem Wortlaut der Verordnung genügt daher auch die Verfahrenseinleitung in einem anderen Mitgliedstaat. Eine Fixierung der internationalen Zuständigkeit durch das vorläufige Pfändungsverfahren ist nicht vorgesehen.19 Andernfalls müsste der Gläubiger bereits bei Einleitung des Eilverfahrens nach der EU-KPfVO die u.U. zeitintensive Prüfung vornehmen, bei welchem Gericht er später das Hauptsacheverfahren einleiten will.20 Die enge Verbindung von vorläufigen Pfändungsverfahren und Hauptsacheverfahren (vgl. ErwGr. 13 S. 1 EU-KPfVO) ist dann allerdings nicht garantiert. Insbesondere kann, in den noch übrigen Bereichen, in denen autonomes Kollisionsrecht anzuwenden ist, das anwendbare Recht abweichen. 5. Hauptsacheverfahren in einem Drittstaat Die Verfahrenseinleitung in einem Drittstaat genügt nicht.21 Art. 10 EU-KPfVO enthält zwar keine 8 Präzisierung. Aus der Gesamtsystematik der EU-KPfVO ergibt sich indes eine Beschränkung auf Verfahren innerhalb der EU: Die Verpflichtung zur Führung bzw. Einleitung eines Hauptsacheverfahrens soll als Ausgleich des Mankos des noch fehlenden Titels in der Verfahrenssituation nach Art. 5 lit. a EU-KPfVO dienen. Da nur Entscheidungen aus Mitgliedstaaten Grundlage eines europäischen Pfändungsbeschlusses sein können (Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO), genügt im Umkehrschluss in Fällen, in denen noch kein Titel vorhanden ist, nur die Anhängigkeit bzw. Einleitung eines Verfahrens in einem Mitgliedstaat. Auch deutet eine Zusammenschau mit dem Wortlaut des Art. 5 lit. a EU-KPfVO („bevor der Gläubiger in einem Mitgliedstaat ein Verfahren […] einleitet“) darauf hin, dass nur Verfahren in Mitgliedstaaten ausreichend sind. Auf dieser Systematik beruht letztlich Art. 33 Abs. 1 lit. f EUKPfVO, der die Beschlussaufhebung vorsieht, wenn die Forderung nach Durchführung des bei Antragstellung laufenden (Art. 5 lit. a Var. 2 EU-KPfVO) oder des gem. Art. 10 eingeleiteten Hauptsacheverfahrens (Art. 5 lit. a Var. 1 EU-KPfVO) mit einer „gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache“ abgewiesen wurde; gerichtliche Entscheidungen i.S.d. EU-KPfVO sind nur Entscheidungen eines Mitgliedstaats (Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO). Es besteht folglich eine Synchronität zwischen dem Konzept des 13 Cuniberti/Migliorini, Rz. 5; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 11; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 10. 14 Cuniberti/Migliorini, Rz. 7; Garber, FS Geimer (2017), 81, 85; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Art. 6 Rz. 5; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 11; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 80 ff., 132; Rauscher/Rauscher/Wiedemann, Rz. 4 (Vorauflage). 15 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 11; a.A. Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 169. 16 Cuniberti/Migliorini, Rz. 6; Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 409; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Art. 6 Rz. 5; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 11; Schumacher/Köllensperger/Trenker/ Köllensperger, Rz. 9. 17 Cuniberti/Migliorini, Rz. 8. 18 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 10; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 169; a.A. Cuniberti/Migliorini, Rz. 9. 19 Cuniberti/Migliorini, Rz. 11; Garber, FS Geimer (2017), 81, 89; Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.38; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 12; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 85; a.A. Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014) Rz. 94; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 3; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Art. 6 Rz. 7, Art. 10 Rz. 4. 20 Überzeugend Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.38. 21 Cuniberti/Migliorini, Rz. 10; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 12, Sikorski, Kontopfändungen (2018), 132; a.A. Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 15 f.
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Art. 10 EU-KPfVO
Einleitung des Verfahrens in der Hauptsache
Hauptsacheverfahrens und dem der Hauptsacheentscheidung (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 24). Hauptsacheverfahren sind nur solche Verfahren, die zu einer Entscheidung in der Hauptsache i.S.v. Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO führen können. 6. Anerkennungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren 9
Besitzt der Gläubiger bereits eine Entscheidung aus einem Drittstaat, kann die drittstaatliche Entscheidung nicht Grundlage des Pfändungsbeschlusses gem. Art. 5 lit. b, 6 Abs. 3 EU-KPfVO sein (Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO). Erfolgt die Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses im Anerkennungsstaat (= Ursprungsmitgliedstaat i.S.v. Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO), gilt die (inzidente) Anerkennungsentscheidung als Entscheidung i.S.v. Art. 4 Nr. 8 EU-KPfVO, auf dessen Grundlage der Pfändungsbeschluss gem. Art. 5 lit. b, Art. 6 Abs. 3 EU-KPfVO erlassen wird. Die Einleitung eines Hauptsacheverfahrens in einem Mitgliedstaat ist dann nicht mehr notwendig (Art. 7 EU-KPfVO Rz. 6).
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Erfolgt die Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses in einem anderen Mitgliedstaat, kann der Gläubiger gem. Art. 5 lit. a, Art. 6 Abs. 1 EU-KPfVO einen Pfändungsbeschluss beantragen, indem er seine Forderung nach Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO glaubhaft macht (Art. 7 EU-KPfVO Rz. 6). Er muss dann aber nach Art. 10 EU-KPfVO ein Hauptsacheverfahren in einem Mitgliedstaat einleiten. Der Gläubiger hat zwei Alternativen: Er kann ein echtes (zweites) Hauptsacheverfahren in einem Mitgliedstaat einleiten. Diesem Verfahren steht aber die Rechtskraft der drittstaatlichen Entscheidung entgegen, wenn diese Entscheidung anerkennungsfähig ist. Stattdessen kann der Gläubiger ein Anerkennungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren im Vollstreckungsmitgliedstaat einleiten.22 Die Anerkennungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vollstreckungsstaat genügt hingegen nicht. Der andere Mitgliedstaat müsste dann die Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat prüfen. Die Prüfung der Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat durch das Gericht eines anderen Staates widerspricht dem Charakter der Anerkennung und ist deshalb abzulehnen (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 30).23
III. Rechtsfolgen der Fristversäumung 1. Automatische Beendigung oder Widerruf (Abs. 2 Unterabs. 1) 11
Im Gesetzgebungsverfahren bestand Uneinigkeit darüber, ob der Beschluss automatisch außer Kraft treten soll oder vom Gericht widerrufen werden muss, wenn der Gläubiger den rechtzeitigen Nachweis der Einleitung eines Hauptsacheverfahrens versäumt. Der Kommissionsentwurf sah das Erfordernis eines Widerrufs vor, der obendrein nicht von Amts wegen, sondern nur auf Rechtsbehelf des Schuldners hin erfolgen konnte24 und dessen Erfolg offenbar im Ermessen des Gerichts liegen sollte.25 Dies bürdete dem Schuldner, obgleich der Gläubiger eine ihm obliegende Verfahrenshandlung versäumt hat, die Einlegung eines Rechtsbehelfs und damit ggf. ein Verfahren außerhalb seines Wohnsitzmitgliedstaats auf.26
22 Zumindest das Vollstreckbarerklärungsverfahren kann dogmatisch als Verfahren in der Hauptsache verstanden werden, wenn man davon ausgeht, dass die Vollstreckbarerklärung der Entscheidung die Vollstreckbarkeit neu verleiht, krit. Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 409. Vgl. zur Natur des Vollstreckbarerklärungsverfahrens: BGH v. 6.11.1985 – IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440, 1441 (zum Deutsch-schweizerisches Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen vom 2.11.1929); Geimer in FS Schütze (2014), 109, 111; Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland (1995), 165 (für §§ 722, 723 ZPO); Kohler in Das Herkunftslandprinzip (2006), 71, 73; Kohler in Systemwechsel im europäischen Kollisionsrecht (2002), 147, 148; Schack in FS Schilken (2015), 445, 446; Wolff in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts III/2 (1984), Kap. IV Rz. 11. 23 A.A. Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3. 24 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 34 Abs. 1 lit. b, Art. 35 Abs. 2. 25 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 13 („kann“). 26 Krit. gegenüber Kommissionsentwurf Domej, ZEuP 2013, 496, 502; Domej, FS Simotta (2012) 129, 132 f.; Domej, GPR 2017, 84, 89; Sujecki, EWS 2011, 414, 419; Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 291; van het Kaar, NIPR 2011, 642, 647; Harbeck, ZInsO 2012, 805, 810.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 10 EU-KPfVO
Die Beratungen im Rat führten weder zur automatischen Beendigung des Beschlusses noch zur unein- 12 geschränkten Erforderlichkeit eines Widerrufs, sondern zum Rückzug der EU-KPfVO zugunsten des mitgliedstaatlichen Rechts: Das Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaates kann entweder die automatische Beendigung des Beschlusses oder den Widerruf auf eigene Initiative des Gerichts (von Amts wegen) vorsehen (ErwGr. 16 S. 2 EU-KPfVO). Zuständig für den amtswegigen Widerruf ist das Gericht, das den Europäischen Pfändungsbeschluss erlassen hat (Ursprungsgericht). Ein Widerruf auf Antrag des Schuldners ist nicht vorgesehen (vgl. aber Art. 33 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO). Das Recht des Ursprungsmitgliedstaates bestimmt auch, ob die Beendigung oder der Widerruf mit Wirkung ex nunc oder mit Wirkung ex tunc erfolgt. Wird der Beschluss widerrufen oder endet er automatisch, weil der Gläubiger die Einleitung eines Hauptsacheverfahrens unterlassen hat, gilt Art. 13 Abs. 2 lit. a EUKPfVO. In Deutschland ist der Pfändungsbeschluss bei Nichteinleitung des Verfahrens in der Hauptsache gem. § 949 Abs. 1 von Amts wegen (Antragserfordernis nach § 926 Abs. 2 ZPO nicht anwendbar) zu widerrufen.27 Der Gläubiger kann hiergegen sofortige Beschwerde einlegen (§ 953 Abs. 1 Var. 2, Abs. 3 ZPO). In Österreich findet ebenfalls ein Widerruf von Amts wegen statt.28
13
2. Weiteres Verfahren Hinsichtlich der weiteren Verfahrensweise unterscheidet Art. 10 EU-KPfVO danach, ob das Gericht, das den Beschluss erlassen hat (Ursprungsgericht), seinen Sitz im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 4 Nr. 12 EU-KPfVO) hat oder nicht.
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a) Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat identisch (Abs. 2 Unterabs. 2) Hat das Ursprungsgericht seinen Sitz im Vollstreckungsmitgliedstaat, richtet sich die Frage, ob ein ge- 15 richtlicher Widerruf erforderlich ist und wie dieser auszuführen ist nach dem Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO). Die Parteien werden vom Widerruf oder der Beendigung formlos unterrichtet (Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 1 EU-KPfVO letzter Halbs.). Da es sich um eine formlose Mitteilung handelt, findet bei grenzüberschreitenden Zustellungen die EG-ZustVO 2007 grundsätzlich keine Anwendung (Art. 48 lit. a EU-KPfVO). Findet das Verfahren in Deutschland statt, obliegt die Mitteilung des Widerrufs an die Bank dem Schuldner.29 b) Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat nicht identisch (Abs. 2 Unterabs. 3) Hat das Ursprungsgericht seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vollstreckungsmitglied- 16 staat, darf es nicht selbst die zur Ausführung des Widerrufs oder der Beendigung erforderlichen Schritte (z.B. Mitteilung an die Bank etc.) vornehmen. Es muss jedoch dafür sorgen, dass die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat Kenntnis vom Widerruf oder der Beendigung erhält. Einerlei, ob nach nationalem Recht eine automatische Beendigung oder ein amtswegiger Widerruf vorgesehen ist, widerruft daher das Ursprungsgericht den Pfändungsbeschluss zwingend30 unter Verwendung des Widerrufsformblattes nach DurchführungsVO 2016/1823 Anhang III.31 Dieser Widerruf kann konstitutive Bedeutung haben, wenn nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats ein Widerruf erforderlich ist (z.B. in Deutschland, Rz. 13). Der Widerruf ist nur deklaratorischer Natur, wenn der Beschluss bei Nichteinleitung des Hauptsacheverfahrens automatisch endet.32
27 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 409; Ritz, Kontenpfändung (2019), 56. 28 Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 177 ff.; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 140. 29 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 409. Zur Zustellung des Beschlusses an den Gläubiger gem. § 329 Abs. 3 ZPO s. aber BR-Drucks. 633/15, 45; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 6. 30 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 949 Rz. 3, Art. 10 Rz. 8. 31 Alle Formblätter sind online verfügbar: https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_or der-379-de.do (27.9.2021). 32 Domej, GPR 2017, 84, 89; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 133.
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Art. 11 EU-KPfVO
Verfahren ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners
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Das Widerrufsformblatt wird der zuständigen Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 4 Nr. 14 EU-KPfVO) übermittelt (Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 3 S. 1 EU-KPfVO).33 Für die Übermittlung gilt Art. 29. Die EG-ZustVO (2007) findet keine Anwendung. Die Behörde besorgt sodann die Ausführung des Widerrufs entsprechend Art. 23 Abs. 1 EU-KPfVO in der Weise, in der der Widerruf oder die Beendigung nationaler Pfändungsbeschlüsse umgesetzt wird (Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 3 S. 2 EUKPfVO).34 In Deutschland besorgt das AG in dem Bezirk, in dem die Vollstreckung stattfindet, die Zustellung des Beschlusses an die Bank (§ 949 Abs. 2 ZPO).
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Die Parteien werden entsprechend unterrichtet (Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 1 letzter Halbs. EU-KPfVO).
IV. Klagerücknahme, Erledigungserklärung, Abweisung 19
Zur Erfüllung der Verpflichtung aus Art. 10 Abs. 1 EU-KPfVO genügt die Einleitung des Verfahrens. Endet das Verfahren später aufgrund von Klagerücknahme oder Erledigungserklärung, führt dies nicht zur Beendigung oder zum Widerruf nach Art. 10 EU-KPfVO; vielmehr kann der Schuldner mit einem Rechtsbehelf analog Art. 33 Abs. 1 lit. f EU-KPfVO oder analog Art. 34 Abs. 1 lit. b sublit. iv EU-KPfVO vorgehen (Art. 33 EU-KPfVO Rz. 16). Wird die Klage abgewiesen, kann der Schuldner über Art. 33 Abs. 1 lit. f EU-KPfVO oder Art. 34 Abs. 1 lit. b sublit. iv EU-KPfVO die Aufhebung der Pfändung erreichen.35
V. Rechtsbehelfe 20
Art. 10 EU-KPfVO sieht für den Gläubiger keinen Rechtsbehelf gegen die Beendigung bzw. den Widerruf des Beschlusses vor. § 953 Abs. 1, 3 ZPO ordnet die sofortige Beschwerde an, soweit der Widerruf vom Gericht des ersten Rechtszuges stammt. Erfolgt der Widerruf durch ein Rechtsmittelgericht ist nur die Gehörsrüge nach § 321a ZPO statthaft.36 Der Schuldner kann gem. Art. 33 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO einen Rechtsbehelf einlegen, wenn der Beschluss nicht widerrufen wurde, obwohl der Gläubiger den rechtzeitigen Nachweis der Verfahrenseinleitung versäumt hat.
Artikel 11 Verfahren ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners Der Schuldner erhält vor Erlass des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung keine Kenntnis vom Antrag auf Erlass des Beschlusses oder Gelegenheit zur Äußerung.
I. Verfahren ohne Anhörung des Schuldners 1
Im Ex-parte-Verfahren erlassene nationale Eilmaßnahmen können nicht gem. Art. 39 Brüssel Ia-VO in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden, es sei denn, die Entscheidung wird dem Schuldner vor Beginn der Vollstreckung zugestellt (Art. 2 Buchst. 1 S. 3 Brüssel Ia-VO).1 Die EU-KPfVO 33 In Deutschland: AG, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat (§ 949 Abs. 2 S. 1 ZPO). 34 In Deutschland: Zustellung an die kontoführende Bank (§ 949 Abs. 2 S. 2 ZPO). 35 A.A. für die Zurückweisung der Rechtfertigungsklage im österreichischen Recht: Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 149 (Art. 10 analog). 36 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 953 Rz. 3. 1 Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 267 f.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 11 EU-KPfVO
geht weiter als die Brüssel Ia-VO: nach Prüfung der Voraussetzungen entscheidet das Gericht ohne Anhörung des Schuldners; eine grenzüberschreitende Vollstreckung ist gleichwohl möglich (Art. 22 EU-KPfVO). Dem Ursprungsgericht kommt, anders als im Gesetzgebungsverfahren zeitweise befürwortet,2 kein Ermessen zu. Es darf die Anhörung des Schuldners auch nicht im Wege einer zusätzlichen Beweiserhebung nach Art. 9 Abs. 2 EU-KPfVO anordnen (Art. 9 EU-KPfVO Rz. 13). Auch kann der Gläubiger die Anhörung des Schuldners, z.B. zum Zweck des Zeugenbeweises, nicht beantragen.3 Damit soll der Überraschungseffekt des Pfändungsbeschlusses gewahrt bleiben.4 Der Schuldner wird von der Pfändung erst informiert, wenn die Maßnahme vollzogen ist: Erst nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses an die kontoführende Bank (Art. 24 EU-KPfVO), die die Pfändung ausführt und der zuständigen Behörde eine Erklärung über die gepfändeten Gelder übermittelt (Art. 25 EU-KPfVO), wird der Beschluss dem Schuldner zugestellt (Art. 28 EU-KPfVO). Gegen die ausnahmslose Ausgestaltung des Pfändungsverfahrens als Ex-parte-Verfahren erhoben 2 sich Gegenstimmen: Als zentrales Recht des Schuldners auf ein faires Verfahren solle das Anhörungsrecht nur ausgeschlossen werden, soweit dies erforderlich ist.5 Die Frage der Erforderlichkeit müsse das Gericht im Einzelfall beantworten können und insbesondere, wenn es nicht vollkommen von der Erfüllung der Voraussetzungen überzeugt sei, den Schuldner anhören können, statt, als härtere Maßnahme, den Antrag sogleich zurückweisen zu müssen. Der Rechtsausschuss griff diese Bedenken auf und optierte für eine Bestimmung, die in hinreichend begründeten Ausnahmefällen für das angerufene Gericht die Befugnis vorsah, die Anhörung des Schuldners anzuordnen, um weitere Informationen einzuholen.6 Der Vorschlag überließ die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Anhörung aber weitgehend der Rechtsprechung, was wiederum zu großen Unsicherheiten für Gläubiger führen würde. Vor dem Hintergrund anderer Garantien zum Schuldnerschutz, wie strikter Bedingungen für den Erlass (Art. 7 EU-KPfVO), Sicherheitsleistung (Art. 12 EU-KPfVO), Haftung des Gläubigers (Art. 13 EU-KPfVO) und Rechtsmitteln des Schuldners (Art. 33 ff. EU-KPfVO), ist es daher nachvollziehbar, dass der Rat sich gegen eine ermessensbasierte Anhörung aussprach.7 Den Verfahrensordnungen der Mitgliedstaaten ist ein Verfahren ohne Anhörung des Schuldners bei 3 einstweiligen Anordnungen nicht fremd.8 Der EuGH unterband mit seiner Denilauler-Rechtsprechung die grenzüberschreitende Vollstreckbarkeit einstweiliger Maßnahmen, die ohne vorheriges rechtliches Gehör ergingen.9 In der Brüssel Ia-VO schreibt der Gesetzgeber diese Rechtsprechung insoweit fort, als nur solche einstweiligen Maßnahmen als Entscheidungen anerkannt werden, bei denen der Schuldner entweder vor Erlass angehört wurde oder die dem Schuldner vor der Vollstreckung zugestellt werden (Art. 2 lit. a Brüssel Ia-VO). Die in der EU-KPfVO vorgesehene generelle Zulassung von ex parte-Verfahren ist allerdings nicht als Wertungswiderspruch zum System Brüssel Ia zu verstehen.10 Der EuGH sah einstweilige Maßnahmen ohne vorherige Anhörung des Schuldners bei Vollstre2 Für ein Ermessen etwa Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 8. 3 Domej, GPR 2017, 84, 87; Skamel/Wilhelm, ZInsO 2014, 1789, 1793. Anders noch Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 10; a.A. Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 184. 4 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, 7. 5 Domej, ZEuP 2013, 496, 509; Harbeck, ZInsO 2012, 805, 808; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 141 f. S. auch EGMR v. 15.10.2009 – 17056/06 Micallef/Malta. 6 Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 19.6.2013, A7-0227/2013, 66, 22 Art. 10. 7 Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 16.5.2013, 9395/13, 10; Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, 19 Art. 15a. In diese Richtung auch Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 18 f.; Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 271; Senés Motilla, Revista Española de Derecho Internacional 2017, 309, 313 Rz. 15 f. und Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 144; krit. Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.66. 8 Überblick bei Hess, Study, 18.2.2004, JAI/A3/2002/02, 128. Vgl. aber zum spanischen Recht Skamel/Wilhelm, ZInsO 2014, 1789, 1792. 9 EuGH v. 21.5.1980 – 125/79, ECLI:EU:C:1980:130 – Bernard Denilauler/SNC Couchet Frères, EuGHE 1980, 1553; Nioche, Rev crit DIP 2012, 277, 284 ff. 10 Kreutz, GPR 2017, 307, 310 (nur „im formalen Widerspruch“); Skamel/Wilhelm, ZInsO 2014, 1789, 1793; Ritz, Kontenpfändung (2019), 58; a.A. Domej, ZEuP 2013, 496, 508, 517.
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Art. 12 EU-KPfVO
Sicherheitsleistung des Gläubigers
ckung im Inland nicht als Verletzung des rechtlichen Gehörs an, weil der die Maßnahme erlassende Richter regelmäßig auch Kontrolle über deren zeitliche Geltung und über die Reichweite der Vollstreckung ausüben kann.11 Gerichte anderer Mitgliedstaaten sind hierzu regelmäßig nicht in der Lage. Daher lehnte der EuGH eine grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckbarkeit nationaler ex parte-Maßnahmen ab. Der Europäische Pfändungsbeschluss kann zwar ohne vorherige Anhörung des Schuldners grenzüberschreitend vollstreckt werden. Der vor Erlangung eines Titels erlassene Beschluss enthält aber neben der einstweiligen Maßnahme zugleich einen Kontopfändungsbeschluss (Art. 1 EUKPfVO Rz. 8) und damit eine Beschränkung der Vollstreckung auf die Sicherung eines konkreten, in einem anderen Mitgliedstaat befindlichen Vermögensgegenstandes (Art. 22 EU-KPfVO Rz. 7); die Kontrolle über die Vollstreckung des europäischen Kontenpfändungsbeschlusses ist damit gewährleistet. Die Interessenlagen bei der grenzüberschreitenden Vollstreckung nationaler, einstweiliger Maßnahmen und bei der Vollstreckung des Europäischen Pfändungsbeschlusses sind insoweit nicht vergleichbar.12
II. Berücksichtigung von Schutzschriften 4
Die Verordnung enthält keine Aussage darüber, ob eine Schutzschrift des Schuldners vom Gericht zu beachten ist. Art. 11 EU-KPfVO will nur ausschließen, dass das Gericht aktiv wird und den Schuldner vom Antrag in Kenntnis setzt oder Gelegenheit zur Äußerung gibt. Sinn und Zweck ist es, zum einen den zügigen Ablauf des Verfahrens zu sichern und zum anderen den Überraschungseffekt der Maßnahme zu wahren.13 Eine bereits eingereichte Schutzschrift verlangt dem Gericht keine eigene Aktivität ab und verzögert damit auch nicht das Verfahren oder warnt den Schuldner vor der einstweiligen Maßnahme. Da die Schutzschrift nicht den Zweck der ex parte-Entscheidung vereitelt, sollte das Gericht den darin vorgebrachten Einwänden Beachtung schenken.14
Artikel 12 Sicherheitsleistung des Gläubigers (1) In Fällen, in denen der Gläubiger noch keine gerichtliche Entscheidung, keinen gerichtlichen Vergleich oder keine öffentliche Urkunde erwirkt hat, verlangt das Gericht vor Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung vom Gläubiger die Leistung einer Sicherheit in ausreichender Höhe, um einen Missbrauch des in dieser Verordnung vorgesehenen Verfahrens zu verhindern und sicherzustellen, dass der Schuldner für einen etwaigen Schaden, der ihm infolge des Beschlusses entstanden ist, entschädigt werden kann, soweit der Gläubiger gemäß Artikel 13 für einen solchen Schaden haftet. In Ausnahmefällen kann das Gericht von der Anforderung gemäß Unterabsatz 1 absehen, wenn es der Auffassung ist, dass die Sicherheitsleistung gemäß jenem Unterabsatz in Anbetracht der Umstände des Falls unangemessen ist. (2) Hat der Gläubiger bereits eine gerichtliche Entscheidung oder einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde erwirkt, so kann das Gericht vom Gläubiger eine Sicherheitsleis-
11 EuGH v. 21.5.1980 – 125/79, ECLI:EU:C:1980:130 – Bernard Denilauler/SNC Couchet Frères, EuGHE 1980, 1553 Rz. 15. 12 Ähnlich Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 265; Kreutz, GPR 2017, 307, 310 (sachnahe Verfahrenssteuerung). 13 Europäische Kommission, 25.7.2011 KOM(2011) 445, Begründung S. 7. 14 LG Bremen v. 7.1.2020 – 3 O 2166/19, juris Rz. 6; Domej, ZEuP 2013, 496, 509; Domej, GPR 2017, 84, 87; Ritz, Kontenpfändung (2019), 58, 124 f.; Geimer/Schütze/Klöpfer, Art. 16 Rz. 2; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 11; a.A. Häcker, WM 2012, 2180, 2184; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 115 ff.; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2. Vgl. zum deutschen Recht § 945a ZPO.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 12 EU-KPfVO
tung nach Absatz 1 Unterabsatz 1 verlangen, bevor es den Beschluss erlässt, wenn es der Auffassung ist, dass dies in Anbetracht der Umstände des Falles erforderlich und angemessen ist. (3) Falls das Gericht gemäß diesem Artikel die Leistung einer Sicherheit verlangt, so teilt es dem Gläubiger den verlangten Betrag und die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Gericht seinen Sitz hat, zulässigen Formen der Sicherheitsleistung mit. Es teilt dem Gläubiger mit, dass es den Beschluss zur vorläufigen Pfändung erlässt, sobald die Sicherheit gemäß diesen Anforderungen geleistet ist. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sicherheitsleistung in allen Verfahrenssituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vor Erwirkung eines Titels . . . . . . . . . a) Sicherheitsleistung als Regel (Abs. 1 Unterabs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . b) Absehen von der Sicherheitsleistung als Ausnahme (Abs. 1 Unterabs. 2) . . . . .
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2. Nach Erwirkung eines Titels: Sicherheitsleistung als Ausnahme (Abs. 2) . . . . . . . . .
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III. Art der Sicherheitsleistung (Abs. 3) . . . . . 9 IV. Höhe der Sicherheitsleistung . . . . . . . . . 10 V. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 VI. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
I. Normzweck Die Möglichkeit, vom Gläubiger eine Sicherheit zu verlangen, stellt die wohl wichtigste Garantie gegen den Missbrauch des Beschlusses dar. Zum einen soll die Sicherheitsleistung den Ersatz der dem Schuldner durch die Vollstreckung entstandenen Schäden sicherstellen (Sicherungsfunktion) (ErwGr. 18 Unterabs. 1 S. 1 EU-KPfVO). Eine Kontenpfändung birgt bereits im nationalen Kontext ein hohes Risiko für den Schuldner, denn Banken kündigen nicht selten daraufhin die Kontoverbindung und werden i.d.R. keinen Kredit mehr auf dieses Konto auszahlen.1 Bei der internationalen Zwangsvollstreckung besteht allein aufgrund der grenzüberschreitenden Rechtsverfolgungskosten ein ungleich höheres Risiko für den Schuldner, welches es abzusichern gilt.
1
Zum anderen schafft die Hürde einer Sicherheitsleistung eine willkommene Abschreckung gegenüber solchen Gläubigern, die zu willkürlichen Vollstreckungsdrohungen greifen (Abschreckungsfunktion). Es scheint nicht ausgeschlossen, dass dubiose Inkassounternehmen das Verfahren der EUKPfVO in ihr Repertoire aufnehmen, um den Schuldner zur Zahlung vermeintlicher Schulden zu bewegen.
2
II. Sicherheitsleistung in allen Verfahrenssituationen Das Gericht kann vom Gläubiger in allen Verfahrenssituationen und nicht nur vor Erwirkung eines Titels2 eine Sicherheit verlangen. Während das Gericht vor Erlangung eines Titels ausnahmsweise von der Sicherheitsleistung absehen kann (Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 2 EU-KPfVO), besteht das Erfordernis einer Sicherheit nach Erlangung eines Titels nur, wenn eine Sicherheit in Anbetracht der Umstände des Falles erforderlich und angemessen ist (Art. 12 Abs. 2 EU-KPfVO). Die Sicherheitsleistung ist nicht geeignet, einen unzureichenden Beweis des Erlassanspruchs oder des Erlassgrunds zu ersetzen; sie tritt vielmehr als selbständige Verfahrensvoraussetzungen neben Art. 7 EU-KPfVO (anders: § 921 ZPO).3
1 Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 405. Vgl. aber zum Kontrahierungszwang der Banken Ritz, Kontenpfändung (2019), 115 ff. 2 So noch Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 12. 3 Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 139.
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Sicherheitsleistung des Gläubigers
1. Vor Erwirkung eines Titels a) Sicherheitsleistung als Regel (Abs. 1 Unterabs. 1) 4
Der Kommissionsentwurf sah eine Sicherheitsleistung vor, deren Einforderung vollständig im Ermessen des Gerichts stand.4 Die Kommission lehnt eine obligatorische Sicherheit ab, weil damit Gläubiger vom Antrag abgehalten werden könnten.5 Die Beratungen im Rechtsausschuss des Parlaments und im Rat bewirkten eine Wende:6 Die Leistung einer Sicherheit ist die Regel, wenn der Gläubiger noch keinen Titel erwirkt hat (ErwGr. 18 Abs. 2 S. 1 EU-KPfVO). b) Absehen von der Sicherheitsleistung als Ausnahme (Abs. 1 Unterabs. 2)
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Das Gericht kann von der Forderung einer Sicherheitsleistung ausnahmsweise absehen oder eine geringere Sicherheit fordern, wenn es der Auffassung ist, dass eine Sicherheitsleistung angesichts der Umstände des Falls unangemessen, überflüssig oder unverhältnismäßig ist (ErwGr. 18 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 EU-KPfVO).
6
ErwGr. 18 Abs. 2 S. 2 EU-KPfVO nennt exemplarisch drei Konstellationen, in denen ein Absehen von der Sicherheitsleistung gerechtfertigt sein kann. Hierzu zählt, dass besonders viele Gesichtspunkte für die Begründetheit der Forderung sprechen, der Gläubiger aber nicht über ausreichende Mittel verfügt, um die Sicherheit zu leisten. Bereits der Beschlusserlass gem. Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO ist an die „berechtigte Annahme“ des Gerichts geknüpft, dass die Forderung besteht (Art. 7 EU-KPfVO Rz. 13 f.). Für die Befreiung von der Sicherheitsleistung muss deshalb ein strengeres Beweismaß gelten,7 welches mit der vollen richterlichen Überzeugung vergleichbar ist. Ergibt sich beispielsweise aus den vorgelegten Unterlagen, dass der Schuldner die Forderung bestreitet, kann keine Befreiung erfolgen, auch wenn der Gläubiger nicht zur Sicherheitsleistung in der Lage ist. Außerdem kann das Gericht von der Sicherheitsleistung absehen, wenn es sich bei der zu sichernden Forderung um eine Unterhalts- oder Lohnzahlungsforderung handelt oder die Forderung so gering ist, dass dem Schuldner wahrscheinlich kein Schaden entsteht (ErwGr. 18 Abs. 2 S. 2 EU-KPfVO); eine vergleichbare Interessenlage kann bestehen, wenn der Gläubiger Verbraucher oder Versicherungsnehmer ist.8 Insbesondere die Frage, ob die Forderung gering ist oder nicht, wird für die Kreditwürdigkeit, die der Schuldner bei einer Kontopfändung häufig verliert, und die damit potentiell verbundenen Schäden keinen Unterschied machen.9 Das Gericht hat daher bei den in ErwGr. 18 Abs. 2 S. 2 EU-KPfVO benannten Beispielen stets die Gefahren für den Schuldner zu berücksichtigen und darf auf die Forderung einer Sicherheit nur im Ausnahmefall verzichten.10
7
Der Gläubiger kann in seinem Pfändungsantrag Gründe angeben, warum er seiner Ansicht nach von einer Sicherheitsleistung befreit werden sollte (Art. 8 Abs. 2 lit. k EU-KPfVO „gegebenenfalls“). Das Absehen von der Sicherheitsleistung ist jedoch dem Wortlaut nach nicht an einen Antrag seitens des Gläubigers geknüpft; das Gericht kann auch von Amts wegen von der Forderung einer Sicherheitsleistung absehen.11 Eine Untersuchungspflicht trifft das Gericht nicht.12
4 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 12, ErwGr. 15; anders noch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006 SEK (2006) 1341, 3.2.4 und Europäisches Parlament, 25.10.2007, ABl. EU 2008 C 263 E/655 Nr. 20; für eine im Ermessen des Gerichts stehende Sicherheit Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 261 f. 5 Krit. Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 405; Harbeck, ZInsO 2012, 805, 808; Hess in FS Kaissis (2012), 399, 409; Zwickel in Douchy-Oudet/Guinchard (Hrsg.), La justice civile européenne en marche (2012), 233, 241. 6 Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, 20 Art. 16a; Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 19.6.2013, A7-0227/2013, 19 Art. 12. 7 Rechtbank Gelderland, 1.3.2018 – C/05332664/KG RK 18-106/57/512, Ziff. 1.7. 8 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 411. 9 Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018) 73, 78; Schumacher/Köllensperger/ Trenker/Trenker, Rz. 3. 10 Ähnlich restriktiv Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 411; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 124. 11 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 413; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 4; a.A. Schlosser/Hess/ Hess, Rz. 1; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 136, 192; Kreutz, Rpfleger 2016, 506, 514. 12 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 6.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 12 EU-KPfVO
2. Nach Erwirkung eines Titels: Sicherheitsleistung als Ausnahme (Abs. 2) In den Fällen, in denen der Gläubiger bereits einen Titel erwirkt hat, ist grundsätzlich keine Sicherheitsleistung erforderlich.13 Der Titel muss (anders als i.R.d. Art. 7 EU-KPfVO) noch nicht vollstreckbar sein. Nur wenn beispielsweise der Titel wegen anhängiger Rechtsmittel noch nicht oder nur vorläufig vollstreckbar ist, kann das Gericht eine Sicherheit verlangen.14
8
III. Art der Sicherheitsleistung (Abs. 3) Die VO schreibt nicht vor, welche Arten der Sicherheitsleistung zulässig sind, sondern überlässt dies dem Prozessrecht des Ursprungsmitgliedstaates (Art. 12 Abs. 3 S. 1 EU-KPfVO).15 Je nach den nationalen Rechtsvorschriften kann die Sicherheit daher beispielsweise in Form einer Kaution, einer Bankgarantie oder eines Grundpfandrechts geleistet werden.16 Vor deutschen Gerichten ist die Sicherheit durch die Bürgschaft eines inländischen Kreditinstituts oder durch Hinterlegung zu bewirken (§ 108 ZPO).17
9
IV. Höhe der Sicherheitsleistung Die Höhe der Sicherheitsleistung steht im Ermessen des Gerichts und soll so bemessen sein, dass ein Missbrauch des Pfändungsbeschlusses verhindert wird (Abschreckungsfunktion) und der Schadensersatz für den Schuldner gewährleistet ist (Sicherungsfunktion) (Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 1, ErwGr. 18 Abs. 1 S. 3 EU-KPfVO). Ist der Schaden nicht absehbar, was angesichts der erforderlichen Ermittlung des anwendbaren Rechts (Art. 13 EU-KPfVO) und der in der Sphäre des Schuldners liegenden Umstände regelmäßig der Fall sein wird,18 soll die Höhe der zu sichernden Forderung als Richtschnur für die Bestimmung der Höhe der Sicherheitsleistung dienen.19 Diesem Betrag kann ein weiterer Sicherheitsaufschlag von 10 % hinzugegeben werden.20 Ausnahmsweise kann das Gericht auch eine geringere Sicherheit fordern (ErwGr. 18 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2 EU-KPfVO). Nimmt der Gläubiger seinen Antrag teilweise zurück (Art. 8 EU-KPfVO Rz. 24), muss das Gericht die Höhe der Sicherheitsleistung von Amts wegen entsprechend beschränken, weil die Teilrücknahme den Pfändungsantrag und damit die Grundlage für die Festsetzung der Sicherheit teilweise beseitigt.21
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V. Verfahren Das Gericht teilt dem Gläubiger die Art und Höhe der erforderlichen Sicherheit mit (Art. 12 Abs. 3 S. 1 EU-KPfVO) und informiert ihn, dass es den Beschluss erlassen wird, sobald die Sicherheit geleistet wurde (Art. 12 Abs. 3 S. 2 EU-KPfVO). Die Mitteilung kann formlos erfolgen.22 Gemäß Art. 18 Abs. 4 S. 1 EU-KPfVO hat das Gericht über die Sicherheitsleistung innerhalb der Fristen nach Art. 18 Abs. 1–3 EU-KPfVO zu entscheiden. Die Entscheidung über die Pfändung erfolgt unverzüglich nach 13 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 411; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 139. 14 ErwGr. 18 Abs. 3 EU-KPfVO. 15 Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 139; Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 263. 16 ErwGr. 18 Abs. 1 S. 2 EU-BvKpfVO. 17 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 411. 18 Krit. daher Hess, Europäisches Zivilprozessrecht (2. Aufl. 2021), Rz. 10.135. 19 ErwGr. 18 Abs. 1 S. 3 EU-BvKpfVO. 20 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 412; Schlosser/Hess/Hess Rz. 3; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 7; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 12; anders Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 11 (Bruchteil des gepfändeten Betrages); Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 79 (Zuschlag bis zu 50 %, wenn hoher Schaden zu erwarten). 21 A.A. OLG Innsbruck v. 7.5.2019 – 10R25/19f (Erwägungen Ziff. 5). 22 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 9.
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Haftung des Gläubigers
Leistung der Sicherheit (Art. 18 Abs. 3 S. 2 EU-KPfVO). Zur Beschleunigung des Verfahrens kann das Gericht – soweit dies nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zulässig ist (Art. 46 Abs. 1 EUKPfVO) – dem Gläubiger auch eine angemessene Frist für die Sicherheitsleistung setzen, nach deren Versäumnis der Antrag zurückgewiesen wird.23 Die Rückgabe der Sicherheit richtet sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats, in Deutschland nach § 109 Abs. 1 ZPO. Ungeachtet der Voraussetzungen des § 109 ZPO erfolgt die sofortige Rückgabe der Sicherheit, wenn der Beschluss aufgrund Fehlens der Kontoinformationen vollständig abgelehnt wird (Art. 14 Abs. 7 S. 2 EU-KPfVO).
VI. Rechtsbehelfe 12
Der Rechtsbehelf des Schuldners gegen die Nichtanordnung einer Sicherheit oder die Höhe der Sicherheit ist in Art. 33 Abs. 2 EU-KPfVO geregelt. Mit einem Rechtsbehelf nach Art. 33 Abs. 2 EUKPfVO kann der Schuldner beim zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaats die Entscheidung über das Absehen von der Sicherheitsleistung überprüfen lassen. Der Gläubiger kann die Anordnung der Sicherheitsleistung (Art. 12 Abs. 3 EU-KPfVO) gem. Art. 21 EU-KPfVO separat anfechten (teilweise Ablehnung).24
Artikel 13 Haftung des Gläubigers (1) Der Gläubiger haftet für etwaige Schäden, die dem Schuldner durch den Beschluss zur vorläufigen Pfändung aufgrund eines Verschuldens des Gläubigers entstanden sind. Die Beweislast liegt beim Schuldner. (2) In den folgenden Fällen wird das Verschulden des Gläubigers vermutet, sofern er nicht das Gegenteil nachweist, a) wenn der Beschluss widerrufen wird, weil der Gläubiger es unterlassen hat, ein Verfahren in der Hauptsache einzuleiten, es sei denn, diese Unterlassung war eine Folge der Zahlung der Forderung durch den Schuldner oder einer anderen Form des Vergleichs zwischen den Parteien; b) wenn der Gläubiger es unterlassen hat, die Freigabe überpfändeter Beträge gemäß Artikel 27 zu beantragen; c) wenn in der Folge festgestellt wird, dass der Erlass des Beschlusses aufgrund der Tatsache, dass der Gläubiger seinen Verpflichtungen nach Artikel 16 nicht nachgekommen ist, nicht oder nur für einen niedrigeren Betrag gerechtfertigt war, oder d) wenn der Beschluss widerrufen oder seine Vollstreckung beendet wird, weil der Gläubiger seinen Verpflichtungen gemäß dieser Verordnung in Bezug auf die Zustellung oder Übersetzung der Schriftstücke oder im Hinblick auf die Heilung der fehlenden Zustellung oder fehlenden Übersetzung nicht nachgekommen ist. (3) Ungeachtet des Absatzes 1 können die Mitgliedstaaten andere Gründe oder Arten der Haftung oder Vorschriften zur Beweislast in ihrem nationalen Recht beibehalten oder in ihr nationales Recht aufnehmen. Alle anderen Aspekte im Zusammenhang mit der Haftung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner, die in Absatz 1 oder 2 nicht spezifisch behandelt werden, unterliegen dem nationalen Recht. (4) Das auf die Haftung des Gläubigers anzuwendende Recht ist das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. 23 OLG Innsbruck v. 7.5.2019 – 10R25/19f (Erwägungen Ziff. 4); Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 10; Trenker in Schumacher/Köllensperger/Trenker, Rz. 17. 24 OLG Innsbruck v. 7.5.2019 – 10R25/19f (Erwägungen Ziff. 5); Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 412 f.; ausführlich Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 19 f.; a.A. Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 200; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 954 Rz. 2, Art. 12 Rz. 10.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 13 EU-KPfVO
Werden Konten in mehr als einem Mitgliedstaat vorläufig gepfändet, so gilt für die Haftung des Gläubigers das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats, a) in dem der Schuldner seinen gewöhnlichen Aufenthalt, wie er in Artikel 23 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates1 definiert ist, hat, oder andernfalls b) der die engste Verknüpfung zu dem Fall hat. (5) In diesem Artikel wird nicht die Frage etwaiger Haftung des Gläubigers gegenüber einer Bank oder einem Dritten behandelt. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Anspruchsinhaber und Anspruchsgegner . .
5
III. Materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage (Abs. 1 S. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pfändungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . 2. Schaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
. 6 . 6 . 7 . 10 . 11
5. 6. 7. IV.
Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Aspekte der Haftung (Abs. 3 S. 2) Beweislast (Abs. 1 S. 2, Abs. 2) . . . . . . . Weitere Haftungsgründe und -arten aus einzelstaatlichem Recht (Abs. 3 S. 1) . . .
. . 14 . . 15 . . 17 . . 20
V. Kollisionsnorm (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . 21 VI. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . 25
I. Normzweck Art. 13 EU-KPfVO behandelt den Schadensersatz des Schuldners gegen den Gläubiger. Der Kommis- 1 sionsentwurf enthielt hierzu weder eine materielle Haftungsnorm noch eine Kollisionsnorm. Die Bedingungen, unter denen der Gläubiger für einen Schaden des Schuldners ersatzpflichtig ist, sollten dem einzelstaatlichen Recht überlassen bleiben.2 Dabei ist bereits die Qualifikation von Schadensersatzansprüchen im einstweiligen Rechtsschutz 2 streitig.3 Werden die Haftungsnormen als Normen des Vollstreckungsverfahrensrechts qualifiziert, ist das Prozessrecht des Ursprungs- (Anordnungsschäden) bzw. Vollstreckungsstaats (Vollzugsschäden) anwendbar.4 Das deutsche Recht qualifizierte die Haftung des Vollstreckungsgläubigers unter Art. 40 EGBGB überwiegend deliktisch.5 Auch nach dem Inkrafttreten der Rom II-VO fällt die Haftung des Vollstreckungsgläubigers, einerlei ob im materiellen Recht oder im Verfahrensrecht verankert, vermutlich unter die autonome Definition der unerlaubten Handlung; die Vollstreckungsgläubigerhaftung sanktioniert eine Schadensverursachung, ohne dass die Haftung eine Sonderverbindung zwischen Gläubiger und Schuldner voraussetzt; das für den Schadensersatzanspruch maßgebliche Prozessrechtsverhältnis ist keine Sonderverbindung privatrechtlicher, sondern öffentlich-rechtlicher Art. Des Weiteren variieren die materiellen Schadensersatzvorschriften zwischen den Mitgliedstaaten erheblich.6
1 Amtliche Fußnote: Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“) (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 40). 2 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, ErwGr. 15; Anders noch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, SEK (2006) 1341, 5.2.4; krit. Domej, ZEuP 2013, 496, 501; Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 405; Häcker, WM 2180, 2185; Harbeck, ZInsO 2012, 805, 808; Hess in FS Kaissis (2012), 399, 409; für eine Vereinheitlichung bereits Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 297. 3 Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 263. 4 Für die Anwendbarkeit des Rechts des Ursprungsstaates auf die Gläubigerhaftung während der vorläufigen Vollstreckbarkeit (§ 717 Abs. 2 ZPO) s. Raffelsieper, Die Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018), 233; Wiedemann, Vollstreckbarkeit (2017), 196. 5 Freitag, IPRax 2002, 267, 271; Schreiber, Die Haftung des Vollstreckungsgläubigers im internationalen Zivilrechtsverkehr (2008), 90 ff. 6 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5. Zum verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch im deutschen Recht s. § 945 ZPO.
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Art. 13 EU-KPfVO
Haftung des Gläubigers
3
Wegen der sowohl kollisionsrechtlich als auch materiell-rechtlich bestehenden Unsicherheiten musste der Verweis auf nationales Recht einer verordnungsautonomen Haftungsregelung weichen.7 Die EU-KPfVO beinhaltet keine vollständige materiell-rechtliche Vereinheitlichung. Art. 13 EU-KPfVO kombiniert eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage8 („[d]er Gläubiger haftet“) als Mindeststandard9 (Abs. 1) mit einer Kollisionsnorm (Abs. 4), die zu schärferen Haftungsvorschriften der Mitgliedstaaten führen kann.
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Im Verordnungsgebungsverfahren wurde bezweifelt, ob der materiell-rechtliche Gehalt des Art. 13 EU-KPfVO von der Kompetenzgrundlage der EU gedeckt ist.10 Art. 81 AEUV erfasst grundsätzlich nur Regelungen des internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts sowie des allgemeinen Zivilprozessrechts, nicht hingegen des materiellen Rechts.11
II. Anspruchsinhaber und Anspruchsgegner 5
Art. 13 EU-KPfVO betrifft ausschließlich die Haftung des Gläubigers (Anspruchsgegner) gegenüber dem Schuldner (Anspruchsinhaber). Die Frage der Haftung des Gläubigers gegenüber einer Bank oder einem Dritten wird nicht behandelt (Abs. 5). Entstehen durch die Pfändung der Bank oder einem Dritten Schäden, bestimmt sich die Haftung des Gläubigers nach mitgliedstaatlichem Recht (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO). Art. 13 EU-KPfVO behandelt auch nicht die Haftung der Bank gegenüber dem Gläubiger, dem Schuldner oder einem Dritten; hierfür verweist Art. 26 EU-KPfVO auf das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats.
III. Materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage (Abs. 1 S. 1) 1. Pfändungsbeschluss 6
Voraussetzung für den Anspruch ist, dass ein Pfändungsbeschluss erlassen wurde. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob es auch zur Vollstreckung des Beschlusses gekommen ist.12 Ebenfalls nicht zwingend erforderlich ist, dass der Beschluss unrechtmäßig erlassen wurde (zur Notwendigkeit einer Pflichtverletzung s. aber Rz. 10).13 2. Schaden
7
Dem Schuldner muss durch den Pfändungsbeschluss ein Schaden entstanden sein. Streitig ist, ob und inwieweit der Art. 13 Abs. 1 EU-KPfVO ein autonomer Schadensbegriff zugrunde liegt oder ein Rückgriff auf nationales Recht zulässig ist. Der EU-KPfVO ist zu entnehmen, dass sämtliche Schäden auszugleichen sind (ErwGr. 19 Abs. 1 S. 1 EU-KPfVO: „jeden Schaden“, Art. 13 Abs. 1 EU-KPfVO „etwaige Schäden“). Das Prinzip der vollständigen Kompensation wurde rechtsgebietsübergreifend bereits für andere Materien des Unionsprivatrechts nachgewiesen (insb. Kartelldeliktsrecht, Verbrauchervertragsrecht, Produkthaftungsrecht, Reiserecht, Luftverkehrsrecht).14 Entsprechend dem Prinzip
7 S. zur Entwicklung im Gesetzgebungsverfahren Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 19.6.2013, A7-0227/2013, 23 Art. 12a; Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, 21 Art. 16b. 8 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 414; Hess/Raffelsieper, IPRax 2015, 46, 51; Raffelsieper, Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018) 244; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 348; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 1; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 1; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3. 9 Council of the EU, Note from the Finnish delegation, 2.9.2013, 13221/13, 3 f.; Ritz, Kontenpfändung (2019), 128. 10 Zweifelnd Council of the EU, Note from the Polish delegation, 24.5.2013, 10022/13, 3. 11 Dethloff/Hauschild, FPR 2010, 489, 491. 12 Raffelsieper, Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018), 245. 13 Raffelsieper, Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018) 252; anders wohl Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 13 f. 14 Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht (2017) 585 f.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 13 EU-KPfVO
der vollständigen Kompensation bestimmt sich zumindest der Schadensumfang unionsautonom:15 Demnach sind sämtliche materielle (auch reine Vermögensschäden16 und entgangener Gewinn)17, immaterielle Schäden18 und Kosten der Rechtsverteidigung19 auszugleichen.20 Eine Einschränkung durch mitgliedstaatliches Recht liefe dem Charakter von Art. 13 Abs. 1 EU-KPfVO als Mindeststandard zuwider; unzulässig sind insbesondere Schadenshöchstgrenzen.21 Aus dem Wortlaut ergibt sich zudem, dass – anders als nach § 945 ZPO, der nur Vollziehungsschäden erfasst22 – sowohl Anordnungsschäden als auch Vollziehungsschäden inbegriffen sind.23 Eine von der polnischen Ratsdelegation vorgeschlagene Beschränkung auf Vollziehungsschäden fand keinen Eingang in die VO;24 zudem spricht der Standort der Vorschrift in Kap. 2 dafür, dass auch Anordnungsschäden erfasst sind. Der Gläubiger haftet daher zum einen für Schäden, die sich aus der Anordnung der Pfändung für den Schuldner ergeben. Hierzu gehören insbesondere die mit dem Bekanntwerden der Pfändung verbundenen Geschäftsschäden. Zum anderen sind die durch die Vollziehung des Pfändungsbeschlusses verursachten Schäden umfasst, z.B. Verzugszinsen wegen der Nichtverfügbarkeit des Kontoguthabens zur Begleichung anderer Forderungen. Die Ermittlung des Schadens erfolgt im Wege der Differenzmethode.25 Im Unionsprivatrecht ist allgemein anerkannt, dass der Geschädigte den Schadenseintritt verhindern oder begrenzen muss, um nicht aufgrund einer (teilweisen) Mitverursachung (teilweise) auf dem Schaden sitzen zu bleiben.26 Auch im Rahmen von Art. 13 Abs. 1 EU-KPfVO ist daher eine Mitverursachung durch den Schuldner nach unionsprivatrechtlichen Maßstäben27 zu berücksichtigen.28
8
Für weitere Aspekte der Schadensbemessung bietet weder Art. 13 Abs. 1 EU-KPfVO noch eine rechtsgebietsübergreifende Analyse des Unionsrechts hinreichende Maßstäbe; es gilt insoweit der Verweis auf nationales Recht (Abs. 3 S. 2, Rz. 15). Abs. 1 beinhaltet somit einem halbautonomen Schadensbegriff.
9
3. Pflichtverletzung Art. 13 Abs. 1 EU-KPfVO ist, wörtlich genommen, unvollständig. Gläubiger dürfen mit dem Pfändungsbeschluss nämlich grundsätzlich Schäden auf Seiten des Schuldners verursachen, ohne hierfür zu haften. Dem nach Abs. 1 erforderlichen Verschulden ist jedoch eine Pflichtverletzung des Gläubigers immanent.29 Eine Pflichtverletzung besteht jedenfalls in den Fällen des Art. 13 Abs. 2 EU-KPfVO. Im Übrigen setzt die Haftung nach Abs. 1 ein sonstiges vorwerfbares Verhalten des Gläubigers voraus (z.B. unwahre Angaben). 15 Ebenso: Raffelsieper, Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018), 266; a.A. (Bestimmung des Haftungsumfangs nach nationalem Recht) Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 18; Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 414. 16 Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 458; Raffelsieper, Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018), 266; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 4; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 5. 17 Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 458; Raffelsieper, Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018), 266; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 5. 18 Raffelsieper, Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018), 266; a.A. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ ZPO, Rz. 8; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 9. 19 Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 458; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 7. 20 Vgl. dazu im Einzelnen Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht (2017), 586 ff. 21 Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht (2017), 587. 22 Drescher in MünchKomm/ZPO, § 945 Rz. 21; BGH v. 5.10.1982 – VI ZR 31/81, BGHZ 85, 110, NJW 1983, 232 (für § 717 Abs. 2 BGB); OLG Saarbrücken v. 15.10.1997 – 1 U 109/97-35, NJW-RR 1998, 1039; BGH v. 1.4.1993 – I ZR 70/91, BGHZ 122, 172, NJW 1993, 2685, 2687. 23 Sikorski, Kontopfändungen (2018), 350; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 4. 24 Council of the EU, Note from the Polish delegation, 24.5.2013, 10022/13, 3 f. 25 Vgl. zur Differenzmethode: Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht (2017), 588; a.A. Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 414 (Schadensberechnung gem. Abs. 3 S. 2 nach nationalem Recht). 26 Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht (2017), 609. 27 Dazu Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht (2017), 609 ff. 28 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 414; a.A. Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3. 29 Raffelsieper, Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018), 254; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 349; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 6; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 13.
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Art. 13 EU-KPfVO
Haftung des Gläubigers
4. Verschulden 11
Der Schaden muss dem Schuldner schließlich aufgrund eines Verschuldens des Gläubigers entstanden sein. Abs. 2 enthält für spezifische Pflichtverletzungen eine widerlegbare Verschuldensvermutung (Rz. 17).
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Zweifelhaft ist, ob die Anforderungen an das Verschulden des Gläubigers nach Maßgabe des nationalen Rechts auszufüllen sind (Abs. 3 S. 2) oder ein autonomer Verschuldensbegriff heranzuziehen ist. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Haftung nach Art. 13 Abs. 1 EU-KPfVO sich nicht auf dasjenige bezieht, was der Gläubiger nach nationalem Recht zu vertreten hat, sondern ein Verschulden voraussetzt. Verschulden umfasst – nach unionsrechtlichem Begriffsverständnis – Vorsatz und jeden Grad von Fahrlässigkeit.30 Unter Verschulden ist daher nach autonomem Begriffsverständnis Vorsatz und Fahrlässigkeit zu verstehen.31 Darauf, was der Gläubiger nach nationalem Recht zu vertreten hat, kommt es nicht an. Die Haftung kann daher auch nicht mit Verweis auf nationales Recht auf Vorsatz beschränkt werden. Für weitere Fragen des Verschuldens, wie die Verschuldensfähigkeit und Entschuldigungsgründe, ist hingegen nationales Recht heranzuziehen (Abs. 3 S. 2).
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Abweichend von Art. 13 Abs. 1 EU-KPfVO haftet der Gläubiger bei falschen Angaben im Antrag nur wegen Vorsatz (Art. 8 Abs. 2 lit. o EU-KPfVO). 5. Kausalität
14
Die Anordnung oder der Vollzug des Pfändungsbeschlusses muss kausal für den Schaden des Schuldners sein („durch den Beschluss“).32 Nach dem Wortlaut muss zudem die Pflichtverletzung kausal für den Schaden geworden sein („aufgrund eines Verschuldens des Gläubigers“);33 der Gläubiger kann sich daher grundsätzlich mit dem Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens von der Haftung befreien: Hat der Gläubiger unwahre Angaben im Antrag gemacht, wäre der Beschluss aber auch bei Wahrheitsgemäßheit der Angaben erlassen worden, besteht kein Schadensersatzanspruch. Die Kausalitätsanforderungen im Einzelnen sind nach nationalem Recht zu bestimmen (Abs. 3 S. 2).34 6. Weitere Aspekte der Haftung (Abs. 3 S. 2)
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Abs. 1 enthält eine unionsautonome Anspruchsgrundlage, aber regelt nicht alle Voraussetzungen der Haftung unionsautonom, sondern überlässt nicht geregelte Aspekte dem nationalen Recht (Abs. 3 S. 2). Andere Aspekte im Zusammenhang mit der Haftung des Gläubigers unterliegen dem nationalen Recht (Art. 13 Abs. 3 S. 2 EU-KPfVO). Hierzu gehören die Kausalitätsanforderungen (Rz. 14), die Deliktsfähigkeit, die Rechtfertigungsgründe,35 das Rangverhältnis zwischen Naturalrestitution und Schadenskompensation,36 die vertragliche Begrenzung des Schadensersatzes37 und die Verjährung oder Verwirkung des Anspruchs.38 Die Befugnis des Gerichts zur Schadensschätzung ist nicht materiell-rechtlich, sondern prozessrechtlich zu qualifizieren und richtet sich nach der lex fori.39 30 EuGH v. 5.3.1996 – C-46/93, C-48/93, ECLI:EU:C:1996:79 – Brasserie du Pêcheur SA/Bundesrepublik Deutschland und The Queen/Secretary of State for Transport, ex parte: Factortame Ltd. u.a., EuGHE 1996, I-1029, Rz. 75. 31 Domej, GPR 2017, 84, 92; Raffelsieper, Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018), 263 f.; Geimer/ Schütze/Klöpfer, Rz. 8 f.; Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 414; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 7; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 13; a.A. Villamarín López in Gascón Inchausti/Hess (Hrsg.), The future of the European law of civil procedure (2020), 111, 118. 32 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 414. 33 Überzeugend: Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 4 („erste Kausalverbindung“) und („zweite Kausalverbindung“). 34 Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 16; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 8; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 18. 35 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 8; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 23. 36 Vgl. dazu Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht (2017), 583 ff. 37 Vgl. dazu Heinze, Schadensersatz im Unionsprivatrecht (2017), 614 ff. 38 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 414; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 23. 39 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 27; a.A. Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 414; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 458.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 13 EU-KPfVO
Zweifelhaft ist, ob es den Mitgliedstaaten uneingeschränkt überlassen ist, andere Aspekte der Haftung, wie den Umfang des Schadensersatzes oder Fragen des Verschuldens, auszufüllen. Entsprechend des richtlinientypischen Regelungsgehalts des Abs. 3 sollte das Ziel der Haftungsvorschrift – die Schaffung eines angemessenen Gleichgewichts zwischen Gläubiger und Schuldner (ErwGr. 19 Abs. 1 S. 1 EU-KPfVO) – als verbindlich angesehen werden. Die mitgliedstaatliche Ausfüllung ist an dieser Zielsetzung zu messen.
16
7. Beweislast (Abs. 1 S. 2, Abs. 2) Die Beweislast für die Voraussetzungen der Haftung einschließlich des Verschuldens liegt grundsätz- 17 lich beim Schuldner (Abs. 1 S. 2).40 Für spezifische Haftungsgründe enthält Abs. 2 eine widerlegbare Verschuldensvermutung; eine Garantiehaftung wie etwa nach § 945 ZPO ist nicht vorgesehen.41 Die im Rat eingefügte Vorschrift zielt darauf ab, gleiche Mindestvoraussetzungen in allen Mitgliedstaaten zu schaffen.42 Die Haftungsgründe betreffen Situationen, in denen der Gläubiger seinen aus der EU-KPfVO folgenden Verfahrensobliegenheiten nicht nachgekommen ist; dass der Schuldner im Hauptsacheverfahren obsiegt, genügt nicht.43 Zu den Verfahrensobliegenheiten gehören die rechtzeitige Einleitung des Verfahrens in der Hauptsache (Abs. 2 lit. a, Art. 10 EU-KPfVO),44 die Freigabe überpfändeter Beträge (Abs. 2 lit. b, Art. 27 EU-KPfVO), die Pfändung nur eines Kontos wegen derselben Forderung (Abs. 2 lit. c, Art. 16 EU-KPfVO) und die Veranlassung bestimmter Zustellungen und Übersetzungen (Abs. 2 lit. d, Art. 23, 28 EU-KPfVO). Kommt der Gläubiger seinen Obliegenheiten nicht nach und erleidet der Schuldner dadurch einen Schaden, wird das Verschulden des Gläubigers vermutet. Der Gläubiger trägt die Beweislast für sein fehlendes Verschulden hinsichtlich der Versäumung der Verfahrensobliegenheit.45
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Eine Verschuldensvermutung für den Fall, dass der Beschluss unberechtigterweise erlassen wird, weil der Gläubiger falsche oder unvollständige Angaben in seinem Antrag gemacht hat (Art. 8 Abs. 2 lit. o EU-KPfVO), ist nicht vorgesehen.46
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IV. Weitere Haftungsgründe und -arten aus einzelstaatlichem Recht (Abs. 3 S. 1) Darüber hinaus können Mitgliedstaaten andere Gründe und Arten der Haftung beibehalten oder in ihr einzelstaatliches Recht aufnehmen, um den Schuldnerschutz weiter zu erhöhen (Günstigkeitsprinzip).47 Folglich können die Mitgliedstaaten insbesondere strengere Haftungsnormen vorsehen (z.B. verschuldensunabhängige Haftung).48 ErwGr. 19 Abs. 2 S. 2 EU-KPfVO erweckt den Eindruck, dass die Öffnungsklausel im Hinblick auf andere Arten der Haftung (insb. verschuldensunabhängige Haftung) nur für andere als die in Abs. 2 genannten Haftungsgründe gilt;49 aus Art. 13 Abs. 3 S. 1 EU-KPfVO wird diese Einschränkung nicht deutlich. Damit wäre es den Mitgliedstaaten verwehrt für 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49
Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 6. Skamel/Wilhelm, ZInsO 2014, 1789, 1796. Krit. Council of the EU, Note from the Finnish Delegation, 2.9.2013, 13221/13, 2 ff. Domej, GPR 2017, 84, 92. Die Verschuldensvermutung des Abs. 2 lit. a greift nicht nur bei Widerruf, sondern auch bei automatischer Beendigung des Beschlusses, Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 6. Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 415; Raffelsieper, Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018), 265. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 28. Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, 21 Fn. 33; Dieser Ansatz geht auf einen Vorschlag der finnischen Delegation zurück, s. Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 27.9.2013, 14119/13, 17 Fn. 19; s. ebenfalls Council of the EU, Note from the Polish delegation, 20.12.2013, 18001/13, 2. Domej, GPR 2017, 84, 93; Hess/Raffelsieper, IPRax 2015, 46, 48; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 216; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 140; a.A. Skamel/Wilhelm, ZInsO 2014, 1789, 1796. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 19; Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, 21 Fn. 33.
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Art. 13 EU-KPfVO
Haftung des Gläubigers
die in Abs. 2 genannten Haftungsgründe eine verschuldensunabhängige Haftung vorzusehen (Vollharmonisierung). Eine solche Einschränkung macht wenig Sinn: wenn die Mitgliedstaaten schon für andere (weniger gravierende) Haftungsgründe eine verschuldensunabhängige Haftung vorsehen dürfen, sollten sie auch für die in Abs. 2 genannten (besonders gravierenden) Haftungsgründe eine verschuldensunabhängige Haftung einführen können.50 § 958 ZPO sieht im deutschen Recht eine dem § 945 ZPO nachgebildete, verschuldensunabhängige Haftung vor.
V. Kollisionsnorm (Abs. 4) 21
Abs. 4 enthält eine eigenständige Kollisionsnorm, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats als das auf die Haftung anwendbare Recht bestimmt. Die Rom II-VO wird insoweit verdrängt (Art. 48 lit. f EU-KPfVO). Die Verweisungen in Abs. 4 sind, ebenso wie die Verweisungen der Rom II-VO (Art. 24 Rom II-VO), als Sachnormverweisungen zu verstehen.51 Für die Haftung wegen vorsätzlich falschen oder unvollständigen Angaben im Antrag enthält Art. 8 Abs. 2 lit. o EU-KPfVO eine Verweisung auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaats, die gegenüber Art. 13 Abs. 4 EU-KPfVO lex specialis ist.
22
Wurden mehrere Konten in verschiedenen Mitgliedstaaten gepfändet und gibt es deshalb mehrere Vollstreckungsmitgliedstaaten, ist das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats anwendbar, in dem der Schuldner seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts von Gesellschaften, Vereinen, juristischen Personen und der im Rahmen ihrer Berufsausübung handelnden natürlichen Personen ist Art. 23 Rom II-VO heranzuziehen; für natürliche Personen, die nicht im Rahmen ihrer Berufsausübung handeln, ist der Daseinsmittelpunkt maßgeblich.52 Hat der Schuldner in keinem der Vollstreckungsmitgliedstaaten seinen gewöhnlichen Aufenthalt, so ist das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats anwendbar, der die engste Verknüpfung mit dem Fall aufweist. Bei der Bestimmung der engsten Verbindung kann die Höhe des jeweils gepfändeten Betrages als ein Faktor berücksichtigt werden (ErwGr. 19 Abs. 3 S. 4 EU-KPfVO).53 Weitere Faktoren sind die Belegenheit des Schuldnervermögens insgesamt, das auf die zu sichernde Forderung anwendbare Recht, der gewöhnliche Aufenthalt des Gläubigers und die Staatsangehörigkeit von Schuldner und Gläubiger.54
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Anknüpfungszeitpunkt ist analog Art. 4 Abs. 2 Rom II-VO der Zeitpunkt des Schadenseintrittes. Das wird in der Regel der Zeitpunkt der Pfändung sein.55
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Das anwendbare mitgliedstaatliche Recht ist maßgeblich für die nicht von der VO geregelten Aspekte der Haftung (Art. 13 Abs. 3 S. 2 EU-KPfVO) sowie für weitere Haftungstatbestände (Art. 13 Abs. 3 S. 1 EU-KPfVO).
VI. Internationale Zuständigkeit 25
Die internationale Zuständigkeit für eine Schadensersatzklage richtet sich vorrangig nach Art. 7 Nr. 2, Art. 4 Brüssel Ia-VO. Umstritten ist, ob für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruches im Wege der Widerklage gegen die Klage in der Hauptsache das Gericht der Hauptsache gem. Art. 8 Nr. 3 Brüssel Ia-VO international zuständig ist.56 50 A.A. Raffelsieper, Rückabwicklung der vorläufigen Vollstreckung (2018), 256. 51 Hess/Raffelsieper, IPRax 2015, 46, 51; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 216; Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 414; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 10; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 29. 52 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 414. 53 Krit. Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 16. 54 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 414. 55 Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 414. 56 Für eine Anwendung des Art. 8 Nr. 3: Hess/Raffelsieper, IPRax 2015, 46, 51; Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 16; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 9; dagegen: Schumacher/Köllensperger/ Trenker/Trenker, Rz. 31.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 14 EU-KPfVO
Artikel 14 Ersuchen um Einholung von Kontoinformationen (1) Hat der Gläubiger in einem Mitgliedstaat eine vollstreckbare gerichtliche Entscheidung, einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde erwirkt, mit der bzw. dem vom Schuldner verlangt wird, die Forderung des Gläubigers zu erfüllen, und hat der Gläubiger Grund zu der Annahme, dass der Schuldner ein oder mehrere Konten bei einer Bank in einem bestimmten Mitgliedstaat unterhält, ist ihm jedoch weder der Name noch die Anschrift der Bank noch die IBAN, BIC oder eine andere Banknummer bekannt, welche die Identifizierung der Bank ermöglicht, so kann er bei dem Gericht, bei dem der Beschluss zur vorläufigen Pfändung beantragt wurde, beantragen, die Auskunftsbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats um Einholung der Informationen zu ersuchen, die erforderlich sind, um die Identifizierung der Bank oder der Banken und des Kontos oder der Konten des Schuldners zu ermöglichen. Ungeachtet des Unterabsatzes 1 kann der Gläubiger den dort genannten Antrag auch dann stellen, wenn die gerichtliche Entscheidung, der gerichtliche Vergleich oder die öffentliche Urkunde, die er erwirkt hat, noch nicht vollstreckbar ist, sofern es sich unter Berücksichtigung der einschlägigen Gegebenheiten um einen vorläufig zu pfändenden Betrag von erheblicher Höhe handelt und sofern der Gläubiger Beweismittel vorgelegt hat, die das Gericht zu der berechtigten Annahme veranlassen, dass die Kontoinformationen dringend erforderlich sind, da sonst die spätere Vollstreckung der Forderung des Gläubigers gegenüber dem Schuldner wahrscheinlich gefährdet ist, und dass dies in der Folge zu einer wesentlichen Verschlechterung der finanziellen Lage des Gläubigers führen könnte. (2) Der Gläubiger stellt den Antrag gemäß Absatz 1 in dem Antrag auf Erlass des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung. Der Gläubiger begründet, warum der Schuldner seiner Auffassung nach ein oder mehrere Konten bei einer Bank in einem bestimmten Mitgliedstaat unterhält, und legt alle ihm bekannten relevanten Informationen über den Schuldner und das vorläufig zu pfändende Konto oder die vorläufig zu pfändenden Konten vor. Kommt das Gericht, bei dem der Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung gestellt worden ist, zu dem Schluss, dass der Antrag des Gläubigers nicht ausreichend begründet ist, so lehnt es den Antrag ab. (3) Ist das Gericht der Überzeugung, dass der Antrag des Gläubigers ausreichend begründet ist und dass – abgesehen von den Informationspflichten nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe d – alle Bedingungen und Anforderungen für den Erlass des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung sowie gegebenenfalls die Anforderung einer Sicherheitsleistung nach Artikel 12 erfüllt sind, so übermittelt das Gericht gemäß Artikel 29 das Ersuchen um Informationen an die Auskunftsbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats. (4) Zur Einholung der Informationen nach Absatz 1 bedient sich die Auskunftsbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats einer der Methoden, die in diesem Mitgliedstaat nach Absatz 5 zur Verfügung stehen. (5) Jeder Mitgliedstaat stellt in seinem nationalen Recht mindestens eine der folgenden Methoden für die Einholung von Informationen nach Absatz 1 zur Verfügung: a) Alle Banken in seinem Hoheitsgebiet werden verpflichtet, auf Ersuchen der Auskunftsbehörde offenzulegen, ob der Schuldner bei ihnen ein Konto unterhält; b) die Auskunftsbehörde kann auf die einschlägigen Informationen zugreifen, sofern sie bei Behörden oder öffentlichen Verwaltungen in Registern oder anderweitig gespeichert sind; c) die Möglichkeit seiner Gerichte, den Schuldner zu verpflichten, offenzulegen, bei welcher Bank oder welchen Banken er in seinem Hoheitsgebiet ein oder mehrere Konten unterhält, wenn eine solche Verpflichtung mit einem Gerichtsbeschluss in personam einhergeht, mit dem ihm die Abhebung oder Überweisung von Geldern auf seinem Konto oder seinen Konten bis zu dem Betrag, der mit dem Beschluss zur vorläufigen Pfändung vorläufig gepfändet werden soll, untersagt wird, oder d) jede andere Methode, nach der die einschlägigen Informationen wirksam und effizient beschafft werden können, sofern der finanzielle und zeitliche Aufwand nicht unverhältnismäßig ist.
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Art. 14 EU-KPfVO
Ersuchen um Einholung von Kontoinformationen
Unabhängig davon, welche Methode oder Methoden ein Mitgliedstaat zur Verfügung stellt, gehen alle an der Einholung der Informationen beteiligten Behörden zügig vor. (6) Sobald die Auskunftsbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats die Kontoinformationen eingeholt hat, übermittelt sie die Informationen dem ersuchenden Gericht gemäß Artikel 29. (7) Ist die Auskunftsbehörde nicht imstande, die Informationen nach Absatz 1 einzuholen, so teilt sie dies dem ersuchenden Gericht mit. Wird der Antrag auf einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung aufgrund des Fehlens der Kontoinformationen gemäß Absatz 1 vollständig abgelehnt, so gibt das ersuchende Gericht unverzüglich alle Sicherheiten frei, die der Gläubiger nach Artikel 12 möglicherweise geleistet hat. (8) Erhält die Auskunftsbehörde gemäß diesem Artikel Informationen von einer Bank oder Zugriff auf die bei Behörden oder öffentlichen Verwaltungen in Registern gespeicherten Kontoinformationen, so wird die Benachrichtigung des Schuldners über die Offenlegung seiner personenbezogenen Daten um 30 Tage aufgeschoben, um zu verhindern, dass eine frühzeitige Benachrichtigung die Wirkung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung gefährdet. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen der Einholung von Kontoinformationen . . . . . . . . . 1. Antrag (Abs. 1, Abs. 2 S. 1) . . . . . . 2. Vollstreckbarer Titel . . . . . . . . . . a) Grundsatz (Abs. 1 Unterabs. 1) . . b) Ausnahme (Abs. 1 Unterabs. 2) . . 3. Begründung (Abs. 2 S. 2) . . . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
. . . . . .
1 4 4 6 5 7 9
III. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung über das Ersuchen im Ursprungsmitgliedstaat (Abs. 3) . . . . . . 2. Einholung der Informationen im Vollstreckungsmitgliedstaat (Abs. 4, 5) . . . . . . . 3. Verwertung der ermittelten Informationen (Abs. 6, 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Benachrichtigung des Schuldners (Abs. 8)
. . 12 . . 11 . . 12 . . 18 . . 21
I. Normzweck 1
Weil der Gläubiger mindestens Namen und Anschrift der kontoführenden Bank angeben muss (Art. 8 Abs. 2 lit. d EU-KPfVO), hängt der Erfolg der Antragstellung zunächst von dem Vermögen des Gläubigers ab, an die Informationen über den Schuldner und dessen Konto zu gelangen. Tappt der Gläubiger im Dunkeln, kann er keinen Pfändungsbeschluss erlangen. Als notwendige Bedingung für eine erfolgreiche Zwangsvollstreckung entspricht ein Mindestmaß an Informationsmöglichkeiten damit dem Rechtsschutzgewährungsanspruch des Gläubigers.1
2
Die Mitgliedstaaten regeln den Zugang zu Kontodaten auf verschiedene Weise. Im Gegensatz zu öffentlichen Registern für unbewegliches Vermögen, Schiffe, Flugzeuge und Kraftfahrzeuge existieren häufig keine öffentlich zugänglichen Register für Bankkonten.2 Vor allem das Bankgeheimnis verbietet es den Banken vieler Mitgliedstaaten, Informationen herauszugeben.3 Erst mit der Erlangung eines vollstreckbaren oder vorläufigen Titels steigen die Chancen des Gläubigers, Bankinformationen zu erhalten. Dann bestehen in den Mitgliedstaaten drei verschiedene Informationsquellen:4 Zum einen gibt es in den meisten Mitgliedstaaten eine Schuldnererklärung, welche den Schuldner verpflichtet, die zur Vollstreckung notwendigen Vermögensgegenstände offen zu legen. Zum anderen ist der Drittschuldner (also die Bank) nach der Pfändung zur Information verpflichtet (Drittschuldnererklärung). Diese nützt dem Gläubiger aber nur dann, wenn er bereits weiß, wo der Schuldner ein Bankkonto besitzt. Schließlich sind in wenigen Mitgliedstaaten Vollstreckungsorgane zur Einsicht in ein Bankregister befugt.
3
Die Kommission identifizierte die Schwierigkeiten der Informationsbeschaffung als Schlüsselproblem bei der grenzüberschreitenden Zwangsvollstreckung und stellte im Entwurf ein System zur Erlangung
1 2 3 4
Bruns, ZEuP 2010, 809, 810, 816 f. Hess, Study, 18.2.2004, JAI/A3/2002/02, 27. Hess, Study, 18.2.2004, JAI/A3/2002/02, 29. Hess, Study, 18.2.2004, JAI/A3/2002/02, 34 ff.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 14 EU-KPfVO
von Bankinformationen vor.5 Die im Grünbuch zur Vermögenstransparenz (2008) aufgeworfene6 und von den Kommentatoren des Grünbuchs teils positiv aufgenommene7 Idee einer einheitlichen Europäischen Vermögenserklärung tauchte im Vorschlag nicht mehr auf. Der Erfolg einer Vermögenserklärung hängt von den Möglichkeiten der Sanktion einer falschen Erklärung ab. Die Kommission erwog Zwangsgeld, Zwangshaft und strafrechtliche Sanktionen.8 Allerdings berühren derartige Sanktionen Bereiche, in denen die EU keine Kompetenz besitzt,9 sodass eine Europäische Vermögenserklärung letztlich nicht aufgenommen wurde. Stattdessen bedient sich die EU-KPfVO bei der Informationsermittlung, ähnlich wie Art. 61 Abs. 1, 2 EG-UntVO, der zuständigen Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat.
II. Voraussetzungen der Einholung von Kontoinformationen 1. Antrag (Abs. 1, Abs. 2 S. 1) Die Einholung von Kontoinformationen erfolgt nur auf Antrag des Gläubigers und nie von Amts 4 wegen.10 Verfügt der Gläubiger nicht über die erforderlichen Kontoinformationen, kann er beantragen, dass das Ursprungsgericht die Auskunftsbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats um Einholung der erforderlichen Informationen ersucht. Adressat des Antrags ist das Gericht, bei dem der Pfändungsbeschluss beantragt wird (Ursprungsgericht). Der Antrag auf Einholung von Kontoinformationen ist zwingend mit einem Pfändungsantrag verbunden (Art. 14 Abs. 2 S. 1, Art. 8 Abs. 2 lit. f EUKPfVO); ein vorab gestelltes oder nachgeschobenes Auskunftsersuchen ist unzulässig.11 Isolierte Ersuchen, die zur bloßen Ausforschung genutzt werden könnten, sind ebenfalls unzulässig. 2. Vollstreckbarer Titel a) Grundsatz (Abs. 1 Unterabs. 1) Der Kommissionsentwurf sah das Auskunftsersuchen für jede Verfahrenssituation vor.12 Auch ohne bereits einen Titel zu haben, sollte der Gläubiger einen Auskunftsantrag stellen können, wenn er das Gericht von der Begründetheit und Gefährdung seiner Forderung überzeugen kann. Die Möglichkeit der Kontenabfrage in einem frühen Verfahrensstadium wurde zwar vom Parlament befürwortet, rief aber angesichts der Bedeutung einer solchen Intervention staatlicher Stellen für private Daten bei den Mitgliedstaaten größere Bedenken13 und auch im Übrigen teils Kritik hervor.14
5
Die Verordnung setzt daher grundsätzlich eine vollstreckbare gerichtliche Entscheidung, einen voll- 6 streckbaren gerichtlichen Vergleich oder eine vollstreckbare öffentliche Urkunde voraus (Art. 14
5 Europäische Kommission, 25.7.2011, SEC (2011) 937, 17, 30. 6 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 6.3.2008, KOM(2008) 128, 12 ff.; der Vorschlag geht zurück auf Hess, Study, 18.2.2004, JAI/A3/2002/02, 54 ff. 7 Cuniberti/Normand/Cornette, Droit international de l’exécution (2010) 205; Ritz, Kontenpfändung (2019), 46. 8 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 6.3.2008, KOM (2008) 128, 14. 9 Ritz, Kontenpfändung (2019), 46. 10 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 5; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 2. 11 Goebel, zfm 2019, 160 f.; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 204; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 20; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 4. 12 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 17. 13 European Commission, 25.7.2011, SEC(2011) 937, 67; s. auch Council of the EU, Note from the Dutch delegation, 4.4.2013, 8125/13, 1; Council of the EU, Note from the Presidency, 29.11.2013, 16818/13, 1; Council of the EU, Note from the Polish, Irish, Bulgarian, Croatian, Czech, Estonian, Finnish, Hungarian, Latvian, Romanian and Slovenian delegations, 30.1.2014, 5919/14, 2. 14 Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 407; Harbeck, ZInsO 2012, 805, 807, 809; Häcker, WM 2012, 2180, 2185; Fradin/ Nourssat JClP (G) 2011, 1912, 1914; UK Ministry of Justice, Response to Consultation CP/R 1/2012, 10; Deutscher Bundesrat, BR-Drucks. 426/11, 4; Bundesrechtsanwaltskammer, September 2011, Stellungnahme 61/2011, 4. Vgl. dagegen den unkritischen Bericht des Europäischen Datenschutzbeauftragten, 13.10.2011, ABl. EU 2011 C 373/4, 7.
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Art. 14 EU-KPfVO
Ersuchen um Einholung von Kontoinformationen
Abs. 1 Unterabs. 1 EU-KPfVO).15 Der Titel muss im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckbar sein.16 Besteht die Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat, ist der Titel gem. Art. 39 Brüssel Ia-VO (bzw. Art. 58 Brüssel Ia-VO) in jedem anderen Mitgliedstaat vollstreckbar. Ebenso wie i.R.d. Art. 7 (Art. 7 EU-KPfVO Rz. 5) genügt auch i.R.d. Art. 14 Abs. 1 EU-KPfVO vorläufige Vollstreckbarkeit. b) Ausnahme (Abs. 1 Unterabs. 2) 7
Der Gläubiger kann ausnahmsweise ein Auskunftsersuchen beantragen, wenn er bereits einen Titel erwirkt hat, dieser Titel aber noch nicht vollstreckbar ist (Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 EU-KPfVO). Voraussetzung dafür ist erstens, dass es sich um eine Forderung von subjektiv (d.h. für der Gläubiger) erheblicher Höhe handelt.17 Zweitens muss die Gefahr der Vollstreckungsvereitelung in Qualifikation zu Art. 7 Abs. 1 EU-KPfVO „wahrscheinlich“ bestehen. Insoweit erfordert Art. 14 Abs. 1 Unterabs. 2 EU-KPfVO eine gegenüber Art. 7 Abs. 1 EU-KPfVO („tatsächliche Gefahr“) erhöhte Wahrscheinlichkeit der Vollstreckungsvereitelung.18 Und drittens muss die Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung der finanziellen Lage des Gläubigers vorliegen. Zur Begründung der zweiten und dritten Voraussetzung muss der Gläubiger Beweismittel vorlegen. Im Hinblick auf das Beweismaß („berechtigte Annahme“) gilt der gleiche Maßstab wie bei Art. 7 EU-KPfVO (Art. 7 EU-KPfVO Rz. 13 f.).19 Für die Beweiserhebung gilt Art. 9 EU-KPfVO.
8
Die zunächst mit Blick auf eine spätere Neufassung angedachte Ausdehnung des Auskunftsersuchens auf Situationen, in denen der Gläubiger noch keinen Titel erwirkt hat, wurde aufgrund des Vetos einiger Mitgliedstaaten nicht in Art. 51 EU-KPfVO aufgenommen.20 3. Begründung (Abs. 2 S. 2)
9
Ein Antrag darf sich nur auf Konten in einem oder mehreren21 bestimmten Mitgliedstaaten beziehen. Das Ersuchen muss eine schlüssige Begründung enthalten, warum der Schuldner ein oder mehrere Konten in diesem bestimmten Mitgliedstaat unterhält (Art. 14 Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 EU-KPfVO); die pauschale Behauptung oder Vermutung, dass Konten des Schuldners in einem Mitgliedstaat nicht ausgeschlossen sind, genügt nicht.22 Diese Voraussetzung soll Verdachtsersuchen vorbeugen.23 Beweismittel muss der Gläubiger nicht vorlegen.24 Der Gläubiger muss aber alle ihm bekannten Informationen zum Schuldner und dem vorläufig zu pfändenden Konto offenlegen (Art. 14 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 EU-KPfVO).
10
Grund zur Annahme, dass ein Schuldner in einem bestimmten Mitgliedstaat ein Konto unterhält, besteht beispielsweise, wenn der Schuldner in diesem Mitgliedstaat einer beruflichen Tätigkeit nach15 Krit. ggü. dieser Einschränkung Fawzy, DGVZ 2015, 141, 144; Orfanidis in Hopt/Tzouganatos, Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 289 f. 16 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 12; König/Praxmarer, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Rückforderung und Schadenersatz (2016), 126. 17 Schlosser/Hess/Hess, Rz. 1; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 14; Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 81; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 34; a.A. (objektiver Maßstab) Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 207 (Mindestbetrag von 1.000 t); Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 6. 18 Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 208; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 15 („höherer Maßstab“); Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 52. 19 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 16; a.A. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 46. 20 Council of the EU, Note from the Belgian, French, German, Italian, Luxemburg and Spanish delegations, 6.2.2014, 6192/14, 4. 21 Domej, GPR 2017, 84, 89 (auch für mehrere Mitgliedstaaten zugleich). 22 OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 20; Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 81. 23 Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 284. 24 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 11; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 206; Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 80; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 10; a.A. Fawzy, DGVZ 2015, 141, 144.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
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geht oder über Immobilieneigentum oder sonstiges Vermögen25 verfügt.26 Dass der Schuldner bereits ein Konto in diesem Mitgliedstaat hat, soll als Begründung für die Suche nach weiteren Konten in diesem Mitgliedstaat nicht ausreichen.27 Weitere Gründe können sein: Aufenthalt (Zweitwohnsitz,28 wohl aber nicht: Ferien)29, Herkunft und Abwicklung von Zahlungsaufträgen über das Konto.30 Allein der Umstand, dass die Schuldnerin mit Sitz in einem EU-Mitgliedstaat X in einem anderen EU-Mitgliedstaat Y Geschäfte (z.B. Import oder Export) tätigt, soll für die Begründung eines Auskunftsersuchens im Mitgliedstaat Y aufgrund der möglichen internationalen Überweisung (SEPAVerfahren) nicht genügen.31
III. Verfahren 1. Entscheidung über das Ersuchen im Ursprungsmitgliedstaat (Abs. 3) Wenn das Gericht feststellt, dass abgesehen von den Kontoangaben die Voraussetzungen für den Erlass des Pfändungsbeschlusses sowie die Voraussetzungen für die Einholung der Kontoinformationen vorliegen und der Gläubiger gegebenenfalls eine Sicherheit geleistet hat, übermittelt es zunächst ein Auskunftsersuchen an die zuständige Auskunftsbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats (Art. 4 Nr. 14 EU-KPfVO, § 948 Abs. 1 ZPO). Liegen die Voraussetzungen nicht vor, kann das Gericht dem Gläubiger Gelegenheit zur Nachbesserung gem. Art. 17 Abs. 3 EU-KPfVO geben oder – wenn die Voraussetzungen offensichtlich nicht vorliegen – den Antrag abweisen.32 Liegen nur die Voraussetzungen für die Einholung der Kontoinformationen, nicht aber die Voraussetzungen für den Erlass des Pfändungsbeschlusses vor, ist der Antrag insgesamt abzulehnen; ein isoliertes Auskunftsersuchen ist nicht vorgesehen.33
11
2. Einholung der Informationen im Vollstreckungsmitgliedstaat (Abs. 4, 5) Für die Übermittlung des Ersuchens vom Ursprungsgericht an die Auskunftsbehörde gilt – einerlei ob 12 grenzüberschreitend oder nicht – Art. 29 EU-KPfVO.34 Die EG-ZustVO (2007) findet insoweit keine Anwendung (Art. 48 lit. a EU-KPfVO). Die Einholung der Kontoinformationen durch die Auskunftsbehörde im Vollstreckungsmitgliedstaat erfolgt nach einer der vier Methoden, die Art. 14 Abs. 5 EUKPfVO vorsieht und von denen die Mitgliedstaaten mindestens eine vorhalten müssen. Zum einen können alle Banken im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gegenüber der Auskunftsbehörde zur Auskunft über Konten des Schuldners verpflichtet werden (Abs. 5 lit. a); eine Berufung auf das Bankgeheimnis ist insoweit ausgeschlossen.35 Zum anderen können Mitgliedstaaten den Auskunftsbehörden Zugriff auf in behördlichen Registern gespeicherte Kontoinformationen gewähren (Abs. 5 lit. b). Im Kommissionsentwurf waren keine weiteren Auskunftsmethoden vorgesehen.36 Die erstgenannte Methode führt zu einer nicht unerheblichen Flut von Anfragen an die Banken, von denen
25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
Krit. Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 81. ErwGr. 20 Abs. 2 S. 2 EU-KPfVO. OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 20. Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 81 (nur bei weiterer Zusatzbehauptung). Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 19. Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 284, 288. Rechtbank Rotterdam, 4.4.2018 – C/10/543305/KG RK 18-104, Ziff. 2.5.; a.A. Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 284. Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 18; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 211; Schumacher/Köllensperger/ Trenker/Schumacher, Rz. 59. OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 18. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 8. Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 208. Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 17 Abs. 5.
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Ersuchen um Einholung von Kontoinformationen
die meisten negativ zu beantworten wären.37 Die zweite Methode beansprucht zwar nicht die Ressourcen der Banken, setzt jedoch voraus, dass in den Mitgliedstaaten ein für Behörden zugängliches Register für Kontodaten existiert.38 Eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einrichtung eines solchen Registers ist nicht vorgesehen. 14
Weil eine Bankenauskunft erheblichen Aufwand für Banken mit sich bringt und Kontenregister in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten nicht vorgehalten werden, wurden während der Beratungen im Rat zwei weitere Auskunftsmethoden hinzugefügt: Die Mitgliedstaaten können den Schuldner zur Kontenoffenlegung verpflichten, wenn diese Verpflichtung mit einem Gerichtsbeschluss in personam einhergeht, der dem Schuldner die Abhebung oder Überweisung von Geldern auf seinem Konto bis zur Höhe der Forderung des Gläubigers untersagt (Abs. 5 lit. c). Das Erfordernis einer in personam-Verpflichtung wurde aufgenommen, damit der Überraschungseffekt des Pfändungsbeschlusses noch gewahrt werden kann.39 Ansonsten könnte der Schuldner bei Aufforderung zur Kontenoffenbarung seine Konten leerräumen. Derartige, mit einer in personam-Verpflichtung des Schuldners verbundene Offenbarungsverfahren existieren in Irland40 und Österreich.41 Die Durchsetzung von Strafen oder Ordnungsgeldern könnte aber an praktische Schwierigkeiten stoßen, wenn der Schuldner seinen Wohnsitz außerhalb des Vollstreckungsmitgliedstaats hat.42
15
Darüber hinaus können Mitgliedstaaten jede andere Informationsmethode zur Verfügung stellen, mit der die einschlägigen Informationen wirksam und effizient beschafft werden, sofern der finanzielle und zeitliche Aufwand nicht unverhältnismäßig ist (Abs. 5 lit. d). Eine Verpflichtung des Schuldners zur Kontenoffenlegung, die nicht mit einer in personam-Verpflichtung des Schuldners einhergeht, ist nicht als andere zulässige Methode anzusehen.
16
Die Mitgliedstaaten haben der Kommission die nach ihrem nationalen Recht zur Verfügung stehenden Methoden zur Einholung von Kontoinformationen mitgeteilt (Art. 50 Abs. 1 lit. c EU-KPfVO).43 In Deutschland läuft die Informationsbeschaffung ähnlich ab wie nach dem seit der Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung44 geltenden § 802l Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO.45 Nach § 948 ZPO ersucht das Bundesamt für Justiz das Bundeszentralamt für Steuern, bei Kreditinstituten Kontonummer, Inhaber und Verfügungsberechtigten abzurufen.46 Jedes Kreditinstitut hat ein Dateisystem zu führen, in der diese Daten gespeichert sind. Es handelt sich hierbei um eine andere Methode nach Art. 14 Abs. 1 lit. d EU-KPfVO, weil die Banken nicht unmittelbar der Auskunftsbehörde (Bundesamt für Justiz), sondern nur gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern auskunftspflichtig sind.47 Ein zentrales Kontenregister (Art. 14 Abs. 5 lit. b EU-KPfVO) existiert dagegen nicht48 und eine Untersagung von Vermögensverfügungen i.S.v. Abs. 5 lit. c ist in der Vermögensauskunft im deutschen Recht ebenfalls nicht vorgesehen (§ 802c ZPO).
37 Rat der EU, Vermerk der britischen Delegation, 11.1.2012, 5173/12, 2; Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 406 f., Domej, ZEuP 2013, 496, 503. 38 Domej, ZEuP 2013, 496, 503. 39 Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 11. 40 Details s. Council of the EU, Note from the Irish delegation and the delegation of the United Kingdom, 2.10.2013, 14316/13. 41 Krit. Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 82 („entspricht der effektiven Durchsetzung der EuKoPfVO nicht“). 42 Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 145. 43 Eine Übersicht zu den in den Mitgliedstaaten verfügbaren Auskunftsmethoden fand sich bereits in den Antworten der Delegationen zum Fragebogen des Rates zu Art. 17: Council of the EU, Note from the Presidency, 31.10.2012, 15687/12. 44 Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29.7.2009 (BGBl. I 2009, 2258), in Kraft seit 1.1.2013. 45 Zum Kontenabruf nach § 802l ZPO s. Goebel, Die Reform der Sachaufklärung (2012), 233 Rz. 258 ff.; Grandel, FF 2013, 15; Brender, ZRP 2009, 198; Wasserl, DGVZ 2013, 61; Giers, FamRB 2013, 62; Seip, DGVZ 2013, 67. 46 Dazu Schlauß, RIW 2017, 205, 208. 47 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 948 Rz. 2. 48 A.A. Nordmeier/Schichmann, RIW 2017, 407, 410.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 14 EU-KPfVO
Im Gegensatz zu der in Art. 14 Abs. 5 lit. a EU-KPfVO, § 948 ZPO geregelten Bankenauskunft ist der 17 Kontenabruf nach § 802l ZPO an einen Mindestbetrag geknüpft und zudem subsidiär.49 § 802l ZPO setzt voraus, dass der Schuldner seiner Pflicht zur Vermögensauskunft nicht nachkommt oder bei dem in der Vermögensauskunft angegebenen Vermögen mit einer vollständigen Befriedigung nicht zu rechnen ist. Ein Eingriff in das Recht des Schuldners auf Datenschutz50 ist nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn dieser Eingriff erforderlich ist, es also kein, den Schuldner weniger beeinträchtigendes Mittel gibt. Auch i.R.d. EU-KPfVO wäre es für den Schuldner weniger beeinträchtigend, wenn er zunächst im Wege einer Vermögensauskunft um Offenlegung seines pfändbaren Vermögens gebeten und erst bei Unergiebigkeit dieser Vermögensauskunft auf Daten zugegriffen würde.51 Die drohende Kontenabfrage würde dann zugleich als Druckmittel für die Richtigkeit der Vermögensauskunft dienen; einer strafrechtlichen Sanktion falscher Auskünfte bedürfte es nicht. Eine solche verordnungseinheitliche Regelung einer Synthese von Vermögensauskunft und Kontenabfrage würde zum einen dem Erforderlichkeitsprinzip besser gerecht und wäre für den Gläubiger zum anderen erfolgversprechender als eine Suche nach Konten des Schuldners quer durch alle Mitgliedstaaten mit jeweils unterschiedlichen nationalen Auskunftsmethoden. Aufgrund des Erfordernisses einer in personamVerpflichtung ist eine Vermögensauskunft, wie sie im deutschen Recht vorgesehen ist (§ 802c ZPO), aber i.R.d. Art. 14 Abs. 5 lit. c EU-KPfVO nicht zulässig. 3. Verwertung der ermittelten Informationen (Abs. 6, 7) Die Auskunftsbehörde übermittelt die Kontoinformationen dem ersuchenden Gericht im Ursprungsmitgliedstaat (Abs. 6) und nicht dem Gläubiger (ErwGr. 21 EU-KPfVO). Für die Übermittlung gilt – einerlei ob grenzüberschreitend oder nicht – Art. 29 EU-KPfVO.52 Die EG-ZustVO (2007) findet insoweit keine Anwendung (Art. 48 lit. a EU-KPfVO).
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Wurde das Konto über ein Auskunftsersuchen ermittelt, teilt das Ursprungsgericht dem Gläubiger die Kontonummer nicht mit (Art. 19 EU-KPfVO Rz. 6). Damit sollte eine faktische Beschränkung des Verwendungszwecks der Daten auf den beantragten Pfändungsbeschluss erreicht werden. Der Gläubiger erhält allerdings jedenfalls Kenntnis von dem Namen und der Anschrift der Bank, bei der der Schuldner ein Konto unterhält (Art. 19 Abs. 2 lit. d EU-KPfVO). Art. 47 Abs. 1 Halbs. 2 EUKPfVO enthält zwar eine rechtliche Beschränkung des Verwendungszwecks, ist aber nicht an den Gläubiger adressiert.
19
Konnten keine Informationen ermittelt werden, teilt die Auskunftsbehörde dies dem ersuchenden Gericht mit (Abs. 7 S. 1). Lehnt das Ursprungsgericht daraufhin den Erlass des Pfändungsbeschlusses vollständig ab, gibt es zugleich alle gegebenenfalls vom Gläubiger geleisteten Sicherheiten frei (Abs. 7 S. 2).
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4. Benachrichtigung des Schuldners (Abs. 8) Sofern die Kontendaten im Wege des Auskunftsersuchens und nicht vom Schuldner selbst erlangt wurden, muss der Schuldner über die Offenlegung seiner personenbezogenen Daten benachrichtigt werden. Die Benachrichtigung des Schuldners soll im Einklang mit dem nationalen Recht erfolgen (ErwGr. 46 S. 3 EU-KPfVO).53 Um zu verhindern, dass eine frühzeitige Benachrichtigung den Überraschungseffekt des Beschlusses gefährdet, wird die Benachrichtigung jedoch um 30 Tage aufgeschoben (Art. 14 Abs. 8 EU-KPfVO). Die 30-Tage-Frist beginnt an dem Tag, an dem die Auskunftsbehörde die Informationen erhält.54 Die Auskunftsbehörde benachrichtigt den Schuldner unverzüglich nach Ablauf der Frist, es sei denn, sie hat Kenntnis davon, dass der Beschluss noch nicht ausgeführt wurde.
49 50 51 52 53 54
Schlauß, RIW 2017, 205, 207. Art. 8 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. EG 2000 C 364/1. Zur Kombination von Vermögensauskunft und Kontenabfrage vgl. auch Bruns, ZEuP 2010, 809, 826. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 10. Deutschland: § 802l Abs. 3 ZPO. Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 8; a.A. Schlosser/Hess/Hess, Rz. 7 (Fristbeginn mit Erlass Pfändungsbeschluss).
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Art. 15 EU-KPfVO
Zinsen und Kosten
Artikel 15 Zinsen und Kosten (1) Auf Antrag des Gläubigers werden in den Beschluss zur vorläufigen Pfändung alle Zinsen einbezogen, die nach dem auf die Forderung anwendbaren Recht bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses angefallen sind, sofern die Einbeziehung nicht aufgrund der Höhe und der Art der Zinsen einen Verstoß gegen die Eingriffsnormen nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats darstellen. (2) Hat ein Gläubiger bereits eine gerichtliche Entscheidung, einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde erwirkt, so werden auf Antrag des Gläubigers auch die Kosten für die Erwirkung dieser gerichtlichen Entscheidung, dieses gerichtlichen Vergleichs oder dieser öffentlichen Urkunde in den Beschluss zur vorläufigen Pfändung einbezogen, insoweit entschieden wurde, dass diese Kosten dem Schuldner auferlegt werden.
I. Pfändbarer Betrag 1
Der zu pfändende Betrag beinhaltet die Hauptforderung i.S.v. Art. 4 Nr. 5 EU-KPfVO, soweit sie vom Gericht als schlüssig erachtet wird oder in einem (vorläufig) vollstreckbaren Titel verbrieft ist. Die Hauptforderung kann aus mehreren Teilforderungen bestehen. Daneben sind nach Art. 15 EUKPfVO Zinsen und Kosten unter bestimmten Voraussetzungen eingeschlossen.
II. Zinsen (Abs. 1) 2
Mit einem Pfändungsbeschluss können titulierte und nicht titulierte Zinsen gesichert werden.1 Nicht titulierte Zinsen muss der Gläubiger gem. Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO darlegen und glaubhaftmachen. Zinshöhe und Zinsbeginn richten grundsätzlich sich nach den Angaben im Titel (titulierte Zinsen) bzw. nach dem auf die Forderung anwendbaren Recht (nicht titulierte Zinsen). Zinsen sind jedoch ausnahmsweise nicht in den Pfändungsbeschluss aufzunehmen, soweit die Art oder Höhe der Zinsen einen Verstoß gegen die „Eingriffsnormen“ des Ursprungsmitgliedstaates darstellt. Die Formulierung ist zu eng gefasst, wenn Eingriffsnormen, wie in Art. 9 Rom I-VO und Art. 16 Rom II-VO, im Gegensatz zum ordre public nur der aktiven Durchsetzung von Rechtsnormen dienen. Unter „Eingriffsnormen“ i.S.v. Art. 15 Abs. 1 EU-KPfVO sind daher alle zwingenden Vorschriften des Ursprungsmitgliedstaats zu verstehen.2 Zur Geltendmachung eines Widerspruchs gegen die öffentliche Ordnung des Vollstreckungsmitgliedstaats bleibt dem Schuldner das Vorgehen gegen die Anerkennung/Vollstreckbarkeit des Titels (Art. 34 Abs. 1 lit. b sublit. ii EU-KPfVO) oder die Einwendung eines ordre public-Verstoßes gegen die Vollstreckung (Art. 34 Abs. 2 EU-KPfVO). In zeitlicher Hinsicht können alle Zinsen gesichert werden, die bis zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses fällig geworden sind.3
3
Der Gläubiger muss die Einbeziehung der Zinsen beantragen und der Höhe nach spezifizieren (Art. 8 Abs. 2 lit. g EU-KPfVO).
III. Kosten (Abs. 2) 4
Kosten können in den Pfändungsbeschluss nur einbezogen werden, wenn der Gläubiger bereits einen Titel erwirkt hat.4 Erfasst werden nur die Kosten (Gerichtskosten und Rechtsanwaltskosten) für 1 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 2. 2 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 1. 3 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 6. Die Rspr. des EuGH zu Art. 7 EG-MahnVO ist insoweit nicht übertragbar, vgl. EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11 – Iwona Szyrocka gegen SiGer Technologie GmbH. 4 Für eine Erfassung zumindest der Gerichtskosten auch vor Titulierung der Forderung Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 274; krit. auch Sujecki, EWS 2011, 414, 417.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 16 EU-KPfVO
die Erwirkung dieses Titels, nicht aber Kosten für vorgerichtliche Einigungsversuche.5 Ebenfalls nicht erfasst sind die Kosten des Gläubigers zur Erlangung des Kontenpfändungsbeschlusses.6 Voraussetzung ist weiter, dass „entschieden“ wurde, die Kosten dem Schuldner aufzuerlegen. Angesichts des Wortlautes fragt sich, ob es einer Entscheidung über die Höhe der Kosten bedarf (Kostenfestsetzungsbeschluss)7 oder ob die Festlegung über die Kostentragung im Titel (Kostengrundentscheidung) genügt. Die vorherigen deutschen Fassungen im Rat8 und andere Sprachfassungen der Verordnung9 zeigen, dass es nicht zwingend einer Kostenfestsetzung bedarf. Die Kostengrundentscheidung in der Entscheidung, im Vergleich oder in der Urkunde genügt.10 Damit kommt dem Gericht, welches den Pfändungsbeschluss erlässt, die Aufgabe zu, die vom Gläubiger geltend gemachten Kosten auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen.11 Diese Aufgabe wird dem Gericht keine größeren Schwierigkeiten bereiten, weil für den Erlass des Pfändungsbeschlusses stets ein Gericht in dem Mitgliedstaat zuständig ist, in dem die Entscheidung erlassen, der Vergleich gebilligt oder geschlossen oder die Urkunde errichtet wurde (Art. 6 Abs. 3, 4 EU-KPfVO).12
Artikel 16 Parallele Anträge (1) Der Gläubiger darf nicht bei mehreren Gerichten gleichzeitig parallele Anträge auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung gegen denselben Schuldner zur Sicherung derselben Forderung stellen. (2) Der Gläubiger erklärt in seinem Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung, ob er gegen denselben Schuldner im Hinblick auf die Sicherung derselben Forderung bei einem anderen Gericht oder einer anderen Behörde einen Antrag auf Erlass eines gleichwertigen nationalen Beschlusses gestellt oder bereits erwirkt hat. Er gibt außerdem diejenigen Anträge auf Erlass eines solchen Beschlusses an, die als unzulässig oder unbegründet abgelehnt wurden. (3) Wenn der Gläubiger während des Verfahrens zum Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung einen gleichwertigen nationalen Beschluss gegen denselben Schuldner und zur Sicherung derselben Forderung erwirkt hat, unterrichtet er unverzüglich das Gericht hierüber und über jede spätere Ausführung des erlassenen nationalen Beschlusses. Er unterrichtet das Gericht außerdem über diejenigen Anträge auf Erlass eines gleichwertigen nationalen Beschlusses, die als unzulässig oder unbegründet abgelehnt wurden. (4) Wird das Gericht darüber unterrichtet, dass der Gläubiger bereits einen gleichwertigen nationalen Beschluss erwirkt hat, so prüft es unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls, ob der Erlass des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung im Ganzen oder in Teilen noch angemessen ist.
5 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5; a.A. Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 41; Schumacher/ Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 10. 6 Garber in Mayr(Hrsg.), Handbuch des europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.12; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 40. 7 In diese Richtung Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 18 Abs. 1, wo von den „genannten Kosten“ die Rede ist. 8 Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 17.10.2012, 14799/12, Art. 18 Abs. 2: „insoweit die gerichtliche Entscheidung, der gerichtliche Vergleich oder die öffentliche Urkunde diese Kosten dem Schuldner auferlegt“; Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 27.9.2013, 14119/13, Art. 18 Abs. 2: „insoweit festgelegt wurde, dass diese Kosten dem Schuldner auferlegt werden“. 9 Die englische Sprachfassung spricht nämlich nicht von „decision“, sondern von „determination“. 10 Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3 Fn. 2; a.A. Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 41; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 9. 11 Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2. 12 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5.
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Art. 16 EU-KPfVO
Parallele Anträge
I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Parallele Anträge auf Erlass eines europäischen Pfändungsbeschlusses (Abs. 1) . . . . . 1. Parallele Anträge bei verschiedenen Gerichten 2. Parallele Anträge bei demselben Gericht . . . .
1 2 3 5
III. Nationale Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . 1. Beantragung eines europäischen Pfändungsbeschlusses (Abs. 2–4) . . . . . . . . . . . . . . 2. Beantragung eines nationalen Beschlusses . . .
6 6 9
I. Normzweck 1
Art. 16 EU-KPfVO koordiniert parallele Anträge zur Sicherung derselben Forderung gegen denselben Schuldner. Zweck ist es, eine Überpfändung, d.h. die Pfändung einer höheren Summe als die der zu sichernden Forderung, sowie einander widersprechende Beschlüsse zu vermeiden. Zu unterscheiden ist zwischen parallelen Anträgen nach der EU-KPfVO (Abs. 1) und dem Zusammentreffen von Anträgen nach der EU-KPfVO mit Anträgen nach nationalem Recht (Abs. 2–4). Die unterschiedliche Behandlung paralleler Anträge nach der EU-KPfVO und nach nationalem Recht wird bisweilen kritisch gesehen.1 Die Zulassung gleichwertiger nationaler Beschlüsse rechtfertigt sich jedoch zumindest teilweise daraus, dass Konten ohne grenzüberschreitenden Bezug (Art. 3) nicht dem Zugriff entzogen werden sollen.2
II. Parallele Anträge auf Erlass eines europäischen Pfändungsbeschlusses (Abs. 1) 2
Art. 16 Abs. 1 EU-KPfVO bezieht sich nur auf parallele Anträge auf Erlass eines europäischen Pfändungsbeschlusses. Gleichwertige nationale Beschlüsse behandelt Abs. 1 nicht. 1. Parallele Anträge bei verschiedenen Gerichten
3
Parallele Anträge zur Sicherung derselben Forderung gegen denselben Schuldner bei verschiedenen Gerichten wären theoretisch möglich, wenn für den Erlass des Pfändungsbeschlusses mehrere Gerichte (international oder örtlich) zuständig sind (Art. 6 Abs. 1 EU-KPfVO).
4
Art. 16 Abs. 1 EU-KPfVO verbietet indes dem Gläubiger in jedem Fall die Stellung mehrerer Anträge wegen ein und derselben Forderung bei verschiedenen Gerichten.3 Der später gestellte Antrag ist unzulässig und daher zurückzuweisen.4 Wird dennoch ein zweiter Pfändungsbeschluss von einem anderen Gericht erlassen (weil das Gericht von dem anderen Antrag keine Kenntnis hat), enthält die Verordnung keine Prioritätenregel; Rechtsfolge ist vielmehr eine Verschuldensvermutung (Art. 13 Abs. 2 lit. c EU-KPfVO). Ob der später erlassene Pfändungsbeschluss wirksam ist, bestimmt sich nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).5 2. Parallele Anträge bei demselben Gericht
5
Art. 16 Abs. 1 verbietet nicht parallele Anträge gegen denselben Schuldner zur Sicherung derselben Forderung vor demselben Gericht.6 Verfügt der Schuldner über mehrere Konten, kann der Gläubiger deren Pfändung gleichzeitig in einem Antrag beantragen (Art. 8 EU-KPfVO Rz. 10).7 Er kann jedoch auch nachträglich bei demselben Gericht die Pfändung eines weiteren Kontos beantragen. Zur Freigabeverpflichtung bei Überpfändung s. Art. 27 EU-KPfVO.
1 2 3 4 5 6 7
Lüttringhaus, ZZP 129 (2016) 187, 201 f.; Hess/Raffelsieper, IPRax 2015, 46, 48. Domej, GPR 2017, 84, 89. Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 11. Sikorski, Kontopfändungen (2018), 105; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 2. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3. Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 201. Steinhofer/Karl, exolex 2017, 764, 766.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 16 EU-KPfVO
III. Nationale Beschlüsse 1. Beantragung eines europäischen Pfändungsbeschlusses (Abs. 2–4) Neben nationalen gleichwertigen Maßnahmen ist der Antrag auf Erlass eine europäischen Kontenpfändungsbeschlusses nicht generell unzulässig.8 Abs. 2 und Abs. 3 verpflichten den Gläubiger jedoch, sich über gleichwertige nationale Beschlüsse zu erklären; gem. Art. 8 Abs. 2 lit. m EU-KPfVO ist diese Erklärung Teil des Antrags. Wann nationale Beschlüsse gleichwertig sind, ist autonom zu bestimmen.9 Voraussetzung der Gleichwertigkeit ist, dass Verfügungen des Schuldners über die Kontoforderung entweder durch dingliche Sicherung oder durch persönliche Verpflichtung des Schuldners verhindert werden sollen.10 Darunter fallen vorläufige und gewöhnliche Vollstreckungsmaßnahmen. Daneben gehören aber auch vorläufige Entscheidungen (z.B. Arrest nach §§ 916 ff. ZPO) zu den gleichwertigen nationalen Maßnahmen.11 Denn Sinn und Zweck der Mitteilungspflicht ist nicht nur die Vermeidung einer Überpfändung, sondern auch die Verhinderung widersprechender Entscheidungen (Rz. 1).
6
Zunächst muss sich der Gläubiger bei Antragstellung über bereits gestellte gleichwertige Anträge nach nationalem Recht erklären (Abs. 2); hierzu gehören laufende Anträge (Abs. 2 S. 1), erfolgreiche Anträge (Abs. 2 S. 1) und erfolglose Anträge (Abs. 2 S. 2). Nach Antragstellung muss der Gläubiger das Gericht über die Erwirkung (Abs. 3 S. 1), Ausführung (Abs. 3 S. 1) und Ablehnung (Abs. 3 S. 2) eines gleichwertigen nationalen Beschlusses unterrichten. Das Gericht prüft, ob der Erlass des europäischen Pfändungsbeschlusses noch angemessen ist (Abs. 4). Maßgeblich ist das Sicherungsbedürfnis des Gläubigers; auf das Verhalten des Schuldners kommt es – im Gegensatz zur Prüfung der Dringlichkeit nach Art. 7 Abs. 1 EU-KPfVO – nicht an.12
7
Die Verletzung der Erklärungsverpflichtung wird mit der Verschuldensvermutung nach Art. 13 Abs. 2 lit. c EU-KPfVO sanktioniert. Die Freigabeverpflichtung bei Überpfändung richtet sich nicht nach Art. 27 EU-KPfVO, sondern nach nationalem Recht (Art. 27 EU-KPfVO Rz. 4).
8
2. Beantragung eines nationalen Beschlusses Ob die Beantragung einer nationalen Maßnahme nach einem Europäischen Pfändungsbeschluss noch zulässig ist und ob entsprechende Erklärungspflichten bestehen, bestimmt sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem die nationale Maßnahme beantragt wird.13 Eine Erklärungspflicht analog Art. 16 Abs. 2, 3 EU-KPfVO besteht bei Beantragung eines nationalen Beschlusses nicht.14 Insoweit kann nur das nationale Recht Mitteilungspflichten anordnen; der deutsche Gesetzgeber hat keine solche Mitteilungspflicht geregelt. Im österreichischen Recht findet sich eine Mitteilungspflicht in § 389a EO.15
8 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 23; Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 11. 9 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 12. 10 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 12. 11 Sikorski, Kontopfändungen (2018), 107; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 4. 12 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 7; anders wohl Schlosser/Hess/Hess, Rz. 1. 13 Domej, GPR 2017, 84, 89. 14 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 4. 15 Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.32; vgl. zur Rechtslage in Österreich auch Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 132.
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Art. 17 EU-KPfVO
Entscheidung über Antrag auf vorläufigen Pfändungsbeschluss
Artikel 17 Entscheidung über den Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung (1) Das Gericht, bei dem der Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung gestellt worden ist, prüft, ob die Bedingungen und Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllt sind. (2) Das Gericht entscheidet über den Antrag unverzüglich, spätestens jedoch vor Ablauf der in Artikel 18 festgelegten Fristen. (3) Hat der Gläubiger nicht alle Angaben nach Artikel 8 gemacht, so kann das Gericht dem Gläubiger die Möglichkeit einräumen, den Antrag innerhalb einer vom Gericht festzulegenden Frist zu vervollständigen oder zu berichtigen, sofern der Antrag nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. Versäumt es der Gläubiger, den Antrag fristgerecht zu vervollständigen oder zu berichtigen, so wird der Antrag abgelehnt. (4) Der Beschluss zur vorläufigen Pfändung wird über einen Betrag erlassen, der durch die Beweismittel nach Artikel 9 und gemäß dem auf die zugrunde liegende Forderung anzuwendenden Recht begründet ist, und umfasst gegebenenfalls die Zinsen und/oder Kosten gemäß Artikel 15. Der Beschluss wird in keinem Fall über einen Betrag erlassen, der den vom Gläubiger in seinem Antrag angegebenen Betrag übersteigt. (5) Die Entscheidung über den Antrag wird dem Gläubiger nach dem im nationalen Recht des Ursprungsmitgliedstaats vorgesehenen Verfahren für gleichwertige nationale Beschlüsse mitgeteilt. I. Allgemeine Entscheidungsgrundsätze (Abs. 1, 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Entscheidungsoptionen des Gerichts . . . . . 1. Offensichtlich unbegründeter oder unzulässiger Antrag (Abs. 3 S. 1 letzter Halbs.) . . . . .
1 3
2. Nachbesserungsfähiger Antrag (Abs. 3 S. 1, 2) 3. Zulässiger und begründeter Antrag (Abs. 4) .
4 5
III. Mitteilung der Entscheidung an den Gläubiger (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . .
6
3
I. Allgemeine Entscheidungsgrundsätze (Abs. 1, 2) 1
Nach amtswegiger Prüfung der sich aus der Verordnung ergebenden Voraussetzungen (Art. 2, 3, 6, 8, 12 EU-KPfVO) und Bedingungen (Art. 7 EU-KPfVO) trifft das Gericht, bei dem der Antrag gestellt wurde, unverzüglich, spätestens aber innerhalb der Höchstfristen des Art. 18 EU-KPfVO eine Entscheidung (Abs. 1, 2). Der Begriff „unverzüglich“ ist wie in anderen Verordnungen1 autonom auszulegen und meint schnellstmöglich. Aus der Möglichkeit der Nachbesserung (Abs. 3) ergibt sich, dass die Bedingungen und Voraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung (erst bzw. noch) vorliegen müssen.2
2
Während die in Art. 17 EU-KPfVO erwähnten Bedingungen und Voraussetzungen der Verordnung zu entnehmen sind, regelt das Recht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO) die allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).3 Hierzu gehören beispielsweise die Partei- und Prozessfähigkeit (Art. 4 Nr. 6, 7 EU-KPfVO) von Gläubiger und Schuldner sowie die sachliche und die örtliche Zuständigkeit (Art. 6 EU-KPfVO Rz. 24). Ob allgemeine Verfahrensvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen sind, bestimmt das Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).4
1 Art. 29 Abs. 2, 48 Brüssel Ia-VO, Art. 18 Abs. 1 EG-BagatellVO, Art. 19 Abs. 1 EG-VollstrTitelVO, Art. 11 Abs. 6 S. 1, 32 Brüssel IIa-VO, Art. 19 Abs. 2, 31 Abs. 1, 34 Abs. 3 EG-UntVO, Art. 48, 40 Abs. 1, 52, 67, 71 Abs. 3, 73 Abs. 2 EU-ErbVO. 2 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 1. Zu den Besonderheiten i.R.d. internationalen Zuständigkeit s. Art. 6 EU-KPfVO Rz. 26, zu den Besonderheiten i.R.d. grenzüberschreitenden Bezugs s. Art. 3 Abs. 2. 3 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 1; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 5. 4 Für die EG-MahnVO Ulrici in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-MahnVO Rz. 8.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 17 EU-KPfVO
II. Entscheidungsoptionen des Gerichts 1. Offensichtlich unbegründeter oder unzulässiger Antrag (Abs. 3 S. 1 letzter Halbs.) Ist der Antrag offensichtlich unbegründet oder unzulässig, wird er zurückgewiesen (Abs. 3 S. 1 letzter 3 Halbs.). Für die Zurückweisung des Antrags existiert kein Standardformular. Daher erfolgt die Zurückweisung in einer gerichtlichen Entscheidung in Übereinstimmung mit dem Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).5 In Deutschland ergeht ein Beschluss. Die Verordnung versäumt es anzuordnen, dass dem Gläubiger, soweit sein Antrag ganz oder teilweise zurückgewiesen wird, eine Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. Art. 21 EU-KPfVO) zu übermitteln ist.6 Dies dürfte gleichwohl zur Einhaltung eines fairen Verfahrens zu geschehen haben (Art. 46 Abs. 1 EUKPfVO). Zur Antragswiederholung s. Art. 21 EU-KPfVO Rz. 2. 2. Nachbesserungsfähiger Antrag (Abs. 3 S. 1, 2) Fehlen nachbesserungsfähige Details (Angaben im Antrag oder Unterlagen)7, kann eine Zwischenverfügung (Abs. 3 S. 1) ergehen, mit der dem Gläubiger die Vervollständigung oder Berichtigung ermöglicht wird. Auch das Nachreichen schriftlicher Beweismittel gem. Art. 9 Abs. 1 S. 2 EU-KPfVO ist als Nachbesserung i.S.v. Art. 17 Abs. 3 EU-KPfVO anzusehen (Art. 18 EU-KPfVO Rz. 2). Dem Gericht kommt nach dem Wortlaut („kann“)8 ein Ermessen zu, ob es eine Zwischenentscheidung oder einen Zurückweisungsbeschluss erlässt.9 Für die Nachforderung setzt das Gericht dem Gläubiger eine Frist. Die Länge der Nachbesserungsfrist steht im Ermessen des Gerichts und sollte nicht zu kurz bemessen sein;10 schließlich kann der Gläubiger in seinem eigenen Interesse so schnell nachbessern, wie es ihm möglich ist. Für die Fristberechnung gilt die Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates (ErwGr. 38 EU-KPfVO).11 Ob es für die Fristwahrung auf den Zeitpunkt der Absendung oder des Eingangs ankommt, bestimmt das Recht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EUKPfVO).12 Versäumt der Gläubiger die Frist, wird der Pfändungsantrag zurückgewiesen (Abs. 3 S. 2); bestehen nach der Nachbesserung weiterhin Mängel, steht es im Ermessen des Gerichtes, eine weitere Zwischenentscheidung mit Nachfristsetzung zu erlassen oder den Antrag zurückzuweisen. Bessert der Gläubiger hinreichend nach, wird der Beschluss erlassen (Rz. 5).
4
3. Zulässiger und begründeter Antrag (Abs. 4) Soweit der Antrag zulässig und begründet ist, wird der Beschluss nach Maßgabe von Abs. 4 erlassen. Der Beschluss ist unbefristet; seine Geltungsdauer bestimmt sich nach Art. 20 EU-KPfVO.13 Der Beschluss wird höchstens über den Betrag erlassen, den der Gläubiger in seinem Antrag angegeben hat; das Gericht darf nicht über den Betrag hinausgehen (Abs. 4 S. 2, ne ultra petita). Ist der Antrag nur teilweise zulässig bzw. begründet, darf das Gericht in seinem Beschluss hinter dem beantragten Betrag zurückbleiben (Abs. 4 S. 1).14 Der Betrag umfasst die Hauptforderung und gegebenenfalls Zinsen und/oder Kosten nach Art. 15 EU-KPfVO.
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Rechtbank Rotterdam v. 23.5.2018 – C/10/541226/KG RK 17-1823, Ziff. 2.2. Krit. auch Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 5. Geimer/Schütze/Klöpfer, Art. 8 Rz. 22. Vgl. auch andere Sprachfassungen: englisch („may“), französisch („peut“), spanisch („podrá“), portugiesisch („pode“), niederländisch („kan“). Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 6; a.A. Domej, GPR 2017, 84, 88; Geimer/Schütze/Klöpfer, Art. 8 Rz. 22. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3; a.A. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 11 (Frist von höchstens wenigen Tagen). Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3.6.1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine, ABl. 1971 L 124/1. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 10. Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.76; Geimer/Schütze/ Klöpfer, Art. 20 Rz. 1; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 262 (zur Rechtslage in Österreich). Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 14; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 183.
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Art. 18 EU-KPfVO
Fristen f. Entscheidung über Antrag auf vorläufige Pfändung
III. Mitteilung der Entscheidung an den Gläubiger (Abs. 5) 6
Das Gericht muss dem Gläubiger die Entscheidung über den Antrag mitteilen. Die Verordnung verlangt nicht zwingend eine förmliche Zustellung. Für das Verfahren der Mitteilung gilt das auf gleichwertige nationale Beschlüsse anzuwendende Recht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1, Art. 4 Nr. 11 EU-KPfVO). Das nationale Recht kann, insbesondere wegen der Rechtsbehelfsfrist nach Art. 21 Abs. 2 EU-KPfVO, eine Zustellung und damit aufgrund sekundärer Verweisung die Anwendung der EG-ZustVO 2007 anordnen. Die EG-ZustVO 2007 findet in grenzüberschreitenden Fällen folglich Anwendung (Art. 48 lit. a EU-KPfVO), wenn das Recht des Ursprungsmitgliedstaats eine förmliche Zustellung an den Gläubiger vorschreibt.15
7
Wird der Beschluss in Deutschland erlassen, ist er stets förmlich zuzustellen (§§ 329 Abs. 2, 3 ZPO):16 Wird mit dem Beschluss die Pfändung angeordnet, kommt dieser Beschluss einem Vollstreckungstitel gleich (vgl. § 329 Abs. 3 ZPO); außerdem setzt der Beschlusserlass ggf. die Frist zur Einleitung des Hauptsacheverfahrens (Art. 10 Abs. 1 S. 1 EU-KPfVO) in Lauf (vgl. § 329 Abs. 2 S. 2 ZPO). Der die Pfändung (teilweise) ablehnende Beschluss ist dem Gläubiger förmlich zuzustellen, weil die Mitteilung an den Gläubiger die dreißigtägige Rechtsbehelfsfrist nach Art. 21 Abs. 2 S. 1 EU-KPfVO in Lauf setzt (vgl. 329 Abs. 3 ZPO).
Artikel 18 Für die Entscheidung über einen Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung geltende Fristen (1) Hat der Gläubiger noch keine gerichtliche Entscheidung, keinen gerichtlichen Vergleich oder keine öffentliche Urkunde erwirkt, so erlässt das Gericht seine Entscheidung bis zum Ende des zehnten Arbeitstags, nach dem der Gläubiger seinen Antrag eingereicht oder gegebenenfalls vervollständigt hat. (2) Hat der Gläubiger bereits eine gerichtliche Entscheidung, einen gerichtlichen Vergleich oder eine öffentliche Urkunde erwirkt, so erlässt das Gericht seine Entscheidung bis zum Ende des fünften Arbeitstags, nach dem der Gläubiger seinen Antrag eingereicht oder gegebenenfalls vervollständigt hat. (3) Hält das Gericht eine mündliche Anhörung des Gläubigers oder, je nach Sachlage, seines (oder seiner) Zeugen gemäß Artikel 9 Absatz 2 für erforderlich, so führt es diese Anhörung unverzüglich durch und erlässt seine Entscheidung bis zum Ende des fünften Arbeitstags nach der Anhörung. (4) In Fällen nach Artikel 12 gelten für die Entscheidung, vom Gläubiger eine Sicherheitsleistung zu verlangen, die in den Absätzen 1, 2 und 3 des vorliegenden Artikels genannten Fristen. Das Gericht erlässt seine Entscheidung über einen Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung unverzüglich, nachdem der Gläubiger die verlangte Sicherheit geleistet hat. (5) Ungeachtet der Absätze 1, 2 und 3 erlässt das Gericht in Fällen nach Artikel 14 seine Entscheidung unverzüglich, nachdem es die Informationen nach Artikel 14 Absatz 6 oder 7 erhalten hat, sofern der Gläubiger zu diesem Zeitpunkt die gegebenenfalls verlangte Sicherheit geleistet hat. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Länge der Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz (Abs. 1, 2) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Fristverlängerungen . . . . . . . .
2 2 4
a) Mündliche Anhörung (Abs. 3) . . b) Sicherheitsleistung (Abs. 4) . . . . c) Kontoauskunftsersuchen (Abs. 5) III. Fristüberschreitung . . . . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
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15 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 18; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 186; a.A. (keine Anwendung der EG-ZustVO) Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 9; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 266. 16 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 946 Rz. 5.
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Wiedemann
Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 18 EU-KPfVO
I. Normzweck Die Verordnung sieht Fristen für den Erlass des Pfändungsbeschlusses vor. Sie dienen der Sicherstellung rascher und zügiger Entscheidungen (ErwGr. 37 S. 1 EU-KPfVO). Die Fristen wurden während des Verordnungsgebungsverfahrens bisweilen als zu lang1 oder zu kurz2 kritisiert. Dabei stand insbesondere die generelle Fähigkeit der Gerichte einiger Mitgliedstaaten, ein Verfahren rasch und zügig durchzuführen, in der Diskussion.
1
II. Länge der Fristen 1. Grundsatz (Abs. 1, 2) Die Fristen variieren danach, ob der Gläubiger bereits einen Titel hat oder nicht. Hat der Gläubiger noch keinen Titel, muss das Gericht bis zum Ende des zehnten Arbeitstags nach Einreichung oder Vervollständigung des Antrags entscheiden (Abs. 1). Besitzt der Gläubiger bereits einen Titel, entscheidet das Gericht bis zum Ende des fünften Arbeitstags (Abs. 2). Als Vervollständigung des Antrages ist auch das Nachreichen schriftlicher Beweismittel gem. Art. 9 Abs. 1 S. 2 EU-KPfVO anzusehen (Art. 17 EU-KPfVO Rz. 4). Die Entscheidungsfrist des Gerichts beginnt demnach mit der Einreichung der nachgeforderten Beweismittel.3 Andernfalls würde die Entscheidungsfrist bei der Nachforderung von Beweismitteln mit Einreichung des Antrags beginnen (vgl. Art. 18 Abs. 1, 2 EU-KPfVO) und wäre – unter Berücksichtigung von Postlaufzeiten (ggf. in Ausland) – kaum zu einzuhalten.
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Für die Fristberechnung verweist ErwGr. 38 EU-KPfVO auf die Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates.
3
2. Gesetzliche Fristverlängerungen Fristverlängerungen gelten, wenn eine Anhörung stattfindet (Abs. 3), das Gericht eine Sicherheitsleistung verlangt (Abs. 4) oder Kontoinformationen ermittelt werden müssen (Abs. 5).
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a) Mündliche Anhörung (Abs. 3) Einen Termin zur Anhörung des Gläubigers und/oder seiner Zeugen (Art. 9 Abs. 2 EU-KPfVO) führt 5 das Gericht unverzüglich durch (Abs. 3 S. 1). Die Entscheidung erlässt das Gericht sodann bis zum Ende des fünften Arbeitstages nach der Anhörung (Abs. 3 S. 2).4 Reicht der Gläubiger schriftliche Beweismittel gem. Art. 9 Abs. 1 S. 2 EU-KPfVO nach, ist darin eine Vervollständigung des Antrags zu sehen, die die Frist nach Abs. 1 oder nach Abs. 2 in Lauf setzt. b) Sicherheitsleistung (Abs. 4) Die Fristen der Abs. 1–3 gelten auch für die Entscheidung, vom Gläubiger gem. Art. 12 EU-KPfVO eine Sicherheit zu verlangen (Abs. 4 S. 1).5 Hat der Gläubiger die Sicherheit geleistet, erlässt das Gericht unverzüglich die Entscheidung über den Pfändungsbeschluss (Abs. 4 S. 2).
6
c) Kontoauskunftsersuchen (Abs. 5) Hat das Ursprungsgericht zunächst die Auskunftsbehörde im Vollstreckungsmitgliedstaat um Auskunft ersucht (Art. 14 EU-KPfVO), gelten die Fristen nach Abs. 1–3 nicht. Das Ursprungsgericht 1 Sujecki, EWS 2011, 414, 417. 2 Deutscher Richterbund, März 2012, Stellungnahme 8/2012, Ziff. 1 (Beeinträchtigung richterlicher Unabhängigkeit). 3 A.A. Geimer/Schütze/Klöpfer, Art. 8 Rz. 23; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 8. 4 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 5; a.A. Sikorski, Kontopfändungen (2018), 185 (10 Tage für den Fall, dass der Gläubiger nicht über einen Titel verfügt). 5 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 6.
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Art. 19 EU-KPfVO
Form und Inhalt des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
prüft die Voraussetzungen für den Erlass des Pfändungsbeschlusses vor Übermittlung des Auskunftsersuchens an die Auskunftsbehörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 14 Abs. 3 EU-KPfVO). Für die Übermittlung des Auskunftsersuchens sieht Art. 18 keine Frist vor. Das Ursprungsgericht muss aber zügig vorgehen (Art. 14 Abs. 5 S. 2 EU-KPfVO) und sollte sich an den in Art. 18 Abs. 1 und 2 EU-KPfVO bestimmten Fristen orientieren.6 Alle anderen an der Einholung der Informationen beteiligten Behörden müssen ebenfalls zügig vorgehen (Art. 14 Abs. 5 S. 2 EU-KPfVO). 8
Nach Erhalt der Informationen von der Auskunftsbehörde hat das Ursprungsgericht seine Entscheidung unverzüglich7 zu erlassen (Abs. 5).
III. Fristüberschreitung 9
Bei Nichteinhaltung der Fristen sehen sich Mitgliedstaaten zum einen der unionsrechtlichen Haftung (Art. 340 AEUV)8 und zum anderen einem Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258 ff. AEUV)9 ausgesetzt.10 Eine Exkulpation ist nur unter außergewöhnlichen Umständen möglich (Art. 45 EUKPfVO).
Artikel 19 Form und Inhalt des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung (1) Der Beschluss zur vorläufigen Pfändung wird unter Verwendung des Formblatts erlassen, das im Wege von gemäß dem Beratungsverfahren nach Artikel 52 Absatz 2 erlassenen Durchführungsakten erstellt wurde, und trägt einen Stempel, eine Unterschrift und/oder eine andere Authentifizierung des Gerichts. Das Formblatt besteht aus zwei Teilen: a) Teil A mit den Informationen nach Absatz 2, die der Bank, dem Gläubiger und dem Schuldner zu übermitteln sind, und b) Teil B mit den Informationen gemäß Absatz 3, die zusätzlich zu den Informationen nach Absatz 2 dem Gläubiger und dem Schuldner zu übermitteln sind. (2) Teil A enthält die folgenden Informationen: a) den Namen, die Anschrift und das Aktenzeichen des Gerichts; b) Angaben zum Gläubiger gemäß Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe b; c) Angaben zum Schuldner gemäß Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe c; d) den Namen und die Anschrift der Bank, die von dem Beschluss betroffen ist; e) wenn der Gläubiger die Kontonummer des Schuldners im Antrag angegeben hat, die Nummer des oder der vorläufig zu pfändenden Konten sowie gegebenenfalls die Angabe, ob andere Konten des Schuldners bei derselben Bank ebenfalls vorläufig gepfändet werden müssen; f) gegebenenfalls die Angabe, dass die Nummer etwaiger vorläufig zu pfändender Konten durch einen Antrag nach Artikel 14 erlangt wurde und dass die Bank, sofern dies gemäß Artikel 24 Absatz 4 Unterabsatz 2 erforderlich ist, die betreffende Nummer oder die betreffenden Nummern von der Auskunftsbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats erlangt; g) die Höhe des mit dem Beschluss vorläufig zu pfändenden Betrags; 6 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 7. 7 Zum Begriff s. Art. 17 EU-KPfVO Rz. 1. 8 Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 410; Domej, GPR 2017, 84, 89; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 4; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 2; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 68; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 186. 9 Schlosser/Hess/Hess, Rz. 4; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 2. 10 A.A. Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.72 (keine Sanktionen).
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 19 EU-KPfVO
h) eine Anweisung an die Bank, den Beschluss gemäß Artikel 24 auszuführen; i) das Datum des Erlasses des Beschlusses; j) wenn der Gläubiger gemäß Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe n in seinem Antrag ein Konto angegeben hat, eine an die Bank gerichtete Ermächtigung gemäß Artikel 24 Absatz 3, falls der Schuldner dies beantragt und falls dies nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats zulässig ist, Gelder bis zu der im Beschluss angegebenen Höhe freigeben und von dem vorläufig gepfändeten Konto auf das Konto, das der Gläubiger in seinem Antrag angegeben hat, überweisen kann; k) Angaben dazu, wo die elektronische Fassung des Formblatts für die Erklärung nach Artikel 25 zu finden ist. (3) Teil B enthält die folgenden Informationen: a) eine Beschreibung des Gegenstands des Verfahrens und die Begründung des Gerichts für den Erlass des Beschlusses; b) die Höhe der vom Gläubiger gegebenenfalls geleisteten Sicherheit; c) gegebenenfalls die Frist für die Einleitung des Verfahrens in der Hauptsache und für den Nachweis der Verfahrenseinleitung gegenüber dem erlassenden Gericht; d) gegebenenfalls eine Angabe darüber, welche Schriftstücke gemäß Artikel 49 Absatz 1 Satz 2 zu übersetzen sind; e) gegebenenfalls die Angabe, dass der Gläubiger dafür zuständig ist, die Vollstreckung des Beschlusses zu veranlassen, und folglich gegebenenfalls dafür zuständig ist, den Beschluss gemäß Artikel 23 Absatz 3 an die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats zu übermitteln und die Zustellung an den Schuldner gemäß Artikel 28 Absätze 2, 3 und 4 zu veranlassen, und f) eine Rechtsbehelfsbelehrung des Schuldners. (4) Betrifft der Beschluss zur vorläufigen Pfändung Konten bei verschiedenen Banken, so ist für jede Bank ein gesondertes Formblatt (Teil A gemäß Absatz 2) auszufüllen. In diesem Fall enthält das dem Gläubiger und dem Schuldner zur Verfügung gestellte Formular (Teile A und B gemäß den Absätzen 2 bzw. 3) eine Liste aller betroffenen Banken. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Form und Sprache des Pfändungsbeschlusses (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . .
2
III. Inhalt des Pfändungsbeschlusses . . . . . . . 1. Teil A des Beschlusses (Abs. 2) . . . . . . . . . . 2. Teil B des Beschlusses (Abs. 3) . . . . . . . . . .
4 5 9
I. Normzweck Liegen die Bedingungen und Voraussetzungen dieser Verordnung (Art. 17 Abs. 1 EU-KPfVO) sowie die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen vor, erlässt das Gericht den Pfändungsbeschluss (Art. 17 Abs. 4 EU-KPfVO). Art. 19 EU-KPfVO regelt Form und Inhalt des Beschlusses.
1
II. Form und Sprache des Pfändungsbeschlusses (Abs. 1) Der Beschluss wird zwingend unter Verwendung des Formblattes in Anhang II DVO (EU) 2016/ 1823 (vgl. Art. 51, 52 EU-KPfVO) erlassen.1 Er trägt einen Stempel, eine Unterschrift und/oder eine andere Authentifizierung des Gerichts.
2
Die Verordnung regelt nicht, in welcher Sprache der Pfändungsbeschluss zu erlassen ist. Diese Frage 3 bleibt daher dem Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats vorbehalten (Gerichtssprache, vgl.
1 Alle Formblätter sind online verfügbar: https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_or der-379-de.do (27.9.2021).
Wiedemann
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Art. 19 EU-KPfVO
Form und Inhalt des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
§ 184 GVG).2 Gegebenenfalls ist eine Übersetzung oder Transliteration nach Art. 23 Abs. 4, 49 EUKPfVO erforderlich.
III. Inhalt des Pfändungsbeschlusses 4
Zu unterscheiden ist zwischen Teil A (Abs. 1 lit. a, Abs. 2) und Teil B (Abs. 1 lit. b, Abs. 3) des Beschlusses. Teil A enthält alle generellen Informationen, die der Bank, dem Gläubiger und dem Schuldner übermittelt werden. Teil B enthält gesonderte Informationen, die nur dem Gläubiger und dem Schuldner übermittelt werden. 1. Teil A des Beschlusses (Abs. 2)
5
Teil A des Beschlusses wird an die Bank, den Gläubiger und den Schuldner übermittelt. Teil A des Beschlusses enthält Angaben zum Gericht, zu Gläubiger und Schuldner, zu dem zu pfändenden Bankkonto sowie zur Höhe des zu pfändenden Betrags (Abs. 2 lit. a–g). Betrifft der Beschluss zur vorläufigen Pfändung Konten bei verschiedenen Banken, ist für jede Bank ein gesondertes Formblatt A auszufüllen (Abs. 4).
6
Hat der Gläubiger ein Auskunftsersuchen nach Art. 14 EU-KPfVO gestellt, sollen die erhaltenen Informationen möglichst nicht dem Gläubiger mitgeteilt werden. Die Kontonummer wird daher im Beschluss nur angegeben, wenn sie bereits im Antrag des Gläubigers enthalten war (Abs. 2 lit. e). Ansonsten wird die Kontonummer nicht im Beschluss angegeben. Sie wird der Bank nur in Ausnahmefällen bereitgestellt, wenn die Bank nicht in der Lage ist, das Konto des Schuldners aufgrund der angegebenen Informationen zu ermitteln, beispielsweise wenn mehrere Personen, die den gleichen Namen und die gleiche Anschrift haben, Konten bei der gleichen Bank haben (Abs. 2 lit. f, ErwGr. 21 EU-KPfVO). Von dem Namen und der Anschrift der kontoführenden Bank erhält der Gläubiger stets Kenntnis (Abs. 2 lit. d).
7
An die Bank gerichtet, enthält der Beschluss die Anweisung zur Ausführung nach Art. 24 EU-KPfVO (Abs. 2 lit. h). Außerdem enthält der Beschluss die Ermächtigung der Bank zur Überweisung des Forderungsbetrages vom Schuldner an den Gläubiger (Abs. 2 lit. j), soweit der Gläubiger dies beantragt hat (Art. 8 Abs. 2 lit. n EU-KPfVO); die Überweisung findet statt, wenn die Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 3 EU-KPfVO vorliegen. Schließlich wird der Bank mitgeteilt, wo sie das elektronische Formblatt für die Bankerklärung finden kann (Abs. 2 lit. k).
8
Der Beschluss ist mit dem Datum des Erlasses zu versehen (Abs. 2 lit. i). 2. Teil B des Beschlusses (Abs. 3)
9
Teil B des Beschlusses ist nur an den Gläubiger und an den Schuldner gerichtet. Darin enthalten sind die Beschreibung des Gegenstands des Verfahrens sowie eine Begründung für den Beschlusserlass (Abs. 3 lit. a). Dem Schuldner ist eine Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen (Abs. 3 lit. f.). Diese zusätzlichen Informationen sollen den Beteiligten die Einlegung und Begründung eines etwaigen Rechtsbehelfs erleichtern.
10
Außerdem nennt das Gericht in Teil B die Höhe einer gegebenenfalls geleisteten Sicherheit (Abs. 3 lit. b). Hat der Gläubiger den Antrag vor Einleitung des Verfahrens in der Hauptsache gestellt, belehrt ihn das Gericht über die Frist für den Nachweis der Verfahrenseinleitung nach Art. 10 EU-KPfVO (Abs. 3 lit. c, Anhang II Teil B Ziff. 10 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2016/1823).3 Ist der Gläubiger nach dem Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats für die Zustellung des Beschlusses zuständig (Art. 23 Abs. 3, 28 Abs. 2–4 EU-KPfVO), weist ihn das Gericht hierauf hin (Abs. 3 lit. e).
2 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3; ebenso für die EG-MahnVO: Ulrici in MünchKomm/ZPO, Art. 12 EG-MahnVO Rz. 7. 3 Der Wortlaut von Abs. 3 lit. c ist ungenau: Es existiert nur eine Frist zum Nachweis der Verfahrenseinleitung und nicht zur Verfahrenseinleitung (Art. 10): Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 7.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 20 EU-KPfVO
Artikel 20 Geltungsdauer der vorläufigen Pfändung Die mit dem Beschluss zur vorläufigen Pfändung vorläufig gepfändeten Gelder bleiben gemäß dem Beschluss oder späteren Änderungen oder Begrenzungen des Beschlusses gemäß Kapitel 4 so lange vorläufig gepfändet, a) bis der Beschluss widerrufen wird; b) bis die Vollstreckung des Beschlusses beendet ist oder c) bis eine Maßnahme zur Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung, eines gerichtlichen Vergleichs oder einer öffentlichen Urkunde, die bzw. den der Gläubiger hinsichtlich der durch den Beschluss zur vorläufigen Pfändung zu sichernden Forderung erwirkt hat, in Bezug auf die durch den Beschluss vorläufig gepfändeten Gelder wirksam wird. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Beendigungsgründe 2 1. Widerruf (lit. a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beendigung der Vollstreckung (lit. b) . . . . .
3. Ersetzung durch innerstaatliche Maßnahme (lit. c) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2 4
III. Umwandlung des Sicherungspfandrechts in ein zur Befriedigung berechtigendes Pfandrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
I. Normzweck Der Beschluss wird unbefristet erlassen (Art. 17 EU-KPfVO Rz. 5). Art. 20 EU-KPfVO regelt, wann die vorläufige Pfändung endet. Zum Eintritt der Wirkungen s. Art. 23 EU-KPfVO Rz. 17 f.
1
II. Beendigungsgründe 1. Widerruf (lit. a) Die Pfändung endet, wenn der Pfändungsbeschluss von einem Gericht widerrufen wird. Mögliche Gründe für einen Widerruf sind der unterlassene rechtzeitige Nachweis der Einleitung des Hauptsacheverfahrens durch den Gläubiger (Art. 10 EU-KPfVO), ein Rechtsbehelf des Schuldners gegen den Pfändungsbeschluss (Art. 33 EU-KPfVO) oder ein sonstiger Rechtsbehelf des Gläubigers oder des Schuldners (Art. 35 EU-KPfVO). Die Pfändung endet unmittelbar mit dem Widerruf; auf die Rechtskraft des Widerrufsbeschlusses kommt es nicht an.1
2
Es fehlt die Bestimmung, ob die Pfändung auch endet, wenn der Beschluss wegen unterlassener 3 rechtzeitiger Einleitung des Hauptsacheverfahrens automatisch endet (Art. 10 Abs. 2 EU-KPfVO). Da die Möglichkeit der automatischen Beendigung im Gesetzgebungsverfahren erst spät eingefügt wurde, ist davon auszugehen, dass eine Anpassung des Art. 20 EU-KPfVO versäumt wurde. Die Pfändung endet auch, wenn der Beschluss automatisch endet.2 2. Beendigung der Vollstreckung (lit. b) Außerdem endet die Pfändung, wenn die Vollstreckung des Beschlusses beendet ist. Der Anwendungsbereich dieser, während der Beratungen im Rat eingefügten Vorschrift, erscheint auf den ersten Blick bedeutungslos, führt der Pfändungsbeschluss doch nie zur Befriedigung, sondern nur zur Sicherung. Gemeint ist aber nicht die Beendigung der Vollstreckung durch Befriedigung des Gläubigers, sondern die Beendigung der Vollstreckung durch das Rechtsbehelfsgericht oder die Rechtsbehelfsbehörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 34 Abs. 1 lit. b EU-KPfVO) sowie die Abwendung der Vollstreckung durch Sicherheitsleistung (Art. 38 Abs. 1 lit. b EU-KPfVO). 1 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 4. 2 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 1, Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 3; Lüttringhaus, ZZP 129 (2016) 187, 201; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 298.
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Art. 21 EU-KPfVO
Rechtsbehelf gg. Ablehnung des Antrags auf vorl. Pfändungsbeschluss
3. Ersetzung durch innerstaatliche Maßnahme (lit. c) 5
Die Pfändung endet schließlich, wenn der Beschluss durch eine innerstaatliche Vollstreckungsmaßnahme ersetzt wird. Hierbei kann es sich sowohl um eine Sicherungsmaßnahme als auch um eine endgültige Vollstreckungsmaßnahme handeln.3
III. Umwandlung des Sicherungspfandrechts in ein zur Befriedigung berechtigendes Pfandrecht 6
Die unionsrechtliche Umwandlung der vorläufigen in eine endgültige Kontenpfändung wurde von der Kommission erwogen,4 aber schließlich auch aufgrund der ablehnenden Haltung des Europäischen Parlaments5 nicht aufgenommen, um einen zu tiefgreifenden Eingriff in nationale Vollstreckungssysteme zu vermeiden.6 Wird der Beschluss durch eine innerstaatliche Vollstreckungsmaßnahme ersetzt, endet daher grundsätzlich die Pfändungswirkung des europäischen Beschlusses (Rz. 5). Damit geht dem Gläubiger grundsätzlich auch ein ggf. bestehender Rang (Art. 32 EU-KPfVO) verloren.7
7
Das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats kann allerdings die rangwahrende Umwandlung des aufgrund nationalen Rechts bestehenden Sicherungspfandrechts (Art. 23 EU-KPfVO Rz. 12 ff.) in ein zur Befriedigung berechtigendes Pfandrecht vorsehen (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).8 In Deutschland ist die Umwandlung möglich:9 Sind die Voraussetzungen für die Vollstreckung aus dem Hauptsachetitel in Deutschland erfüllt, verwandelt sich das Arrestpfandrecht automatisch in ein Vollstreckungspfandrecht, das denselben Rang wie das Arrestpfandrecht hat. Der Gläubiger kann einen Überweisungsbeschluss beantragen, um die Befriedigung seiner Forderung zu erlangen.10
Artikel 21 Rechtsbehelf gegen eine Ablehnung des Antrags auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung (1) Der Gläubiger kann gegen die Entscheidung des Gerichts, durch die sein Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung ganz oder teilweise abgelehnt wurde, einen Rechtsbehelf einlegen. (2) Ein solcher Rechtsbehelf wird innerhalb von 30 Tagen ab dem Tag, an dem die Entscheidung nach Absatz 1 dem Gläubiger mitgeteilt wurde, eingelegt. Er wird bei dem Gericht eingelegt, das
3 Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3; Huber/Geier-Thieme in Dierck/Morvilius/Vollkommer (Hrsg.), Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht (2016), Kap. 11 Rz. 84; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 5; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 8 Fn. 11. 4 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006 KOM (2006) 618, 11; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, SEK (2006) 1341, 5.4; dazu Sala in Kengyel/Harsági (Hrsg.), Grenzüberschreitende Vollstreckung (2011), 275, 289. 5 Europäisches Parlament, 25.10.2007, ABl. EU 2008 C 263 E/655, Ziff. 6. 6 European Commission, 25.7.2011, SEC (2011) 937, 32. Zur Möglichkeit der freiwilligen Befriedigung des Gläubigers durch den Schuldner s. Art. 8 Abs. 2 lit. n EU-KPfVO i.V.m. Art. 24 Abs. 3 EU-KPfVO. 7 Domej, ZEuP 2013, 496, 504; Huber/Geier-Thieme in Dierck/Morvilius/Vollkommer (Hrsg.), Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht (2016) Kap. 11 Rz. 67. 8 Domej, GPR 2017, 84, 90; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 213; Jeuland, IJPL 2016, 283, 291; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 266 ff.; anders wohl Geimer/Schütze/Klöpfer, Art. 46 Rz. 3. 9 BGHZ 66, 394, 397; BT-Drucks. 18/7560, 43; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 213; Zöller/Vollkommer, § 930 ZPO Rz. 5. Vgl. für Österreich: König/Praxmarer, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Rückforderung und Schadenersatz (2016), 127. Vgl. für Frankreich: Art. L 523-2 Code des procédures civiles d’exécution; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 213. 10 Berger/Heiderhoff, Einstweiliger Rechtsschutz (2006), Kap. 9 Rz. 52.
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Kap. 2: Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Art. 21 EU-KPfVO
der betreffende Mitgliedstaat gemäß Artikel 50 Absatz 1 Buchstabe d der Kommission mitgeteilt hat. (3) Wurde der Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung ganz abgelehnt, so wird der Rechtsbehelf gemäß dem Verfahren ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners nach Maßgabe des Artikels 11 bearbeitet. I. Vorgehen gegen Zurückweisung des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsbehelfs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frist (Abs. 1 S. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 3 3
2. Adressat (Abs. 1 S. 2) . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rückgriff auf nationales Recht . . . . . . . . .
4 5
III. Verfahren (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . .
6
I. Vorgehen gegen Zurückweisung des Antrags Der Gläubiger kann gegen die Entscheidung, durch welche der Erlass des vorläufigen Pfändungsbeschlusses ganz oder teilweise abgelehnt wurde, einen Rechtsbehelf einlegen (Abs. 1).
1
Ob der Gläubiger nach Zurückweisung seines Pfändungsantrags einen neuen Antrag stellen kann, re- 2 gelt Art. 21 EU-KPfVO nicht. Die Wirkung der Zurückweisungsentscheidung richtet sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO). In Deutschland kommt der Zurückweisungsentscheidung – in erster Instanz oder nach einem Rechtsbehelf – jedenfalls keine (vollständige) materielle Rechtskraftwirkung im Hinblick auf die zu sichernde Forderung zu.1 Der Gläubiger kann wegen derselben Forderung grundsätzlich erneut einen europäischen Pfändungsbeschluss beantragen oder auch nach nationalem Recht vorgehen.2 Den erneuten Antrag muss der Gläubiger aber mit neuen Fakten (z.B. zur Vollstreckungsvereitelung) begründen oder mit neuen Beweismitteln belegen, die er (z.B. aufgrund der Eile) noch nicht vorbringen konnte (ErwGr. 22 S. 2 EU-KPfVO). Eine Antragswiederholung bei unveränderten Verhältnissen und mit denselben Beweismitteln ist unzulässig.3
II. Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsbehelfs 1. Frist (Abs. 1 S. 1) Die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs beträgt 30 Tage (Fristberechnung: ErwGr. 38). Die Frist beginnt mit der Mitteilung der Entscheidung an den Gläubiger (Art. 17 Abs. 5 EU-KPfVO); wurde der Beschluss in Deutschland erlassen, beginnt die Frist mit der förmlichen Zustellung an den Gläubiger (§§ 953 Abs. 2 S. 1, 329 Abs. 3 ZPO).4
3
2. Adressat (Abs. 1 S. 2) Der Rechtsbehelf ist bei dem Gericht einzulegen, das der Ursprungsmitgliedstaat der Kommission gem. Art. 50 Abs. 1 lit. d EU-KPfVO mitgeteilt hat (Deutschland: Ausgangsgericht oder Beschwerdegericht §§ 953 Abs. 1, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO).5 Welches Gericht für die Entscheidung zuständig ist, bestimmt ebenfalls das Recht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO). Empfangs- und Entscheidungszuständigkeit können im nationalen Recht abweichen.6 1 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 9. S. auch zur Rechtslage in Deutschland Berger/Heiderhoff, Einstweiliger Rechtsschutz im Zivilrecht (2006) Kap. 7 Rz. 44. 2 Domej, GPR 2017, 84, 92. 3 Geimer/Schütze/Klöpfer, Art. 17 Rz. 2; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 3. Vgl. für Deutschland Berger/Heiderhoff, Einstweiliger Rechtsschutz im Zivilrecht (2006), Kap. 7 Rz. 45 f. 4 OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 8. 5 OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 8. 6 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 4.
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Art. 22 EU-KPfVO Anerkennung und Vollstreckbarkeit 3. Rückgriff auf nationales Recht 5
Die Verordnung sieht, anders als bspw Art. 18 EG-BagatellVO, nicht bloße Mindeststandards für den Rechtsbehelf des Gläubigers vor, sondern regelt diesen abschließend. Weitere Zulässigkeitseinschränkungen nach mitgliedstaatlichem Recht (z.B. Beschwerdewert) sind über Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO nicht anwendbar.7 Für Verfahrensvoraussetzungen, die den Rechtsbehelf nicht einschränken (z.B. Form des Antrags, Anwaltszwang)8, verweist Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO hingegen auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaats.9 In Deutschland gelten die Regelungen für die sofortige Beschwerde (§ 953 Abs. 1 ZPO).
III. Verfahren (Abs. 3) 6
Wurde der Antrag auf Erlass des Beschlusses vollständig abgelehnt, hat der Schuldner noch keine Kenntnis von der beantragten Pfändung (Art. 11 EU-KPfVO). Um zu verhindern, dass der Schuldner Kenntnis erhält, sein Kontoguthaben beiseiteschafft und eine positive Entscheidung über den Antrag des Gläubigers im Rechtsbehelfsverfahren ins Leere ginge, verbietet Art. 21 Abs. 3 EU-KPfVO ebenso wie Art. 11 EU-KPfVO die Anhörung des Schuldners (ex parte-Verfahren).10 Wurde der Antrag nur teilweise abgelehnt, kann der Schuldner angehört werden.11
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Das Rechtsbehelfsverfahren, insbesondere die Entscheidungszuständigkeit (Rz. 4) und die Erforderlichkeit eines Abhilfeverfahrens,12 bestimmt sich im Übrigen nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO, Deutschland: § 953 ZPO). Anders als für die Voraussetzungen des Rechtsbehelfs sieht die EU-KPfVO für die Durchführung des Rechtsbehelfsverfahrens keine abschließende Regelung vor.
Kapitel 3 Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung (Art. 22–Art. 32)
Artikel 22 Anerkennung und Vollstreckbarkeit Ein in einem Mitgliedstaat gemäß dieser Verordnung erlassener Beschluss zur vorläufigen Pfändung wird in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf, und ist in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf. I. Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Zwangsakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bisherige Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . .
1 1
2. Novum der Verordnung . . . . . . . . . . . . .
2
II. Reichweite der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckbarkeit . . . . .
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7 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 6; a.A. Sujecki, EWS 2011, 414, 418, Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 409. 8 Art. 41 S. 2 gilt hingegen nur für Verfahren nach Kap. 4, Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 13. 9 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 6. 10 OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 9; krit. Goebel, zfm 2019, 160. 11 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 11; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 4; a.A. Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 271. 12 OLG Hamm v. 14.1.2019 – 8 W 51/18, juris Rz. 10: Die „ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren“.
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Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung 1. Gleichstellungslehre . . . . . . . . . . . . . . . 2. Co-Vollstreckung von Ursprungsgericht und Vollstreckungsbehörde . . . . . . . . . . . . . .
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Art. 22 EU-KPfVO
3. Prozessuale Anerkennung und Vollstreckung durch Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausschließlich im Vollstreckungsmitgliedstaat 5. Anerkennung der Pfändungswirkungen? . . .
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I. Anerkennung und Vollstreckbarkeit von Zwangsakten 1. Bisherige Rechtslage Klassischerweise wurden bisher nur Titel, nicht aber Maßnahmen der Zwangsvollstreckung in ande- 1 ren Staaten anerkannt und vollstreckt.1 So fallen Zwangsakte nicht unter die die nur für Entscheidungen, Vergleiche und öffentliche Urkunden geltenden Art. 36 ff., 58 ff. Brüssel Ia-VO. Eine geringfügige Ausnahme lässt Art. 55 Brüssel Ia-VO für Zwangs- und Ordnungsgeldanordnungen zu.2 Auch das deutsche Verfahrensrecht enthält keine Vorschrift für die Anerkennung ausländischer Vollstreckungsmaßnahmen.3 Bisher konnten Maßnahmen der Zwangsvollstreckung daher nur im Gebiet des Staats vollstreckt werden, in dem sie erlassen wurden. Eine grenzüberschreitende Vollstreckung kommt nach überwiegender Auffassung nicht in Betracht (Grundsatz der Territorialität).4 2. Novum der Verordnung Art. 22 EU-KPfVO bezieht sich auf die Konstellation, in der Ursprungsmitgliedstaat und Vollstre- 2 ckungsmitgliedstaat nicht identisch sind. Nach Art. 22 EU-KPfVO wird der Beschluss zur vorläufigen Pfändung in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es eines besonderen Verfahrens bedarf und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung (Exequatur) bedarf.5 Im Pfändungsbeschluss enthalten sind zum einen – soweit noch kein vollstreckbarer Titel vorlag – eine einstweilige Maßnahme (Erkenntnisteil) und zum anderen die Anordnung der Pfändung (Vollstreckungsteil) (Art. 1 EU-KPfVO Rz. 8). Der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Erkenntnisteils bedarf es nicht, weil dieser nur als Vehikel für die gleichzeitige Anordnung der Zwangsvollstreckung im Ursprungsmitgliedstaat dient und in keinem anderen Mitgliedstaat isoliert Grundlage der Zwangsvollstreckung sein kann. Grundlage für die Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat ist vielmehr die Anordnung der Pfändung im Ursprungsmitgliedstaat. Art. 22 EU-KPfVO bezieht sich auf den Vollstreckungsteil des Beschlusses6 und ist damit ein Novum im internationalen Vollstreckungsrecht. Für die grenzüberschreitende Vollziehung des Vollstreckungsteils bedarf es weder eines gesonderten Anerkennungsverfahrens noch eines gesonderten Vollstreckbarerklärungsverfahrens.
II. Reichweite der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckbarkeit 1. Gleichstellung Die Wirkungen des Pfändungsbeschlusses bestimmen sich nach den Wirkungen einer gleichwertigen 3 Maßnahme im Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats (Art. 23 EU-KPfVO Rz. 12, Art. 32 EU-KPfVO). Insoweit erlebt die Gleichstellungslehre in der EU-KPfVO eine Renaissance.7 Unter der Brüssel Ia-VO erteilten Rechtsprechung und Literatur der Gleichstellungslehre hingegen eine Absage: Die Reichweiten von materieller Rechtskraft und Vollstreckbarkeit richten sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats; es gilt die Wirkungserstreckungslehre.8 1 2 3 4 5
Cranshaw, ZInsO 2018, 1333, 1339. Bitter, Vollstreckbarerklärung und Zwangsvollstreckung (2009), 21; Wiedemann, Vollstreckbarkeit (2017), 77 f. Bitter, Vollstreckbarerklärung und Zwangsvollstreckung (2009), 21. Anders z.B. Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung (2004), 386. Zur Anerkennung eine Europäischen Kontenpfändungsbeschlusses in der Schweiz vgl. Markus, IPRax 2021, 290, 297. 6 A.A. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3 (Art. 22 erfasst Erkenntnisteil und Vollstreckungsteil). 7 A.A. Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2. 8 Rauscher/Leible, Art. 36 Brüssel Ia-VO Rz. 3 ff.
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Art. 22 EU-KPfVO Anerkennung und Vollstreckbarkeit 2. Co-Vollstreckung von Ursprungsgericht und Vollstreckungsbehörde 4
Die Anordnung der Pfändung nimmt das Ursprungsgericht vor. Deshalb scheint es, als vollstrecke allein das Ursprungsgericht über die Staatsgrenze hinweg und damit in vollständiger Abkehr vom Territorialitätsprinzip der Zwangsvollstreckung.9 Dadurch fiele, nachdem die Kontrollmöglichkeiten des Vollstreckungsmitgliedstaats im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren bereits sukzessive reduziert wurden, auch eine letzte Bastion: Die Hoheit über das Vollstreckungsverfahren würde dem Ursprungsmitgliedstaat zuteil.
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Dieser sich prima facie ergebende Eindruck ist jedoch nur eingeschränkt richtig; die Verordnung enthält aus drei Gründen keine uneingeschränkt grenzüberschreitende Zwangsvollstreckung: Erstens wird die Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat zur grenzüberschreitenden Ausführung des Pfändungsbeschlusses zur Hilfe genommen (Art. 23 Abs. 5 EU-KPfVO);10 das Ursprungsgericht übermittelt den Pfändungsbeschluss nicht selbst an die Bank. Zweitens entfaltet der Beschluss nicht die Wirkungen, die einem Pfändungsbeschluss im Ursprungsmitgliedstaat zukommen, sondern nur jene des Vollstreckungsmitgliedstaats (Art. 23 Abs. 1, Art. 32 EU-KPfVO). Drittens prüfen die Gerichte des Vollstreckungsmitgliedstaats auf Rechtsbehelf des Schuldners hin insbesondere, ob die Vollstreckung der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht (Art. 34 Abs. 2 EU-KPfVO). Letztlich kann wegen der Anordnung der Vollstreckung durch den Ursprungsmitgliedstaat und des gleichwohl bleibenden Einflusses des Vollstreckungsmitgliedstaats von einer Co-Vollstreckung beider Staaten gesprochen werden. 3. Prozessuale Anerkennung und Vollstreckung durch Rechtshilfe
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Die im Ursprungsmitgliedstaat angeordnete Pfändung wird im Vollstreckungsmitgliedstaat als prozessuale Maßnahme anerkannt und vollstreckt. Die Anerkennung erfolgt durch Gewährung von Rechtshilfe bei der Übermittlung des Beschlusses an die Bank (Art. 23 Abs. 5 EU-KPfVO).11 Insoweit ist das Verfahren vergleichbar mit § 791 ZPO a.F.12 und dem UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland v. 20.6.1956,13 aber im Gegensatz zu früheren Ansätzen bezieht sich die im Entwurf vorgesehene Rechtshilfe nicht auf das gesamte Vollstreckungsverfahren (d.h. Anordnung und Ausführung), sondern nur auf die Ausführung des Pfändungsbeschlusses. Darüber hinaus ist es den Behörden des Vollstreckungsmitgliedstaats verwehrt, von Amts wegen oder im Rechtsbehelfsverfahren die Zuständigkeit oder das Vorliegen der Erlassvoraussetzungen nachzuprüfen. Gleichwohl wurde die von der Kommission angestrebte Beschränkung der Kontrolle des Vollstreckungsmitgliedstaats auf reine Vollstreckungsaspekte14 mit der Einführung weiterer Anerkennungsversagungsgründe, vor allem des ordre-public-Einwandes (Art. 34 Abs. 2 EU-KPfVO), entkräftet. 4. Ausschließlich im Vollstreckungsmitgliedstaat
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Art. 22 EU-KPfVO spricht von der Anerkennung und Vollstreckung in „den anderen Mitgliedstaaten“ und gibt daher vor, der Pfändungsbeschluss könne zur Vollstreckung in allen anderen Mitgliedstaaten genutzt werden. Der Pfändungsbeschluss bezieht sich unterdessen stets auf das im Beschluss spezifizierte Konto. Die Vollstreckung erfolgt daher nur in dem Mitgliedstaat, in dem dieses Konto geführt wird (Vollstreckungsmitgliedstaat, Art. 4 Nr. 12 EU-KPfVO).
9 van het Kaar, WPNR 2011, 903; Häcker, WM 2012, 2180, 2183. 10 Dies gilt jedoch nur, wenn nicht das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats die Zustellung des Beschlusses an die Bank durch den Gläubiger anordnet; zur Zulässigkeit einer solchen Anordnung s. Art. 23 EU-KPfVO Rz. 10. 11 Dies gilt jedoch nur, wenn nicht das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats die Zustellung des Beschlusses an die Bank durch den Gläubiger anordnet, zur Zulässigkeit einer solchen Anordnung s. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Art. 23 Rz. 12. 12 Dazu Schack, IZVR, Rz. 1142; Gottwald, IPRax 1991, 285, 287. 13 BGBl. 1959 II 150, s. dazu Gottwald, IPRax 1991, 285, 287. 14 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, ErwGr. 18.
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Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 23 EU-KPfVO
5. Anerkennung der Pfändungswirkungen? Zweifelhaft ist, ob eine unionsrechtliche Verpflichtung der übrigen Mitgliedstaaten zur Anerkennung 8 der Pfändungswirkungen des Vollstreckungsmitgliedstaats erreicht werden soll.15 Infolge einer Pflicht zur Wirkungsanerkennung könnte der Schuldner insbesondere auch vor den Gerichten anderer Mitgliedstaaten vom Drittschuldner keine Leistung verlangen, solange die Forderung für den Gläubiger gepfändet ist. Eine Anerkennung der Pfändungswirkungen wird zwar im deutschen Recht diskutiert und überwiegend befürwortet.16 Indes setzt die Anerkennung nach deutschem Recht analog § 328 ZPO bzw. § 343 InsO zumindest voraus, dass das Erlassgericht aus deutscher Sicht international zuständig ist und die Anerkennung nicht im konkreten Fall zu einem Ergebnis führt, das mit dem deutschen ordre public unvereinbar ist. Dass die Kommission eine Wirkungsanerkennung ohne Kontrollmöglichkeiten im Anerkennungsmitgliedstaat einführen wollte, scheint zweifelhaft. Da sich die Wirkungen des Beschlusses im Übrigen nach einzelstaatlichem Recht richten (Art. 23 EU-KPfVO Rz. 12), wird auch die Anerkennung der Pfändungswirkungen weiter nach einzelstaatlichem Recht zu beurteilen sein.17
Artikel 23 Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung (1) Vorbehaltlich dieses Kapitels erfolgt die Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung gemäß den Verfahren, die in dem Vollstreckungsmitgliedstaat für die Vollstreckung gleichwertiger nationaler Beschlüsse gelten. (2) Alle Behörden, die an der Vollstreckung des Beschlusses beteiligt sind, werden unverzüglich tätig. (3) Wurde der Beschluss zur vorläufigen Pfändung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vollstreckungsmitgliedstaat erlassen, so werden Teil A des Beschlusses gemäß Artikel 19 Absatz 2 und ein Blanko-Standardformblatt für die Erklärung nach Artikel 25 für die Zwecke des Absatzes 1 dieses Artikels nach Maßgabe des Artikels 29 an die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats übermittelt. Die Übermittlung erfolgt durch das erlassende Gericht oder den Gläubiger, je nachdem, wer nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats für die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens zuständig ist. (4) Dem Beschluss wird erforderlichenfalls eine Übersetzung oder Transliteration in die Amtssprache des Vollstreckungsmitgliedstaats oder, wenn es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, in die Amtssprache oder eine der Amtssprachen des Ortes, an dem der Beschluss ausgeführt werden soll, beigefügt. Die Übersetzung oder Transliteration wird von dem erlassenden Gericht, das dafür die passende Sprachfassung des Formblatts gemäß Artikel 19 verwendet, zur Verfügung gestellt. (5) Die zuständige Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats trifft die erforderlichen Maßnahmen, um den Beschluss gemäß ihrem nationalen Recht vollstrecken zu lassen.
15 Für eine Wirkungsanerkennung Schimrick, Forderungsvollstreckung (2012), 322 f. (zum Grünbuch, 24.10.2006, KOM(2006) 618). 16 OLG Oldenburg v. 25.4.1995 – 1 U 161/94, IPRax 1997, 338, 340; Bitter, Vollstreckbarerklärung und Zwangsvollstreckung (2009), 16 ff.; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht (8. Aufl. 2020), Rz. 3290; Nagel/Gottwald, IZPR, Rz. 19.40; Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung (2004), 335 ff.; Schack, IZVR, Rz. 1162; Schack, IPRax 1997, 318, 320 ff.; a.A. BAG v. 19.3.1996 – 9 AZR 656/94, IPRax 1997, 335, 336 ff.; OLG Frankfurt, IPRspr. 2011, Nr. 265, 699. 17 Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 209; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 270 f.; a.A. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 10.
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Art. 23 EU-KPfVO
Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
(6) Betrifft der Beschluss zur vorläufigen Pfändung mehr als eine Bank in demselben Mitgliedstaat oder in verschiedenen Mitgliedstaaten, so wird der zuständigen Behörde des jeweiligen Vollstreckungsmitgliedstaats für jede Bank ein gesondertes Formblatt nach Maßgabe des Artikels 19 Absatz 4 übermittelt. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übermittlung des Beschlusses . . . . . . . . 1. Unmittelbar und unverzüglich (Abs. 2) . . 2. Übermittlung an die Bank . . . . . . . . . . a) Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat identisch (Abs. 1, 5) b) Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat verschieden . . . . .
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aa) Übermittlung an die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Abs. 3, 4, 6) . . . . . . . . . . . . . . . 7 bb) Übermittlung an die Bank (Abs. 5) . . 10 III. Wirkungen der Pfändung . . . . . . . . 1. Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirkungen nach deutschem Recht . . . 3. Eintritt der Wirkungen . . . . . . . . . .
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I. Normzweck 1
Während die EU-KPfVO die Anordnung der Pfändung weitgehend regelt, schaffen die Art. 23 ff. EUKPfVO nur einen Verfahrensrahmen für die Vollstreckung. Die EU-KPfVO schafft kein eigenständiges Vollstreckungsverfahren.1 Einzelheiten zur Übermittlung des Beschlusses an den Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 23 Abs. 3 Unterabs. 2 EU-KPfVO) und an die Bank (Abs. 5) bestimmen sich nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates (Rz. 2 ff.). Nicht in Art. 23 EU-KPfVO geregelt sind zudem die Wirkungen der Pfändung (Rz. 12 ff.). Dem Vollstreckungsmitgliedstaat ist jedoch die Verweigerung der Vollstreckung unter Anwendung seines eigenen Verfahrensrechts verwehrt; der Schuldner kann eine Kontrolle des Pfändungsbeschlusses nur im Rechtsbehelfsverfahren anhand des vollstreckungsstaatlichen ordre public erreichen (Art. 34 Abs. 2 EU-KPfVO).
II. Übermittlung des Beschlusses 2
Die Vollstreckung des Beschlusses erfolgt, soweit die Verordnung nichts anderes regelt, nach den Vorschriften über die Vollstreckung gleichwertiger nationaler Pfändungsbeschlüsse (Abs. 1). Das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates ist dementsprechend auf Vollstreckungsverfahren anwendbar, soweit es nicht ausdrücklich durch die Verordnung geregelt wird. 1. Unmittelbar und unverzüglich (Abs. 2)
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Anders als bei einem Arrestbeschluss nach deutschem Recht, für den der Gläubiger, nachdem er sich für eine Art der Zwangsvollstreckung entschieden hat, die Vollstreckung gesondert nach Maßgabe des § 929 ZPO beantragen muss, verschwimmt in der EU-KPfVO die Grenze zwischen vereinfachtem Erkenntnisverfahren und Zwangsvollstreckung. Der Gläubiger muss die Vollziehung nicht gesondert beantragen;2 vielmehr schließt sich die Vollstreckung (ggf. nach Übermittlung des Beschlusses an den Vollstreckungsstaat, Art. 23 Abs. 3 EU-KPfVO) unmittelbar an den Beschlusserlass an.
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Bei der Vollstreckung des Beschlusses werden alle beteiligten Behörden unverzüglich tätig (Art. 23 Abs. 2 EU-KPfVO), d.h. schnellstmöglich (Art. 17 EU-KPfVO Rz. 1); an Fristen ist die Vollstreckung des Beschlusses – anders als dessen Erlass (Art. 18 EU-KPfVO) – nicht geknüpft (anders: § 929 Abs. 2 ZPO).3
1 Anders noch der Kommissionsentwurf: Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 24 „Zustellung an die Bank“. 2 Garber in Mayr (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.80. 3 Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 140.
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Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 23 EU-KPfVO
2. Übermittlung an die Bank a) Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat identisch (Abs. 1, 5) Wurde der vorläufige Pfändungsbeschluss von einem Gericht erlassen, welches seinen Sitz im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 4 Nr. 12 EU-KPfVO) hat, sieht die Verordnung keine Vorschriften für die Vollstreckung vor. Die Vollstreckung erfolgt gemäß dem Verfahren, das für die Vollstreckung gleichwertiger nationaler Beschlüsse gilt (Abs. 1, 5). Wird der Beschluss in Deutschland erlassen und vollstreckt, hat der Gläubiger diesen gem. § 951 Abs. 1 S. 1 ZPO durch den Gerichtsvollzieher an die Bank zustellen zu lassen.4 Eine Vollziehungsfrist besteht nicht.5
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b) Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat verschieden Einen verfahrensrechtlichen Rahmen gibt die Verordnung für den Fall der grenzüberschreitenden Vollstreckung, d.h. wenn sich das Konto nicht im selben Mitgliedstaat wie das Ursprungsgericht befindet (Co-Vollstreckung, Art. 22 EU-KPfVO Rz. 5).
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aa) Übermittlung an die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Abs. 3, 4, 6) Der Pfändungsbeschluss wird zunächst an die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 4 Nr. 14 EU-KPfVO) übermittelt (Art. 23 Abs. 3 Unterabs. 1 EU-KPfVO). Die Mitgliedstaaten haben der Kommission die für die Vollstreckung zuständige Behörde mitgeteilt (Art. 50 Abs. 1 lit. f EU-KPfVO).6 Die indirekte Übermittlung über die Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat hat den Vorteil, dass Banken die Dokumente in einer Weise erhalten, mit der sie vertraut sind, und dass die Behörden bereits die Pfändungsfreigrenzen beachten können.7 Obgleich das Ursprungsgericht die Pfändung anordnet, ist die Vollstreckung des Beschlusses folglich nur mit Rechtshilfe der Behörden im Vollstreckungsmitgliedstaat möglich (Rz. 10).8
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Zuständig für die Übermittlung an die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat ist das Ursprungsgericht oder der Gläubiger, je nachdem, wer nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats für die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens zuständig ist (Art. 23 Abs. 3 Unterabs. 2 EU-KPfVO). In Deutschland übermittelt der Gläubiger den Beschluss (§ 951 Abs. 1 S. 2 ZPO). Eine Vollziehungsfrist besteht nicht.9 Im Übrigen gilt für das Verfahren der Übermittlung Art. 29 EU-KPfVO. Die EGZustVO (2007) findet insoweit keine Anwendung (Art. 48 lit. a EU-KPfVO).
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Übermittelt werden Teil A des Pfändungsbeschlusses (Art. 19 Abs. 2 EU-KPfVO) sowie ein Formularblatt für die Bankerklärung nach Art. 25 EU-KPfVO (Art. 23 Abs. 3 Unterabs. 1 EU-KPfVO). Vor der Übermittlung ist erforderlichenfalls eine Transliteration oder Übersetzung vorzunehmen (Art. 23 Abs. 4 EU-KPfVO). Betrifft der Pfändungsbeschluss Konten bei verschiedenen Banken, wird der zuständigen Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat für jede Bank ein gesonderter Teil A des Pfändungsbeschlusses übersandt (Abs. 6, Art. 19 Abs. 4 EU-KPfVO).
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bb) Übermittlung an die Bank (Abs. 5) Nach Erhalt des Pfändungsbeschlusses trifft die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 4 Nr. 14 EU-KPfVO) die Maßnahmen, die nach dem nationalen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats für die Vollstreckung des Beschlusses erforderlich sind. Findet die Vollstreckung in 4 Zur Zuständigkeit für die Vollstreckung in Spanien (Juzgado de Primera Instanicia): Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 28 Rz. 57, 40 Rz. 93. Für Österreich s. Schumacher/Köllensperger/Trenker/ Trenker, Rz. 7. 5 Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.35; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 243 ff. 6 Überblick über die für die Zustellung zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten: Council of the EU, Revised Note from the General Secretariat, 9.8.2013, 6746/2/13 REV 2. 7 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, 8. 8 Krit. Hess, FS Kaissis (2012), 399, 410. 9 Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.35.
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Art. 23 EU-KPfVO
Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung
Deutschland statt, erfolgt die Zustellung von Amts wegen. Das AG, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat (§§ 952 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), stellt den Beschluss an die Bank zu (§ 952 Abs. 2 Nr. 1 ZPO); der Gläubiger muss – anders als wenn Deutschland Ursprungsmitgliedstaat ist (vgl. § 951 Abs. 1 ZPO) – nicht aktiv werden.10 Ob Mitgliedstaaten für die Übermittlung an die Bank auch eine Parteizustellung vorsehen können, ist zweifelhaft.11 Wäre der Gläubiger sowohl für die Übermittlung im Ursprungsmitgliedstaat als auch im Vollstreckungsmitgliedstaat zuständig, müsste er doppelt tätig werden: Zunächst bei der Zustellung an die Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats (Abs. 3) und sodann bei der Zustellung an die Bank (Abs. 5). Dass Art. 23 Abs. 5 EU-KPfVO – anders als Abs. 3 – nicht ausdrücklich auf die Parteizustellung Bezug nimmt und der Gläubiger im Beschluss nur auf die erforderliche Parteizustellung im Ursprungsmitgliedstaat hingewiesen werden kann (Art. 19 Abs. 3 lit. e EU-KPfVO), spricht jedenfalls gegen eine Parteizustellung im Vollstreckungsmitgliedstaat. 11
Vor Übermittlung des Pfändungsbeschlusses an die Bank, überprüft die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat, ob alle Unterlagen formgerecht und vollständig vorliegen. Streitig ist, ob der Vollstreckungsmitgliedstaat die Eröffnung des Anwendungsbereichs von Amts wegen prüfen darf oder ob er an die Beurteilung des Ursprungsmitgliedstaats gebunden ist. In der Brüssel Ia-VO wird eine Prüfungskompetenz des Vollstreckungsstaats überwiegend anerkannt.12 Zwischen EU-KPfVO und Brüssel Ia-VO bestehen jedoch zwei wesentliche Unterschiede: Erstens steht dem Gläubiger in der EU-KPfVO nur ein Rechtsmittel gegen die Ablehnung des Beschlusserlasses (Art. 21 EU-KPfVO) und kein Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Vollstreckung zu. Könnte der Vollstreckungsmitgliedstaat die Vollstreckung ablehnen, weil er den Anwendungsbereich nicht für eröffnet hält, könnte sich der Gläubiger hiergegen nicht wehren. Gegen die Ablehnung der Vollstreckbarkeit i.R.d. Brüssel Ia-VO kann der Gläubiger hingegen gem. Art. 49 Brüssel Ia-VO einen Rechtsbehelf einlegen. Zweitens kann in der EU-KPfVO der Schuldner die Nichteröffnung des Anwendungsbereichs gesondert im Ursprungsmitgliedstaat rügen; Art. 33 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO weist die Überprüfung der Erlassvoraussetzungen, einschließlich der Eröffnung des Anwendungsbereichs, dem Ursprungsmitgliedstaat zu. In der Brüssel Ia-VO (und auch in der EG-UnterhaltsVO) kann der Schuldner die Nichteröffnung des Anwendungsbereichs hingegen nicht gesondert, etwa durch ein Rechtsmittel gegen die Bescheinigung nach Art. 54 Brüssel Ia-VO, einwenden.13 Letztlich scheidet deshalb i.R.d. EU-KPfVO eine Ablehnung der Vollstreckung durch den Vollstreckungsmitgliedstaat wegen Nichteröffnung des Anwendungsbereichs aus (Art. 34 EU-KPfVO Rz. 3).14
III. Wirkungen der Pfändung 1. Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats (Abs. 1) 12
Die EU-KPfVO regelt nur die Ausführung des Beschlusses in tatsächlicher Hinsicht (Art. 24 EUKPfVO). Die rechtlichen Wirkungen bestimmen sich nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. Die Pfändung entfaltet die Wirkungen einer funktionsäquivalenten nationalen Maßnahme im Vollstreckungsmitgliedstaat (Gleichstellung, Art. 22 EU-KPfVO Rz. 3).15 Das Recht des Vollstre-
10 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 952 Rz. 3; a.A. Hesterberg, DGVZ 2017, 98, 99 (Parteizustellung). 11 Offenlassend: Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 12. 12 Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 146; Wiedemann, Vollstreckbarkeit (2017), 80 ff. m.w.N. 13 Wiedemann, Vollstreckbarkeit (2017), 84. 14 Sikorski, Kontopfändungen (2018), 328; a.A. Domej in FS Simotta (2012), 129, 138; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 146. 15 Hess in FS Kropholler (2008), 795, 802; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 263; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 152 f.; Schumacher/Köllensperger/ Trenker/Trenker, Art. 23 Rz. 4, Art. 32 Rz. 11; a.A. Hess/Raffelsieper, IPRax 2015, 46, 50 (Wirkung wie Arrestbeschluss nach § 930 ZPO); Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 4, Art. 24 Rz. 1 (dingliche Wirkung); Raffelsieper, Revue de Droit Commercial Belge 2016, 6, 9 (ordonnance in rem); offen: Orfanidis in Hopt/ Tzouganatos, Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 292 („selbständige Bedingungswirkung für die Bank kraft der Verordnung“).
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Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 23 EU-KPfVO
ckungsmitgliedstaates regelt folglich alle Wirkungen der Maßnahme, insbesondere den Rang (Art. 32 EU-KPfVO) und die Rechtsfolgen einer pfändungswidrigen Verfügung (Rz. 16). Der Kommissionsentwurf beschränkte die Wirkung des Pfändungsbeschlusses auf die dingliche Wir- 13 kung.16 Dies erschien stimmig, denn von der Gesamtkonzeption her ist die Europäische Kontenpfändung eher vergleichbar mit einer kontinentaleuropäischen (vorläufigen) Pfändung als mit einer in den common law-Staaten zu findenden persönlich wirkenden freezing order: Die Maßnahme betrifft nur einen Vermögenswert (Kontoguthaben) und bezüglich dieses Vermögenswertes hat die Bank die Ausführung sicherzustellen (Art. 24 EU-KPfVO); der Beschluss enthält kein an den Schuldner gerichtetes Verfügungsverbot (Art. 19 EU-KPfVO). Weil aber einige Mitgliedstaaten nur persönlich wirkende Maßnahmen kennen, die in keinem Rangverhältnis zu anderen Vollstreckungsmaßnahmen stehen (Art. 32 EU-KPfVO), sieht die EU-KPfVO nunmehr auch persönlich wirkende Maßnahmen als gleichwertig an (ErwGr. 28 S. 3 EU-KPfVO). Funktionsäquivalente nationale Maßnahmen können daher sowohl Maßnahmen mit dinglicher Wirkung (in rem) als auch Maßnahmen mit persönlicher Wirkung (in personam) sein (ErwGr. 28 S. 3 EU-KPfVO).17 2. Wirkungen nach deutschem Recht Das europäische Pfändungsverfahren ist insofern mit dem Arrestverfahren vergleichbar als noch kein 14 Titel vorliegt und das Ursprungsgericht einstweilen über die Forderung entscheidet (Art. 5 lit. a, 7 Abs. 2 EU-KPfVO). Liegt bereits ein Titel vor (Art. 5 lit. b EU-KPfVO), entspricht die Zielrichtung eher der deutschen Vorpfändung (Art. 1 EU-KPfVO Rz. 9). Die Vorpfändung ist jedoch lediglich als private Vorbereitung der Zwangsvollstreckung ohne Beteiligung des Gerichts ausgestaltet; der Gläubiger erlangt nur ein Pfändungspfandrecht, wenn rechtzeitig die Hauptpfändung nachfolgt (§ 845 Abs. 2 ZPO).18 Bei dem europäischen Pfändungsbeschluss handelt es sich hingegen stets um eine hoheitliche Maßnahme. Funktionsäquivalente Maßnahme im deutschen Recht ist deshalb allein die Arrestpfändung (vgl. §§ 950, 930 Abs. 1 S. 2, 829 ZPO).19 Grundsätzlich führt die Arrestpfändung zu einem Pfändungspfandrecht (= Arrestpfandrecht), das 15 dem Gläubiger gem. § 804 Abs. 3 ZPO Vorrang gegenüber späteren Pfändungen gewährt, und zu einer Verstrickung mit der Folge eines relativen Verfügungsverbots für den Schuldner; ein Verwertungsrecht besteht zunächst nicht.20 Angesichts der auf inländische Vollstreckungsverfahren zugeschnittenen, nicht selten umstrittenen Voraussetzung des Pfändungspfandrechts und der Verstrickung birgt die Delegation an das nationale Recht ein erhebliches Konfliktpotential. So entsteht beispielsweise kein Pfändungspfandrecht, wenn das an den Drittschuldner gerichteten Verbot, an den Schuldner zu zahlen, fehlt (Arrestatorium, vgl. § 829 Abs. 1 S. 1 ZPO).21 Das Beschlussformular enthält kein ausdrückliches Verbot (Art. 19 EU-KPfVO, Anhang II DurchführungsVO (EU) 2016/1823), so dass bereits eine Mindestvoraussetzung fehlen könnte. Soll die Pfändung rangwahrende Wirkung gegenüber anderen Gläubigern entfalten, wird man jedoch in die Anweisung an die Bank zur Kontosperrung ein solche Verbot hineinlesen müssen. Demensprechend entsteht bei der Vollstreckung des Beschlusses in Deutschland ein rangwahrendes Pfändungspfandrecht (Arrestpfandrecht), einerlei, ob der Gläubiger bereits über
16 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 21 Abs. 6, Begr. 6 Ziff. 3.1.; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, SEK(2006) 1341, 2.3, 5.1.2; ebenso: Müller, RIW 2012, 151, 155; Zwickel in Douchy-Oudet/Guinchard (Hrsg.), La justice civile européenne en marche (2012), 233, 243: Domej, ZEuP 2013, 496, 520; Harbeck, ZInsO 2012, 805, 806; Chuah, JIML 2011, 238. 17 Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, 45 Fn. 59; Lagus, JFT 2018, 241, 245. 18 Musielak/Flockenhaus, § 845 ZPO Rz. 6. 19 Cranshaw, ZInsO 2018, 1382, 1390; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 211; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ ZPO, § 947 Rz. 6; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 234 f., 264. 20 Kindl/Meller-Hannich/Haertlein, § 930 ZPO Rz. 5. 21 Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht (13. Aufl. 2006), 30.12 m.w.N.
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Art. 24 EU-KPfVO Ausführung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung einen Titel verfügt oder nicht.22 Leistet die Bank an den Schuldner, muss sie sich vom Gläubiger so behandeln lassen, als hätte sie nicht geleistet (§ 804 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 1281 S. 1 BGB).23 16
Ob die Pfändung in Deutschland auch die staatliche Beschlagnahme der Kontoforderung („Verstrickung“) mit der Folge eines relativen Verfügungsverbots (§§ 135, 136 BGB) bewirkt, ist zweifelhaft.24 Im Beschluss fehlt ein Gebot an Schuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (Inhibitorium, § 829 Abs. 1 S. 2 ZPO). Dementsprechend führt die Pfändung nur zu einem tatsächlichen, nicht aber zu einem rechtlichen Verfügungsverbot. 3. Eintritt der Wirkungen
17
Der Zeitpunkt, ab dem die Pfändung ihre Wirkungen entfaltet, ist insbesondere zur Bestimmung der Gläubigerrangfolge von Bedeutung. Im Kommissionsentwurf fehlte eine Regelung. Die Begründung, wonach der Pfändungsbeschluss erst durch Zustellung an die Bank vollstreckt wird,25 spricht für den Eintritt der Wirkungen ab Zustellung an die Bank.26 Auch die Verordnung geht offenbar implizit von der Wirksamkeit der Pfändung ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Beschlusses bei der Bank aus. Transaktionen, die bereits anhängig sind, wenn der Beschluss bei der Bank eingeht, dürfen nämlich ausnahmsweise noch berücksichtigt werden, wenn sie vor der Ausstellung der Bankerklärung abgewickelt werden (Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 2 EU-KPfVO).
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Da sich die Wirkungen des Beschlusses aber ausschließlich nach nationalem Recht bestimmen und der Zeitpunkt der Wirksamkeit damit eng verknüpft ist, ist aus der fehlenden Regelung in der Verordnung auf die Anwendbarkeit des Rechts des Vollstreckungsmitgliedstaats zu schließen.27 Sieht das nationale Recht eine persönliche Wirkung des Pfändungsbeschlusses für den Schuldner vor, würde der Zeitpunkt der Zustellung an die Bank als Wirksamkeitszeitpunkt nicht passen. Wird in Deutschland vollstreckt, ist die Pfändung mit der Zustellung an den Drittschuldner (Bank) als bewirkt anzusehen (§ 829 Abs. 3 ZPO) und erfasst den Zustellungssaldo (§ 833a ZPO, Art. 24 EU-KPfVO Rz. 6).28
Artikel 24 Ausführung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung (1) Eine Bank, an die ein Beschluss zur vorläufigen Pfändung gerichtet wird, führt diesen unverzüglich nach Eingang des Beschlusses oder, soweit dies im nationalen Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorgesehen ist, einer entsprechenden Anweisung zur Ausführung des Beschlusses aus.
22 Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 212; Orfanidis in Hopt/Tzouganatos, Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 279; Schack, IZVR, Rz. 1168; a.A. Kindl/Meller-Hannich/Harbeck, Art. 1 Rz. 9. Zu den Wirkungen im österreichischen Recht s. König, Einstweilige Verfügungen in Zivilverfahren (5. Aufl. 2017), Rz. 10.101; Mohr, Kontenpfändung (2014), Rz. 311; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 151 f. 23 Müller, RIW 2012, 151, 155. 24 In diese Richtung Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.79 („Verfügungsbefugnis des Schuldners selbst eingeschränkt“). 25 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, 8; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, SEK(2006) 1341, 5.1.2. 26 Anders Müller, RIW 2012, 151, 155: Pfändungsbeschluss sichere das Konto sofort mit seinem Erlass, was allerdings angesichts der dadurch für den Drittschuldner entstehenden Rechtsunsicherheit unwahrscheinlich ist. 27 Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 210; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 297; a.A. Sikorski, Kontopfändungen (2018), 238 ff.; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 5. 28 Nagel/Gottwald, IZPR, Rz. 17.35a; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 2; anders in Österreich: Wirksamkeit mit Ausführung s. Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 297.
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Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 24 EU-KPfVO
(2) Zur Ausführung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung nimmt die Bank vorbehaltlich des Artikels 31 die vorläufige Pfändung des in dem Beschluss angegebenen Betrags vor, indem sie entweder a) sicherstellt, dass dieser Betrag nicht von dem Konto oder den Konten, das bzw. die in dem Beschluss genannt ist/sind oder das bzw. die nach Absatz 4 ermittelt wurde(n), überwiesen oder abgehoben wird, oder b) soweit dies im nationalen Recht vorgesehen ist, diesen Betrag auf ein für vorläufige Pfändungen bestimmtes Konto überweist. Der vorläufig gepfändete tatsächliche Betrag kann von der Abwicklung von Transaktionen, die bereits anhängig sind, wenn der Beschluss oder eine entsprechende Anweisung bei der Bank eingeht, abhängen. Derartige anhängige Transaktionen dürfen jedoch nur berücksichtigt werden, wenn sie vor der Ausstellung der Erklärung gemäß Artikel 25 bis zum Ablauf der in Artikel 25 Absatz 1 festgelegten Fristen abgewickelt werden. (3) Ungeachtet des Absatzes 2 Buchstabe a wird die Bank ermächtigt, auf Wunsch des Schuldners die vorläufig gepfändeten Gelder freizugeben und sie auf das in dem Beschluss angegebene Konto des Gläubigers zur Begleichung von dessen Forderung zu überweisen, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: a) diese Ermächtigung der Bank ist gemäß Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe j in dem Beschluss ausdrücklich angegeben, b) das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats lässt eine solche Freigabe und Überweisung zu, und c) zu dem betreffenden Konto liegen keine konkurrierenden Beschlüsse vor. (4) Enthält der Beschluss zur vorläufigen Pfändung nicht die Kontonummer oder die Kontonummern des Schuldners, sondern nur den Namen und andere Angaben zum Schuldner, so ermittelt die Bank oder die sonstige Stelle, die für die Vollstreckung des Beschlusses zuständig ist, das Konto oder die Konten, die der Schuldner bei der in dem Beschluss angegebenen Bank unterhält. Kann die Bank oder die sonstige Stelle ein Konto des Schuldners anhand der Angaben in dem Beschluss nicht mit Sicherheit ermitteln, so a) holt die Bank diese Kontonummer oder Kontonummern bei der Auskunftsbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats ein, wenn gemäß Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe f in dem Beschluss angegeben ist, dass die Nummer oder Nummern des vorläufig zu pfändenden Kontos oder der vorläufig zu pfändenden Konten durch einen Antrag nach Artikel 14 erlangt wurde bzw. wurden, und b) führt die Bank in allen anderen Fällen den Beschluss nicht aus. (5) Die Gelder auf dem Konto oder den Konten nach Absatz 2 Buchstabe a, die den im Beschluss zur vorläufigen Pfändung angegebenen Betrag übersteigen, bleiben von der Ausführung des Beschlusses unberührt. (6) Reichen zum Zeitpunkt der Ausführung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung die Gelder auf dem Konto oder den Konten nach Absatz 2 Buchstabe a nicht aus, um den in dem Beschluss angegebenen Gesamtbetrag vorläufig zu pfänden, so wird der Beschluss nur in Bezug auf den Betrag ausgeführt, der auf dem Konto oder den Konten vorhanden ist. (7) Bezieht sich der Beschluss zur vorläufigen Pfändung auf mehrere Konten des Schuldners bei derselben Bank und übersteigen die Gelder auf diesen Konten den in dem Beschluss angegebenen Betrag, so wird der Beschluss in folgender Reihenfolge ausgeführt: a) Sparkonten auf den alleinigen Namen des Schuldners; b) Girokonten auf den alleinigen Namen des Schuldners; c) gemeinschaftliche Sparkonten auf den Namen mehrerer Personen, vorbehaltlich des Artikels 30; d) gemeinschaftliche Girokonten auf den Namen mehrerer Personen, vorbehaltlich des Artikels 30. (8) Lauten die Gelder auf dem Konto oder den Konten nach Absatz 2 Buchstabe a auf eine andere Währung als die, die im Beschluss zur vorläufigen Pfändung angegeben ist, so rechnet die Bank den in dem Beschluss angegebenen Betrag zu dem am Tag und zum Zeitpunkt der Ausführung Wiedemann
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Art. 24 EU-KPfVO Ausführung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung des Beschlusses für den Verkauf der betreffenden Währung geltenden Referenzwechselkurs der Europäischen Zentralbank oder geltenden Wechselkurs der Zentralbank des Vollstreckungsmitgliedstaats in die Währung der Gelder um und pfändet vorläufig den entsprechenden Betrag in der Währung der Gelder. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Ausführung durch die Bank (Abs. 1, 2) . . . . III. Freigabe und Überweisung des gepfändeten Betrags an den Gläubiger (Abs. 3) . . . . . . .
2
IV. Ermittlung des Kontos durch die Bank (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
V. Umfang der Ausführung des Beschlusses (Abs. 5, 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Pfändung mehrerer Konten bei derselben Bank (Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 7
VII. Währung (Abs. 8) . . . . . . . . . . . . . . . . 10 5
I. Normzweck 1
Art. 24 EU-KPfVO regelt die Ausführung des Beschlusses in tatsächlicher Hinsicht. Die rechtlichen Wirkungen richten sich nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats (Art. 23 EU-KPfVO Rz. 12 ff.).
II. Ausführung durch die Bank (Abs. 1, 2) 2
Die Bank soll den Beschluss unverzüglich (Art. 17 EU-KPfVO Rz. 1) nach dessen Erhalt ausführen (Abs. 1 Alt. 1). Sieht das Verfahrensrecht des Vollstreckungsmitgliedstaats nicht die Übermittlung des Beschlusses, sondern eine Anweisung zur Sperrung des Kontos vor, führt die Bank diese Anweisung ebenfalls unverzüglich aus (Abs. 1 Alt. 2). Die Ausführung erfolgt entweder, indem die Bank das Konto in Höhe des gepfändeten Betrages für Überweisungen und Abhebungen sperrt, oder, soweit dies im nationalen Recht vorgesehen ist, indem die Bank den gepfändeten Betrag auf ein spezielles Konto zu Pfändungszwecken überweist (Abs. 2 Unterabs. 1).1 Die Sperrung oder Überweisung soll Kontoverfügungen des Schuldners (Abhebungen, Überweisungen) und Dritter (Lastschriftverfahren) verhindern (ErwGr. 7 S. 2 EU-KPfVO).2 In Deutschland muss die Bank das Konto sperren; § 930 Abs. 2 Alt. 1 ZPO findet keine Anwendung (§ 950 ZPO).
3
Kontotransaktionen können unter zwei Voraussetzungen weiterhin ausgeführt werden: Zum einen muss die Transaktion bereits anhängig sein, wenn der Pfändungsbeschluss oder die entsprechende Anweisung bei der Bank eingeht (Abs. 2 Unterabs. 2 S. 1). Eine Transaktion ist anhängig, wenn ein Überweisungsantrag früher bei der Bank eingeht als der Beschluss/die Anweisung.3 Zum anderen muss die Transaktion vor der Ausstellung der Erklärung nach Art. 25 EU-KPfVO und innerhalb von 3, ausnahmsweise 8 Arbeitstagen nach Ausführung des Beschlusses vorgenommen werden (Abs. 2 Unterabs. 2 S. 2). Abs. 2 Unterabs. 2 begründet keine Verpflichtung der Bank zur Ausführung anhängiger Transaktionen, sondern markiert nur die Grenze für die Zulässigkeit der Ausführung von Transaktionen.4 Materielle Folgen für pfändungswidrige Verfügungen sieht die EU-KPfVO nicht vor; sie richten sich ggf. nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats (Art. 23 EU-KPfVO Rz. 12, Art. 23 EU-KPfVO Rz. 15).5 Die Pfändung betrifft nur die gepfändeten Beträge; darüber hinaus sind Transaktionen möglich.
1 Zur Ausführung in Spanien (Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. b) s. Senés Motilla, Revista Española de Derecho Internacional 2017, 309, 315 Rz. 23; Österreich (Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a) und Slowenien (Art. 24 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. b) Anzenberger/Ivanc, Austrian Law Journal 2017, 57, 66. 2 Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 157. 3 Krit. wegen fehlender Definition des Begriffs „Anhängigkeit“: Senés Motilla, Revista Española de Derecho Internacional 2017, 309, 315 Rz. 24. 4 Ebenso: Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.87; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3. 5 Sikorski, Kontopfändungen (2018), 265.
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Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 24 EU-KPfVO
III. Freigabe und Überweisung des gepfändeten Betrags an den Gläubiger (Abs. 3) Der Gläubiger kann in seinem Antrag sein Bankkonto angeben, das für eine freiwillige Erfüllung der 4 Forderung durch den Schuldner zu verwenden ist (Art. 8 Abs. 2 lit. n EU-KPfVO). Ist der Gläubiger so verfahren, wird in den Beschluss eine an die Bank gerichtete Ermächtigung zur Freigabe des gepfändeten Kontos und Überweisung des im Beschluss angegebenen Betrages auf das Konto des Gläubigers aufgenommen (Art. 19 Abs. 2 lit. j EU-KPfVO); weitergehende Transaktionen (z.B. Überweisungen an Dritte) können im Pfändungsbeschluss nicht zugelassen werden. Enthält der Beschluss eine solche Ermächtigung (Abs. 3 lit. a), darf die Bank die Freigabe und die Überweisung nach Art. 24 Abs. 3 EU-KPfVO vornehmen, wenn der Schuldner zustimmt (Abs. 3), das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats die Freigabe und Überweisung zulässt (Abs. 3 lit. b)6 und zu dem betreffenden Konto keine konkurrierenden Beschlüsse vorliegen (Abs. 3 lit. c). Da die Überweisung an die Zustimmung des Schuldners geknüpft ist, vereinfacht Abs. 3 nur die freiwillige Erfüllung durch den Schuldner; Abs. 3 ermöglicht aber nicht die Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung. Der Pfändungsbeschluss bleibt auf eine Sicherungsfunktion beschränkt (Art. 1 EU-KPfVO Rz. 12). Im deutschen Recht ist nur die Überweisung im Wege der Zwangsvollstreckung (§ 835 ZPO), nicht aber die freiwillige Freigabe vorgesehen, sodass Abs. 3 bei Vollstreckung in Deutschland keine Anwendung findet.7
IV. Ermittlung des Kontos durch die Bank (Abs. 4) Der Gläubiger muss in seinem Antrag nicht zwingend die Kontonummer angeben (Art. 8 Abs. 2 lit. e EU-KPfVO). Hat der Gläubiger die Kontonummer nicht angegeben, ist die Bank zunächst gehalten, das Konto des Schuldners zu ermitteln (Abs. 4 Unterabs. 1). Im Unterschied zum Auskunftsersuchen nach Art. 14 EU-KPfVO bedarf es nach dem Wortlaut des Abs. 4 Unterabs. 1 für derartige Ermittlungen keines Titels.8 Sind eigene Ermittlungen der Bank erfolglos, kann sie die Kontonummer bei der Auskunftsbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats einholen, wenn in dem Beschluss angegeben ist, dass die Kontonummer durch einen Auskunftsantrag nach Art. 14 EU-KPfVO erlangt wurde (Abs. 4 Unterabs. 2 lit. a).9 Fehlt eine solche Angabe im Beschluss, führt die Bank den Beschluss nicht aus (Abs. 4 Unterabs. 2 lit. b).
5
V. Umfang der Ausführung des Beschlusses (Abs. 5, 6) Die Bank führt den Beschluss nur in Höhe der Forderung aus, die im Beschluss angegeben ist 6 (Abs. 5). Über Kontoguthaben, welches diesen Betrag übersteigt, kann der Schuldner weiter verfügen. Übersteigt die Forderung das Kontoguthaben, führt die Bank den Beschluss hinsichtlich des gesamten Kontoguthabens aus (Abs. 6). Die Ausführung beschränkt sich auf die im Zeitpunkt der Ausführung vorhandenen Gelder. Gelangen nach der Beschlussausführung weitere Gelder auf das Konto, so sind diese Gelder von der Pfändung nicht erfasst.10 Eine Erweiterung der EU-KPfVO auf die Pfändung zukünftiger Salden steht für die erste Änderung der Verordnung zur Diskussion (Art. 53 Abs. 1 lit. b EU-KPfVO).
6 Im deutschen Ausführungsrecht ist dies nicht vorgesehen: Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 10. 7 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 10; a.A. Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Eichel, Rz. 16 Fn. 37 (§ 834 Abs. 3 S. 2 ZPO). 8 A.A. Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 13. 9 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 9. 10 Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.87; Orfanidis in Hopt/Tzouganatos, Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 279 f.; Ritz, Kontenpfändung (2019), 101; Schack, IZVR, Rz. 1168 Fn. 63; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 147.
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Art. 25 EU-KPfVO
Erklärung betreffend die vorläufige Pfändung von Geldern
VI. Pfändung mehrerer Konten bei derselben Bank (Abs. 7) 7
Die Verordnung regelt weiterhin, in welcher Reihenfolge die Bank die Pfändung auszuführen hat, wenn nach dem Antrag des Gläubigers mehrere Konten des Schuldners bei derselben Bank gepfändet werden sollen, die Gelder auf diesen Konten aber den im Beschluss angegebenen Betrag übersteigen. Im Kommissionsentwurf fehlte eine solche Verteilungsregel.11
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Die Sperrung oder die Überweisung auf ein Pfändungskonto soll sich zunächst auf Konten beziehen, die auf den alleinigen Namen des Schuldners lauten. Hierbei sollen zunächst Sparkonten (Abs. 7 lit. a) und sodann Girokonten (Abs. 7 lit. b) erfasst werden. Erst wenn der im Beschluss angegebene Betrag dann noch nicht ausgeschöpft ist, dürfen gemeinschaftliche Sparkonten (Abs. 7 lit. c) und gemeinschaftliche Girokonten (Abs. 7 lit. d) gepfändet werden, soweit solche Konten nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats überhaupt pfändbar sind (Art. 30 EU-KPfVO).
9
Im Übrigen obliegt die Verteilung der Pfändung auf mehrere Konten der Bank. Die Bank kann also beispielsweise selbst entscheiden, welches von mehreren Girokonten gepfändet wird, wenn das Guthaben den im Beschluss angegebenen Betrag übersteigt.
VII. Währung (Abs. 8) 10
Schließlich regelt die Verordnung auch, wie zu verfahren ist, wenn das Kontoguthaben auf eine andere Währung lautet als der im Pfändungsbeschluss angegebene Betrag. Die Bank muss den im Beschluss angegebenen Betrag in die Währung des Kontoguthabens umrechnen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Umrechnung ist der Tag der Ausführung des Beschlusses durch die Bank gem. Art. 24 Abs. 2 EU-KPfVO. Die Umrechnung kann nach dem an diesem Tag geltenden Referenzwechselkurs der Europäischen Zentralbank oder dem Wechselkurs der Zentralbank des Vollstreckungsmitgliedstaats erfolgen.
Artikel 25 Erklärung betreffend die vorläufige Pfändung von Geldern (1) Bis zum Ende des dritten Arbeitstags nach Ausführung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung stellt die Bank oder die sonstige Stelle, die für die Vollstreckung des Beschlusses im Vollstreckungsmitgliedstaat zuständig ist, eine Erklärung unter Verwendung des Erklärungsformblatts, das im Wege von gemäß dem Beratungsverfahren nach Artikel 52 Absatz 2 erlassenen Durchführungsrechtsakten erstellt wurde, aus, in der sie angibt, ob bzw. inwieweit Gelder auf dem Konto oder den Konten des Schuldners vorläufig gepfändet wurden und, wenn dies der Fall ist, an welchem Tag der Beschluss ausgeführt wurde. Kann die Bank oder die sonstige Stelle die Erklärung aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht innerhalb von drei Arbeitstagen ausstellen, so stellt sie die Erklärung so schnell wie möglich, spätestens jedoch bis zum Ablauf des achten Arbeitstages nach der Ausführung des Beschlusses aus. Die Erklärung wird unverzüglich gemäß den Absätzen 2 und 3 übermittelt. (2) Wurde der Beschluss im Vollstreckungsmitgliedstaat erlassen, so übermittelt die Bank oder die sonstige Stelle, die für die Vollstreckung des Beschlusses zuständig ist, die Erklärung dem erlassenden Gericht gemäß Artikel 29 und dem Gläubiger per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertige elektronische Mittel. (3) Wurde der Beschluss in einem anderen Mitgliedstaat als dem Vollstreckungsmitgliedstaat erlassen, so wird die Erklärung der zuständigen Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats gemäß Artikel 29 übermittelt, es sei denn, sie wurde von derselben Behörde ausgestellt. 11 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 28; krit. zu dieser Lücke im Kommissionsentwurf Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 407.
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Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 25 EU-KPfVO
Diese Behörde übermittelt die Erklärung dem erlassenden Gericht gemäß Artikel 29 und dem Gläubiger per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertige elektronische Mittel bis zum Ende des ersten Arbeitstags nach deren Eingang oder Ausstellung. (4) Die Bank oder die sonstige Stelle, die für die Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung zuständig ist, legt auf Ersuchen des Schuldners die Einzelheiten des Beschlusses dem Schuldner gegenüber offen. Die Bank oder die sonstige Stelle kann dies auch ohne ein solches Ersuchen tun. I. Bankerklärung (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . .
1
II. Übermittlung der Bankerklärung . . . . . . . 1. Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat identisch (Abs. 2) . . . . . . . . .
3
2. Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat verschieden (Abs. 3) . . . . . . .
4
3
III. Offenlegung gegenüber dem Schuldner (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6
I. Bankerklärung (Abs. 1) Die Bank muss nach Ausführung der Pfändung gem. Art. 24 EU-KPfVO eine, mit der Drittschuldnererklärung nach § 840 ZPO vergleichbare Erklärung über Erfolg und Umfang der Pfändung abgegeben. Die Erklärung muss spätestens bis zum dritten Arbeitstag nach Ausführung der Pfändung erstellt werden (Abs. 1 Unterabs. 1 S. 1, Fristberechnung: ErwGr. 38 EU-KPfVO).1 Kann die Bank diese Frist aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht einhalten, stellt sie die Erklärung so schnell wie möglich, spätestens aber bis zum Ablauf des achten Arbeitstages nach Ausführung der Pfändung aus (Abs. 1 Unterabs. 1 S. 2). Zur Fristwahrung genügt die Ausstellung der Bankerklärung. Die Übermittlung der Erklärung muss sodann unverzüglich erfolgen (Abs. 1 Unterabs. 2).
1
Bei der Erklärung muss die Bank zwingend2 das nach Art. 51, 52 EU-KPfVO von der Kommission erstellte Formblatt (Anhang IV DVO (EU) 2016/1823) verwenden.3 Aus dem Inhalt der Erklärung muss sich ergeben, „ob bzw. inwieweit“ (Art. 25 Abs. 1 S. 1 EU-KPfVO) Gelder gepfändet wurden und an welchem Tag der Pfändungsbeschluss ausgeführt wurde. Dem Wortlaut nach ist folglich auch bei einer fehlgeschlagenen Kontenpfändung eine Bankerklärung erforderlich.4 Zum Schutz der persönlichen Daten des Schuldners5 teilt die Bank den Kontostand nicht mit, sofern die beantragte Summe vollständig gepfändet wurde.6
2
II. Übermittlung der Bankerklärung 1. Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat identisch (Abs. 2) Wurde der Pfändungsbeschluss im Vollstreckungsmitgliedstaat erlassen, übermittelt die Bank die Erklärung an das Ursprungsgericht und an den Gläubiger. Für die Übermittlung an das Ursprungsgericht gilt Art. 29 EU-KPfVO. Die Übermittlung an den Gläubiger erfolgt per Einschreiben mit Rückschein oder durch gleichwertige elektronische Mittel.7 Die EG-ZustVO (2007) findet keine Anwendung (Art. 48 lit. a EU-KPfVO).
1 Krit. und für eine längere Frist Council of the EU, Note from the delegation of the Netherlands, 13.11.2013, 16122/13, 2 ff. 2 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 1. 3 Alle Formblätter sind online verfügbar: https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_or der-379-de.do (27.9.2021). 4 A.A. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Art. 28 Rz. 7. 5 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, 8. 6 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 2. 7 Krit. zur elektronischen Übermittlung Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 285 f. Zur Sicherung der elektronischen Kommunikation s. Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 19.6.2013, A7-0227/13, 33 Art. 27 Abs. 3 mit Verweis auf Art. 16, 17 Richtlinie 95/46/EG.
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Art. 26 EU-KPfVO
Haftung der Bank
2. Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat verschieden (Abs. 3) 4
Hat die Bank den Pfändungsbeschluss nicht direkt vom Gericht oder vom Gläubiger, sondern über die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat erhalten (Art. 23 Abs. 3 EU-KPfVO), übermittelt die Bank die Bankerklärung zunächst gem. Art. 29 EU-KPfVO an die Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats. Einer Übermittlung bedarf es nicht, wenn die für die Ausführung der Pfändung zuständige Stelle, die die Erklärung ausgestellt hat, und die Vollstreckungsbehörde identisch sind (Abs. 3 Unterabs. 1).8 In Deutschland übermittelt die Bank die Erklärung an das AG, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat (§§ 952 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 764 Abs. 1).9
5
Die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat übermittelt die Erklärung sodann dem Ursprungsgericht gem. Art. 29 EU-KPfVO und dem Gläubiger per Einschreiben oder elektronisch (Abs. 3 Unterabs. 2). Die EG-ZustVO (2007) findet keine Anwendung (Art. 48 lit. a EU-KPfVO).
III. Offenlegung gegenüber dem Schuldner (Abs. 4) 6
Zusätzlich zur Zustellung des Beschlusses an den Schuldner (Art. 28) informiert die Bank oder die sonstige Stelle den Schuldner über die Einzelheiten des Beschlusses. Die Offenlegung erfolgt auf Ersuchen des Schuldners oder auf eigene Initiative der Bank. Um den Schuldner nicht vor zukünftigen Sicherungsmaßnahmen zu warnen, findet eine Offenlegung (ebenso wie die Zustellung, Art. 28 EUKPfVO Rz. 1) nur statt, wenn die Pfändung erfolgreich war.10
Artikel 26 Haftung der Bank Die Haftung der Bank bei Nichterfüllung der ihr nach dieser Verordnung obliegenden Pflichten richtet sich nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats.
I. Normzweck 1
Art. 26 EU-KPfVO enthält eine Kollisionsnorm für die Haftung der Bank. Wie bereits im Kommissionsentwurf vorgesehen1 verweist Art. 26 EU-KPfVO hinsichtlich der Haftung der Bank für Pflichtverletzungen auf mitgliedstaatliches Recht.2 Während dem Kommissionsentwurf („nach nationalem Recht“) keine konkrete Verweisung entnommen werden konnte,3 was die mit der Qualifikation des vollstreckungsrechtlichen Schadensersatzanspruches verbundenen Schwierigkeiten (Art. 13 EU-KPfVO Rz. 2) mit sich brachte, verweist Art. 26 EU-KPfVO nun auf das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. Art. 26 EU-KPfVO enthält keine mit Art. 13 Abs. 1 S. 1 EU-KPfVO vergleichbare materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage.
II. Anwendungsbereich 2
Die Verweisung bezieht sich auf die Haftung der Bank wegen Nichterfüllung der sich aus der Verordnung ergebenden Pflichten. Der Umfang der Verweisung ist verordnungsautonom zu bestim8 9 10 1 2
Krit. bzgl. Zweischrittigkeit Schlosser/Hess/Hess, Rz. 1; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5. Dazu Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 952 Rz. 3. Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 80. Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 26 Abs. 5, 27 Abs. 4. Krit. und für eine unionsweit einheitliche Regelung Domej, ZEuP 2013, 496, 507; Guinchard, RTD eur. 2011, 871, 876; Zwickel in Douchy-Oudet/Guinchard (Hrsg.), La justice civile européenne en marche (2012), 233, 243. 3 A.A. Domej, ZEuP 2013, 496, 506: Verweis auf das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats.
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Wiedemann
Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 26 EU-KPfVO
men. Erfasst ist die Haftung der Bank sowohl gegenüber dem Schuldner als auch gegenüber dem Gläubiger.4 Auf die Rechtsnatur des Anspruchs im nationalen Recht kommt es nicht an. Art. 26 EUKPfVO bezieht sich dementsprechend auf deliktische, vertragliche (Rz. 4)5 und verfahrensrechtliche Anspruchsgrundlagen des nationalen Rechts, solange die Verletzungshandlung in einer Nichterfüllung der sich aus der Verordnung ergebenden Pflichten besteht. Gegenüber dem Gläubiger ergeben sich aus der Verordnung für die Bank im Wesentlichen zwei Verpflichtungen: Zum einen hat die Bank für die ordnungsgemäße Ausführung des vorläufigen Pfändungsbeschluss nach Art. 24 EU-KPfVO zu sorgen. Nach Ausführung muss die Bank zum anderen eine Erklärung betreffend die vorläufige Pfändung gem. Art. 25 Abs. 1 bis 3 EU-KPfVO abgeben. In Deutschland existiert (abgesehen von §§ 823 ff. BGB) keine spezielle Schadensersatznorm für Pflichtverletzungen bei der Ausführung der Pfändung. Die Bank wird vielmehr nicht von ihrer Leistungspflicht befreit, wenn sie an den Schuldner leistet (Art. 23 EU-KPfVO Rz. 15). § 840 Abs. 2 S. 2 ZPO gilt gem. § 950 ZPO entsprechend für die Erklärung nach Art. 25 EU-KPfVO.6 Die Bank haftet dem Gläubiger bei unzutreffender Erklärung z.B. dafür, dass dem Gläubiger weitere Pfändungsobjekte des Schuldners entgehen.7
3
Gegenüber dem Schuldner ist die Bank verpflichtet, den Pfändungsbeschluss nur in der im Beschluss angegebenen Höhe auszuführen, ggf. abzgl. pfändungsfreier Beträge nach Art. 31 EU-KPfVO (Art. 24 EU-KPfVO), und die Einzelheiten des Pfändungsbeschlusses offenzulegen (Art. 25 Abs. 4 EUKPfVO). Eine Verpflichtung zur (teilweisen) Aufhebung der Kontoblockade nach Freigabe ergibt sich aus Art. 27 Abs. 2 S. 2, 3 i.V.m. Art. 24 EU-KPfVO. Eine ausdrückliche Verpflichtung zur Aufhebung der Kontoblockade nach Ende der vorläufigen Pfändung (Art. 20 EU-KPfVO) fehlt in der EU-KPfVO. In Deutschland existiert keine spezielle Schadensersatznorm für Pflichtverletzungen der Bank gegenüber dem Schuldner. In Betracht kommen eine Haftung aus § 823 Abs. 1 BGB (nicht für Vermögensschäden) und eine Haftung wegen Verletzung von Schutzpflichten aus dem Zahlungsdienstrahmenvertrag (§ 280 Abs. 1 BGB), weil die Missachtung der sich aus der EU-KPfVO ergebenden Pflichten gleichzeitig eine Schutzpflichtverletzung darstellen kann. Die Einordnung des Art. 25 Abs. 4 EU-KPfVO als Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB erscheint zweifelhaft, weil Art. 25 Abs. 4 EU-KPfVO nicht erkennen lässt, dass das Vermögen des Schuldners durch die Offenlegung der Beschlussdetails geschützt werden soll.8
4
III. Sachnormverweisung Art. 26 ist keine Gesamtverweisung zu entnehmen, sondern eine Sachnormverweisung.9 Der Wort- 5 laut von Art. 26 EU-KPfVO ist insoweit indifferent. Art. 48 lit f. EU-KPfVO schließt zwar die Anwendung der Rom II-VO für außervertragliche Schuldverhältnisse nur „in den Fällen nach Art. 13 Abs. 4“ und nicht für Art. 26 EU-KPfVO aus (Art. 48 EU-KPfVO Rz. 15); die Rom I-VO, die für die Haftung der Bank wegen einer Verletzung von Schutzpflichten aus dem Zahlungsdiensterahmenvertrag gilt, erwähnt Art. 48 lit. f EU-KPfVO überhaupt nicht. Bei Annahme einer Gesamtverweisung würde die uni4 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 2. 5 A.A. (Art. 26 EU-KPfVO gilt nicht für vertragliche Schadensersatzansprüche) Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 34 Rz. 77; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 4, 12. 6 Müller, RIW 2012, 151, 156; Kindl/Meller-Hannich/Harbeck, Rz. 2; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3; Musielak/ Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 51; a.A. Schlosser/Hess/Hess, Art. 25 Rz. 2; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 1. 7 Smid in MünchKomm/ZPO (6. Aufl. 2020), § 840 ZPO Rz. 25. 8 Anders für das österreichische Recht Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 12. 9 Anzenberger/Ivanc, Austrian Law Journal 2017, 57, 66; Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.96; Geimer/Schütze/Garber, EuZVR, Rz. 1; Kindl/Meller-Hannich/Harbeck, Rz. 2; Huber/ Geier-Thieme in Dierck/Morvilius/Vollkommer (Hrsg.), Handbuch Zwangsvollstreckungsrecht (2016), Kap. 11 Rz. 107; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 328; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 1; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 1; Orfanidis in Hopt/Tzouganatos (Hrsg.), Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014), 263, 291; a.A. (Gesamtverweisung) Domej, GPR 2017, 84, 90; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 216; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 356; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 5; Rauscher/Rauscher/Wiedemann, Art. 26 Rz. 1 (Vorauflage).
Wiedemann
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Art. 27 EU-KPfVO
Plicht des Gläubigers, Freigabe überschüssiger Beträge zu beantragen
onsrechtliche Kollisionsnorm aber ihr Vereinheitlichungsziel verfehlen. Im Rahmen einer Gesamtverweisung wäre zunächst nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats zu entscheiden, ob die Haftungsnorm verfahrensrechtlich oder materiell-rechtlich zu qualifizieren ist. Bei verfahrensrechtlicher Qualifikation obläge es dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates zu entscheiden, ob die lex foriAnknüpfung zum Verweis auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaates oder das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates führte. Wäre die Schadensersatznorm materiell-rechtlich zu qualifizieren, fänden Art. 4 Rom II-VO Anwendung, ggf. unter Annahme einer offensichtlich engeren Verbindung zum Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO), oder die Rom I-VO Anwendung.10 Die mit der Qualifikation verbundenen Unsicherheiten sprechen daher gegen eine Gesamtverweisung.
Artikel 27 Pflicht des Gläubigers, die Freigabe überschüssiger vorläufig gepfändeter Beträge zu beantragen (1) Der Gläubiger ist verpflichtet, die erforderlichen Schritte zu unternehmen, um sicherzustellen, dass jeder Betrag, der nach Ausführung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung den in dem Beschluss zur vorläufigen Pfändung angegebenen Betrag übersteigt, freigegeben wird: a) wenn der Beschluss sich auf mehrere Konten in demselben Mitgliedstaat oder in verschiedenen Mitgliedstaaten bezieht oder b) wenn der Beschluss nach Ausführung eines oder mehrerer gleichwertiger nationaler Beschlüsse gegen denselben Schuldner und zur Sicherung derselben Forderung erlassen wurde. (2) Der Gläubiger reicht bis zum Ende des dritten Arbeitstags nach Eingang einer Erklärung nach Artikel 25, aus der eine solche überschießende vorläufige Pfändung hervorgeht, auf schnellstmöglichem Wege unter Verwendung des Formblatts, das im Wege von gemäß dem Beratungsverfahren nach Artikel 52 Absatz 2 erlassenen Durchführungsrechtsakten erstellt wurde, für die Beantragung der Freigabe überschüssiger vorläufig gepfändeter Beträge einen Antrag auf Freigabe bei der zuständigen Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats, in dem die überschießende vorläufige Pfändung erfolgte, ein. Diese Behörde weist nach Eingang des Antrags die betroffene Bank unverzüglich an, die Freigabe der überschüssigen vorläufig gepfändeten Beträge zu veranlassen. Artikel 24 Absatz 7 gilt gegebenenfalls in umgekehrter Reihenfolge. (3) Dieser Artikel hindert einen Mitgliedstaat nicht daran, in seinen nationalen Rechtsvorschriften gegebenenfalls vorzusehen, dass die Freigabe überschüssiger vorläufig gepfändeter Gelder aus Konten, die in seinem Hoheitsgebiet geführt werden, von der zuständigen Vollstreckungsbehörde dieses Mitgliedstaats von sich aus eingeleitet wird.
I. Freigabeverpflichtung des Gläubigers bei Überpfändung (Abs. 1) 1
Regelungszweck des Art. 27 EU-KPfVO ist die Vermeidung einer Überpfändung bei Pfändung mehrerer Konten.
2
Der Gläubiger darf bei verschiedenen Gerichten nicht hinsichtlich derselben Forderung gegen denselben Schuldner parallele Anträge auf Erlass europäischer Pfändungsbeschlüsse stellen (Art. 16 EUKPfVO).1 Der Gläubiger kann aber bei demselben Gericht mehrere Konten des Schuldners pfänden lassen. Sollen mehrere Konten bei einer Bank gepfändet werden, führt die Bank den Beschluss nur in der Höhe des zu pfändenden Betrages aus (Art. 24 Abs. 5 EU-KPfVO). Zu einer Überpfändung kann es insoweit nicht kommen. Pfändet der Gläubiger aber Konten bei verschiedenen Banken in demselben Mitgliedstaat oder in verschiedenen Mitgliedstaaten, führen alle Banken den Beschluss in voller 10 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 7. 1 Andernfalls wird bei Schadensersatzansprüchen des Schuldners das Verschulden des Gläubigers vermutet, Art. 13 Abs. 2 lit. b.
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Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 27 EU-KPfVO
Höhe aus. Eine Beschränkung ist im Beschluss nicht vorgesehen. Übersteigt das Kontoguthaben bei verschiedenen Banken den im Beschluss angegebenen Betrag, kommt es zu einer Überpfändung. Art. 27 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO verpflichtet den Gläubiger zur Freigabe aller vorläufig gepfändeten Guthaben, die über den im Beschluss angegebenen Betrag hinausgehen (ErwGr. 29 Halbs. 2 EU-KPfVO).2 Der Gläubiger ist berechtigt, neben dem Europäischen Pfändungsbeschluss eine nationale Pfändung zu beantragen.3 Hat der Gläubiger bereits eine Pfändung nach nationalem Recht erwirkt, prüft das Ursprungsgericht, ob der Erlass des europäischen Pfändungsbeschlusses noch sinnvoll ist (Art. 16 Abs. 4 EU-KPfVO). Da das Ursprungsgericht aber die Höhe des Guthabens des zu pfändenden Kontos regelmäßig nicht kennt, kann es zur Überpfändung kommen. Art. 27 Abs. 1 lit. b EU-KPfVO verpflichtet den Gläubiger zur Freigabe, wenn der Beschluss nach einer nationalen Pfändung erlassen wurde.
3
Nicht geregelt ist, ob der Gläubiger eine Freigabe beantragen muss, wenn zunächst ein europäischer Pfändungsbeschluss und danach ein gleichwertiger nationaler Beschluss erlassen werden und die gepfändeten Guthaben die Forderung übersteigen. Eine Freigabe hinsichtlich des europäischen Pfändungsbeschlusses muss der Gläubiger nicht beantragen.4 Ob eine solche Verpflichtung für das nach nationalem Recht gepfändete Kontoguthaben besteht, regelt das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).5
4
II. Verfahren der Freigabe (Abs. 2) In Abs. 2 ist nur die Freigabe auf Antrag des Gläubigers geregelt. Daneben steht den Mitgliedstaaten jedoch frei, eine Freigabe von Amts wegen vorzusehen (Abs. 3).
5
Der Gläubiger ist zur Freigabe verpflichtet, wenn er eine bzw. mehrere Bankerklärungen erhält, aus 6 der bzw. denen sich die Überpfändung ergibt. Einerlei ist, ob sich die Überpfändung aus der ersten oder einer späteren Bankerklärung ergibt.6 Die Freigabeerklärung hat der Gläubiger bis zum Ende des dritten Arbeitstags nach Eingang der maßgeblichen Bankerklärung einzureichen (Abs. 2 Unterabs. 1). Die Erklärung genügt für die Fristwahrung nicht; erforderlich ist der Eingang der Erklärung bei der zuständigen Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats. Zuständige Behörde im Vollstreckungsstaat ist in Deutschland das AG, in dessen Bezirk das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat (§§ 952 Abs. 1 Nr. 1, 764 Aba 1 ZPO).7 Die Übermittlung der Freigabeerklärung hat der Gläubiger auf schnellstmöglichen Weg (auch: Email)8 vorzunehmen. Zur Fertigung der Freigabeerklärung muss der Gläubiger zwingend das von der Kommission erstellte Formblatt aus Anhang V DVO (EU) 2016/1823 verwenden.9
7
Die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat weist nach Eingang der Freigabeerklärung unverzüglich die Bank an, die Freigabe der überschüssigen Beträge zu veranlassen. Die Behörde entscheidet, welche Konten freigegeben werden; hierfür gilt Art. 24 Abs. 7 EU-KPfVO in umgekehrter Reihenfolge. Im Übrigen (z.B. bei zwei Girokonten) liegt die Reihenfolge im Ermessen des Gerichts. Der Bank kann die Entscheidung, welche Konten freigegeben werden, nicht überlassen werden, weil sich die Konten bei verschiedenen Banken befinden.
8
2 3 4 5 6 7 8 9
Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 1. Zu den Erklärungspflichten des Gläubigers s. Art. 16 Abs. 2, 3. Sikorski, Kontopfändungen (2018), 289. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 2; Lüttringhaus, ZZP 126 (2016) 187, 201. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 33; a.A. Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 339. Dazu Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 952 Rz. 3. Ebenso: Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 4. Alle Formblätter sind online verfügbar: https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_or der-379-de.do (27.9.2021).
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Art. 28 EU-KPfVO
Zustellung an den Schuldner
III. Folgen der Nichtfreigabe 9
Der Kommissionsentwurf enthielt weder eine Möglichkeit des Schuldners, die Freigabe durchzusetzen,10 noch Folgen für die Verletzung der Freigabeverpflichtung11 und machte die Freigabeverpflichtung damit zur Illusion. Die EU-KPfVO gibt dem Schuldner einerseits die Möglichkeit, die Freigabe mit einem Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaat (Art. 33 Abs. 1 lit. d EU-KPfVO) oder im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 34 Abs. 1 lit. b sublit. iv EU-KPfVO) durchzusetzen. Andererseits führt die Verletzung der Freigabeverpflichtung zu einer Verschuldensvermutung (Art. 13 Abs. 2 lit. b EUKPfVO).
Artikel 28 Zustellung an den Schuldner (1) Der Beschluss zur vorläufigen Pfändung, die sonstigen in Absatz 5 genannten Schriftstücke und die Erklärung nach Artikel 25 werden dem Schuldner gemäß diesem Artikel zugestellt. (2) Hat der Schuldner seinen Wohnsitz im Ursprungsmitgliedstaat, so wird die Zustellung nach dem Recht dieses Mitgliedstaats bewirkt. Die Zustellung wird von dem erlassenden Gericht oder dem Gläubiger, je nachdem, wer im Ursprungsmitgliedstaat für die Veranlassung der Zustellung zuständig ist, bis Ende des dritten Arbeitstags nach dem Tag des Erhalts der Erklärung nach Artikel 25 über vorläufig gepfändete Beträge veranlasst. (3) Hat der Schuldner seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat, so übermittelt das erlassende Gericht oder der Gläubiger, je nachdem, wer im Ursprungsmitgliedstaat für die Veranlassung der Zustellung zuständig ist, bis Ende des dritten Arbeitstags nach dem Tag des Erhalts der Erklärung nach Artikel 25 über vorläufig gepfändete Beträge die Schriftstücke nach Absatz 1 dieses Artikels der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat, gemäß Artikel 29. Diese Behörde trifft unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen, um die Zustellung an den Schuldner nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat, zu bewirken. Ist der Mitgliedstaat, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat, der einzige Vollstreckungsmitgliedstaat, so werden die Schriftstücke nach Absatz 5 dieses Artikels der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats zur gleichen Zeit wie der Beschluss gemäß Artikel 23 Absatz 3 übermittelt. In solchen Fällen veranlasst diese zuständige Behörde die Zustellung sämtlicher Schriftstücke nach Absatz 1 dieses Artikels bis zum Ende des dritten Arbeitstags nach Eingang oder Ausstellung der Erklärung gemäß Artikel 25, aus der hervorgeht, dass Beträge vorläufig gepfändet wurden. Die zuständige Behörde unterrichtet das erlassende Gericht oder den Gläubiger, je nachdem, wer die zuzustellenden Schriftstücke übermittelt hat, über das Ergebnis der Zustellung an den Schuldner. (4) Hat der Schuldner seinen Wohnsitz in einem Drittstaat, so wird die Zustellung gemäß den im Ursprungsmitgliedstaat geltenden Vorschriften für die internationale Zustellung bewirkt. (5) Folgende Schriftstücke, denen erforderlichenfalls eine Übersetzung oder Transliteration nach Artikel 49 Absatz 1 beigefügt wird, werden dem Schuldner zugestellt: a) der Beschluss zur vorläufigen Pfändung unter Verwendung der Teile A und B des Formblatts nach Artikel 19 Absätze 2 und 3; b) der Antrag auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung, der vom Gläubiger beim Gericht eingereicht wurde;
10 Für einen Rechtsbehelf: Häcker, WM 2012, 2180, 2186; Deutscher Bundesrat, BR-Drucks. 416/11, 8; Harbeck, ZInsO 2012, 805, 809; Schimrick, Forderungsvollstreckung (2012), 297; Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 277. 11 Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 407.
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Wiedemann
Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 28 EU-KPfVO
c) Abschriften aller Schriftstücke, die der Gläubiger dem Gericht zur Erwirkung des Beschlusses vorgelegt hat. (6) Betrifft der Beschluss zur vorläufigen Pfändung mehr als eine Bank, so wird dem Schuldner nur die erste Erklärung nach Artikel 25, aus der hervorgeht, dass Beträge vorläufig gepfändet wurden, gemäß diesem Artikel zugestellt. Spätere Erklärungen nach Artikel 25 werden dem Schuldner unverzüglich zur Kenntnis gebracht. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der Zustellung . . . . . . . . . . . . . .
1 2
III. Zustellungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 1. Schuldner mit Wohnsitz im Ursprungsmitgliedstaat (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . 2. Schuldner mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat a) Wohnsitzmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat verschieden (Abs. 3 Unterabs. 1) . . . . . . . . . . . . .
3 4 5
b) Wohnsitzmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat identisch (Abs. 3 Unterabs. 2, 3) . . . . . . . . . . . . 3. Schuldner mit Wohnsitz in einem Drittstaat (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8 9
IV. Fristen (Abs. 2, 3) . . . . . . . . . . . . . . . . 10 V. Rechtsfolge bei Zustellungsfehlern . . . . . . 11
6
I. Normzweck Art. 28 EU-KPfVO regelt die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Schuldner. Die Zustel- 1 lung erfolgt erst nach Eingang der gem. Art. 25 EU-KPfVO gefertigten Erklärung der Bank, um den Überraschungseffekt der Pfändung zu garantieren (vgl. Art. 11 EU-KPfVO). Die Zustellung soll dem Schuldner die Möglichkeit geben, von den Rechtsbehelfen nach Art. 33 ff. EU-KPfVO Gebrauch zu machen. Bei einer fehlgeschlagenen Kontenpfändung, d.h. wenn keine Beträge gepfändet wurden, wird dem Schuldner der Pfändungsbeschluss nicht zugestellt; andernfalls ginge der Überraschungseffekt für spätere Pfändungen verloren.1
II. Inhalt der Zustellung Dem Schuldner wird zum einen der Pfändungsbeschluss zugestellt (Abs. 1). Der Pfändungsbeschluss 2 besteht aus den Teilen A und B des Formblatts (Abs. 5 lit. a, Art. 19 Abs. 2, 3 EU-KPfVO). Zum anderen erhält der Schuldner eine Kopie des Antrags des Gläubigers (Abs. 5 lit. b) und aller Dokumente (insbesondere: Beweismittel), die der Gläubiger zusammen mit dem Antrag eingereicht hat (Abs. 5 lit. c, ErwGr. 31 S. 2 EU-KPfVO); dem Gericht kommt insoweit kein Ermessen zu.2 Schließlich wird dem Schuldner auch die Bankerklärung nach Art. 25 EU-KPfVO zugestellt (Abs. 1, 6 S. 1); bei späteren Bankerklärungen genügt die formlose Übermittlung (Abs. 6 S. 2).3 Ob eine Übersetzung oder eine Transliteration erforderlich ist, bestimmt Art. 49 Abs. 1 EU-KPfVO.
III. Zustellungsverfahren Das Zustellungsverfahren hängt davon ab, ob der Schuldner seinen Wohnsitz im Ursprungsmitgliedstaat (Abs. 2), in einem anderen Mitgliedstaat (Abs. 3) oder in einem Drittstaat (Abs. 4) hat. Es handelt sich um eine förmliche Zustellung und nicht um eine bloße Übermittlung.4
1 Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 80; Schumacher/Köllensperger/ Trenker/Trenker, Rz. 7. 2 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 2. 3 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 3. 4 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2. Zur Differenzierung zwischen „notification“ und „signification“ in der französischen Verordnungsversion vgl. Jeuland, IJPL 2016, 283, 293.
Wiedemann
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3
Art. 28 EU-KPfVO
Zustellung an den Schuldner
1. Schuldner mit Wohnsitz im Ursprungsmitgliedstaat (Abs. 2) 4
Hat der Schuldner seinen Wohnsitz im Ursprungsmitgliedstaat, regelt das nationale Recht das Zustellungsverfahren. Das Gericht oder der Gläubiger, je nachdem wer im Ursprungsmitgliedstaat für die Zustellung zuständig ist, hat die Zustellung bis zum Ende des dritten Arbeitstages nach Erhalt der Bankerklärung zu bewirken. In Deutschland erfolgt die Zustellung durch das Gericht, das den Beschluss erlassen hat (§ 951 ZPO). 2. Schuldner mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat
5
An Schuldner, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Ursprungsmitgliedstaat haben, wird der Beschluss nicht direkt zugestellt. Ebenso wie für die grenzüberschreitende Übermittlung des Beschlusses an die Bank (Art. 23 EU-KPfVO) sieht die EU-KPfVO auch für die grenzüberschreitende Übermittlung des Beschlusses an den Schuldner eine indirekte Zustellung vor. Diese indirekte Zustellung verzögert die Mitteilung an den Schuldner und ist, anders als die indirekte Zustellung an die Bank, nicht sachlich gerechtfertigt.5 Eine direkte Zustellung, wie auch in Art. 14 EGZustVO 2007 vorgesehen, wäre einer zügigen Information des Schuldners, die auch der Rat als wesentliches Ziel ansah,6 dienlicher gewesen.7 a) Wohnsitzmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat verschieden (Abs. 3 Unterabs. 1)
6
Ist der Wohnsitzmitgliedstaat des Schuldners nicht sogleich einziger Vollstreckungsmitgliedstaat, übermittelt das Gericht oder der Gläubiger den Beschluss an die zuständige Behörde im Wohnsitzmitgliedstaat (Art. 4 Nr. 14 EU-KPfVO). In Deutschland übermittelt das Gericht den Beschluss an das AG, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz hat (§ 952 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).8 Für die Übermittlung gilt Art. 29 EU-KPfVO. Die EG-ZustVO (2007) findet keine Anwendung (Art. 48 lit. a EUKPfVO).
7
Die Behörde im Wohnsitzmitgliedstaat nimmt sodann unverzüglich die nach dem Recht des Wohnsitzmitgliedstaats erforderlichen Maßnahmen vor, um die Zustellung an den Schuldner zu bewirken. Der Gläubiger muss nicht (erneut) tätig werden. b) Wohnsitzmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat identisch (Abs. 3 Unterabs. 2, 3)
8
Ist der Wohnsitzmitgliedstaat zugleich einziger Vollstreckungsmitgliedstaat, übermittelt das Gericht oder der Gläubiger, je nachdem wer gem. Art. 23 Abs. 3 EU-KPfVO zuständig ist, alle für den Schuldner bestimmten Schriftstücke sogleich mit den für die Bank bestimmten Schriftstücke an die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Abs. 3 Unterabs. 2 S. 1, Art. 23 Abs. 3 EU-KPfVO, § 952 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat veranlasst bis zum Ende des dritten Arbeitstages nach Eingang oder Ausstellung der Bankerklärung (Art. 25 EU-KPfVO) die Zustellung an den Schuldner (Abs. 3 Unterabs. 2 S. 2). Der Gläubiger muss im Vollstreckungsmitgliedstaat nicht (erneut) tätig werden. 3. Schuldner mit Wohnsitz in einem Drittstaat (Abs. 4)
9
Hat der Schuldner seinen Wohnsitz in einem Drittstaat, verweist Abs. 4 auf die im Ursprungsmitgliedstaat geltenden Vorschriften über die internationale Zustellung (z.B. Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965).9 5 Für eine zügige, direkte Zustellung auch Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 290; Hess in FS Kaissis (2012), 399, 410. 6 Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 31.10.2013, 15288/13, 6. 7 Krit. auch Domej, GPR 2017, 84, 90; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5; Jeuland, IJPL 2016, 283, 293. 8 Art. 4 Nr. 14, Art. 50 Abs. 1 lit. e EU-KPfVO. 9 Eine entsprechende Vorschrift fehlte im Kommissionsentwurf vgl. Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 15.
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Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 29 EU-KPfVO
IV. Fristen (Abs. 2, 3) Der Schuldner soll wegen des Überraschungseffekts der Pfändung so spät wie nötig, aber gleichzeitig zur Wahrung seiner Rechte so früh wie möglich informiert werden.10 Die Verordnung sieht daher als Fortschritt zum Kommissionsentwurf 11 klare Fristen für die Zustellung an den Schuldner vor. Die Zustellung soll bis zum Ende des dritten Arbeitstags nach dem Tag des Erhalts der Bankerklärung veranlasst werden.12 Die Frist gilt jedoch nur für die direkte Zustellung des Ursprungsgerichts oder des Gläubigers an den Schuldner (Abs. 2), für die Übermittlung des Ursprungsgerichts oder des Gläubigers an die Behörde im Wohnsitzmitgliedstaat (Abs. 3 Unterabs. 1 S. 1) und für die Übermittlung der Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat an den Schuldner (Abs. 3 Unterabs. 2 S. 2). Die Übermittlung des Beschlusses von der Behörde im Wohnsitzmitgliedstaat an den Schuldner hat unverzüglich zu erfolgen (Abs. 3 Unterabs. 1 S. 2). Für die Übermittlung vom Ursprungsgericht an den Schuldner mit Wohnsitz in einem Drittstaat gilt keine Frist (Abs. 4).13
10
V. Rechtsfolge bei Zustellungsfehlern Wird der Beschluss dem Schuldner nicht innerhalb von 14 Tagen nach der vorläufigen Pfändung sei- 11 nes Kontos zugestellt oder entsprechen die zugestellten Schriftstücke nicht den Sprachanforderungen nach Art. 49 EU-KPfVO, so wird der Beschluss auf Rechtsbehelf des Schuldners hin vom Ursprungsgericht (Art. 33 Abs. 1 lit. b, c EU-KPfVO) oder vom Vollstreckungsgericht (Art. 34 Abs. 1 lit. b iv EU-KPfVO) widerrufen. Zustellungsmängel können allerdings nach Art. 33 Abs. 3–5 EU-KPfVO geheilt werden.
Artikel 29 Übermittlung von Schriftstücken (1) Ist in dieser Verordnung eine Übermittlung von Schriftstücken gemäß diesem Artikel vorgesehen, so kann diese Übermittlung mit geeigneten Mitteln vorgenommen werden, sofern der Inhalt des empfangenen Dokuments mit dem des übermittelten Dokuments inhaltlich genau übereinstimmt und sämtliche enthaltenen Angaben mühelos lesbar sind. (2) Das Gericht oder die Behörde, bei dem bzw. der Schriftstücke gemäß Absatz 1 dieses Artikels eingegangen sind, übersendet bis zum Ende des dem Tag des Eingangs folgenden Arbeitstags der Behörde, dem Gläubiger oder der Bank, die bzw. der die Schriftstücke übermittelt hat, auf dem schnellstmöglichem Wege eine Empfangsbestätigung unter Verwendung des Formblatts, das im Wege von gemäß dem Beratungsverfahren nach Artikel 52 Absatz 2 erlassenen Durchführungsrechtsakten erstellt wurde. I. II. 1. 2.
10 11 12 13
Normzweck . . . . . . Anwendungsbereich . Auskunftsersuchen . . Pfändungsbeschluss .
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1 2 3 4
3. Weitere Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . III. Form der Übermittlung . . . . . . . . . . . . .
5 6
IV. Empfangsbestätigung . . . . . . . . . . . . . .
7
Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 14. Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 25. Zur Fristberechnung s. ErwGr. 38 EU-KPfVO. Krit. zur Unvollständigkeit der Fristenregelung s. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 5.
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Art. 29 EU-KPfVO
Übermittlung von Schriftstücken
I. Normzweck 1
Art. 29 EU-KPfVO etabliert eine verordnungseigene Regelung für die Übermittlung von Schriftstücken.1 Die EG-ZustVO 2007, insbesondere die direkte internationale Zustellung nach Art. 14 EGZustVO 2007, findet nur Anwendung, soweit Art. 29 EU-KPfVO keine Regelungen vorsieht (Art. 48 lit. a EU-KPfVO).
II. Anwendungsbereich 2
Die Verfahrenssituationen, in denen eine Übermittlung nach Art. 29 vorgeschrieben ist, betreffen sowohl innerstaatliche als auch grenzüberschreitende Übermittlungen von Schriftstücken. Systematisch wäre Art. 29 EU-KPfVO in Kap. 5 besser aufgehoben, denn er gilt sowohl für Kap. 2 und 3 als auch für Kap. 4.2 1. Auskunftsersuchen
3
Stellt der Gläubiger einen Antrag auf Einholung von Konteninformationen, übermittelt das Ursprungsgericht das Auskunftsersuchen an die Auskunftsbehörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 14 Abs. 3 EU-KPfVO) und die Auskunftsbehörde sendet die Kontoinformationen zurück an das Ursprungsgericht (Art. 14 Abs. 6 EU-KPfVO). Für beide Übermittlungen gilt Art. 29 EU-KPfVO, einerlei ob Ursprungsgericht und Auskunftsbehörde ihren Sitz im selben Mitgliedstaat haben. Einfacher und dem Subsidiaritätsprinzip dienlicher3 wäre wohl eine Beschränkung der Anwendung von Art. 29 EUKPfVO auf grenzüberschreitende Übermittlungen und die Anwendung des nationalen Rechts im Übrigen. 2. Pfändungsbeschluss
4
Art. 29 EU-KPfVO gilt für die indirekte Übermittlung des Pfändungsbeschlusses an die Bank, wenn sich das Konto in einem anderen Mitgliedstaat als das Ursprungsgericht befindet. Das Ursprungsgericht oder der Gläubiger, je nachdem, wer nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats dafür zuständig ist, übermittelt den Beschluss nach Art. 29 EU-KPfVO an die Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 23 Abs. 3 EU-KPfVO). Die Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat übermittelt den Beschluss sodann an die Bank. Über Form (Zustellung oder einfache Übermittlung) der Übermittlung von der Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat an die Bank entscheidet das nationale Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. Befindet sich das Konto im selben Mitgliedstaat wie das Ursprungsgericht wird keine Empfangsstelle zwischengeschaltet; die Übermittlung gemäß dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates erfolgt direkt vom Ursprungsgericht oder dem Gläubiger an die Bank (Art. 23 Abs. 1 EUKPfVO). 3. Weitere Anwendungsfälle
5
Art. 29 EU-KPfVO findet außerdem Anwendung bei der Übermittlung des Widerrufsbeschlusses vom Ursprungsgericht an die Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 3 EUKPfVO), bei der Übermittlung der Bankerklärung von der Bank an das Ursprungsgericht (Art. 25 Abs. 2 EU-KPfVO) oder an die Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 25 Abs. 3 Unterabs. 1 EU-KPfVO) sowie bei der Weiterübermittlung der Bankerklärung von der Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat an das Ursprungsgericht (Art. 25 Abs. 3 Unterabs. 2 EU-KPfVO), bei der Übermittlung der für den Schuldner bestimmten Unterlagen durch das Ursprungsgericht oder den Gläubiger an die Behörde im Wohnsitzmitgliedstaat des Schuldners (Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 1 EU-KPfVO) oder an die Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 28 Abs. 3 Unterabs. 2, 23 Abs. 3 EU-KPfVO) und 1 Anders noch der Kommissionsentwurf, der Verweise auf die EG-ZustVO 2007 enthielt, vgl. Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 24 Abs. 3. 2 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2. 3 Krit. auch Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 2 (Kompetenzverletzung).
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Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 30 EU-KPfVO
schließlich bei der Übermittlung der Rechtsbehelfsentscheidung vom Ursprungsgericht an die Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 36 Abs. 5 Unterabs. 2 EU-KPfVO).
III. Form der Übermittlung Den Gedanken des Art. 4 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 übernehmend4 eröffnet Art. 29 Abs. 1 EU-KPfVO die Möglichkeit der Übermittlung auf geeignetem Weg, sofern das empfangene Dokument mit dem übermittelten Dokument inhaltlich übereinstimmt und mühelos lesbar ist. Möglich sind daher auch Fax und E-Mail.5 Sinn und Zweck dieser flexiblen Regelung ist es, eine zügige Vollstreckung sicherzustellen (ErwGr. 24 EU-KPfVO).
6
IV. Empfangsbestätigung Darüber hinaus muss das Gericht oder die Behörde, bei dem bzw. bei der Schriftstücke eingegangen sind, eine Empfangsbestätigung auf einem besonderen Formblatt erstellen und auf dem schnellstmöglichen Weg dem Absender der Schriftstücke übermitteln (Art. 29 Abs. 2 EU-KPfVO). Das Formblatt gem. Anhang VI der VO 2016/1823 (Art. 51, 52 EU-KPfVO)6 ist an das nach Art. 10 EG-ZustVO 2007 anzufertigende Formblatt angelehnt7 und ist zwingend. Die Frist für die Übermittlung der Empfangsbestätigung endet am Ende des Tages nach dem Eingang des Schriftstückes.8
7
Artikel 30 Vorläufige Pfändung bei Gemeinschaftskonten und Treuhandkonten Die Gelder auf Konten, über die den Unterlagen der kontoführenden Bank zufolge der Schuldner nicht allein verfügen kann oder über die ein Dritter im Namen des Schuldners oder der Schuldner im Namen eines Dritten verfügen kann, dürfen nach dieser Verordnung nur insoweit vorläufig gepfändet werden, wie sie nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats pfändbar sind.
I. Normzweck Art. 30 EU-KPfVO enthält für die Pfändbarkeit von Gemeinschafts- und Treuhandkonten eine auf das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats verweisende Kollisionsnorm.
1
II. Gemeinschaftskonten In den meisten Mitgliedstaaten existieren, wie in Deutschland, zwei verschiedene Formen von Gemeinschaftskonten: Entweder alle Kontoinhaber können allein über das Kontoguthaben verfügen (Oder-Konto) oder alle Kontoinhaber können nur gemeinschaftlich verfügen (Und-Konto).1 Aus der englischen Sprachfassung2 ergibt sich, dass Art. 30 EU-KPfVO alle Gemeinschaftskonten erfasst, d.h. 4 Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, 43 Fn. 53. 5 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3. 6 Alle Formblätter sind online verfügbar: https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_or der-379-de.do (27.9.2021). 7 Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, 43 Fn. 55. 8 Für die Fristberechnung s. ErwGr. 38 EU-KPfVO. 1 Ritz, Kontenpfändung (2019), 108 ff.; zur Pfändbarkeit von Gemeinschaftskonten in Spanien s. Senés Motilla, Revista Española de Derecho Internacional 2017, 309, 315 f. Rz. 26. 2 „Funds held in account which, according to the bank’s records, are not exclusively held by the debtor …“
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2
Art. 30 EU-KPfVO
Vorläufige Pfändung bei Gemeinschaftskonten und Treuhandkonten
nicht nur Und-Konten, sondern auch Oder-Konten;3 zudem existieren nationale Unterschiede gerade im Hinblick auf Oder-Konten,4 sodass insbesondere in Bezug auf Oder-Konten eine Verweisung notwendig ist. 3
Die Pfändung von Gemeinschaftskonten berührt nicht nur Fragen des Verfahrensrechts, sondern hinsichtlich der Gemeinschaftsverhältnisse der Konteninhaber auch Fragen des materiellen Rechts.5 Die Pfändbarkeit von Gemeinschaftskonten richtet sich deshalb nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. Ob Gemeinschaftskonten pfändbar sind, haben die Mitgliedstaaten gem. Art. 50 Abs. 1 lit. g EU-KPfVO mitgeteilt.6 Sind Gemeinschaftskonten pfändbar und bezieht sich der Beschluss auch auf alleinige Konten des Schuldners, erfolgt die Ausführung der Pfändung zunächst im Hinblick auf die alleinigen Konten des Schuldners (Art. 24 Abs. 7 EU-KPfVO).
III. Treuhandkonten 4
Nicht nur die Konten, die der Schuldner im eigenen Namen führt, sondern auch die „im fremden Namen für den Schuldner“ geführten Konten können grundsätzlich von der Pfändung betroffen sein (Art. 4 Nr. 1 EU-KPfVO). Art. 30 EU-KPfVO überlässt dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats die Entscheidung über die Pfändbarkeit von Konten, über die ein Dritter im Namen des Schuldners oder der Schuldner im Namen eines Dritten verfügen kann. Ein klarstellender Verweis in Art. 4 Nr. 1 EU-KPfVO auf Art. 30 EU-KPfVO hätte freilich die Handhabung der Verordnung vereinfacht. Ob Treuhandkonten pfändbar sind, haben die Mitgliedstaaten gem. Art. 50 Abs. 1 lit. g EU-KPfVO mitgeteilt.7
5
Der Verweis in Art. 30 EU-KPfVO gilt nur für Konten, für die „den Unterlagen der kontoführenden Bank“ zufolge eine Spaltung von Verfügungsberechtigung und Forderungsinhaberschaft besteht (offene Treuhandkonten).8 Der Verweis gilt nicht, wenn die Bank keine Kenntnis von dem Treuhandverhältnis hat (verdeckte Treuhandkonten).9 Da Frage nach der Behandlung verdeckter Treuhandkonten bereits im Gesetzgebungsverfahren aufgeworfen10 und gleichwohl der Verweis nur für aktenkundige Treuhandverhältnisse aufgenommen wurde, ist davon auszugehen, dass gegen verdeckt Forderungsberechtigte keine Pfändung erfolgen kann.11 Art. 30 EU-KPfVO behandelt auch nicht den Fall, dass der Schuldner das Konto nahestehender Personen nutzt und sich die Verfügungsbefugnis einräumen lässt, um der Vollstreckung zu entgehen, aber gleichwohl am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilnehmen zu können (verdeckte Fremdkonten). In diesem Fall, d.h. wenn das Konto im Namen eines Dritten geführt wird und der Schuldner heimlicher wirtschaftlicher Forderungsinhaber bzw. Treugeber ist, ist die Pfändung des Kontos wegen einer Forderung gegen den Schuldner nicht möglich.
6
Zulässig ist folglich nur die Pfändung offen geführter Treuhandkonten (z.B. Anderkonten) durch Gläubiger des Treugebers oder Gläubiger des Treuhänders, soweit das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats eine Pfändung erlaubt. In Deutschland können die Gläubiger des rechtlich Kontoforderungsberechtigen (des Treuhänders) das Konto mithilfe eines europäischen Pfändungsbeschlusses zunächst pfänden; der wirtschaftlich Berechtigte (Treugeber) kann jedoch ggf. gemäß § 771 ZPO vorgehen (Art. 39 EU-KPfVO).12 Gläubigern des Treugebers bleibt die Pfändung des Anspruchs des 3 Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 2; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 2; a.A. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2 (nur Und-Konten erfasst). 4 Ritz, Kontenpfändung (2019), 108 ff. 5 S. dazu Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 278. 6 Informationen zu den einzelnen Mitgliedstaaten finden sich im Europäische Justizatlas für Zivilsachen: https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_order-379-de.do (27.9.2021). 7 Informationen zu den einzelnen Mitgliedstaaten finden sich im Europäische Justizatlas für Zivilsachen: https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_order-379-de.do (27.9.2021). 8 Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 4. 9 Dazu bereits Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, SEK (2006) 1341, 4.3.3. 10 Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 18. 11 Zum Rechtsschutz Dritter bei Pfändung gegen den Buchberechtigten s. Art. 39 EU-KPfVO. 12 Lange, NJW 2007, 2513, 2515.
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Wiedemann
Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 31 EU-KPfVO
Schuldners gegen den Kontoinhaber auf Herausgabe der eingegangenen Gutschriften,13 welche als Vollstreckung in eine sonstige Forderung nicht der EU-KPfVO unterliegt.
Artikel 31 Von der vorläufigen Pfändung ausgenommene Beträge (1) Die nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats von der Pfändung freigestellten Beträge werden von der vorläufigen Pfändung gemäß dieser Verordnung ausgenommen. (2) Sind die in Absatz 1 genannten Beträge nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats ohne einen Antrag des Schuldners von der Pfändung freigestellt, so stellt die in diesem Mitgliedstaat für die Freistellung der Beträge zuständige Stelle von sich aus diese Beträge von der vorläufigen Pfändung frei. (3) Sind die in Absatz 1 dieses Artikels genannten Beträge nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats auf Antrag des Schuldners von der Pfändung freigestellt, so werden diese Beträge auf Antrag des Schuldners von der vorläufigen Pfändung freigestellt, wie in Artikel 34 Absatz 1 Buchstabe a vorgesehen.
I. Anwendbares Recht (Abs. 1) Die Bestimmung der Beträge, die nötig sind, um den Lebensunterhalt bzw. die Fortsetzung des normalen Geschäftsbetriebs des Schuldners zu sichern, ist dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats überlassen (Abs. 1). Das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates entscheidet, ob Freibeträge nur für Privatpersonen oder auch für Unternehmen gelten1 und wie hoch die Freibeträge sind. Die Mitgliedstaaten teilen gem. Art. 50 Abs. 1 lit. h EU-KPfVO der Kommission ihre Pfändungsschutzregelungen mit; Informationen zu den einzelnen Mitgliedstaaten finden sich im Europäischen Justizatlas für Zivilsachen.2
1
Da die von der Sicherung ausgenommenen Beträge an die Lebenshaltungskosten im jeweiligen Staat geknüpft sind, erscheint die Verweisung auf das Recht im Vollstreckungsmitgliedstaat auf den ersten Blick wenig angemessen. Alternativ wurde eine unionsweite Regelung oder die Anknüpfung an das Recht des Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsmitgliedstaats des Schuldners erwogen.3 Eine unionsweit einheitliche Regelung der Pfändungsfreibeträge ist wegen der unterschiedlich hohen Lebenshaltungskosten nicht durchführbar.4 Möglich gewesen wäre jedoch eine Rahmenregelung zum Pfändungsschutz mit Delegation der Pfändungsfreibeträge an das mitgliedstaatliche Vollstreckungsrecht oder, soweit sich dort keine Regelungen finden, an mitgliedstaatliches Sozialrecht.5
2
Mit dem Verweis auf das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats wird den Behörden die Anwendung ausländischer Pfändungsschutzvorschriften erspart. Art. 31 dient damit der Praktikabilität und ermöglicht ein zügiges Verfahren.6 Ist allerdings das Gericht am Schuldnerwohnsitz für den Erlass des Pfändungsbeschlusses zuständig (z.B. Art. 6 Abs. 2 EU-KPfVO), könnte das Ursprungsgericht die Pfändungsfreigrenzen bestimmen, ohne dass die Behörden des Vollstreckungsmitgliedstaats weiter belastet würden.7 Aber auch in diesem Fall verzichtet die Verordnung auf einen Verweis auf das Recht des Wohnsitzmitgliedstaats.
3
13 Lange, NJW 2007, 2513, 2515. Zur Rechtslage in Österreich s. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 10 f. 1 Dazu Schumacher in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich V (2018), 73, 82 f. 2 https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_order-379-de.do (27.9.2021). 3 Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 279 ff.; Domej, ZEuP 2013, 496, 512. 4 Harbeck, ZInsO 2012, 805, 810. 5 In diese Richtung bereits Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, SEK (2006) 1341, 4.4. 6 Domej, ZEuP 2013, 496, 507; Eichel NZI 2017, 790, 793. 7 Nunner-Krautgasser, in Hess (Hrsg.) Anerkennung (2014), 125, 144.
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Art. 31 EU-KPfVO 4
Von der vorläufigen Pfändung ausgenommene Beträge
Grund für die uneingeschränkte Verweisung auf das Rechts des Vollstreckungsmitgliedstaats ist die enge Verknüpfung der Pfändungsfreigrenzen mit der Gläubigerrangfolge: In Deutschland hängt der unpfändbare Betrag, soweit Arbeitseinkommen auf das Konto fließt, davon ab, ob ein gewöhnlicher Gläubiger, ein Unterhaltsgläubiger oder eine Gläubiger mit einem Anspruch aus unerlaubter Handlung vollstreckt. Unterhaltsgläubiger und Gläubiger mit einem Anspruch aus unerlaubter Handlung sind als privilegierte Gläubiger berechtigt, einen höheren Betrag zu pfänden. Die Privilegierung äußert sich folglich in einer Vorrangstellung der privilegierten Gläubiger hinsichtlich des den grundsätzlich pfändbaren Betrag übersteigenden Betrags. Würde der pfändbare Betrag einer Forderung nicht hinsichtlich aller Gläubiger nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats bestimmt, ginge die Einteilung der Gläubiger in Rangklassen verloren.
II. Verfahren (Abs. 2, 3) 5
Die Freibeträge sind von der im Vollstreckungsmitgliedstaat für die Freigabe zuständigen Stelle von Amts wegen zu beachten, soweit sie nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats ohne Antrag von der Pfändung freizustellen sind und sie ohne Zutun des Schuldners ermittelt werden können (Art. 31 Abs. 2 EU-KPfVO). Bei der zuständigen Stelle kann es sich um ein Gericht, eine Bank oder die zuständige Vollstreckungsbehörde handeln.8 Andernfalls muss der Schuldner die Freigabe beim Gericht oder bei der zuständigen Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat gem. Art. 34 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO beantragen (Abs. 3).
6
Unpfändbare Beträge wurden in Deutschland nach bisherigem Recht auf Antrag des Schuldners gem. § 850k ZPO a.F., § 56 SGB I a.F. berücksichtigt, wenn wiederkehrende Einkünfte der in §§ 850 bis 850b ZPO bezeichneten Art (z.B. Arbeitseinkommen oder Sozialleistungen) auf ein Konto gezahlt wurden. Seit 1.7.20109 wird der Pfändungsschutz nur noch für Pfändungsschutzkonten (P-Konten) gewährt.10 Jede natürliche Person kann von ihrem Kreditinstitut die Führung eines Kontos als P-Konto verlangen (§§ 950, 850k Abs. 7 S. 2, Abs. 8 ZPO). Hat der Schuldner ein P-Konto, muss er keinen Pfändungsschutz mehr beantragen, sondern die Bank belässt monatlich „automatisch“ einen Sockelfreibetrag in Höhe des Pfändungsfreibetrages (§ 850c ZPO) pfändungsfrei. Der monatliche Freibetrag kann um weitere Beträge erhöht werden, wenn der Schuldner dem Vollstreckungsgericht die Voraussetzungen nachweist.
7
Für die europäische Kontenpfändung bedeutet dies: Betrifft die Pfändung ein Pfändungsschutzkonto, belässt die Bank dem Schuldner die Verfügung über den Sockelfreibetrag und sperrt das Konto nur hinsichtlich des darüberhinausgehenden Guthabens.11 Will der Schuldner, z.B. wegen Unterhaltspflichten, einen weiteren Freibetrag beantragen, kann er einen Rechtsbehelf im Vollstreckungsmitgliedstaat einlegen (Art. 34 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO). Hat der Schuldner noch kein P-Konto muss er sich zunächst zur Umwandlung seines Kontos an seine Bank wenden.
III. Pfändung mehrerer Konten 8
Werden Konten in mehreren Mitgliedstaaten vorläufig gepfändet und wurde der Pfändungsschutz mehrfach angewandt, kann der Gläubiger jederzeit die Aufhebung des Pfändungsschutzes bei einem dieser Konten verlangen (Art. 35 Abs. 4 EU-KPfVO).
8 9 10 11
Rat der EU, Addendum zum Vermerk des Vorsitzes, 28.11.2013, 16991/13 ADD 1, 44 Fn. 56. Gesetz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.2009 BGBl. 2009 I 39, 1707. Das P-Konto ist nicht gem. Art. 1 Abs. 3 dem Anwendungsbereich der EU-KPfVO entzogen. Ritz, Kontenpfändung (2019), 150.
602
Wiedemann
Kap. 3: Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung
Art. 32 EU-KPfVO
Artikel 32 Rang des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung Der Beschluss zur vorläufigen Pfändung hat gegebenenfalls denselben Rang, den ein gleichwertiger nationaler Beschluss im Vollstreckungsmitgliedstaat besitzt.
I. Möglichkeit der Mehrfachpfändung Die Verordnung erlaubt grundsätzlich die mehrfache Pfändung einer Kontoforderung durch konkur- 1 rierende Gläubiger mittels EU-KPf-Beschluss (Art. 24 Abs. 3 lit. c EU-KPfVO).1 Zudem ist die mehrfache Pfändung einer Kontoforderung durch EU-KPf-Beschluss und nationale Pfändungsbeschlüsse möglich. Ob die Mehrfachpfändung im Einzelfall zulässig ist, entscheidet das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).2 Das nach Art. 32 EU-KPfVO anwendbare Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates bestimmt, welche Pfändung Priorität hat, einerlei, ob es sich dabei um eine inländische oder unionsrechtliche Maßnahme handelt.3 Dabei betrifft Art. 32 EU-KPfVO sowohl das Verhältnis zu anderen Vollstreckungsmaßnahmen als auch das Verhältnis zu vertraglichen und gesetzlichen Pfandrechten sowie Sicherungsabtretungen.
II. Rang der vorläufigen Pfändung Ist die Mehrfachpfändung wegen verschiedener Ansprüche zulässig, stellt sich die Frage nach dem Rang der Gläubiger untereinander. Die von der Kommission bereits im Arbeitsdokument zum Grünbuch4 befürwortete Delegation der Gläubigerrangfolge an das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats hat Eingang in die Verordnung gefunden. Die vorläufige Pfändung hat den Rang einer funktionsäquivalenten nationalen Maßnahme (s. auch Art. 23 EU-KPfVO Rz. 12).
2
Angesichts des möglichen Zusammentreffens mit nationalen Maßnahmen und der unterschiedlichen Ansätze zur Wirkung der Pfändung (Art. 23 EU-KPfVO Rz. 13) und zur Gläubigerrangfolge in den Mitgliedstaaten5 ist diese Delegation zu begrüßen. Viele Mitgliedstaaten wenden das „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“-Prinzip an. Andere Vollstreckungssysteme basieren auf dem „Gruppenprinzip“. Maßnahmen ohne dinglichen, sondern mit in personam-Effekt in den Common-Law-Staaten (freezing orders, früher: Mareva injunctions)6 beeinflussen dagegen den Gläubigerrang nicht, sondern verbieten dem Schuldner lediglich, über sein Vermögen zu verfügen. Außerdem sind mit der Sicherung andere Wirkungen, wie die Wirksamkeit von Verfügungen und Absonderungsrechte im Insolvenzverfahren verknüpft.
3
Die Mitgliedstaaten teilen gem. Art. 50 Abs. 1 lit. k EU-KPfVO der Kommission mit, ob und wenn ja welcher Rang dem Pfändungsbeschluss zukommt; Informationen zu den einzelnen Mitgliedstaaten finden sich im Europäischen Justizatlas für Zivilsachen.7
4
1 Orfanidis in Hopt/Tzouganatos, Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014) 263, 273. 2 Orfanidis in Hopt/Tzouganatos, Das Europäische Wirtschaftsrecht vor neuen Herausforderungen (2014) 263, 273. 3 Cranshaw, ZInsO 2018, 1383, 1390. 4 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, SEK(2006) 1341, 5.3. 5 Hess, Study, 18.2.2004, JAI/A3/2002/02, 9, 72; Ritz, Kontenpfändung (2019), 177 f. 6 S. dazu McGrath, CJQ 2012, 31(1), 12 ff.; Andow, Bus. L. Rev. 2010, 28 ff.; Veit/Sprange, Bus. L. Int. 2004, 400 ff. 7 https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_order-379-de.do (27.9.2021).
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603
Art. 33 EU-KPfVO
Rechtsbehelf des Schuldners gegen den Beschluss zur vorläufigen Pfändung
III. Bedeutung des Rangs im deutschen Recht 5
Bei Vollstreckung in Deutschland hat der Europäische Pfändungsbeschluss den Rang eines Arrestpfandrechts (§§ 950, 930 Abs. 1 S 2, 804 Abs. 3 ZPO).8 Das durch die Europäische Kontenpfändung begründete Pfandrecht geht im Hinblick auf die Kontoforderung demjenigen Pfandrecht vor, dass durch eine zeitlich spätere Pfändung begründet wird. Der Rang erlangt Bedeutung im Verteilungsverfahren (§ 872 ff. ZPO) zwischen mehreren Gläubigern. Der im Verteilungsverfahren auf den Arrestgläubiger entfallende Betrag ist wegen der vorläufigen Natur der Pfändung (Art. 1 Abs. 1 EU-KPfVO) allerdings nicht auszuzahlen, sondern gem. § 930 Abs. 2 Alt. 2 ZPO zu hinterlegen. Dass § 950 ZPO den § 930 Abs. 2 Alt. 2 ZPO nicht für anwendbar erklärt, könnte damit zusammenhängen, dass die EU-KPfVO eine Umwandlung des Sicherungspfandrechts in ein Befriedigungspfandrecht nicht regelt und der deutsche Gesetzgeber eine mögliche Umwandlung nach deutschem Recht nicht gesehen hat. Gleichwohl sollte bei Mehrfachpfändung der auf den Gläubiger eines Europäischen Pfändungsbeschlusses entfallende Betrag zunächst hinterlegt werden; andernfalls ginge der Verweis in § 950 ZPO auf §§ 930 Abs. 1 S. 2, 804 ZPO und der damit gewährte Rang ins Leere. Zu einer Auszahlung des gepfändeten Betrages kommt es erst nach der Umwandlung des Arrestpfandrechtes in ein zur Befriedigung berechtigendes Pfandrecht (Art. 20 EU-KPfVO Rz. 6 f.). Bedeutung erlangt der Rang zudem in der Insolvenz (Art. 46 Abs. 2 EU-KPfVO).
Kapitel 4 Rechtsbehelfe (Art. 33–Art. 39)
Artikel 33 Rechtsbehelf des Schuldners gegen den Beschluss zur vorläufigen Pfändung (1) Auf Antrag des Schuldners beim zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaats wird der Beschluss zur vorläufigen Pfändung aus dem Grund widerrufen oder gegebenenfalls abgeändert, dass a) die Bedingungen oder Voraussetzungen dieser Verordnung nicht erfüllt sind; b) der Beschluss, die Erklärung nach Artikel 25 und/oder die sonstigen Schriftstücke nach Artikel 28 Absatz 5 dem Schuldner nicht innerhalb von 14 Tagen nach der vorläufigen Pfändung seines Kontos oder seiner Konten zugestellt wurden; c) die Schriftstücke, die dem Schuldner gemäß Artikel 28 zugestellt wurden, nicht die Sprachenanforderungen gemäß Artikel 49 Absatz 1 erfüllten; d) vorläufig gepfändete Beträge, die den im Beschluss angegebenen Betrag übersteigen, nicht gemäß Artikel 27 freigegeben wurden; e) die Forderung, deren Vollstreckung der Gläubiger mit dem Beschluss sichern will, ganz oder teilweise beglichen wurde; f) mit einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache die Forderung, deren Vollstreckung der Gläubiger mit dem Beschluss sichern wollte, abgewiesen wurde; oder g) die gerichtliche Entscheidung in der Hauptsache, der gerichtliche Vergleich oder die öffentliche Urkunde, deren Vollstreckung der Gläubiger mit dem Beschluss sichern wollte, aufgehoben oder gegebenenfalls annulliert wurde.
8 Nagel/Gottwald, IZPR, Rz. 17.35; zur Rechtslage in Österreich: Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.77 f.
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Kap. 4: Rechtsbehelfe
Art. 33 EU-KPfVO
(2) Auf Antrag des Schuldners beim zuständigen Gericht des Ursprungsmitgliedstaats wird die Entscheidung über die Sicherheit nach Artikel 12 aus dem Grund überprüft, dass geltend gemacht wird, dass die Bedingungen oder Voraussetzungen des genannten Artikels nicht vorlagen. Verlangt das Gericht aufgrund eines solchen Rechtsbehelfs, dass der Gläubiger eine Sicherheit oder eine zusätzliche Sicherheit leistet, so gilt Artikel 12 Absatz 3 Satz 1 entsprechend und das Gericht erklärt, dass der Beschluss zur vorläufigen Pfändung widerrufen oder abgeändert wird, falls die geforderte (zusätzliche) Sicherheit nicht bis zum Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist geleistet wird. (3) Dem nach Absatz 1 Buchstabe b eingelegten Rechtsbehelf wird stattgegeben, sofern die fehlende Zustellung nicht innerhalb von 14 Tagen nach Unterrichtung des Gläubigers über den Rechtsbehelf des Schuldners nach Absatz 1 Buchstabe b geheilt wird. Sofern die fehlende Zustellung nicht bereits durch andere Mittel geheilt wurde, gilt sie zum Zwecke der Beurteilung, ob dem nach Absatz 1 Buchstabe b eingelegten Rechtsbehelf stattzugeben ist, als geheilt, a) wenn der Gläubiger bei der Stelle, die für die Zustellung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zuständig ist, beantragt, dass die Schriftstücke dem Schuldner zugestellt werden, oder b) wenn der Schuldner in seinem Rechtsbehelf angegeben hat, dass er damit einverstanden ist, die Schriftstücke beim Gericht des Ursprungsmitgliedstaats abzuholen, und wenn der Gläubiger dafür zuständig war, Übersetzungen zur Verfügung zu stellen, sofern der Gläubiger diesem Gericht Übersetzungen gemäß Artikel 49 Absatz 1 übermittelt. Die Stelle, die für die Zustellung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zuständig ist, stellt die Schriftstücke dem Schuldner auf Antrag des Gläubigers gemäß Unterabsatz 2 Buchstabe a dieses Absatzes unverzüglich per Einschreiben mit Rückschein an die vom Schuldner gemäß Absatz 5 angegebene Anschrift zu. War der Gläubiger für die Veranlassung der Zustellung der Schriftstücke nach Artikel 28 zuständig, so kann die fehlende Zustellung nur geheilt werden, wenn der Gläubiger nachweist, dass er alle erforderlichen Schritte unternommen hat, um die ursprüngliche Zustellung der Schriftstücke zu bewirken. (4) Dem nach Absatz 1 Buchstabe c eingelegten Rechtsbehelf wird stattgegeben, sofern der Gläubiger dem Schuldner die gemäß dieser Verordnung erforderlichen Übersetzungen nicht innerhalb von 14 Tagen nach seiner Unterrichtung über den Rechtsbehelf des Schuldners gemäß Absatz 1 Buchstabe c bereitstellt. Absatz 3 Unterabsätze 2 und 3 gilt entsprechend. (5) In seinem nach Absatz 1 Buchstaben b und c eingelegten Rechtsbehelf gibt der Schuldner eine Anschrift an, an die die in Artikel 28 genannten Schriftstücke und Übersetzungen gemäß den Absätzen 3 und 4 des vorliegenden Artikels übermittelt werden können, oder gibt an, dass er damit einverstanden ist, diese Schriftstücke beim Gericht des Ursprungsmitgliedstaats abzuholen. I. Spaltung der Rechtsbehelfe zwischen Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Statthafte Einwendungen im Ursprungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedingungen und Voraussetzungen dieser Verordnung (Abs. 1 lit. a) . . . . . . . . . . . 2. Sicherheitsleistung (Abs. 2) . . . . . . . . . . 3. Zustellung an den Schuldner (Abs. 1 lit. b) .
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4. Sprachanforderungen bei Zustellung an den Schuldner (Abs. 1 lit. c) . . . . . . . . . . . . 5. Überpfändung (Abs. 1 lit. d) . . . . . . . . . 6. Begleichung der Forderung (Abs. 1 lit. e) . . 7. Abweisung der Forderung (Abs. 1 lit. f) . . . 8. Aufhebung des Titels (Abs. 1 lit. g) . . . . . . III. Adressat und Entscheidungszuständigkeit
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IV. Entscheidung des Gerichts . . . . . . . . . . . 19
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Art. 33 EU-KPfVO
Rechtsbehelf des Schuldners gegen den Beschluss zur vorläufigen Pfändung
I. Spaltung der Rechtsbehelfe zwischen Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat 1
Art. 33 f. EU-KPfVO regeln die Rechtsbehelfe des Schuldners, während Art. 21 EU-KPfVO den Rechtsbehelf des Gläubigers zum Gegenstand hat und Art. 35 EU-KPfVO sonstige Rechtsbehelfe von Gläubiger und Schuldner für den Fall einer Änderung der Umstände enthält. Ursprungsmitgliedstaat und Vollstreckungsmitgliedstaat teilen sich die Zuständigkeit für die Rechtsbehelfe des Schuldners. Dabei folgt die EU-KPfVO prinzipiell dem bereits aus EG-VollstrTitelVO, EG-BagatellVO und EG-MahnVO bekannten Prinzip:1 Rechtsbehelfe im Ursprungsmitgliedstaat richten sich gegen den Erlass des Beschlusses (Art. 33 EU-KPfVO, ErwGr. 34 S. 1 EU-KPfVO).2 Deren Regelung durch den Unionsgesetzgeber dient der Garantie rechtsstaatlicher Mindeststandards im Ursprungsmitgliedstaat.3 Rechtsbehelfe im Vollstreckungsmitgliedstaat sind zur Geltendmachung von Anerkennungsversagungsgründen bestimmt. Da im Entwurf erstmals auch Teile des Vollstreckungsverfahrens selbst geregelt werden, können im Vollstreckungsmitgliedstaat zusätzlich auch Mängel des Vollstreckungsverfahrens geltend gemacht werden (Art. 34, ErwGr. 34 S. 2 EU-KPfVO).
2
Die EU-KPfVO hält die alternative Zuordnung der Rechtsbehelfsgründe des Schuldners zum Ursprungsmitgliedstaat oder zum Vollstreckungsmitgliedstaat nicht stringent durch. Einige Einwendungen kann der Schuldner sowohl im Ursprungsmitgliedstaat als auch im Vollstreckungsmitgliedstaat geltend machen. Eine Vorschrift, welcher der Rechtsbehelfsentscheidungen Priorität zukommt, fehlt.4 Auch wenn ein Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaat erfolglos war, kann der Rechtsbehelf im Vollstreckungsmitgliedstaat zur Einschränkung oder Beendigung der Vollstreckung führen.
3
Die Einwendungen des Schuldners sind als scheinbar abschließendes System konzipiert. Verweise auf mitgliedstaatliches Recht fehlen. Ob in den Aufzählungen der Art. 33, 34 EU-KPfVO tatsächlich alle Einwendungen erfasst wurden, ist zu bezweifeln. Aufgezählt werden nur Einwendungen, die sich aus der Verordnung ergeben. Insbesondere wegen der zahlreichen Delegationen an nationales Recht können Einwendungen aber auch aus Fehlern bei der Anwendung nationalen Verfahrensrechts (z.B. örtliche Zuständigkeit) herrühren. Ob dann die Art. 33, 34 EU-KPfVO entsprechend anzuwenden sind oder gem. Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO auf Rechtsbehelfe des nationalen Verfahrensrechts zurückgegriffen werden kann, lässt die EU-KPfVO offen (Rz. 7).
II. Statthafte Einwendungen im Ursprungsmitgliedstaat 4
Die Einwendungen im Ursprungsmitgliedstaat können in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Die Titulierung der Forderung schließt den Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaat nicht aus.5 1. Bedingungen und Voraussetzungen dieser Verordnung (Abs. 1 lit. a)
5
Im Ursprungsmitgliedstaat kann der Schuldner das Fehlen der für den Beschlusserlass notwendigen Bedingungen und Voraussetzungen geltend machen (lit. a). Die Formulierung von lit. a im Präsens suggeriert, dass der Zeitpunkt der Entscheidung über den Rechtsbehelf für das Vorliegen der Bedingungen und Voraussetzungen maßgeblich ist. Andere Sprachfassungen6 und ErwGr. 32 Abs. 1 S. 2 EU-KPfVO zeigen hingegen, dass sich lit. a auf die Sachlage zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses be1 Ulrici, RIW 2018, 718, 724. 2 Krit. zur Geltendmachung der Überpfändung (auch) im Ursprungsstaat (Art. 33 Abs. 1 lit. d EU-KPfVO) Domej, GPR 2017, 84, 91. 3 Domej in FS Simotta (2012), 129, 130. 4 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 4 ff. 5 Anders offenbar noch: Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 34; vgl. dazu Domej, FS Simotta (2012), 129, 133. 6 Vgl. die englische („the conditions or requirements set out in this Regulation were not met“) und die französische („il n’a pas été satisfait aux conditions ou aux exigences énoncées dans le présent règlement“) Sprachfassung.
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Kap. 4: Rechtsbehelfe
Art. 33 EU-KPfVO
zieht. Erfasst sind dementsprechend grundsätzlich Situationen, in denen die Bedingungen oder Voraussetzungen aufgrund der zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses bestehenden Tatsachen nicht erfüllt waren.7 Zudem kann der Schuldner einwenden, dass der Gläubiger nach Beschlusserlass nicht rechtzeitig ein Verfahren in der Hauptsache eingeleitet hat (ErwGr. 32 Abs. 1 S. 2 EU-KPfVO). Bei nachträglichem Wegfall von Bedingungen oder Voraussetzungen durch Änderungen der Umstände ist der Rechtsbehelf nach Art. 35 Abs. 1 EU-KPfVO lex specialis.8 Bei nachträglicher Erfüllung von bei Beschlusserlass zunächst fehlenden Bedingungen oder Voraussetzungen hat der Rechtsbehelf nach Art. 33 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO Erfolg; Heilungsmöglichkeiten sehen Abs. 3 und 4 nur für die fehlende Zustellung und Übersetzung vor. Zu den Bedingungen und Voraussetzungen gehören insbesondere der Anwendungsbereich der Ver- 6 ordnung (Art. 2, 3 EU-KPfVO), die internationale Zuständigkeit des Ursprungsgerichts (Art. 6 EUKPfVO), der Erlassanspruch und der Erlassgrund (Art. 7 EU-KPfVO) sowie der rechtzeitige Nachweis der Einleitung des Hauptsacheverfahrens (Art. 10 EU-KPfVO).9 Einwendungen gegen die Entscheidung über die Sicherheitsleistung (Art. 12 EU-KPfVO) sind nach Art. 33 Abs. 2 EU-KPfVO geltend zu machen. Erfasst sind dem Wortlaut nach nur die Bedingungen und Voraussetzungen dieser Verordnung. Aus der Verordnung ergibt sich nur die internationale, regelmäßig aber nicht die sachliche und die örtliche Zuständigkeit des Gerichts (Art. 6 EU-KPfVO Rz. 24). Auch für weitere Verfahrensvoraussetzungen (Partei- und Prozessfähigkeit) wird auf das Recht des Ursprungsmitgliedstaats zurückgegriffen (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO). Insoweit besteht eine Lücke im Rechtsbehelfssystem der EU-KPfVO. Streng genommen müsste der Schuldner bei Einwendungen gegen die Bedingungen und Voraussetzungen der Verordnung und gegen nationale Verfahrensvoraussetzungen zwei Rechtsbehelfe einlegen. Den Schuldner auf einen Rechtsbehelf des Ursprungsmitgliedstaats zu verweisen, erscheint jedoch, insbesondere wenn er gleichzeitig Einwendungen nach Art. 33 EU-KPfVO geltend machen will, wenig verfahrensökonomisch, ist es doch Ziel der Verordnung, EU-weit einheitliche Rechtsbehelfe zu schaffen.10 Im Sinne der Prozessökonomie ist eine Geltendmachung von Verstößen gegen nationale Verfahrensvoraussetzungen nach Art. 33 Abs. 2 lit. a EU-KPfVO analog vorzugswürdig.11
7
2. Sicherheitsleistung (Abs. 2) Der Schuldner kann gem. Abs. 2 einwenden, dass die Sicherheitsleistung nach Art. 12 EU-KPfVO un- 8 terblieben ist oder vom Ursprungsgericht zu gering bemessen wurde (Abs. 2 Unterabs. 1). Erachtet das für den Rechtsbehelf zuständige Gericht die Einwendung für begründet, verlangt es eine Sicherheit oder eine zusätzliche Sicherheit; für das Verfahren gilt sodann Art. 12 Abs. 3 S. 1 EU-KPfVO entsprechend (Abs. 2 Unterabs. 2). 3. Zustellung an den Schuldner (Abs. 1 lit. b) Der Rechtsbehelf kann des Weiteren mit dem Fehlen einer ordnungsgemäßen Zustellung an den Schuldner nach Art. 28 EU-KPfVO innerhalb von 14 Tagen ab dem Zeitpunkt „der vorläufigen Pfändung“ begründet werden (lit. b). Die 14-Tages-Frist läuft ab Ausführung der Pfändung durch die Bank (Art. 24 Abs. 2 EU-KPfVO).12 Bei Einlegung des Rechtsbehelfs hat der Schuldner seine Anschrift, an die der Beschluss zugestellt werden kann, anzugeben oder sich damit einverstanden zu erklären, den Beschluss beim Ursprungsgericht abzuholen (Art. 33 Abs. 5 EU-KPfVO). Der Zustellung 7 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 12; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 375; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 322; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 147; a.A. Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 62. 8 Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.99. 9 Vgl. auch exemplarische Aufzählung in ErwGr. 32 Abs. 1 S. 2 EU-KPfVO. 10 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, KOM (2006) 618, 10. 11 Schlosser/Hess/Hess, Rz. 6; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5; Schumacher/Köllensperger/Trenker/ Köllensperger, Rz. 11; offenlassend: Rauscher/Rauscher/Wiedemann, Rz. 7 (Vorauflage); a.A. Geimer/Schütze/ Klöpfer, Rz. 2 (nationale Rechtsbehelfe gem. Art. 46 Abs. 1). 12 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 13; a.A. Sikorski, Kontopfändungen (2018), 239.
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Rechtsbehelf des Schuldners gegen den Beschluss zur vorläufigen Pfändung
kann sodann innerhalb von 14 Tagen ab Kenntnis des Gläubigers vom Rechtsbehelf (Art. 36 Abs. 2 EU-KPfVO) geheilt werden (Art. 33 Abs. 3 Unterabs. 1 EU-KPfVO). Unter den Voraussetzungen des Art. 33 Abs. 3 Unterabs. 2 EU-KPfVO gilt die Zustellung als geheilt; auf die tatsächliche Zustellung kommt es nicht an.13 Die EG-ZustVO 2007, die zwar keine Heilungsvorschriften im engeren Sinne enthält, aber den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gibt, die Heilung in gewissen Grenzen zuzulassen (Art. 19 Abs. 2 EG-ZustVO), findet insoweit keine Anwendung (Art. 48 lit. a EU-KPfVO). Versäumt der Gläubiger auch die Heilungsfrist, wird dem Rechtsbehelf stattgegeben. 4. Sprachanforderungen bei Zustellung an den Schuldner (Abs. 1 lit. c) 10
Zulässig ist auch die Einwendung, dass die Schriftstücke, die dem Schuldner zugestellt worden sind, nicht den Sprachanforderungen nach Art. 49 Abs. 1 EU-KPfVO entsprechen. Zusammen mit dem Rechtsbehelf hat der Schuldner seine Anschrift anzugeben oder sich zur Abholung beim Ursprungsgericht bereitzuerklären (Art. 33 Abs. 5 EU-KPfVO). Der Gläubiger kann den Verfahrensmangel innerhalb von 14 Tagen nach seiner Unterrichtung über den Rechtsbehelf heilen (Art. 33 Abs. 4 EUKPfVO). 5. Überpfändung (Abs. 1 lit. d)
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Der Schuldner kann seinen Rechtsbehelf im Ursprungsstaat mit einer Überpfändung seiner Konten begründen (lit. d).14 Daneben kann der Schuldner eine Überpfändung auch im Vollstreckungsstaat geltend machen (Art. 34 Abs. 1 lit. b sublit. iv EU-KPfVO). 6. Begleichung der Forderung (Abs. 1 lit. e)
12
Abs. 1 lit. e erfasst seinem Wortlaut nach jedenfalls die Begleichung der Forderung durch Zahlung in bar oder mittels Überweisung.15 Darüber hinaus erstreckt sich lit. e nach autonomer Auslegung auf alle Einwendungen, die zum Erlöschen der gesicherten Forderung führen.16 Hierzu gehören Erfüllungssurrogate wie z.B. Aufrechnung, Hinterlegung und Erlass. Verwiese man den Schuldner für andere Erlöschensgründe auf den Rechtsbehelf im Ursprungsstaat nach Art. 35 Abs. 1 EU-KPfVO, entstünden für bereits titulierten Forderungen (Art. 5 lit. b EU-KPfVO) Lücken im Rechtsbehelfssystem der EU-KPfVO: Zum einen ist Art. 35 Abs. 1 EU-KPfVO nur statthaft im Fall der Änderung von „Umstände[n], die Anlass für den Erlass des Beschlusses waren.“ Bei einer bereits titulierten Forderung ist der Bestand der Forderung (Erlassanspruch) nicht Anlass für den Beschlusserlass (Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO). Zum anderen gilt Art. 35 Abs. 1 EU-KPfVO nur für nachträgliche Änderungen der Umstände. Für nicht titulierte Forderungen könnte das Erlöschen der Forderung vor Erlass des Beschlusses gem. Art. 33 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO eingewandt werden; bei titulierten Forderungen ist der Bestand der Forderung hingegen nicht Voraussetzung für den Beschlusserlass (Art. 7 Abs. 2 EUKPfVO) und könnte somit nicht nach Art. 33 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO geltend gemacht werden.
13
Art. 33 Abs. 1 lit. e differenziert nicht danach, zu welchem Zeitpunkt die Begleichung der Forderung stattfand. Der Rechtsbehelf ist daher sowohl für das Erlöschen der Forderung vor als auch nach Erlass des Pfändungsbeschlusses statthaft.17 Handelt es sich um eine nicht titulierte Forderung, kann der Schuldner das Erlöschen der Forderung vor Erlass des Pfändungsbeschlusses alternativ auch nach Abs. 1 lit. a geltend machen, weil die Erlassvoraussetzungen nicht vorlagen, wenn die Forderung bereits beglichen wurde (vgl. Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO – es fehlt am Erlassanspruch). Wäre für das Erlöschen der Forderung vor Erlass des Pfändungsbeschlusses hingegen ausschließlich Art. 33 Abs. 1 lit. a 13 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 18. 14 Krit. zur Verortung dieses Rechtsbehelfs (auch) im Ursprungsstaat Domej, GPR 2017, 84, 91. 15 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 22. Vgl. auch die englische („has been paid“) und die französische Textfassung („a été payée“). 16 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 8; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 22 (für die Aufrechnung); Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 66 (für die Aufrechnung); a.A. Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 148 f. 17 Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 66; a.A. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 23; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 400.
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Kap. 4: Rechtsbehelfe
Art. 33 EU-KPfVO
EU-KPfVO statthaft,18 entstünde für titulierte Forderungen eine Lücke im Rechtsbehelfssystem: Abs. 1 lit. a ist nicht statthaft, wenn der Schuldner geltend macht, die titulierte Forderung sei bereits vor Erlass des Pfändungsbeschlusses erloschen, weil der Bestand der titulierten Forderung nicht zu den Erlassvoraussetzungen gehört (vgl. Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO). Basiert der Pfändungsbeschluss auf einem Titel, ist jedoch die Präklusionsgrenze zu beachten.19 Auf die Präklusion findet das Recht des Titelursprungsstaates Anwendung, für aus Deutschland stammende Titel folglich § 767 Abs. 2 ZPO.20 Für nationale Vollstreckungsrechtsbehelfe, die den Bestand der zu sichernden Forderung betreffen (z.B. § 767 ZPO in Deutschland), ist neben Art. 33 Abs. 1 lit. e EU-KPfVO und Art. 35 Abs. 1 EUKPfVO kein Raum, denn Ziel der EU-KPfVO ist die EU-weite Vereinheitlichung des Rechtsbehelfssystems zur Gewährleistung der Effizienz des Pfändungsbeschlusses.21
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7. Abweisung der Forderung (Abs. 1 lit. f) Ergeht eine ablehnende Entscheidung in der Hauptsache, tritt die vorläufige Kontenpfändung – anders als einstweilige Maßnahmen nach der Brüssel IIb-VO (vgl. Art. 15 Abs. 3 Brüssel IIb-VO) – nicht automatisch außer Kraft.22 Wurde die gesicherte Forderung in der Hauptsache insgesamt abgewiesen, kann der Schuldner den Widerruf des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung gem. Art. 33 Abs. 1 lit. f EU-KPfVO beantragen; wurde die gesicherte Forderung in der Hauptsache teilweise abgewiesen, kann der Schuldner die Abänderung des Beschlusses beantragen. Lit. f verlangt nicht die formelle Rechtskraft der Entscheidung.23 Ab wann die ablehnende Entscheidung in der Hauptsache Wirkung (z.B. vorläufige Vollstreckbarkeit) entfaltet, regelt das Recht des Staates, aus dem die Entscheidung stammt (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO). Für den Fall der Zusprechung der Forderung in der Hauptsache enthält die EU-KPfVO keine Regelung; deren Wirkungen (ggf. Umwandlung des Sicherungspfandrechts in ein zur Befriedigung berechtigendes Pfandrecht) richten sich nach nationalem Recht (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO, Art. 20 EU-KPfVO Rz. 6 f.).
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Endet das Verfahren aufgrund von Klagerücknahme oder Erledigungserklärung, kann der Schuldner analog Art. 33 Abs. 1 lit. f EU-KPfVO vorgehen;24 gegen eine Anwendung des Art. 35 Abs. 1 EUKPfVO spricht zum einen, dass auch Art. 35 Abs. 1 EU-KPfVO dem Wortlaut nach nicht uneingeschränkt passt, denn das Hauptsacheverfahren ist kein Umstand, der Anlass für den Erlass des Beschlusses war, wenn es erst nach Beschlusserlass eingeleitet worden ist. Zum anderen spricht die Vergleichbarkeit von Klageabweisung, Klagerücknahme und Erledigungserklärung dafür, dass der Schuldner alle Tatbestände im Ursprungs- und im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 33 Abs. 1 lit. f, Art. 34 Abs. 1 lit. b sublit. iv EU-KPfVO) und nicht nur im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 35 Abs. 1 EU-KPfVO) geltend machen kann.
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8. Aufhebung des Titels (Abs. 1 lit. g) Hat der Gläubiger seinen Antrag gem. Art. 5 lit. b, 8 Abs. 2 lit. i EU-KPfVO mit einem bereits bestehenden Titel begründet25 und wurde dieser Titel insgesamt aufgehoben oder annulliert, kann der Schuldner den Widerruf des Beschlusses beantragen. Wurde der Titel teilweise aufgehoben oder annulliert, kann der Schuldner die Abänderung des Beschlusses beantragen. Dem Wortlaut nach
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So Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 23. Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 66. Wiedemann, Vollstreckbarkeit (2017), 250 f. Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 24.10.2006, KOM(2006) 618, 10. Skamel/Wilhelm, ZInsO 2014, 1789, 1790. Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.99; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 148; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 24; Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 67. 24 Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 67; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 403 (einschränkend); a.A. Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 148 f. (Art. 35 Abs. 1). 25 Ebenso für einen Bezug der Vorschrift auf Art. 5 lit. b Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 27; a.A. König/Praxmarer, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Rückforderung und Schadenersatz (2016), 131 Fn. 625.
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Art. 34 EU-KPfVO
Rechtsbehelfe des Schuldners gegen die Vollstreckung
kommt es nicht darauf an, ob die Aufhebung oder Annullierung wegen Nichtbestehen der Forderung oder aus anderen Gründen erfolgt.26
III. Adressat und Entscheidungszuständigkeit 18
Adressat des Rechtsbehelfs ist das für die Entscheidung zuständige Gericht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 33 Abs. 1 EU-KPfVO). Welches Gericht für die Entscheidung zuständig ist und ob dem Rechtsbehelf ein Devolutiveffekt zukommt, bestimmt sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).27 Die Mitgliedstaaten haben der Kommission mitgeteilt, welches Gericht oder welche Gerichte zuständig sind (Art. 50 Abs. 1 lit. l EU-KPfVO).28 Regelungen zur Durchführung des Rechtsbehelfs in Deutschland enthält § 954 Abs. 1 S. 1 ZPO. Erlässt das Rechtsbehelfsgericht nach erfolgreichem Rechtsbehelf des Gläubigers (Art. 21 EU-KPfVO) erstmals einen Pfändungsbeschluss, ist das Rechtsbehelfsgericht als Ursprungsgericht für die Rechtsbehelfe des Schuldners nach Art. 33 EU-KPfVO zuständig. Erweitert das Rechtsbehelfsgericht lediglich einen vom Ursprungsgericht bereits erlassenen Pfändungsbeschluss, bleibt das Ursprungsgericht für sämtliche Rechtsbehelfe des Schuldners zuständig.29
IV. Entscheidung des Gerichts 19
Die Entscheidung des Gerichts wirkt sich, sofern es die Einwendungen des Schuldners für begründet hält, direkt auf den Beschluss aus: Es kann den Beschluss widerrufen oder abändern. Mit dem Widerruf endet die Geltungsdauer des Beschlusses (Art. 20 lit. a EU-KPfVO). Andernfalls weist das Gericht den Rechtsbehelf zurück. Der erfolgreiche Rechtsbehelf nach Art. 34 EU-KPfVO führt hingegen lediglich zur Beendigung oder Einschränkung der Zwangsvollstreckung (Art. 34 EU-KPfVO Rz. 12).
Artikel 34 Rechtsbehelfe des Schuldners gegen die Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung (1) Ungeachtet der Artikel 33 und 35 wird auf Antrag des Schuldners beim zuständigen Gericht oder, soweit dies im nationalen Recht vorgesehen ist, bei der zuständigen Vollstreckungsbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats die Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung in diesem Mitgliedstaat: a) aus dem Grund eingeschränkt, dass nach Artikel 31 Absatz 3 bestimmte Beträge auf dem Konto von der Pfändung freigestellt werden sollten oder dass von der Pfändung freigestellte Beträge bei der Ausführung des Beschlusses gemäß Artikel 31 Absatz 2 nicht oder nicht richtig berücksichtigt wurden, oder b) aus dem Grund beendet, dass i) das vorläufig gepfändete Konto gemäß Artikel 2 Absätze 3 und 4 nicht unter diese Verordnung fällt; ii) die Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung, des gerichtlichen Vergleichs oder der öffentlichen Urkunde, die der Gläubiger mit dem Beschluss sichern wollte, im Vollstreckungsmitgliedstaat verweigert wurde; 26 Krit. Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 149; Mohr, Vorl. Kontenpfändung (2014), Rz. 407. 27 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 34; Martin, JAP 2016, 163, 166. 28 Die von den einzelnen Mitgliedstaaten gelieferten Informationen zu den zuständigen Gerichten finden sich online im Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen: https://e-justice.europa.eu/content_european_account_ preservation_order-379-de.do (27.9.2021). 29 Offenlassend: Domej, GPR 2017, 84, 92; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 37.
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Kap. 4: Rechtsbehelfe
Art. 34 EU-KPfVO
iii) die Vollstreckbarkeit der gerichtlichen Entscheidung, deren Vollstreckung der Gläubiger mit dem Beschluss sichern wollte, im Ursprungsmitgliedstaat ausgesetzt wurde, oder iv) Artikel 33 Absatz 1 Buchstaben b, c, d, e, f oder g Anwendung findet. Artikel 33 Absätze 3, 4 bzw. 5 finden Anwendung. (2) Auf Antrag des Schuldners beim zuständigen Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats wird die Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung in diesem Mitgliedstaat beendet, wenn sie der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Vollstreckungsmitgliedstaats offensichtlich widerspricht. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Statthafte Einwendungen im Vollstreckungsmitgliedstaat . . . . . . . . . . . . 1. Nichtberücksichtigung der Pfändungsfreibeträge (Abs. 1 lit. a) . . . . . . . . . . . . 2. Immunität u.a. (Abs. 1 lit. b sublit. i) . . . . 3. Verweigerung der Vollstreckung des Titels im Vollstreckungsmitgliedstaat (Abs. 1 lit. b sublit. ii) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Aussetzung der Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat (Abs. 1 lit. b sublit. iii) . 5. Weitere Einwendungen (Abs. 1 lit. b sublit. iv) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ordre public (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . .
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III. Adressat und Entscheidungszuständigkeit . 11 IV. Entscheidung des Gerichts . . . . . . . . . . . 12
I. Normzweck Die mit Rechtsbehelf im Vollstreckungsmitgliedstaat geltend zu machenden Einwendungen fungieren 1 einerseits als Einwendungen gegen das Vollstreckungsverfahren und andererseits als Anerkennungsversagungsgründe. Die Zuordnung der Einwendungen des Schuldners zum Ursprungs- bzw. Vollstreckungsmitgliedstaat hat vom Kommissionentwurf zur endgültigen Verordnung viele Veränderungen erfahren, die sich insgesamt darin auszeichnen, dass die vorgesehenen Einwendungen, insbesondere die im Vollstreckungsmitgliedstaat geltend zu machenden Anerkennungsversagungsgründe, erheblich erweitert wurden.
II. Statthafte Einwendungen im Vollstreckungsmitgliedstaat 1. Nichtberücksichtigung der Pfändungsfreibeträge (Abs. 1 lit. a) Im Vollstreckungsmitgliedstaat kann der Schuldner zunächst reine Vollstreckungsaspekte geltend ma- 2 chen (ErwGr. 34 S. 2 EU-KPfVO). Hierzu gehören die Pfändungsfreibeträge nach Art. 31 EU-KPfVO (lit. a). Müssen Pfändungsfreibeträge von Amts wegen berücksichtigt werden (Art. 31 Abs. 2 EUKPfVO), kann der Schuldner einen Rechtsbehelf einlegen, wenn die Berücksichtigung gleichwohl nicht oder nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Werden Pfändungsfreibeträge nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats nur auf Antrag berücksichtigt (Art. 31 Abs. 3 EU-KPfVO), muss der Schuldner einen Rechtsbehelf einlegen. Der Schuldner muss folglich gegebenenfalls in einem anderen Mitgliedstaat als seinem Wohnsitzmitgliedstaat für die Freigabe der Beträge sorgen, die er für seinen Lebensunterhalt benötigt. Diese Bürde wurde im Gesetzgebungsverfahren gesehen, aber gleichwohl für Schuldner mit Konten außerhalb ihres Wohnsitzmitgliedstaats in Kauf genommen. Die Überlegung, auch die erforderlichen Rechtsverfolgungs- und Reisekosten von der Pfändung freizustellen,1 wurde in der Verordnung nicht aufgegriffen. 2. Immunität u.a. (Abs. 1 lit. b sublit. i) Der Schuldner kann im Vollstreckungsmitgliedstaat die Unpfändbarkeit der Forderung nach Art. 2 3 Abs. 3, 4 EU-KPfVO (u.a. Immunität) einwenden (lit. b sublit. i). Jenseits dessen darf der Vollstre-
1 Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 29.4.2013, 8943/13, 1 f.
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Art. 34 EU-KPfVO
Rechtsbehelfe des Schuldners gegen die Vollstreckung
ckungsmitgliedstaat die Eröffnung des Anwendungsbereichs weder von Amts wegen noch aufgrund eines Rechtsbehelfs des Schuldners prüfen (Art. 23 EU-KPfVO Rz. 11). 3. Verweigerung der Vollstreckung des Titels im Vollstreckungsmitgliedstaat (Abs. 1 lit. b sublit. ii) 4
Die EU-KPfVO gewährt keine unbeschränkte Titelfreizügigkeit. Wird die Vollstreckung des Titels, den der Gläubiger mit dem Pfändungsbeschluss sichern wollte (Art. 5 lit. b EU-KPfVO), im Vollstreckungsmitgliedstaat verweigert, kann der Schuldner die Beendigung der Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses verlangen (Art. 34 Abs. 1 lit. b sublit. ii EU-KPfVO). Sublit ii bezieht sich auf die Versagung der Vollstreckbarkeit gem. Art. 46 ff. Brüssel Ia-VO wegen Vorliegen eines Anerkennungsversagungsgrundes gem. Art. 45 Brüssel Ia-VO. Antragsberechtigt ist nach Art. 46 Brüssel Ia-VO der Schuldner.2 Schuldner ist neben demjenigen, gegen den eine nationale Vollstreckungsmaßnahme läuft, auch derjenige, gegen den ein Europäisches Pfändungsverfahren läuft. In Unterhaltssachen ist die Verweigerung der Vollstreckung wegen Anerkennungsversagungsgründen gem. Art. 17 Abs. 1 EGUntVO nicht möglich, wenn der Vollstreckungsmitgliedstaat durch das HUP gebunden ist.3
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Abs. 1 lit. b sublit. ii gilt analog, wenn der Gläubiger den Pfändungsbeschluss vor Erlangung eines Titels beantragt hat (Art. 5 lit. a EU-KPfVO), aber zwischenzeitlich einen Titel für die gesicherte Forderung erlangt hat und diesem Titel die Vollstreckbarkeit im Vollstreckungsmitgliedstaat versagt wurde.4 4. Aussetzung der Vollstreckbarkeit im Ursprungsmitgliedstaat (Abs. 1 lit. b sublit. iii)
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Während der Schuldner die Aufhebung des Titels, deren Vollstreckung der Gläubiger mit dem Pfändungsbeschluss sichern wollte, im Ursprungsmitgliedstaat (Art. 33 Abs. 1 lit. g EU-KPfVO) und im Vollstreckungsmitgliedstaat (Art. 34 Abs. 1 lit. b sublit. iv EU-KPfVO) geltend machen kann, darf er die Aussetzung der Vollstreckbarkeit des Titels (vgl. Art. 7 EU-KPfVO Rz. 5) nur im Vollstreckungsmitgliedstaat einwenden (Art. 34 Abs. 1 lit. b sublit. iii EU-KPfVO). Die Vollstreckbarkeit muss nicht endgültig beseitigt werden; eine einstweilige Aussetzung der Vollstreckbarkeit genügt.5 Hierzu gehört im deutschen Recht die einstweilige Einstellung bei Rechtsmittel und Einspruch nach §§ 719, 707 ZPO. 5. Weitere Einwendungen (Abs. 1 lit. b sublit. iv)
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Von den im Ursprungsmitgliedstaat zulässigen Einwendungen kann der Schuldner nur das Fehlen der Bedingungen und Voraussetzungen für den Beschlusserlass nicht als Anerkennungsversagungsgrund im Vollstreckungsmitgliedstaat geltend machen. Alle anderen Einwendungen (Zustellung, Sprachanforderungen, Überpfändung, Erfüllung, Abweisung der Forderung, Aufhebung des Titels) kann der Schuldner auch im Vollstreckungsmitgliedstaat vorbringen (lit. b sublit. iv).
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Sonstige Fehler des Vollstreckungsverfahrens soll der Schuldner mit den im Vollstreckungsmitgliedstaat vorgesehenen Rechtsbehelfen rügen können (vgl. § 766 ZPO),6 soweit die nationalen Rechtsbehelfe Art. 34 EU-KPfVO nicht konterkarieren.7 Wie bei Art. 33 EU-KPfVO (Art. 33 EUKPfVO Rz. 7) kommt jedoch auch insoweit eine entsprechende Anwendung von Art. 34 EU-KPfVO in Betracht.
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Rauscher/Mankowski, Art. 46 Brüssel Ia-VO Rz. 16. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 13. Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 8; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 5. A.A. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 6. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 9. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 7.
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Kap. 4: Rechtsbehelfe
Art. 34 EU-KPfVO
6. Ordre public (Abs. 2) Eine erhebliche Erweiterung erfuhr der Rechtsbehelf im Vollstreckungsmitgliedstaat durch die Aufnahme des ordre public-Einwandes. Die Mitgliedstaaten beharrten, wie bereits bei der Neufassung der Brüssel Ia-VO, auf diesem Kernstück nationaler Souveränität.8 Zuständig für die Entscheidung über den ordre public-Einwand ist stets ein Gericht. Das zuständige Gericht wird der Kommission von den Mitgliedstaaten mitgeteilt.
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Der ordre-public-Einwand gegen die Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses ist abzugrenzen vom 10 ordre-public-Einwand gegen die Vollstreckbarkeit des Titels (Art. 45 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO), dessen Vollstreckung mit dem Pfändungsbeschluss gesichert wird (Art. 5 lit. b EU-KPfVO). Mit dem Einwand nach Art. 34 Abs. 2 EU-KPfVO kann nur geltend gemacht werden, dass die Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses der öffentlichen Ordnung widerspricht.9 Der Einwand gegen die Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses kann die zu sichernde Forderung betreffen, soweit diese noch nicht tituliert ist.10 Einwände gegen den Titel kann der Schuldner dagegen als Anerkennungsversagungsgründe im Verfahren nach Art. 46 Brüssel Ia-VO erheben;11 die erfolgreiche Versagung der Vollstreckbarkeit des Titels kann der Schuldner sodann gem. Art. 34 Abs. 1 lit. b sublit. ii EU-KPfVO im Ursprungsmitgliedstaat geltend machen.
III. Adressat und Entscheidungszuständigkeit Der Rechtsbehelf ist an das zuständige Gericht oder die zuständige Behörde im Vollstreckungsmitgliedstaat zu adressieren. Welches Gericht bzw. welche Behörde zuständig ist, richtet sich nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats und wird der Kommission mitgeteilt (Art. 50 Abs. 1 lit. l EUKPfVO).12 Der Vollstreckungsmitgliedstaat regelt auch die Entscheidungszuständigkeit und, ob dem Rechtsbehelf ein Devolutiveffekt zukommen soll (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).13 Regelungen zur Durchführung des Rechtsbehelfs in Deutschland enthält § 954 ZPO. Zuständig für die Entscheidung über den Rechtsbehelf ist das Vollstreckungsgericht (§ 954 Abs. 2 S. 1 ZPO); die funktionelle Zuständigkeit teilen sich Rechtspfleger (§ 20 Nr. 17 S. 1 RPflG i.V.m. Art. 34 Abs. 1 lit. a) und Richter (§ 20 Nr. 17 S. 2 RPflG i.V.m. Art. 34 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 EU-KPfVO).14
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IV. Entscheidung des Gerichts Die Möglichkeit einer direkten Einwirkung auf den Bestand eines Beschlusses durch die Aufhebung 12 oder Abänderung außerhalb des Ursprungsmitgliedstaats war noch im Kommissionsentwurf enthalten.15 Eine solche, die Staatsgrenzen durchbrechende Aufhebung des Beschlusses hätte unterdessen die Aufgabe einer der letzten Bastionen nationaler Souveränität im Prozessrecht bedeutet.16 Die Verordnung sieht nunmehr eine Entscheidung des Gerichts bzw. der zuständigen Behörde vor, die nicht den Bestand des Beschusses selbst, sondern stets nur dessen Vollstreckung betrifft: Im Fall der Nichtberücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen wird die Vollstreckung eingeschränkt (Art. 34 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO). Im Falle der übrigen Rechtsbehelfsgründe wird die Vollstreckung beendet (Art. 34
8 Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 14. 9 Sikorski, Kontopfändungen (2018), 329. 10 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 9; a.A. Schlosser/Hess/Hess, Rz. 4; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 9. 11 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 9; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 329. 12 Die von den Mitgliedstaaten gelieferten Informationen zu den zuständigen Gerichten finden sich online im Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen: https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preserva tion_order-379-de.do (27.9.2021). 13 Martin, JAP 2016, 163, 166; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2. 14 Anders noch Art. 4 des Referentenentwurfs des BMJV, der von einer vollumfänglichen richterlichen Zuständigkeit ausging, hierzu Lämmer/Rellermeyer, RpflBl 2015, 43, 44. 15 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 35 Abs. 2, Abs. 3 lit. i. 16 Domej, FS Simotta (2012), 129, 131.
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Art. 35 EU-KPfVO
Sonstige Rechtsbehelfe für den Gläubiger und den Schuldner
Abs. 1 lit. b, Abs. 2 EU-KPfVO). Im Hinblick auf den Vollstreckungsstaat ist die Entscheidung endgültig; eine neue Vollstreckung aus dem Beschluss ist nicht möglich.17
Artikel 35 Sonstige Rechtsbehelfe für den Gläubiger und den Schuldner (1) Der Gläubiger oder der Schuldner kann bei dem Gericht, das den Beschluss zur vorläufigen Pfändung erlassen hat, aus dem Grund die Abänderung oder den Widerruf des Beschlusses beantragen, dass sich die Umstände, die Anlass für den Erlass des Beschlusses waren, geändert haben. (2) Das Gericht, das den Beschluss zur vorläufigen Pfändung erlassen hat, kann ferner aufgrund veränderter Umstände, sofern dies nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats zulässig ist, den Beschluss von sich aus abändern oder widerrufen. (3) Der Schuldner und der Gläubiger können aus dem Grund, dass sie sich hinsichtlich der Erfüllung der Forderung geeinigt haben, gemeinsam bei dem Gericht, das den Beschluss zur vorläufigen Pfändung erlassen hat, einen Widerruf oder eine Abänderung des Beschlusses bzw. bei dem zuständigen Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats oder, soweit dies im nationalen Recht vorgesehen ist, bei der zuständigen Vollstreckungsbehörde dieses Mitgliedstaats eine Beendigung oder Einschränkung der Vollstreckung des Beschlusses beantragen. (4) Der Gläubiger kann beim zuständigen Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats oder, soweit dies im nationalen Recht vorgesehen ist, bei der zuständigen Vollstreckungsbehörde dieses Mitgliedstaats eine Abänderung der Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung beantragen, die in einer Anpassung der in diesem Mitgliedstaat gemäß Artikel 31 angewandten Freistellung besteht, aus dem Grund, dass bereits andere Freistellungen in ausreichender Höhe in Bezug auf ein oder mehrere Konten, die in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten geführt werden, angewandt wurden und dass eine Anpassung daher angebracht ist. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Änderung der Umstände . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsbehelf des Gläubigers oder des Schuldners (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Widerruf oder Abänderung des Beschlusses von Amts wegen (Abs. 2) . . . . . . . . . . . .
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III. Einigung über die Forderung (Abs. 3) . . . .
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IV. Anpassung der Pfändungsfreibeträge bei Pfändung mehrerer Konten (Abs. 4) . . . . .
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I. Normzweck 1
Art. 35 regelt sonstige Rechtsbehelfe für den Gläubiger und für den Schuldner (Abs. 1, 3, 4) und den Widerruf oder die Abänderung des Pfändungsbeschlusses von Amts wegen (Abs. 2).
II. Änderung der Umstände 2
Abs. 1 und 2 betreffen die Änderung der Umstände, die Anlass für den Erlass des Pfändungsbeschlusses waren, nach Erlass des Pfändungsbeschlusses.1 Waren die Bedingungen und Voraussetzungen bereits vor Beschlusserlass nicht erfüllt, ist Art. 33 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO und nicht Art. 35 Abs. 1 EU-KPfVO statthaft. Es können nur die Umstände berücksichtigt werden, auf Grund derer der Be-
17 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 12. 1 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 11.
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Kap. 4: Rechtsbehelfe
Art. 35 EU-KPfVO
schluss erlassen wurde. Dazu gehört insbesondere der Erlassgrund nach Art. 7 Abs. 1 EU-KPfVO.2 Für den Wegfall des Erlassanspruchs (Art. 7 Abs. 2 EU-KPfVO) durch Erfüllung der Forderung sind Art. 33 Abs. 1 lit. eEU-KPfVO und Art. 34 Abs. 1 lit. b sublit. iv EU-KPfVO vorrangig (Art. 33 EUKPfVO Rz. 12 ff.). Hingegen schafft Art. 35 Abs. 1 EU-KPfVO keinen Auffangrechtsbehelf für sonstige Umstände, die sich geändert haben, seit der Beschluss erlassen wurde.3 Hat der Gläubiger beispielsweise ein Verfahren in der Hauptsache eingeleitet, verzögert sich dieses Verfahren aber erheblich, kann der Schuldner nicht nach Art. 35 Abs. 1 EU-KPfVO vorgehen. Ein Vorschlag der britischen Delegation auf entsprechende Erweiterung des Anwendungsbereichs wurde nicht aufgegriffen.4 1. Rechtsbehelf des Gläubigers oder des Schuldners (Abs. 1) Haben sich die Umstände, die Anlass für den Erlass des Beschlusses waren, nachträglich geändert, kann der Beschluss auf einen Rechtsbehelf hin abgeändert oder widerrufen werden. Antragsberechtigt i.R.d. Art. 35 EU-KPfVO sind sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner. Art. 35 Abs. 1 EUKPfVO richtet sich aber nur gegen den Erlass des Beschlusses, Wurde der Erlass des Beschlusses abgelehnt, kann der Gläubiger bei Änderung der Umstände einen neuen Antrag stellen (Art. 21 EUKPfVO Rz. 2).
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Adressat des Rechtsbehelfs und Entscheidungszuständigkeit sind verordnungsautonom festgelegt: Zuständig ist das Gericht, das den Beschluss zur vorläufigen Pfändung erlassen hat (Ursprungsgericht). Im Übrigen richtet sich das Verfahren nach Art. 36 EU-KPfVO.
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2. Widerruf oder Abänderung des Beschlusses von Amts wegen (Abs. 2) Das Ursprungsgericht kann den Beschluss aufgrund veränderter Umstände auch von Amts wegen widerrufen oder abändern, sofern das Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats dies zulässt.5
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III. Einigung über die Forderung (Abs. 3) Gläubiger und Schuldner können sich anderweitig über die Erfüllung der Forderung einigen und sodann gemeinsam beim Ursprungsgericht einen Widerruf oder eine Abänderung des Beschlusses beantragen. Alternativ können sie sich auch an das zuständige Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats oder an die zuständige Vollstreckungsbehörde wenden, um eine Beendigung oder Einschränkung der Vollstreckung zu erwirken.
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IV. Anpassung der Pfändungsfreibeträge bei Pfändung mehrerer Konten (Abs. 4) Werden Konten in mehreren Mitgliedstaaten vorläufig gepfändet und wurde der Pfändungsschutz (Art. 31 EU-KPfVO) mehrfach angewandt, so kann der Gläubiger jederzeit die Aufhebung des Pfändungsschutzes bei einem dieser Konten im Vollstreckungsmitgliedstaat verlangen. Die erst vom Rat eingeführte Vorschrift, sieht nicht vor, bei welchem der gepfändeten Konten der Gläubiger die Aufhebung des Pfändungsschutzes beantragen muss. Angesichts des Zwecks des Pfändungsschutzes, dem Schuldner die Lebenshaltungskosten zu sichern, wäre es sachdienlich gewesen, dem Schuldner den Pfändungsschutz in seinem Wohnsitzmitgliedstaat zu belassen, soweit sich eines der Konten dort be2 Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 147 f.; Schumacher/Köllensperger/ Trenker/Schumacher, Rz. 8 ff. 3 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 16; a.A. Sikorski, Kontopfändungen (2018), 325. 4 Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 29.11.2013, 16810/13, 2; s. bereits Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 29.4.2013, 8943/13, 3 f. 5 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3.
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Art. 36 EU-KPfVO
Verfahren für die Rechtsbehelfe gemäß den Artikeln 33, 34 und 35
findet. Weil eine solche Regelung nicht aufgenommen wurde, kommt dem Gläubiger ein Wahlrecht zu. Er kann für die verbleibende Pfändung daher den Mitgliedstaat mit dem geringeren Pfändungsfreibetrag wählen. Wurden mehrere Konten in demselben Mitgliedstaat gepfändet, ist Abs. 4 analog anwendbar.6
Artikel 36 Verfahren für die Rechtsbehelfe gemäß den Artikeln 33, 34 und 35 (1) Die Einlegung eines Rechtsbehelfs nach Artikel 33, 34 oder 35 erfolgt unter Verwendung des Formblatts für den Rechtsbehelf, das im Wege von gemäß dem Beratungsverfahren nach Artikel 52 Absatz 2 erlassenen Durchführungsrechtsakten erstellt wurde. Der Antrag kann jederzeit auf jedem Kommunikationsweg übermittelt werden, der nach den Verfahrensvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Antrag eingereicht wird, zulässig ist – einschließlich elektronischer Kommunikationswege. (2) Der Antrag wird der anderen Partei zur Kenntnis gebracht. (3) Außer wenn der Antrag vom Schuldner gemäß Artikel 34 Absatz 1 Buchstabe a oder Artikel 35 Absatz 3 eingereicht wurde, wird die Entscheidung über den Antrag erlassen, nachdem beiden Parteien Gelegenheit gegeben wurde, sich zu äußern, auch mit den nach dem nationalen Recht jedes der beteiligten Mitgliedstaaten zur Verfügung stehenden geeigneten und zulässigen Mitteln der Kommunikationstechnologie. (4) Die Entscheidung wird unverzüglich erlassen, jedoch nicht später als 21 Tage, nachdem das Gericht oder, soweit dies im nationalen Recht vorgesehen ist, die zuständige Vollstreckungsbehörde alle Informationen erhalten hat, die für seine bzw. ihre Entscheidung erforderlich sind. Die Entscheidung wird den Parteien zur Kenntnis gebracht. (5) Die Entscheidung, den Beschluss zur vorläufigen Pfändung zu widerrufen oder abzuändern, und die Entscheidung, die Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung einzuschränken oder zu beenden, ist sofort vollstreckbar: Wurde der Rechtsbehelf im Ursprungsmitgliedstaat eingelegt, so übermittelt das Gericht nach Artikel 29 die Entscheidung über den Rechtsbehelf unverzüglich der zuständigen Behörde des Vollstreckungsmitgliedstaats unter Verwendung des Formblatts, das im Wege von gemäß dem Beratungsverfahren nach Artikel 52 Absatz 2 erlassenen Durchführungsrechtsakten erstellt wurde. Diese Behörde stellt sofort nach Eingang sicher, dass die Entscheidung über den Rechtsbehelf ausgeführt wird. Bezieht sich die Entscheidung über den Rechtsbehelf auf ein Bankkonto, das im Ursprungsmitgliedstaat geführt wird, so erfolgt die Durchführung in Bezug auf dieses Bankkonto nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats. Wurde der Rechtsbehelf im Vollstreckungsmitgliedstaat beantragt, so erfolgt die Durchführung der Entscheidung über den Rechtsbehelf nach dem Recht dieses Vollstreckungsmitgliedstaats. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Form (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Rechtliches Gehör (Abs. 2, 3) . . . . . . . . . .
6 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 8.
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IV. Keine Rechtsbehelfsfrist, aber Entscheidungsfrist (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Anwaltszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsfolgen (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . .
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Kap. 4: Rechtsbehelfe
Art. 36 EU-KPfVO
I. Normzweck Art. 36 EU-KPfVO regelt Teile des Verfahrens für die Rechtsbehelfe nach den Art. 33, 34 und 35 EUKPfVO. Festgelegt werden neben der Form (Abs. 1), dem rechtlichen Gehör (Abs. 2, 3) und einer Entscheidungsfrist (Abs. 4) auch die sofortige Vollstreckbarkeit der den Beschluss widerrufenden oder ändernden Rechtsbehelfsentscheidung und deren Übermittlung (Abs. 5). Die Geltungsdauer der Pfändung regelt Art. 20 EU-KPfVO. Die Einlegung eines Rechtsbehelfs nach Art. 33–35 EU-KPfVO hat keinen Suspensiveffekt. Im Übrigen richtet sich der Verfahrensablauf nach dem nationalen Verfahrensrecht, welches vor dem Rechtsbehelfsgericht gilt (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO). In Deutschland regelt §§ 954, 959 ZPO Einzelheiten.1
1
II. Form (Abs. 1) Die Einlegung des Rechtsbehelfs erfolgt unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formblattes (Abs. 1 S. 1). Das Formblatt wurde nach Art. 51, 52 EU-KPfVO von der Kommission erstellt und ist in Anhang VII der DurchführungsVO 2016/1823 zu finden.2 Der Wortlaut deutet darauf hin, dass die Verwendung des Formblattes – ebenso wie die Verwendung der anderen in der EU-KPfVO vorgesehenen Formblätter – zwingend ist.3 Im Zusammenhang mit den EG-ZustVO entschied der EuGH, dass die Verwendung des Formblatts für die Empfangsstelle zwingend ist.4 Erst das Formular und die darin enthaltene Belehrung ermöglichen dem Empfänger, die Entgegennahme der Schriftstücke zu verweigern und gewährleisten damit einen angemessenen Schutz der Verteidigungsrechte.5 Vorliegend handelt es sich nicht um ein Formular für die Behörde, sondern für Rechtsbehelfe der Beteiligten. Die Nichtverwendung des Formblattes ist nicht vergleichbar mit der Einlegung des Rechtsbehelfs in unzureichender Form; sie ist vergleichbar mit einer unzutreffenden Bezeichnung des Rechtsbehelfs. Die unzutreffende Bezeichnung des Rechtbehelfs führt auch im nationalen Kontext nicht zu dessen Unzulässigkeit.6 Hinzu kommt, dass dem Schuldner das Rechtsbehelfsformblatt nicht gem. Art. 28 Abs. 5 EU-KPfVO zugestellt wird. Der Schuldner wird in Ziff. 14 des Beschlussformulars (Anhang II der DurchführungsVO 2016/1823) lediglich auf das online zu findende Formblatt hingewiesen und muss sich das Formblatt selbst beschaffen. Zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 47 EU-Grundrechtecharta) können Gerichte daher verpflichtet sein, einen ohne Verwendung des Formulars eingelegten Rechtsbehelf zu berücksichtigen, sofern der Anfechtungswille klar zum Ausdruck kommt und der Rechtsbehelf entsprechend den Vorgaben des Formblattes begründet ist.7
2
Die Form der Übermittlung des Rechtsbehelfs richtet sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Gericht, an das der Rechtsbehelf adressiert ist, seinen Sitz hat (Abs. 1 S. 2). Auch die elektronische Übermittlung ist zulässig, sofern das nationale Recht die elektronische Übermittlung vorsieht.8
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1 Hierzu Lämmer/Rellermeyer, RpflBl 2015, 43, 44. 2 Alle Formblätter sind online verfügbar: https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_or der-379-de.do (27.9.2021). 3 Anders insoweit Art. 65 Abs. 2 EU-ErbVO („kann“): EuGH v. 17.1.2019 – C-102/18, ECLI:EU:C:2019:34 Rz. 36 – Brisch; Art. 16 i.V.m. ErwGr. 23 S. 2 EG-MahnVO, dazu Ulrici in MünchKomm/ZPO, Art. 16 EG-MahnVO Rz. 4. 4 EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 77 – Alpha Bank Cyprus/Dau Si Senh. 5 EuGH v. 16.9.2015 – C-519/13, ECLI:EU:C:2015:603 Rz. 34 – Alpha Bank Cyprus/Dau Si Senh. 6 Vgl. z.B. Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, § 519 ZPO Rz. 11: „Das Wort „Berufung“ muss nicht verwendet werden.“ 7 A.A. Schlosser/Hess/Hess, Art. 33 Rz. 3, Art. 34 Rz. 2, Art. 36 Rz. 2; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Art. 34 Rz. 1; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 2. 8 Näher Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 4.
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Art. 36 EU-KPfVO
Verfahren für die Rechtsbehelfe gemäß den Artikeln 33, 34 und 35
III. Rechtliches Gehör (Abs. 2, 3) 4
Der Rechtsbehelf ist dem jeweils anderen Beteiligten formlos zur Kenntnis zu bringen (Abs. 2). Die EG-ZustVO 2007 findet – weil es sich um eine formlose Übermittlung handelt – auf die grenzüberschreitende Übermittlung keine Anwendung (Art. 48 lit. a EU-KPfVO). Im Verfahren erhalten sodann beide Parteien Gelegenheit zur Äußerung, bevor eine Entscheidung über den Rechtsbehelf ergeht (Abs. 3); insoweit ist das Rechtsbehelfsverfahren grundsätzlich kontradiktorisch ausgestaltet.9 Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist nur verzichtbar, wenn der Schuldner die Berücksichtigung von Pfändungsfreibeträgen geltend macht (Art. 34 Abs. 1 lit. a EU-KPfVO) oder beide Beteiligten einen Rechtsbehelf nach Art. 35 Abs. 3 EU-KPfVO einlegen.
IV. Keine Rechtsbehelfsfrist, aber Entscheidungsfrist (Abs. 4) 5
Während der Kommissionsentwurf eine umständliche formulierte Rechtsbehelfsfrist vorsah,10 findet sich in der Verordnung keine Frist mehr. Einwendungen nach Art. 33–35 EU-KPfVO können also jederzeit geltend gemacht warden, solange ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Eine Einschränkung durch nationales Recht ist unzulässig.11
6
Abs. 4 sieht eine Entscheidungsfrist von 21 Tagen vor (Fristberechnung: ErwGr. 38 EU-KPfVO).12 Ziel dieser Frist ist es, den Schuldner vor einer übermäßig langen Blockade seiner Vermögenswerte zu schützen.13 Die Frist beginnt nicht, wie im Kommissionsentwurf noch vorgesehen, mit Zustellung des Rechtsbehelfs an den Gläubiger,14 sondern sobald das zuständige Gericht oder die zuständige Behörde alle relevanten Informationen erhalten hat. Damit sollen Verzögerungen, die Auslandszustellungen mit sich bringen können, vermieden werden.15 Gleichzeitig birgt die Änderung aber eine neue Gefahr, denn der Fristbeginn ist nicht mehr an einen exakt feststellbaren Termin, sondern an die Einschätzung des Gerichts gebunden.
V. Anwaltszwang 7
Ob Anwaltszwang besteht, bestimmt sich nach dem Verfahrensrecht des Staats, in dem das Rechtsbehelfsverfahren stattfindet. Mitgliedstaaten dürfen die notwendige Vertretung durch einen Rechtsbeistand vorsehen (Art. 41 S. 2 EU-KPfVO).
VI. Rechtsfolgen (Abs. 5) 8
Eine stattgebende Entscheidung über den Rechtsbehelf ist sofort vollstreckbar (Abs. 5 Unterabs. 1). Das Ende der Pfändungswirkungen (Art. 20 EU-KPfVO) tritt mit Verkündung oder Zustellung des Beschlusses an beide Parteien ein (zum Suspensiveffekt eines weiteren Rechtsmittels s. Art. 37 EUKPfVO Rz. 2). Hat ein Gericht im Vollstreckungsmitgliedstaat über den Rechtsbehelf entschieden (Art. 34 EU-KPfVO), richtet sich die Durchführung nach dem Recht des Vollstreckungsstaats (Abs. 5 Unterabs. 4) und wirkt sich nur auf das im Vollstreckungsstaat gepfändete Konto aus.16 Hat ein Gericht im Ursprungsmitgliedstaat über den Rechtsbehelf entschieden (Art. 33, 35 EU-KPfVO), regelt 9 Domej, GPR 2017, 84, 92. 10 Krit. Fradin/Nourissat, JClP (G) 2011, 1912, 1914 „laisse planer le risque de discussions sans fin!“ 11 Domej, GPR 2017, 84, 92; Garber in Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts (2017), Rz. 9.106; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 5; Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3; Sikorski, Kontopfändungen (2018), 331 f.; Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 150; a.A. Hess/Raffelsieper, IPRax 2015, 46, 50; Schlosser/Hess/Hess, Art. 33 Rz. 3. 12 Dafür bereits Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 292. 13 Domej, FS Simotta (2012), 129, 139. 14 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 34 Abs. 5, Art. 35 Abs. 7. 15 Krit. zum Vorschlag des Kommission Domej, FS Simotta (2012), 129, 140 f. 16 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 45 Rz. 104.
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Kap. 4: Rechtsbehelfe
Art. 38 EU-KPfVO
Abs. 5 Unterabs. 2 die Übermittlung an den Vollstreckungsstaat,17 es sei denn das Bankkonto ist im Ursprungsmitgliedstaat belegen: dann bedarf es keiner Übermittlung nach Abs. 5 Unterabs. 2 und die Durchführung des Rechtsbehelfs richtet sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats. Die Rechtsbehelfsentscheidung eines Gerichts im Ursprungsmitgliedstaat wirkt sich auf alle Staaten aus, in denen der Beschluss vollstreckt wird.18
Artikel 37 Rechtsmittel gegen Entscheidungen über den Rechtsbehelf Jede Partei kann ein Rechtsmittel gegen eine gemäß Artikel 33, 34 oder 35 erlassene Entscheidung einlegen. Ein solches Rechtsmittel wird unter Verwendung des Formblatts, das im Wege von gemäß dem Beratungsverfahren nach Artikel 52 Absatz 2 erlassenen Durchführungsrechtsakten erstellt wurde, für das Rechtsmittel eingelegt. Nach dem Kommissionsentwurf blieb es dem nationalen Recht des Rechtsmittelstaats überlassen, ob 1 und inwieweit ein weiterer Rechtsbehelf zulässig ist.1 Um den Rechtsschutz weiter zu erhöhen, sieht die Verordnung in Art. 37 EU-KPfVO demgegenüber nun zwingend einen weiteren Rechtsbehelf vor („Ob“).2 Auch für diesen Rechtsbehelf erstellte die Kommission ein Formblatt nach Art. 51, 52 EUKPfVO (Anhang IX der DurchführungsVO 2016/1823),3 dessen Verwendung aber, ebenso wie unter Art. 36 Abs. 1 EU-KPfVO, nicht zwingend sein sollte.4 Es handelt sich um ein Rechtsmittel, welches – anders als die Rechtsbehelfe nach Art. 33–35 EUKPfVO – zwingend Devolutiv- und Suspensiveffekt hat.5 Über die Voraussetzungen (z.B. Form, Frist) und das Verfahren entscheidet das nationale Recht des Staates, in dem das Rechtsmittel eingelegt wurde (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO) („Wie“). Eine Einschränkung der Statthaftigkeit (z.B. Zulassung durch das untergeordnete Gericht, betragsmäßige Grenze) dürfte nach dem Wortlaut des Art. 37 EU-KPfVO, der jeder Partei gegen jede (für sie ungünstige) Entscheidung nach Art. 33, 34, 35 EU-KPfVO einen weiteren Rechtsbehelf zubilligt, nicht zulässig sein („Ob“).6 In Deutschland findet die sofortige Beschwerde statt (§ 956 ZPO); die Rechtsbeschwerde ist ausgeschlossen (§ 957 ZPO). Zur Vorlagepflicht an den EuGH s. Einl. EU-KPfVO Rz. 23.
Artikel 38 Sicherheitsleistung anstelle der vorläufigen Pfändung (1) Auf Antrag des Schuldners a) kann das Gericht, das den Beschluss zur vorläufigen Pfändung erlassen hat, die Freigabe der vorläufig gepfändeten Gelder anordnen, wenn der Schuldner bei diesem Gericht eine Sicher17 Formblatt: Anhang VIII DVO (EU) 2016/1823. Alle Formblätter sind online verfügbar: https://e-justice.euro pa.eu/content_european_account_preservation_order-379-de.do (27.9.2021). 18 Antón Juárez, Cuadernos de Derecho Transnacional 2017, 5, 45 Rz. 104. 1 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 37. 2 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 1; Reith, ecolex 2016, 780, 783. 3 Alle Formblätter sind online verfügbar: https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_or der-379-de.do (27.9.2021). 4 A.A. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3. 5 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2. 6 A.A. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Köllensperger, Rz. 1 (Beschränkung nur unzulässig, wenn sie einem generellen Rechtsmittelausschluss gleichkommt).
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2
Art. 38 EU-KPfVO
Sicherheitsleistung anstelle der vorläufigen Pfändung
heit in Höhe des in dem Beschluss angegebenen Betrags oder eine anderweitige Sicherheit in einer Form, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Gericht seinen Sitz hat, zulässig ist, und in einem Wert, der mindestens jenem Betrag entspricht, leistet; b) kann das zuständige Gericht oder, soweit dies im nationalen Recht vorgesehen ist, die zuständige Vollstreckungsbehörde des Vollstreckungsmitgliedstaats die Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung im Vollstreckungsmitgliedstaat beenden, wenn der Schuldner bei diesem Gericht oder dieser Behörde eine Sicherheit in Höhe des in diesem Mitgliedstaat vorläufig gepfändeten Betrags oder eine anderweitige Sicherheit in einer Form, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Gericht seinen Sitz hat, zulässig ist, und in einem Wert, der mindestens jenem Betrag entspricht, leistet. (2) Die Artikel 23 und 24 gelten entsprechend für die Freigabe der vorläufig gepfändeten Gelder. Die Leistung einer Sicherheit anstelle der vorläufigen Pfändung wird dem Gläubiger nach nationalem Recht zur Kenntnis gebracht. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
IV. Art der Sicherheitsleistung . . . . . . . . . . .
4
II. Adressat und Entscheidungszuständigkeit . . .
2
V. Rechtsfolgen der Sicherheitsleistung . . . . . .
5
III. Höhe der Sicherheitsleistung . . . . . . . . . .
3
I. Normzweck 1
Art. 38 EU-KPfVO gibt dem Schuldner die (mit § 923 ZPO vergleichbare) Möglichkeit, die Pfändung durch eine Sicherheitsleistung abzuwenden. Der Schuldner kann die Freigabe der gepfändeten Kontoforderung beantragen, wenn er eine angemessene Sicherheit leistet.
II. Adressat und Entscheidungszuständigkeit 2
Adressat des Antrags und zuständig für die Entscheidung über den Antrag ist wahlweise das Ursprungsgericht (Abs. 1 lit. a) oder das Vollstreckungsgericht bzw. die Vollstreckungsbehörde (Abs. 1 lit. b). Findet die Vollstreckung in Deutschland statt, ist das Vollstreckungsgericht für die Beendigung der Vollstreckung nach Abs. 1 lit. b zuständig (§§ 955 S. 1, 764 Abs. 2 ZPO).1
III. Höhe der Sicherheitsleistung 3
Je nachdem, ob der Schuldner den Antrag im Ursprungsmitgliedstaat oder im Vollstreckungsmitgliedstaat stellt, unterscheiden sich die erforderliche Höhe und die Wirkung der Sicherheitsleistung: Die Höhe der zu leistenden Sicherheit im Ursprungsmitgliedstaat entspricht dem im Beschluss angegebenen Betrag (vorläufig zu pfändenden Gesamtbetrag, Ziff. 8 Anh. II der DurchführungsVO 2016/ 1823). Die Höhe der zu leistenden Sicherheit im Vollstreckungsmitgliedstaat entspricht der Höhe des in diesem Mitgliedstaat (dem Vollstreckungsmitgliedstaat) gepfändeten Betrages. Zwischenzeitlich angelaufene Zinsen und Verfahrenskosten sind nicht zu berücksichtigen.2 Die Sicherheit ist in voller Höhe zu leisten; eine teilweise Sicherheitsleistung bewirkt keine Teilfreigabe.3
IV. Art der Sicherheitsleistung 4
Die Sicherheit kann in Form der Hinterlegung der Sicherheit in bar geleistet werden.4 Ob weitere Formen der Sicherheitsleistung (ErwGr. 35 S. 2 EU-KPfVO: z.B. Bankgarantie, Grundpfandrecht) zu1 2 3 4
BR-Drucks. 633/15, 50 (zu Art. 5). Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 4; a.A. Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 4. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 3.
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Kap. 4: Rechtsbehelfe
Art. 39 EU-KPfVO
lässig sind, bestimmt sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, an dessen Gericht oder Behörde der Antrag gerichtet ist.
V. Rechtsfolgen der Sicherheitsleistung Die Sicherheitsleistung im Ursprungsmitgliedstaat bewirkt die Freigabe aller gepfändeten Beträge, unabhängig von der Belegenheit der Konten. Die Sicherheitsleistung im Vollstreckungsmitgliedstaat bewirkt nur die Beendigung der Vollstreckung im Vollstreckungsmitgliedstaat. Die Freigabe der gepfändeten Gelder folgt dem gleichen Verfahrensmuster wie die Ausführung des Pfändungsbeschlusses (Abs. 2). Durch die Freigabe endet nicht gem. Art. 20 EU-KPfVO die Geltung des Pfändungsbeschlusses.5 Gegen den Pfändungsbeschluss kann der Schuldner weiterhin nach Art. 33 oder 35 Abs. 1 EU-KPfVO (z.B. mit dem Argument, dass der Erlassgrund entfallen ist) vorgehen.
5
Artikel 39 Rechte Dritter (1) Das Recht eines Dritten, einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung anzufechten, richtet sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats. (2) Das Recht eines Dritten, die Vollstreckung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung anzufechten, richtet sich nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. (3) Unbeschadet sonstiger Zuständigkeitsvorschriften des Unionsrechts oder des nationalen Rechts sind für Entscheidungen über eine Klage eines Dritten a) zur Anfechtung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats zuständig und b) zur Anfechtung der Vollstreckung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung im Vollstreckungsmitgliedstaat die Gerichte des Vollstreckungsmitgliedstaats oder, soweit dies im nationalen Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist, die zuständige Vollstreckungsbehörde zuständig. I. Unterscheidung zwischen Anfechtung des Beschlusses und Anfechtung der Vollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Zuordnung von Einwendungen Dritter . . .
4
1. Anfechtung des Beschlusses . . . . . . . . . . . 2. Anfechtung der Vollstreckung . . . . . . . . . .
5 6
I. Unterscheidung zwischen Anfechtung des Beschlusses und Anfechtung der Vollstreckung Nach dem Entwurf der Kommission waren für Einwände Dritter die Gerichte des Ursprungs- oder des Vollstreckungsmitgliedstaats zuständig.1 Damit wollte die Kommission ein Wahlrecht Dritter hinsichtlich der Zuständigkeit einführen.2 Die in Deutschland vorgesehene Drittwiderspruchsklage3 (§ 771 ZPO) konnte nach diesem Vorschlag sowohl geltend gemacht werden, wenn ein deutsches Gericht den Beschluss erlassen hat, als auch bei Vollstreckung des Beschlusses in Deutschland.
5 1 2 3
Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 8. Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 39. Für Wahlrecht bereits Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 278. Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 408.
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1
Art. 39 EU-KPfVO
Rechte Dritter
2
Die EU-KPfVO unterscheidet hingegen zwischen der Anfechtung des Beschlusses und der Anfechtung der Vollstreckung des Beschlusses. International zuständig für die Anfechtung des Beschlusses sind die Gerichte des Ursprungsmitgliedstaats (Abs. 3 lit. a). Auf die Anfechtung des Beschlusses findet das Recht des Ursprungsmitgliedstaats Anwendung (Abs. 1). Für die Anfechtung der Vollstreckung sieht Abs. 3 lit. b eine internationale Zuständigkeit der Gerichte des Vollstreckungsmitgliedstaats vor. Soweit im nationalen Recht die Vollstreckungsbehörde über vollstreckungsrechtliche Einwendungen entscheiden darf, kann auch hier die Vollstreckungsbehörde zuständig sein. Auf die Anfechtung der Vollstreckung des Beschlusses ist das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats anzuwenden (Abs. 2).
3
Damit sind Unsicherheiten bei der Zuordnung von Einwendungen zum Beschluss bzw. zur Vollstreckung vorgezeichnet.4 Neben den Zuständigkeiten nach Art. 39 EU-KPfVO finden sonstige Zuständigkeitsvorschriften des Unionsrechts (Art. 24 Nr. 5 Brüssel Ia-VO) und des nationalen Rechts Anwendung (Abs. 3 Halbs. 1 EU-KPfVO).5
II. Zuordnung von Einwendungen Dritter 4
Sieht der Vollstreckungsmitgliedstaat eine Einwendung als gegen den Beschluss gerichtet, aber der Ursprungsmitgliedstaat als gegen die Vollstreckung gerichtet an, kann es leicht zu einem Rechtsbehelfsvakuum kommen. Daher ist eine autonome Auslegung der Begriffe „Anfechtung des Beschlusses“ und „Anfechtung der Vollstreckung“ notwendig.6 1. Anfechtung des Beschlusses
5
Gegen den Beschluss richtet sich eine Einwendung, wenn ein Dritter geltend macht, die Bedingungen und Voraussetzungen für den Beschlusserlass haben nicht vorgelegen.7 Die Voraussetzungen für den Beschlusserlass liegen z.B. nicht vor, wenn es sich nicht um ein Konto i.S.v. Art. 4 Nr. 1 EUKPfVO handelt. Das ist der Fall, wenn das Konto weder im Namen des Schuldners noch im Namen eines Dritten für den Schuldner geführt wird. Wurde der Beschluss in Deutschland erlassen, kann der von einer Missachtung des Art. 4 Nr. 1 EU-KPfVO beschwerte Dritte nach § 766 ZPO vorgehen.8 2. Anfechtung der Vollstreckung
6
Um eine Anfechtung der Vollstreckung handelt es sich, wenn der Dritte geltend macht, durch die Ausführung des Beschlusses (Kontosperrung) im Hinblick auf ein bestimmtes Bankkonto in seinen Rechten beeinträchtigt zu sein.9 Einwendungen, mit denen ein Dritter seine Berechtigung an der gepfändeten Kontoforderung geltend macht, sind folglich als Anfechtung der Vollstreckung zu verstehen.10 Bei Vollstreckung des Beschlusses in Deutschland gilt: Wendet der Dritte ein, er sei alleiniger Forderungsberechtigter (z.B. weil ihm die Forderung abgetreten wurde), wirtschaftlich Forderungsberechtigter (Treugeber, vgl. Art. 30 EU-KPfVO) oder Mitberechtigter (Und-Konto, vgl. Art. 30 EUKPfVO), kann er nach §§ 950, 771 ZPO vor deutschen Gerichten vorgehen.
4 5 6 7 8
Krit. auch Jeuland, IJPL 2016, 283, 294. Krit. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3 Fn. 3. Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 1. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 3. Die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO ist nicht statthaft, weil es sich bei dem Europäischen Pfändungsbeschluss nach deutschem Verständnis um eine Vollstreckungssmaßnahme (ohne vorherige Anhörung des Schuldners) und nicht um eine Entscheidung handelt, a.A. Schlosser/Hess/Hess, Rz. 3. 9 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 3. 10 A.A. Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 84.
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Kap. 5: Allgemeine Bestimmungen
Art. 41 EU-KPfVO
Kapitel 5 Allgemeine Bestimmungen (Art. 40–Art. 53)
Artikel 40 Legalisation oder ähnliche Förmlichkeiten Im Rahmen dieser Verordnung bedarf es weder der Legalisation noch einer ähnlichen Förmlichkeit. Art. 40 EU-KPfVO entspricht sachlich dem Art. 61 Brüssel Ia-VO und bezieht sich auf öffentliche 1 Urkunden, die nach Art. 7 Abs. 2, Art. 4 Nr. 10 EU-KPfVO Grundlage für den Erlass eines vorläufigen Pfändungsbeschlusses sein können.1 Für diese Urkunden sind weder eine Legalisation (= Bestätigung der Echtheit einer ausländischen öffentlichen Urkunde z.B. durch den Konsularbeamten des Staates, in dem die Urkunde verwendet werden soll) noch ähnliche Förmlichkeiten wie eine Apostille (= vereinfachte Bestätigung der Echtheit einer ausländischen Urkunde nach dem Haager Übereinkommen vom 5.10.1961) erforderlich.
Artikel 41 Rechtliche Vertretung In Verfahren, mit denen ein Beschluss zur vorläufigen Pfändung erwirkt werden soll, ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder einen sonstigen Rechtsbeistand nicht verpflichtend. In Verfahren nach Kapitel 4 ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder einen sonstigen Rechtsbeistand nicht verpflichtend, es sei denn, eine solche Vertretung ist nach dem Recht des Mitgliedstaats des Gerichts oder der Behörde, bei dem bzw. der der Rechtsbehelf gestellt worden ist, ungeachtet der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes der Parteien vorgeschrieben.
I. Normzweck Art. 41 EU-KPfVO soll die einfache und kostengünstige Erlangung eines vorläufigen Pfändungs- 1 beschlusses ermöglichen, indem er das Verfahren teilweise vom Rechtszwang freistellt. Nicht geregelt wird das Recht einer Partei, sich eines Rechtsanwaltes zu bedienen. Maßgeblich für die Zulässigkeit und Ausgestaltung der rechtlichen Vertretung ist das Verfahrensrecht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).1 Die Ausgestaltung der Rechtsanwaltsvergütung obliegt ebenfalls dem nationalen Recht.
II. Antragstellung und Annexverfahren (S. 1) Für den Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses benötigt der Gläubiger keinen Rechtsanwalt oder 2 sonstigen Rechtsbeistand (S. 1). Entgegenstehende Regelungen des nationalen Verfahrensrechts (z.B. § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO in Deutschland) werden durch S. 1 verdrängt. Die Antragstellung in Deutschland ist daher auch dann ohne einen im Inland zugelassenen Rechtsanwalt möglich, wenn in erster Instanz das LG sachlich zuständig ist (Art. 6 EU-KPfVO Rz. 25).2 Art. 41 S. 1 EU-KPfVO gilt auch für Annexverfahren (z.B. Bestimmung des zuständigen Gerichts).3 1 1 2 3
Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2. Dazu Klüsener, JurBüro 2017, 57 ff. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 946 Rz. 6, Art. 41 Rz. 5. OGH v. 24.1.2018 – 3Nc/18y, Ziff. 1; Wiedemann in von Hein/Kruger (Hrsg.), Informed Choices in Cross-Border Enforcement (2021), 103, 123.
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Art. 42 EU-KPfVO
Gerichtsgebühren
III. Rechtsbehelfsverfahren (S. 2) 3
Für das Rechtsbehelfsverfahren nach Kapitel 4 dürfen die Mitgliedstaaten hingegen die notwendige Vertretung durch einen Rechtsbeistand vorsehen (S. 2).4 Für den Rechtsbehelf des Gläubigers nach Art. 21 EU-KPfVO enthält Art. 41 EU-KPfVO keine Sonderregelung; gem. Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO können Mitgliedstaaten einen Anwaltszwang vorsehen.
Artikel 42 Gerichtsgebühren Die Gebühren in Verfahren, in denen ein Beschluss zur vorläufigen Pfändung erwirkt werden soll, oder in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Beschluss dürfen nicht höher sein als jene, die für einen gleichwertigen nationalen Beschluss oder einen Rechtsbehelf gegen einen solchen nationalen Beschluss in Rechnung gestellt werden. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
III. Vorschuss, Gebührenschuldner, Erstattung . .
4
II. Höhe der Gebühren . . . . . . . . . . . . . . .
3
IV. Gebührenregelung in Deutschland . . . . . . .
5
I. Normzweck 1
Art. 42 EU-KPfVO schreibt die Gerichtsgebühren des Ursprungsmitgliedstaates für den Erlass des Beschlusses und für die Rechtsbehelfe gegen den (ablehnenden oder erlassenden) Beschluss nicht unionsautonom vor, sondern enthält Maßgaben für die gem. Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO geltenden nationalen Gerichtsgebühren. Ziel von Art. 42 EU-KPfVO ist es, zu vermeiden, dass Gläubiger von der Beantragung eines Pfändungsbeschlusses oder Schuldner bzw. Gläubiger von der Einlegung eines Rechtsbehelfs abgeschreckt werden, weil sie mit höheren Gerichtsgebühren rechnen müssen als in einem nationalen Verfahren.1
2
Zu den Gerichtsgebühren gehören nur die dem Gericht zu entrichtenden Gebühren und Abgaben.2 Für die Rechtsanwaltsvergütung enthält die Verordnung keine Vorgaben.3
II. Höhe der Gebühren 3
Art. 42 EU-KPfVO verbietet den Mitgliedstaaten, für den Erlass des Beschlusses und im Rechtsbehelfsverfahren höhere Gebühren zu verlangen als für einen gleichwertigen nationalen Beschluss. Die Umsetzung dieses Grundsatzes (z.B. Pauschalgebühren oder Wertgebühren) bleibt den Mitgliedstaaten überlassen. Die Umsetzung darf aber weder ungünstiger sein als für nationale Sachverhalte (Äquivalenzprinzip), noch den Antrag faktisch unmöglich machen oder erschweren (Effektivitätsprinzip).4 Die Mitgliedstaaten teilen ihre Gerichtsgebühren der Kommission mit, Art. 50 Abs. 1 lit. n EU-KPfVO.5
4 So noch nicht ausdrücklich, aber bereits implizit Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 41; Harbeck, ZInsO 2012, 805, 810; Müller, RIW 2012, 151, 156. 1 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, S. 10 f. 2 Art. 25 Abs. 2 EG-MahnVO kann entsprechend herangezogen werden, zu Einzelheiten vgl. Ulrici in MünchKomm/ZPO, Art. 25 EG-MahnVO Rz. 5. Ebenso Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 1. 3 Dazu Klüsener, JurBüro 2017, 57 ff.; Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 90 ff. 4 Vgl. EG-MahnVO EuGH v. 13.12.2012 – C-215/11, ECLI:EU:C:2012:794 – Jwona Szyrocka/SiGer Technologie GmbH, EuZW 2013, 147. 5 Die Informationen sind abrufbar unter https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_or der-379-de.do (27.9.2021).
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Kap. 5: Allgemeine Bestimmungen
Art. 43 EU-KPfVO
III. Vorschuss, Gebührenschuldner, Erstattung Zweifelhaft ist, ob die Mitgliedstaaten den Beschlusserlass von der Zahlung eines Gebührenvorschusses abhängig machen dürfen. ErwGr. 27 EU-KPfVO erlaubt dies nur für die Vollstreckung des Beschlusses. Die abschließende Regelung der formellen Voraussetzungen in Art. 8 EU-KPfVO spricht zwar gegen eine Vorschusspflicht.6 Ein sachlicher Grund, warum der Vollstreckungsmitgliedstaat bei Vollziehung des Beschlusses einen Vorschuss verlangen können sollte, der Ursprungsmitgliedstaat bei Erlass des Beschlusses hingegen nicht, ist aber nicht ersichtlich. Daher kann auch der Erlass des Beschlusses der Einzahlung eines Vorschusses abhängig gemacht werden. Wer Gebührenschuldner ist und ob der Gläubiger, der Gebühren verauslagt hat, vom Schuldner Erstattung verlangen kann, bestimmt sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).7 Die von der Kommission noch vorgesehene, wenig gelungene Kostentragungsregelung8 wurde vom Rat als nicht erforderlich angesehen und gestrichen.9
4
IV. Gebührenregelung in Deutschland Für die Erwirkung eines Pfändungsbeschlusses in den Fällen des Art. 5 lit. a EU-KPfVO fällt eine Wertgebühr an (Gebührensatz: 1,5).10 In den Fällen des Art. 5 lit. b EU-KPfVO fällt eine Pauschalgebühr i.H.v. 20 t an. Ist der Antrag mit einem Auskunftsersuchen verbunden, beträgt die Gebühr 33 t.11 Kosten des Bundeszentralamtes für Steuern könnte das Gericht als Auslagen in Rechnung stellen (KV Nr. 9013 GKG);12 derzeit stellt das Bundeszentralamt für Steuern ersuchenden Behörden jedoch keine Gebühren in Rechnung.13 Der Beschlusserlass kann von der Einzahlung eines Vorschusses abhängig gemacht werden.
Artikel 43 Den Banken entstehende Kosten (1) Eine Bank darf sich die Kosten, die ihr bei der Ausführung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung entstehen, vom Gläubiger oder vom Schuldner nur dann erstatten oder vergüten lassen, wenn sie nach dem Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats im Zusammenhang mit gleichwertigen nationalen Beschlüssen Anspruch auf eine solche Vergütung oder Erstattung hat. (2) Die Gebühren, die von einer Bank zur Deckung der Kosten nach Absatz 1 erhoben werden, sind unter Berücksichtigung der Komplexität der Ausführung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung festzulegen und dürfen nicht höher sein als die Gebühren, die für die Ausführung gleichwertiger nationaler Beschlüsse erhoben werden. (3) Die Gebühren, die von einer Bank zur Deckung der Kosten für die Erteilung von Kontoinformationen nach Artikel 14 erhoben werden, dürfen die tatsächlich entstandenen Kosten und gegebenenfalls die Gebühren, die für die Erteilung von Kontoinformationen im Rahmen gleichwertiger nationaler Beschlüsse erhoben werden, nicht übersteigen.
6 7 8 9 10 11 12 13
Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 3. Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2. Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, Art. 42. Vgl. dazu Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes und des künftigen irischen Vorsitzes, 18.12.2012, 17738/12, 50 Fn. 50. KV Nr. 1410 GKG, dazu Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 95. Für Rechtsmittelverfahren vgl. KV Nr. 1430 Nr. 2 GKG; arbeitsgerichtliche Verfahren: KV Nr. 8310, 8330 Nr. 2; FamFG-Verfahren: KV Nr. 1410 FamGKG. KV Nr. 2111, 2112 GKG, dazu Goebel, FoVo 2017, 1, 3; Musielak/Voit/Lackmann, Vor §§ 946 ff. ZPO Rz. 96. Für § 954 Abs. 2 ZPO vgl. KV Nr. 2119 GKG. Goebel, FoVo 2017, 1, 3. BT-Drucks. 16/13432, 49.
Wiedemann
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Art. 43 EU-KPfVO
Den Banken entstehende Kosten
I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausführung des Beschlusses (Abs. 1, 2) . . . .
1 2
III. Erteilung von Kontoinformationen (Abs. 3) . IV. Kostenregelung in Deutschland . . . . . . . . .
3 4
I. Normzweck 1
Art. 43 EU-KPfVO regelt die den Banken entstehenden Kosten bei Ausführung des Beschlusses und bei Erteilung von Kontoinformationen nicht unionsautonom, sondern enthält Maßgaben für die gem. Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO anwendbaren nationalen Gebühren.
II. Ausführung des Beschlusses (Abs. 1, 2) 2
Die Bank ist nur dann zur Geltendmachung von Gebühren für die Ausführung des Beschlusses berechtigt, wenn sie solche Gebühren auch für vergleichbare nationale Maßnahmen verlangen kann (Abs. 1). Wegen des mit der Pfändung verbundenen Mehraufwandes ist die Delegation an nationales Recht geeignet, Banken in Staaten ohne entsprechende Gebühren zu benachteiligen.1 Der Rat hielt gleichwohl und trotz Gegenwehr des Parlaments2 daran fest. Die Abhängigkeit der Gebühren vom nationalen Recht soll vermeiden, dass für die Europäische Kontenpfändung höhere Kosten entstehen und diese damit an Attraktivität verliert.3 Sieht das nationale Recht für vergleichbare einzelstaatliche Maßnahmen eine Gebühr für Banken vor, dürfen Banken für die Ausführung des vorläufigen Pfändungsbeschlusses Gebühren verlangen. Die Gebühr ist dann aber unter Berücksichtigung der Komplexität der Ausführung festzulegen und darf nicht höher sein als die Gebühren für gleichwertige nationale Beschlüsse (Abs. 2). Sie kann sowohl in einer Festgebühr als auch in einer Wertgebühr bestehen.4 Die Ausführung des Beschlusses in Abhängigkeit von der Zahlung eines Gebührenvorschusses würde der Bank Kostensicherheit geben,5 ist aber in der Verordnung – anders als bei der Vollstreckung des Beschlusses (ErwGr. 27 EU-KPfVO) – nicht vorgesehen. Wer Gebührenschuldner ist, richtet sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Konto geführt wird (Art. 46 Abs. 1 EUKPfVO).
III. Erteilung von Kontoinformationen (Abs. 3) 3
Für die Erteilung von Kontoinformationen dürfen Banken, soweit sie hierbei nach Art. 14 Abs. 5 lit. a EU-KPfVO einbezogen werden, Kosten auch dann verlangen, wenn im nationalen Kontext keine Gebühren vorgesehen sind (Abs. 3). Die Gebühren dürfen aber die tatsächlich entstandenen Kosten und gegebenenfalls die Gebühren nach nationalem Recht nicht übersteigen.
IV. Kostenregelung in Deutschland 4
Im deutschen Recht sind keine Gebühren für Banken vorgesehen.6
1 Für einheitliche Gebühren deshalb Baldassarre, Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, 19.6.2013, A7-0227/13, 68; Max Planck Working Group, ECFR 2007, 252, 274; Harbeck, ZInsO 2012, 805, 810. Krit. auch Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 946 Rz. 7, Art. 43 Rz. 7. 2 Council of the EU, Note to JHA Counsellors meeting, 30.1.2014, 5912/14, 5. 3 Council of the EU, Note from the Presidency, 30.1.2014, 5924/14, 3. 4 Krit. ggü. Festgebühr Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 19. 5 Council of the EU, Note from the delegation of the United Kingdom, 13.8.2012, 13140/12, 19. 6 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 946 Rz. 7; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 2.
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Wiedemann
Kap. 5: Allgemeine Bestimmungen
Art. 44 EU-KPfVO
Artikel 44 Von den Behörden erhobene Gebühren Die Gebühren, die von einer Behörde oder sonstigen Stelle des Vollstreckungsmitgliedstaats, die an der Bearbeitung oder Vollstreckung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung oder an der Erteilung von Kontoinformationen nach Artikel 14 beteiligt ist, erhoben werden, werden anhand einer Gebührenskala oder eines sonstigen Regelwerks bestimmt, die bzw. das jeder Mitgliedstaat im Voraus festlegt und in der bzw. dem die geltenden Gebühren in transparenter Weise aufgeführt sind. Bei der Festlegung der Skala oder des Regelwerks können die Mitgliedstaaten die Höhe des in dem Beschluss angegebenen Betrags und die Komplexität der Bearbeitung des Beschlusses berücksichtigen. Die Gebühren dürfen die im Zusammenhang mit einem gleichwertigen nationalen Beschluss gegebenenfalls erhobenen Gebühren nicht übersteigen. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
III. Vorschuss, Gebührenschuldner, Erstattung . .
3
II. Höhe der Gebühren . . . . . . . . . . . . . . .
2
IV. Gebührenregelung in Deutschland . . . . . . .
3
I. Normzweck Art. 44 EU-KPfVO regelt die Gebühren der Behörde oder der sonstigen Stelle für die Vollstreckung des Beschlusses und für die Erteilung von Kontoinformationen nicht unionsautonom, sondern enthält Maßgaben für die nationalen Gebühren. Gebühren dürfen auch erhoben werden, wenn im nationalen Kontext keine Gebühren vorgesehen sind.
1
II. Höhe der Gebühren Die Gebühren dürfen nicht höher sein als die für gleichwertige nationale Beschlüsse gegebenenfalls erhobenen Gebühren (S. 3). Die Gebühren müssen sich anhand einer Gebührenskala oder eines sonstigen Regelwerks bestimmen lassen, wobei Höhe der Forderung und die Komplexität des Verfahrens bei der Festlegung der Skala berücksichtigt werden können (S. 1, 2). Die Beschränkung der Gebühren auf Festgebühren1 im Kommissionsentwurf war, angesichts der in der Entwurfsbegründung verlangten Verhältnismäßigkeit der Gebühr zur Höhe der Forderung,2 vermutlich ein Versehen. Möglich sind Pauschalgebühren oder Wertgebühren.
2
III. Vorschuss, Gebührenschuldner, Erstattung Die Mitgliedstaaten können die Vollstreckung des Beschlusses von der Einzahlung eines Gebühren- 3 vorschusses abhängig machen (ErwGr. 27 EU-KPfVO).3 Wer Gebührenschuldner ist, bestimmt sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem die Gebühren erhoben werden (Art. 46 Abs. 1 EUKPfVO). Ob der Gläubiger, der Gebühren verauslagt hat, vom Schuldner Erstattung verlangen kann, richtet sich ebenfalls nach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem die Gebühren erhoben werden (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO). Die von der Kommission noch vorgesehene, wenig gelungene Kostentragungsregelung4 wurde vom Rat als nicht erforderlich angesehen und gestrichen.5
1 Im deutschen Sprachverständnis handelt es sich bei Festgebühren um solche, die unabhängig vom Wert des Verfahrens erhoben werden (Pauschalgebühren), s. z.B. KV Nr. 1953, 1956, 2502, 4401, 5240 GKG. 2 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, S. 11. 3 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3. Vgl. im deutschen Recht § 12 Abs. 6 S. 1 GKG, der aber für die Vollstreckung des Pfändungsbeschlusses mangels Gebührentatbestand keine Anwendung findet. 4 Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, Art. 42. 5 Vgl. dazu Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes und des künftigen irischen Vorsitzes, 18.12.2012, 17738/12, 50 Fn. 50.
Wiedemann
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Art. 45 EU-KPfVO
Fristen
IV. Gebührenregelung in Deutschland 4
In Deutschland ist nur für die Erwirkung des Beschlusses (Art. 42 EU-KPfVO), nicht aber für dessen Vollstreckung (Art. 44 EU-KPfVO) eine Gebühr vorgesehen.
Artikel 45 Fristen Ist es aufgrund außergewöhnlicher Umstände dem Gericht oder der beteiligten Behörde nicht möglich, die Fristen gemäß Artikel 14 Absatz 7, Artikel 18, Artikel 23 Absatz 2, Artikel 25 Absatz 3 Unterabsatz 2, Artikel 28 Absätze 2, 3 und 6, Artikel 33 Absatz 3 und Artikel 36 Absätze 4 und 5 einzuhalten, so ergreift das Gericht oder die Behörde so rasch wie möglich die nach jenen Vorschriften erforderlichen Maßnahmen. 1
Um sicherzustellen, dass der Beschluss zur vorläufigen Pfändung rasch und zügig erlassen wird, sieht die EU-KPfVO an zahlreichen Stellen Fristen für den Abschluss der verschiedenen Verfahrensschritte vor (ErwGr. 37 EU-KPfVO, Fristberechnung: ErwGr. 38 EU-KPfVO).1 Die an dem Verfahren beteiligten Gerichte oder Behörden können aber unter außergewöhnlichen Umständen von diesen Fristen abweichen, beispielsweise in rechtlich oder sachlich komplexen Fällen.2 Mit einem Verweis auf außergewöhnliche Umstände können Staaten gegenüber den Beteiligten eine unionsrechtliche Haftung (Art. 340 AEUV) und gegenüber der EU ein Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258 ff. AEUV) vermeiden.3 Gerichtsferien sind, ebenso wie andere justizinterne Gründe (z.B. Überlastung der Justiz, Erkrankung der Richter)4, keine außergewöhnlichen Umstände.5
Artikel 46 Verhältnis zum nationalen Prozessrecht (1) Sämtliche verfahrensrechtlichen Fragen, die in dieser Verordnung nicht ausdrücklich geregelt sind, richten sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren stattfindet. (2) Die Wirkungen der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf einzelne Vollstreckungshandlungen, wie die Vollstreckung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung, richten sich nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.
I. Verhältnis zum nationalen Verfahrensrecht (Abs. 1) 1
Ungeachtet des Ziels, ein in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen ausgestaltetes Unionsverfahren zu schaffen (Art. 1 Abs. 1 EU-KPfVO), enthält die Verordnung an zahlreichen Stellen Verweisungen auf einzelstaatliches Recht (vgl. etwa ErwGr. 33 EU-KPfVO, Art. 9, Art. 12 Abs. 3 S. 1, Art. 17 Abs. 5, Art. 23 Abs. 1, 5, Art. 30, Art. 31, Art. 32, Art. 35 Abs. 2, Art. 36 Abs. 1, Art, 38 Abs. 2, Art. 39 EUKPfVO). Daneben enthält Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO eine Generalverweisung, die klarstellt, dass auch im Übrigen, soweit die Verordnung bestimmte Fragen ungeregelt lässt, das Verfahrensrecht des Mitgliedstaats zur Anwendung kommt, in dem das Verfahren stattfindet, d.h. für den Erlass das Recht des Ursprungsmitgliedstaats und für die Vollstreckung das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats. 1 2 3 4 5
Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM(2011) 445, S. 7. Für ähnliche Vorschriften im EuZPR s. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3. Rieländer, RIW 2020, 102, 110. EuGH v. 7.11.2019 – C-555/18, ECLI:EU:C:2019:937 – K.H.K/B.A.C., E. E.K., RIW 2020, 30 Rz. 56.
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Kap. 5: Allgemeine Bestimmungen
Art. 47 EU-KPfVO
II. Verhältnis zum Insolvenzrecht (Abs. 2) Aus Art. 2 Abs. 2 lit. c EU-KPfVO ergibt sich, dass ein Pfändungsbeschluss nicht gegen einen Schuldner erlassen werden darf, sobald gegen ihn ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Der Einfluss eines nach Erlass des Pfändungsbeschlusses eingeleiteten Insolvenzverfahrens (insb. z.B. § 88 InsO) bestimmt sich hingegen nach dem Insolvenzverfahrensrecht des Mitgliedstaats, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 lit. f EuInsVO).1 Art. 46 Abs. 2 EU-KPfVO wiederholt insoweit die in Art. 7 Abs. 2 lit. f EuInsVO enthaltene Kollisionsnorm.
2
Weil der Europäischen Pfändung die Wirkung einer funktionsäquivalenten nationalen Sicherungsmaßnahme zukommt, richtet sich die Wirkung der Europäischen Pfändung in der Insolvenz nach der Wirkung einer funktionsäquivalenten nationalen Sicherungsmaßnahme. Für in Deutschland geführte Konten entfaltet der Pfändungsbeschluss die Wirkungen eines Arrestpfandrechts (Art. 23 EUKPfVO Rz. 14). Im deutschen Insolvenzverfahren gewährt das Arrestpfandrecht (§ 930 ZPO) zunächst noch kein Recht zur abgesonderten Befriedigung, da zwar ein Pfändungspfandrecht entsteht, dieses aber nur der Sicherung und nicht der Befriedigung dient. Erlangt der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel (auch: Feststellung zur Insolvenztabelle), erstarkt das Arrestpfandrecht jedoch zu einem zur Befriedigung berechtigenden Pfandrecht. Nach Erstarken des Pfandrechts kann der Gläubiger ein Absonderungsrecht (§ 50 InsO) mit dem Rang des Arrestpfandrechts geltend machen.2 Wie diese Wirkungen auf den Europäischen Pfändungsbeschluss zu übertragen sind, ist umstritten.3 Damit der dem Europäischen Pfandrecht zukommende Gläubigerrang nicht zur Illusion wird (vgl. Art. 32 EU-KPfVO, Art. 20 EU-KPfVO Rz. 6 f.), könnte man wie folgt differenzieren: Verfügt der Gläubiger bereits über einen Titel, schafft das Europäische Pfandrecht ein Absonderungsrecht. Andernfalls entsteht der Rang erst mit Feststellung zur Tabelle.
3
Artikel 47 Datenschutz (1) Personenbezogene Daten, die nach dieser Verordnung erhoben, verarbeitet oder übermittelt werden, müssen dem Zweck, zu dem sie erhoben, verarbeitet oder übermittelt wurden, entsprechen, müssen dafür erheblich sein und dürfen nicht darüber hinausgehen; sie werden ausschließlich für diesen Zweck verwendet. (2) Die zuständige Behörde, die Auskunftsbehörde und jede sonstige Stelle, die für die Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung zuständig ist, bewahrt die Daten nach Absatz 1 nur so lange auf, wie dies für den Zweck, zu dem sie erhoben, verarbeitet oder übermittelt wurden, erforderlich ist, in jedem Fall aber höchstens sechs Monate ab Beendigung des Verfahrens, und gewährleistet während dieser Zeit einen angemessenen Schutz dieser Daten. Dieser Absatz gilt nicht für die Daten, die von Gerichten bei der Ausübung ihrer Aufgaben verarbeitet und gespeichert werden. Die Mitgliedstaaten und ihre Organe haben bei der Ausführung der Verordnung die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung1 zu beachten (Art. 48 lit. d EU-KPfVO).2
1 Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2. 2 Ganter in MünchKomm/InsO, (4. Aufl. 2019) § 50 InsO Rz. 66a. 3 Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 3 (kein Absonderungsrecht); Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2 (bereits mit Pfändungsanordnung Absonderungsrecht). 1 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. EU 2016 L 119. 2 ErwGr. 45 EU-KPfVO verweist noch auf die RL 95/46/EG. Die Richtlinie wurde mit Wirkung vom 25.5.2018 aufgehoben. Verweise auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Verweise auf die Datenschutzgrundverordnung (Art. 94 Datenschutzgrundverordnung).
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1
Art. 48 EU-KPfVO
Verhältnis zu anderen Rechtsakten
2
Art. 47 EU-KPfVO konkretisiert diese Verpflichtung. Art. 47 Abs. 1 EU-KPfVO ist adressiert an alle Gerichte und Behörden der Mitgliedstaaten, nicht aber an den Gläubiger.3 Die von den Gerichten und Behörden erhobenen Daten müssen für die Sicherung der Gläubigerforderung erheblich sein und dürfen nicht darüber hinausgehen. Insbesondere dürfen nicht weitere Konten abgefragt werden, wenn bereits ein zur Sicherung der Forderung ausreichendes Konto bekannt ist.4
3
Die im Rahmen der europäischen Sachaufklärung gefundenen Daten dürfen von Gerichten und Behörden ausschließlich für den Zweck, zu dem sie erhoben wurden, genutzt und nicht anderweitig verwendet oder weitergeben werden (Abs. 1 Halbs. 2). Die Daten unterliegen damit für Gerichte und Behörden einem Verwertungsverbot im Strafverfahren, bei der Steuerfahndung und in anderen Vollstreckungsverfahren.5 Der deutsche Gesetzgeber sieht in § 947 Abs. 2 S. 1 ZPO vor, dass das Gericht die im Rahmen der Kontenabfrage nach Art. 14 EU-KPfVO erlangten Daten nur für die Zwecke des jeweiligen Europäischen Kontenpfändungsverfahrens speichern, übermitteln und nutzen darf. Der Gläubiger kann die gewonnen Informationen hingegen auch anderweitig nutzen (z.B. für nationale Vollstreckungsmaßnahmen).6
4
Abs. 2 beschränkt für Vollstreckungs- und Auskunftsbehörden, nicht aber für Gerichte (Abs. 2 S. 2) die Aufbewahrungszeit von Daten. Daten dürfen nur aufbewahrt werden, solange die Aufbewahrung noch zur Sicherung der Forderung erforderlich ist, höchstens aber für sechs Monate (Fristberechnung: ErwGr. 38 EU-KPfVO). Hat beispielsweise die Auskunftsbehörde die Daten übermittelt, muss sie diese Daten spätestens nach sechs Monaten löschen. Während der Aufbewahrung ist ein angemessener Schutz der Daten aus technischer und organisatorischer Sicht zu gewährleisten.7 Die §§ 947 Abs. 2 S. 2, 3, 948 Abs. 3 S. 3 ZPO sehen die unverzügliche Sperrung bzw. die (protokollierte) Löschung nicht mehr benötigter Daten vor.8
Artikel 48 Verhältnis zu anderen Rechtsakten Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung a) der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates,1 außer in den Fällen nach Artikel 10 Absatz 2, Artikel 14 Absätze 3 und 6, Artikel 17 Absatz 5, Artikel 23 Absätze 3 und 6, Artikel 25 Absätze 2 und 3, Artikel 28 Absätze 1, 3, 5 und 6, Artikel 29, Artikel 33 Absatz 3, Artikel 36 Absätze 2 und 4 und Artikel 49 Absatz 1 der vorliegenden Verordnung; b) der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012; c) der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000; d) der Richtlinie 95/46/EG, außer in den Fällen nach Artikel 14 Absatz 8 und Artikel 47 der vorliegenden Verordnung; e) der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates;2 3 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2. 4 Sikorski, Kontopfändungen (2018), 382. 5 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2; Schumacher/Köllensperger/Trenker/Schumacher, Rz. 3; a.A. Schlosser/Hess/Hess Rz. 1; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 2. 6 Krit. Bruns, ZEuP 2010, 809, 818 f.; Häcker, WM 2012, 2180, 2185. Zur Beschränkung der Datenweitergabe an den Gläubiger Art. 14 EU-KPfVO Rz. 19. 7 Council of the EU, Note from the German delegation, 13.3.2013, 7272/13, 2. 8 Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 3. 1 Amtliche Fußnote: Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/ 2000 des Rates (ABl. L 324 vom 10.12.2007, 79). 2 Amtliche Fußnote: Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl. L 174 vom 27.6.2001, 1).
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Kap. 5: Allgemeine Bestimmungen
Art. 48 EU-KPfVO
f) der Verordnung (EG) Nr. 864/2007, außer in den Fällen nach Artikel 13 Absatz 4 der vorliegenden Verordnung. I. 1. 2. 3. 4. II.
Verhältnis zur EG-ZustVO (2007) (lit. a) . . 1 Eigenes Übermittlungssystem der EU-KPfVO 2 Sprachenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Heilung von Zustellungsfehlern . . . . . . . . . 4 Formlose Übermittlungen . . . . . . . . . . . . 6 Verhältnis zur Brüssel Ia-VO (lit. b) . . . . . 10
III. Verhältnis zur EuInsVO (lit. c) . . . . . . . . 12 IV. Verhältnis zur Datenschutz-Grundverordnung (lit. d) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 V. Verhältnis zur EU-BewVO (lit. e) . . . . . . . 14 VI. Verhältnis zur Rom II-VO (lit. f) . . . . . . . 15
I. Verhältnis zur EG-ZustVO (2007) (lit. a) Lit. a regelt das Verhältnis zur EG-ZustVO (2007). Die EU-KPfVO lässt grundsätzlich die EG-ZustVO 1 (2007) unberührt. Allerdings enthält die Verordnung ein eigenes Übermittlungssystem (Art. 29 EUKPfVO), welches die EG-ZustVO 2007 hinsichtlich des Zustellungsverfahrens teilweise verdrängt (Rz. 2). Die Sprachregelungen und Heilungsmöglichkeiten der EG-ZustVO 2007 bleiben anwendbar, soweit sie nicht ihrerseits durch spezielle Regelungen der EU-KPfVO verdrängt werden (s. dazu Rz. 3 ff.). An einigen Stellen sieht die EU-KPfVO für die grenzüberschreitende Übermittlung von Schriftstücken an Beteiligte keine förmliche Zustellung vor; auch insoweit wird die EG-ZustVO 2007 verdrängt, soweit nicht nationales Recht auf die EG-ZustVO 2007 verweist (Rz. 6 ff.). 1. Eigenes Übermittlungssystem der EU-KPfVO Das Übermittlungssystem nach Art. 29 EU-KPfVO gilt zum einen für die direkte Übermittlung von 2 Schriftstücken zwischen Gerichten und Behörden (Auskunftsersuchen Art. 14 Abs. 3 EU-KPfVO und Auskunft Art. 14 Abs. 6 EU-KPfVO). Zum anderen findet eine förmliche, direkte Zustellung an sonstige Beteiligte (Bank, Schuldner) nicht statt, sondern es wird eine Empfangsstelle eingerichtet. Auch für Übermittlung an eine Behörde als Empfangsstelle zur indirekten Übermittlung von Schriftstücken gilt Art. 29 EU-KPfVO und nicht die EG-ZustVO 2007 (Widerruf an die Bank Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 3 EU-KPfVO, Pfändungsbeschluss an die Bank Art. 23 Abs. 3 EU-KPfVO, Bankerklärung an das Gericht Art. 25 Abs. 2, 3 EU-KPfVO, Pfändungsbeschluss an Schuldner Art. 28 Abs. 3 EUKPfVO). 2. Sprachenregelung Die Sprachregelungen des Art. 5, 8 EG-ZustVO 2007 finden keine Anwendung, soweit Art. 23 Abs. 4, 3 33, 49 EU-KPfVO spezielle Regelungen enthalten. Die EU-KPfVO regelt, in welche Sprachen Schriftstücke an die Bank (Art. 23 Abs. 4 EU-KPfVO), an den Schuldner (Art. 49 Abs. 1 EU-KPfVO) und an Gerichte oder Behörden (Art. 49 Abs. 2 EU-KPfVO) zu übersetzen sind. Die Verordnung regelt auch, wie der Schuldner auf eine fehlende Übersetzung reagieren kann: Bei fehlender Übersetzung besteht für den Schuldner die Möglichkeit eines Rechtsbehelfs (Art. 33 Abs. 1 lit. c EU-KPfVO und Art. 34 Abs. 1 S. 1 lit. b Ziff. iv i.V.m. Art. 33 Abs. 1 lit. c EU-KPfVO). Daneben hat der Schuldner nicht die Möglichkeit, die Annahme eines nicht in eine zulässige Sprache übersetzten Schriftstückes nach Art. 8 EG-ZustVO 2007 zu verweigern.3 3. Heilung von Zustellungsfehlern Im Rahmen der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Schuldner finden die optionalen Hei- 4 lungsmöglichkeiten nach nationalem Recht, auf die Art. 19 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 verweist, keine Anwendung. Es gilt Art. 33 Abs. 3 EU-KPfVO.
3 Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 5.
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Art. 48 EU-KPfVO 5
Verhältnis zu anderen Rechtsakten
Im Übrigen können Zustellungen an andere Verfahrensbeteiligte (soweit es sich um Zustellungen nach der EG-ZustVO 2007 handelt) nach Maßgabe des Art. 19 Abs. 2 EG-ZustVO 2007 geheilt werden. 4. Formlose Übermittlungen
6
Für die Unterrichtung der Beteiligten vom Widerruf oder der Beendigung des Pfändungsbeschlusses (Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 1 EU-KPfVO), die Mitteilung der Entscheidung über den Pfändungsantrag an den Gläubiger (Art. 17 Abs. 5 EU-KPfVO) und die Information der Parteien über einen Rechtsbehelfsantrag (Art. 36 Abs. 2 EU-KPfVO) oder eine Rechtsbehelfsentscheidung (Art. 36 Abs. 4 S. 2 EU-KPfVO) sieht die EU-KPfVO keine förmliche Zustellung vor.
7
Auf formlose, grenzüberschreitende Übermittlungen findet die EG-ZustVO 2007 keine Anwendung.4 Art. 48 lit. a EU-KPfVO stellt dies klar.
8
Etwas anderes gilt allerdings, wenn das nationale Recht auf sekundärer Ebene eine Zustellung anordnet. Für das Verfahren der Mitteilung der Entscheidung über den Pfändungsantrag verweist Art. 17 Abs. 5 EU-KPfVO auf das im Ursprungsmitgliedstaat vorgesehene Verfahren zur Übermittlung gleichwertiger nationaler Beschlüsse. Verlangt das nationale Recht auf sekundärer Ebene eine Zustellung, richtet sich eine grenzüberschreitende Zustellung nach der EG-ZustVO 2007, die insoweit Anwendungsvorrang genießt (Art. 17 EU-KPfVO Rz. 6 f.).
9
Für die Unterrichtung über einen Widerruf oder eine Beendigung (Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 1 EUKPfVO), einen Rechtsbehelf oder eine Rechtsbehelfsentscheidung (Art. 36 Abs. 2, 4 S. 2 EUKPfVO) verweist die Verordnung nicht auf nationales Verfahrensrecht, so dass eine Zustellung an sich nicht in Betracht kommt. Gegen die Rechtsbehelfsentscheidung ist jedoch ein weiteres Rechtmittel zulässig (Art. 37 EU-KPfVO), welches, sofern das nationale Verfahrensrecht dies vorsieht, an eine Frist geknüpft sein kann (Art. 37 EU-KPfVO Rz. 2). Zur Wahrung der Rechtssicherheit sollte es dem nationalen Recht daher auch in diesem Fall überlassen bleiben, eine Zustellung und damit in grenzüberschreitenden Situationen die Anwendung der EG-ZustVO 2007 anzuordnen.
II. Verhältnis zur Brüssel Ia-VO (lit. b) 10
Lit. b regelt das Verhältnis zur Brüssel Ia-VO. Der Gebrauch des europäischen Pfändungsbeschlusses liegt in der Hand des Gläubigers (fakultativer Charakter). Dem Gläubiger bleiben nationale Maßnahmen uneingeschränkt erhalten (Art. 1 Abs. 2 EU-KPfVO).5 Im Verhältnis zur Brüssel Ia-VO besteht kein Vorrang; die nach nationalem Recht beantragten einstweiligen Maßnahmen sind zuständigkeits- und vollstreckungsrechtlich weiterhin im Brüssel Ia-System zu behandeln.
11
Da die EU-KPfVO nach dem Außerkrafttreten der Brüssel I-VO in Kraft getreten ist, regelt die EUKPfVO das Verhältnis zur Brüssel I-VO nicht gesondert. Auch im Hinblick auf Altentscheidungen berührt die EU-KPfVO jedoch nicht die Anwendung der Brüssel I-VO und ggf. des Brüsseler Übereinkommens.
III. Verhältnis zur EuInsVO (lit. c) 12
Verweisungen auf die EuInsVO gelten für ab 26.6.2017 eröffnete Insolvenzverfahren als Verweisungen auf die EuInsVO (Art. 91, 84 EuInsVO), Die EU-KPfVO lässt die EuInsVO unberührt. Darüber hinaus findet die Verordnung keine Anwendung, wenn gegen den Schuldner ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (Art. 2 Abs. 2 lit. c EU-KPfVO). Wird ein Insolvenzverfahren eröffnet, nachdem der Pfändungsbeschluss erlassen wurde, richten sich die Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzver4 Rauscher/Heiderhoff, Art. 1 EG-ZustVO 2007 Rz. 14. 5 Van het Kaar, WPNR 2011, 903; van het Kaar, NIPR 2011, 642, 645; Cranshaw, DZWiR 2012, 399, 400; Domej, ZEuP 2013, 496, 516; Harbeck, ZInsO 2012, 805, 807; Müller, RIW 2012, 151, 153; Sujecki, EWS 2011, 414, 415.
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Kap. 5: Allgemeine Bestimmungen
Art. 49 EU-KPfVO
fahrens auf einzelne Vollstreckungshandlungen nach dem Recht des Mitgliedstaats, indem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (Art. 46 Abs. 2 EU-KPfVO).
IV. Verhältnis zur Datenschutz-Grundverordnung (lit. d) Die Mitgliedstaaten und ihre Organe haben bei der Ausführung der Verordnung die Anforderungen 13 der Datenschutz-Grundverordnung6 zu beachten. Art. 48 lit. d EU-KPfVO und ErwGr. 45 EU-KPfVO verweisen noch auf die RL 95/46/EG. Die Richtlinie wurde mit Wirkung vom 25.5.2018 aufgehoben. Verweise auf die aufgehobene Richtlinie gelten als Verweise auf die Datenschutzgrundverordnung (Art. 94 Datenschutzgrundverordnung). Die EU-KPfVO sieht Modifikationen und Konkretisierungen der Datenschutz-Grundverordnung vor. Art. 14 Abs. 8 EU-KPfVO modifiziert Art. 12 ff. Datenschutz-Grundverordnung insoweit, als die Benachrichtigung des Schuldners über die Erhebung seiner personenbezogenen Daten um 30 Tage aufgeschoben ist. Art. 47 EU-KPfVO enthält Konkretisierungen des Datenschutzes.
V. Verhältnis zur EU-BewVO (lit. e) Die EU-KPfVO lässt die EG-BewVO unberührt. Ab 1.7.2022 gelten Bezugnahmen auf die EG-BewVO als Bezugnahmen auf die EU-BewVO (Art. 34 Abs. 2 EU-BewVO). Die EU-KPfVO regelt nur, dass der Gläubiger Beweismittel vorlegen muss und grenzt die zulässigen Beweismittel, durch Verweis auf nationales Recht, teilweise ein (Art. 9 EU-KPfVO). Die EU-BewVO betrifft die internationale Beweisaufnahme und ist daneben anwendbar (Art. 9 EU-KPfVO Rz. 15).
14
VI. Verhältnis zur Rom II-VO (lit. f) Die EU-KPfVO berührt grundsätzlich nicht die Anwendung der Rom II-VO. Für Schadensersatzansprüche des Schuldners gegen den Gläubiger enthält Art. 13 Abs. 4 EU-KPfVO allerdings eine eigenständige Kollisionsregel mit Sachnormverweisung, die die Rom II-VO verdrängt. Darüber hinaus ist die Rom II-VO auch für Schadensersatzansprüche des Gläubigers oder des Schuldners gegen die Bank wegen aus der EU-KPfVO herrührenden Pflichtverletzungen nicht anwendbar, weil Art. 26 EUKPfVO eine Sachnormverweisung enthält (Art. 26 EU-KPfVO Rz. 5).
Artikel 49 Sprachenregelung (1) Den in Artikel 28 Absatz 5 Buchstaben a und b aufgeführten und dem Schuldner zuzustellenden Schriftstücken, die nicht in der Amtssprache des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat, oder, sofern es mehrere Amtssprachen in diesem Mitgliedstaat gibt, der Amtssprache oder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem der Schuldner seinen Wohnsitz hat, oder in einer anderen Sprache, die er versteht, abgefasst sind, ist eine Übersetzung oder Transliteration in eine dieser Sprachen beizufügen. In Artikel 28 Absatz 5 Buchstabe c aufgeführte Schriftstücke werden nicht übersetzt, sofern nicht das Gericht ausnahmsweise beschließt, dass bestimmte Schriftstücke übersetzt oder transliteriert werden müssen, damit der Schuldner seine Rechte geltend machen kann. (2) Schriftstücke, die gemäß dieser Verordnung an ein Gericht oder eine zuständige Behörde gerichtet werden, können auch in einer anderen Amtssprache der Organe der Union angefertigt werden, wenn der betreffende Mitgliedstaat erklärt hat, dass er diese Sprache akzeptieren kann. 6 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. EU 2016 L 119.
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Art. 49 EU-KPfVO
Sprachenregelung
(3) Eine Übersetzung nach Maßgabe dieser Verordnung ist von einem in einem Mitgliedstaat hierzu befugten Übersetzer anzufertigen. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zulässige Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . 1. An den Schuldner adressierte Schriftstücke (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2
2. An Gerichte oder andere Behörden adressierte Schriftstücke (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . III. Anfertigung der Übersetzung (Abs. 3) . . . .
3 4
2
I. Normzweck 1
Art. 49 EU-KPfVO regelt, wann Schriftstücke einer Übersetzung oder Transliteration bedürfen (Abs. 1, 2) und von wem Übersetzungen anzufertigen sind (Abs. 3). Art. 5 EG-ZustVO findet insoweit keine Anwendung (Art. 48 lit. a EU-KPfVO).1
II. Zulässige Sprachen 1. An den Schuldner adressierte Schriftstücke (Abs. 1) 2
Schriftstücke, die an den Schuldner zuzustellen sind, werden grundsätzlich in eine Amtssprache des Wohnsitzmitgliedstaates des Schuldners oder eine andere Sprache, die der Schuldner versteht, übersetzt (Abs. 1 S. 1). Mit der Zulassung anderer Sprachen, die der Schuldner versteht, sollten Gerichte indes vorsichtig sein, wenn sie nur vom Gläubiger Informationen dazu erlangt haben.2 Eine Ausnahme von der Übersetzungspflicht gilt für Beweismittel, die der Gläubiger eingereicht hat: diese werden grundsätzlich nicht übersetzt, es sei denn, die Übersetzung ist erforderlich, damit der Schuldner seine Rechte geltend machen kann (Abs. 1 S. 2).3 Die Missachtung des Übersetzungserfordernisses kann der Schuldner rügen (Art. 48 EU-KPfVO Rz. 3). Eine Heilungsmöglichkeit besteht nach Art. 33 Abs. 4 EU-KPfVO. 2. An Gerichte oder andere Behörden adressierte Schriftstücke (Abs. 2)
3
Schriftstücke, die an ein Gericht oder eine andere Behörde adressiert sind, werden, wenn notwendig, in die Sprachen übersetzt, die für die Übersetzung der Schriftstücke laut Auskunft des Mitgliedstaats zulässig sind (Art. 49 Abs. 2, Art. 50 Abs. 1 lit. e EU-KPfVO). An deutsche Behörden gerichtete Schriftstücke müssen in deutscher Sprache verfasst sein.4
III. Anfertigung der Übersetzung (Abs. 3) 4
Für eine gegebenenfalls notwendige Übersetzung ist ein in irgendeinem Mitgliedstaat zu der jeweiligen Übersetzung befugter Übersetzer heranzuziehen (Abs. 3).5 Ob der Gläubiger oder das Gericht die erforderlichen Übersetzungen bereitzustellen hat und wer die Kosten für die Übersetzung zu tragen hat, bleibt dem nationalen Recht überlassen (Art. 46 Abs. 1 EU-KPfVO).6
5
Für die Transliteration enthält Abs. 3 keine Anforderungen.
1 2 3 4 5 6
Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 1. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 5. Schumacher/Köllensperger/Trenker/Trenker, Rz. 2. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, § 946 Rz. 9, Art. 49 Rz. 8. Hilbig-Lugani in MünchKomm/ZPO, Rz. 2. ErwGr. 33 EU-KPfVO.
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Kap. 5: Allgemeine Bestimmungen
Art. 50 EU-KPfVO
Artikel 50 Von den Mitgliedstaaten bereitzustellende Informationen (1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission bis zum 18.7.2016 Folgendes mit: a) die benannten Gerichte, die befugt sind, einen Beschluss zur vorläufigen Pfändung zu erlassen (Artikel 6 Absatz 4); b) die benannte Behörde, die befugt ist, Kontoinformationen einzuholen (Artikel 14); c) die nach ihrem nationalen Recht zur Verfügung stehenden Methoden zur Einholung von Kontoinformationen (Artikel 14 Absatz 5); d) die Gerichte, bei denen ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann (Artikel 21); e) die benannte Behörde oder Behörden, die befugt ist bzw. sind, den Beschluss zur vorläufigen Pfändung und sonstige Schriftstücke nach dieser Verordnung entgegenzunehmen, zu übermitteln und zuzustellen (Artikel 4 Nummer 14); f) die für die Vollstreckung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung gemäß Kapitel 3 zuständige Behörde; g) ihre nationalen Regelungen in Bezug auf die Möglichkeiten der vorläufigen Pfändung von Gemeinschafts- oder Treuhandkonten (Artikel 30); h) die nationalen Vorschriften in Bezug auf von der Pfändung freigestellte Beträge (Artikel 31); i) ob nach ihrem nationalem Recht die Banken Gebühren für die Ausführung gleichwertiger nationaler Beschlüsse oder die Erteilung von Kontoinformationen erheben dürfen und, wenn dies der Fall ist, welche Partei diese Gebühren vorläufig und endgültig zu entrichten hat (Artikel 43); j) die Gebührenskala oder das sonstige Regelwerk, in der bzw. dem die geltenden Gebühren aufgeführt sind, die von einer an der Bearbeitung oder Vollstreckung eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung beteiligten Behörde oder sonstigen Stelle erhoben werden (Artikel 44); k) ob gleichwertigen nationalen Beschlüssen nach nationalem Recht ein bestimmter Rang eingeräumt wird (Artikel 32); l) die Gerichte oder gegebenenfalls die Vollstreckungsbehörde, die für einen Rechtsbehelf zuständig sind bzw. ist (Artikel 33 Absatz 1, Artikel 34 Absatz 1 oder 2); m) die Gerichte, bei denen das Rechtsmittel einzulegen ist, die Frist, innerhalb derer dieses Rechtsmittels nach nationalem Recht einzulegen ist, sofern eine solche vorgesehen ist, und das Ereignis, mit dem diese Frist zu laufen beginnt (Artikel 37); n) eine Angabe der Gerichtsgebühren (Artikel 42) und o) die Sprachen, die für die Übersetzung der Schriftstücke zugelassen sind (Artikel 49 Absatz 2). Die Mitgliedstaaten unterrichten die Kommission über spätere Änderungen dieser Angaben. (2) Die Angaben werden von der Kommission in geeigneter Weise veröffentlicht, insbesondere über das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen. Die Verordnung delegiert zahlreiche Verfahrensfragen, insbesondere die Vollstreckung des Beschlus- 1 ses, an das nationale Recht der Mitgliedstaaten. Für Verfahrensbeteiligte sowie Gerichte und andere Behörden ist daher die Ausgestaltung der mitgliedstaatlichen Rechte von Bedeutung. Um die Anwendung der Verordnung zu erleichtern, werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission bestimmte Informationen über ihre Rechtsvorschriften und Verfahren in Bezug auf Beschlüsse zur vorläufigen Pfändung und gleichwertige nationale Beschlüsse mitzuteilen (ErwGr. 39 EU-KPfVO). Es fehlt eine Mitteilungspflicht, ob und inwieweit elektronische Kommunikationsmittel zugelassen sind. Um die Informationen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, werden die Angaben der Mitgliedstaaten, übersetzt in alle Amtssprachen, in den Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen eingepflegt.1 1 https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_order-379-de.do (27.9.2021).
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Art. 51 EU-KPfVO
Erstellung und spätere Änderung der Formblätter
Artikel 51 Erstellung und spätere Änderung der Formblätter Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte zur Erstellung und späteren Änderung der Formblätter nach Artikel 8 Absatz 1, Artikel 10 Absatz 2, Artikel 19 Absatz 1, Artikel 25 Absatz 1, Artikel 27 Absatz 2, Artikel 29 Absatz 2, Artikel 36 Absatz 1, Artikel 36 Absatz 5 Unterabsatz 2 und Artikel 37. Diese Durchführungsrechtsakte werden gemäß dem in Artikel 52 Absatz 2 genannten Beratungsverfahren erlassen.
I. Normzweck 1
Um die praktische Anwendung zu erleichtern, ordnet die EU-KPfVO die Verwendung von Standardformularen an. Die Verordnung enthält, anders als noch der Kommissionsentwurf,1 keine Formblätter im Anhang. Um den Erlass der Verordnung noch vor den Neuwahlen zum Europäischen Parlament abschließen zu können und gleichwohl einheitliche Formulare zur Verfügung zu stellen, wurde die Erstellung der Formblätter der Kommission gem. Art. 51 EU-KPfVO, Art. 291 Abs. 2 AEUV übertragen.2 Das Erlassverfahren regelt Art. 52 Abs. 2 EU-KPfVO.
II. Formblätter 2
Die Kommission verabschiedete auf der Grundlage von Art. 51, 52 EU-KPfVO die DVO Nr. (EU) 2016/1823 mit Formblättern für den Antrag auf Erlass eines Pfändungsbeschlusses (Art. 8 Abs. 1, Anhang I DVO (EU) 2016/1823), für den Beschluss selbst (Art. 19, Anhang II DVO (EU) 2016/1823), für den Widerruf (Art. 10 Abs. 2, Anhang III DVO (EU) 2016/1823), für die Bankerklärung (Art. 25 Abs. 1, Anhang IV DVO (EU) 2016/1823), für die Freigabe (Art. 27 Abs. 2, Anhang V DVO (EU) 2016/1823), für die Empfangsbestätigung (Art. 29 Abs. 2, Anhang VI DVO (EU) 2016/1823), für die Einlegung eines Rechtsbehelfs (Art. 36 Abs. 1, Anhang VII DVO (EU) 2016/1823), für die Übermittlung der Entscheidung über den Rechtsbehelf (Art. 36 Abs. 5, Anhang VIII DVO (EU) 2016/1823) und für die Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf (Art. 37, Anhang IX DVO (EU) 2016/1823).3
3
Die Formblätter sind online im Europäischen Gerichtsatlas für Zivilsachen zu finden und können online ausgefüllt werden.4
Artikel 52 Ausschussverfahren (1) Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 182/ 2011.
I. Unterstützung der Kommission durch Ausschuss (Abs. 1) 1
Bei der Erfüllung der ihr nach der EU-KPfVO zukommenden Aufgaben, d.h. insbesondere bei der Erstellung der Formulare nach Art. 51 EU-KPfVO, wird die Kommission von einem Ausschuss unter1 2 3 4
Europäische Kommission, 25.7.2011, KOM (2011) 445, S. 41 ff. ErwGr. 42 EU-KPfVO. ErwGr. 40 EU-KPfVO. https://e-justice.europa.eu/content_european_account_preservation_order-379-de.do (27.9.2021).
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Kap. 5: Allgemeine Bestimmungen
Art. 53 EU-KPfVO
stützt. Dabei handelt es sich um einen Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011,1 der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt (Art. 3 Abs. 2 VO (EU) Nr. 182/2011).
II. Anwendbares Verfahrensrecht (Abs. 2) Abs. 2 bestimmt, dass – soweit auf ihn Bezug genommen wird (derzeit lediglich in Art. 51 EU-KPfVO 2 für die Erstellung und Änderung der Formulare) – Änderungen der Verordnung im Beratungsverfahren nach Art. 4 VO (EU) Nr. 182/2011 herbeigeführt werden können. Das strengere Prüfverfahren nach Art. 5 VO (EU) Nr. 182/2011 findet keine Anwendung. Art. 4 VO (EU) Nr. 182/2011 lautet: Art. 4: Beratungsverfahren (1) 1Findet das Beratungsverfahren Anwendung, so gibt der Ausschuss – erforderlichenfalls auf der Grundlage einer Abstimmung – seine Stellungnahme ab. 2Im Falle einer Abstimmung gibt der Ausschuss seine Stellungnahme mit der einfachen Mehrheit seiner Mitglieder ab. (2) Die Kommission beschließt über den zu erlassenden Entwurf des Durchführungsrechtsakts; wobei sie soweit wie möglich das Ergebnis der Beratungen im Ausschuss und die abgegebene Stellungnahme berücksichtigt.
3
Artikel 53 Überwachung und Überprüfung (1) Die Kommission übermittelt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss bis zum 18.1.2022 einen Bericht über die Anwendung dieser Verordnung, der auch eine Bewertung der Frage umfasst, a) ob Finanzinstrumente in den Anwendungsbereich dieser Verordnung aufgenommen werden sollten und b) ob Beträge, die nach Ausführung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung dem Konto des Schuldners gutgeschrieben wurden, aufgrund des Beschlusses vorläufig pfändbar gemacht werden könnten. Dem Bericht wird gegebenenfalls ein Vorschlag zur Änderung dieser Verordnung und eine Folgenabschätzung der einzuführenden Änderungen beigefügt. (2) Für die Zwecke des Absatzes 1 erheben die Mitgliedstaaten folgende Informationen und übermitteln sie der Kommission auf Anfrage: a) die Zahl der Anträge auf Erlass eines Beschlusses zur vorläufigen Pfändung und die Zahl der erlassenen Beschlüsse; b) die Zahl der Anträge auf Einlegung eines Rechtsbehelfs gemäß den Artikeln 33 und 34 und, wenn möglich, die Zahl der Fälle, in denen dem Rechtsbehelf stattgegeben wurde, und c) die Zahl der Anträge auf Einlegung eines Rechtsmittels gemäß Artikel 37 und, sofern möglich, die Zahl der Fälle, in denen das Rechtsmittel erfolgreich war. Art. 53 EU-KPfVO regelt die Überwachung und Überprüfung der EU-KPfVO durch die Kommission. In einem Bericht (Abs. 1) evaluiert die Kommission bis zum 18.1.2022, insbesondere eine mögliche Erweiterung des Anwendungsbereichs auf Finanzinstrumente (Art. 4 EU-KPfVO Rz. 3) und eine mögliche Erweiterung der Pfändung auf Beträge, die nach Ausführung der Pfändung gutgeschrieben werden (Art. 24 EU-KPfVO Rz. 6). Abs. 2 verpflichtet die Mitgliedstaaten, die Kommission über die
1 Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. EU 2011 L 55/13.
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Art. 54 EU-KPfVO
Inkrafttreten
Zahl der Pfändungsanträge und Rechtsmittel zu informieren. Informationspflichten der Länder an das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz regelt § 42 EGZPO.
Kapitel 6 Schlussbestimmungen (Art. 54)
Artikel 54 Inkrafttreten Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 18.1.2017 mit Ausnahme des Artikels 50, der ab dem 18.7.2016 gilt. 1
Art. 54 EU-KPfVO regelt das Inkrafttreten und den zeitlichen Beginn der Wirkungen (Geltung) der EU-KPfVO.
2
Die Verordnung trat am 17.7.2014 in Kraft, weil die EU-KPfVO am 27.6.2014 im ABl. der EU veröffentlicht wurde1 und Art. 54 S. 1 EU-KPfVO das Inkrafttreten um zwanzig Tage aufschiebt.
3
Die unmittelbare Geltung war um weitere eineinhalb Jahre hinausgeschoben. Die Verordnung erlangte daher ab dem 18.1.2017 vollständige Geltung. Einerlei ist, ob der zu sichernde Anspruch bereits vor dem 18.1.2017 entstanden oder fällig geworden ist.2 Die Verordnung muss noch nicht bei Einleitung des Pfändungsverfahrens, sondern erst im Zeitpunkt der Entscheidung über den Pfändungsantrag gelten,3 denn die Bedingungen und Voraussetzungen der Verordnung müssen erst im Zeitpunkt der Entscheidung gegeben sein (Art. 17 EU-KPfVO Rz. 1).
4
Art. 50 EU-KPfVO, der den Mitgliedstaaten die Bereitstellung verschiedener Informationen auferlegt, erlangte, um entsprechenden Vorlauf zur Veröffentlichung der Informationen zu schaffen, bereits ab dem 18.7.2016 unmittelbare Geltung. Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Geschehen zu Brüssel am 15.5.2014. Im Namen des Europäischen Parlaments Der Präsident M. SCHULZ
Im Namen des Rates Der Präsident D. KOURKOULASS
1 ABl. EU 2014 L 189/59. 2 Cuniberti/Migliorini, Rz. 3. 3 Trenker in Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich IV (2015), 129, 132; Schumacher/Köllensperger/ Trenker/Trenker, Rz. 2; a.A. Rösler, ZVglRWiss 115 (2016), 533, 538; Schlosser/Hess/Hess, Rz. 2; Geimer/Schütze/Klöpfer, Rz. 1; für EG-BagatellVO: Hau in MünchKomm/ZPO, Art. 29 EG-BagatellVO Rz. 1; für die EGMahnVO: Ulrici in MünchKomm/ZPO, Art. 33 Rz. 2.
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Haager Übereinkommen vom 30.6.2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen Übersetzung i.d.F. des Beschlusses 2009/397/EG des Rates vom 26.2.2009 über die Unterzeichnung – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen, ABl. EU 2009 L 133/11 Schrifttum: Adolphsen in MünchKommZPO, 5. Aufl. 2017, Art. II UNÜ; Ahmed/Beaumont, Exclusive choice of court agreements: some issues on the Hague Convention on choice of court agreements and its relationship with the Brussels I recast especially anti-suit injunctions, concurrent proceedings and the implications of BREXIT, JPrIL 13 (2017) 386; Alihodzˇic´, The Hague Convention 2005 and Bosnia and Herzegovina, Annals Fac. L. U. Zenica 18 (2016), 93; Antomo, Aufwind für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen – Inkrafttreten des Haager Übereinkommens, NJW 2015, 2919; Ayad/Schnell, Anmerkung zum BGH-Urteil vom 5.9.2012 (VII ZR 25/12, BB 2012, 3103) – Zur Frage der Zuständigkeit nationaler Gerichte bei der Durchsetzung international zwingender Regeln, BB 2012, 3104; Beaumont, Hague Choice of Court Agreements Convention 2005: Background, Negotiations, Analysis and Current Status, JPrIL 5 (2009) 127; Borges Moschen, A Conferência da Haia e a Codificação do Direito Processual Civil Internacional, in: De Carvalho Ramos/De Araujo, A Conferência da Haia de Direito Internacional Privado e seus Impactos na Sociedade – 125 anos (1893-2018); Brand, Jurisdictional Developments and the New Hague Judgments Project, FS Hans van Loon, Cambridge (2013) 89; Brand/Herrup, Hague Convention on Choice of Court Agreements, Commentary and Documents (2008); Burbank, Federalism and Private International Law: Implementing the Hague Choice of Court Convention in the United States, JPrIL 2 (2005) 287; Cai/Kolieb, Between National Interests and Global Business: China’s Possible Reservations to the Hague Convention on Choice of Court Agreements, JIDS 11 (2020), 295; Clover Alcolea, The 2005 Hague Choice of Court and the 2019 Hague Judgments Conventions versus the New York Convention – Rivals, Alternatives or Something Else?, McGill Journal of Dispute Resolution 6 (2019–2020), 185; Corneloup, Wirksamkeit und Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen, IPRax 2017, 309; Dubay, From forum non conveniens to open forum: Implementing the Hague Convention on Choice of Court Agreements in the United States, Geo Mason J Int’l Com L 3 (2011) 1; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte (2006); Eichel, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30.6.2005: eine Bestandsaufnahme nach der Unterzeichnung durch die USA, RIW 2009, 289; Forrest, The Hague Convention on Choice of Court Agreements: the Maritime Exceptions, J.P.I.L. 5 (2009), 491; Fricke, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen unter besonderer Berücksichtigung seiner Bedeutung für die Versicherungswirtschaft, VersR 2006, 478; Goddard, The Fruits of the Judgments Project, FS Hans van Loon (2013) 195; Gray, Enforcement of Punitive Damages Awards in the Convention on Choice of Court Agreements, Willamette J Int’l L & Disp Resol 17 (2005) 105; Hartley, The Hague Choice-of-Court Convention, ELRev 2006, 418; Hausmann in unalex-Kommentar Brüssel I-VO (2012) Art. 1; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl. 2015; Huber, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen, IPRax 2016, 197; Jueptner, The Hague Jurisdiction Project – what options for the Hague Conference?, Journal of Private International Law 16 (2020), 247; Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation 44/2001 – Application and Enforcement in the EU („Heidelberg Report“) (2008); Khanderia, The Hague Convention on Choice of Court Agreements and the enforcement of forum-selection clauses in Indian private international law, Int. J. Private Law 9 (2019), 125; Knöfel in NK-BGB, 3. 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Zenica 18 (2016), 11; van Loon, Towards a global Hague Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments in Civil or Commercial Matters, NIPR 2020, 4; Lüttringhaus, Uniform Terminology in European Private International Law: Übergreifende Begrifflichkeiten im europäischen Zivilverfahrens- und Kollisionsrecht – Grund und Grenzen der rechtsaktsübergreifenden Auslegung, RabelsZ 77 (2013), 31; Luginbühl/ Wollgast, Das neue Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen: Aussichten für das geistige Eigen1 Als authentisch sind in der Schlussformel des Übereinkommens die französische und englische Sprachfassung festgelegt. Die deutsche Sprachfassung wurde 2006 zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz abgestimmt. Die schweizerische Version verwendet anstelle des Begriffes „Legalisation“ den Begriff „Beglaubigung“ und ersetzt den Terminus „Verwahrer“ durch das Wort „Depositar“; vgl. hierzu die Fußnoten in https://www. hcch.net/de/publications-and-studies/details4/?pid=5998&dtid=21 (19.8.2021).
Weller
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HProrogÜbk 2005 Schrifttum tum, GRUR Int 2006, 215; Marshall/Keyes, Australia’s Accession to the Hague Convention on Choice of Court Agreements, Melbourne U. L. Rev. 41 (2017), 247; von Mehren, Recognition and Enforcement of Foreign Judgments: A New Approach for the Hague Conference?, Law and Contemporary Problems 57 (1994) 271; von Mehren, Recognition of United States Judgments Abroad and Foreign Judgments in the United States: Would an International Convention Be Useful?, RabelsZ 57 (1993) 449; von Mehren, The Case for a Convention-mixte Approach to Jurisdiction to Adjudicate and Recognition and Enforcement of Foreign Judgments, RabelsZ 61 (1997) 86; Mills, Party Autonomy in Private International Law (2018); Moebus, Das Haager Übereinkommen von 2005 (2016); Nielsen, Exclusive Choice of Court Agreements and Parallel Proceedings, FS Hans van Loon (2013) 409; Ong, Rethinking Jurisdiction Clauses in New Zealand: The Hague Convention and beyond, 19 Auckland U. L. 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(Hrsg.), Conflict of Laws in a Globalized World (2007) 63; Vlas, The Hague Convention on Choice of Court Agreements in Dutch Perspective, FS Frans van der Velden (2006) 85; Wagner, Das Haager Übereinkommen vom 30.6.2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen, RabelsZ 73 (2009) 102; Wagner, Die Bemühungen der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht um ein Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und ausländische Entscheidungen in Zivilund Handelssachen, IPRax 2001, 533, M. Weller, The Jurisdicitonal Filters of the HCCH 2019 Judgments Convention, YbPIL 21 (2019/2020) 279; M. Weller in Wieczorek/Schütze, Zivilprozessordnung, Bd. 13/2: Brüssel Ia-VO (4. Aufl. 2019); M. Weller, Choice of court agreements under Brussels Ia and under the Hague convention: coherences and clashes, JPrIL 13 (2017) 91; M. Weller, Ordre-public-Kontrolle internationaler Zuständigkeitsvereinbarungen (2005); Woodward, Saving the Hague Choice of Court Convention, U Penns J Int’l L 29 (2008) 657; Zhao, Completing a long-awaited puzzle in the landscape of cross-border recognition and enforcement of judgments: An overview of the HCCH 2019 Judgments Convention, SRIEL 30 (2020), 345. Materialien: Europäische Kommission, Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Genehmigung – im Namen der Europäischen Union – des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005, 30.1.2014, COM (2014) 46; Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, Entwurf einer Empfehlung zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Genehmigung – im Namen der Europäischen Union – des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005, 17.2.2014, 2014/0021 (NLE); Europäischer Rat, Beschluss des Rates vom 4. Dezember 2014 über die Genehmigung – im Namen der Europäischen Union – des Haager Übereinkommens über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005, 4.12.2014, 2014/887/EU; HCCH, The Relationship between the Judgments Project and other International Instruments, Prel.Doc. No. 24, Dezember 2003; HCCH, Conclusions and Recommendations adopted by the Council (5.–8.3.2019); HCCH, Note on reconsidering ‘marine pollution and emergency towage and salvage’ within the scope of the Draft Convention on the recognition and enforcement of foreign judgments in civil and commercial matters, Prel.-Doc. No. 12 of June 2019; HCCH, Reflection Paper on the Relationship between the future Judgments Convention and the Convention, Mai 2015; HCCH, Report on the Jurisdiction Project, Prel. Doc. No. 3 v. Februar 2021; Garcimartín/Saumier, „Convention of 2 July 2019 on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments in Civil or Commercial Matters: Explanatory Report“ (2020); Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht zum Übereinkommen vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen, in HCCH (Hrsg.), Conclusions and Recommendations adopted by the Council (5-8. März 2019); Nygh/Pocar, August 2000, Report on the preliminary draft Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters, Prel Doc No. 11; U.S. Department of State, Letter from the Department of State to the Permanent Bureau vom 5.5.1992; US Department of State, Memorandum of the Legal Adviser regarding United States Implementation of the Hague Convention on Choice of Court Agreements, 19.1.2013. Nationale Begleitvorschriften: Deutschland: Gesetz zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen sowie zur Änderung des Rechtspflegergesetzes, des Gerichts- und Notar-
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Einleitung
Einl. HProrogÜbk 2005
kostengesetzes, des Altersteilzeitgesetzes und des Dritten Buches Sozialgesetzbuch, BGBl. I S. 2082; Österreich: Erlass vom 5. Oktober 2015 zum Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen, Az. BMJ-Z32.044/ 0001-I 9/2015 (eJABl Nr. 31/2015).
Präambel Die Staaten, die Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind, – in dem Wunsch, den internationalen Handel und internationale Investitionen durch eine verstärkte gerichtliche Zusammenarbeit zu fördern, in der Überzeugung, dass eine solche Zusammenarbeit durch einheitliche Vorschriften über die gerichtliche Zuständigkeit sowie über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- oder Handelssachen verstärkt werden kann, in der Überzeugung, dass eine solche verstärkte Zusammenarbeit insbesondere eine internationale Rechtsgrundlage erfordert, die Sicherheit bietet und die Wirksamkeit ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen den Parteien von Handelsgeschäften gewährleistet und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen regelt, die in Verfahren auf der Grundlage solcher Vereinbarungen ergehen – haben beschlossen, dieses Übereinkommen zu schließen, und die folgenden Bestimmungen vereinbart:
Einleitung I. Überblick Das Haager Prorogationsübereinkommen (HProrogÜbk) regelt die internationale Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung vertragsstaatlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen auf der Grundlage ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen in internationalen Sachverhalten. Ausweislich der Präambel ist primäres Ziel, „die Wirksamkeit ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen den Parteien von Handelsgeschäften“ zu „gewährleisten“ und dadurch Rechtssicherheit im internationalen Rechtsverkehr zu bieten. Das Übereinkommen steht in engem Zusammenhang mit dem nachfolgenden Haager Übereinkommen vom 2.7.2019 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Haager Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen – HAVÜ), das sich nach seiner Präambel als Komplementärinstrument zum HProrogÜbk versteht.1
1
Nach Art. 2 HProrogÜbk sind – anders als im HAVÜ2 – Verbrauchersachen ausgeschlossen, ebenso 2 eine Reihe weiterer Zivilsachen.3 Den zeitlichen Anwendungsbereich bestimmt Art. 16 HProrogÜbk. Art. 3 HProrogÜbk regelt die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsvereinbarung für die Zwecke des Übereinkommens. Nach Art. 5 HProrogÜbk ist das in einer solchen Gerichtsstandsvereinbarung benannte Gericht im Verhältnis zu Gerichten anderer Vertragsstaaten allein zuständig, es sei denn, die Gerichtsstandsvereinbarung ist nach dem Recht des benannten Gerichts ungültig. Das benannte Gericht darf sich nicht deswegen für unzuständig erklären, weil es sich selbst für ungeeignet (forum non conveniens) hält, ebenso wenig, weil es eine anderweitige internationale Rechtshängigkeit beachten will. Andere Vertragsstaatengerichte müssen nach Art. 6 HProrogÜbk das Verfahren mindestens aussetzen, es sei denn, die Gerichtsstandsvereinbarung ist nach dem Recht des benannten Gerichts unwirksam oder aus anderen, abschließend geregelten Ausnahmegründen unbeachtlich. Dies gilt auch dann, wenn das andere Vertragsstaatengericht mit der Rechtssache erstbefasst ist. Entscheidungen von Vertragsstaatengerichten sind vorbehaltlich enger Anerkennungsversagungsgründe in anderen 1 Vgl. Präambel des HAVÜ, M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR HAVÜ Rz. 1. 2 Kein Ausschluss von Verbrauchersachen in Art. 2 HAVÜ; vgl. ferner Art. 5 Abs. 2 HAVÜ. 3 Die Kataloge der ausgeschlossenen Zivilsachen sind allerdings im HProrogÜbk und im HAVÜ nicht vollständig kongruent, vergleichende Hinweise in M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR, HAVÜ Rz. 16, Fn. 64.
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Einl. HProrogÜbk 2005 Einleitung Vertragsstaaten nach Art. 8 ff. HProrogÜbk anzuerkennen und zu vollstrecken. Die Vertragsstaaten können nach Art. 21 HProrogÜbk durch Erklärung bestimmte Rechtsgebiete vom Anwendungsbereich ausnehmen. Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration können nach Art. 29 f. HProrogÜbk entweder – bei jeweils nur teilweiser Zuständigkeit – zusammen mit ihren Mitgliedstaaten oder – bei umfassender Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Gegenstände des Übereinkommens – allein und mit Wirkung für ihre Mitgliedstaaten Vertragspartei werden.
II. Status 3
Das Inkrafttreten des Übereinkommens setzte nach Art. 31 Abs. 1 HProrogÜbk voraus, dass es zwei Vertragsstaaten gibt. Nachdem Mexiko das Übereinkommen bereits am 26.9.2009 ratifiziert hatte und die Europäische Union (mit Ausnahme Dänemarks) am 11.6.2015 nachfolgte,4 ist das Übereinkommen am 1.10.2015 in Kraft getreten.5 In Deutschland und Österreich gilt das Übereinkommen somit als Teil des Unionsrechts.6 Zwischenzeitlich haben auch Singapur, Montenegro, Dänemark und das Vereinigte Königreich7 das Übereinkommen ratifiziert. Die USA,8 die Ukraine, China,9 die Republik Nordmazedonien und Israel haben das Übereinkommen bislang immerhin gezeichnet. Seither findet das Übereinkommen zumindest vereinzelt Eingang in die gerichtliche Praxis, und sei es auch nur als persuasives Auslegungsargument für andere Vorschriften.10 Zugleich verbleibt der Beitritt weiterer Staaten zum Übereinkommen bislang im Ungewissen.11
4 Europäische Kommission, 30.1.2014, KOM (2014) 46; hierzu nachfolgend der Entwurf einer – zustimmenden – Empfehlung zu diesem Vorschlag durch den Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments vom 17.2.2014, 2014/0021(NLE) sowie der Beschluss des Rates vom 4.12.2014, 2014/887/EU. 5 Statustabelle zum Übereinkommen, www.hcch.net/index_de.php?act=conventions.status&cid=98 (19.8.2021). 6 Vgl. Art. 216 AEUV. Dadurch nimmt es auch am Anwendungsvorrang des Unionsrechtsteil. 7 Da die Justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen im Handels und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich (ABl. EU 2020 L 444/14) keine besondere Regelung gefunden hat, stellt das HProrogÜbk nach dem Brexit eine der wenigen Kontinuitäten der Zusammenarbeit zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU dar. 8 Zur Vorbereitung einer künftigen Umsetzung des dort so genannten COCA vgl. US Department of State, Memorandum of the Legal Adviser regarding United States Implementation of the Hague Convention on Choice of Court Agreements, 19.1.2013, https://2009-2017.state.gov/documents/organization/206865.pdf (8.4.2021); weitere Schritte sind seither, soweit ersichtlich, nicht vollzogen worden. Zu den spezifisch US-amerikanischen Schwierigkeiten der Umsetzung im dortigen Bundesstaat, insbesondere mit Blick auf innerstaatliche Verweisungsregeln nach Art. 5 Abs. 3 HProrogÜbk unter der forum non-conveniens-Lehre z.B. Pfund, FS van Loon (2013) 477 ff.; Dubay, Geo Mason J Int’l Com L 3 (2011) 1; ferner hierzu Woodward, U Penns J Int’l L 29 (2008) 657; Burbank, JPrIL 2 (2005) 287 ff. 9 Eine gewisse Vorwirkung wird dem Übereinkommen vom Oberen Volksgericht Shanghai in Cathay United World Commercial Bank Co. v. Gao (2016), Oberes Volksgericht Shanghai No. 99, zugesprochen, wenn es das HProrogÜbk zur Auslegung des nationalen Rechts heranzieht. Vgl. allgemein zur Position der Volksrepublik China, Cai/Kolieb, JIDS 11 (2020), 295 ff. 10 Vgl. Ermgassen & Co. Ltd. v. Sixcap Financials Pte Ltd. [2018] SGHCR 8 (Anerkennung eines britischen Urteils in Singapur); Gericht erster Instanz Piraeus, Az. 3106/2019, Epihe|rgsg Pokitikr Dikomolar (EPokD) 2019, 698 (m. Anm. Apostolos Anthimos 714) (Anwendbarkeit abgelehnt); Cathay United World Commercial Bank Co. v. Gao (2016) Oberes Volksgericht Shanghai No. 99 (Auslegung nationalen Rechts); Etihad Airways v. Flöther [2019] EWHC 3107 (Comm.) (Auslegung der Brüssel Ia-VO). 11 Vgl. für Australien: Marshall/Keyes, Melbourne U. L. Rev. 41 (2017), 282 („largely positive impact“); Bosnia and Herzegovina: Alihodzˇic´, Annals Fac. L. U. Zenica 18 (2016), 93 („represents a link between BH and EU Member States“); Brasilien: Borges/Moschen, in De Carvalho Ramos/De Araujo (Org.), 147 („estima-se […] a ratificação de tal Convenção para o aprimoramento da segurança jurídica“); Indien Khanderia, Int. J. Private Law 9 (2019), 132 („would improve international trade with EU“); Kanada: Saumier, Osgoode Hall L. J. 55 (2018), 143 („adoption [would] provide clarity and predictability“); Neuseeland: Ong, Auckland U. L. Rev. 19 (2013), 238 („New Zealand should [accede] soon“); Russland: Bull. Russ. L. Acad. 2007-1, 96 („ратификация […] способствовала бы признанию решенийроссийских судов за рубежом“ – „Die Ratifizierung würde die Anerkennung russischer Entscheidungen im Ausland erleichtern“) und für die Türkei: abwägend Süral, Annals Fac. L. U. Zenica 18 (2016), 115 („elimination of the reciprocity obstacle may be considered as a major advantage“).
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Einleitung
Einl. HProrogÜbk 2005
III. Entstehungsgeschichte Das Übereinkommen ist aus den Bemühungen der Haager Konferenz (HCCH) von 1992 bis 200212 4 für Internationales Privatrecht hervorgegangen, ein umfassendes Regelwerk zur internationalen Zuständigkeit und Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen zu erarbeiten.13 Als man erkennen konnte, dass dieses Ziel auf absehbare Zeit nicht erreichbar sein würde, konzentrierte man sich ab 2002 darauf, zumindest für den am ehesten konsensfähigen und für den internationalen Rechtsverkehr besonders bedeutsamen Bereich der Gerichtsstandsvereinbarungen ein in Zuschnitt und Erfolg dem Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (New Yorker Übereinkommen – UNÜ)14 ähnlichen Übereinkommen zu schaffen.15 Das ursprüngliche Ziel hat die HCCH indes nicht aus den Augen verloren. So wurde ein neuer Anlauf für ein breit angelegtes „Judgments Project“ mit der Verabschiedung des HAVÜ am 2.7.2019 zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht.16 Von diesem Erfolg beflügelt hat sich die HCCH nunmehr im „Jurisdiction Project“ erneut die Normierung der direkten internationalen Zuständigkeiten zur Aufgabe gemacht.17 Strategisch setzt die HCCH damit nicht mehr auf die Ausarbeitung eines einzigen, gleichsam vollständigen Übereinkommens,18 sondern versucht eine möglichst kohärente Regelung über drei inhaltlich koordinierte, aber formell selbständige Instrumente zu erreichen.
12 Zuvor hatte die Haager Konferenz mit dem Übereinkommen vom 5.4.1958 über die Zuständigkeit des vertraglich vereinbarten Gerichts bei internationalen Kaufverträgen und dem Übereinkommen vom 25.11.1965 über einheitliche Regeln betreffend die Gültigkeit und die Wirkungen von Gerichtsstandsvereinbarungen Versuche zur Vereinheitlichung unternommen. Beide Übereinkommen sind aber nicht in Kraft getreten. 13 Eingehend zur Entstehungsgeschichte z.B. Beaumont, JPrIL 5 (2009) 127 ff.; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 102 ff.; Schulz, JPrIL 2 (2006) 244 ff.; R. Wagner, IPRax 2001, 533 ff.; siehe auch M. Weller in Rauscher, EuZPR/ EuIPR, HAVÜ Rz. 5 ff. 14 Laguardia/Falge/Franceschi, USLW 80 (2012) 1803; Thiele in Gottschalk u.a. (Hrsg.), Conflict of Laws in a Globalized World (2007) S. 66. 15 Die Gründe für das Scheitern des umfassenden Übereinkommens dürften vor allem folgende gewesen sein: (1) Uneinigkeit über die konzeptionelle Struktur des Übereinkommens: „convention simple“, also lediglich Regelung der Anerkennung und Vollstreckung und Zuständigkeitsregelungen nur als Anerkennungsvoraussetzungen im Sinne „indirekter“ Zuständigkeiten; „convention double“, also Regelung sowohl der Zuständigkeiten, als auch der Anerkennung und Vollstreckung nach dem Vorbild der Brüssel I-VO und des LugÜbk 2007; „mixed convention“, also Regelung („white list“) bzw. Ausschluss („black list“) bestimmter Zuständigkeiten unter Ergänzung erlaubter Zuständigkeiten der jeweiligen lex fori („grey list“) – letzteres war der Vorschlag der USA, der im Mai 1992 durch den Brief des Legal Adviser im US Department of State an die Haager Konferenz den Anstoß für die Bemühungen um ein Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen gab. Entwickelt hatte das Konzept einer in diesem Sinne mixed convention im Wesentlichen Arthur von Mehren, vgl. Arthur von Mehren, RabelsZ 57 (1993) 449 ff.; Arthur von Mehren, Law and Contemporary Problems 57 (1994) 271; Arthur von Mehren, RabelsZ 61 (1997) 86 ff. (2) Uneinigkeit darüber, ob „doing business“ als allgemeine Zuständigkeit zulässig sein solle; (3) Uneinigkeit im Umgang mit sich damals neu abzeichnenden Internet-Fällen; (4) Uneinigkeit darüber, inwieweit die in Europa erfolgreichen Regelwerke des EuGVÜ und LugÜbk als Vorbilder dienen sollten, nicht zuletzt, um in Europa weitgehende Kohärenz der parallelen Regelwerke zu erhalten – ein Ziel, das für außereuropäische Staaten natürlich ohne Interesse war. Vgl. zum Ganzen z.B. Schack, ZEuP 1998, 931 ff. 16 Hierzu M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR HAVÜ. Zu den Lektionen aus dem ersten Anlauf vgl. retrospektiv etwa Goddard, FS van Loon (2013), 195 ff.; vgl. auch Brand, FS van Loon (2013), 89 ff. 17 Conclusions and Recommendations adopted by the Council (5.–8.3.2019) Rz. 5, https://www.hcch.net/de/pro jects/legislative-projects/jurisdiction-project (19.8.2021); hierzu z.B. Jueptner, Journal of Private International Law 16 (2020), 247; Zhao, 30 SRIEL (2020), 345, 365 ff.; eine erste Arbeitsgruppensitzung fand im Februar 2020 unter dem Vorsitz von Prof. Keisuke Takeshita statt, vgl hierzu Report on the Jurisdiction Project, Prel. Doc. No. 3 v. Februar 2021. 18 Vgl. zum Scheitern dieses ersten Ansatzes den Entwurf in Prel. Doc. No. 11 v. August 2000.
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Art. 1 HProrogÜbk 2005 Anwendungsbereich
Kapitel I Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen (Art. 1–Art. 4)
Artikel 1 Anwendungsbereich (1) Dieses Übereinkommen ist bei internationalen Sachverhalten auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwenden, die in Zivil- oder Handelssachen geschlossen werden. (2) Für die Zwecke des Kapitels II ist ein Sachverhalt international, es sei denn, die Parteien haben ihren Aufenthalt im selben Vertragsstaat und die Beziehung der Parteien sowie alle anderen für den Rechtsstreit maßgeblichen Elemente weisen nur zu diesem Staat eine Verbindung auf, wobei der Ort des vereinbarten Gerichts unbeachtlich ist. (3) Für die Zwecke des Kapitels III ist ein Sachverhalt international, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung geltend gemacht wird.
I. Überblick 1
Nach Art. 1 Abs. 1 HProrogÜbk findet das Übereinkommen Anwendung „bei internationalen Sachverhalten auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen“ in „Zivil- oder Handelssachen“ („civil or commercial matters“). Die Anwendung des Übereinkommens hängt nicht davon ab, dass eine oder beide Parteien der Gerichtsstandsvereinbarung ihren (Wohn-) Sitz in einem Vertragsstaat haben.1
II. Zivil- oder Handelssachen 2
Die Konvention enthält keine Definition der Zivil oder Handelssache. Gleichwohl gebieten allgemeine Grundsätze die autonome Auslegung.2 Im Übrigen verweist bereits der Hartley/Dogauchi-Bericht3 auf die Verwendung dieses Begriffs in anderen Instrumenten.4 Zugleich wird allerdings klargestellt, dass Art. 1 HProrogÜbk gerade keine unmittelbare Bezugnahme auf andere Übereinkommen beinhaltet.5 Anders wird man dies nun im Verhältnis zum HAVÜ bewerten müssen, dessen Anwendungsbereich explizit mit dem des HProrogÜbk koordiniert worden ist.6 Im Übrigen wird man sich vorsichtig an die in einheitsrechtlichen Regelwerken allgemein herausgebildeten Konkretisierungen anlehnen dürfen.7 Gegebenenfalls aus der jeweiligen Teleologie erwachsende Divergenzen in der Begriffsbildung und -entwicklung sind aber hinzunehmen.
3
Die Materialien nennen wenig weiterführend das „öffentliche Recht“ und das „Strafrecht“ als ausgeschlossene Materien und stellen, insoweit den Regelungsgehalt von Art. 2 Abs. 5 HProrogÜbk wiederholend, klar, dass unter diesen Maßgaben eine Streitigkeit nicht schon dann vom Anwendungs1 Laguardia/Falge/Franceschi, USLW 80 (2012) 1803; anders als Art. 23 Brüssel I-VO ist nunmehr auch Art. 25 Brüssel Ia-VO unabhängig vom Wohnsitz der Parteien anwendbar, Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021) Art. 25 Brüssel Ia-VO Rz. 8; M. Weller in Wieczorek/Schütze4, Art. 25 Brüssel Ia-VO, Rz. 9; Antomo, NJW 2015, 2920. 2 Ermgassen & Co Ltd. v. Sixcap Financials Pte Ltd. [2018] SGHCR 8 Rz. 8; Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 49. 3 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 49: „… in internationalen Übereinkommen dieser Art üblich …“ 4 Vgl. nur Art. 1 Abs. 1 EuGVÜ/LugÜbk 2007/Brüssel I-VO/Brüssel Ia-VO. 5 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 49. 6 Vgl. hierzu mwN. Ribeiro-Bidaoui, NILR 67 (2020), 143 f. 7 Thiele in Gottschalk u.a. (Hrsg.), Conflict of Laws in a Globalized World (2007) S. 70; Rühl, IPRax 2005, 411; Kohler, 2 CILE Studies (2005) 227; als Parallelvorschrift kommt insbes. Art. 1 Abs. 1 Brüssel Ia-VO in Betracht, zur europäisch-autonomen Begriffsbestimmung z.B. Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021) Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 1 ff.; Hausmann in unalex-Kommentar Brüssel I-VO (2012) Art. 1 Rz. 1 ff.; Leible in NK-BGB3, Art. 1 Rom I-VO Rz. 4 ff.; Knöfel in NK-BGB3, Art. 1 Rom II-VO Rz. 1 ff.
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Kap. I: Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 1 HProrogÜbk 2005
bereich ausgeschlossen ist, wenn ein Staat oder hoheitliche Stellen Verfahrenspartei ist.8 In der Tat kann ein Staat etwa im Rahmen fiskalischer Hilfsgeschäfte privatrechtliche Ansprüche einklagen, und solche Streitigkeiten gelten allgemein als Zivilsache.9 Zur Abgrenzung soll es insbesondere darauf ankommen, ob der geltend gemachte Anspruch ebenso einer Privatperson zur Verfügung stehen könnte, das dem Streit zugrundeliegende Verhalten auch unter Privatpersonen vorkommen bzw. der erlittene Schaden in gleicher Weise auch bei einer Privatperson eintreten kann.10 Offenkundig sollen diese Kriterien vornehmlich die schwierige Qualifikation klassischer Fälle unerlaubter Handlung erleichtern, welche jedoch durch Art. 2 Abs. 2 lit. j und k HProrogÜbk weitreichend vom Anwendungsbereich ausgenommen werden. Doch wird man so auch diejenigen Regressansprüche funktional privatrechtlich einordnen können, welche einem Dritten infolge der Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Forderung gegen den originären (Steuer-)Schuldner zustehen.11 Dieses Ergebnis überzeugt auch, soweit die hoheitliche Forderung selbst zu Rückgriffszwecken – etwa im Wege der Legalzession – auf den privaten Dritten übergeht.12 Im Kontext der hier relevanten Gerichtsstandsvereinbarungen wird die konkrete Zuordnung einer Angelegenheit indes regelmäßig leichter fallen. Die Immunität von Staaten und internationalen Organisationen bleibt nach Art. 2 Abs. 6 HProrogÜbk vom Übereinkommen unberührt.
III. Internationaler Sachverhalt Art. 1 Abs. 2 und 3 HProrogÜbk enthalten zwei unterschiedliche Definitionen der Internationalität 4 des Sachverhalts. Für die Zwecke der Zuständigkeit vertragsstaatlicher Gerichte nach Art. 5 ff. HProrogÜbk in Kapitel II ist ein Sachverhalt nach Abs. 2 nicht international, wenn die Parteien ihren – nicht notwendig gewöhnlichen13 – Aufenthalt („residence“) in demselben Vertragsstaat14 haben (unklar ist der relevante Zeitpunkt15) und die Beziehungen der Parteien sowie alle anderen für den Rechtsstreit maßgeblichen Elemente nur zu diesem Vertragsstaat eine Verbindung aufweisen. Der Ort des vereinbarten Gerichts ist dabei unbeachtlich.16 Gerichtsstandsvereinbarungen zugunsten eines „neutralen“ Gerichts in einem Vertragsstaat für eine im Übrigen rein vertragsstaateninterne Streitigkeit fallen damit mangels Internationalität nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens.17 8 9 10 11 12 13
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16 17
Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 49 Fn. 71. Z.B. Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021) Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 3. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 85; Nygh/Pocar, PrelDoc No. 11 August 2000 S. 36 f. Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte (2006), S. 90 ff.; vgl. auch In Re CJ CGV Co Limited [2013] VSC 656; Air India Ltd. v. Caribjet Inc. [2001] ArbLR 2 sowie obiter Tullow Uganda Ltd. v. Heritage Oil Plc. [2013] EWHC 1656 (Comm.). Vgl. EuGH v. 5.2.2004 – C-265/02, ECLI:EU:C:2004:77 – Frahuil Rz. 26. Bloßer Aufenthalt soll genügen, um möglichst geringe tatbestandliche Hürden für die sachliche Anwendung des Übereinkommens zu setzen, Wagner, RabelsZ 73 (2009) 111 Fn. 46; M. Weller, JPrIL 13 (2017) 94; einschränkend Huber, IPRax 2016, 198: nicht die „bloße (vorübergehende) Anwesenheit“; a.A. (gewöhnlicher Aufenthalt) Moebus, Das Haager Übereinkommen von 2005 (2016) 25 Fn. 182; Pfeiffer, IWRZ 2016, 20. Haben die Parteien ihren Aufenthalt nach Art. 4 Abs. 2 HProrogÜbk in demselben Nichtvertragsstaat (Art. 4 Abs. 2 HProrogÜbk definiert den Aufenthalt systematisch stimmig allgemein und nicht nur bezogen auf Vertragsstaaten) und wählen die Parteien ein Vertragsstaatengericht, dann handelt es sich nach dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 HProrogÜbk um einen internationalen Sachverhalt. Denkbar ist allerdings, dass der Staat des gewählten Forums eine Erklärung nach Art. 19 HProrogÜbk abgegeben hat, so dass gleichwohl die durch die Vereinbarung begründete Zuständigkeit nicht ausgeübt werden muss; erneut systematisch stimmig erlaubt Art. 19 HProrogÜbk die Erklärung in Bezug auf alle Staaten, nicht nur auf Vertragsstaaten. In Betracht kommt der Zeitpunkt der Vereinbarung oder der Klageerhebung bzw. eine Kombination dieser Zeitpunkte. Der Wortlaut bezieht sich indes nicht auf die Vereinbarung oder Rechtsstreitigkeiten, sondern auf internationale Sachverhalte („cases“). Allerdings zeigen sich die grenzüberschreitenden Verstrickungen eines Sachverhaltes häufig erst nach dem Abschluss des Vertrages, was für den Zeitpunkt der Klageerhebung/ Rechtshängigkeit streitet. Gegen eine Kombination spricht zudem die massive Ausweitung bzw. Einschränkung, welche ein solcher Ansatz hervorbrächte; vgl. insgesamt Brand/Herrup, Hague Convention on Choice of Court Agreements, Commentary and Documents (2008) S. 51 f.; Moebus, Das Haager Übereinkommen von 2005 (2016) 26 Fn. 185 m. w. N. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 41. R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 111.
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Art. 2 HProrogÜbk 2005 Ausschluss vom Anwendungsbereich Auch eine Rechtswahl kann eine anderweitig fehlende Internationalität nicht begründen, da diese Verbindung zu einem anderen als dem Aufenthaltsstaat ebenfalls allein auf der Parteiautonomie beruht.18 Abredewidrige Klagen im ausländischen Vertragsstaat werden damit auch nicht von Art. 6 HProrogÜbk erfasst.19 Vielmehr gilt insoweit das autonome vertragsstaatliche Verfahrensrecht. Allerdings erleichtert Art. 4 Abs. 2 HProrogÜbk die Annahme eines internationalen Sachverhaltes für die häufig beteiligten juristischen Personen erheblich.20 5
Für die Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung nach Kapitel III ist ein Sachverhalt hingegen bereits dann nach Abs. 3 international, wenn die Entscheidung eines ausländischen Vertragsstaatengerichts geltend gemacht wird, und zwar selbst dann, wenn diese Entscheidung auf einer Gerichtsstandsvereinbarung beruht, die mangels Internationalität außerhalb des Anwendungsbereichs von Kapitel II des Übereinkommens liegt.21
Artikel 2 Ausschluss vom Anwendungsbereich (1) Dieses Übereinkommen ist nicht anzuwenden auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen, a) bei denen eine natürliche Person, die in erster Linie zu persönlichen, familiären oder den Haushalt betreffenden Zwecken handelt (ein Verbraucher), Vertragspartei ist; b) die sich auf Arbeitsverträge, einschließlich Kollektivvereinbarungen, beziehen. (2) Dieses Übereinkommen ist nicht anzuwenden auf a) den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen; b) Unterhaltspflichten; c) andere familienrechtliche Angelegenheiten, einschließlich der ehelichen Güterstände und anderer Rechte oder Pflichten aus einer Ehe oder aus ähnlichen Beziehungen; d) das Erbrecht einschließlich des Testamentsrechts; e) Insolvenz, insolvenzrechtliche Vergleiche und ähnliche Angelegenheiten; f) die Beförderung von Reisenden und Gütern; g) Meeresverschmutzung, Beschränkung der Haftung für Seeforderungen, große Haverei sowie Notschlepp- und Bergungsdienste; h) kartellrechtliche (wettbewerbsrechtliche) Angelegenheiten; i) die Haftung für nukleare Schäden; j) Ansprüche aus Körperverletzung, die von natürlichen Personen oder in deren Namen geltend gemacht werden; k) außervertragliche Ansprüche aus unerlaubter Handlung wegen Sachschäden; l) dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen; m) die Gültigkeit, Nichtigkeit oder Auflösung juristischer Personen sowie die Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe;
18 M. Weller, JPrIL 13 (2017) 95; vgl. auch Mills, Party Autonomy in Private International Law (2018) 223 f.; Pfeiffer, IWRZ 2016, 20. 19 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 43. 20 R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 111. 21 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 44: „Folglich wird ein Sachverhalt, der zum Zeitpunkt der ursprünglichen Entscheidung nicht im Sinne von Art. 1 Abs. 2 international war, dann international, wenn diese in einem anderen Vertragsstaat anerkannt oder vollstreckt werden soll.“ Vgl. ferner unten Art. 8 HProrogÜbk Rz. 1 ff.; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 112.
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Kap. I: Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 2 HProrogÜbk 2005
n) die Gültigkeit von Rechten des geistigen Eigentums, mit Ausnahme des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte; o) die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums, mit Ausnahme des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte, es sei denn, die Klage wird auf die Verletzung eines zwischen den Parteien bestehenden Vertrags, der sich auf solche Rechte bezieht, gestützt oder hätte auf die Verletzung dieses Vertrags gestützt werden können; p) die Gültigkeit von Eintragungen in öffentliche Register. (3) Ungeachtet des Absatzes 2 sind Verfahren vom Anwendungsbereich dieses Übereinkommens nicht ausgeschlossen, wenn eine nach Absatz 2 ausgeschlossene Angelegenheit lediglich als Vorfrage auftritt und nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Insbesondere ist ein Verfahren vom Anwendungsbereich des Übereinkommens nicht ausgeschlossen, wenn eine nach Absatz 2 ausgeschlossene Angelegenheit lediglich aufgrund einer Einwendung auftritt und nicht Gegenstand des Verfahrens ist. (4) Dieses Übereinkommen ist nicht anzuwenden auf die Schiedsgerichtsbarkeit sowie auf Verfahren, die sich auf ein Schiedsverfahren beziehen. (5) Verfahren sind vom Anwendungsbereich dieses Übereinkommens nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil ein Staat, einschließlich einer Regierung, einer Regierungsstelle oder einer für einen Staat handelnden Person, Verfahrenspartei ist. (6) Dieses Übereinkommen berührt nicht die Vorrechte und Immunitäten von Staaten oder internationalen Organisationen in Bezug auf sie selbst und ihr Vermögen.
I. Überblick Ergänzend und zum Teil konkretisierend zur positiven Umschreibung in Art. 1 HProrogÜbk durch 1 den Begriff der Zivil- oder Handelssache nimmt der Negativkatalog des Art. 2 HProrogÜbk bestimmte Gegenstände vom sachlichen Anwendungsbereich aus. Diese Ausnahmen stimmen – wenn auch nicht deckungsgleich – zum Teil mit der Aufzählung in Art. 2 HAVÜ überein.1 Art. 2 Abs. 3 HProrogÜbk stellt klar, dass Verfahren nicht deswegen vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, weil eine nach Abs. 2 ausgeschlossene Materie als Vorfrage oder Einwendung relevant wird. Allerdings enthält Art. 10 HProrogÜbk weitreichende Einschränkungen der Anerkennungspflicht für Vorfragen. Art. 2 Abs. 3 HProrogÜbk stellt klar, dass Verfahren nicht deswegen vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, weil eine nach Abs. 2 ausgeschlossene Materie als Vorfrage oder Einwendung relevant wird. Allerdings enthält Art. 10 HProrogÜbk weitreichende Einschränkungen der Anerkennungspflicht für Vorfragen.
II. Schutz schwächerer Vertragsparteien In Art. 2 Abs. 1 HProrogÜbk finden sich zunächst Ausnahmen zum Schutz schwächerer Vertragsparteien, wie er z.B. in der EU aber auch in den USA in je unterschiedlichen Ausprägungen anzutreffen ist.2 Hierunter fallen namentlich Verbrauchersachen (lit. a) und Arbeitsverträge einschließlich Kollektivvereinbarungen (lit. b). Verbraucher i.S.d. Übereinkommens ist eine natürliche Person, „die in erster Linie zu persönlichen, familiären oder den Haushalt betreffenden Zwecken handelt“. Damit
1 Übereinstimmungen finden sich in Abs. 2 lit. a, b, c, d, e (mit Ausnahme der Bankenabwicklung), f, g (auch ohne grenzüberschreitenden Bezug; mit Ausnahme der Notschlepp- und Bergungsdienste), h (inkl. reiner Inlandssachverhalte), i, m, n und o (mit Ausnahme des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte), p HProrogÜbk; aus Sicht des HAVÜ vgl. M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR HAVÜ Rz. 14, Fn. 64. 2 Brand/Herrup, Hague Convention on Choice of Court Agreements, Commentary and Documents (2008) S. 55 f.; van Loon, Annals Fac L.U. Zenica 18 (2016), 18; vgl. in den USA etwa den Telephone Consumer Protection Act of 1991 (47 U.S.C. § 227), hierzu erst vor Kurzem Facebook, Inc. v. Duguid, 2021 U.S. LEXIS 1742; den Zugang der Verbraucher zu den Gerichten verbesserte Ford Motor Co. v. Montana Eighth Judicial Dist. Court 141 S. Ct. 1017.
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Art. 2 HProrogÜbk 2005 Ausschluss vom Anwendungsbereich erfasst der Ausschlusstatbestand auch Rechtsverhältnisse unter Verbrauchern.3 Unter einem Arbeitsvertrag ist ein Vertrag zwischen einem Arbeitgeber und einem einzelnen Arbeitnehmer, unter einem kollektiven Arbeitsvertrag ein Vertrag zwischen einem Arbeitgeber oder einer Gruppe von Arbeitgebern oder einer Gruppe von Arbeitnehmern bzw. einer diese vertretenden Organisation (z.B. Gewerkschaften) zu verstehen.4 Damit sind auch Klagen aus unerlaubter Handlung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses erfasst.5
III. Katalog sachlicher Ausschlüsse 3
Daneben nimmt Art. 2 Abs. 2 HProrogÜbk einzelne Rechtsgebiete ungeachtet der beteiligten Personen vom Anwendungsbereich aus. Hierzu gehören im Einzelnen Personenstandssachen, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung natürlicher Personen (lit. a),6 Unterhaltspflichten (lit. b),7 sonstige Familiensachen einschließlich ehelicher Güterstände und eheähnliche Rechtsbeziehungen (lit. c), erbrechtliche (lit. d), und insolvenzrechtliche Sachen (lit. e),8 Personenbeförderung und Gütertransport (lit. f),9 Meeresverschmutzungen sowie Beschränkungen der Haftung für Seeforderungen, große Haverei sowie Notschlepp- und Bergungsdienste (lit. g),10 kartellprivatrechtliche Schadensersatzansprüche (lit. h),11 Atomhaftung (lit. i),12 Ansprüche aus Körperver3 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 50. 4 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 51. 5 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 51; Körperverletzung des Arbeitnehmers bei der Arbeit sind freilich bereits nach Art. 2 Abs. 2 lit. j HProrogÜbk ausgeschlossen. 6 Mit erfasst sein sollen neben Vaterschaftsfeststellungen auch Ehescheidungsverfahren und Eheaufhebungsverfahren, Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 54, letztere werden aber wohl eher von Abs. 2 lit. c erfasst sein („andere familienrechtliche Angelegenheiten [als Unterhaltssachen], einschließlich der ehelichen Güterstände und anderer Rechte oder Pflichten aus einer Ehe oder aus ähnlichen Beziehungen“). 7 Diese werden vom Haager Unterhaltsübereinkommen bzw. vom Unterhaltsprotokoll erfasst. 8 Gemeint sind Verfahren, die „unmittelbar die Insolvenz betreffen“, einschließlich insolvenzrechtlicher Vergleiche und ähnlichen Angelegenheiten, etwa Verfahren nach Chapter 11 United States Federal Bancruptcy Code (11 U.S.C. §§ 101 et seq.), Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 56 f. Auflösungen und Liquidationen von Unternehmen ohne Insolvenz fallen unter Art. 2 Abs. 2 lit. m. Vertragliche Verpflichtungen des Insolvenzschuldners, für die vorinsolvenzlich eine Gerichtsstandsvereinbarung getroffen wurde, und die nun der Insolvenzverwalter gegen den Beklagten geltend macht, fallen aber in den Anwendungsbereich des Übereinkommens. Sofern und soweit die hoheitliche Bestellung des Insolvenzverwalters im Staat des Insolvenzverfahrens im Gerichtsstaat anerkannt wird, ist also der Insolvenzverwalter an die Gerichtsstandsvereinbarung gebunden. Entsprechendes wird gelten für andere Vertragsstaatengerichte hinsichtlich ihrer Verpflichtung aus Art. 6 gegenüber Verfahren des Insolvenzverwalters unter Art. 5. 9 Insoweit bestehen zahlreiche spezielle völkerrechtliche Vereinbarungen (z.B. Athens Convention; Hague-Visby Rules; Hamburg Rules; UNCITRAL Rotterdam Rules), deren Koordinierung mit dem Übereinkommen nach Maßgabe der Kollisionsregeln nach Art. 26 zu komplex erschien, Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 58; kritisch zur Tragfähigkeit dieser Einschätzung Forrest, J.P.I.L. 5 (2009), 493 ff. 10 Im Umkehrschluss sind andere Seerechtssachen wie etwa aus Seetransportversicherungen, Schlepp- und Bergungsdienste in Nicht-Notfällen, Schiffsbau, Schiffshypotheken und -pfandrechte von diesem Ausschluss nicht erfasst, Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 59. Die dahinter stehende Prämisse, dass dieser Regelungsbereich bereits von anderweitigen Instrumenten abgedeckt wäre, hat sich zumindest für den Teilbereich inländischer Meeresverschmutzung sowie nicht-hoheitlicher Notschlepp- und Bergungsdienste als unzutreffend herausgestellt, vgl. Note on reconsidering ‘marine pollution and emergency towage and salvage’ within the scope of the Draft Convention on the recognition and enforcement of foreign judgments in civil and commercial matters, Prel.-Doc. No. 12 of June 2019, Rz. 50, 61 ff. Das HAVÜ hat diesen Befund insoweit korrigierend aufgenommen. Krit. bereits bei Forrest, J.P.I.L. 5 (2009), 508 ff. 11 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 62. Kartellbehördliche Verfahren erwachsen aus öffentlichem Recht und sind schon deswegen ausgeschlossen. Geht es hingegen um die Nichtigkeit eines Vertrags und daraus erwachsenden Ansprüchen infolge einer hoheitlichen Kartellverbotsnorm, dann ist letztere lediglich Gegenstand einer Vorfrage und nicht unmittelbar Gegenstand des Verfahrens, so dass die Vertragsklage im Anwendungsbereich des Übereinkommens liegt, zur Vorfrage generell auch Art. 2 Abs. 3 HProrogÜbk. 12 Zum einen gelten verschiedene spezielle völkervertragsrechtliche Regelwerke, etwa das Pariser Übereinkommen vom 29.7.1960 über die Haftung gegenüber Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie, BGBl. 1975 II 957, die typischerweise die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte im Staat des Atomkraftwerks vorsehen, zum ande-
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letzung (lit. j),13 außervertragliche Ansprüche aus unerlaubter Handlung wegen Sachschäden (lit. k), dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen14 sowie Miete und Pacht derselben (lit. l),15 Bestand, Nichtigkeit und Auflösung juristischer Personen sowie Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe (lit. m),16 Bestand von Rechten des geistigen Eigentums mit Ausnahme des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte (Leistungsschutzrechte)17 (lit. n),18 Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums mit Ausnahme des Urheberrechts und verwandter Schutzrechte, es sei denn, die Klage wird auf die Verletzung eines Vertrags gestützt oder hätte darauf gestützt werden können (lit. o)19 und letztlich die Gültigkeit von Eintragungen in öffentlichen Registern (lit. q). Art. 2 Abs. 4 HProrogÜbk nimmt generell die Schiedsgerichtsbarkeit und auf ein Schiedsverfahren bezogene Verfahren vor staatlichen Gerichten vom Anwendungsbereich aus.20
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Nach Art. 21 HProrogÜbk können die Vertragsstaaten durch Erklärung weitere Materien vom Anwendungsbereich des Übereinkommens für sich ausschließen.
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Artikel 3 Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen Für die Zwecke dieses Übereinkommens gilt Folgendes: a) „Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung“ bezeichnet eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehr Parteien, die den Erfordernissen des Buchstaben c genügt und in der die Gerichte eines Vertragsstaats oder ein oder mehrere bestimmte Gerichte eines Vertragsstaats unter Ausschluss der Zuständigkeit aller anderen Gerichte zu dem Zweck benannt werden, über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit zu entscheiden; b) eine Gerichtsstandsvereinbarung, in der die Gerichte eines Vertragsstaats oder ein oder mehrere bestimmte Gerichte eines Vertragsstaats benannt werden, gilt als ausschließlich, sofern die Parteien nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben; c) eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung muss wie folgt geschlossen oder dokumentiert sein:
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ren sollen Haftungsbeschränkungen zugunsten der Betreiber im Betriebsstaat nicht durch Verfahren vor den Gerichten anderer Staaten konterkariert werden, Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 64. Einschließlich Schockschäden. Nach dem Wortlaut im Vergleich zu lit. k sind auch Schadensersatzansprüche aus vertraglichem Haftungsgrund ausgeschlossen; Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 65, stellen klar, dass Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht vom Tatbestandsmerkmal der Körperverletzung erfasst sind. Häufig finden sich insoweit ausschließliche Zuständigkeiten, vgl. z.B. § 24 ZPO, Art. 24 Brüssel Ia-VO. Nicht erfasst sind mithin Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung des dinglichen Rechts (vgl. insoweit lit. k) oder aus Verträgen über die Verschaffung dinglicher Rechte, Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 67. Mit dem Ausschluss von Miet- und Pachtverhältnissen sollen zum einen Schutzvorschriften im Belegenheitsstaat der Mietsache geschützt werden, zum anderen gelten in manchen Rechtsordnungen diese als dingliche Rechte, so dass sie unter den Ausschluss dieser (vorbehaltlich einer entsprechenden autonomen Auslegung) fallen könnten, Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 68. Häufig durch ausschließliche Zuständigkeiten geregelt, vgl. nur etwa Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO, ferner häufig Rechte Dritter betreffend, daher grundsätzlich ausgenommen, Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 70. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 73. Die Ausgestaltung des Übereinkommens hinsichtlich Immaterialgüterrechte war Gegenstand intensiver Verhandlungen, hierzu z.B. Luginbühl/Wollgast, GRUR Int 2006, 215 ff. Die Erteilung von anderen Immaterialgüterrechten als Urheberrechte hängt typischerweise von einem Hoheitsakt ab, für den dieser Staat allein zuständig ist einschließlich der Aufhebung oder Nichtigerklärung, vgl. auch Art. 24 Nr. 4 Brüssel Ia-VO. Soweit für Urheberrechte und verwandte Schutzrechte nach Maßgabe einer die Verfahrensparteien bindenden Gerichtsstandsvereinbarung entschieden wird, soll diese Entscheidung keine erga-omnes-Wirkung haben, sondern lediglich zwischen den Parteien wirken, Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 72. Auch eine rein deliktisch gefasste Klage kann also in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen. Damit sind insb. alle lizenzvertraglichen Streitigkeiten erfasst, Schulz, JPrIL 2 (2006) 261. Vgl. hierzu Stanivukovic, Annals Fac. L. U. Zenica 18 (2016), 45.
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Art. 3 HProrogÜbk 2005 Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen i) schriftlich oder ii) durch jedes andere Kommunikationsmittel, das es ermöglicht, auf die Information später wieder zuzugreifen; d) eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung, die Teil eines Vertrags ist, ist als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln. Die Gültigkeit der ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung kann nicht allein mit der Begründung in Frage gestellt werden, dass der Vertrag nicht gültig ist. I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
IV. Form der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . .
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II. Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Selbständigkeit der Vereinbarung . . . . . . . .
8
III. Exklusivität der Vereinbarung . . . . . . . . . .
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I. Überblick 1
Art. 3 HProrogÜbk definiert die Voraussetzungen für eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des Übereinkommens. Erforderlich ist danach eine „Vereinbarung“ über die ausschließliche Zuständigkeit von Vertragsstaatengerichten1 bzw. eines oder mehrerer konkreter Vertragsstaatengerichten2 (lit. a). Die Zuständigkeitsvereinbarung muss eine bereits entstandene Streitigkeit oder künftige, aus einem bestimmten Rechtsverhältnis erwachsende, Streitigkeiten betreffen.3 Eine „Streitigkeit“ kann dabei Ansprüche aus verschiedenen Anspruchsgrundlagen erfassen.4 Schließlich bestehen bestimmte Formanforderungen (lit. c). An das Exklusivitätserfordernis der Gerichtsstandsvereinbarung knüpft die Koordinierung mit dem HAVÜ, welches in Art. 5 Abs. 1 lit. m ausdrücklich nur nicht-ausschließliche Vereinbarungen als indirekten Zuständigkeitsgrund erfasst.5 Gleichwohl ist damit keine ganz bruchlose Koordinierung gelungen, denn nach Art. 22 HProrogÜbk können Vertragsstaaten durch gegenseitige Erklärungen den Anwendungsbereich des HProrogÜbk auf nicht-ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen erstrecken. Sollte sich dazu Vertragsstaaten des HProrogÜbk entschließen, erwüchsen komplexe Abgrenzungsfragen zwischen Art. 22 HProrogÜbk und dem Anerkennungsregime des HAVÜ.6
II. Vereinbarung 2
Fraglich ist, ob aus dem Tatbestandsmerkmal „Vereinbarung“ ein konventionsautonomer Mindeststandard erwächst.7 Grundsätzlich unterliegt die Wirksamkeit der Vereinbarung nach Art. 5 Abs. 1 HProrogÜbk dem Recht des Staates, dessen Gerichte die Parteien in der Vereinbarung als zuständig bezeichnet haben. Theoretisch denkbar mögen allerdings Fälle sein, in denen das Prorogationsstatut stoßende Ergebnisse produziert, also etwa eine Vereinbarung als zustande gekommen ansieht unter Voraussetzungen, die im internationalen Vergleich substantiell unter den Anforderungen an einen Konsens bleiben.8 Andere Vertragsstaatengerichte sind dann gegebenenfalls nach Art. 6 lit. c HProrogÜbk dazu berechtigt, unter Berufung auf eine „offensichtliche Ungerechtigkeit“ die Beachtung der 1 „Ausschließlich zuständig sind die Gerichte Mexikos.“ 2 „Ausschließlich zuständig ist der High Court London.“ 3 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 101; Thiele in Gottschalk u.a. (Hrsg.), Conflict of Laws in a Globalized World (2007) S. 69; Vlas, FS van der Velden (2006) 88. 4 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 101. 5 Grundsätzlich hätte das HAVÜ durchaus auch ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen als indirekten Zuständigkeitsgrund erfassen können, aber die HCCH wollte wohl den Anreiz zur Teilnahme am HProrogÜbk nicht dadurch schwächen, dass die Anerkennung auch über das HAVÜ möglich wäre. 6 Hierzu M. Weller, YbPIL 21 (2019/2020) S. 292 f.; vgl. auch M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR HAVÜ Rz. 59. 7 Vgl. z.B. Hausmann in Reithmann/Martiny8, Rz. 8.41, zur „Vereinbarung“ i.S.v. Art. 25 Brüssel Ia-VO. 8 Beispiel bei Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 96: Das Prorogationsstatut des benannten Gerichts lässt generell das Schweigen des anderen Teils auf eine E-Mail mit angetragener Gerichtsstandsvereinbarung genügen. Die E-Mail wird im Spam-Filter des Empfängers abgefangen und gelöscht.
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Kap. I: Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 3 HProrogÜbk 2005
„Vereinbarung“ zu verweigern. Entscheidungserheblich würde ein konventionsautonomer Mindeststandard dann, wenn dieser Standard bereits unterschritten wäre, bevor eine offensichtliche Ungerechtigkeit i.S.v. Art. 6 lit. c HProrogÜbk anzunehmen ist. Mehr als den bloßen Begriff „Vereinbarung“ bietet das Übereinkommen allerdings zur Bestimmung eines solchen Maßstabs nicht an. Damit fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten.9 Das primäre Ziel des Übereinkommens, Rechtssicherheit zu schaffen, drängt deswegen dazu, davon abzusehen, in den Begriff der Vereinbarung materielle Voraussetzungen jenseits derer des Prorogationsstatuts einerseits und andererseits der offensichtlichen Ungerechtigkeit hineinzulesen.10 Insbesondere verbietet es sich, aus dem Tatbestandsmerkmal „Vereinbarung“ auf einen Mindeststandard nach Maßgabe der lex fori des angegangenen Gerichts zu schließen.11
3
Allerdings führt der Hartley/Dogauchi-Bericht aus:12 „Das Übereinkommen als Ganzes greift … nur dann, wenn eine Gerichtsstandsvereinbarung vorliegt, und dies setzt wiederum voraus, dass die grundlegenden tatsächlichen Voraussetzungen einer Zustimmung gegeben sind“. Welche tatsächlichen Voraussetzungen grundlegend für die Willensübereinstimmung sind, lässt sich allerdings nicht tatsächlich, sondern nur nach einem normativen Maßstab bestimmen. Mithin legt der Bericht nahe, dass das Übereinkommen doch einen autonomen Mindeststandard enthält. Wie dieser beschaffen ist, bleibt allerdings im Dunkeln. Der Beispielsfall im Bericht dürfte jedenfalls wohl die Schwelle zur offensichtlichen Ungerechtigkeit i.S.v. Art. 6 lit. c HProrogÜbk überschritten haben,13 zumindest dann, wenn der Spam-Filter des schweigenden Empfängers der die Gerichtsstandsvereinbarung antragenden Erklärung verkehrstypisch eingestellt war.
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III. Exklusivität der Vereinbarung Eine Vereinbarung gilt dabei – innovativ für common law-Staaten14 – bereits als ausschließlich, wenn die Parteien nicht explizit anderes zum Ausdruck gebracht haben (lit. b). Hierbei handelt es sich um eine autoritative Auslegung,15 nicht lediglich um eine Zweifelsregelung.16 Gleichwohl ist eine sorgsame Formulierung der Vereinbarung zu ihrer Ausschließlichkeit ratsam, da dann auch für außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des Übereinkommens liegende, von der Gerichtsstandsvereinbarung aber nach dem Parteiwillen auch erfasste Rechtssachen die Ausschließlichkeit nach dem insoweit anwendbaren autonomen Recht bestmöglich gesichert ist, so dass die Kognitionsbefugnis des benannten Gerichts hinreichend groß ist.17
9 Anders partiell Art. 4 des Haager Gerichtsstandsübereinkommens vom 25.11.1965: „For the purpose of this Convention the agreement on the choice of court shall have been validly made if it is the result of the acceptance by one party of a written proposal by the other party expressly designating the chosen court or courts. The existence of such an agreement shall not be presumed from the mere failure of a party to appear in an action brought against him in the chosen court. The agreement on the choice of court shall be void or voidable if it has been obtained by an abuse of economic power or other unfair means“. Auf weitergehende materielle Anforderungen hat man sich indes für das hiesige Übereinkommen nicht einigen können, stattdessen lediglich auf eine vereinheitlichte Kollisionsregel, R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 117. 10 Beaumont, JPrIL 5 (2009) 140; mit Verweis auf Entstehungsgeschichte und Systematik auch Huber, IPRax 2016, 201 f. 11 A.A. Brand/Herrup, Hague Convention on Choice of Court Agreements, Commentary and Documents (2008) S. 79. 12 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 95. 13 Beaumont, JPrIL 5 (2009) 140. 14 Schulz, JPrIL 2 (2006), 253 f.: „the presumption under common law is normally the opposite “; anders Mills, Party Autonomy in Private International Law (2018) 98: „Traditionally, the English courts have not presumed in favour of or against exclusivity“. In jedem Fall begründet Art. 3 lit. b HProrogÜbk damit aber eine Abweichung vom common law. 15 Dies scheint das Gericht erster Instanz Piraeus, Az. 3106/2019, Epihe|rgsg Pokitikr Dikomolar (EPokD) 2019, 698 (m. Anm. Apostolos Anthimos 714) zu übersehen. 16 R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 117 Fn. 85, mit Verweis auf den englischen Wortlaut „deemed“ anstelle von z.B. „presumed“; ebenso Mills, Party Autonomy in Private International Law (2018) 97 f. 17 Eichel, RIW 2009, 289, 294.
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Art. 3 HProrogÜbk 2005 Ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen 6
Entscheidungen aus nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung sind grundsätzlich vom Übereinkommen ausgenommen, um die damit einhergehenden, nur schwer konsensfähig zu lösenden Rechtshängigkeits- und res-iudicata-Probleme zu vermeiden,18 können aber durch Erklärung eines Vertragsstaates nach Art. 22 HProrogÜbk in das Anerkennungs- und Vollstreckungsregime des Übereinkommens einbezogen werden.19 Halbseitig fakultative oder „asymmetrische Vereinbarungen“, die lediglich eine Seite auf Klageerhebung im bezeichneten Forum beschränken, der anderen Seite aber die Wahl zwischen dem bezeichneten und anderen für sie bezeichneten oder gesetzlichen Zuständigkeiten lassen,20 liegen außerhalb des Anwendungsbereichs.21 Solche Gerichtsstandsvereinbarungen gelten vielmehr als nicht ausschließliche. Nicht zuletzt mit Blick auf die Kautelarpraxis im internationalen Kreditwesen wurde mit Art. 22 HProrogÜbk für die Vertragsstaaten die Möglichkeit geschaffen, diese Vereinbarungen in das Anerkennungs- und Vollstreckungsregime des Übereinkommens einzubeziehen.22
IV. Form der Vereinbarung 7
Die Formanforderungen sind abschließend23 konventionsautonom in Art. 3 lit. c HProrogÜbk geregelt. Erforderlich ist danach entweder Schriftform (lit. c (i)) oder jedenfalls24 die Vereinbarung mit einem Kommunikationsmittel, das in anderer Weise, auch nachträglich,25 den dauerhaften Zugriff auf die „Information“, also den Vereinbarungsinhalt, ermöglicht, z.B. durch Emails.26 Im Übrigen genügt, dass die Vereinbarung mündlich getroffen wurde und schriftlich bestätigt wurde.27 Weitergehende Formerfordernisse hinsichtlich Sprachanforderungen, drucktechnischer Maßgaben (Fettdruck, Mindestgröße) oder vom Hauptvertrag getrennter Unterzeichnung nach vertragsstaatlichem Recht sind unbeachtlich.28 Soweit die fremde Sprache der Vereinbarung nach Maßgabe des Prorogationsstatuts zum Fehlen der Willensübereinstimmung führt, ist dies allerdings als Frage der Wirksamkeit beachtlich. Entspricht die Vereinbarung nicht den Formanforderungen des Übereinkommens, wohl aber denjenigen der lex fori des angegangenen Vertragsstaatengerichts,29 hindert das Übereinkommen nicht daran, die Gerichtsstandsvereinbarung nach Maßgabe der lex fori zu beachten.30 Allerdings kann dann die daraus hervorgehende Entscheidung auch nur außerhalb des Regelwerkes des Übereinkommens anerkannt und vollstreckt werden, auch wenn es sich um die Entscheidung eines Vertragsstaatengerichts handelt.31 Entspricht die Vereinbarung den Formanforderungen des Übereinkommens, erwächst aus dieser Rechtslage, anders als nach Art. 25 Brüssel Ia-VO,32 kein Indiz für einen hinreichenden Konsens, vielmehr ist dieser nach Maßgabe des Prorogationsstatuts eigenständig festzustellen.33 Damit gibt es teleologisch insoweit keinen Grund, die Formanforderungen streng zu handhaben.34
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Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 47. Zu den dann geltenden Rechtshängigkeits- und res-iudicata-Fragen unten Art. 22 HProrogÜbk Rz. 3. Praktisch häufig in komplexen Kreditvereinbarungen zugunsten der finanzierenden Banken. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 105 und 249 ff.; Corneloup, IPRax 2017, 311. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 240. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 110: Formerfordernisse „notwendig und ausreichend“. Insoweit dem UNCITRAL-Modellgesetz zum E-Commerce vom 12.6.1996 folgend https://uncitral.un.org/en/ texts/ecommerce/modellaw/electronic_commerce (11.1.2021). Schulz, JPrIL 2 (2006) 251. R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 117; Thiele in Gottschalk u.a. (Hrsg.), Conflict of Laws in a Globalized World (2007) S. 70; a.A. Fricke, VersR 2006, 478. Mills, Party Autonomy in Private International Law (2018) 221; Huber, IPRax 2016, 199; Pfeiffer, IWRZ 2016, 69; Moebus, Das Haager Übereinkommen von 2005 (2016) 84; vgl. auch Eichel, GPR 2014, 164 f. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 110; Pfeiffer, IWRZ 2016, 69. Etwa nach den weniger strengen Anforderungen nach Art. 25 Abs. 1 lit. b und c Brüssel Ia-VO. Hartley, ELRev 2006, 418; Schulz, JPrIL 2 (2006) 250; Huber, IPRax 2016, 200. R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 118. EuGH v. 14.10.1976 – C-24/76, ECLI:EU:C:1976:177 – Estasis Salotti/RÜWA Rz. 7 ff. So auch Huber, IPRax 2016, 202. Schulz, JPrIL 2 (2006) 252, unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte.
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Kap. I: Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen
Art. 4 HProrogÜbk 2005
V. Selbständigkeit der Vereinbarung Art. 3 lit. d HProrogÜbk stellt klar, dass auch die in einem Vertrag enthaltene Gerichtsstandsverein- 8 barung eine vom Vertrag unabhängige und selbständige Vereinbarung ist und dass die Unwirksamkeit des Hauptvertrags nicht als solche zur Unwirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung führt.35 Hierin liegt eine Parallele zur Schiedsklausel.36 Dies gilt auch für in AGB enthaltene Gerichtsstandsklauseln.37 Die AGB-rechtliche Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung – mit Ausnahme von Formanforderungen – richtet sich nach dem Prorogationsstatut.38 Abgrenzungsschwierigkeiten liegen auf der Hand, etwa bei Anforderungen an die Einbeziehung39 oder Transparenz, insbesondere hinsichtlich der Sprachenfrage, aber auch hinsichtlich der Inhaltskontrolle, wenn beispielsweise in Rede steht, ob die Regelung der Zuständigkeit durch die Parteien unangemessene Benachteiligung ist oder nicht. Tendenziell muss gelten, dass über spezifisch zuständigkeitsrechtliche Wertungsgesichtspunkte der Angemessenheit vom Übereinkommen selbst und abschließend entschieden ist. Gleichwohl mag sich die Frage stellen, ob die formularmäßige Wahl eines neutralen Gerichtsstands nach dem Statut der Klauselkontrolle Bestand hat. Denn hierzu trifft das Übereinkommen gerade keine eigene Entscheidung.40
Artikel 4 Sonstige Begriffsbestimmungen (1) In diesem Übereinkommen bezeichnet „Entscheidung“ jede gerichtliche Entscheidung in der Sache, unabhängig von ihrer Bezeichnung, wie ein Urteil oder einen Beschluss, sowie den gerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschluss (auch eines Gerichtsbediensteten), sofern er sich auf eine Entscheidung in der Sache bezieht, die nach diesem Übereinkommen anerkannt oder vollstreckt werden kann. Eine einstweilige Sicherungsmaßnahme gilt nicht als Entscheidung. (2) Für die Zwecke dieses Übereinkommens hat eine rechtliche Einheit oder eine Person, die keine natürliche Person ist, ihren Aufenthalt in dem Staat, a) in dem sie ihren satzungsmäßigen Sitz hat; b) nach dessen Recht sie gegründet wurde; c) in dem sie ihre Hauptverwaltung hat oder d) in dem sie ihre Hauptniederlassung hat.
I. Definition „Entscheidung“ „Entscheidung“ definiert Art. 4 Abs. 1 S. 1 HProrogÜbk als eine funktional von einem Gericht1 getroffene Entscheidung in der Sache unabhängig von ihrer Bezeichnung (Urteil, Beschluss, Kostenfest-
35 Man wird davon ausgehen dürfen, dass das übereinkommensautonome Verständnis von der Gerichtsstandsvereinbarung als eigenständiger Vertrag nicht dazu führen soll, dass eine dadurch nach dem allgemeinen Vertragsrecht des Prorogationsstatuts gegebenenfalls erforderliche consideration zum Wirksamkeitserfordernis erhoben wird, auch wenn Vorschläge zur Klarstellung dieser Frage im weiteren Entstehungsprozess nicht in den Normtext übernommen wurden, Thiele in Gottschalk u.a. (Hrsg.), Conflict of Laws in a Globalized World (2007) S. 70 Fn. 53. 36 Vgl. Art. 16 (1) cl. 2 UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration. 37 Eichel, RIW 2009, 289, 294. 38 Schulz, JPrIL 2 (2006) 252. 39 Vgl. etwa Hausmann in Reithmann/Martiny8, Rz. 8.42, zu Art. 25 Brüssel Ia-VO. 40 Vgl. lediglich Art. 19 HProrogÜbk. Aus dieser Vorschrift folgt nur, dass die Vereinbarung neutraler Gerichtsstände durch das Übereinkommen nicht unmittelbar unzulässig sind, nicht hingegen die Frage, ob diese generell zulässig sein sollen. Dann aber dürfte das Prorogationsstatut über die Wirksamkeit nach Maßgabe des Klauselrechts zu entscheiden haben. 1 Z.B. auch Gerichtsbedienstete wie Rechtspfleger.
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Art. 5 HProrogÜbk 2005 Zuständigkeit des vereinbarten Gerichts setzungsbeschluss).2 Gerichte können lediglich jene Spruchkörper sein, die Teil der staatlichen Judikative sind und rechtsprechende Funktionen wahrnehmen.3 Die Entscheidung eines Gerichts erfolgt in der Sache, wenn es sich in einem irgendwie gearteten streitigen Verfahren mit dem zur Disposition gestellten Anspruch auseinandersetzt.4 Entsprechend gelten Versäumnisurteile5 als Entscheidungen, nicht aber einstweilige Sicherungsmaßnahmen wie Art. 4 Abs. 1 S. 2 sowie Art. 7 HProrogÜbk klarstellen.
II. Definition „Aufenthalt“ 2
Das Übereinkommen hält keine allgemeingültige Definition des „Aufenthaltes“ natürlicher Personen bereit. Anders als das HAVÜ6 stellt es jedoch nicht auf den mit Abgrenzungsschwierigkeiten behafteten „gewöhnlichen“ Aufenthalt, sondern auf den tatsächlichen „schlichten“ Aufenthalt ab. Regelungsbedürftig war daher vornehmlich der Aufenthalt juristischer Personen und rechtsfähiger Personenvereinigungen.
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Art. 4 Abs. 2 HProrogÜbk verortet diesen Aufenthalt für andere als natürliche Personen alternativ im Staat des satzungsmäßigen Sitzes (lit. a), im Staat, nach dessen Recht die Person gegründet wurde (lit. b), im Staat, in dem die Hauptverwaltung belegen ist (lit. c) oder schließlich im Staat der Hauptniederlassung (lit. d).7 Dies erleichtert die Annahme eines internationalen Sachverhalts jedenfalls für die häufig beteiligten juristischen Personen erheblich. Staaten und staatliche Behörden residieren allerdings stets nur innerhalb des eigenen Territoriums.8
Kapitel II Zuständigkeit (Art. 5–Art. 7)
Artikel 5 Zuständigkeit des vereinbarten Gerichts (1) Das Gericht oder die Gerichte eines Vertragsstaats, die in einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung benannt sind, sind zuständig für die Entscheidung eines Rechtsstreits, für den die Vereinbarung gilt, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht dieses Staates ungültig. (2) Ein nach Absatz 1 zuständiges Gericht darf die Ausübung seiner Zuständigkeit nicht mit der Begründung verweigern, dass ein Gericht eines anderen Staates über den Rechtsstreit entscheiden sollte. (3) Die Absätze 1 und 2 lassen Vorschriften unberührt, welche a) die sachliche Zuständigkeit oder die Zuständigkeit aufgrund des Streitwerts betreffen; 2 Ermgassen & Co Ltd. v. Sixcap Financials Pte Ltd., [2018] SGHCR 8 Rz. 22: Summary judgment englischer Gerichte „Entscheidung“ i.S.v. Art. 4 Abs. 1 S. 1 HProrogÜbk. 3 Nygh/Pocar, PrelDoc No. 11 August 2000 S. 99; nach Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 116 Fn. 148 auch ein Patentamt in „quasi-gerichtlicher“ Funktion. 4 Nygh/Pocar, PrelDoc No. 11 August 2000 S. 98 f. 5 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 113. 6 Vgl. Art. 3 Abs. 2 und 5 Abs. 1 lit. a HAVÜ. 7 Die Definition ist identisch mit derjenigen des Art. 3 Abs. 2 HAVÜ für den gewöhnlichen Aufenthalt, was den Schluss nahelegt, dass im „Haager System“ nicht zwischen dem gewöhnlichen und schlichten Aufenthalt juristischer Personen bzw. rechtsfähiger Personenvereinigungen unterschieden werden kann. Dies ginge über den partiellen Gleichlauf von Wohnsitz (Art. 63 Brüssel Ia-VO) und gewöhnlichem Aufenthalt (Art. 20 Rom I-VO/ Art. 23 Rom II-VO) im „Brüsseler Systems“ hinaus. 8 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 117 Fn. 148.
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Kap. II: Zuständigkeit
Art. 5 HProrogÜbk 2005
b) die innerstaatliche Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gerichten eines Vertragsstaats betreffen. Steht die Verweisung einer Rechtssache an ein anderes Gericht jedoch im Ermessen des vereinbarten Gerichts, so ist die von den Parteien getroffene Wahl gebührend zu berücksichtigen. I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Zuständigkeit des benannten Gerichts . . . . . III. Ausschluss des forum non conveniens . . . . .
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IV. Verhältnis zur innerstaatlichen Zuständigkeit (lex fori) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Überblick Art. 5 HProrogÜbk und Art. 6 HProrogÜbk enthalten die zuständigkeitsrechtlichen Kernvorschrif- 1 ten des Übereinkommens. Art. 5 HProrogÜbk regelt die Zuständigkeit des benannten Gerichts, Art. 6 HProrogÜbk Rechte und Pflichten aller anderen Vertragsstaatengerichte. Art. 7 HProrogÜbk stellt klar, dass einstweilige Sicherungsmaßnahmen nicht vom Übereinkommen erfasst sind.
II. Zuständigkeit des benannten Gerichts Nach Art. 5 Abs. 1 HProrogÜbk ist das von den Parteien in der Vereinbarung benannte Gericht zuständig, es sei denn, die Vereinbarung ist nach dem Recht des benannten Gerichts ungültig.1 Die Verweisung auf das Recht des prorogierten Forums beinhaltet eine Gesamtverweisung, schließt also das Kollisionsrecht des prorogierten Forums ein.2 Dieselbe Kollisionsregel gilt für alle anderen Vertragsstaatengerichte nach Art. 6 lit. a HProrogÜbk bei der Frage, ob ihre Zuständigkeit wirksam derogiert wurde, und nach Art. 9 lit. a HProrogÜbk bei der Frage, ob die auf der Zuständigkeit aus der Vereinbarung beruhende Entscheidung eines anderen Vertragsstaatengerichts anzuerkennen ist.
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Die „Ungültigkeit“ meint rechtsgeschäftsrechtliche Unwirksamkeit, erfasst also Mängel im Konsens und sonstige allgemeine Wirksamkeitsvoraussetzungen, nicht aber prozessuale Derogationsverbote im Recht des benannten Gerichts. Solche Derogationsverbote sind durch das Übereinkommen verdrängt, es sei denn, die betreffenden Sachrechtsmaterien sind nach Art. 2 HProrogÜbk vom sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgenommen oder der betreffende Vertragsstaat hat nach Art. 21 HProrogÜbk eine Erklärung abgegeben, dass das Übereinkommen auf das betreffende Rechtsgebiet, aus dem das Derogationsverbot hervorgeht, nicht anzuwenden sei.
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III. Ausschluss des forum non conveniens Art. 5 Abs. 2 HProrogÜbk verbietet es dem benannten Gericht, seine Zuständigkeit mit der Begründung nicht auszuüben, es sei nicht geeignet (forum non conveniens)3 oder es bestehe bereits anderweitige Rechtshängigkeit.4 Nur bei Erklärung nach Art. 19 HProrogÜbk kann sich das in der Verein-
1 Zur Anwendung der Vorschrift auf Mehrrechtsstaaten Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 108 sowie unten Art. 25 HProrogÜbk Rz. 2. 2 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 125 Fn. 158, mit Verweis auf den Wortlaut der Kollisionsnorm, die bei Sachnormverweisung auf das „innerstaatliche Recht dieses Staates“ habe lauten müssen; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 118; kritisch Antomo, NJW 2015, 2921; Huber, IPRax 2016, 200. 3 Wichtiges Anliegen der kontinental-europäischen Staaten bei den Verhandlungen, Thiele in Gottschalk u.a. (Hrsg.), Conflict of Laws in a Globalized World (2007) S. 73. Ermessen funktional im Sinne der forum non conveniens-Lehre lässt das Übereinkommen freilich an anderer Stelle zu, etwa nach Art. 19 HProrogÜbk nach Erklärung des Vertragsstaates des benannten Gerichts in Bezug auf die Benennung seiner Gericht als neutrale Gerichte, hierzu sogleich noch im Haupttext und bei Art. 19 HProrogÜbk. 4 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 132 f.; Schulz, JPrIL 2 (2006) 254; Huber, IPRax 2016, 204; zur Anwendung der Vorschrift bei Mehrrechtsstaaten Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 128 und unten
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Art. 6 HProrogÜbk 2005 Pflichten eines nicht vereinbarten Gerichts barung benannte Vertragsstaatengericht für unzuständig erklären, wenn es als neutrales Gericht gewählt wurde, wenn also abgesehen davon keine Verbindungen zum Staat des benannten Gerichts bestehen.
IV. Verhältnis zur innerstaatlichen Zuständigkeit (lex fori) 5
Nach Art. 5 Abs. 3 HProrogÜbk bleiben Regelungen der lex fori zur innerstaatlichen Zuständigkeit unberührt. Dies betrifft zum einen nach lit. a Regelungen zur sachlichen oder streitwertabhängigen Zuständigkeit, zum anderen nach lit. b Regelungen zur innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung im Übrigen, etwa in bundesstaatlich verfassten Vertragsstaaten wie den USA oder Kanada.5 Hat das benannte Gericht nach der lex fori bei der Verweisung nach innerstaatlichem Verfahrensrecht Ermessen, dann muss es nach Art. 5 Abs. 3 lit. b Satz 2 HProrogÜbk den zuständigkeitsrechtlichen Parteiwillen „gebührend“ berücksichtigen. Hieraus folgt, dass eine ermessensgestützte Verweisung nach innerstaatlichem Rech selbst dann zulässig bleibt, wenn die Parteien ein bestimmtes Gericht innerhalb dieses Vertragsstaates benannt haben.6
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Dem Wortlaut nach unabhängig von einer gebührenden Berücksichtigung gilt nach Art. 6 lit. e HProrogÜbk bei Verweisung durch das benannte Gericht nach innerstaatlichen Verfahrensvorschriften i.S.v. Art. 5 Abs. 3 lit. b S. 2 HProrogÜbk, dass andere Vertragsstaatengerichte ihrerseits die Gerichtsstandsvereinbarung nicht berücksichtigen müssen. Dem Wortlaut nach gleichermaßen unabhängig von einer gebührenden Berücksichtigung gilt nach Art. 8 Abs. 5 S. 2 HProrogÜbk, dass bei Verweisung durch das benannte Gericht die Anerkennung und Vollstreckung verweigert werden kann, wenn der Antragsgegner der Verweisung im Erststaat rechtzeitig widersprochen hat. Systematisch sinnvoller und teleologisch überzeugender erscheint es allerdings, bei Verweisung unter gebührender Berücksichtigung der Vereinbarung sowohl andere Vertragsstaatengerichte an die Vereinbarung zu binden, als auch andere Vertragsstaatengerichte zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen des nicht benannten, verwiesenen Gerichts zu verpflichten. Freilich stellt sich dann die Frage, nach welchen Maßstäben von einer gebührenden Berücksichtigung auszugehen ist. Zwar könnte man mit Blick auf diese nur schwer zu beantwortende Frage meinen, zugunsten einheitlicher und rechtssicherer Anwendung des Übereinkommens solle es von darauf von vornherein nicht ankommen. Allerdings führt es allenfalls zur Stärkung des Übereinkommens, wenn andere Vertragsstaatengerichte nicht die Ausnahmen in Art. 6 lit. e HProrogÜbk und Art. 8 Abs. 5 S. 2 HProrogÜbk für sich geltend machen, selbst wenn dies wegen schwer zu definierender Maßstäbe für eine gebührende Berücksichtigung nur uneinheitlich geschehen sollte.
Artikel 6 Pflichten eines nicht vereinbarten Gerichts Ein Gericht eines Vertragsstaats, der nicht der Staat des vereinbarten Gerichts ist, setzt Verfahren, für die eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung gilt, aus oder weist die Klage als unzulässig ab, es sei denn, a) die Vereinbarung ist nach dem Recht des Staates des vereinbarten Gerichts ungültig; b) einer Partei fehlte nach dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts die Fähigkeit, die Vereinbarung zu schließen;
Art. 25 HProrogÜbk Rz. 2; zu den aus Art. 5 Abs. 2 HProrogÜbk resultierenden Möglichkeiten für Parallelverfahren Nielsen, FS van Loon (2013) 411. 5 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 136. Eingehend Schulz, RabelsZ 69 (2005) 421 ff. 6 Dies ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte, denn eine frühere Regelung, wonach dies nicht zulässig sein soll, wurde fallen gelassen, vgl. Dogauchi/Hartley, PrelDocNo 26 Dezember 2004, Rz. 106, und PrelDocNo 29 Mai 2005, Rz. 2; vgl. auch Schulz, YbPIL 7 (2005) 9; Schulz, RabelsZ 69 (2005) 456.
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Kap. II: Zuständigkeit
Art. 6 HProrogÜbk 2005
c) die Anwendung der Vereinbarung würde zu einer offensichtlichen Ungerechtigkeit führen oder der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Staates des angerufenen Gerichts offensichtlich widersprechen; d) es ist aus außergewöhnlichen Gründen, die sich dem Einfluss der Parteien entziehen, nicht zumutbar, die Vereinbarung umzusetzen, oder e) das vereinbarte Gericht hat entschieden, kein Verfahren in der Sache durchzuführen. I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausnahmetatbestände . . . . . . . . . 1. Ungültige Vereinbarung aus Sicht des benannten Gerichts (lit. a) . . . . . . . 2. Geschäftsunfähigkeit (lit. b) . . . . . .
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3. Offensichtliche Ungerechtigkeit (ordre public) (lit. c) . . . . . . . . . . . . . . . 4. Höhere Gewalt (lit. d)/Justizverweigerung (lit. e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Überblick Andere als das benannte Vertragsstaatengericht müssen nach Art. 6 Abs. 1 HProrogÜbk grundsätzlich das bei ihnen angestrengte Verfahren aussetzen bzw. die Klage als unzulässig abweisen, und zwar unabhängig davon, ob dieses Verfahren das zeitlich frühere war oder nicht.1 Dies gilt auch für den Fall, dass zwei Parteien streiten und eine der Parteien eine dritte Partei in den Rechtsstreit einbeziehen will, wenn diese Partei mit der dritten Partei eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung im Anwendungsbereich des Übereinkommens geschlossen hat.2 Die Wahl zwischen der Aussetzung des Verfahrens und der Abweisung der Klage als unzulässig überlässt das Übereinkommen dem angerufenen Gericht bzw. seiner lex fori.3
II. Ausnahmetatbestände Lit. a bis e enthalten abschließend eng begrenzte Ausnahmen von dieser Pflicht. Diese Ausnahmen sind im Kern Art. II Abs. 3 und V UNÜ nachgebildet.4 Damit kann die Rechtsprechung zu dieser Vorschrift „eine wertvolle Richtschnur für die Auslegung des Übereinkommens sein“.5 Vertragsstaatengerichten bleibt es im Fall einer der Ausnahmen unbenommen, sich nach sonstigen Zuständigkeitsvorschriften für zuständig zu erklären.6 Wenn hingegen klar ist, dass nach dem Recht des abredewidrig angegangenen Gerichts ohnehin keine Zuständigkeit bestünde, dann kann im Ergebnis offen bleiben, ob eine Ausnahme nach Art. 6 HProrogÜbk vorliegt oder nicht.7
1 Die Frage, ob hierfür eine Rüge der Partei erforderlich ist, so Moebus, Das Haager Übereinkommen von 2005 (2016) 53 f., ist nicht ausdrücklich geregelt. Näherliegend erscheint es deswegen, für diese Frage auf die lex fori zu verweisen, so Huber, IPRax 2016, 204. 2 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 143. Entsprechendes dürfte gelten, wenn die dritte Partei entgegen der Gerichtsstandsvereinbarung auf der Seite der anderen Verfahrenspartei dem Rechtsstreit beitreten will. Offen ist, wie zu verfahren ist, wenn die nicht an der Gerichtsstandsvereinbarung beteiligte Verfahrenspartei der außerhalb des Verfahrens stehenden, durch die Gerichtsstandsvereinbarung mit der anderen Verfahrenspartei gebundenen Partei den Streit verkünden will oder diese auf der Seite des anderen Teils der Gerichtsstandsvereinbarung dem Rechtsstreit beitreten will. 3 M. Weller, JPrIL 13 (2017), 111; vgl. auch Moebus, Das Haager Übereinkommen von 2005 (2016) 56. 4 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 147: „Diese Ausnahmen mögen komplexer erscheinen als die im New Yorker Übereinkommen, doch bei näherer Betrachtung wird sich zeigen, dass sie denen im New Yorker Übereinkommen vergleichbar sind und nicht über diese hinausgehen. Dies war … auch eindeutig so gewollt.“; Schulz, JPrIL 2 (2006), 255. 5 Schulz, JPrIL 2 (2006), 255. 6 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 146; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 121 Fn. 115; Schulz, JPrIL 2 (2006), 256. 7 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 146.
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Art. 6 HProrogÜbk 2005 Pflichten eines nicht vereinbarten Gerichts 1. Ungültige Vereinbarung aus Sicht des benannten Gerichts (lit. a) 2
Erste Ausnahme ist, dass die Vereinbarung nach dem Recht des benannten Forums rechtsgeschäftsrechtlich ungültig ist (lit. a). Hierbei handelt es sich um die Komplementärvorschrift zu Art. 5 Abs. 1 HProrogÜbk. Allerdings steht es hier dem abredewidrig angerufenen Gericht frei, sich auf eine prima facie-Prüfung zu beschränken.8 Das abredewidrig angegangene Gericht hat freilich, anders als das benannte Gericht, aus seiner Sicht fremdes Recht, nämlich das Recht des benannten Gerichts, auf die Frage der Gültigkeit anzuwenden.9 Der Verweis auf das Recht des benannten Gerichts ist hier wie dort eine Gesamtverweisung.10 Mit dieser vereinheitlichten Kollisionsregel geht das Übereinkommen über das UNÜ hinaus, das sich zur Frage des auf die Gültigkeit anwendbaren Rechts nicht äußert.11 2. Geschäftsunfähigkeit (lit. b)
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Zweite Ausnahme ist, dass einer Partei nach dem Recht des angerufenen Gerichts die Fähigkeit fehlt, eine Gerichtsstandsvereinbarung zu schließen. Die Frage der rechtsgeschäftsrechtlichen Geschäftsfähigkeit wird also gesondert an die lex fori des angegangenen Gerichts angeknüpft. Auch hier ist diese (Sonder-) Kollisionsnorm als Gesamtverweisung zu verstehen.12 Zugleich handelt es sich um eine kumulative Verweisung auf die lex fori des angegangenen Gerichts neben der Verweisung auf das Recht des benannten Gerichts nach Art. 6 lit. a HProrogÜbk.13 Damit sind der Pflicht anderweitiger Vertragsstaatengerichte, sich zugunsten des benannten Gerichts für unzuständig zu erklären, in Ansehung der Geschäftsfähigkeit relativ hohe Hürden gesetzt. Dies begünstigt Parallelverfahren,14 war aber angesichts der gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen zur Rechtsfähigkeit juristischer Personen wohl nicht anders verhandelbar.
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Unklar ist, ob die „Fähigkeit“ zum Abschluss von Gerichtsstandsvereinbarungen i.S.v. Art. 6 lit. b HProrogÜbk auch spezifisch prozessuale und auf bestimmte Personengruppen zugeschnittene Derogationsverbote erfasst.15 Nach der Systematik des Übereinkommens sollen derartige Derogationsverbote allerdings nur durch Erklärungen der Vertragsstaaten nach Art. 21 HProrogÜbk wirksam werden. Daher ist davon auszugehen, dass Vorschriften in den Rechtsordnungen der Vertragsstaaten, die bestimmten Personengruppen isoliert die Fähigkeit zur Derogation absprechen, nicht unter Art. 6 lit. b HProrogÜbk fallen. 3. Offensichtliche Ungerechtigkeit (ordre public) (lit. c)
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Dritte Ausnahme ist nach lit. c, dass die Beachtung der Gerichtsstandsvereinbarung nach der lex fori des angegangenen Vertragsstaatengerichts zu einer „offensichtlichen Ungerechtigkeit“ bzw. „manifest injustice“16 oder offensichtlich zu einer Verletzung des Ordre public führen würde. Die offen8 9 10 11 12 13
Moebus, Das Haager Übereinkommen von 2005 (2016) 182; M. Weller, JPrIL 13 (2017), 112. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 149; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 122. R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 122. Z.B. Adolphsen in MünchKommZPO5Art. II UNÜ Rz. 29. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 150; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 122. R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 122: „Da bei fehlender Fähigkeit die Vereinbarung auch nach Artikel 6 Buchstabe a nichtig wäre, bedeutet dies, dass die Fähigkeit sowohl nach dem Recht des vereinbarten Gerichts als auch nach dem Recht des angerufenen Gerichts festgestellt wird.“ (kursive Hervorhebungen iO); Schulz, JPrIL 2 (2006) 257: „double scrutiny“. 14 Rühl, IPRax 2005, 413 Fn. 60. 15 Vgl. etwa strukturell – sachlich hier nicht einschlägig – § 101 WpHG: „Schiedsvereinbarungen über künftige Rechtsstreitigkeiten aus Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen oder Finanztermingeschäften sind nur verbindlich, wenn beide Vertragsteile Kaufleute oder juristische Personen des öffentlichen Rechts sind.“ Vgl. auch Brand/Herrup (2008) S. 79 f., erwägend, ob derartige Wirksamkeitsvoraussetzungen unter Art. 6 lit. a HProrogÜbk fallen könnten. Zu Recht ablehnend Beaumont, JPrIL 5 (2009), 144 f. 16 Diese Ausnahme gilt als Zugeständnis an die USA mit Blick auf den „reasonableness“-Test der US-amerikanischen Rechtsprechung, R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 122 Fn. 121, mit Verweis auf die Leitentscheidung des United States Supreme Court in The Bremen et al. v. Zapata Off-Shore Co., 407 US 1 (1972). Zu dieser und neuerer, den reasonableness-Test konkretisierender Rechtsprechung eingehend und rechtsvergleichend M. Weller, Ordre-public-Kontrolle internationaler Zuständigkeitsvereinbarungen (2005) S. 246 ff. Danach ist
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Kap. II: Zuständigkeit
Art. 6 HProrogÜbk 2005
sichtliche Ungerechtigkeit zielt dabei auf gravierende Verletzungen der Parteiinteressen, etwa die Missachtung des Grundsatzes der Privatautonomie durch nicht zu rechtfertigende Bindung an eine „Vereinbarung“,17 der Ordre public auf die Verletzung wesentlicher öffentlicher Interessen und Wertungen,18 wobei Überschneidungen der Zuordnung möglich, zugleich aber unschädlich sind, solange das angegangene Gericht nur die ultima ratio-Funktion dieser Ausnahmeregelung respektiert und nicht etwa schon bei schlichter Abweichung vom eigenen Recht zur Anwendung bringt, selbst wenn dieses Recht zwingend sein sollte.19 Die Verletzung rechtlichen Gehörs beispielsweise ließe sich sowohl dem einen wie dem anderen Tatbestandsmerkmal zuordnen. Zum Teil wird es als „offensichtlich ungerecht“ erachtet, wenn ein (Zweit-)Staat, der die Anerkennung einer vereinbarungsgemäßen Entscheidung versagt hat, dem Kläger zusätzlich noch die direkte Zuständigkeit verwehrte.20 Begründen sachrechtliche Wertungen der lex fori Derogationsverbote, deren Missachtung die Qualität einer Ordre public-Verletzung hat, dann kann das angegangene Gericht die Gerichtsstandsvereinbarung ausnahmsweise und ohne Erklärung nach Art. 21 HProrogÜbk ignorieren.21 Damit stellt sich etwa konkret die Frage, ob EU-Mitgliedstaaten nach Art. 6 lit. c HProrogÜbk berechtigt sind, eine Gerichtsstandsvereinbarung zwischen einem Handelsvertreter mit Tätigkeitsgebiet in der EU und einem Prinzipal mit Sitz in einem Vertragsstaat außerhalb der EU zu ignorieren, wenn diese Gerichtsstandsvereinbarung zusammen mit der Wahl des Rechts am Sitz des Prinzipals dazu führte, dass die Maßgaben der Handelsvertreterrichtlinie22 zum nachvertraglichen Ausgleich nicht zur Anwendung gelangten. Der EuGH hatte bisher nur die Frage zu entscheiden, dass sich die Umsetzung der Handelsvertreterrichtlinie im EU-Mitgliedstaat des abredewidrig angegangenen Gerichts kollisionsrechtlich gegen die Wahl von Drittstaatenrecht durchsetzt.23 Der Bundesgerichtshof hat freilich jüngst entschieden, dass es acte claire sei, dass die Derogation der europäischen Gerichtsstände zugunsten eines Drittstaatengerichts verbunden mit der Wahl des Rechts des Drittstaates nicht wirksam ist, wenn im Verfahren vor dem Drittstaatengericht zu erwarten ist, dass das zwingende Handelsvertreterrecht der Union nicht berücksichtigt wird.24 Dann aber liegt es in der Logik der zugrunde liegenden unionsrechtlichen Teleologie, dass sie auch die Anwendung der Ausnahme des Art. 6 lit. c HProrogÜbk für sich in Anspruch nimmt.
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4. Höhere Gewalt (lit. d)/Justizverweigerung (lit. e) Weitere Ausnahmen sind zum einen nach lit. d, dass die Beachtung der Gerichtsstandsvereinbarung aus Gründen der höheren Gewalt nicht zumutbar ist, zum anderen nach lit. e, dass das benannte
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im Zweifel die Derogation zu beachten, es sei denn, der abredewidrig klagende Kläger kann hinreichend darlegen, dass die Beachtung der Derogation führen würden zu (1) schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Willensfreiheit, (2) schwerwiegenden Beeinträchtigungen des Justizanspruchs des Klägers, (3) untragbaren Ergebnissen infolge Rechtsumschwungs im vereinbarten Forum (fundamental unfairness of the chosen law resulting in deprival of a remedy) oder schließlich (4) zu einer – sonstigen – Ordre-public-Verletzung. Vgl. hierzu nochmals das Beispiel von Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 96: Das Prorogationsstatut des benannten Gerichts lässt generell das Schweigen des anderen Teils auf eine Email mit angetragener Gerichtsstandsvereinbarung genügen. Die Email wird im Spam-Filter des Empfängers abgefangen und gelöscht. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 151. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 151; Brand/Herrup, Hague Convention on Choice of Court Agreements, Commentary and Documents (2008) S. 92; Landbrecht, JPrIL 15 (2019) 339, 342 betont, dass die Rahmenbedingung dieser vertikalen Verweisung auf das nationale Recht streng konventionsautonom zu bestimmen sind. Vgl. Landbrecht, JPrIL 15 (2019) 339, 362. M. Weller, Ordre-public-Kontrolle internationaler Zuständigkeitsvereinbarungen (2005) S. 334 ff. und passim. Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter, ABl. EU 1986 L 382/17. EuGH v. 9.11.2000 – C-381/98, ECLI:EU:C:2000:605 Rz. 25 – Ingmar; zur Wahl des Rechts eines anderen Mitgliedstaates, das dem Mindeststandard der Handelsvertreterrichtlinie entspricht EuGH v. 17.10.2013 – C-184/12, ECLI:EU:C:2013:663 Rz. 52 – Unamar. BGH v. 5.9.2012 – VII ZR 25/12, IHR 2013, 35 (m. Anm. Antomo, 225); Ayad/Schnell, BB 2012, 3104; M. Weller, Ordre-public-Kontrolle internationaler Zuständigkeitsvereinbarungen (2005) S. 136 und 351 f., allerdings mit der Maßgabe, dass kein acte claire vorliegt und deswegen die Frage hätte vorgelegt werden sollen.
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Art. 7 HProrogÜbk 2005 Einstweilige Sicherungsmaßnahmen Gericht entschieden hat, kein Verfahren in der Sache durchzuführen. Die erstgenannte Ausnahme erfasst idealtypisch Krieg, Stillstand der Rechtspflege aus sonstigen Gründen oder Verlust der Rechtsstaatlichkeit im Staat des benannten Gerichts,25 die zweitgenannte Ausnahme den Fall der Nichtdurchführung des Verfahrens durch das kraft der Vereinbarung allein zuständige Gericht. Solchenfalls droht Justizverweigerung, und es müssen deswegen anderweitig bestehende Zuständigkeiten wieder eröffnet werden.26 8
Zu einer solchen „Nichtdurchführung“ kommt es nach der Norm aber auch, wenn die Parteien ein bestimmtes Gericht in einem Vertragsstaat benennen, dieses aber kraft innerstaatlicher Regelungen z.B. zur sachlichen Zuständigkeit27 an ein anderes Gericht innerhalb desselben Vertragsstaates verweist,28 obwohl hier keine Justizverweigerung droht. Gleichwohl ist das dann entscheidende Gericht nicht mehr durch die zuständigkeitsrechtliche Vereinbarung der Parteien legitimiert. Soweit das benannte Gericht nach innerstaatlichem Recht sachlich unzuständig ist, ließe sich dieser Konflikt auch durch Auslegung nach Maßgabe des Prorogationsstatuts dahingehend lösen, dass die Parteien kein sachlich unzuständiges Gericht wählen wollten, vielmehr in Wahrheit das sachlich zuständige Gericht innerhalb des entsprechenden Bezirks des benannten Gerichts.29 Das verwiesene Gericht bliebe dann das benannte Gericht. Dies hätte den Vorteil, dass sich andere Vertragsstaatengerichte weiterhin zugunsten des benannten Gerichts für unzuständig zu erklären hätten. Diese Möglichkeit besteht freilich nicht, wenn nach innerstaatlichem Recht Ermessen besteht und dieses nach Art. 5 Abs. 3 lit. b S. 2 HProrogÜbk durch innerstaatlichen Verweis ausgeübt wird.30 Man kann den Parteien solchenfalls raten, bei Benennung des Gerichts zu prüfen, ob nach der lex fori des benannten Gerichts diese Möglichkeit besteht und gegebenenfalls entweder, soweit möglich, die Verweisung parteiautonom auszuschließen oder das infolge Ermessensausübung verwiesene Gericht ebenfalls als das benannte Gericht zu definieren oder aber schließlich nicht ein bestimmtes, sondern lediglich „die Gerichte von New York“ als ausschließlich zuständig zu benennen. Dann nämlich bleiben auch die verwiesenen Gerichte innerhalb des Staates New York benannte i.S.d. Übereinkommens. Inwieweit unter „Nichtdurchführung“ auch die überlange Verzögerung durch Untätigkeit des prorogierten Gerichts fällt, ist ungeklärt.31 Sobald die Verzögerung allerdings die Qualität einer Ordre public-Verletzung erreicht, steht ohnehin Art. 6 lit. c HProrogÜbk offen.
Artikel 7 Einstweilige Sicherungsmaßnahmen Einstweilige Sicherungsmaßnahmen werden von diesem Übereinkommen nicht erfasst. Die Gewährung, Versagung oder Beendigung einstweiliger Sicherungsmaßnahmen durch ein Gericht eines Vertragsstaats ist nach diesem Übereinkommen weder vorgeschrieben noch ausgeschlossen; die Frage, ob eine Partei solche Maßnahmen beantragen kann oder ein Gericht sie gewähren, versagen oder beendigen soll, wird von diesem Übereinkommen nicht berührt.
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Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 154; Reuter/Wegen, ZVglRWiss 116 (2017), 403. Schulz, JPrIL 2 (2006), 255. Derartige Vorschriften der lex fori bleiben nach Art. 5 Abs. 3 lit. b HProrogÜbk unberührt. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 158: „Bezirksgericht Stockholm“ gewählt, Verweisung kraft innerstaatlichen Rechts zur internen Zuständigkeitsverteilung durch dieses Gericht an das Bezirksgericht Göteborg als nicht gewähltes Gericht. 29 So etwa BGH v. 14.7.1993 – X ARZ 461/93, NJW 1993, 2752 Rz. 5 = IPRax 1994, 447 (m. Anm. Pfeiffer, 421 ff.): Die Parteien hatten vereinbart: „Gerichtsstand ist Köln.“ Die Vereinbarung unterfiel Art. 17 EuGVÜ. Für das (Auslands-) Mahnverfahren hatte das einschlägige Landesrecht Nordrhein-Westfalens allerdings die zentrale Zuständigkeit am Amtsgericht Hagen konzentriert. Gleichwohl galt das Amtsgericht Hagen kraft der Zuständigkeitsvereinbarung der Parteien als gewählt. 30 Hierzu z.B. Eichel, RIW 2009, 289, 297. 31 Lediglich auf der Ebene der Anerkennung und Vollstreckung ordnet das Übereinkommen in Art. 14 S. 2 HProrogÜbk ausdrücklich an: „Das ersuchte Gericht hat zügig zu handeln.“
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Kap. III: Anerkennung und Vollstreckung
Art. 8 HProrogÜbk 2005
Einstweilige Sicherungsmaßnahmen – je nach der lex fori vorläufige Sicherung der Rechtsstellung ei- 1 ner Partei, Sicherung der Vollstreckung, einstweilige Verfügung gegen den Beklagten auf Unterlassung rechtsverletzender Handlungen, Beweismittelbeibringungsanordnungen1 – werden von dem Übereinkommen nach Art. 7 S. 1 HProrogÜbk nicht erfasst. S. 2 erläutert, dass das Übereinkommen derartige Maßnahmen weder vorschreibt noch ausschließt. S. 3 stellt klar, dass das Übereinkommen auch nicht die Frage berührt, ob eine Partei solche Maßnahmen beantragen kann oder ein Gericht diese gewähren, versagen oder beendigen soll, ebenso wenig die Frage nach Anerkennung und Vollstreckung solcher Maßnahmen in anderen Vertragsstaaten. Vielmehr richten sich alle diese Fragen nach der vertragsstaatlichen lex fori des angegangenen Gerichts.2 Anti suit-injunctions zur Durchsetzung von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich 2 des Übereinkommens sind danach im Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander nicht ausdrücklich ausgeschlossen.3 Allerdings wird zum Teil gleichwohl angenommen, dass diese unzulässig sind.4 Zunächst vorläufige Maßnahmen des benannten Gerichts können zu dauerhaften Maßnahmen erhoben werden und sind dann nach dem Übereinkommen anzuerkennende und zu vollstreckende Entscheidungen.5 Soweit Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung nach Maßgabe des Übereinkommens in einem anderen Vertragsstaat beantragt wird, muss dieser Vertragsstaat eventuell entgegenstehende einstweilige Sicherungsmaßnahmen aufheben.6
Kapitel III Anerkennung und Vollstreckung (Art. 8–Art. 15)
Artikel 8 Anerkennung und Vollstreckung (1) Eine Entscheidung eines in einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung benannten Gerichts eines Vertragsstaats wird in den anderen Vertragsstaaten nach Maßgabe dieses Kapitels anerkannt und vollstreckt. Die Anerkennung oder Vollstreckung kann nur aus den in diesem Übereinkommen genannten Gründen versagt werden. (2) Unbeschadet der für die Anwendung dieses Kapitels notwendigen Nachprüfung darf die Entscheidung des Ursprungsgerichts in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden. Das ersuchte Gericht ist an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, auf die das Ursprungsgericht seine Zuständigkeit gestützt hat, es sei denn, die Entscheidung ist im Versäumnisverfahren ergangen. (3) Eine Entscheidung wird nur anerkannt, wenn sie im Ursprungsstaat wirksam ist; sie wird nur vollstreckt, wenn sie im Ursprungsstaat vollstreckbar ist. (4) Die Anerkennung oder Vollstreckung kann aufgeschoben oder versagt werden, wenn die Entscheidung Gegenstand einer gerichtlichen Nachprüfung im Ursprungsstaat ist oder wenn die Frist für die Einlegung eines ordentlichen Rechtsbehelfs noch nicht verstrichen ist. Eine Versagung steht einem erneuten Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung zu einem späteren Zeitpunkt nicht entgegen. (5) Dieser Artikel gilt auch für eine Entscheidung, die von einem Gericht eines Vertragsstaats erlassen wurde, nachdem die Rechtssache vom vereinbarten Gericht innerhalb dieses Vertragsstaats, wie nach Artikel 5 Absatz 3 zulässig, verwiesen worden war. Stand die Verweisung der 1 2 3 4
Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 160. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 161. Ebenso Pfeiffer, IWRZ 2016, 71. Hartley/Dogauchi, PrelDocNo 26 Dezember 2004 Rz. 121; Thiele in Gottschalk u.a. (Hrsg.), Conflict of Laws in a Globalized World (2007) S. 75. Eine Klarstellung im Übereinkommen hierzu hat Schack, ZEuP 1998, 955, gefordert. Ausführlich zur Zulässigkeit von anti-suit injunctions Ahmed/Beaumont, JPrIL 13 (2017), 394 ff. 5 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 162. 6 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 163.
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Art. 8 HProrogÜbk 2005 Anerkennung und Vollstreckung Rechtssache an ein anderes Gericht jedoch im Ermessen des vereinbarten Gerichts, so kann die Anerkennung oder Vollstreckung der Entscheidung gegen eine Partei versagt werden, die im Ursprungsstaat rechtzeitig der Verweisung widersprochen hat. I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Verbot der révision au fond . . . . . . . . . . .
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II. Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckung .
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IV. Wirksamkeit/Vollstreckbarkeit im Erststaat . .
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I. Überblick 1
Kapitel 3 regelt die Pflicht vertragsstaatlicher Gerichte zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen anderer vertragsstaatlicher Gerichte, die in einer Gerichtsstandsvereinbarung i.S.v. Art. 5 HProrogÜbk benannt sind.1 Nicht erforderlich ist, dass sich das benannte Gericht auf den sich aus der Vereinbarung ergebenden Zuständigkeitsgrund gestützt hat.2 Systematisch ergibt sich aus Art. 20 HProrogÜbk, dass die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung, auf die sich das Erstgericht hätte stützen können müssen, nicht eine solche sein muss, die die Anforderungen des Übereinkommens an die Internationalität der Gerichtsstandsvereinbarung erfüllt. Sonst wäre die in Art. 20 HProrogÜbk vorgesehene Erklärung von Vertragsstaaten funktionslos.3 Entscheidungen anderer Vertragsstaatengerichte, die sich in Anwendung von Art. 6 HProrogÜbk – ob zulässig oder nicht – nach ihrem autonomen Recht für zuständig erklärt haben, fallen nicht unter Kapitel III. Kapitel III enthält aber auch kein Anerkennungsverbot für Entscheidungen, die unter Verletzung von Art. 6 HProrogÜbk ergangen sind. Art. 9 lit. f und g HProrogÜbk enthalten lediglich allgemeine Ausnahmen von der Anerkennungspflicht bei Unvereinbarkeit der anzuerkennenden mit anderen Entscheidungen.4
II. Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckung 2
Die Entscheidung anderer Vertragsstaatengerichte ist nach Art. 8 Abs. 1 HProrogÜbk – „dritte Kernbestimmung des Übereinkommens“ neben Art. 5 und 6 HProrogÜbk5 – grundsätzlich anzuerkennen und zu vollstrecken. Nur ausnahmsweise und nur aus den in Art. 9 ff. HProrogÜbk abschließend angeführten Gründen darf die Anerkennung und Vollstreckung verweigert werden. Ein – implizierter – Vorbehalt nach der lex fori des Zweitgerichts besteht allerdings insoweit, als der Tenor der Entscheidung nicht auf die Zahlung von Geld gerichtet ist und die Vollstreckung einer solchen Entscheidung nach dem Recht des Zweitstaates nicht möglich ist.6 Denn sofern das Übereinkommen nichts anderes vorsieht, ist nach Art. 14 HProrogÜbk für das Verfahren im Zweitstaat dessen Recht maßgebend und aus der in Art. 8 Abs. 1 HProrogÜbk statuierten allgemeinen Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckung soll sich für diesen Fall nichts anderes ergeben.7 Allerdings ist der Zweitstaat in der allgemeinen Pflicht zur Vertragstreue, der Entscheidung des Erststaates nach den Möglichkeiten der lex fori des Zweitstaates „größtmögliche Wirksamkeit zu verschaffen“.8
1 Anders noch das Haager Gerichtsstandsübereinkommen vom 25.11.1965, das insoweit auf das autonome Recht der Vertragsstaaten verweist. 2 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 164; Huber, IPRax 2016, 206. Vgl. auch im Anhang beigefügtes Formblatt, in dem nur danach gefragt wird, ob das Erstgericht in einer Vereinbarung benannt war, nicht hingegen, ob es sich auch auf den daraus erwachsenden Zuständigkeitsgrund gestützt hat. 3 Hierzu genauer unten bei Art. 20 HProrogÜbk Rz. 2. 4 Hierzu genauer unten bei Art. 9 HProrogÜbk Rz. 8. 5 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 164. 6 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 164 Fn. 201 mit Verweis auf die Diplomatische Tagung. 7 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 89: „Das Übereinkommen verlangt nicht von einem Vertragsstaat, Rechtsschutz zu gewähren, den sein eigenes Recht nicht kennt, auch wenn er eine ausländische Entscheidung vollstrecken soll, die solchen Rechtsschutz gewährt.“ 8 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 89.
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Kap. III: Anerkennung und Vollstreckung
Art. 8 HProrogÜbk 2005
III. Verbot der révision au fond Art. 8 Abs. 2 S. 1 HProrogÜbk stellt klar, dass die Entscheidung nicht in der Sache selbst nachgeprüft 3 werden darf. Hiervon unberührt bleiben die notwendigen Feststellungen des Zweitgerichts zur Prüfung der Anerkennungsversagungsgründe.9 Das Verbot der révision au fond ist das zentrale Instrument zur Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs, und die weitreichende Erleichterung der Anerkennung und Vollstreckung begründet nicht zuletzt den großen Erfolg des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung internationaler Schiedssprüche. Das Zweitgericht ist dabei – anders als unter dem HAVÜ10 – nach Art. 8 Abs. 2 S. 2 HProrogÜbk an 4 die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts zur Feststellung seiner Zuständigkeit nach Art. 5 HProrogÜbk gebunden, es sei denn, die Entscheidung ist im Versäumnisverfahren ergangen. In der rechtlichen Würdigung dieser Tatsachen nach dem Recht des benannten Gerichts ist das Zweitgericht im Umkehrschluss frei.11 So soll das Zweitgericht z.B. an die Tatsachenfeststellung des Erstgerichts gebunden sein, dass „Kommunikationsmittel“ i.S.v. Art. 3 lit. c (ii) HProrogÜbk zum Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung verwendet wurden, hingegen frei in der rechtlichen Würdigung, ob diese Kommunikationsmittel es hinreichend im Sinne der Formanforderungen erlauben, „auf die Information später wieder zuzugreifen“.12 Allerdings liegt genau genommen bereits in der Subsumtion der Tatsachenfeststellungen zu den verwendeten Kommunikationsmitteln unter die zweite Alternative der Formvorschrift eine rechtliche Würdigung, so dass es überzeugender erscheint, das Zweitgericht allein an die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts zu binden, wie in tatsächlicher Hinsicht die Gerichtsstandsvereinbarung abgeschlossen wurde. Ferner soll das Zweitgericht an die Feststellungen des Erstgerichts als Tatsache gebunden sein, dass es in der Gerichtsstandsvereinbarung „benannt“ i.S.v. Art. 5 HProrogÜbk ist.13 Diese Feststellung erscheint aber primär als Rechtsfeststellung zur Auslegung der Gerichtsstandsvereinbarung nach Maßgabe der Auslegungsregeln des Prorogationsstatuts. Überzeugender erscheint es deswegen, das Zweitgericht allein an die Feststellung zu binden, welchen Wortlaut die Vereinbarung tatsächlich hat. Hat allerdings das Erstgericht festgestellt, dass die Vereinbarung gültig ist, dann ist das Zweitgericht nach Art. 9 lit. a HProrogÜbk an diese Rechtsfeststellung gebunden. Hierfür dürfte ausreichen, dass sich das Erstgericht erkennbar auf die Vereinbarung als Zuständigkeitsgrund gestützt hat. Damit wird in der Regel ohnehin wenig Raum zur eigenen Würdigung für das Zweitgericht bleiben. Dies dient grundsätzlich dem Vereinheitlichungszweck des Übereinkommens.
IV. Wirksamkeit/Vollstreckbarkeit im Erststaat Allgemeine Voraussetzung der Anerkennung ist nach Art. 8 Abs. 3 HProrogÜbk, dass die Entschei- 5 dung im Erststaat „wirksam“ ist. Allgemeine Voraussetzung der Vollstreckung im Zweitstaat ist die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Erststaat. Solange die Vollstreckbarkeit im Erststaat vorläufig bis zur Rechtsmittelentscheidung ausgesetzt ist, fehlt es an der Vollstreckbarkeit im Sinne der Norm.14 Art. 8 Abs. 4 S. 1 HProrogÜbk erlaubt dem Zweitgericht, verpflichtet es aber nicht dazu,15 die Anerkennung und Vollstreckung aufzuschieben, wenn Rechtsmittelfristen im Erststaat noch nicht abgelaufen sind oder gar bereits ein Rechtsmittelverfahren eingeleitet ist. Hierbei handelt es sich um eine Kompromisslösung für diejenigen Staaten, welche – wie die Bundesrepublik16 – die materielle Rechtskraftwirkung („res iudicata“) an die Unanfechtbarkeit des Judikats knüpfen, während andere
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Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 165. M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR HAVÜ Rz. 30. So ausdrücklich Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 166. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 166. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 166. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 172. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 173. Das Zweitgericht kann also auch bereits vollstrecken, muss aber – etwa durch Sicherheitsleistungen – sicherstellen, dass bei späterer Aufhebung der Entscheidung im Erststaat die Vollstreckung rückgängig gemacht werden kann und rückgängig gemacht wird. 16 Vgl. §§ 322, 705 ZPO.
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Art. 9 HProrogÜbk 2005 Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung Rechtsordnungen – z.B. in den USA – insoweit bereits den Abschluss der ersten Instanz für ausreichend erachten.17 Sind die Anforderungen an die Wirksamkeit einer Entscheidung damit auf ihre Rechtsgültigkeit und Rechtswirksamkeit („valid and operative“), also rechtliche Existenz, gebracht, ergibt sich zwanglos, dass die Vollstreckbarkeit stets die Wirksamkeit im Ursprungsstaat voraussetzt.18 Art. 8 Abs. 4 S. 2 HProrogÜbk stellt klar, dass die Anerkennungsversagungsentscheidung des Zweitgerichts einem erneuten Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckung weder im Staat des Anerkennungsverfahrens noch in anderen Vertragsstaaten entgegen steht.19 Inwieweit die Versagungsentscheidung Rechtskraft entfaltet, wird dabei der lex fori zu entnehmen sein. 6
Diese in Abs. 1 bis 4 enthaltenen Grundsätze gelten nach Abs. 5 auch dann, wenn das benannte Gericht im Erststaat („Bezirksgericht Stockholm“) nach Maßgabe der nach Art. 5 Abs. 3 HProrogÜbk unberührten internen Zuständigkeitsvorschriften die Sache an ein anderes Gericht dieses Vertragsstaates („Bezirksgericht Göteborg“) verwiesen hat und nun die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung dieses Gerichts, also eines nicht im Sinne von Art. 5 HProrogÜbk benannten Gerichts, beantragt wird.20 Dies freilich ist nur folgerichtig, wenn man nach Art. 5 Abs. 3 HProrogÜbk innerstaatliche Verweisungen zulässt, sonst verlöre der Kläger infolge der Verweisung, womöglich auf Antrag des Beklagten, die Möglichkeit zur Anerkennung und Vollstreckung der späteren Entscheidung nach dem Übereinkommen.21 Allerdings entfällt nach Art. 6 lit. e HProrogÜbk infolge der Verweisung die Pflicht anderer Vertragsstaatengerichte, sich zugunsten des benannten (und nach Verweisung nicht mehr entscheidenden) Gerichts für unzuständig zu erklären – ein nicht geringer Nachteil, soweit er nicht durch das jeweils anwendbare autonome Verfahrensrecht zur anderweitigen Rechtshängigkeit aufgefangen wird.
Artikel 9 Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung Die Anerkennung oder Vollstreckung kann versagt werden, wenn a) die Vereinbarung nach dem Recht des Staates des vereinbarten Gerichts ungültig war, es sei denn, das vereinbarte Gericht hat festgestellt, dass die Vereinbarung gültig ist; b) einer Partei nach dem Recht des ersuchten Staates die Fähigkeit fehlte, die Vereinbarung zu schließen; c) das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück, das die wesentlichen Elemente der Klage enthält, i) dem Beklagten nicht so rechtzeitig und nicht in einer Weise übermittelt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat sich auf das Verfahren eingelassen und zur Klage Stellung genommen, ohne die fehlerhafte Übermittlung vor dem Ursprungsgericht zu rügen, sofern es nach dem Recht des Ursprungsstaats zulässig war, eine fehlerhafte Übermittlung zu rügen, oder ii) dem Beklagten im ersuchten Staat in einer Weise übermittelt worden ist, die mit wesentlichen Grundsätzen des ersuchten Staates für die Zustellung von Schriftstücken unvereinbar ist; d) die Entscheidung durch Prozessbetrug erlangt worden ist;
17 Vgl. Brand/Herrup, Hague Convention on Choice of Court Agreements, Commentary and Documents (2008) S. 107. 18 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 170. 19 Klarstellung auf Wunsch der Delegation der russischen Föderation mit Blick auf anderslautende Vorschriften der lex fori, R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 132. 20 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 175. 21 Eichel, RIW 2009, 289, 296; Schulz, JPrIL 2 (2006) 257.
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Kap. III: Anerkennung und Vollstreckung
Art. 9 HProrogÜbk 2005
e) die Anerkennung oder Vollstreckung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Staates offensichtlich widerspräche, einschließlich der Fälle, in denen das zu der Entscheidung führende Verfahren mit wesentlichen Grundsätzen des fairen Verfahrens dieses Staates unvereinbar war; f) die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Rechtsstreit zwischen denselben Parteien im ersuchten Staat ergangen ist, oder g) die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Staat zwischen denselben Parteien wegen desselben Anspruchs ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die für ihre Anerkennung im ersuchten Staat erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Versagungstatbestände . . . . . . . . . . . . . 1. Ungültige Vereinbarung nach dem Recht des benannten Gerichts (lit. a) . . . . . . . . . . . . 2. Geschäftsunfähigkeit (lit. b) . . . . . . . . . . .
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3. Keine rechtzeitige Übermittlung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (lit. c) . . . . 4. Prozessbetrug (lit. d) . . . . . . . . . . . . . . 5. Ordre Public (lit. e) . . . . . . . . . . . . . . . 6. Unvereinbare Entscheidung im Zweitstaat (lit. f, g) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Überblick Die Anerkennung bzw. Vollstreckung „kann“ zunächst nach den sieben in lit. a bis g angeführten Gründen versagt werden. Das ersuchte Vertragsstaatengericht hat also aus Sicht des Übereinkommens Ermessen darüber, ob es bei Vorliegen der Voraussetzungen einer der Anerkennungsversagungsgründe die Anerkennung nach dem Übereinkommen versagt oder nicht.1 Das jeweilige Umsetzungsrecht des betreffenden Vertragsstaates kann freilich Maßgaben zur Ermessensausübung enthalten.2 Wird die Anerkennung nach den Maßgaben zum Übereinkommen insgesamt versagt, kann das ersuchte Gericht die Anerkennung gemäß dem eigenen autonomen Anerkennungsrecht prüfen. Denn das Übereinkommen sperrt die Anerkennung nach autonomem Recht nicht.3 Ob die Anerkennungsversagungsgründe des Übereinkommens vom Vollstreckungsbeklagten geltend gemacht werden müssen oder ob diese von Amts wegen zu berücksichtigen sind ist eine Frage, die nach Art. 14 HProrogÜbk der lex fori des um Anerkennung und Vollstreckung ersuchten Gerichts überlassen bleibt.4
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II. Versagungstatbestände 1. Ungültige Vereinbarung nach dem Recht des benannten Gerichts (lit. a) Erstens besteht ein Versagungsgrund, wenn die Vereinbarung nach dem Recht des Staates des vereinbarten Gerichts ungültig war (lit. a). Dieser Versagungsgrund entspricht Art. 6 lit. a HProrogÜbk auf der Ebene der Verfahrenskoordinierung zwischen vertragsstaatlichen Gerichten. Hier wie dort und wie in Art. 5 Abs. 1 HProrogÜbk ist der Verweis auf das Recht des benannten Gerichts als Gesamtverweisung zu verstehen.5 Hat allerdings das benannte Gericht die Gültigkeit der Vereinbarung festgestellt, ist das Zweitgericht an diese Feststellung gebunden. Hierfür wird genügen, dass sich das
1 R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 125; Antomo, NJW 2015, 2921; Huber, IPRax 2016, 206; kritisch Thiele in Gottschalk u.a. (Hrsg.), Conflict of Laws in a Globalized World (2007) S. 81. 2 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 182 Fn. 218. 3 Anders als unter dem HAVÜ, vgl. dort Art. 15, bringt das HProrogÜbk allerdings diesen favor recognitionis nicht unmittelbar zum Ausdruck, sondern impliziert diesen lediglich durch das Wort „kann“ in Art. 9 HProrogÜbk, vgl. nochmals Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 182 Fn. 218. Vgl. aber auch die Meistbegünstigungsklausel im Verhältnis zu anderen Verträgen der Vertragsstaaten nach Art. 26 Abs. 4 HProrogÜbk, hierzu unten Art. 26 HProrogÜbk Rz. 5. 4 Schulz, JPrIL 2 (2006) 258. 5 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 183.
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Art. 9 HProrogÜbk 2005 Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung benannte Gericht erkennbar mindestens alternativ auf den Zuständigkeitsgrund der Vereinbarung stützt, nicht notwendig ist eine eigenständige (Zwischen-) Entscheidung. Stützt sich das benannte Gericht auf einen anderen Zuständigkeitsgrund, liegt keine Gültigkeitsfeststellung vor. 2. Geschäftsunfähigkeit (lit. b) 3
Zweitens besteht ein Versagungsgrund, wenn einer Partei nach dem Recht des Zweitgerichts die Fähigkeit fehlte, die Vereinbarung zu schließen (lit. b). Dieser Versagungsgrund entspricht Art. 6 lit. b HProrogÜbk. Hier wie dort ist der Verweis auf das Recht des Zweitgerichts als Gesamtverweisung zu verstehen.6 Hier wie dort tritt der Verweis auf das Recht des Zweitgerichts für die Fähigkeit neben den Verweis auf das Recht des benannten Gerichts nach Art. 9 lit. a HProrogÜbk bzw. Art. 6 lit. a HProrogÜbk zur Gültigkeit. Geschäftsfähigkeit muss also im Ergebnis sowohl nach dem Prorogationsstatut (sonst Ungültigkeit nach Art. 9 lit. a HProrogÜbk) als auch nach der lex fori des Zweitgerichts bestehen, bevor die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung im Zweitstaat verlangt werden kann.7 3. Keine rechtzeitige Übermittlung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (lit. c)
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Drittens besteht ein Anerkennungsversagungsgrund, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück, das die wesentlichen Elemente der Klage enthält, dem Beklagten entweder nicht bzw. nicht so rechtzeitig übermittelt worden ist, dass er sich verteidigen konnte (lit. c (i)), oder dem Beklagten in einer Weise im Zweitstaat übermittelt worden ist, die mit wesentlichen Grundsätzen des Zweitstaates für die Zustellung von Schriftstücken unvereinbar ist (lit. c (ii)).8 Alternative 1 stellt also auf die tatsächliche Verteidigungsmöglichkeit anhand eines konventionsautonomen Mindeststandards ab. Zu diesem Standard gehört die Einschränkung, dass der Beklagte keinen Schutz über die Anerkennungsversagung benötigt, wenn er sich auf das Verfahren trotz fehlender Verteidigungsmöglichkeiten rügelos eingelassen hat, sofern nach dem Verfahrensrecht eine entsprechende Rüge zulässig war. Darüber hinaus ist die Konkretisierung des Mindeststandards offen. Alternative 2 enthält einen speziellen Ordre public-Vorbehalt für Verletzungen wesentlicher Verfahrensgrundsätze des Zweitstaates bei Klagezustellung.9 Nach den Materialien steht hier der Schutz der Souveränität derjenigen Vertragsstaaten im Vordergrund, die auch in der Zustellung im Parteibetrieb, etwa durch persönliche Überbringung des klägerischen Anwalts ins Ausland in Übereinstimmung mit dem Verfahrensrecht des benannten Gerichts, einen Hoheitsakt sehen und sich diesen nach eigenen Maßgaben vorbehalten wollen.10 4. Prozessbetrug (lit. d)
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Viertens besteht ein Versagungsgrund bei Prozessbetrug (lit. d). Auch diese Vorschrift ist ein spezieller Ordre public-Vorbehalt.11 Betrug im Sinne der Vorschrift ist das absichtliche Täuschen, um einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen.12 Anders als im Rahmen des HAVÜ bedarf es aber eines bestimmten Bezuges zum Prozess (z.B. Bestechung eines Richters oder Jurors; Unterschlagung von Beweismitteln), wodurch das Risiko einer verdeckten révision au fond unter dem Deckmantel eines materiellen Betruges vermindert wird.13
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Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 184. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 184; Schulz, JPrIL 2 (2006) 257. Dieser Versagungsgrund ist wortgleich zu Art. 7 Abs. 1 lit. a HAVÜ. Pfeiffer, IWRZ 2016, 72. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 187; nach R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 125, handelt es sich um ein besonderes Zugeständnis an Japan, wo die Ordre-public-Klausel tendenziell eng ausgelegt wird, so dass eine Konkretisierung für die Zustellung erforderlich schien. 11 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 188. 12 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 188. 13 Vgl. van Loon, NIPR 2020, 17.
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Kap. III: Anerkennung und Vollstreckung
Art. 9 HProrogÜbk 2005
5. Ordre Public (lit. e) Fünftens besteht ein Versagungsgrund, wenn die Anerkennung bzw. Vollstreckung offensichtlich der 6 öffentlichen Ordnung des Zweitstaates widerspräche (lit. e).14 Die Norm stellt – auf Wunsch der USA mit Blick auf die due process-Klausel der US-amerikanischen Verfassung15 – klar, dass dies auch bei Verfahrensfehlern der Fall sein kann. Vorbehaltlich spezieller und damit systematisch vorrangiger Regelung in den vorgenannten Vorschriften ist damit sowohl der materielle wie der prozessuale Ordre public erfasst. Zuordnungsunsicherheiten können dahingestellt bleiben, solange nur gesichert ist, dass die beantragte Anerkennung bzw. Vollstreckung jedenfalls gegen den allgemeinen Ordre-public-Vorbehalt verstößt. Der Maßstab des materiellen Ordre public dürfte mit demjenigen des Art. 6 lit. c HProrogÜbk im Ausgangspunkt identisch sein.16 Allerdings fehlt in Art. 9 lit. e HProrogÜbk die in Art. 6 lit. c HProrogÜbk enthaltene Tatbestandsalternative der „offensichtlichen Ungerechtigkeit“. Im Übrigen wird man den anerkennungsrechtlichen Ordre public in Respekt vor dem vertragsstaatlichen Judikat tendenziell attenuieren dürfen. Unter dem Gesichtspunkt des Ordre public wird man auch das öffentliche Interesse der Vertragsstaaten berücksichtigen müssen, nicht mittelbar bei der Erfüllung einer ausländischen öffentlich-rechtlichen Forderung zu assistieren (Nichtdurchsetzungsgrundsatz, revenue rule).17 Dies freilich nur, wenn die autonome Auslegung nach Art. 23 HProrogÜbk von der nationalen Einordnung eines Anspruches als Steuer-, Zoll- oder Verwaltungssache abweicht, was in Ermangelung einer zentralen Entscheidungsinstanz nur ausnahmsweise zu erwarten ist.18
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6. Unvereinbare Entscheidung im Zweitstaat (lit. f, g) Sechstens und siebtens bestehen Versagungsgründe bei unvereinbaren Entscheidungen, und zwar bei früheren oder später im Zweitstaat ergangenen Entscheidungen (lit. f), ferner bei früher ergangenen Entscheidungen von Gerichten anderer Vertragsstaaten, wenn diese Entscheidungen im Zweitstaat – nicht notwendig nach dem Übereinkommen – anzuerkennen sind (lit. g).19 Voraussetzung für die Unvereinbarkeit mit Entscheidungen des Anerkennungsstaates nach lit. f ist im Umkehrschluss zum Wortlaut von lit. g nicht, dass „derselbe Anspruch“ zugrunde liegt, vielmehr lediglich Parteienidentität.20
14 Gleichlaufend mit Art. 7 Abs. 1 lit. c HAVÜ. 15 R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 126. 16 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 189: „Der erste Teil dieser Bestimmung soll in Übereinstimmung mit Artikel 6 einen hohen Standard setzen.“ 17 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – I ZR 275/14. IPRspr 2015, Nr 262, 673; European Community. v. RJR Nabisco, 424 F.3d 175; QRS 1 ApS v. Frandsen, [1999] 1 W.L.R. 2169; République du Guatemala c. SINCAF, Cass. Civ., 2 mai 1990, Rev. crit. DIP 1991, 378; OGer Zürich v. 20.3.2012 – LB 110077; zum Verhältnis innerhalb des Brüssel/ Lugano-System aus Sicht englischer Gerichte vgl. Skat v. Solo Capital Partners LLP, [2021] EWHC 974 (Comm.): „[G]iven the causes of action pleaded by SKAT, these proceedings are, a ‘civil and commercial matter’ within the Brussels-Lugano regime and the Rome II Regulation. Dicey Rule 3 [the revenue rule] continues to operate however, and if applicable will lead to the dismissal of the claims brought, because (a) the BrusselsLugano regime does not preclude such a dismissal and (b) even if under Rome II the governing law is, in general, not English law, Dicey Rule 3, if applicable, will apply under Article 16.“ 18 Bislang wird die Rechtsnatur der zur Entscheidung gestellten Forderung regelmäßig lege fori qualifiziert, vgl. BGH v. 17.12.2015 – I ZR 275/14, IPRspr 2015, Nr 262, 673, Tz. 12. Mit Zuständigkeit des EuGH mag sich indes eine Situation vergleichbar der Art. 1 Brüssel Ia-VO/LugÜbk 2007 ergeben, vgl hierzu Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte (2006), 273 ff. 19 Siehe entsprechend Art. 7 Abs. 2 HAVÜ; Die berüchtigten Buchanan-Fallkonstellationen, in denen ein Insolvenzverwalter versucht privatrechtliche Forderungen einer ausländischen Gesellschaft einzuziehen, wenn es sich bei dem (einzig relevanter) Gläubiger um den ausländischen Fiskus handelt werden wohl bereits an Art. 2 Abs. 2 lit. e HProrogÜbk scheitern, vgl. Peter Buchanan Ltd. V. McVey [1955] A.C. 516, 529; Government of India v. Taylor, [1955] AC 491; QRS 1 ApS v. Frandsen, [1999] 1 W.L.R. 2169; Relfo Ltd. (in liquidation) v. Bhimji Velji Jadva Varsani, [2008] SGHC 105. 20 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 192; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 127.
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Art. 10 HProrogÜbk 2005 Vorfragen
Artikel 10 Vorfragen (1) Trat eine nach Artikel 2 Absatz 2 oder nach Artikel 21 ausgeschlossene Angelegenheit als Vorfrage auf, so wird die Beurteilung dieser Frage nicht nach diesem Übereinkommen anerkannt oder vollstreckt. (2) Die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung kann versagt werden, sofern und soweit die Entscheidung auf einer vorfrageweisen Beurteilung einer nach Artikel 2 Absatz 2 ausgeschlossenen Angelegenheit beruhte. (3) Betraf die vorfrageweise Beurteilung jedoch die Gültigkeit eines Rechts des geistigen Eigentums, mit Ausnahme des Urheberrechts oder eines verwandten Schutzrechts, so darf die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung nur dann nach Absatz 2 versagt oder aufgeschoben werden, wenn a) diese Beurteilung unvereinbar ist mit einer gerichtlichen Entscheidung oder einem Beschluss einer zuständigen Behörde, die beziehungsweise der in dieser Angelegenheit in dem Staat ergangen ist, nach dessen Recht das Recht des geistigen Eigentums entstanden ist, oder b) in diesem Staat ein Verfahren anhängig ist, das die Gültigkeit des Rechts des geistigen Eigentums zum Gegenstand hat. (4) Die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung kann versagt werden, sofern und soweit sie auf einer vorfrageweisen Beurteilung einer Angelegenheit beruhte, die aufgrund einer Erklärung des ersuchten Staates nach Artikel 21 ausgeschlossen ist. 1
Art. 10 Abs. 1 HProrogÜbk stellt zunächst klar, dass das Übereinkommen die Vertragsstaaten nicht an Vorfragen in der anerkannten Entscheidung bindet, und zwar unabhängig von der Reichweite der Rechtskraft nach dem maßgeblichen Verfahrensrecht,1 soweit diese Vorfragen in die Ausschlüsse vom sachlichen Anwendungsbereich nach Art. 2 Abs. 2 HProrogÜbk und Art. 21 HProrogÜbk fallen. Kein Vertragsstaat ist allerdings daran gehindert, sich autonom an die Entscheidung solcher Vorfragen in der anzuerkennenden Entscheidung zu binden.2 Art. 10 Abs. 1 HProrogÜbk ergänzt damit Art. 2 Abs. 3 HProrogÜbk, wonach eine Streitigkeit nicht schon dadurch vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen wird, dass Vorfragen relevant werden, die außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs liegen. Dies gilt beispielsweise für Klagen auf Zahlung von Lizenzgebühren, gegen die sich der Beklagte durch die Behauptung des Nichtbestands des zugrunde liegenden Immaterialgüterrechts, etwa ein Patent, verteidigt.3
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Art. 10 Abs. 2 HProrogÜbk erlaubt darüber hinaus die Versagung der Anerkennung der Entscheidung selbst, sofern und soweit diese Entscheidung auf einer Vorfrage im Katalog ausgeschlossener Materien in Art. 2 Abs. 2 HProrogÜbk beruht und – teleologische Reduktion – diese Vorfrage vom Zweitgericht anders entschieden würde.4 Abs. 2 erstreckt sich nicht auf Ausschlüsse nach Art. 21 HProrogÜbk. Dies regelt vielmehr Abs. 4 eigenständig.
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Abs. 3 enthält Einschränkungen des Anerkennungsversagungsgrunds in Abs. 2 für die Vorfrage des Bestands von Rechten des geistigen Eigentums mit Ausnahme des Urheberrechts. Diese Einschränkungen gelten nicht für nach Art. 21 HProrogÜbk ausgeschlossene Materien. Daher findet sich die Regelung hierzu erst in Abs. 4.5
1 Dem Übereinkommen und, soweit ersichtlich, den Materialien lässt sich nicht entnehmen, ob die Anerkennung durch Wirkungserstreckung oder Gleichstellung oder einem kleinsten gemeinsamen Nenner durch Kombination beider Ansätze erfolgen soll. Unklar insoweit auch Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 195: „Das Übereinkommen verlangt … in keinem Fall die Anerkennung oder Vollstreckung solcher Beurteilungen, hindert aber die Vertragsstaaten nicht daran, sie nach ihrem eigenen Recht anzuerkennen.“ 2 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 195; Schulz, JPrIL 2 (2006), 261. 3 Schulz, JPrIL 2 (2006), 261. 4 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 197; Schulz, JPrIL 2 (2006), 262: „implied“. Ebenso Art. 8 Abs. 2 HAVÜ und Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 286. 5 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 202.
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Kap. III: Anerkennung und Vollstreckung
Art. 12 HProrogÜbk 2005
Artikel 11 Schadenersatz (1) Die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung kann versagt werden, sofern und soweit mit ihr Schadenersatz, einschließlich exemplarischen Schadenersatzes oder Strafschadenersatzes, zugesprochen wird, der eine Partei nicht für einen tatsächlich erlittenen Schaden oder Nachteil entschädigt. (2) Das ersuchte Gericht berücksichtigt, ob und inwieweit der vom Ursprungsgericht zugesprochene Schadenersatz der Deckung der durch das Verfahren entstandenen Kosten dient. Art. 11 Abs. 1 HProrogÜbk erlaubt – nach intensiven Verhandlungen der Konventionsgeber1 – die Ver- 1 sagung der Anerkennung bzw. Vollstreckung, soweit die Entscheidung punitive damages und andere Schadensersatzformen zuspricht, die funktional jenseits der Schadenskompensation liegen.2 Nicht hierzu gehören vereinbarte Schadenspauschalierungen, Vertragsstrafen oder vergleichbare gesetzliche Schadensersatzposten.3 Bei der Trennung zwischen kompensatorischem und überkompensatorischem Schadensersatz ist nach Abs. 2 zu berücksichtigen, inwieweit die zugesprochene Schadenssumme funktional zur Abdeckung der Verfahrenskosten dient.4 Im Übrigen unterliegt die Qualifikation weder dem Recht des Erst- noch des Zweitstaates, sondern übereinkommensautonomen Maßstäben.5 Soweit der zugesprochene Schadensersatz danach kompensatorisch ist, muss anerkannt werden.6 Nicht erfasst ist schließlich die Ausfallhaftung eines (Rück-)Versicherers, der sich gegenüber einem Erstversicherer oder des Versicherungsnehmers zur Deckung einer Schadenersatzforderung auf punitive damages verpflichtet hat.7 Hierbei handelt es sich um die Erfüllung der Hauptleistungspflicht aus dem Versicherungsvertrag.
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Artikel 12 Gerichtliche Vergleiche Gerichtliche Vergleiche, die von einem in einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung benannten Gericht eines Vertragsstaats gebilligt oder die vor diesem Gericht im Laufe eines Verfahrens geschlossen worden sind und die im Ursprungsstaat in derselben Weise wie eine Entscheidung vollstreckbar sind, werden nach diesem Übereinkommen in derselben Weise wie eine Entscheidung vollstreckt. Art. 12 HProrogÜbk stellt gerichtliche Vergleiche, gebilligt vom oder geschlossen im Verfahren vor 1 dem benannten Gericht, für die Zwecke der Vollstreckung durch das Übereinkommen Entscheidungen gleich. Nicht verbunden ist damit die Anerkennung des gerichtlichen Vergleichs.1 Von dem Vergleich gehen also über Art. 12 HProrogÜbk z.B. keine res-iudicata-Wirkungen auf andere Vertragsstaaten aus. Der Antragsteller muss nach Art. 13 Abs. 1 lit. e HProrogÜbk durch Bescheinigung eines
1 R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 128. 2 Ausführlich und kritisch hierzu aus US-amerikanischer Sicht Gray, Willamette J Int’l L & Disp Resol 17 (2005), 105. 3 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 205 sub (e). 4 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte der umstrittenen Vorschrift Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 203 ff. 5 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 205 sub (f): „eigenständiges Konzept“. 6 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht, Rz. 205 sub (g). 7 Fricke, VersR 2006, 480 f. 1 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht, Rz. 208.
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Art. 13 HProrogÜbk 2005 Vorzulegende Schriftstücke Gerichts des Erststaates dartun, dass der geschlossene gerichtliche Vergleich im Erststaat wie eine Entscheidung vollstreckbar ist. Erfasst sind neben durch das benannte Gericht gebilligte Vergleiche2 auch funktional vergleichbare „consent decrees“ bzw. „consent orders“ des common law,3 nicht aber notarielle Urkunden, da ein Notar keine gerichtliche Tätigkeit i.S.d. Art. 4. Abs. 1 HProrogÜbk ausübt.4 2
Damit erfasst die Vorschrift wohl auch solche Vergleiche, die zunächst außerhalb des Gerichts (etwa im Rahmen einer Mediation) geschlossen werden, sodann aber von einem Richter bestätigt werden.5
Artikel 13 Vorzulegende Schriftstücke (1) Die Partei, welche die Anerkennung geltend macht oder die Vollstreckung beantragt, hat Folgendes vorzulegen: a) eine vollständige und beglaubigte Abschrift der Entscheidung; b) die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung, eine beglaubigte Abschrift dieser Vereinbarung oder einen anderen Nachweis für ihr Bestehen; c) bei einer im Versäumnisverfahren ergangenen Entscheidung die Urschrift oder eine beglaubigte Abschrift der Urkunde, aus der sich ergibt, dass das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück der säumigen Partei übermittelt worden ist; d) alle Schriftstücke, die erforderlich sind, um nachzuweisen, dass die Entscheidung im Ursprungsstaat wirksam oder gegebenenfalls vollstreckbar ist; e) in dem in Artikel 12 bezeichneten Fall eine Bescheinigung eines Gerichts des Ursprungsstaats darüber, dass der gerichtliche Vergleich oder ein Teil davon im Ursprungsstaat in derselben Weise wie eine Entscheidung vollstreckbar ist. (2) Kann das ersuchte Gericht anhand des Inhalts der Entscheidung nicht feststellen, ob die Voraussetzungen dieses Kapitels erfüllt sind, so kann es die Vorlage weiterer erforderlicher Schriftstücke verlangen. (3) Einem Antrag auf Anerkennung oder Vollstreckung kann ein Schriftstück beigefügt werden, das von einem Gericht (einschließlich eines Gerichtsbediensteten) des Ursprungsstaats entsprechend dem von der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht empfohlenen und veröffentlichten Formblatt ausgefertigt wurde. (4) Sind die in diesem Artikel bezeichneten Schriftstücke nicht in einer Amtssprache des ersuchten Staates abgefasst, so ist ihnen eine beglaubigte Übersetzung in eine Amtssprache beizufügen, sofern das Recht des ersuchten Staates nichts anderes vorsieht. 1
Der Antragsteller muss nach Art. 13 Abs. 1 HProrogÜbk verschiedene Schriftstücke vorlegen, nämlich eine vollständige und beglaubigte Abschrift der – gesamten1 – Entscheidung (lit. a), die Gerichtsstandsvereinbarung, eine beglaubigte Abschrift oder einen anderen Nachweis (lit. b), bei Versäumnisurteil Nachweis dafür, dass das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück der säumigen Partei
2 R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 132. 3 Gerichtliche Vergleiche als solche sind dem common law unbekannt, Hartley, ELRev 2006, 418; zur „transaction judiciaire“ und funktionalen Äquivalenten Brand/Herrup, Hague Convention on Choice of Court Agreements, Commentary and Documents (2008), S. 130. 4 Vgl. R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 133. 5 So jedenfalls Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 297 zur Parallelregelung im HAVÜ, vgl. M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR HAVÜ Rz. 96; weniger deutlich Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht, Rz. 207. 1 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 211.
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Kap. III: Anerkennung und Vollstreckung
Art. 14 HProrogÜbk 2005
übermittelt worden ist (lit. c), Nachweis für die Wirksamkeit bzw. Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsstaat (lit. d) sowie bei Vollstreckung eines gerichtlichen Vergleichs die Bescheinigung eines Gerichts des Erststaates über die Vollstreckbarkeit gleich einer gerichtlichen Entscheidung (lit. e). Das Zweitgericht kann nach Abs. 2 bei Bedarf weitere Nachweise verlangen. Dem Antrag kann nach Abs. 3 das durch ein Gericht oder eines Gerichtsbediensteten des Erststaates 2 ausgefüllte Formblatt im Anhang des Übereinkommens beigefügt werden. Zwingend ist dies aber nicht.2 Das Zweitgericht kann sich allein auf das Formblatt stützen, solange der Antragsgegner keine Einwendungen erhebt. Das Zweitgericht kann aber ebenso ergänzend Nachweise anfordern und sodann in die Beweiswürdigung eintreten. Die Angaben im Formblatt sind also keine abschließenden, aber gegebenenfalls hinreichende Beweise für die dort abgefragten Umstände.3 Wenn etwa der Antragsteller die Originalurkunde der Gerichtsstandsvereinbarung oder eine beglaubigte Abschrift nicht vorlegen kann, dann soll für den Nachweis der Gerichtsstandsvereinbarung die entsprechende Information durch das Erstgericht im Formblatt über die Vereinbarung als Beweis ausreichen.4 Abs. 4 verlangt gegebenenfalls beglaubigte Übersetzungen in eine Amtssprache des Zweitgerichts, sofern dessen Verfahrensrecht nichts Anderes vorsieht. Legt der Antragsteller ein erforderliches Schriftstück nicht vor, richten sich die Folgen nach der lex fori des Zweitgerichts.5 „Ein Übermaß an Formalismus sollte jedoch vermieden werden.“6 Hierbei dürfte es sich aber wohl nur um einen Appell der Materialien an die vertragsstaatlichen Zweitgerichte handeln, so dass aus Sicht des Übereinkommens übermäßig formalistische Verfahrensmodalitäten in der lex fori eines Zweitstaates durch das Übereinkommen nicht nach Art. 14 HProrogÜbk abgeändert sind. Gleichwohl folgt jedenfalls aus dem allgemeinen Sinn und Zweck des Übereinkommens, dass das Verfahrensrecht der Zweitstaaten im Zweifel anerkennungs- und vollstreckungsfördernd auszulegen ist.
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Artikel 14 Verfahren Sofern dieses Übereinkommen nichts anderes vorsieht, ist für das Verfahren zur Anerkennung, Vollstreckbarerklärung oder Registrierung zur Vollstreckung sowie für die Vollstreckung der Entscheidung das Recht des ersuchten Staates maßgebend. Das ersuchte Gericht hat zügig zu handeln. Art. 14 S. 1 HProrogÜbk stellt klar, dass vorbehaltlich abweichender Regelungen im Übereinkommen 1 für das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung grundsätzlich die lex fori des Zweitgerichts gilt. Es ist damit dem jeweiligen Vertragsstaatenrecht überlassen, ob es ein Anerkennungsverfahren vorsieht oder die Anerkennung automatisch ex lege erfolgt. Im Übrigen hält Art. 14 S. 2 HProrogÜbk die Vertragsstaaten zu zügigem Anerkennungsverfahren an. Hieraus folgt indes nicht, dass der ersuchte Vertragsstaat ein summarisches Sonderverfahren zur Anwendung bringen muss, sofern nach der lex fori ein solches verfügbar ist.1
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Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 213; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 131. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 214. Beaumont, JPrIL 5 (2009), 147. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 211. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 211. Beaumont, JPrIL 5 (2009) 147, mit Verweis auf einen Vergleich mit dem Wortlaut von Art. 11 Abs. 3 Brüssel IIaVO („Das Gericht, bei dem die Rückgabe eines Kindes nach Absatz 1 beantragt wird, befasst sich mit gebotener Eile mit dem Antrag und bedient sich dabei der zügigsten Verfahren des nationalen Rechts.“); a.A. Brand/ Herrup, Hague Convention on Choice of Court Agreements, Commentary and Documents (2008) S. 137.
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Art. 15 HProrogÜbk 2005 Teilbarkeit
Artikel 15 Teilbarkeit Die Anerkennung oder Vollstreckung eines abtrennbaren Teiles einer Entscheidung wird zugelassen, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung dieses Teiles beantragt wird oder wenn nur ein Teil der Entscheidung nach diesem Übereinkommen anerkannt oder vollstreckt werden kann. 1
In Art. 15 HProrogÜbk wird die Anerkennung bzw. Vollstreckung selbständiger Teile von Entscheidungen „zugelassen“. Voraussetzung ist ein entsprechender Antrag. Ob auch die Pflicht zur Anerkennung bzw. Vollstreckung solcher Teile besteht, lässt der Wortlaut der Vorschrift unklar, ist aber wohl anzunehmen, zumal Art. 15 HProrogÜbk primär Art. 11 HProrogÜbk ergänzen soll, wonach Entscheidungen über Schadensersatzzahlungen nur für den kompensatorischen Teil anerkannt bzw. vollstreckt werden müssen.1 Außerdem erschien den Konventionsgebern die Vorschrift deswegen wichtig, weil in manchen Rechtsordnungen entsprechende Maßgaben zur teilweisen Anerkennung und Vollstreckung fehlen.2 Insoweit aber erreicht Art. 15 HProrogÜbk im Verhältnis zu Art. 14 HProrogÜbk nur seinen Zweck, wenn bei Teilanerkennungsfähigkeit auch die Pflicht zur entsprechenden Anerkennung besteht.
Kapitel IV Allgemeine Vorschriften (Art. 16–Art. 26)
Artikel 16 Übergangsbestimmungen (1) Dieses Übereinkommen ist auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen anzuwenden, die geschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für den Staat des vereinbarten Gerichts in Kraft getreten ist. (2) Dieses Übereinkommen ist nicht anzuwenden auf Verfahren, die eingeleitet wurden, bevor das Übereinkommen für den Staat des angerufenen Gerichts in Kraft getreten ist. 1
Nach Art. 16 Abs. 1 HProrogÜbk ist das Übereinkommen auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen anwendbar, die nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens im Staat des benannten Gerichts geschlossen wurden. Dieser Zeitpunkt ist für die Parteien bei Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse und für das benannte Gericht am einfachsten und trägt am besten den typischen Parteierwartungen Rechnung.1 Soweit es um Pflichten anderer Vertragsstaaten nach Art. 6 HProrogÜbk oder nach Kapitel III zur Anerkennung und Vollstreckung geht, ist das Übereinkommen nach Art. 16 Abs. 2 HProrogÜbk nicht auf Verfahren anzuwenden, die bereits vor Inkrafttreten des Übereinkommens im Staat des angerufenen Gerichts eingeleitet wurden. Zugleich muss das Übereinkommen nach Abs. 1 im Staat des benannten Gerichts bereits gelten, um Pflichten gegenüber anderen Vertragsstaaten zu erzeugen.2
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Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 217. R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 132. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 112; Schulz, JPrIL 2 (2006), 258. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 219.
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Kap. IV: Allgemeine Vorschriften
Art. 18 HProrogÜbk 2005
Artikel 17 Versicherungs- und Rückversicherungsverträge (1) Verfahren aufgrund eines Versicherungs- oder Rückversicherungsvertrags sind vom Anwendungsbereich dieses Übereinkommens nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Versicherungsoder Rückversicherungsvertrag eine Angelegenheit betrifft, auf die dieses Übereinkommen nicht anzuwenden ist. (2) Die Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung über die Leistungspflicht aus einem Versicherungs- oder Rückversicherungsvertrag dürfen nicht mit der Begründung beschränkt oder versagt werden, dass die Leistungspflicht aus diesem Vertrag auch die Pflicht umfasst, den Versicherten oder Rückversicherten zu entschädigen in Bezug auf a) eine Angelegenheit, auf die dieses Übereinkommen nicht anzuwenden ist, oder b) eine Schadenersatz zusprechende Entscheidung, auf die Artikel 11 angewendet werden könnte. Abs. 1 stellt klar, dass Versicherungssachen vom Übereinkommen erfasst sind, selbst wenn das Risiko 1 in Bereiche fällt, die vom sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens nach Art. 2 Abs. 2 HProrogÜbk oder nach Art. 21 HProrogÜbk ausgeschlossen sind. Art. 17 Abs. 2 ProrogÜbk verstärkt diese Klarstellung für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über die Leistungspflicht aus Versicherungsverträgen. Die Anerkennungs- und Vollstreckungspflicht nach dem Übereinkommen besteht danach auch dann, wenn die eingeklagte Versicherungsleistung (auch) Schäden deckt, die sachlich nach Art. 2 Abs. 2 HProrogÜbk bzw. Art. 21 HProrogÜbk ausgenommen sind oder wegen Deckung überkompensatorischer Schadensersatzsummen unter Art. 11 HProrogÜbk fallen. Weiterhin ausgeschlossen sind jedoch die Verbrauchergeschäfte aus Art. 2 Abs. 1 lit. a ProrogÜbk, weshalb das Massenversicherungsgeschäft nicht erfasst wird.1 Der Einschluss von Versicherungssachen scheint für die Versicherungswirtschaft vor allem deswegen 2 von besonderer Bedeutung gewesen zu sein, weil zuvor das US-amerikanische Versicherungsaufsichtsrecht von ausländischen Versicherungen verlangte, hohe Sicherheitsleistungen für Klagen gegen den Versicherer zu hinterlegen. Diese Maßgabe dürfte entfallen sein, soweit das Übereinkommen sicherstellt, dass US-amerikanische Entscheidungen im Sitzstaat des Versicherers anerkannt und vollstreckt werden.2 Ferner entfallen die restriktiven Maßgaben der Brüssel Ia-VO zur Zulässigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen, soweit der Anwendungsbereich des Übereinkommens gegenüber Brüssel Ia-VO reicht.3
Artikel 18 Keine Legalisation Alle nach diesem Übereinkommen übermittelten oder ausgestellten Schriftstücke sind von jeder Legalisation oder entsprechenden Förmlichkeit einschließlich einer Apostille befreit. Alle nach dem Übereinkommen übermittelten oder ausgestellten Schriftstücke sind – wie in den Haager Übereinkommen weithin üblich1 – von jeder Legalisation oder entsprechenden Förmlichkeit einschließlich Apostille befreit. 1 Fricke, VersR 2006, 480. 2 Schulz, JPrIL 2 (2006), 262. 3 Schulz, JPrIL 2 (2006), 263. Tatsächlich reicht die Anwendung der Brüssel Ia-VO weiter als der Normtext vermuten ließe, weil die Europäische Union und ihr folgend auch Dänemark sowie das Vereinigte Königreich eine Erklärung nach Art. 21 HProrogÜbk abgegeben haben, vgl. https://www.hcch.net/de/instruments/conventions/ status-table/notifications/?csid=1044&disp=resdn (19.8.2021). 1 Nygh/Pocar, PrelDoc No. 11 August 2000 S. 110. Vgl. z.B. Art. 3 Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965; Art. 3 Haager Beweisaufnahmeübereinkommen vom 18.3.1970; Art. 23 Haager Kindesentführungsübereinkommen vom 25.10.1980. Vor diesem Hintergrund erscheint es überraschend, dass gerade das HAVÜ
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Art. 19 HProrogÜbk 2005 Die Zuständigkeit beschränkende Erklärungen
Artikel 19 Die Zuständigkeit beschränkende Erklärungen Ein Staat kann erklären, dass seine Gerichte es ablehnen können, Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, für die eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung gilt, wenn abgesehen vom Ort des vereinbarten Gerichts keine Verbindung zwischen diesem Staat und den Parteien oder dem Rechtsstreit besteht.
I. Überblick 1
Art. 19–22 HProrogÜbk geben den Vertragsstaaten die Möglichkeit, das Übereinkommen in bestimmten Punkten zu modifizieren. Erklärungen der Vertragsstaaten hierzu können nach Art. 32 Abs. 1 HProrogÜbk beim Beitritt oder jederzeit danach abgegeben, geändert oder zurückgenommen werden. Jede Erklärung ist dem Verwahrer zu notifizieren. Art. 32 Abs. 4 HProrogÜbk setzt eine Frist für das Wirksamwerden nachträglich abgegebener Erklärungen.
II. Wahl „neutraler“ Gerichte 2
Rein inländische Fälle sind vom Anwendungsbereich des Übereinkommens nach Art. 1 Abs. 2 HProrogÜbk selbst dann nicht erfasst, wenn die Parteien ein ausländisches Gericht gewählt haben. Nach Art. 19 HProrogÜbk kann ein Vertragsstaat zusätzlich für internationale Sachverhalte, also etwa bei Aufenthalt der Parteien in verschiedenen Vertragsstaaten, erklären, dass seine Gerichte nicht nach Maßgabe des Übereinkommens entscheiden müssen, selbst wenn die Parteien die Gerichte des erklärenden Staates als ausschließlich zuständige, „neutrale“ Gerichte gewählt haben, wenn abgesehen von der Benennung des Gerichts keinerlei Bezüge zum erklärenden Staat bestehen.1 Offen ist, ob eine zusätzliche Rechtswahlvereinbarung zugunsten des Rechts des benannten Gerichts einen hinreichenden Bezug schafft. Einerseits ist dies sicher eine relevante Verbindung.2 Andererseits ist es aber „nur“ eine weitere von den Parteien geschaffene. Für Art. 3 Abs. 3 und 4 Rom I-VO genügt dies jedenfalls nicht.3
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Mit der Erklärung schafft der erklärende Vertragsstaat seinem Gesetzgeber bzw. seinen Gerichten Ermessen,4 und es kehrt unbeschadet Art. 5 Abs. 2 HProrogÜbk ein begrenztes Element der forum non-conveniens-Lehre zurück in das Übereinkommenssystem.5 Im zunehmenden Wettbewerb der Justizsysteme dürften die Vorbehalte gegenüber der Wahl neutraler Gerichte zumindest für wirtschaftlich bedeutsame Streitigkeiten freilich zurückgehen. Naheliegend für einen Vertragsstaat als Wettbewerber ist es deswegen, die Erklärung nach Art. 19 HProrogÜbk abzugeben und sodann das Ermessen seiner Gerichte dahingehend auszugestalten, dass kleine Streitigkeiten abzulehnen, größere Streitigkeiten anzunehmen sind.6
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vom 2.7.2019 keinen solchen Ausschluss vorsieht, vgl. M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR HAVÜ Rz. 97. In der Folge richtet sich die Zertifizierung ausländischer Dokumente dort nach der lex fori, Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 307. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 42 Fn. 67. Beaumont, JPrIL 5 (2009) 150. ErwGr. 15 S. 2 Rom I-VO; Leible in NK-BGB3 Art. 3 Rom I-VO Rz. 78 ff. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 229 Fn. 266. Schulz, JPrIL 2 (2006) 259. So für das eigene autonome Zuständigkeitsrecht Rule 327(b) New York Civil Practice Law and Rules sowie New York General Obligations Law § 5–1402: Wahl New Yorker Gerichte als neutrale Gerichte trotz grundsätzlich geltender forum non conveniens-Lehre.
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Kap. IV: Allgemeine Vorschriften
Art. 20 HProrogÜbk 2005
Artikel 20 Die Anerkennung und Vollstreckung beschränkende Erklärungen Ein Staat kann erklären, dass seine Gerichte die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung versagen können, die von einem Gericht eines anderen Vertragsstaats erlassen wurde, wenn die Parteien ihren Aufenthalt im ersuchten Staat hatten und die Beziehung der Parteien und alle anderen für den Rechtsstreit maßgeblichen Elemente mit Ausnahme des Ortes des vereinbarten Gerichts nur zum ersuchten Staat eine Verbindung aufwiesen. „International“ im Sinne von Art. 1 Abs. 3 HProrogÜbk ist für die Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung ein Sachverhalt bereits dadurch, dass die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung eines anderen Vertragsstaatengerichts beantragt wird. Eine solche Entscheidung kann auf einem aus Sicht des Zweitstaates rein inländischen Sachverhalt beruhen. Art. 20 HProrogÜbk gibt den Vertragsstaaten für diese Fälle die Möglichkeit, zu erklären, dass die Entscheidung nicht nach Maßgabe des Übereinkommens anerkannt werden muss. Wie nach Art. 19 HProrogÜbk räumt der erklärende Staat seinem Gesetzgeber bzw. seinen Gerichten mit der Erklärung Ermessen ein. Wie bei Art. 19 HProrogÜbk ist offen, wie sich eine zusätzliche Rechtswahlvereinbarung der Parteien auswirkt.
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Art. 20 HProrogÜbk hat folgende systematische Implikation: Haben die Parteien ihren Aufenthalt in 2 demselben Vertragsstaat und weist der Sachverhalt auch im Übrigen abgesehen von der Wahl eines neutralen ausländischen Vertragsstaatengerichts nur Beziehungen zum Aufenthaltsstaat auf, dann fehlt es an der Internationalität des Sachverhalts i.S.v. Art. 1 Abs. 2 HProrogÜbk, und das Übereinkommen ist auf die Zuständigkeit der beteiligten Gerichte nicht anwendbar. Das neutrale Gericht kann also seine Zuständigkeit nicht auf Art. 5 HProrogÜbk stützen und andere Gerichte unterliegen nicht den Pflichten aus Art. 6 HProrogÜbk. Soll nun die Entscheidung dieses neutralen Gerichts im Aufenthaltsstaat oder in einem anderen Vertragsstaat anerkannt und vollstreckt werden, könnte man sich auf den Standpunkt stellen, es fehle für die Anwendung der Vorschriften von Kapitel III zur Anerkennung und Vollstreckung an der Entscheidung eines in einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung i.S.v. Art. 3 HProrogÜbk i.V.m. Art. 1 Abs. 2 HProrogÜbk benannten Gerichts. Zwar ist das neutrale Gericht ein benanntes in diesem Sinne und die Vereinbarung mag auch ausschließlich sein, aber die Benennung beruht vom genannten Standpunkt aus auf einer Gerichtsstandsvereinbarung außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des Übereinkommens und kann deswegen nicht die Anerkennung und Vollstreckung nach Maßgabe des Übereinkommens eröffnen. Die in Art. 20 HProrogÜbk vorgesehene Erklärung hätte solchenfalls nur deklaratorische Wirkung. Dies kann nicht gewollt sein. Deswegen folgt aus Art. 20 HProrogÜbk systematisch, dass für die Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung nach Art. 8 ff. HProrogÜbk jede Entscheidung eines anderen Vertragsstaatengerichts genügt, die sich auf die Zuständigkeit aus irgendeiner ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung gestützt hat oder hätte stützen können. Nicht notwendig ist eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung im Anwendungsbereich des Übereinkommens.1
1 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 233: „Das Übereinkommen wäre [bei Wahl eines neutralen Gerichts i.S.v. Art. 1 Abs. 2] nicht anwendbar, weil der Sachverhalt nach Artikel 1 Absatz 2 nicht international wäre. Würde das Verfahren jedoch im Staat B angestrengt [Staat des gewählten neutralen Gerichts, das sich nicht auf Art. 5 stützen kann], so wäre Staat A [Aufenthalt der Parteien, alle Beziehungen des Sachverhalts bestehen nur zu Staat A] nach Artikel 8 verpflichtet, die ergehende Entscheidung anzuerkennen: Der Sachverhalt wäre im Sinne von Artikel 1 Abs. 3 international geworden. Artikel 20 gibt den Staaten also die Möglichkeit, dies zu ändern …“ Vgl. ferner Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 45 zum Tatbestandsmerkmal der Internationalität unter Art. 1 Abs. 3 HProrogÜbk: „Folglich wird ein Sachverhalt, der zum Zeitpunkt der ursprünglichen Entscheidung nicht im Sinne von Art. 1 Abs. 2 international war, dann international, wenn diese in einem anderen Vertragsstaat anerkannt oder vollstreckt werden soll.“
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Art. 21 HProrogÜbk 2005 Erklärungen in Bezug auf besondere Rechtsgebiete
Artikel 21 Erklärungen in Bezug auf besondere Rechtsgebiete (1) Hat ein Staat ein großes Interesse daran, dieses Übereinkommen auf ein besonderes Rechtsgebiet nicht anzuwenden, so kann dieser Staat erklären, dass er das Übereinkommen auf dieses Rechtsgebiet nicht anwenden wird. Ein Staat, der eine solche Erklärung abgibt, hat sicherzustellen, dass die Erklärung nicht weiterreicht als erforderlich und dass das ausgeschlossene Rechtsgebiet klar und eindeutig bezeichnet ist. (2) In Bezug auf dieses Rechtsgebiet ist das Übereinkommen nicht anzuwenden a) in dem Vertragsstaat, der die Erklärung abgegeben hat; b) in anderen Vertragsstaaten, sofern in einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung die Gerichte oder ein oder mehrere bestimmte Gerichte des Staates benannt sind, der die Erklärung abgegeben hat.
I. Überblick 1
Art. 21 Abs. 1 HProrogÜbk ermöglicht den Vertragsstaaten, über die ausgenommenen Materien in Art. 2 Abs. 2 HProrogÜbk hinaus bestimmte Rechtsgebiete zu benennen, auf die das Übereinkommen im erklärenden Staat nicht anwendbar sein soll.1 Diese Möglichkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass nach Art. 2 HProrogÜbk nicht alle Rechtsgebiete grundsätzlich ausgeschlossen sind, in denen sich ausschließliche Zuständigkeiten in den autonomen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten oder spezielle staatsvertragliche Regelungen finden könnten.2 Die Erklärungen können in die generelle Überprüfung des Übereinkommens nach Art. 24 HProrogÜbk einbezogen werden.
II. Voraussetzungen 2
Erforderlich ist ein „großes Interesse“ dieses Staates an der Nichtanwendung, ferner muss der erklärende Staat sicherstellen, dass die Erklärung „nicht weiterreicht als erforderlich“, schließlich muss das ausgeschlossene Gebiet „klar und eindeutig bezeichnet“ sein. Sanktionen bei Verstoß gegen diese Maßgaben, etwa Unwirksamkeit oder Nichtbeachtung der Erklärung bei mehr als erforderlichem Umfang, sind jedenfalls nicht ausdrücklich vorgesehen. Für eine Zweifelsregel zu Lasten des erklärenden Staates – im Zweifel ist eine Rechtssache nicht durch die unklare Erklärung ausgenommen – spricht aber vieles.3
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Zugelassen sind dabei nur sachlich bezeichnete Ausschlüsse („Seeversicherungsverträge“), nicht hingegen Ausschlüsse für bestimmte prozessuale Konstellationen („Seeversicherungsverträge, bei denen sich das vereinbarte Gericht in einem anderen Staat befindet“).4 Der erklärende Staat kann zunächst einen Entwurf der Erklärung an den Generalsekretär der Haager Konferenz übermitteln, der diesen dann an die Vertragsstaaten zur Stellungnahme weiterleiten kann.5 Dem Beitritt nachfolgende Erklärungen sind nach Art. 32 Abs. 2 HProrogÜbk dem Verwahrer (Depositar), mithin dem niederländischen Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, zu notifizieren. Alle Erklärungen werden auf der Homepage der Haager Konferenz eingestellt.6 Während Mexiko, Montenegro und Singapur
1 Zu den weitreichenden verhandlungstaktischen Überlegungen insbesondere mit Blick auf die USA eingehend Beaumont, JPrIL 5 (2009) 152 ff. 2 R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 116; Schulz, JPrIL 2 (2006) 260. 3 Beaumont, JPrIL 5 (2009) 151; Brand/Herrup, Hague Convention on Choice of Court Agreements, Commentary and Documents (2008) S. 152. 4 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 235. 5 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 236 Fn. 274. 6 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 237.
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von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben, haben die EU und Dänemark sowie das Vereinigte Königreich die Anwendbarkeit des Übereinkommens für gewisse Versicherungssachen ausgeschlossen.7
III. Reziprozität der Erklärung Abs. 2 präzisiert die Rechtsfolgen der Erklärung dahingehend, dass das Übereinkommen nicht nur 4 im erklärenden Vertragsstaat auf die ausgenommenen Rechtsgebiete nicht anzuwenden ist (lit. a), sondern auch in anderen Vertragsstaaten nicht (lit. b), wenn die Gerichte des erklärenden Vertragsstaates in der Gerichtsstandsvereinbarung über die ausgenommene Rechtsmaterie benannt sind. Es entstehen dann also keine Pflichten dieser anderen Vertragsstaaten aus Art. 6 HProrogÜbk. Für den erklärenden Staat folgt diese für sein Regulierungsinteresse ganz zentrale Rechtsfolge bei Benennung eines Gerichts in einem anderen Vertragsstaat bereits aus Art. 21 Abs. 2 lit. a HProrogÜbk, so dass den erklärenden Vertragsstaat seinerseits keine Pflichten aus Art. 6 HProrogÜbk treffen mit der Folge, dass die Gerichte des erklärenden Staates deswegen – geschriebene und ungeschriebene – Derogationsverbote der lex fori zur Absicherung zentraler Regulierungsinteressen durchsetzen können.
Artikel 22 Gegenseitige Erklärungen über nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen (1) Ein Vertragsstaat kann erklären, dass seine Gerichte Entscheidungen anerkennen und vollstrecken werden, die von Gerichten anderer Vertragsstaaten erlassen wurden, wenn diese Gerichte in einer zwischen zwei oder mehr Parteien geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung benannt sind, die den Erfordernissen des Artikels 3 Buchstabe c genügt und in der ein Gericht oder Gerichte eines oder mehrerer Vertragsstaaten zu dem Zweck benannt werden, über eine bereits entstandene Rechtsstreitigkeit oder über eine künftige aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringende Rechtsstreitigkeit zu entscheiden (nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung). (2) Wird in einem Vertragsstaat, der eine solche Erklärung abgegeben hat, die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung geltend gemacht, die in einem anderen Vertragsstaat ergangen ist, der eine solche Erklärung abgegeben hat, so wird die Entscheidung nach diesem Übereinkommen anerkannt und vollstreckt, sofern a) das Ursprungsgericht in einer nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung benannt war; b) weder eine Entscheidung vorliegt, die von einem anderen Gericht erlassen wurde, vor dem nach der nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung ein Verfahren eingeleitet werden konnte, noch bei einem solchen anderen Gericht zwischen denselben Parteien ein Verfahren wegen desselben Anspruchs anhängig ist und c) das Ursprungsgericht das zuerst angerufene Gericht war. I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . IV. Verhältnis zum HAVÜ . . . . . . . . . . . . . .
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3
7 Die Deklarationen der EU, Dänemarks und des Vereinigten Königreichs sind einsehbar unter https://www. hcch.net/de/instruments/conventions/status-table/notifications/?csid=1044&disp=resdn (19.8.2021) und https:// www.hcch.net/de/instruments/conventions/status-table/notifications/?csid=1392&disp=resdn (19.8.2021) und https://www.hcch.net/de/instruments/conventions/status-table/notifications/?csid=1318&disp=resdn (19.8.2021).
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Art. 22 HProrogÜbk 2005 Erklärungen über nicht ausschließl. Gerichtsstandsvereinbarungen
I. Überblick 1
Nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen i.S.v. Art. 22 HProrogÜbk sind zunächst allseitig und vollständig fakultative Gerichtsstandsvereinbarungen („geklagt werden kann in Seoul“), eingeschränkt fakultative Gerichtsstandsvereinbarungen („geklagt werden kann wahlweise in Seoul oder Peking unter Ausschluss aller anderen Gerichtsstände“)1 und schließlich halbseitig-fakultative oder asymmetrische Gerichtsstandsvereinbarungen („A kann nur in Peking, B kann wahlweise in Peking oder vor anderen gesetzlich zuständigen Gerichten klagen“).2
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Grundsätzlich fallen nach Art. 1 Abs. 1 HProrogÜbk nur andere als die vorgenannten, nämlich (vollständig bzw. allseitig-) ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen in den Anwendungsbereich des Übereinkommens. Vertragsstaaten können allerdings nach Art. 22 HProrogÜbk erklären, dass die Gerichte dieses Staates Entscheidungen nach Kapitel III des Übereinkommens anerkennen und vollstrecken werden, die auf nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen in der Form des Art. 3 lit. c HProrogÜbk und den weiteren Voraussetzungen nach Art. 3 HProrogÜbk (mit Ausnahme der Ausschließlichkeit)3 beruhen. Auch im Übrigen gelten die allgemeinen Grenzen des sachlichen Anwendungsbereichs nach Art. 2 Abs. 2 HProrogÜbk und Art. 21 HProrogÜbk.4 Damit stellt sich auch hier die Frage, wie mit der Wahl neutraler Gerichte umzugehen ist5 – im Zweifel ebenso wie im Fall von ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen.
II. Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Erklärung 3
Aus Art. 22 Abs. 2 HProrogÜbk geht zunächst hervor, dass Art. 22 HProrogÜbk nur greift, wenn auch der Erststaat eine entsprechende Erklärung abgegeben hat.6 Art. 22 lit. a HProrogÜbk stellt sodann klar, dass das Gericht, aus dem die zur Anerkennung anstehende Entscheidung hervorgegangen ist, in der nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung benannt sein muss. Art. 22 Abs. 2 lit. b HProrogÜbk regelt die bei nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen drängenderen res-iudicataund Rechtshängigkeitsfragen dahingehend, dass eine durch das benannte Gericht ergangene Entscheidung nur dann nach Maßgabe des Übereinkommens anzuerkennen und zu vollstrecken ist, wenn erstens keine Entscheidung in derselben Sache von einem anderen Vertragsstaatengericht vorliegt und zweitens kein Verfahren in derselben Sache vor einem anderen Vertragsstaatengericht anhängig ist, sofern das jeweils andere Gericht nicht durch die Vereinbarung ausgeschlossen war.7
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Nach den Materialien kommt es dabei nicht darauf an, ob die anderweitige Entscheidung vor oder nach der anzuerkennenden Entscheidung ergangen ist. Die anderweitige Entscheidung soll also immer Priorität haben. Ebenso wenig soll es darauf ankommen, ob das anderweitige Verfahren vor oder nach dem Verfahren anhängig gemacht wurde, aus dem die anzuerkennende Entscheidung hervorgegangen ist. Das anderweitige Verfahren soll also ebenso wie die anderweitige Entscheidung immer Vorrang haben.8 Die Anerkennungs- und Vollstreckungspflicht nach Art. 22 HProrogÜbk steht mithin unter weitreichenden Vorbehalten. Im Umkehrschluss hierzu wird der Grund deutlich, warum 1 Oder, noch enger: „A kann nur in Peking, B kann nur in Seoul klagen“, Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 247. 2 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 247. Halbseitig-fakultative Gerichtsstandsvereinbarungen finden sich häufig in internationalen Kreditverträgen zugunsten des Kreditgebers, Schulz, JPrIL 2 (2006) 263. 3 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 242; Schulz, JPrIL 2 (2006) 264; zu komplexen Einzelfragen Beaumont, JPrIL 5 (2009) 154 ff.; ferner Brand/Herrup, Hague Convention on Choice of Court Agreements, Commentary and Documents (2008) S. 155 ff. 4 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 243. 5 Vgl. hierzu oben Art. 20 HProrogÜbk Rz. 2. 6 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 241 und 255, dort auch zur „zeitlichen Gegenseitigkeit“ im Zusammenspiel mit Art. 16 und 32; hierzu ferner Beaumont, JPrIL 5 (2009) 148; vgl. im Übrigen R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 140; Schulz, JPrIL 2 (2006) 264. 7 Abredewidrig begonnene Verfahren vor Vertragsstaatengerichten und deren Entscheidungen in derselben Rechtssache führen also nicht zum Ausschluss der Anerkennungs- und Vollstreckungspflicht nach Art. 22 HProrogÜbk. 8 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 245: Ausschluss der Anerkennungs- und Vollstreckungspflicht nach Art. 22 HProrogÜbk „ungeachtet dessen, ob dieses [anderweitige] Verfahren vor oder nach dem Verfahren vor
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Art. 22 HProrogÜbk 2005
nichtausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen grundsätzlich vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen sind. Man wollte ebendiese res-iudicata- und Rechtshängigkeitsfragen auf der Ebene der Zuständigkeit weitestgehend vermeiden bzw. den für nichtausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen nicht überzeugenden Maßgaben für das benannte Gericht nach Art. 5 Abs. 2 HProrogÜbk und für andere Vertragsstaatengerichte nach Art. 6 HProrogÜbk nicht modifizieren.9 Art. 22 Abs. 2 lit. c HProrogÜbk führt überdies eine dritte Voraussetzung für die Anerkennungs- und 5 Vollstreckungspflicht bei Entscheidungen auf der Grundlage nicht ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarungen ein, die vor dem Hintergrund des Regelungsprogramms in lit. b allerdings zunächst nur schwer verständlich ist. Es muss nämlich das Erstgericht, dessen Entscheidung zur Anerkennung nach Art. 22 HProrogÜbk ansteht, das zuerst angerufene Gericht gewesen sein. Diese Regelung soll aber nach den Materialien gerade nicht dazu führen, dass sich Entscheidungen aus zuerst begonnenen Verfahren dieses Gerichts im Verhältnis zu späteren anderweitigen Verfahren oder Entscheidungen durchsetzen. Vielmehr „sollte“ die Bestimmung nur „Anwendung finden, wenn vor dem anderen Gericht zwar ein Verfahren geführt wurde, dieses aber nicht zu einer Endentscheidung geführt hat und das Verfahren nicht mehr anhängig ist – z.B. wenn die Klage nach dem Grundsatz des forum non conveniens abgewiesen wurde“.10 Ist das anderweitige Verfahren hingegen noch anhängig oder ist aus diesem eine anderweitige Entscheidung hervorgegangen, haben dieses anderweitige Verfahren bzw. diese anderweitige Entscheidung nach lit. b insoweit Vorrang, als eine Anerkennungs- und Vollstreckungspflicht nach Art. 22 HProrogÜbk entfällt. Damit wird nach lit. c der bloße Umstand zum Anerkennungsversagungsgrund, dass das anderweitige Verfahren für einen bestimmten Zeitraum anhängig war und das benannte Gericht später angegangen wurde als das Gericht des anderweitigen Verfahrens.11 Die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidung des benannten Gerichts nach eigenem Verfahrensrecht bleibt dem Vertragsstaat unbenommen.12 Auch für lit. c gilt, ebenso wie schon für lit. b, dass das Verfahren eines anderweitigen Vertragsstaatengerichts, das sich abredewidrig für zuständig erklärt hat, unbeachtlich ist.13
III. Zeitlicher Anwendungsbereich Art. 16 HProrogÜbk zum zeitlichen Anwendungsbereich bezieht sich nur auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen. Allerdings steht es dem nach Art. 22 HProrogÜbk erklärenden Vertragsstaat frei, in der Erklärung zu präzisieren, welche nichtausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen in zeitlicher Hinsicht erfasst sein sollen. Fehlt es an solchen Maßgaben, gilt die Erklärung zeitlich unbeschränkt.14
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IV. Verhältnis zum HAVÜ Die grundsätzlich flexibilisierende einseitige Ausweitung des Anwendungsbereichs droht zugleich die feinsinnig anhand der Unterscheidung „ausschließlicher“ und „nicht-ausschließlicher“ Gerichtsstandsvereinbarungen gezogene Abgrenzung zwischen HProrogÜbk und HAVÜ zu unterlaufen.15 Letztlich wird man den Konflikt im Einzelfall wohl zugunsten des HProrogÜbk als lex specialis auflösen.16
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dem vereinbarten Gericht eingeleitet wurde oder ob diese [anderweitige] Entscheidung vor oder nach der Entscheidung des vereinbarten Gerichts ergangen ist“. Schulz, JPrIL 2 (2006), 263. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 251. Schulz, JPrIL 2 (2006), 264. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 251 Fn. 293. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 252 aE. R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 141. Eine zur Regelung dieses Verhältnisses vorgeschlagene disconnection clause ist nicht in die endgültige Fassung übernommen worden, vgl. Reflection Paper on the Relationship between the future Judgments Convention and the Convention, Mai 2015, S. 14. Hierzu M. Weller, YbPIL 21 (2019/2020), 292 f.; vgl. auch M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR HAVÜ Rz. 59.
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Art. 23 HProrogÜbk 2005 Einheitliche Auslegung
Artikel 23 Einheitliche Auslegung Bei der Auslegung dieses Übereinkommens ist seinem internationalen Charakter und der Notwendigkeit, seine einheitliche Anwendung zu fördern, Rechnung zu tragen. 1
Das Übereinkommen ist autonom auszulegen, und dabei ist dem Ziel des einheitsrechtlichen Regelwerkes zu entsprechen, Rechtssicherheit durch einheitliche Anwendung in den Vertragsstaaten zu schaffen.1 Als authentisch gelten dabei die französische und englische Sprachfassung.2 Zentrale Bedeutung kommt hierbei dem Erläuternden Bericht sowie den in den Verhandlungen zum Ausdruck gebrachten Positionen zu.3 Daneben sollen die Gerichte mit „offenem Geiste“ die Entscheidungen anderer Gerichte berücksichtigen, ohne dass diese Autoritäten für ihre Auslegung verbindlich wären.4 Dennoch wird der Rechtsprechung des EuGH voraussichtlich ein erhebliches Gewicht zukommen. Selbst soweit sich das Übereinkommen explizit den Wertungen des nationalen Rechtes öffnet, sind die Rahmenbedingungen dieser vertikalen Verweisung konventionsautonom zu bestimmen.5 Zum Teil wird aus dem Verweis auf diese in der Präambel genannten Ziele gefolgert, dass jegliche Ausnahmen im Übereinkommen eng ausgelegt werden müssten.6
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Es liegt zudem nahe bei der Auslegung der einzelnen Instrumente des „Judgment“ und „Jurisdiction Project“ die Position der jeweils anderen Übereinkommen in diesem erstrebten Gesamtgefüge i.S.e. „rechtsaktsübergreifenden Auslegung“ zu berücksichtigen.7 Natürlich steht auch ein solcher Ansatz unter dem Vorbehalt der bereichsspezifischen Besonderheiten eines jeden Rechtsaktes.8
Artikel 24 Prüfung der praktischen Durchführung des Übereinkommens Der Generalsekretär der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht trifft in regelmäßigen Abständen Vorkehrungen für a) die Prüfung der praktischen Durchführung dieses Übereinkommens, einschließlich aller Erklärungen, und b) die Prüfung, ob Änderungen dieses Übereinkommens wünschenswert sind. 1
Der Generalsekretär der Haager Konferenz ist dazu angehalten, „in regelmäßigen Abständen“ die „praktische Durchführung des Übereinkommens“ überprüfen zu lassen. Dies schließt die Erklärungen der Vertragsstaaten nach Art. 19 ff. HProrogÜbk ein. Insbesondere deren Erforderlichkeit soll auf den Prüfstand gestellt werden. Im Übrigen soll Verbesserungsbedarf identifiziert werden.
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Ebenso z.B. Art. 17 KSÜ; Art. 13 Haager Wertpapierübereinkommen. Schlussformel des HProrogÜbk. Brand/Herrup, Hague Convention on Choice of Court Agreements, Commentary and Documents (2008) S. 29 f. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 256. Vgl. insb. zum Ordre public-Vorbehalt Landbrecht, JPrIL 15 (2019), 339, 342. Beaumont, JPrIL 5 (2009), 136. So etwa Clover Alcolea, McGill Journal of Dispute Resolution 6 (2019–2020), 186. Vgl. mit Bezug auf das Unionsrecht Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 66.
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Art. 25 HProrogÜbk 2005
Artikel 25 Nicht einheitliche Rechtssysteme (1) Gelten in einem Vertragsstaat in verschiedenen Gebietseinheiten zwei oder mehr Rechtssysteme in Bezug auf in diesem Übereinkommen geregelte Angelegenheiten, so ist a) jede Bezugnahme auf das Recht oder Verfahren eines Staates gegebenenfalls als Bezugnahme auf das in der betreffenden Gebietseinheit geltende Recht oder Verfahren zu verstehen; b) jede Bezugnahme auf den Aufenthalt in einem Staat gegebenenfalls als Bezugnahme auf den Aufenthalt in der betreffenden Gebietseinheit zu verstehen; c) jede Bezugnahme auf das Gericht oder die Gerichte eines Staates gegebenenfalls als Bezugnahme auf das Gericht oder die Gerichte in der betreffenden Gebietseinheit zu verstehen; d) jede Bezugnahme auf eine Verbindung zu einem Staat gegebenenfalls als Bezugnahme auf eine Verbindung zu der betreffenden Gebietseinheit zu verstehen. (2) Ungeachtet des Absatzes 1 ist ein Vertragsstaat mit zwei oder mehr Gebietseinheiten, in denen unterschiedliche Rechtssysteme gelten, nicht verpflichtet, dieses Übereinkommen auf Fälle anzuwenden, die allein diese verschiedenen Gebietseinheiten betreffen. (3) Ein Gericht in einer Gebietseinheit eines Vertragsstaats mit zwei oder mehr Gebietseinheiten, in denen unterschiedliche Rechtssysteme gelten, ist nicht verpflichtet, eine Entscheidung aus einem anderen Vertragsstaat allein deshalb anzuerkennen oder zu vollstrecken, weil die Entscheidung in einer anderen Gebietseinheit desselben Vertragsstaats nach diesem Übereinkommen anerkannt oder vollstreckt worden ist. (4) Dieser Artikel ist nicht anzuwenden auf Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration. Nach Art. 25 Abs. 1 lit. a HProrogÜbk gilt eine Bezugnahme im Übereinkommen auf das Recht eines Mehrrechtsstaates (USA, Kanada, Vereinigtes Königreich, China),1 auf das in der betreffenden Gebietseinheit des Staates geltende Recht, ebenso die Bezugnahme auf den Aufenthalt (lit. b), ein Gericht (lit. c)2 und auf eine Verbindung zu diesem Staat (lit. d). Aus lit. c soll folgen, dass die Vereinbarung der Gerichte „der Vereinigten Staaten“ ebenso wie die Vereinbarung der Gerichte „von New York“ eine jeweils für das gewählte Gebiet ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung i.S.v. Art. 3 HProrogÜbk ist.3 Allerdings stellt sich bei der Wahl der Gerichte „der Vereinigten Staaten“ dann noch die nach dem Prorogationsstatut zu beantwortende Auslegungsfrage, welches Gericht innerhalb der USA zuständig sein soll. Zugleich soll nach Art. 5 Abs. 2 HProrogÜbk aus der Vereinbarung der Gerichte einer Gebietseinheit, etwa „England“, folgen, dass die Gerichte Englands sich nicht zugunsten eines Gerichts in einer anderen Gebietseinheit des betreffenden Mehrrechtsstaates, etwa Schottland, für unzuständig erklären dürfen.4 Im Umkehrschluss folgt dann aus der Wahl der Gerichte des Vereinigten Königreichs, dass Verweisungen innerhalb dieses Staates durch das Übereinkommen nicht ausgeschlossen sind.5
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Abs. 2 stellt klar, dass ungeachtet Abs. 1 ein Mehrrechtsstaat nicht dazu verpflichtet ist, das Überein- 2 kommen in Fällen allein zwischen seinen Gebietseinheiten anzuwenden. Ebenso wenig ist ein Mehrrechtsstaat nach dem Übereinkommen verpflichtet, eine nach dem Übereinkommen in einer seiner Gebietseinheiten anerkannte Entscheidung eines Vertragsstaatengerichts in anderen Gebietseinheiten anzuerkennen (Abs. 3). Vielmehr kann die Anerkennung eigenständig nach Art. 8 ff. HProrogÜbk geprüft werden.6 Abs. 4 stellt klar, dass die Vorschriften zu Mehrrechtsstaaten nicht für regionale Integrationsgemeinschaften gelten.
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Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 258. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 107 und 128–131. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 107. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 129. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 129. Eichel, RIW 2009, 289, 296.
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Art. 26 HProrogÜbk 2005 Verhältnis zu anderen internationalen Rechtsinstrumenten
Artikel 26 Verhältnis zu anderen internationalen Rechtsinstrumenten (1) Dieses Übereinkommen ist, soweit möglich, so auszulegen, dass es mit anderen für die Vertragsstaaten geltenden Verträgen vereinbar ist; dies gilt unabhängig davon, ob diese vor oder nach diesem Übereinkommen geschlossen worden sind. (2) Dieses Übereinkommen lässt die Anwendung eines anderen Vertrags durch einen Vertragsstaat dieses Übereinkommens unberührt, sofern keine der Parteien ihren Aufenthalt in einem Vertragsstaat dieses Übereinkommens hat, der nicht Vertragspartei des anderen Vertrags ist; dies gilt unabhängig davon, ob der andere Vertrag vor oder nach diesem Übereinkommen geschlossen worden ist. (3) Dieses Übereinkommen lässt die Anwendung eines anderen Vertrags durch einen Vertragsstaat dieses Übereinkommens unberührt, wenn die Anwendung des Übereinkommens mit den Verpflichtungen dieses Vertragsstaats gegenüber Nichtvertragsstaaten dieses Übereinkommens unvereinbar wäre; dies gilt nur, wenn der andere Vertrag geschlossen wurde, bevor dieses Übereinkommen für den betreffenden Vertragsstaat in Kraft getreten ist. Dieser Absatz gilt auch für Verträge zur Revision oder Ablösung eines Vertrags, der geschlossen wurde, bevor dieses Übereinkommen für den betreffenden Vertragsstaat in Kraft getreten ist, soweit durch die Revision oder Ablösung nicht neue Unvereinbarkeiten mit diesem Übereinkommen entstehen. (4) Dieses Übereinkommen lässt die Anwendung eines anderen Vertrags durch einen Vertragsstaat dieses Übereinkommens unberührt, die dazu dient, die Anerkennung oder Vollstreckung einer von einem Gericht eines Vertragsstaats dieses Übereinkommens erlassenen Entscheidung zu erwirken, der auch Vertragspartei des anderen Vertrags ist; dies gilt unabhängig davon, ob der andere Vertrag vor oder nach diesem Übereinkommen geschlossen worden ist. Die Entscheidung darf jedoch nicht in einem geringeren Umfang anerkannt oder vollstreckt werden als nach diesem Übereinkommen. (5) Dieses Übereinkommen lässt die Anwendung eines anderen Vertrags, der in Bezug auf ein besonderes Rechtsgebiet die Zuständigkeit oder die Anerkennung oder Vollstreckung von Entscheidungen regelt, durch einen Vertragsstaat dieses Übereinkommens auch dann unberührt, wenn er nach diesem Übereinkommen geschlossen worden ist und wenn alle betroffenen Staaten Vertragsparteien dieses Übereinkommens sind. Dieser Absatz ist nur anzuwenden, wenn der Vertragsstaat dieses Übereinkommens nach diesem Absatz eine Erklärung in Bezug auf den anderen Vertrag abgegeben hat. Soweit Unvereinbarkeit besteht, sind die anderen Vertragsstaaten dieses Übereinkommens im Fall einer solchen Erklärung nicht verpflichtet, dieses Übereinkommen auf dieses besondere Rechtsgebiet anzuwenden, wenn in einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung die Gerichte oder ein oder mehrere bestimmte Gerichte des Vertragsstaats benannt sind, der die Erklärung abgegeben hat. (6) Dieses Übereinkommen lässt die Anwendung der Vorschriften einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragspartei dieses Übereinkommens ist, unberührt, unabhängig davon, ob diese vor oder nach diesem Übereinkommen angenommen worden sind, a) sofern keine der Parteien ihren Aufenthalt in einem Vertragsstaat dieses Übereinkommens hat, der nicht Mitgliedstaat der Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration ist; b) sofern es um die Anerkennung oder Vollstreckung von Entscheidungen zwischen Mitgliedstaaten der Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration geht. I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Harmonische Auslegung . . . . . . . . . . . .
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III. Kollision unter Vertragsstaaten . . . . . . . . . IV. Kollision mit älteren Regelwerken . . . . . . .
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V. Meistbegünstigungsklausel . . . . . . . . . . . VI. Kollision mit Spezialabkommen (lex specialis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. Kollision mit REIO-Vorschriften . . . . . . . .
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Kap. IV: Allgemeine Vorschriften
Art. 26 HProrogÜbk 2005
I. Übersicht Die Vorschrift regelt Kollisionen mit anderen Rechtsinstrumenten vor dem Hintergrund der Art. 30 1 und 41 der Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969.1 Danach kann in einem Übereinkommen allenfalls bestimmt werden, dass es im Kollisionsfall nachgibt. Dementsprechend enthält Art. 26 HProrogÜbk bestimmte Nachgiebigkeitsregeln für das Übereinkommen. Im Übrigen soll sich das Übereinkommen nach allgemeinen Kollisionsregeln weitestmöglich durchsetzen.2
II. Harmonische Auslegung Art. 26 Abs. 1 HProrogÜbk verlangt, soweit möglich, die harmonische Auslegung des Übereinkom- 2 mens mit anderen einschlägigen völkerrechtlichen Verträgen der Vertragsstaaten,3 und zwar unabhängig davon, ob diese vor oder nach dem Übereinkommen geschlossen wurden. Mit dieser Auslegungsregel sollen Kollisionen zunächst vermieden werden. Bestehen danach zwei mögliche Auslegungsalternativen und kollidiert die eine mit den Verpflichtungen eines Vertragsstaates aus einem anderen Übereinkommen, dann ist nach Art. 26 Abs. 1 HProrogÜbk die andere Auslegungsalternative zu wählen.4 Eine „überdehnte“ Auslegung soll dabei aber nicht vorgenommen werden.5
III. Kollision unter Vertragsstaaten Besteht im konkreten Fall gleichwohl eine Kollision und haben alle Parteien ihren Sitz in Vertrags- 3 staaten, die zugleich Vertragsstaaten eines anderen Übereinkommens sind, dann lässt das Übereinkommen nach Art. 26 Abs. 2 HProrogÜbk die Anwendung des anderen völkerrechtlichen Vertrags durch einen Vertragsstaat des Übereinkommens unberührt, und zwar unabhängig davon, ob der andere Vertrag vor oder nach dem Übereinkommen geschlossen wurde. Denn im Verhältnis solcher Staaten untereinander besteht kein legitimer Anwendungsanspruch des Übereinkommens. Vielmehr geht der übereinstimmend abweichende Wille der beteiligten Staaten vor. Dies gilt freilich nur, wenn juristische Personen als Parteien in allen Varianten des Art. 4 Abs. 2 HProrogÜbk ihren Aufenthalt in solchen Vertragsstaaten haben.6 Partei ist dabei jeder an der Gerichtsstandsvereinbarung und am konkreten Verfahren beteiligte Teil.7 Diese Vorrangregel führt dazu, dass sich beispielsweise die Rechtshängigkeitsregel des LugÜbk zugunsten des erstangegangenen Gerichts auch im Falle von Gerichtsstandsvereinbarungen im Anwendungsbereich des Übereinkommens durchsetzt, wenn alle Parteien ihren Aufenthalt in Vertragsstaaten haben, die zugleich Vertragsstaaten des LugÜbk sind.
IV. Kollision mit älteren Regelwerken Soweit ein Vertragsstaat vor Inkrafttreten des Übereinkommens für diesen Staat kollidierende völkervertragliche Pflichten gegenüber Nichtvertragsstaaten eingegangen ist,8 lässt das Übereinkommen die Anwendung des anderen völkerrechtlichen Vertrags durch diesen Vertragsstaat im Verhältnis zu den 1 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 269. Die Vorschrift ist Ergebnis komplexer Verhandlungen insbesondere mit Blick auf die Brüssel I-VO und das LugÜbk 2007, und diese „mündeten in innovative, komprimierte und nicht ganz einfach lesbare Vorschriften“, R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 134; The Relationship between the Judgments Project and other International Instruments, Prel.Doc. No. 24, Dezember 2003. 2 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 269. 3 Nach Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 265, insbes. EuGVÜ, LugÜbk 2007, Brüssel I-VO, Übereinkommen von Minsk über Rechtshilfe und Rechtsverkehr in Zivil-, Familien- und Strafsachen von 1993 idFv 28.3.1993, vgl. Anh. II des Vorbereitenden Dokuments Nr. 27, sowie verschiedene Abkommen auf dem amerikanischen Kontinent, zu Letzteren genauer im Vorbereitenden Dokument Nr. 31. 4 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 270. 5 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 270. 6 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 272. 7 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 275. 8 Zu den Voraussetzungen der zeitlichen Priorität Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 283.
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Art. 26 HProrogÜbk 2005 Verhältnis zu anderen internationalen Rechtsinstrumenten Vertragsstaaten des anderen Vertrags nach Art. 26 Abs. 3 HProrogÜbk unberührt. Dies gilt nach Art. 26 Abs. 3 S. 2 HProrogÜbk ausdrücklich auch für nachfolgende Revisionen oder Nachfolgeverträge des anderen Vertrags, soweit diese späteren Regelungen keine in der Sache neuen Unvereinbarkeiten mit dem Übereinkommen erzeugen.
V. Meistbegünstigungsklausel 5
Art. 26 Abs. 4 HProrogÜbk enthält eine Meistbegünstigungsklausel für Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen im Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander. Diese wird relevant, wenn der nach Abs. 2 vorrangige andere Vertrag weniger günstige Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln vorsieht als das Übereinkommen.
VI. Kollision mit Spezialabkommen (lex specialis) 6
Abs. 5 gewährt spezielleren Zuständigkeits- und Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen zwischen den jeweils beteiligten Vertragsstaaten unabhängig vom zeitlichen Verhältnis der beiden Abkommen den Vorrang, wenn der betreffende Vertragsstaat eine Erklärung hinsichtlich des spezielleren Übereinkommens abgegeben hat. Im Fall der Unvereinbarkeit der völkervertraglichen Pflichten sind andere Vertragsstaaten gegenüber dem die Erklärung abgebenden Vertragsstaat nicht verpflichtet, das Übereinkommen bei Gerichtsstandswahl im erklärenden Vertragsstaat für das spezielle Rechtsgebiet anzuwenden.
VII. Kollision mit REIO-Vorschriften 7
Schließlich lässt das Übereinkommen nach Abs. 6 die Anwendung von Vorschriften einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration wie etwa der Europäischen Union, unberührt, wenn sie Vertragspartei des Übereinkommens ist, und zwar unabhängig davon, ob die Vorschriften der regionalen Integrationsgemeinschaft vor oder nach dem Übereinkommen angenommen worden sind, sofern der Sachverhalt „regional“ ist, mithin keine der Parteien ihren Aufenthalt – der Sitz des benannten Gerichts ist irrelevant9 – in einem Vertragsstaat hat, der nicht zugleich Mitgliedstaat der regionalen Integrationsgemeinschaft ist (lit. a),10 oder sofern es um die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zwischen Mitgliedstaaten der regionalen Integrationsgemeinschaft geht (lit. b).11 Lit. a entspricht der Vorrangregel in Art. 26 Abs. 2 HProrogÜbk und stützt sich auf dieselbe Teleologie, nämlich kein legitimes Anwendungsinteresse des Übereinkommens bei übereinstimmend abweichendem Willen aller beteiligten Vertragsstaaten. Damit gilt hier wie dort, dass juristische Personen in allen Varianten des Art. 4 Abs. 2 HProrogÜbk ihren Aufenthalt in einem der beteiligten Staaten bzw. in der regionalen Integrationsgemeinschaft haben müssen, um den Vorrang der Vorschriften der regionalen Integrationsgemeinschaft zu begründen.12 Soweit hingegen das Übereinkommen einen Sachverhalt als nicht mehr regional qualifiziert, das Recht der regionalen Integrationsgemeinschaft hingegen räum-
9 R. Wagner, RabelsZ 73 (2009) 138. 10 Hat also eine Partei ihren Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat, die andere in einem Vertragsstaat des Übereinkommens, der nicht zugleich Mitgliedstaat ist, dann beansprucht das Übereinkommen seine Anwendbarkeit, obwohl der Anwendungsbereich von Art. 25 Brüssel Ia-VO eröffnet wäre, Schulz, JPrIL 2 (2006) 267. Insoweit kommt es also entgegen der grundsätzlichen Konzeption des Art. 26 HProrogÜbk zu einem Vorrang des Übereinkommens. Dieser lässt sich zwar nicht im Übereinkommen selbst zu Lasten der regionalen Integrationsgemeinschaft bewirken, wohl aber durch Beitritt der regionalen Integrationsgemeinschaft unter den Maßgaben von Art. 26 Abs. 6 HProrogÜbk. 11 Sitzen also Erst- und Zweitgericht in Mitgliedstaaten, gibt das Übereinkommen nach, Hartley, ELRev 2006, 421. 12 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 292; R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 138; Beaumont, JPrIL 5 (2009) 157, befürchtet, dass mitgliedstaatliche Gerichte dies übersehen werden.
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Kap. V: Schlussbestimmungen
Art. 28 HProrogÜbk 2005
lich anwendbar ist, beansprucht das Übereinkommen Vorrang.13 Lit. b entspricht der Vorrangregel in Art. 26 Abs. 3 HProrogÜbk mit dem Unterschied, dass keine Meistbegünstigungsklausel enthalten ist, so dass nach den Anerkennungs- und Vollstreckungsregeln der regionalen Integrationsgemeinschaft auch in geringerem Umfang als nach dem Übereinkommen anerkannt und vollstreckt werden kann. Sowohl die Brüssel I-VO als auch die Brüssel Ia-VO gehen allerdings insoweit – mit Ausnahme von Versicherungssachen14 – über das Übereinkommen hinaus.
Kapitel V Schlussbestimmungen (Art. 27–Art. 34)
Artikel 27 Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung oder Beitritt (1) Dieses Übereinkommen liegt für alle Staaten zur Unterzeichnung auf. (2) Dieses Übereinkommen bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Unterzeichnerstaaten. (3) Dieses Übereinkommen steht allen Staaten zum Beitritt offen. (4) Die Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden werden beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten des Königreichs der Niederlande, dem Verwahrer des Übereinkommens, hinterlegt. Siehe Kommentierung bei Art. 34 HProrogÜbk.
1
Artikel 28 Erklärungen in Bezug auf nicht einheitliche Rechtssysteme (1) Ein Staat, der aus zwei oder mehr Gebietseinheiten besteht, in denen für in diesem Übereinkommen geregelte Angelegenheiten unterschiedliche Rechtssysteme gelten, kann bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt erklären, dass das Übereinkommen auf alle seine Gebietseinheiten oder nur auf eine oder mehrere davon erstreckt wird; er kann diese Erklärung durch Abgabe einer neuen Erklärung jederzeit ändern. (2) Eine Erklärung wird dem Verwahrer unter ausdrücklicher Bezeichnung der Gebietseinheiten notifiziert, auf die das Übereinkommen angewendet wird. (3) Gibt ein Staat keine Erklärung nach diesem Artikel ab, so erstreckt sich das Übereinkommen auf sein gesamtes Hoheitsgebiet. (4) Dieser Artikel ist nicht anzuwenden auf Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration. Siehe Kommentierung bei Art. 34 HProrogÜbk.
1
13 Einzelheiten zu möglichen Konflikten und harmonisierenden Auslegungsmöglichkeiten bei Hess/Pfeiffer/ Schlosser/Pfeiffer, The Brussels I Regulation 44/2001 – Application and Enforcement in the EU („Heidelberg Report“) (2008), 95 f. Rz. 338 ff. 14 Art. 35 Abs. 1 Brüssel I-VO/Art. 45 Abs. 1 lit. e i) Brüssel Ia-VO und Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 307.
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Art. 29 HProrogÜbk 2005 Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration
Artikel 29 Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration (1) Eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die ausschließlich von souveränen Staaten gebildet wird und für einige oder alle in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten zuständig ist, kann dieses Übereinkommen ebenfalls unterzeichnen, annehmen, genehmigen oder ihm beitreten. Die Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hat in diesem Fall die Rechte und Pflichten eines Vertragsstaats in dem Umfang, in dem sie für Angelegenheiten zuständig ist, die in diesem Übereinkommen geregelt sind. (2) Die Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration notifiziert dem Verwahrer bei der Unterzeichnung, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt schriftlich die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten, für die ihr von ihren Mitgliedstaaten die Zuständigkeit übertragen wurde. Die Organisation notifiziert dem Verwahrer umgehend schriftlich jede Veränderung ihrer Zuständigkeit gegenüber der letzten Notifikation nach diesem Absatz. (3) Für das Inkrafttreten dieses Übereinkommens zählt eine von einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hinterlegte Urkunde nicht, es sei denn, die Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration erklärt nach Artikel 30, dass ihre Mitgliedstaaten nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens werden. (4) Jede Bezugnahme in diesem Übereinkommen auf einen „Vertragsstaat“ oder „Staat“ gilt gegebenenfalls gleichermaßen für eine Organisation der regionalen Wirtschaftsorganisation, die Vertragspartei dieses Übereinkommens ist. 1
Siehe Kommentierung bei Art. 34 HProrogÜbk.
Artikel 30 Beitritt einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration ohne ihre Mitgliedstaaten (1) Eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration kann bei der Unterzeichnung, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt erklären, dass sie für alle in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten zuständig ist und dass ihre Mitgliedstaaten nicht Vertragsparteien dieses Übereinkommens sein werden, jedoch aufgrund der Unterzeichnung, der Annahme, der Genehmigung oder des Beitritts der Organisation gebunden sind. (2) Gibt eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration eine Erklärung nach Absatz 1 ab, so gilt jede Bezugnahme in diesem Übereinkommen auf einen „Vertragsstaat“ oder „Staat“ gegebenenfalls gleichermaßen für die Mitgliedstaaten der Organisation. 1
Siehe Kommentierung bei Art. 34 HProrogÜbk.
Artikel 31 Inkrafttreten (1) Dieses Übereinkommen tritt am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der in Artikel 27 vorgesehenen Hinterlegung der zweiten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde folgt. (2) Danach tritt dieses Übereinkommen wie folgt in Kraft: a) für jeden Staat oder jede Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, der oder die es später ratifiziert, annimmt, genehmigt oder ihm beitritt, am ersten Tag des Monats, der auf 686
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Kap. V: Schlussbestimmungen
Art. 34 HProrogÜbk 2005
einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung seiner oder ihrer Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde folgt; b) für die Gebietseinheiten, auf die dieses Übereinkommen nach Artikel 28 Absatz 1 erstreckt worden ist, am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der Notifikation der in jenem Artikel vorgesehenen Erklärung folgt. Siehe Kommentierung bei Art. 34 HProrogÜbk.
1
Artikel 32 Erklärungen (1) Erklärungen nach den Artikeln 19, 20, 21, 22 und 26 können bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt oder jederzeit danach abgegeben und jederzeit geändert oder zurückgenommen werden. (2) Jede Erklärung, Änderung und Rücknahme wird dem Verwahrer notifiziert. (3) Eine bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt abgegebene Erklärung wird mit Inkrafttreten dieses Übereinkommens für den betreffenden Staat wirksam. (4) Eine zu einem späteren Zeitpunkt abgegebene Erklärung und jede Änderung oder Rücknahme einer Erklärung werden am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer folgt. (5) Eine Erklärung nach den Artikeln 19, 20, 21 und 26 gilt nicht für ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen, die geschlossen wurden, bevor die Erklärung wirksam wird. Siehe Kommentierung bei Art. 34 HProrogÜbk.
1
Artikel 33 Kündigung (1) Dieses Übereinkommen kann durch eine an den Verwahrer gerichtete schriftliche Notifikation gekündigt werden. Die Kündigung kann sich auf bestimmte Gebietseinheiten eines nicht einheitlichen Rechtssystems beschränken, auf die das Übereinkommen angewendet wird. (2) Die Kündigung wird am ersten Tag des Monats wirksam, der auf einen Zeitabschnitt von zwölf Monaten nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer folgt. Ist in der Notifikation für das Wirksamwerden der Kündigung ein längerer Zeitabschnitt angegeben, so wird die Kündigung nach Ablauf des entsprechenden Zeitabschnitts nach Eingang der Notifikation beim Verwahrer wirksam. Siehe Kommentierung bei Art. 34 HProrogÜbk.
1
Artikel 34 Notifikationen durch den Verwahrer Der Verwahrer notifiziert den Mitgliedern der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht sowie den anderen Staaten und Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration, die das Übereinkommen nach den Artikeln 27, 29 und 30 unterzeichnet, ratifiziert, angenommen oder genehmigt haben oder ihm beigetreten sind, Weller
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Art. 34 HProrogÜbk 2005 Notifikationen durch den Verwahrer a) jede Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme und Genehmigung sowie jeden Beitritt nach den Artikeln 27, 29 und 30; b) den Tag, an dem dieses Übereinkommen nach Artikel 31 in Kraft tritt; c) jede Notifikation, Erklärung, Änderung und Rücknahme einer Erklärung nach den Artikeln 19, 20, 21, 22, 26, 28, 29 und 30; d) jede Kündigung nach Artikel 33. 1
Art. 27 HProrogÜbk regelt Modalitäten der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung bzw. Beitritt zum Übereinkommen. Abs. 1 bzw. 3 stellen klar, dass das Übereinkommen für alle Staaten offensteht. Der Status der Vertragspartei ist unabhängig von der Art und Weise, wie ein Staat Vertragspartei geworden ist, derselbe.1
2
Mehrrechtsstaaten können nach Art. 28 HProrogÜbk erklären, dass das Übereinkommen auf alle Gebietseinheiten oder nur auf eine oder mehrere erstreckt wird.2 Diese Erklärung kann jederzeit geändert werden. Wird keine Erklärung abgegeben, dann erstreckt sich das Übereinkommen auf alle Gebietseinheiten. Die Vorschrift findet keine Anwendung auf regionale Integrationsgemeinschaften.3
3
Art. 29 HProrogÜbk und Art. 30 HProrogÜbk regeln, wie regionale Integrationsgemeinschaften Vertragspartei werden können, nämlich je nach Kompetenzverteilung innerhalb der Gemeinschaft entweder sowohl die Gemeinschaft als auch ihre Mitgliedstaaten (Art. 29 HProrogÜbk) oder nur die Gemeinschaft mit Wirkung für ihre Mitgliedstaaten (Art. 30 HProrogÜbk).4 Die Europäische Union hat nach dem Gutachten des EuGH zum LugÜbk5 alleinige Kompetenz und ist deswegen nach Art. 30 HProrogÜbk alleinige Vertragspartei mit Wirkung für die Mitgliedstaaten.6
4
Art. 31 HProrogÜbk regelt die Modalitäten des Inkrafttretens des Übereinkommens. Das Übereinkommen ist am 1.10.2015 für die EU und Mexiko in Kraft getreten. Dies folgt aus Art. 31 Abs. 1 HProrogÜbk, wonach das Übereinkommen am ersten Tag des Monats in Kraft tritt, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der in Art. 27 HProrogÜbk vorgesehenen Hinterlegung der zweiten Ratifikations-, Annahme- Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde folgt. Für die folgenden Staaten tritt das Übereinkommen nach Abs. 2 am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde folgt, in Kraft. Für Singapur ist das Übereinkommen damit am 2.6.2016, für Montenegro am 18.4.2018 und für Dänemark am 30.5.2018 in Kraft getreten.
5
Art. 32 HProrogÜbk betrifft Modalitäten für Abgabe und Wirksamwerden von Erklärungen durch Vertragsstaaten nach Art. 19, 20, 21, 22 und 26 HProrogÜbk.
6
Art. 33 HProrogÜbk regelt die Kündigung durch Vertragsstaaten.
7
Art. 34 HProrogÜbk regelt Modalitäten der Notifikation der Mitglieder der Haager Konferenz sowie der Vertragsstaaten des Übereinkommens durch den Verwahrer über weitere Unterzeichnungen, Ratifikationen, Annahmen, Genehmigungen und Beitritte nach Art. 27, 29, 30 HProrogÜbk.
1 Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht Rz. 311. 2 So zum Beispiel Dänemark für die Faröer Insel und Grönland; https://www.hcch.net/de/instruments/conven tions/status-table/notifications/?csid=1392&disp=resdn (19.8.2021). 3 R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 139. 4 Hierzu Schulz, JPrIL 2 (2006) 265; in Bezug auf den Beitritt der EU zur Haager Konferenz Schulz, ICLQ 56 (2007) 939 ff. 5 EuGH v. 7.2.2006 – C-1/03, ECLI:EU:C:2006:81 – Lugano-Übereinkommen. 6 Vgl. die dahin gehende Erklärung der Europäischen Union zu Art. 30 anlässlich der Zeichnung des Übereinkommens, https://www.hcch.net/en/instruments/conventions/status-table/notifications/?csid=1044&disp=resdn (19.8.2021); ferner Schulz, JPrIL 2 (2006) 265.
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Kap. V: Schlussbestimmungen
Art. 34 HProrogÜbk 2005
Zu Urkund dessen haben die hierzu gehörig befugten Unterzeichneten dieses Übereinkommen unterschrieben. Geschehen in Den Haag am 30.6.2005 in französischer und englischer Sprache, wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, in einer Urschrift, die im Archiv der Regierung des Königreichs der Niederlande hinterlegt und von der jedem Staat, der zur Zeit der Zwanzigsten Tagung der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Mitglied der Konferenz war, sowie jedem Staat, der an dieser Tagung teilgenommen hat, auf diplomatischem Weg eine beglaubigte Abschrift übermittelt wird.
Empfohlenes Formblatt Im Anhang findet sich die Empfehlung zur Verwendung eines Formblattes zur Bestätigung der Anforderungen an eine Entscheidung eines Vertragsstaatengerichts zur Vorlage bei Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Vertragsstaat. Englischsprachige Version: https://assets.hcch.net/docs/4aeb63ea-676a-4cc7-941f-e7546c6cf072.pdf (19.8.2021) Deutschsprachige Version: https://assets.hcch.net/docs/44a112d5-d83e-402d-80db-2b70a5f0f41f.pdf (19.8.2021)
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Haager Übereinkommen vom 2.7.2019 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Convention of 2 July 2019 on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments in Civil or Commercial Matters Die englische Sprachfassung findet sich am Ende der Kommentierung sowie unter dem folgenden Link: https://www.hcch.net/en/instruments/conventions/specialised-sections/judgments (9.9.2021) Die deutsche Sprachfassung des Übereinkommens ist zu finden unter: https://assets.hcch.net/ docs/4a5ea40f-cc38-421a-8801-8322f7953b90.pdf (9.9.2021) Der Kommentierung liegt die im Zeitpunkt der Bearbeitung allein vorliegende englische Sprachfassung des Übereinkommens zugrunde. Schrifttum: Beaumont, Judgments Convention: Application to Governments, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121; Blom, The Court Jurisdiction and Proceedings Transfer Act and the Hague Conference’s Judgments and Jurisdiction Projects, Osgoode Hall Law Review 55 (2018), 257; Bonomi, European Private International Law and Third States, IPRax 2017, 184; Bonomi, Courage or Caution? 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Notification to the Parties of the Convention on Jurisdiction and the Recognition and Enforcement of Judgments in Civil and Commercial Matters, concluded at Lugano on 30 October 2007, Az. 612-D4-D4-D1 – LUG 2/20; EuGH v. 7.2.2006 – 1/03, ECLI:EU:C:2006:81 – Lugano-Übereinkommen; FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions; Garcimartín/Saumier, Explanatory Report on the 2019 HCCH Judgments Convention; Garcimartín/Saumier, Judgments Convention: Revised Draft Explanatory Report; HCCH, Minutes of the Special Commission on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments of 24-29 May 2018; Groupe européen de droit international privé/European Group for Private International Law (GEDIP/EGPIL), Observations on the possible accession of the European Union to the Hague Convention of 2 July 2019 on the Recognition of Foreign Judgments, Text adopted on 9 December 2020 following the virtual meeting of 18–19 September 2020; Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht zum Übereinkommen vom 30.6.2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen; HCCH, Conclusions and Recommendations adopted by the Council (5.–8.3.2019); HCCH, Note on the concept of „Purposeful and Substantial Connection“ in Article 5(1)(g) and 5(1)(n)(ii) of the February 2017 draft Convention, Prel.-Doc No. 6 of September 2017; HCCH, Conclusions of the Special Commission of June 1995 on general affairs and policy of the Conference, Prel. Doc. No. 9 of December 1995; HCCH, Conclusions of the Special Commission of May 2000 on General Affairs and Policy of the Conference, Prel. Doc. No. 10 v. Juni 2000; HCCH, Conclusions of the Working Group Meeting on enforcement of judgments, Prel.-Doc. No. 19 of November 1992; HCCH, Explanatory note providing background on the proposed draft text and identifying outstanding issues, Prel. Doc. No. 2 v. April 2016; HCCH, Note on reconsidering ‘marine pollutioin and emergency towage and salvage’ within the scope of the Draft Convention on the recongition and enforcement of foreign judgments in civil and commercial matters, Prel. Doc. No. 12 of June 2019; HCCH, Ongoing work on judgments – Choice of Court Convention and Judgments Project, Prel. Doc. No. 7A v. November 2015; HCCH, Reflection Paper on the Relationship between the future Judgments Convention and the Convention v. Mai 2015; HCCH, Reflection Paper to assist in the Preparation of a Convention on Jurisdiction and Recognition and Enforcement of foreign Judgments in Civil and Commercial Matters, Prel. Doc. No. 19 v. August 2020; HCCH, Report on the preliminary draft Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters, Prel. Doc. No. 11 v. August 2000; HCCH, Review of the Activities of the Conference in regard to the Convention on Choice of Court Agreements, Prel. Doc. No. 12 v. März 2011; HCCH, Schlussakte der 17. Diplomatischen Konferenz, in Proceedings of the seventeenth Session (1993), Tome I – Miscellaneous matters – Cetenary, S. 29, Den Haag 1995; HCCH, Schlussakte der 18. Diplomatischen Konferenz, in Proceedings of the eighteenth Session (1996), Tome I – Miscellaneous matters, S. 29, Den Haag 1999; HCCH, Some Reflections of the Permanent Bureau on a general Convention on Enforcement of Judgments, Prel. Doc. No. 17 v. Mai 1992; HCCH, Some Reflections on the present State of Negotiations on the Judgments Project in the Context of the future Work Programme of the Conference, Prel. Doc. No. 16 v. Februar 2002; HCCH, Special Commission of June 1994 on the Question of Recognition and Enforcement of Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters, Prel. Doc. No. 1 of August 1994; HCCH, Summary of the Outcome of the Discussion in Commission II of the First Part of the Diplomatic Conference 6–20 June 2001 – Interim Text, prepared by the Permanent Bureau and the Co-Reporters, Proceedings of the Twentieth Session (2005), Tome II, Judgments, 2013; HCCH, Summary of the Outcome of the Discussion in Commission II of the First Part of the Diplomatic Conference 6–20 June 2001: Interim Text; HCCH, The possible exclusion of antitrust matters from the Convention as reflected in Article 2(1)(p) of the 2018 draft Convention, Prel. Doc. No. 2 v. Dezember 2018; HCCH, The pursuit of universality as a strategic objective of the Hague Conference on Private International Law and ways to achieve it, Prel.-Doc. No. 1 v. März 2016; HCCH, Treatment of penalty orders that are imposed on the non-compliance with non-monetary judgments under the 2018 draft Convention, Prel. Doc. No. 3 of February 2019; HCCH, „Synthesis of the Work of the Special Commission of March 1998 on International Jurisdiction and the Effects of Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters“, Prel. Doc. No. 9 v. Juli 1998; HCCH, Report on the Jurisdiction Project, Prel. Doc. No. 3 v. Februar 2021; Jenard, Bericht von Herrn P. Jenard zu dem Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG Nr. C59/1; Nygh/Pocar, Explanatory Report, Prel. Doc. No. 11; OECD, Recommendation of the Council concerning Effective Action against Hard Core Cartels, OECD/LEGAL/ 0452.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung
Einführung I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Status . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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III. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . .
5
IV. Anwendungsbereich (Kapitel 1, Art. 1–3 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zivil- und Handelssache . . . . . . . . . . 2. Räumlicher und zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausgeschlossene Materien . . . . . . . . . 4. Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anerkennung und Vollstreckung (Kapitel 2, Art. 4–15 HAVÜ) . . . . . . . . 1. Grundsatz (Art. 4 HAVÜ) . . . . . . . . . 2. Anerkennungszuständigkeiten (Art. 5 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbindung des Beklagten zum Forumstaat aa) Gewöhnlicher Aufenthalt im Forumstaat (lit. a) . . . . . . . . . . bb) Hauptniederlassung im Erststaat (lit. b) . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Klageerhebung im Erststaat (lit. c); Widerklage (lit. l) . . . . . . . . . . dd) Streitbezogene Niederlassung im Erststaat (lit. d) . . . . . . . . . . . c) Zuständigkeiten kraft Zustimmung/ Unterwerfung . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausdrückliche Zustimmung vor dem Erstgericht (lit. e) . . . . . . . bb) Rügelose Einlassung vor dem Erstgericht (lit. f) . . . . . . . . . . cc) Nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung (lit. m) . . . . d) Verbindung des Streitgegenstandes zum Forumstaat aa) Indirekter Vertragsgerichtsstand (lit. g) . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unbewegliche Mietobjekte (lit. h) cc) Unbewegliche Realsicherheit (lit. i) . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Indirekter Deliktsgerichtsstand (lit. j) . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zuständigkeit in Angelegenheiten eines Trusts (lit. k) . . . . . . . . .
9 10
3. 4.
13 14 18
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5. 6. 7. 8. 9.
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10. 11. 12.
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43 44 47 49 50 51 56
60 67 68 69
e) Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz (Art. 5 Abs. 2 HAVÜ) . . . . . . . . . . f) Wohnraummiete und Eintragung von Grundstücken (Art. 5 Abs. 3 HAVÜ) . . Ausschließliche Zuständigkeit (Art. 6 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . . . . . Versagung der Anerkennung und Vollstreckung (Art. 7 HAVÜ) . . . . . . . a) Allgemeine Versagungsgründe (Art. 7 Abs. 1 HAVÜ) . . . . . . . . . . b) Versagung bei Litispendenz im Zweitstaat (Art. 7 Abs. 2 HAVÜ) . . . . Vorfragen (Art. 8 HAVÜ) . . . . . . . . . . Teilbarkeit (Art. 9 HAVÜ) . . . . . . . . . Strafschadenersatz (Art. 10 HAVÜ) . . . . Gerichtlicher Vergleich (Art. 11 HAVÜ) . Vorzulegende Schriftstücke (Art. 12 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahren (Art. 13 HAVÜ) . . . . . . . . . Verfahrenskosten (Art. 14 HAVÜ) . . . . Favor recognitionis (Art. 15 HAVÜ) . . .
VI. Allgemeine Vorschriften (Kapitel IV, Art. 16–26 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . . 1. Zeitlicher Anwendungsbereich (Art. 16 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erklärungen der Vertragsstaaten (Art. 17–19 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . a) Starke Bezüge zum Zweitstaat (Art. 17 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . . b) Ausschluss bestimmter Rechtsgebiete (Art. 18 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . . c) Vertragsstaat als Verfahrensbeteiligter (Art. 19 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . . 3. Einheitliche Auslegung; Überprüfung (Art. 20, 21 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . 4. Umgang mit Mehrrechtsstaaten (Art. 22 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verhältnis zu anderen internationalen Rechtsinstrumenten (Art. 23 HAVÜ) . .
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VII. Schlussbestimmungen (Art. 24–32 HAVÜ) . . . . . . . . . . . . . VIII. Empfohlenes Formblatt . . . . . . . . . . .
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I. Überblick 1
Das Haager Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen (HAVÜ) regelt die Anerkennung und Vollstreckung vertragsstaatlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in internationalen Sachverhalten. Dies war bereits Gegenstand des Haager Übereinkommens von 1971, welches aller-
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I. Überblick
Einf. HAVÜ 2019
dings lediglich von fünf Staaten ratifiziert worden war1 und daher früh als gescheitert galt.2 Ab 1992 begannen erneut Arbeiten, die jedoch zunächst in einer Sackgasse mündeten, so dass sich die HCCH auf den am ehesten konsensfähigen Gegenstand der internationalen Gerichtsstandsvereinbarungen konzentrierte.3 Hieraus ging das im Jahre 2005 abgeschlossene Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HProrogÜbk) hervor,4 welches am 1.10.2015 in Kraft getreten ist.5 Im Anschluss daran entschied sich die HCCH dafür, Anerkennung und Vollstreckung einerseits, andererseits die Zuständigkeit in getrennten Projekten anzugehen.6 Das „Judgments Project“ führte schließlich zur Verabschiedung des hier zu besprechenden Instruments durch die Diplomatische Konferenz am 2.7.2019, so dass sich die HCCH nunmehr dem „Jurisdiction Project“ zuwendet.7 Ziel des HAVÜ ist die Etablierung eines Mindeststandards für Anerkennungs- und Vollstreckungsentscheidungen in den Vertragsstaaten.8 Hingegen werden weder die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts9 (diese ist dem „Jurisdiction Project“ vorbehalten), noch das Verfahren der Anerkennung- und Vollstreckung geregelt. Somit entscheidet auch unter dem HAVÜ weiterhin das autonome Zivilprozessrecht über die Notwendigkeit eines Exequaturverfahrens10 sowie die Behandlung paralleler Prozesse.11 Dennoch schließt das Instrument eine bestehende Lücke im weltweiten Geflecht internationaler Übereinkommen, die bislang zu erheblichen Unsicherheiten und Risiken führte, wenn ein Urteil im Ausland durchgesetzt werden sollte.12 1 Übereinkommen vom 1.2.1971 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; Albanien, Zypern, Kuwait, Niederlande und Portugal, Statustabelle, https://www. hcch.net/en/instruments/conventions/status-table/?cid=78 (24.8.2021). Die Vertragsstaaten hätten zudem das Übereinkommen durch bilaterale Vereinbarungen in ihren jeweiligen Verhältnissen in Kraft setzen müssen. Diesen Schritt im Rahmen eines sehr vorsichtigen „Vertrauensmanagements“ unternahm indes keiner der fünf Vertragsstaaten, hierzu konzeptionell M. Weller, FS Kronke, 2020, S. 621, 622. 2 Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 206; Stewart, 113 (2019) AJIL 772, 773; van Loon, NIPR 2020, 1, 7; Stein, IPRax 2020, 197, 198. 3 Vgl. eingehend zur Historie noch unten Gliederungspunk III. sowie jüngst Brand, Netherlands International Law Review 67 (2020), 3, 7–10. 4 Hierzu M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR HProrogÜbk, Einl. Rz. 4. 5 Zuletzt, am 28.9.2020, ist das Vereinigte Königreich im Zuge der Neuordnung seiner Justiziellen Kooperation in Zivilsachen nach dem Brexit beigetreten. 6 Hierzu jüngst nochmals Brand, Netherlands International Law Review 67 (2020), 3, 14. 7 Hierzu He, Wuhan University International Law Review 2020-04, 1; Jueptner, Journal of Private International Law 16 (2020), 247; Zhao, 30 SRIEL (2020), 345, 365 ff. Eine erste Arbeitsgruppensitzung fand im Februar 2020 unter dem Vorsitz von Keisuke Takeshita statt, vgl hierzu Report on the Jurisdiction Project, Prel. Doc. No. 3 v. Februar 2021, auch zu den derzeit ventilierten Varianten: entweder ein (offenbar Modell-) Regelwerk direkter Zuständigkeiten oder ein bindendes Instrument zur Koordination paralleler Verfahren. Zu letzterem hat die HCCH eine vergleichende Studie in Auftrag gegeben. Konzeptionell stehen sich ein „first in time“Ansatz und ein „forum non conveniens-“ Ansatz gegenüber, Kombinationen davon werden derzeit erwogen, vgl. ferner Art. 21 und Art. 22 des 2001 Interim Text. 8 Brand, Netherlands International Law Review 67 (2020), 3, 15: „[t]he Convention sets a floor, but does not set a ceiling“; ebenso Zhao, 30 SRIEL (2020), 345, 350; Stein, IPRax 2020, 197, 198; Goddard, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 473, 479; Jacobs, ZfRV 2017, 24, 26; Noodt Taquela/Ruiz AbouNigm, YbPIL 19 (2017/2018), 449, 464; Rumenov, EU and Comparative Law Issues and Challenges Series 3 (2019), 385, 390. 9 Vom HAVÜ werden allerdings mittelbare Auswirkungen erwartet (Vorprägungen der Konzepte für die direkte internationale Zuständigkeit im Jurisdiction Project einerseits, andererseits autonome Anpassungen von Vertragsstaaten, um die Anerkennungschancen der eigenen Urteile zu erhöhen), vgl. Bonomi, IPRax 2017, 184, 187; de Araujo/De Nardi/Lopes/Polido, 16 (2019) Braz.J.Int’l L 19, 22 mit Betonung der Zuständigkeit nach Art. 6; Rumenov, EU and Comparative Law Issues and Challenges Series 3 (2019), 385, 392; vgl. auch Brand, Netherlands International Law Review 67 (2020), 3, 17: „channeling effects“ durch vernünftiges Parteiverhalten. 10 Pertegás in van Calster/Falconis (Hrsg.), European Private International Law at 50, S. 67, 73. 11 Vgl. Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 29 f.; Goddard, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 473, 479. 12 Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 206: „strongly needed“; Brand, Netherlands International Law Review 67 (2020), 3, 4: „potential to provide predictability and efficiency“; Coco, N.Y. Univ. L.R. 94 (2019), 1209, 1212; Stewart, 113 (2019) AJIL 772, 772 f.; Teitz, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 491, 491 f.; van Loon, NIPR 2020, 1, 18.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung 3
Zugleich stellten die Arbeiten an dem Übereinkommen ein Prioritätsprojekt der Europäischen Union dar, die in Ausübung ihrer exklusiven Außenkompetenz im Tätigkeitsbereich der Haager Konferenz eine Annäherung ihres Verhältnisses zu Drittstaaten an die Regelungen der innerhalb des Unionsgebiets erfolgreichen Brüssel-Verordnungen anstrebte.13 Mit dem Übereinkommen sind vielfältige Erwartungen und Hoffnungen verbunden. Sollte es ein Erfolg werden, könnte es den Zugang zum Recht verbessern, da die Orientierung primär an ein und derselben Rechtsquelle die Anerkennung erstrittener Urteile im Ausland erleichtert. Mehrmalige Erkenntnisverfahren in unterschiedlichen Staaten würden so zunehmend entbehrlich.14 Überdies könnten die Parteien bereits zum Zeitpunkt der Einleitung des Erstverfahrens einschätzen, inwieweit die begehrte Entscheidung international anerkennungsfähig und vollstreckbar wäre. Die damit erreichte Vorhersehbarkeit würde die im grenzüberschreitenden Handel erhöht anfallenden Transaktionskosten senken und somit einen Anreiz zum Abschluss internationaler Handelsgeschäfte sowie der Tätigung globaler Investitionen geben, die insgesamt zur Förderung des weltweiten Wirtschaftswachstums beitragen könnten.15 Nicht zuletzt ist es ein erklärter Bestandteil der Justizpolitik der EU, im Verhältnis zu Drittstaaten justizielle Kooperation zu etablieren.16
II. Status 4
Nach Art. 28 Abs. 1 HAVÜ tritt das Übereinkommen in Kraft, sobald es von zwei Staaten ratifiziert worden ist, welche die Geltung im Verhältnis zueinander nicht innerhalb von zwölf Monaten nach der letzten Vertragszustimmung gem. Art. 29 HAVÜ ausgeschlossen haben („opt-out“17). Bisher sind Uruguay, die Ukraine und Israel Signatarstaaten.18 Innerhalb der EU hat die Kommission inzwischen unter Beteiligung der Öffentlichkeit mit dem Entwurf eines Beitrittsvorschlages begonnen und eine erste Folgenabschätzung veröffentlicht.19 Hingegen scheint sich das Vereinigte Königreich derzeit
13 Pertegás in van Calster/Falconis (Hrsg.), European Private International Law at 50, S. 67, 80 f.; Teitz, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 491, 497; kritisch Brand, PittLaw LegStud Research Paper No. 2019-02, 1, 19. 14 de Araujo/De Nardi, Rev.secr.Trib.perm.revis. 2019, 198, 205; Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 15; Goddard, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 473, 476 et seq. 15 Pertegás in van Calster/Falconis (Hrsg.), European Private International Law at 50, S. 67, 80; Stewart, 113 (2019) AJIL 772; R. Wagner, IPRax 2016, 97, 99. 16 Der Europäische Rat, in einem Vermerk vom 11.4.2006 von der Präsidentschaft an den Coreper/Council „Aspects of judicial cooperation in civil matters in the framework of the Strategy for the External Dimension of JHA: Global Freedom, Security and Justice“, European Council (11 April 2006) Council Doc. 8140/06, S. 3, sub II.2.a., R. 8, identifizierte als „method of work“: „To the greatest extent possible, cooperation in the field of judicial cooperation in civil matters with third countries should follow the general framework for the relations between the EU and a particular third country. Account should be taken of the existing level of cooperation, of the legal framework and of reciprocal interest in deepening cooperation in the field of judicial cooperation in civil matters. In particular, the work undertaken within the Hague Conference on Private International Law has provided for useful exchanges with third countries.“ Allerdings ist hieraus bisher nichts hervorgegangen. 17 Vgl. hierzu M. Weller, FS Kronke, 2020, S. 621 ff. 18 Statustabelle zum Übereinkommen, https://www.hcch.net/en/instruments/conventions/status-table/?cid=137 (24.8.2021). 19 Website der EU-Kommission, https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12166Accession-to-the-Judgments-Convention; kritisch zum Beitritt, De Miguel Asensio/Cuniberti/Franzina/Heinze/ Requejo Isidro, IPOL Study requested by the JURI Committee, PE 604.954; positiv hingegen GEDIP/EGPIL, Observations on the possible accession of the European Union to the Hague Convention of 2 July 2019 on the Recognition of Foreign Judgments, Rz. 2 u. 4, welche die Etablierung eines unionsweiten Mindesstandards gegenüber Drittstaatsjudigkaten begrüßt, den Beitritt zur Konvention und ihren eigentlichen Wert für die Union jedoch eher als Anlass zur Erweiterung der Brüssel Ia-VO auffasst (Rz. 9 f.).
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III. Entstehungsgeschichte
Einf. HAVÜ 2019
dem Luganer Übereinkommen zuwenden zu wollen,20 stößt dabei allerdings auf Widerstand der EU,21 und hat inzwischen zumindest das HProrogÜbk gezeichnet, welches nahtlos fortgelten soll.22 Der Beitritt anderer Nationen verbleibt bislang im Ungewissen.23 Das Übereinkommen ist also noch nicht in Kraft getreten. Daher findet sich an dieser Stelle derzeit lediglich eine systematische Einführung und keine vollumfängliche Kommentierung Artikel für Artikel.
III. Entstehungsgeschichte Das HAVÜ kann auf eine lange Entwicklungsgeschichte zurückblicken, die 1992 begann und bis 2019 andauern sollte.24 Formaler Ausgangspunkt war ein Brief des Legal Advisor des US Department of State an den damaligen Generalsekretär der HCCH Georges Droz vom 5.5.1992 mit der Bitte, die Verhandlung einer multilateralen Konvention auf die Agenda zu setzen.25 Zugleich regte die USA wissenschaftlich begleitet durch Arthur von Mehrens „Recognition Convention Study“ an das Projekt als „mixed convention“ umzusetzen, die Kataloge von allgemein anerkannten („green list“) und verbotenen exorbitanten Gerichtsständen („red list“) enthalten sollte.26
5
Diese Anregung wurde zunächst umgesetzt: Auf Vorschlag der Working Group27 beschloss die 17. Di- 6 plomatische Konferenz die Einsetzung einer Special Commission, um die Machbarkeit des Unter-
20 Vgl. Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA), Notification to the Parties of the Convention on Jurisdiction and the Recognition and Enforcement of Judgments in Civil and Commercial Matters, concluded at Lugano on 30 October 2007, Az. 612-D4-D4-D1 – LUG 2/20 sowie die Pressemitteilung des Ministry of Justice v. 28.1.2020 (https://www.gov.uk/government/news/support-for-the-uks-intent-to-ac cede-to-the-lugano-convention-2007); zuversichtlicher hinsichtlich einer Post-Brexit Ratifikation äußerte sich hingegen van Loon, Rev. crit. DIP 2019, 353, 361. 21 Die EU-Kommission plant inzwischen dem Beitrittsersuchen des Vereinigten Königreichs zu widersprechen, vgl. COM(2021) 222 final. Für Drittstaaten bildeten die Haager Konventionen von 2005 und 2019 den geeigneten Rahmen der justitiellen Zusammenarbeit. 22 Private International Law (Implementation of Agreements) Act 2020, Chapter 24; die Explanatory Notes nennen in Rz. 28 auch das HAVÜ als Beitrittsoption. 23 Vgl. für Australien: Douglas/Keys/McKibbin/Mortensen, Federal Law Review 47 (2019), 420, 435 („positive development“); Brasilien: de Araujo/De Nardi/Lopes/Polido, 16 (2019) Braz.J.Int’l L 19, 23 („judgments from Latin American Countries [will] face less opposition“); China: Zhang/Tu, JIDS 00-2020, 1, 22 („the present Belt & Road Initiative incentivizes China to update its rules“); Indien: Khanderia, Commonwealth Law Bulletin 44 (2018), 452, 475 („crucial to India’s international interests“); Japan: Saito, Kobe Law Journal 68, 4, 59, 103 geißelt das Übereinkommen als zu komplex und wenig praxistauglich; Singapur: strategisch abwägend Yeo, SAcLJ 2020 (e-First) Rz. 70 („in line with Singapore’s ambition to become a global player“); Korea: Jang, Korea Private International Law 25 (2019), 437, 510 („Korea will benefit from ratifying this Convention“); Russland: Samoilov/Gladysheva, Arbitration.ru 11 (2019), 77, 82 (Mitwirkung Russlands schaffe günstige Bedingungen für internationales Justizsystem); Südafrika: Khanderia, Journal of African Law 63 (2019), 413, 433 („crucial to the country’s international interests“); Südosteuropa: Rumenov, EU and Comparative Law Issues and Challenges Series 3 (2019), 385, 403 („instrument can have long lasting consequences for […] the economy of the region“); Türkei: skeptisch Efeçınar, Public and Private International Law Bulletin 40 (2020), 785, 805 f. („not dealing with […] many problems in Turkish practice“); USA: Stewart, 113 (2019) AJIL 772, 782 et seq. („the new Convention would seem to benefit U.S. judgment holders […] One could therefore expect support-perhaps even enthusiasm-from the U.S. business and legal communities“); skeptisch Teitz, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 491, 507 et seq. 24 Vgl. zur Historie eingehend jüngst nochmals Brand, Netherlands International Law Review 67 (2020), 3, 7–12. 25 Vgl. Some Reflections of the Permanent Bureau on a general Convention on Enforcement of Judgments, Prel. Doc. No. 17 v. Mai 1992; Letter from the Department of State to the Permanent Bureau v. 5.5.1992 (abrufbar unter https://2009-2017.state.gov). 26 Die Studie blieb unveröffentlicht; vgl. aber den hieraus hervorgegangenen Beitrag von v. Mehren, 57/3 (1994) Law & Contemporary Problems 271, 286. 27 Conclusions of the Working Group Meeting on enforcement of judgments, para. 3, Prel.-Doc. No. 19 of November 1992.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung fangens zu prüfen.28 Diese kam zu einem positiven Ergebnis,29 weshalb die Special Commission on General Affairs and Policy die Empfehlung aussprach, die Erarbeitung eines entsprechenden Übereinkommens anzugehen.30 Auf der 18. Diplomatischen Konferenz im Oktober 1996 beschloss die HCCH dann, das Übereinkommen zum Gegenstand ihrer 19. Konferenz zu machen.31 Damit war gemäß dem vierjährigen Turnus das Jahr 2000 als Schlusspunkt anvisiert. 7
Anders als diese zielstrebige Anlaufphase vermuten lässt, geriet das Vorhaben jedoch bald ins Stocken, als dem für die Diplomatische Konferenz 2000 erarbeiteten Entwurfstext 1999 heftiger Widerspruch entgegen schlug. Dessen Aufbau schien stärker als erwartet an den europäischen Rechtsakten orientiert zu sein und wurde deshalb gerade von Staaten des common law-Rechtskreises skeptisch betrachtet.32 Streitpunkte waren u.a. die internationalen Zuständigkeiten im Bereich des Geistigen Eigentums, die sog. activity-based jurisdiction und die besonderen Gerichtsstände für Verbraucher bzw. Arbeitnehmer.33 Schließlich musste die 19. Diplomatische Konferenz verschoben werden, nachdem die USA ernste Bedenken angemeldet hatten und deswegen das Verfahren der Konferenz von Mehrheitsbeschlüssen auf Einstimmigkeit umgestellt wurde. Die Konferenz brachte dann einen Interim Draft Convention Text 2001 hervor.34 Hierbei blieben die Verhandlungen schließlich stehen.
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Dennoch kam das Projekt nie vollständig zum Erliegen. Nachdem man sich von 2002 bis 2005 zunächst auf die für weitgehend konsensfähige Wahl des Gerichtsstandes als Zuständigkeitsgrund beschränkt hatte,35 startete die Haager Konferenz 2011 einen neuen Versuch zur Etablierung eines umfassenden Übereinkommens.36 Dieses sollte auch die internationale Zuständigkeit adressieren (sog. „convention double“).37 Erneut erwiesen sich die nationalen Differenzen, soweit sie die Ausgestaltung direkter Zuständigkeiten betrafen, als unüberwindbarer Streitpunkt, weshalb man sich im Jahr 2013 dazu entschloss, diese vorerst zurückzustellen und nunmehr ein reines Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen anzustreben (sog. „convention simple“).38 Nach dem Abschluss dieser Arbeiten im Juli 2019 sind die Bestrebungen, auch die internationale Zuständigkeit einer Regelung zuzuführen, indes wieder aufgenommen worden.39
IV. Anwendungsbereich (Kapitel 1, Art. 1–3 HAVÜ) 9
Der Anwendungsbereich des Rechtsaktes wird im Zusammenspiel der Generalnorm des Art. 1 mit Art. 16 HAVÜ (temporaler Anwendungsbereich) und den Ausschlusstatbeständen in Art. 2, ergänzt durch die Legaldefinitionen in Art. 3 HAVÜ, bestimmt. Anders als unter dem HProrogÜbk fehlt das
28 Schlussakte der 17. Diplomatischen Konferenz, Tz. B 2 b (abrufbar unter www.hcch.net). 29 Special Commission of June 1994 on the Question of Recognition and Enforcement of Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters, Prel.-Doc. No. 1 of August 1994. 30 Conclusions of the Special Commission of June 1995 on general affairs and policy of the Conference, Prel. Doc. No. 9 of December 1995. 31 Schlussakte der 18. Diplomatischen Konferenz, Tz. B 1 (abrufbar unter www.hcch.net). 32 Vgl. Conclusions of the Special Commission of May 2000 on General Affairs and Policy of the Conference, Prel. Doc. No. 10 v. Juni 2000; Brand, Netherlands International Law Review 67 (2020), 3, 11; Kessedjian, NIPR 2020, 19, 20. 33 Vgl. Some Reflections on the present State of Negotiations on the Judgments Project in the Context of the future Work Programme of the Conference, Prel. Doc. No. 16 v. Februar 2002. 34 Summary of the Outcome of the Discussion in Commission II of the First Part of the Diplomatic Conference 6–20 June 2001: Interim Text. 35 Vgl. Reflection Paper to assist in the Preparation of a Convention on Jurisdiction and Recognition and Enforcement of foreign Judgments in Civil and Commercial Matters, Prel. Doc. No. 19 v. August 2020, S. 5. 36 Review of the Activities of the Conference in regard to the Convention on Choice of Court Agreements, Prel. Doc. No. 12 v. März 2011; R. Wagner, IPRax 2016, 97, 97 ff. 37 Teitz, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 491, 500; van Loon, Collection of Papers of the Faculty of Law, Nisˇ 82 (2019), 15, 16; R. Wagner, IPRax 2016, 97, 97 ff. 38 Teitz, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 491, 500; van Loon, NIPR 2020, 1, 6; R. Wagner, IPRax 2016, 97, 98 f. 39 Conclusions and Recommendations adopted by the Council (5–8.3.2019) Rz. 5.
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IV. Anwendungsbereich
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explizite Erfordernis eines „internationalen“ Sachverhaltes. Der grenzüberschreitende Bezug ergibt sich kraft Natur der Sache aus der Anerkennungsfrage bzw. Vollstreckungsverlangen in einem vom Sitz des Erstgerichts verschiedenen Vertragsstaat, Art. 1 Abs. 2 HAVÜ. Wohnsitz bzw. gewöhnliche Aufenthalt der Parteien sind für die Frage der räumlichen Anwendbarkeit ohne Belang. 1. Zivil- und Handelssache Die Konvention gilt grundsätzlich für die Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- oder Handels- 10 sachen, Art. 1 Abs. 1 S. 1 HAVÜ. Dieser Punkt war begrifflich in den Verhandlungen nie umstritten, wohl aber dessen Interpretation.40 Die Tendenz geht zu einer restriktiven Auslegung öffentlich-rechtlicher Angelegenheiten, dies freilich längst nicht überall. Die Auslegung von Art. 1 Abs. 1 S. 1 HAVÜ hat dabei nach allgemeinen Grundsätzen autonom zu erfolgen, Art. 20 HAVÜ.41 Darüber hinaus wird eine instrumentübergreifend einheitliche Auslegung mit dem HProrogÜbk angeregt.42 Diese für den komplementären EU-Rechtsakt in Erw.-Gr. (7) der Brüssel I-VO bzw. in der Rom I- und II-VO niedergelegte Vorgehensweise ist ebenso für das Haager „System“43 naheliegend, steht aber immer unter dem Vorbehalt bereichsspezifischer Besonderheiten.44 Entscheidend ist der Rechtscharakter des geltend gemachten Anspruchs, nicht die Einordnung einer der Parteien oder beider Parteien als staatlich bzw. öffentlich-rechtlich verfasst.45 Für die Qualifikation als Zivil- oder Handelssache spricht, dass das dem Streit zugrunde liegende Verhalten ebenso bei Privaten begegnet bzw. dass die Verletzung ebenso von einer Privatperson erlitten werden kann und dass das Anspruchsziel ebenso für Private verfügbar ist.46 Staatliche Stellen, die kollektiv Interessen für Private, z.B. Verbraucher oder Kartellgeschädigte, wahrnehmen, üben öffentliche Gewalt aus.47 Art. 1 Abs. 1 S. 2 HAVÜ stellt die hoheitliche Qualifikation ausdrücklich fest für Staatseinnahmen (revenue), Zollangelegenheiten (customs) und Verwaltungssachen (administrative matters), um die Auslegung insbesondere für die Staaten mit common law-Prägung zu erleichtern, die z.B. Steuerangelegenheiten traditionell privatrechtlich qualifizieren würden.48 Dennoch wird man in behutsamer Anlehnung an den EuGH auch die Klage aus einer solchen Forderung zivilrechtlich einordnen müssen, wenn sie zu Regresszwecken auf einen Privaten übergegangen ist.49 Diese Charakterisierung gilt
40 Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 122. 41 Eingehend hierzu Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 122 ff.; de Araujo/De Nardi, Rev.secr.Trib.perm.revis. 2019, 198, 206; Fuchs, GWR 2019, 395, 396; Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 32 („by reference to the objectives of the draft Convention and its international character, […] applied consistently across other Hague instruments“). 42 Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 211, mit Verweis auf Garcimartín/Saumier, Revised Draft Explanatory Report, Rz. 30 (gemeint sind wohl 26 f.); ähnlich Franzina/Leandro, Quaderni SIDIblog 6 (2019), 215, 217: „Le Convenzioni […], in sostanza, esiti distinti di un’unica impresa, […] sono in effetti strumenti complementari, concepiti per operare congiuntamente e caratterizzati, in funzione di ciò, da un linguaggio in larga parte comune.“ 43 So ausdrücklich Clover Alcolea, McGill Journal of Dispute Resolution 6 (2019–2020), 185, 186. 44 Vgl. mit Bezug auf das Unionsrecht Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31, 66. 45 de Araujo/De Nardi, Rev.secr.Trib.perm.revis. 2019, 198, 206; Fuchs, GWR 2019, 395, 396. 46 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 83, beschreibt hierfür die vorgenannten drei Kernkriterien. 47 Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 126: „Nothing in this Convention shall affect privileges and immunities“. 48 Vgl. In Re State of Norway’s Application (Nos 1 and 2), [1990] 1 AC 723 per Lord Justice Balcombe; Garcimartín/ Saumier, Explanatory Report, Rz. 34 Fn. 26 („civil matters“ or „civil law“ „not a technical term in common law countries“). Eine entsprechende Klarstellung fehlt im HProrogÜbk, weil dies im Kontext von Gerichtsstandsvereinbarungen nicht notwendig und eine Klarstellung in den Materialien ausreichend erschien, Bonomi/ Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 541 mit Verweis auf Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht, Rz. 49 Fn. 73. 49 EuGH v. 5.2.2004 – C-265/02, ECLI:EU:C:2004:77 – Frahuil Rz. 26; zu weit ginge es hingegen mit dem EuGH auch den deliktische Schadensersatz des Fiskus infolge eines Mehrwertsteuerkarussels zivilrechtlich einzuordnen, EuGH v. 12.9.2013 – C-49/12, ECLI:EU:C:2013:545 – Sunico Rz. 26.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung erst recht für sonstige Rückgriffansprüche, die einem Privaten aufgrund der Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Verbindlichkeit gegen den ursprünglichen Schuldner zustehen.50 12
Abschließend ist dieser Regelbeispielkatalog ersichtlich nicht.51 Folglich ist die formelle Zugehörigkeit des Erstgerichts zu einem Gerichtszweig („administrative court“) irrelevant,52 ebenso die Personen der Parteien.53 Art. 2 Abs. 4 HAVÜ stellt vielmehr klar, dass die Beteiligung eines Staates als Partei des Ausgangsverfahrens gerade nicht per se zur Unanwendbarkeit des Übereinkommens führt. Allerdings können Verfahren mit Staatsbeteiligung gem. Art. 19 Abs. 1 HAVÜ durch Erklärung eines Vertragsstaates ausgenommen werden. Dieser Vorbehalt sicherte den sachlichen Anwendungsbereich davor, in noch größerem Maße eingeschränkt zu werden.54 Die Immunität von Staaten und internationalen Organisationen bleibt vom Übereinkommen in jedem Fall unberührt, wie Art. 2 Abs. 5 HAVÜ in Ergänzung zu Art. 2 Abs. 4 HAVÜ klarstellt.55 Hierunter fallen auch Immunitäten, die sich aus dem nationalen Recht des Zweitstaates ergeben.56 Die Reichweite der Staatenimmunität ist also nicht Gegenstand einer konventionsautonomen Auslegung, wie bereits der Wortlaut von Art. 2 Abs. 5 HAVÜ nahelegt.57 Betrifft ein Urteil nur zum Teil eine Zivil- oder Handelssache, kann es gem. Art. 9 HAVÜ, Teilbarkeit vorausgesetzt, insoweit anerkannt und vollstreckt werden.58 2. Räumlicher und zeitlicher Anwendungsbereich
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Art. 1 Abs. 2 HAVÜ legt den räumlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens auf die Anerkennung und Vollstreckung zwischen zwei Vertragsstaaten fest. Somit handelt es sich nicht um eine loi uniforme.59 Vielmehr folgt das Übereinkommen einem Reziprozitätsgedanken.60 Art. 16 HAVÜ präzisiert den maßgeblichen Zeitpunkt für die Vertragsstaateneigenschaft auf die Einleitung des Verfahrens im Ursprungsstaat. In diesem Zeitpunkt müssen also sowohl Erststaat als auch späterer Zweitstaat Vertragsstaaten gewesen sein.61 Dieser Zeitpunkt ist bei autonomer Auslegung (Art. 20 HAVÜ) als Vollendung der ersten prozessualen Handlung zur Einleitung des Verfahrens im Erststaat zu verstehen.62 Je nach Ausgestaltung der lex fori processualis kann also die Einreichung der Klage bei Gericht oder die Zustellung an den Beklagten maßgeblich sein.63 3. Ausgeschlossene Materien
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In Abweichung von der abstrakt-generellen Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs in Art. 1 HAVÜ nimmt Art. 2 HAVÜ eine Vielzahl von Materien des Zivil- und Handelsrechts vom An-
50 Hierzu umfassend Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, S. 90 ff.; vgl. auch In Re CJ CGV Co Limited [2013] VSC 656; Air India Ltd. v. Caribjet Inc. [2001] ArbLR 2 sowie obiter Tullow Uganda Ltd. v. Heritage Oil Plc. [2013] EWHC 1656 (Comm.). 51 Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 211, mit Verweis auf verfassungsrechtliche Streitigkeiten. 52 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 29. 53 Fuchs, GWR 2019, 395, 396, zieht eine Parallele zu Art. 6 Abs. 1 EMRK (EGMR v. 13.7.2006, Stork vs. Deutschland, Nr. 38033/02 § 26: „civil rights and obligations“). 54 Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 123. 55 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 86: „‘nil-effect clause’“ intended to prevent the misinterpretation of paragraph 4. 56 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 89. Ein erklärter Immunitätsverzicht führt nicht zur Anwendung des Übereinkommens, wenn es sich schon um keine Zivil- oder Handelssache handelt. 57 Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 128. 58 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 38. 59 Schack, IPRax 2020, 1, 2. 60 Mariottini, YbPIL 21 (2019/2020), 365, 366; Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 546. Gemäß Art. 24 Abs. 1, 3, ist das HAVÜ allerdings offen für alle Staaten, nicht nur für Mitgliedstaaten der HCCH. 61 Zhao, 30 SRIEL (2020), 345, 354. 62 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 41. 63 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 41.
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wendungsbereich aus.64 Nur zum Teil stimmt der Negativkatalog des Art. 2 Abs. 2 HAVÜ mit Art. 2 Abs. 1–4 HProrogÜbk überein.65 Ausgeschlossene Materien können in der anzuerkennenden Entscheidung als bloße Vorfrage oder Einwendung relevant sein, ohne dass dies zugleich die Unanwendbarkeit des Übereinkommens nach sich zöge, Art. 2 Abs. 2 HAVÜ. Konsequenterweise erstreckt sich die Anerkennungswirkung ausweislich des Art. 8 Abs. 1 HAVÜ jedoch nicht auf solche Vorfragen. Ob eine Angelegenheit „Gegenstand des Verfahrens“ (object of the proceedings) geworden oder eine reine Vorfrage geblieben ist, bestimmt sich danach, womit das Verfahren auf Antrag des Klägers im Ursprungsprozess unmittelbar befasst wird.66 Im Einzelnen ausgeschlossen sind Personenstandssachen, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie 15 die gesetzliche Vertretung natürlicher Personen (lit. a), Unterhaltspflichten (lit. b), sonstige Familiensachen einschließlich ehelicher Güterstände und eheähnlicher Rechtsbeziehungen (lit. c), Erbrechtssachen (lit. d), insolvenzrechtliche Sachen unter Einschluss spezieller Maßnahmen zur Abwicklung von Finanzinstituten (lit. e),67 Streitigkeiten aus Personenbeförderung und Gütertransport (lit. f), grenzüberschreitende bzw. in internationalen Gewässern belegene und schließlich von Schiffen ausgehende Meeresverschmutzungen sowie Beschränkungen der Haftung für Seeforderungen („maritime claims“) und großer Haverei (lit. g),68 die Atomhaftung (lit. h), Bestand, Nichtigkeit und Auflösung juristischer Personen sowie Gültigkeit der Beschlüsse ihrer Organe (lit. i),69 die Gültigkeit von Eintragungen in öffentlichen Registern (lit. j), Ansprüche wegen Verleumdung (lit. k)70 oder die
64 Schack, IPRax 2020, 1, 2: „Verlustliste“; Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 6, in Anlehnung an Art. 1 Abs. 2 EuGVVO: „laundry list“. 65 Übereinstimmungen des Anwendungsbereiches finden sich in lit. a bis lit. d, lit. e abgesehen von der Bankenabwicklung, lit. f bis lit. j, lit. m mit Ausnahme des Urheberrechtes und verwandter Schutzrechte (Leistungsrechte) sowie auf deren Verletzung beruhender, vertraglicher Ansprüche, lit. p unter Ausschluss reiner Inlandskartelle, vgl. M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR Art. 1 HProrogÜbk Rz. 2, Fn. 41 und Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 44 ff. 66 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 75 Fn. 77: „mainly determined by the plaintiff ’s claim“. 67 Der Begriff der „resolution of financial institutions“ bezieht sich auf die vom Financial Stability Board (FSB) ausgegebenen Rahmenbedingungen, welche im Nachgang der Finanzkrise 2008 der Stärkung des internationalen Finanzsystems dienen sollten, vgl. FSB, Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions vom 15.10.2014, https://www.fsb.org/wp-content/uploads/r_141015.pdf. Maßnahmen hierunter sind in aller Regel bereits keine Zivil- oder Handelssache, sondern Verwaltungsangelegenheiten, Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 50. 68 Damit sind anders als im HProrogÜbk Ansprüche aus (inländischer) Meeressverschmutzung sowie Notschlepp- und Bergungsdienste, die nicht auf hoheitlicher Grundlage durchgeführt werden, erfasst. Keine der internationalen Konventionen zu diesen Sachgegenständen enthält Regelungen zur Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen darüber, vgl. Note on reconsidering ‘marine pollutioin and emergency towage and salvage’ within the scope of the Draft Convention on the recongition and enforcement of foreign judgments in civil and commercial matters, Prel.-Doc. No. 12 of June 2019, Rz. 50, 61 ff., so dass der grundsätzliche Einschluss dieser Materien im HAVÜ in Abweichung vom HProrogÜbk als Gewinn zu betrachten ist, Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537 (542 f.). 69 Mit „associations of natural or legal persons“ sind im Unterschied zum HProrogÜbk explizit auch Vereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit vom Ausschlusstatbestand erfasst. Häufig sind diese Fragen bereits Gegenstand der ausschließlichen Zuständigkeit des Gründungsrechtsstaates, vgl. z.B. Art. 24 Nr. 2 Brüssel Ia-VO, weshalb derartige Entscheidungen zumeist auch nicht anerkannt werden. Nicht ausgeschlossen sind sonstige gesellschaftsrechtliche Urteile, z.B. zur Vorstandshaftung oder zur Dividendenzahlung bzw. zur Leistung von Mitgliedschaftsbeiträgen, sowie Ansprüche der oder gegen die Gesellschaft aus Vertrag oder Delikt gegenüber Dritten, vgl. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 57. 70 „Defamation“ und „privacy“ (zu letzterer sogleich im Folgenden) betreffen jeweils sensible Rechtsgüter von Verfassungsrang und sind zudem im internationalen Vergleich allzu heterogen ausgestaltet, so dass eine weitreichende Anwendung des Ordre-public-Vorbehaltes zu befürchten war, vgl. Stein, IPRax 2020, 197, 200; Douglas/Keys/McKibbin/Mortensen, Federal Law Review 47 (2019), 420, 427; Mariottini, YbPIL 19 (2017/2018), 475, 477 ff.; aus chinesicher Perspektive auch Zhang, Wuhan University International Law Review 2019-01, 41, 46 ff.; Die Verleumdung erfasst die Herabwürdigung von natürlichen und juristischen Personen, ohne dass es auf das Kommunikationsmittel ankäme, vgl. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 60.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung Privatsphäre betreffend (lit. l),71 Rechte des geistigen Eigentums (lit. m)72 und das Kartellrecht mit Ausnahme von Urteilen zu inländischen, kartellprivatrechtlichen Ansprüche im Zusammenhang mit bestimmten, im Text näher beschriebenen, typischerweise Hardcore-Kartelle betreffende Verhaltensweisen (lit. p).73 Weithin um eine Konkretisierung denn eine weitere konstitutive Ausnahme vom Tatbestand der Zivil- oder Handelssache handelt es sich bei den hoheitlich zu klassifizierenden Handlungen bewaffneter Streitkräfte, einschließlich der Handlungen von Soldaten bei der Ausübung ihrer dienstlichen Verpflichtungen (lit. n),74 neben den Aktivitäten der Strafverfolgung, inklusive der Handlungen ihrer Organe bei der Ausübung ihrer dienstlichen Verpflichtungen (lit. o).75 Dasselbe lässt sich für den Ausschluss der Staatsschuldenrestrukturierung durch einseitige hoheitliche Maßnahmen annehmen (lit. q).76
71 Die Verletzung der Privatsphäre („privacy“) kann annäherungsweise als unbefugte Veröffentlichung von Informationen zur privaten Lebensführung umschrieben werden, Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 61. In Abgrenzung zur Verleumdung erfasst die Privatsphäre nur Tatsachen, nicht aber unwahre Informationen, vgl. Mariottini, YbPIL 19 (2017/2018), 475, 480. Infolge dieser Fokussierung auf die private Lebensführung greift der Ausnahmetatbestand nicht für Gesellschaften und umfasst auch Datenschutzrecht nur, soweit natürliche Personen betroffen sind, vgl. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 62 f.; Mariottini, YbPIL 19 (2017/2018), 475, 46. Die Beschränkung auf natürliche Personen entspräche freilich dem persönlichen Anwendungsbereich des spezifischen Datenschutzrechts der EU, vgl. Art. 1 Abs. 1 DSGVO. Für eine weitere Lesart plädiert hingegen North, Netherlands International Law Review 67 (2020), 33, 42 ff. 72 Insbesondere die EU, Brasilien und Israel setzten sich dafür ein, das Recht des geistigen Eigentums vollständig dem Anwendungsbereich des Übereinkommens zu unterstellen, de Araujo/De Nardi, Rev.secr.Trib.perm.revis. 2019, 198, 207; Fuchs, GWR 2019, 395, 396. Entsprechendes wird von den einschlägigen Verbänden berichtet. Zum ganzen eingehend auch Zhao, 30 SRIEL (2020), 345, 362 ff. Letztlich erwiesen sich die Interessensunterschiede jedoch als zu gegensätzlich, um eine Einigung zu erreichen. Selbst eine Beschränkung auf das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Leistungsrechte) nach dem Vorbild des Art. 1 Abs. 2 lit. m u. n HProrogÜbk ließ sich politisch nicht durchsetzen, vgl. Lundstedt, IIC 50 (2019), 933, 934, die von einer „verpassten Chance“ spricht. Für den Anwendungsbereich des Regelungsinstrumentes ist das geistige Eigentum daher nur noch als Vorfrage oder als Gegenstand eines Lizenzvertrages relevant, Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 65. 73 Die im Text anzutreffende Doppelterminologie „anti-trust (competition)“ ist auf die unterschiedlichen Begrifflichkeiten in den USA bzw. in Europa zurückzuführen, Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 70. Zudem bestehen weltweit Unterschiede hinsichtlich der Durchsetzung derartiger Regelungen. Während sich einige Staaten hierzu privater Marktteilnehmer bedienen (funktionale Subjektivierung; „private enforcement“), erachten andere Länder dies primär als eine behördliche Aufgabe, vgl. etwa Stewart, 113 (2019) AJIL 772, 777. Die Haager Konferenz hat sich mit dieser auch stark von industriepolitischen Interessen geprägten Problemlage in Prel. Doc. No. 4 v. Dezember 2016 Rz. 41 und No. 2 v. Dezember 2018 eingehend auseinandergesetzt und konnte letztlich den im Normtext niedergelegten, an die Definition von Hardcore-Kartellen in der Empfehlung der OECD vom 2.7.2019 angelehnten Kompromiss erreichen, der Urteile in Bezug auf die genannten Verhaltensweisen innerhalb des Urteilsstaates erfasst. Über diese territoriale Grenze hinausgehende Urteile dürften sich nach Art. 9 zumindest teilweise, nämlich beschränkt auf eben dieses Territorium, unter dem Übereinkommen vollstrecken lassen, Stein, IPRax 2020, 197, 200; Zhao, 30 SRIEL (2020), 345, 363 ff. Im Unterschied zum HProrogÜbk liegen kartellprivatrechtliche Ansprüche somit nicht vollkommen außerhalb des Anwendungsbereichs des Instruments. Dennoch erfasst diese Rückausnahme nicht das international deutlich heterogener interpretierte Konzept des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung. Nicht ausgeschlossen wird auch das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb, Garcimartín/Saumier, Revised Draft Explanatory Report, Rz. 62. Kartellbehördliches Vorgehen stellt als öffentlich-rechtliches Verfahren hingegen schon keine Zivil- oder Handelssache dar. Aus Perspektive der EU stellt sich in diesem Zusammenhang die von Stein, IPRax 2020, 197, 200 aufgeworfene Frage, ob Binnenmarktsachverhalte über Art. 26 Abs. 4 als „inländisch“ gelten sollen. 74 Der Ausschluss mag mehr als nur deklaratorische Bedeutung haben, sofern er auch Beschaffungsmaßnahmen erfasst, in diese Richtung Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 129, mit Verweis auf public procurement of weapons. Das HProrogÜbk enthält entsprechende Ausschlüsse jedenfalls nicht. 75 Vgl. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 68; Stein, IPRax 2020, 197, 199. 76 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 74 Fn. 76; diese Lösung ist angelehnt an EuGH v. 15.11.2018 – C-308/17, ECLI:EU:C:2018:911 – Kuhn, Tz. 42 f. zur nachträglichen Einsetzung einer Umstrukturierungsklausel („Collective Action Clause“) in die Anleihebedingungen im Rahmen der griechischen Staatsschuldenkrise, Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 131; Stein, IPRax 2020, 197, 199.
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Im Vergleich zum HProrogÜbk ergibt sich daraus, dass dort das Deliktsrecht und dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen ausgenommen sind, während sie hier erfasst werden. Ferner finden sich hier eingeschränkt erfasste, hingegen dort gänzlich ausgeschlossenen Materien (Wettbewerbsrecht, Meeresverschmutzung). Demgegenüber ist hier der Ausschluss des geistigen Eigentums in Ansehung des Urheberrechts erweitert, und anders als dort ist hier das Persönlichkeitsrecht ganz ausgenommen, wobei sich dieser letzte Befund unmittelbar dadurch erklärt, dass hier zunächst und anders als im HProrogÜbk das (gesamte) Deliktsrecht erfasst ist.
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Nach Art. 18 HAVÜ können dem Anwendungsbereich des Übereinkommens weitere Materien durch 17 einseitige Erklärung der Vertragsstaaten entzogen werden.77 Art. 2 Abs. 3 HAVÜ nimmt generell die Schiedsgerichtsbarkeit und auf Schiedsverfahren bezogene Verfahren vor staatlichen Gerichten vom Anwendungsbereich aus.78 4. Definitionen Für die einheitliche Auslegung des Übereinkommens hält die Hilfsnorm des Art. 3 HAVÜ zwei Definitionen für die zentralen Begrifflichkeiten „Beklagter“ und „Urteil“ sowie Kriterien zur autonomen Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes einer juristischen Person bzw. parteifähiger Personenvereinigung bereit.
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Als Beklagter (Art. 3 Abs. 1 lit. a HAVÜ) ist zunächst diejenige Person anzusehen, gegen welche im Erststaat Klage bzw. Widerklage erhoben worden ist. Hierbei kann es sich auch um den Drittwiderbeklagten oder den Rechtsnachfolger des Beklagten handeln – etwa infolge einer Abtretung oder der Rechtsnachfolge von Todes wegen.79
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Unter einem „Urteil“ (Art. 3 Abs. 1 lit. b HAVÜ) wird – in breitem Verständnis – jede gerichtliche 20 Entscheidung in der Sache, sei sie auf Zahlung gerichtet, sei sie sonstigen Inhalts, auch durch Versäumnisurteil, einschließlich diesbezüglich ergangener Kostenfestsetzungsbeschlüsse, verstanden.80 Vergleiche sind unter den Maßgaben von Art. 11 HAVÜ hinsichtlich ihrer Vollstreckbarkeit Urteilen gleichgestellt.81 Hierzu gehört insbesondere, dass der Vergleich gerichtlich bestätigt ist („… which a court of a Contracting State has approved …“). Diese Voraussetzung grenzt zugleich das HAVÜ von der neuen UN (Singapur) Convention on International Settlement Agreements von 2018 ab.82
77 Die Erklärung soll den Gegenstand so genau wie möglich benennen, vgl. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 336 ff.; Stein, IPRax 2020, 197, 200; Stewart, 113 (2019) AJIL 772, 781. Bspw. beschreibt die EU die unter Art. 21 HProrogÜbk ausgenommenen Versicherungssachen minutiös. 78 Hierdurch sollen vornehmlich Überschneidungen mit dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen vom 10.6.1958 vermieden werden, Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 78 ff. Die Vorschrift ist daher weit auszulegen und soll sogar ein staatliches Urteil eines Vertragsstaatengerichts erfassen, welches (aus Sicht des Zweitgerichts) eine Schiedsvereinbarung verletzt, selbst wenn das staatliche Gericht über die (Un-) Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung als Vorfragen ausdrücklich entschieden hat, Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 67. Vgl. zur Schiedsgerichtsbarkeit auch Sachs/ Weiler, in FS Thümmel, 2020, S. 764, 777 ff. sowie aus japanischer Perspektive Takeshita, Japanese Commercial Arbitration Journal 2020-02, 10. 79 Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 14; Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 92. 80 Vgl. ebenso Art. 4 Abs. 1 HProrogÜbk. Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 97, 107, betont überdies die Einbeziehung von „permanent injunctions“ bzw. „final injunctive relief“ (funktional Nichtzahlungsurteile), erlaubt zugleich dann eine weitreichende Ordre-public-Kontrolle („territorial sovereignty“) nach Art. 7 Abs. 1 lit. c gegenüber extraterritorialen Effekten. 81 Mangels Rechtskraft sind sie jedoch nicht anerkennungsfähig, vgl. Schack, IPRax 2020, 1, 3; vgl. auch Fuchs, GWR 2019, 395, 396. 82 Art. 1 Abs. 3 United Nations (Singapore) Convention on International Settlement Agreements Resulting from Mediation (New York, 2018), in Kraft getreten am 12.9.2020: „This Convention does not apply to: (a) Settlement agreements: (i) that have been approved by a court or concluded in the course of proceedings before a court; and (ii) that are enforceable as a judgment in the State of that court.“
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Gerichte können lediglich jene Spruchkörper sein, die Teil der staatlichen Judikative sind und rechtsprechende Funktionen wahrnehmen.83 Behördliche Rechtsakte bieten somit selbst dann keine taugliche Grundlage für eine Anerkennung und Vollstreckung nach dem Übereinkommen, wenn sie durch Kollektivorgane der Verwaltung mit quasi-gerichtlicher Aufgabe ergangen sind.84 Die Entscheidung eines Gerichts erfolgt in der Sache, wenn es sich in einem irgendwie gearteten streitigen Verfahren mit dem zur Disposition gestellten Anspruch auseinandersetzt.85 Erfasst sind somit auch Versäumnisurteile und Entscheidungen in Kollektivverfahren, nicht aber Exequaturentscheidungen oder Vollstreckungsmaßnahmen (z.B. Pfändung) selbst.86
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Urteile, die ein Tun oder Unterlassen anordnen, sind, wie oben dargestellt, vom Anwendungsbereich erfasst.87 Problematisch sind Zahlungsanordnungen (z.B. die astreinte) zur Durchsetzung solcher Verhaltenspflichten, die teilweise direkt im Urteil mitangeordnet, teilweise von anderen Spruchkörpern im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens erlassen, teilweise dem Staat, teilweise der Partei zufließen, teilweise pauschal, teilweise in Zeiteinheiten der Säumnis bemessen werden. Der Explanatory Report hat die Frage, ob solche Anordnungen miterfasst sein sollen, letztlich als „constructive ambiguity“88 offen gelassen,89 dies unter Verweis auf intensive Diskussionen90 (ohne Ergebnisse) im Vorfeld.91 Im Grundsatz sind zwei Varianten möglich:92 Entweder man versteht solche Zahlungsanordnungen immer als territorial beschränkt oder aber man sieht sie, in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 55 Brüssel Ia-VO, zumindest dann in den Begriff des „Urteils“ einbezogen, wenn sie von dem erkennenden Gericht ergänzend ausgeurteilt und die Summe bereits nominell bestimmt ist, unabhängig davon, ob die Summe der Partei oder dem Gerichtsstaat zufließt.93 Ersichtlich führt der letztgenannte Ansatz zu Anwendungsunterschieden je nach der lex fori des Erststaates, und dies mag überwiegend für die erstgenannte Auslegung sprechen.94
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Ergeht ein Gerichtsbescheid zwecks Zahlung einer unbestrittenen Geldforderung auf Betreiben allein einer Partei (ex parte order), so handelt es sich nicht um ein streitiges Verfahren.95 Anders liegt der Fall, wenn die konkrete rechtliche Ausgestaltung des Verfahrens dem Antragsgegner ausreichend Gelegenheit zum Widerspruch einräumt; der Vollstreckungsbescheid infolge eines deutschen Mahnverfahrens gem. §§ 699, 700 Abs. 1 ZPO ist daher nicht nur nach deutschem autonomem Prozessrecht einem Versäumnisurteil gleichgestellt, sondern zugleich (wie auch ein Versäumnisurteil) „Urteil“ im Sinne der Konvention.96
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Kategorisch gem. Art. 3 Abs. 1 lit. b S. 2 HAVÜ vom Urteilsbegriff ausgenommen sind alle vorläufigen Schutzmaßnahmen, d.h. Entscheidungen zur Wahrung des status quo während des Verfahrens oder zur Sicherung eines Vermögensgegenstand für eine eventuelle spätere Vollstreckung.97 Dies erscheint vor dem Hintergrund der nationalen Unterschiede in diesem Bereich verständlich, kann aber 83 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 102. Diese Umschreibung in den Materialien entspricht im Ergebnis einem Vorschlag für eine Legaldefinition, welche sich letztlich in den Verhandlungen zum Übereinkommen nicht durchzusetzen vermochte, Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 101 f. 84 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 102; folglich lassen sich kartellbehördliche Maßnahmen (Art. 1 Abs. 2 lit. p) auch auf diesem Wege nicht dem Anwendungsbereich der Konvention unterwerfen, vgl. Prel. Doc. No. 2 v. Dezember 2018 Rz. 15f. 85 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 95. 86 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 95 u. Fn. 88. 87 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 96; Zhao, 30 SRIEL (2020), 345, 354: „important feature … marking a departure from the traditional common law approach“. 88 Eingehend zu Interpretationsmöglichkeiten in Ansehung dieser Lücke Garcimartín, Netherlands International Law Review 67 (2020), 19, 23 ff. 89 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 97. 90 Vgl. insb. Prel. Doc. No. 3 of February 2019. 91 Minutes of the Special Commission on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments of 24–29 May 2018, at No. 6, paras 42–51. 92 Garcimartín, Netherlands International Law Review 67 (2020), 19, 23 ff. 93 EuGH v. 18.10.2011 – C-406/09, ECLI:EU:C:2011:668 – Realchemie Nederland BV vs. Bayer. 94 Garcimartín, Netherlands International Law Review 67 (2020), 19, 24 f.: „non-level playing field“. 95 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 95. 96 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 95 u. Fn. 90. 97 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 99.
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IV. Anwendungsbereich
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zu Recht mit Blick auf die große praktische Bedeutung solcher Verfahren kritisch hinterfragt werden,98 zumal längst nicht notwendig ein Hauptsacheverfahren folgt. In den frühen Entwürfen zur convention double waren Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes noch eingeschlossen.99 In Übereinstimmung mit den übrigen Haager Instrumenten100 enthält die Konvention keine allgemeine Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes (habitual residence) natürlicher Personen. Näherungsweise wird er in dem Staat lokalisiert, wo die Person „lebt“.101 Im Übrigen soll bei der Bestimmung des Ortes der internationale Charakter des Rechtsaktes inklusive des Zieles einheitlicher Anwendung leitend sein.102 Dass ohne Definitionsnorm dem Gebot des Art. 20 HAVÜ zum Trotz die Gefahr divergierender Auslegung in den einzelnen Vertragsstaaten droht, liegt auf der Hand.103
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Konkretisieren lässt sich die Terminologie somit nur im – vorsichtigen, bereichsspezifische Besonderheiten aussondernden – Rückgriff auf die zu den übrigen Haager Übereinkommen ergangene Literatur und Rechtsprechung, sowie das klassische Instrumentarium des Internationalen Zivilprozessrechts.104 Systematisch ist das Konzept des tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthaltes zum einen vom rein physisch vermittelten schlichten Aufenthalt und zum anderen vom normativ geprägten und international schillernden Begriff des Wohnsitzes (domicile) abzugrenzen.105 Demzufolge lässt er sich als Verweilen über einen angemessen langen Zeitraum an jenem Ort umschreiben, der zugleich den Schwerpunkt der sozio-ökonomischen Interessen des Betroffenen ausmacht,106 für dessen Bestimmung dem Willen der Person nur inzidentelle Wirkung zukommt.107 Relevante Gesichtspunkte sollen u.a. der primäre Wohnort, die Lage der Arbeitsstätte oder der Niederlassung des Betriebes, auch eines Ehegatten, sowie der Schulstandort etwaiger Kinder sein.108
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Aus dieser Sichtweise erklärt sich zugleich, warum der gewöhnliche Aufenthalt von juristischen Personen und parteifähigen109 Personenvereinigungen in Art. 3 Abs. 2 HAVÜ eine ausdrückliche Regelung gefunden hat. Anders als bei natürlichen Personen handelt es sich bei diesen um Produkte der jeweiligen Rechtsordnung, die nicht über einen natürlichen Lebensmittelpunkt im obigen Sinne verfügen und in ihrer individuellen Ausgestaltung stark variieren.110 Um den typischerweise vielfältigen lokalen Verbindungen gerecht zu werden, sieht Art. 3 Abs. 2 HAVÜ zur Anknüpfung alternativ den satzungsmäßigen Sitz (lit. a), den Ort der Hauptverwaltung111 (lit. c) oder der Hauptniederlassung112 (lit. d) sowie denjenigen Staat vor, nach dessen Recht das Rechtssubjekt gegründet bzw. eingetragen worden ist (lit. c).113 In der letzten Variante des lit. c endet die Parallele zu Art. 63 Brüssel Ia-VO.114 Ein Staat, schon normsystematisch von Art. 3 Abs. 2 HAVÜ nicht erfasst, obwohl natürlich auch ein
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98 Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 545: „disappointing“; Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 6; zustimmend jedoch Schack, ZEuP 2014, 824, 833. 99 Art. 13 der 1999 Draft Preliminary Convention, Prel. Doc. No. 11 v. August 2000. 100 Vgl. Art. 3 HCCH 2007 Maintenance Protocol; Art. 20 HCCH 2007 Child Support Convention; Art. 5 HCCH 2000 Adult Protection Convention; Art. 5 HCCH 1996 Child Protection Convention; Art. 2 HCCH 1993 Intercountry Adoption Convention; Art. 2 HCCH 1980 Child Abduction Convention. 101 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 139. 102 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 142. 103 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 142; M. Weller, YbPIL 21 (2019/2020), 279, 284 f. 104 Vgl. Nygh/Pocar, Explanatory Report, S. 40, welche die weitere Konkretisierung der Praxis vorbehalten wollen. 105 Clive, Jurid.Rev. 50 (1997), 137, 139; Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 142; Nygh/Pocar, Explanatory Report, S. 40; s. zum Brüsseler Übereinkommen Jenard-Bericht, ABl. EG Nr. C59/1, S. 15. 106 Vgl. Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 13; Nygh/Pocar, Explanatory Report, S. 40. 107 Nygh/Pocar, Explanatory Report, S. 40; soweit bei einem Aufenthaltswechsel noch keine ausreichende Verweildauer besteht, muss dem subjektiven Zweck aber größere Bedeutung zukommen, Clive, Jurid.Rev. 50 (1997), 137, 140; diesem „beweglichen System“ entgeht die Haager Konferenz in Prel. Doc. No. 2 v. April 2016, Rz. 77, wenn sie multiple Aufenthaltsorte natürlicher Personen anerkennt. 108 Vgl. Lortie/Groff, Handbuch zum Haager Unterhaltsprotokoll 2007 (2013), Rz. 108. 109 Nach Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 105 ist allein die Parteifähigkeit maßgeblich. 110 Vgl. Nygh/Pocar, Explanatory Report, S. 41. 111 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 107: Ort der Leitentscheidungen („brain of the entitity“). 112 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 107: Schwerpunkt der Tätigkeit („muscles of the entity“). 113 Nygh/Pocar, Explanatory Report, S. 41: Gründungsrecht fungiert vornehmlich als Auffangtatbestand. 114 Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 13; das Gründungsrecht erscheint jedoch in Abs. 2 der Vorschrift als letzte Variante einer Hilfsanknüpfung.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung solcher eine „entity“ i.S.d. Vorschrift ist, hat seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ (nur) auf dem eigenen Territorium, ebenso wie seine „Stellen“ („public authorities“).115
V. Anerkennung und Vollstreckung (Kapitel 2, Art. 4–15 HAVÜ) 28
Kapitel 2 beinhaltet als „Kern des Übereinkommens“116 die vertragsstaatsgerichtliche Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen der Gerichte anderer Vertragsstaaten. Hierzu statuiert Art. 4 HAVÜ die allgemeinen Voraussetzungen, welche ein Urteil erfüllen muss, um im Anwendungsbereich des Übereinkommens grundsätzlich anerkennungs- und vollstreckungsfähig zu sein. Die konkreten Voraussetzungen in Ansehung der indirekten Zuständigkeit werden in Art. 5 HAVÜ gesetzt. Ergänzend dazu enthält Art. 6 HAVÜ die einzige ausschließliche (indirekte) Zuständigkeitsbestimmung. Passiert ein Urteil diese zuständigkeitsrechtlichen „Filter“,117 so kann dessen Anerkennung und Vollstreckung (nur noch) nach Maßgabe der in Art. 7 HAVÜ niedergelegten Gründe versagt werden. Darüber hinaus enthalten auch Art. 8 Abs. 2 HAVÜ u. 10 Versagungsgründe für bestimmte Konstellationen. Damit strukturiert das Übereinkommen die Anerkennung ersichtlich in „Voraussetzungen“ und „Versagungsgründe“. Welche Rechtsfolgen, etwa in Ansehung der Beweislastverteilung, eventuell an diese Struktur anknüpfen, ist freilich nicht ganz klar.118 Zusätzlich werden einzelne Anwendungsfragen in Art. 8–11 HAVÜ mit einer eigenen Regelung bedacht. Demgegenüber betreffen die Art. 12–14 HAVÜ Modalitäten der prozessualen Geltendmachung. Schließlich regelt Art. 15 HAVÜ das Verhältnis der Konvention zum nationalen Recht durch ein Günstigkeitsprinzip. 1. Grundsatz (Art. 4 HAVÜ)
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Art. 4 Abs. 1 S. 1 HAVÜ spricht zunächst die zentrale völkervertragliche Verbindlichkeit zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile aus anderen Vertragsstaaten in Übereinstimmung mit den Vorschriften des zweiten Kapitels aus.119 Ausweislich des Art. 4 Abs. 1 S. 2 HAVÜ steht diese Pflicht dabei weder im Ermessen der Vertragspartner,120 noch können sie sich ihrer durch Rückgriff auf das autonome Zivilprozessrecht entledigen.121 Vielmehr sind allein die im Übereinkommen enumerierten Versagungsgründe verfügbar.
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Weitergehend stellt Art. 4 Abs. 2 S. 1 HAVÜ klar, dass die Entscheidung nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden darf (révision au fond). Hiervon ausgenommen bleiben gem. Art. 4 Abs. 2 S. 2 HAVÜ diejenigen Fragen, welche zur Anwendung des Übereinkommens zwingend zu beantworten sind.122 Solche stellen sich insbesondere in Ansehung der Anerkennungsvoraussetzungen und -hindernisse der Art. 5-7 HAVÜ. So ist beispielsweise bei Anwendung des Art. 5 Abs. 1 lit. g HAVÜ vollständig nachprüfbar, wo sich der vertragliche Erfüllungsort befindet.123 Im Gegensatz zum HProrogÜbk124 ist das Zweitgericht hierbei (entgegen Vorentwürfen) nicht an die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes gebunden, sondern kann diese hinsichtlich der relevanten Umstände selbst prüfen. Obwohl eine weitergehende Beschränkung der Zweitüberprüfungskompetenzen das Exequaturverfahren verkürzen und entlasten könnte,125 galt dies letztlich als nicht mehr angemessenes „Vertrauensmanagement“ für eine globale convention simple.126 115 116 117 118 119 120 121 122 123 124 125 126
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Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 104, Fn. 102. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 23; North, IPRax 2020, 202, 205. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, e.g. Rz. 23, 134 and passim: „jurisdictional filters“. M. Weller, FS Kronke, 2020, S. 621, 629. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 110. Fuchs, GWR 2019, 395, 397. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 112; Goddard, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 473, 480. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 122; Schack, IPRax 2020, 1, 4. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 123. Vgl. Art. 8 Abs. 2 S. 2 HProrogÜbk; so auch der Vorentwurf, vgl. R. Wagner, IPRax 2016, 97, 100. So etwa Jacobs, ZfRV 2017, 24, 27. M. Weller, FS Kronke, 2020, S. 621, 627 f.; Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 227; Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 121; Schack, ZEuP 2014, 824, 836 f.
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V. Anerkennung und Vollstreckung
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Um im Ausland Wirkungen zeitigen zu können, muss das Urteil nach Art. 4 Abs. 3 HAVÜ zunächst 31 im Ursprungsstaat selbst wirksam bzw. (überhaupt) Wirkungen hervorbringen, insbesondere (zumindest vorläufig) vollstreckbar sein, sofern die Vollstreckung im Zweitstaat angestrebt wird. Hierin kommt in einem Kernbereich die noch in einer Entwurfsfassung des Übereinkommens ausdrücklich vorgesehene Theorie der Wirkungserstreckung zum Ausdruck, welche die Urteilswirkung nach dem Recht des Ursprungsstaates bestimmen möchte.127 Aus Sorge vor den Auswirkungen einer solchen Erstreckung, insbesondere auf issue preclusion und collateral estoppel, wurde der Passus jedoch später wieder gestrichen und die Frage über Art. 4 Abs. 3 HAVÜ hinaus dem Zweitstaat überlassen.128 Diesem steht es daher ebenso offen, anstelle einer Wirkungsgleichstellung oder Wirkungserstreckung eine Kombinationslösung anzuordnen.129 In Übereinstimmung mit dieser Wertung ist der ersuchte Staat nicht gehalten, Rechtsbehelfe zu schaffen, die sein nationales Recht nicht kennt, bloß weil ein solcher im Erststaat zugesprochen worden ist.130 Er soll aber die nationalen Vollstreckungsmöglichkeiten so weit wie möglich ausreizen, um dem Grundsatz des Art. 4 Abs. 1 S. 1 HAVÜ effektiv umzusetzen.131 Zu diesen Effekten des Urteiles zählt grundsätzlich auch die (materielle) Rechtskraft („res iudicata“, 32 „autorité de chose jugée“).132 Angesichts der vielfältigen Unterschiede in den einzelnen Rechtsordnungen bedarf es insoweit einer einheitlichen Bestimmung, als aus der Anerkennungspflicht folgt, dass ein entschiedener Anspruch nicht in einem anderen Vertragsstaat erneut geltend gemacht werden kann.133 Allerdings schweigt das HAVÜ auch insoweit dazu, ob das Recht des Erststaates (Wirkungserstreckung), das Recht des Zweitstaates (Gleichstellung bzw. Nostrifizierierung), eine Kombination (ggf. Kumulation) aus diesen beiden Rechtsordnungen oder aber ein autonomer Standard gilt. Die besseren Gründe sprechen wohl für eine Wirkungserstreckung, zumindest in Ansehung des „operative part“, also dem Tenor einschließlich der tragenden Gründe („dispositif“),134 dies sowohl teleologisch als auch aus Gründen des Gleichlaufs mit dem HProrogÜbk.135 Dem Zweitstaat steht es freilich offen, weitere Wirkungen gemäß seiner lex fori zuzugestehen, auch wenn dies für die Parteien ggf. überraschend sein könnte.136 Von Relevanz ist diese Unterscheidung gerade für Staaten des common law-Rechtskreises, welche über die Rechtsinstitute der issue estoppel, issue preclusion oder collateral estoppel bereits (mitentschiedenen) Vorfragen eine Bindungswirkung für spätere Prozesse zukommen lassen.137 Wenn also das erststaatliche Gericht eine Klage aus Vertrag wegen Nichtigkeit desselben abweist und sich hierauf auf fehlende Geschäftsfähigkeit stützt („operative part“), zugleich aber fehlender Konsens vorliegt, insofern die lex fori aber eine weitere Klage aus Vertrag ausschließt, ist der Zweitstaat daran nicht gebunden, zugleich aber frei, diese Wirkung zu erstrecken. Gleiches gilt ceteris paribus für die Klageabweisung bei einer class action, wenn die lex fori des Erststaates eine Klage passiver class members als res iudicata ausschließt.138
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Hiermit im Zusammenhang steht die Möglichkeit des Zweitstaates, die Anerkennung oder Vollstre- 34 ckung eines Urteils gem. Art. 4 Abs. 4 S. 1 HAVÜ auszusetzen oder abzulehnen, wenn es im Ursprungsstaates Gegenstand eines Rechtsbehelfs oder die Frist zur Wahrnehmung eines ordentlichen 127 Zu diesem umstrittenen Punkt vgl. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 114 f.; Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 225; Wagner, IPRax 2016, 97, 103. 128 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 115. 129 Schack, IPRax 2020, 1, 4. 130 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 118. 131 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 118. 132 Im Vorentwurf von 1999 war die Rechtskraft im Erststaat noch als positive Voraussetzung der Anerkennung ausgestaltet, vgl. Art. 25 (2): „In order to be recognised, a judgment […] must have the effect of res judicata in the State of origin.“ 133 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 115. 134 So Garcimartín, Netherlands International Law Review 67 (2020), 19, 27. 135 Eingehend Garcimartín, Netherlands International Law Review 67 (2020), 19, 27. Zum HProrogÜbk M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR Art. 8 HProrogÜbk Rz. 5. 136 Garcimartín, Netherlands International Law Review 67 (2020), 19, 27. 137 Vgl. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 281 u. Fn. 203; Thoday v. Thoday, [1965] P. 181 per Lord Justice Diplock; Davidson v. Lonoke Production Credit Asso., 695 F.2d 1115. 138 Beide Beispiele von Garcimartín, Netherlands International Law Review 67 (2020), 19, 26 f.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung Rechtsbehelfes noch nicht abgelaufen ist.139 Daraus lässt sich zunächst schließen, dass die Vollstreckung eines Urteils auf Grundlage der Konvention nicht notwendig auch die Unanfechtbarkeit des Urteiles im Ursprungsstaat („formelle Rechtskraft“, „force de chose jugée“) voraussetzt.140 Insbesondere jene Rechtsordnungen, welche hieran zugleich die materiellen Wirkungen der Rechtskraft – wie im Civil Law Rechtskreis üblich141 – knüpfen, sind somit nicht gezwungen, Urteile anzuerkennen, denen im Ausgangsstaat – vornehmlich den Staaten des Common Law – schon mit Abschluss der ersten Instanz Rechtskraft zugesprochen wird.142 Darüber hinaus folgt aus dem Ausschluss der allgemein nicht rechtskraftfähigen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz, dass die Vollstreckung eines Urteiles regelmäßig dessen Anerkennungsfähigkeit voraussetzt,143 obwohl es sich – wie die Verwendung des disjunktiven „oder“ verdeutlicht – um unterschiedliche Konzepte handelt. Ungeachtet der materiellen Rechtskraft können somit auch nur vorläufig vollstreckbare Entscheidungen im Ausland durchgesetzt werden.144 35
Als Ausnahme vom Grundsatz der Anerkennungspflicht stellt Art. 4 Abs. 4 S. 1 HAVÜ somit ein flexibles Instrument zur Überbrückung der Rechtsunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zur Verfügung, welches einem erneuten Antrag bzw. der Fortsetzung des Verfahrens im Zweitstaat nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist oder des weiteren Verfahrens im Erststaat nicht im Wege steht, Art. 4 Abs. 4 S. 2 HAVÜ. 2. Anerkennungszuständigkeiten (Art. 5 HAVÜ)
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Art. 5 HAVÜ enthält die Anforderungen der Konvention an die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts („indirekte internationale Zuständigkeit“) in Gestalt von weitgehend regelhaft ausgeformten Mindeststandards. Konzeptionell streben diese allerdings nicht die weitestmögliche „Durchlässigkeit“ von Urteilen an, vielmehr zielen diese darauf, diejenigen Zuständigkeitsgründe zu umreißen, für die ein hinreichender internationaler Konsens und damit auch entsprechende Akzeptanz gesichert erscheint.145 Hier konnte das Übereinkommen durchaus vorsichtig bzw. kompromissbereit bleiben, da nach dem Günstigkeitsprinzip gem. Art. 15 HAVÜ weitergehende Anerkennung und Vollstreckung nach dem Recht des Zweitstaates möglich bleibt.146
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Ist auch nur einer dieser indirekten Zuständigkeitsgründe erfüllt, genügt dies.147 Dies muss für jeden Beklagten gesondert geprüft werden, auch bei Parteimehrheit auf der Beklagtenseite. Ob sich das Erstgericht auf einen entsprechenden Zuständigkeitsgrund gestützt hat oder auf einen anderen, nicht in Art. 5 HAVÜ enthaltenen oder ob es überhaupt nach eigener lex fori international zuständig war, spielt keine Rolle. Diese Struktur führt dazu, dass das Übereinkommen durchaus auch neben dem HProrogÜbk anwendbar ist, wenn nämlich neben dem Bestehen einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung auch ein indirekter Zuständigkeitsgrund nach Art. 5 HAVÜ gegeben ist.148 In 139 Ein ordentlicher Rechtsbehelf wir dadurch charakterisiert, dass er als Teil des regulären Instanzenzugs zur Abänderung des Urteils führen kann und an eine Frist gebunden ist, die mit dem Erlass des Urteiles beginnt, vgl. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 130. 140 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 129. 141 Indes spricht das französische Recht einem Urteil bereits mit Erlass eine Rechtskraftwirkung zu, die allerdings mit Einlegung eines ordentlichen Rechtsbehelfs suspendiert wird (Art. 480 Code de procédure civile français), vgl. Schack, Internationales Zivilprozessrecht Rz. 1072. 142 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 128; Nygh/Pocar, Explanatory Report, S. 103; Zhao, 30 SRIEL (2020), 345, 354; vgl. Nouvion v. Freeman, (1889) 15 App. Cas. 1 per Lord Bramwell. 143 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 129. 144 Schack, IPRax 2020, 1, 3. 145 Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 549, mit Verweis auf Explanatory Note Providing Background on the Proposed Draft Text Identifying Outstanding Issues, Prel. Doc. No. 2 of April 2016 for the attention of the Special Commission of June 2016 on the Recognition and Enforcement of Foreign Judgments, Rz. 63. 146 Zhao, 30 SRIEL (2020), 345, 355. 147 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 138; Rumenov, EU and Comparative Law Issues and Challenges Series 3 (2019), 385, 389. 148 Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 208 Fn. 8. Wenn also das Erstgericht eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung im Anwendungsbereich des HProrogÜbk missachtet (Erststaat und Staat des designierten Gerichts sind HProrogÜbk-Vertragsstaaten) und der Zweitstaat Vertragsstaat beider HCCH-Übereinkommen ist, be-
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V. Anerkennung und Vollstreckung
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den Materialien wie auch im Schrifttum ist in Bezug auf diese Zuständigkeitsgründe metaphorisch zusammenfassend von „Zuständigkeitsfiltern“ (jurisdictional filters) die Rede.149 Es handelt sich damit schon nach den Materialien um eine der zentralen Vorschriften des Übereinkommens.150 Zusammen mit Art. 6 und Art. 7 HAVÜ bildet Art. 5 HAVÜ das „Herz“ der Konvention.151 a) Systematik Der – abschließende152 – Katalog der indirekten Zuständigkeiten folgt übergeordnet dem ganz all- 38 gemeinen, aber damit auch kaum aussagekräftigen Grundsatz des „genuine link“ bzw. „minimum contacts“. Entsprechend umstritten ist deswegen, welche Anforderungen an die Verbindung zum Gericht zu richten sind, um die Inanspruchnahme internationale Zuständigkeit nicht nur völker-, grund- und menschenrechtlich als zulässig, sondern darüber hinaus und innerhalb des verfassungsgemäßen Spielraums als rechtspolitisch legitim und damit akzeptabel erscheinen zu lassen. Art. 5 HAVÜ formuliert jeweils den erreichbar gewesenen Minimalkonsens. Im Übrigen gilt ein favor recognitionis, Art. 15 HAVÜ. Vor diesem Hintergrund lassen sich die 13 Zuständigkeitsgründe nach drei Kategorien einteilen: Verbindung des Beklagten zum Forumstaat, Zuständigkeit durch freiwillige Unterwerfung/Zustimmung, Verbindung des Anspruchs zum Forumstaat.
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b) Verbindung des Beklagten zum Forumstaat aa) Gewöhnlicher Aufenthalt im Forumstaat (lit. a) Nach lit. a genügt ein Urteil den Anforderungen an die indirekte Zuständigkeit, wenn derjenige, ge- 40 gen den Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung begehrt wird, zu dem Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt (nicht notwendig: Wohnsitz153) im Erststaat hatte, zu dem er im dortigen Verfahren Partei wurde (Rechtsgedanke des „Heimatstaates“154 bzw. Prinzip des actor sequitur forum rei155). Indem lit. a allein an die Verbindung zwischen Person und Forum anknüpft, bildet diese Zuständigkeit die einzige „allgemeine“ innerhalb des Katalogs. Alle anderen Zuständigkeiten verlangen zusätzliche Verbindungen und/oder beschränken sich auf bestimmte Streitgegenstände oder beruhen auf Zustimmung. Eine allgemeine Zuständigkeit allein kraft „doing business“ nach dem Vorbild früherer US-amerikanischer, indes zwischenzeitlich aufgegebener Rechtsprechung156 ist nicht vorgesehen.157
149 150 151 152
153 154 155 156 157
steht nach HProrogÜbk keine Pflicht zur Nichtanerkennung, nach HAVÜ die Möglichkeit zur Ablehnung, Art. 7 (1) lit. d, aber ebenfalls keine unmittelbare, ausdrückliche Pflicht zur Ablehnung, eventuell ist allerdings von einer Ermessenreduktion auf Null auszugehen. Vgl. nochmals Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, e.g. Rz. 23, 134 and passim; ferner z.B. Teitz, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 491, 501. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 134. Brand, Netherlands International Law Review 67 (2020), 3, 15: „core“; Teitz, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 491, 504; Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 9; so zu Art. 5 und 6 auch Wagner, IPRax 2016, 97, 99. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 134; de Araujo/De Nardi, Rev.secr.Trib.perm.revis. 2019, 198, 211; Fuchs, GPR 2019, 395, 397. Dieses Enumerationsprinzip wurde kritisiert, weil hierdurch die Zuständigkeitsgründe schnell veralten könnten, ohne das Übereinkommen an geänderte Rahmenbedingungen anpassen zu können, Brand, PittLaw LegStud Research Paper No. 2019-02, 1, 10 f. Freilich bleibt immer der Weg über das autonome Anerkennungsrecht, Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 134. Zu den Gründen des Übergangs auf den gewöhnlichen Aufenthalt als Anknüpfungspunkt innerhalb eines generellen Trends M. Weller, YbPIL 21 (2019/2020), 279, 283; Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 551. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 139. Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 551. Vgl. nunmehr das Erfordernis, „essentially at home“ zu sein, vgl. Daimler AG v. Bauman, 571 U.S. 117 (2014); Goodyear v. Brown, 564 U.S. 915 (2011). Zum davon zu unterscheidenden Zuständigkeitsgrund nach Art. 5 Abs. 1 lit. b und d in Bezug auf den „principal place of business“ bzw. Geschäftstätigkeit am Ort der Niederlassung sogleich HAVÜ Rz. 43 und 47.
Weller
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung 41
Geht es um eine Person auf dem Gebiet der EU und sollte nach Art. 27 HAVÜ (nur) die EU als regionale Integrationsgemeinschaft „Vertragsstaat“ werden, wird es hier gleichwohl weiter auf den einzelnen Mitgliedstaat ankommen.158 Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Erlangung der Parteistellung. nach der lex fori des Erststaates. Spätere Veränderungen spielen keine Rolle159 (Rechtsgedanke der perpetuatio fori).
42
Eine Rechtsnachfolge steht der Vollstreckung des Urteiles nicht entgegen, solange nur der Rechtsvorgänger die vorgenannten Anforderungen bei Erlangung der Parteistellung erfüllt hat und der Rechtsnachfolger wirksam in die Rechtsstellung des Vorgängers eingetreten ist.160 Die Wirksamkeit des Übergangs soll sich nach dem Recht des Zweitstaates einschließlich seines Internationalen Privatrechts richten.161 Dies soll schließlich auch gelten, wenn die Rechtsnachfolge im Laufe des Verfahrens vor dem Erstgericht eintrat,162 ist dann aber wohl nach der dortigen lex fori zu prüfen, zumindest, wenn die Rechtsnachfolge verfahrensbedingt eintritt, etwa durch Gestaltungsurteil. Freilich wird das IPR des Zweitstaates solchenfalls seinerseits auf diese lex fori verweisen. bb) Hauptniederlassung im Erststaat (lit. b)
43
Ist der Gegner eine natürliche Person und bestimmt sich deswegen der gewöhnliche Aufenthalt primär nach dem Ort, an dem diese Person „lebt“,163 erlaubt lit. b auch dann die Anerkennung und Vollstreckung, wenn diese Person zwar nicht nach lit. a mit dem Forumstaat des Erstverfahrens verknüpft ist, aber dort zum Zeitpunkt der Erlangung der Parteistellung164 ihre Hauptniederlassung hatte und der streitgegenständliche Anspruch aus der Geschäftstätigkeit der Person – nicht notwendig aus der Geschäftstätigkeit gerade über die Hauptniederlassung165 – erwachsen ist. Für juristische Personen gilt im Ergebnis dasselbe, dies folgt aber bereits unmittelbar aus lit. a i.V.m. Art. 3 Abs. 2 HAVÜ.166 Jeweils nicht ausreichend ist eine Zweigniederlassung.167 Nicht-geschäftliche Aktivitäten fallen nicht unter lit. b.168 Damit erwächst ein Unterschied zur Zuständigkeit nach lit. a für juristische Personen, für die es nicht darauf ankommt, ob der streitgegenständliche Anspruch gerade aus einer Geschäftstätigkeit dieser juristischen Person hervorgeht.169 Eine integrierte Definition des zentralen Anknüpfungspunktes des gewöhnlichen Aufenthalts, z.B. in Erweiterung von Art. 3 Abs. 2 HAVÜ, sowohl für natürliche als auch für juristische Personen wäre wohl übersichtlicher und leichter fassbar gewesen als die Aufspaltung verwandter Konstellationen in Art. 5 lit. a und b HAVÜ.170 cc) Klageerhebung im Erststaat (lit. c); Widerklage (lit. l)
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Ein Urteil erfüllt ferner die Anforderungen an die indirekte Zuständigkeit, wenn es auf einer Klage beruht, die der jetzige Anerkennungs- und Vollstreckungsgegner im Erststaat erhoben hat, solange es sich nicht lediglich um eine Widerklage handelt. Die rechtsethische Begründung hierfür liegt auf der Hand: Wer vor den Gerichten eines bestimmten Staates klagt, unterstellt und akzeptiert deren internationale Zuständigkeit.171 Dies gilt auch, wenn die in Anspruch genommene Zuständigkeit des 158 Art. 27 Abs. 2: Abstellen auf die Gesamtheit der Mitgliedstaaten einer regionalen Integrationsgemeinschaft (nur) „where appropriate“. 159 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 143. 160 So noch ausdrücklich im Entwurf des Art. 5 Abs. 1 lit. a (ii), lit. b, Prel.-Doc. No. 1 v. April 2016. 161 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 144; Jacobs, ZfRV 2017, 24, 27. 162 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 146. 163 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 139: „Living, […] i.e. being habitual resident“. Dies erscheint etwas unterkomplex, vgl. M. Weller, YbPIL 21 (2019/2020), 279, 284. 164 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 151. 165 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 149. 166 Jacobs, ZfRV 2017, 24, 27. 167 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 149. 168 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 150. 169 Auch eine juristische Person kann nicht-geschäftliche Tätigkeiten entfalten, etwa ein Idealverein. 170 M. Weller, YbPIL 21 (2019/2020), 279, 287. 171 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 152; Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 216; Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 15.
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V. Anerkennung und Vollstreckung
Einf. HAVÜ 2019
Klägers eine ausschließliche ist.172 Hingegen reicht eine Widerklage nicht a priori aus und ist deswegen der besonderen Regelung in lit. l unterstellt.173 Praktisch relevant wird lit. c freilich nur dann, wenn der Kläger nicht schon ohnehin im Erststaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und damit das Urteil nach lit. a die zuständigkeitsrechtliche Kontrolle passiert.174 Gleichwohl bleiben alle Zuständigkeiten selbständig tragend, keine verdrängt die jeweils andere. Dies kann bei Beweisschwierigkeiten in Ansehung einer von mehreren Zuständigkeiten entscheidend werden. Ob lit. c auch für einen passiven Kläger im Rahmen einer class action greift, ist nicht ganz klar,175 zwingende teleologische Gründe, dies auszuschließen, sind aber nicht ersichtlich.176 Relevant würde dies, wenn dieser in einem anderen Staat als dem Staat seines gewöhnlichen Aufenthalts in eine class action einbezogen ist und dann ein klageabweisendes Urteil ergeht, aus dem gegen ihn vollstreckt werden soll.
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Teleologisch und systematisch eng zusammenhängend mit der (indirekten) Zuständigkeit aus Kla- 46 geerhebung ist die indirekte Zuständigkeit aus Widerklagen gem. lit. l. Nicht erfasst ist die Prozessaufrechnung.177 Lit. l (i) verlangt, dass das Urteil der Widerklage stattgibt und die Widerklage aus demselben Vorgang („transaction or occurrence“) wie die Klage hervorgeht. Unter dem Aspekt „same transaction“ ist nicht erforderlich, dass die Widerklage gerade aus demselben Vertrag hervorgeht.178 „Same occurence“ setzt wiederum nicht voraus, dass die faktische Klagegrundlage identisch ist, solange die Widerklage nur auf denselben Umständen beruht.179 Die Einschränkungen in lit. l (i) sollen den Kläger schützen, da er nur bezüglich seiner Klage (und die entsprechende Transaktion) die Zuständigkeit des Erstgerichts anerkannte.180 Die Beschränkung der unterstellten Zustimmung zur Zuständigkeit des vom Kläger angegangenen Gerichts auf die Klage unter Ausschluss einer eventuellen Widerklage macht bereits lit. c ganz deutlich („… other than a counterclaim …“). Bei Abweisung der Widerklage ist der Kläger bzw. Widerbeklagte zuständigeitsrechtlich hingegen nicht schutzbedüftig.181 Lit. l (ii) erfasst deswegen widerklageabweisende Urteile, es sei denn, die lex fori des Erststaates verlangte die Widerklage zur Vermeidung von Präklusionen. Freilich können insoweit andere indirekte Zuständigkeiten die Anerkennung bzw. Vollstreckung ermöglichen, lit. l (ii)hat also insoweit keine Sperrwirkung. dd) Streitbezogene Niederlassung im Erststaat (lit. d) Anders als nach lit. b muss hier nun der streitgegenständliche Anspruch gerade aus dem Betrieb der Einrichtung im Staat des Erstverfahrens hervorgegangen sein.182 Teleologisch gerechtfertigt wird diese indirekte Zuständigkeit (wie im Grund durchgehend) durch deren Erwartbarkeit für die Parteien und die enge Verbindung zwischen Forumstaat und streitigem Anspruch.183 Eine darüber hinaus reichende, allgemeine (indirekte) Zuständigkeit aus „doing business“ sieht die Konvention, wie bereits oben erwähnt, damit nicht vor.184
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Eine „Niederlassung“ bzw. eine „andere Einrichtung ohne Rechtspersönlichkeit“ setzen eine stabile physische Präsenz im Forumstaat voraus.185 Eine Tochtergesellschaft erlaubt also nicht den anerkennungszuständigkeitsrechtlichen „Durchgriff“ auf die Muttergesellschaft bzw. den Gesellschafter. Unklar ist, wie mit Rechtsscheintatbeständen zu verfahren ist, wenn etwa trotz eigener Rechtspersön-
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172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183 184 185
Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 152. M. Weller, YbPIL 21 (2019/2020), 279, 287. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 154. Vgl. Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 15. M. Weller, YbPIL 21 (2019/2020), 279, 288. Zweifelnd allerdings Garcimartín/Saumier, Revised Draft Explanatory Report, Rz. 213 Fn. 138. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 208. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 211. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 210. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 212. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 155. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 156. Blom, 55 (2018) Osgoode Hall Law Review 257, 284. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 157.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung lichkeit eine Niederlassung vorzuliegen scheint oder umgekehrt.186 Die Verbindung des streitgegenständlichen Anspruchs zur Einrichtung im Erststaat darf nicht nur nebensächlich oder entfernt sein, vielmehr muss der Anspruch „durch“ die Niederlassung entstanden sein bzw. diese muss „verantwortlich“ dafür sein.187 Sachliche Einschränkungen (jenseits der allgemeinen Anwendungseinschränkungen durch Art. 2 HAVÜ) bestehen nicht. c) Zuständigkeiten kraft Zustimmung /Unterwerfung 49
Hierzu zählen jedenfalls die Zuständigkeiten kraft ausdrücklicher (lit. e) und impliziter (Iit. f) Zustimmung, ferner die Zuständigkeit kraft (nichtausschließlicher) Gerichtsstandsvereinbarung (lit. m). Teleologisch von Zustimmung getragen, aber doch in eher anderen systematischen Zusammenhängen eingebettet, sind die Zuständigkeiten durch Klageerhebung (lit. c) bzw. Widerklage (lit. l), hierzu deswegen bereits oben, und durch Erfüllungsortsvereinbarung (lit. g (i)), hierzu unten im Kontext der Erfüllungsortszuständigkeit. aa) Ausdrückliche Zustimmung vor dem Erstgericht (lit. e)
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Hat der jetzige Gegner „im Laufe des Verfahrens“ (… „in the course of the proceedings …“) im Erststaat der Zuständigkeit des Erstgerichts ausdrücklich zugestimmt, ist es offensichtlich legitim, dieses Urteil nicht an der indirekten Zuständigkeitskontrolle scheitern zu lassen. Ob eine ausdrückliche Zustimmung im Sinne der Konvention vorliegt, wird als Tatsachenfrage verstanden und soll das Zweitgericht unabhängig von eventuellen Feststellungen des Erstgerichts überprüfen.188 Formanforderungen an die ausdrückliche Zustimmung stellt das Übereinkommen nicht.189 Eine bloße rügelose Einlassung kann allerdings nicht ausreichen, da für diesen Fall die besonderen Maßgaben von lit. f greifen sollen. In Frage kommen danach aktive Handlungen, sei es mündlich, sei es schriftlich, auch elektronisch,190 auch direkt gegenüber der anderen Partei in nunmehr dem Gericht vorgelegten vorprozessualen Schriftsätzen, also nicht nur direkt gegenüber dem Gericht.191 Die Beweislast trägt derjenige, der nunmehr die Anerkennung und Vollstreckung betreibt. Irrelevant ist, welche Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbegründung durch Zustimmung im Erststaat gelten.192 Nicht von lit. e erfasst werden vor Klageerhebung getroffene Gerichtsstandsvereinbarungen.193 Sachliche Einschränkungen auf bestimmte Gegenstände sind nicht vorgesehen.194 bb) Rügelose Einlassung vor dem Erstgericht (lit. f)
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Komplexer und seit je her in den Einzelheiten umstritten ist der Zuständigkeitsgrund der rügelosen Einlassung.195 Das Übereinkommen verlangt hierzu, dass sich der Beklagte im Erststaat zur Sache eingelassen hat, ohne die fehlende Zuständigkeit des Erstgerichts rechtzeitig nach den Anforderungen des Erststaates zu rügen, es sei denn, es ist offensichtlich, dass eine solche Rüge keinen Erfolg gebracht hätte.
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Ob es auf diesen Zuständigkeitsgrund nur ankommt, wenn keine anderen Zuständigkeiten aus Abs. 1 vorliegen,196 darf wohl bezweifelt werden. Vielmehr dürfte die die Anerkennung und Vollstreckung 186 Der Anschein einer Niederlassung durch eine in Wahrheit selbständige juristische Person sollte sich in Orientierung an EuGH v. 9.12.1987 – C-218/86, ECLI:EU:C:1987:536 – Schotte vs. Parfums Rotschild, Tz. 15, zuständigkeitsbegründend auswirken. Die Materialien werfen die Frage auf, setzen sie auch in Bezug zu der genannten EuGH-Entscheidung, lassen sie aber offen. 187 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 158; M. Weller, YbPIL 21 (2019/2020), 279, 289. 188 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 162. 189 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 162. 190 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 162 und 164. 191 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 162. 192 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 163. 193 Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 16. 194 Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2019/2020), 537, 552. 195 Eingehend hierzu Saumier, Netherlands International Law Review 67 (2020), 49 ff. 196 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 165.
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V. Anerkennung und Vollstreckung
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betreibende Partei zumindest ergänzend und hilfsweise immer auch die rügelose Einlassung vortragen, sobald der Gegner sich im Erstverfahren zur Sache eingelassen hat und auch nur ein Ansatz für die Annahme der rügelosen Einlassung besteht. Wann eine Einlassung zur Sache anzunehmen ist, definiert das Übereinkommen nicht. A priori auszuschließen ist dies damit nur dann, wenn der Beklagte vor Gericht überhaupt nicht erscheint.197 Gleiches gilt, wenn der Beklagte ausschließlich erscheint, um die fehlende Zuständigkeit zu rügen,198 aber dies ist dann bereits eine Interpretationsfrage der Prozesshandlung des Beklagten. Andererseits ist klar, dass wenn der Einwand fehlender Zuständigkeit im Erststaat ordnungsgemäß erhoben, aber zurückgewiesen wird und das Erstgericht anschließend ein Urteil in der Sache erlässt, dieses Urteil nicht die Zuständigkeitskontrolle über lit. f passiert.199 Im Übrigen soll entscheidend sein, ob sich der Beklagte in seiner Einlassung inhaltlich gegen den geltend gemachten Anspruch zur Wehr setzt.200 Auf abweichende Regelungen im Erststaat kommt es dabei nicht an.201 Die Rechtzeitigkeit der Rüge richtet sich nach der lex fori des Erststaates. Das Übereinkommen macht keinerlei autonome Vorgaben zum zulässigen Zeitraum.202
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Offensichtlich keine Erfolgsaussichten hat die Rüge zunächst, wenn es überhaupt keine Regelungen im Erststaat gibt, die eine Zuständigkeitsrüge ermöglichen.203 Darüber hinaus darf die Rüge nicht von vornherein aussichtslos sein.204 Dies wäre dann der Fall, wenn sich aus früheren Urteilen im Erststaat ergibt, dass entsprechende Rügen nie erfolgreich sind.205 Die Beweislast trägt der Beklagte und jetzige Gegner („… unless …“).206 Dies schließt die hohe Hürde der Offensichtlichkeit der fehlenden Erfolgsaussichten ein, um opportunistisches Verhalten des Beklagten zu verhindern.207
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Lit. f erfasst dabei alle Rügen im Zusammenhang mit der Ausübung der gerichtlichen Zuständigkeit,208 damit auch die Berufung auf eine eventuell nach der lex fori des Erstgerichts geltende forum non conveniens-Doktrin (… objection to jurisdiction or to the exercise of jurisdiction …“).209 Die Rügeobliegenheit erfasst dann nicht nur die Rüge der fehlenden Zuständigkeit als solche, sondern auch die Ausübung der angenommenen Zuständigkeit im konkreten Fall als „non conveniens“.210 Ob das Erstgericht nach seiner lex fori aufgrund der fehlenden Rüge nach eigenem Recht zuständig wurde, ist für die anerkennungsrechtliche Kontrolle unerheblich.211
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cc) Nicht ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung (lit. m) Lit. m lässt Urteile zur Anerkennung zu, bei denen sich das Erstgericht auf die Zuständigkeit kraft einer vorprozessual geschlossenen,212 nicht-ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung gestützt hat, sofern diese Vereinbarung schriftlich geschlossen, schriftlich dokumentiert oder durch jedes andere Kommunikationsmittel, das es ermöglicht, auf die Information später wieder zuzugreifen, festgehalten worden ist. Die Formvorschriften entsprechen dem HProrogÜbk.213 Insbesondere genügen auch hier keine mündlichen Vereinbarungen.214 197 198 199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209 210 211 212 213 214
Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 168. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 168. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 168 und 171. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 168. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 168. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 170. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 171. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 172. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 174. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 173. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 173. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 177. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 175; Saumier, Netherlands International Law Review 67 (2020), 49, 64. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 178. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 179. Arg. ex Art. 5 Abs. 1 lit. f; Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2019/2020), 537, 554. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 218. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 218.
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Urteile, für deren Zuständigkeit sich das Erstgericht auf eine ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen stützen kann,215 sollen dem HProrogÜbk überlassen bleiben. Daher enthält das HAVÜ keinen eigenständigen Zuständigkeitsfilter dafür.216 Andere Zuständigkeitsfilter bleiben aber anwendbar und können damit auch die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen ermöglichen, die zugleich über das HProrogÜbk anerkannt und vollstreckt werden können. Divergenzen im sachlichen Anwendungsbereich beider Übereinkommen und in der Zusammensetzung der jeweiligen Vertragsstaaten könnten gleichwohl noch zu Lücken führen.217 Die Lösung mag im Rückgriff auf nationales Recht liegen (Art. 15 HAVÜ),218 bliebe aber doch unbefriedigend. Besser wäre damit eine breitere, ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung mitumfassende (indirekte) Zuständigkeit in Art. 5 HAVÜ gewesen, auch um den Preis, dass dann vielleicht der eine oder andere Staat nur das HAVÜ für sich in Geltung setzt.219
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Lit. m Abs. 2 definiert ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen deckungsgleich mit Art. 3 lit. a HProrogÜbk. Damit soll sichergestellt werden, dass beide Instrumente einheitlich angewandt werden und insoweit keine (weiteren) Lücken entstehen.220 Dies gilt z.B. für asymmetrische Vereinbarungen, welche nur für eine Partei ausschließliche Wirkung entfalten und daher nicht dem HProrogÜbk sondern dem HAVÜ unterfallen.221
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Komplex wird das Verhältnis der beiden Übereinkommen allerdings, wenn das HProrogÜbk auf nichtausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen gem. Art. 22 HProrogÜbk erstreckt worden ist.222 Wird in einem Vertragsstaat, der eine solche Erklärung abgegeben hat, die Anerkennung oder Vollstreckung einer Entscheidung geltend gemacht, die in einem anderen Vertragsstaat ergangen ist, der eine solche Erklärung abgegeben hat, so wird die Entscheidung gem. Art. 22 Abs. 2 HProrogÜbk nach diesem Übereinkommen anerkannt und vollstreckt, sofern (a) das Ursprungsgericht in einer nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung benannt war; (b) weder eine Entscheidung vorliegt, die von einem anderen Gericht erlassen wurde, vor dem nach der nicht ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung ein Verfahren eingeleitet werden konnte, noch bei einem solchen anderen Gericht zwischen denselben Parteien ein Verfahren wegen desselben Anspruchs anhängig ist und (c) das Ursprungsgericht das zuerst angerufene Gericht war.223 Das Verhältnis dieses Regimes zum HAVÜ erschließt sich nicht direkt. Ein simpler Rückgriff auf den favor recognitionis in Art. 15 HAVÜ scheitert schon daran, dass dort nur auf „nationales“ Recht verwiesen ist (welches natürlich wiederum Umsetzungen völkerrechtlicher Verträge enthalten kann). Und ob das HProrogÜbk mit seinem optionalen Sonderregime überhaupt günstiger wäre, lässt sich auch nicht sicher sagen. Letztlich mag das HProrogÜbk als lex specialis Vorrang haben.224
215 Das Erstgericht muss dies nicht selbst getan haben, vgl. Art. 8 HProrogÜbk und Nr. 5 Formblatt zum HProrogÜbk; M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR Art. 8 HProrogÜbk Rz. 31. 216 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 215. 217 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 216, erwarten offenbar keinerlei Lücken („In principle, the approach followed by the Convention seeks to avoid gaps between the two instruments“), bedenken aber wohl die oben genannten Unterschiede im Anwendungsbereich nur bezüglich Art. 6 in Fn. 259. 218 Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2019/2020), 537, 554; ähnlich auch Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 375 („there are no tensions or inconsistencies […], as neither instrument restricts or limits recognition and enforcement of judgments under national law“). 219 Ebenfalls kritisch Solomon in FS Thümmel, 2020, S. 873, 885: „Marketingmaßnahme für das [HProrogÜbk]“. 220 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 215 f. 221 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 217. 222 Eine zur Regelung dieses Verhältnisses vorgeschlagene disconnection clause ist nicht in die endgültige Fassung übernommen worden, vgl. Reflection Paper on the Relationship between the future Judgments Convention and the Convention v. Mai 2015, S. 14. 223 Vgl. M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR Art. 22 HProrogÜbk Rz. 5. 224 Vgl. eingehend hierzu M. Weller, YbPIL 21 (2019/2020), 279 (292 f.).
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d) Verbindung des Streitgegenstandes zum Forumstaat aa) Indirekter Vertragsgerichtsstand (lit. g) Nach lit. g passiert ein Urteil die anerkennungsrechtliche Zuständigkeitskontrolle, wenn es einen vertraglichen Anspruch betrifft und dieser vertragliche Anspruch im Erststaat erfüllt wurde oder dort zu erfüllen war. Der Erfüllungsort im Erststaat kann sich nach lit. g (i) aus einer „Vereinbarung“ („agreement“) ergeben, in Ermangelung eines vereinbarten Erfüllungsortes nach (ii) gemäß der lex contractus. Die letztgenannte Variante begründet indes nach lit. g (ii) letzter Halbs. doch keine Anerkennungs-zuständigkeit, wenn die Handlungen des jetzigen Gegners im Zusammenhang mit Vertragsschluss und Vertragsdurchführung offensichtlich keine „beabsichtigte“ („purposeful“) und substantielle („substantial“) Verbindung zu diesem Staat darstellen.
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Interpunktion und Formatierung des englischen Textes können zu dem Fehlschluss führen, dass diese 61 Einschränkung im letzten Halbsatz sowohl für lit. g (i) als auch für lit. g. (ii) gelten soll. Dies ist indes nach den Materialien nicht intendiert,225 und es wäre teleologisch auch kaum zu rechtfertigen, eine wirksam vereinbarte Erfüllungsortsvereinbarung der Parteien einer solchen heteronom auferlegten Einschränkung zu unterwerfen.226 Freilich bleibt die Herausforderung, Missbrauch von Erfüllungsortsvereinbarungen zurückzudrängen. Für diese Aufgabe vertraut die Konvention auf die durch das IPR des Zweitstaates zur Anwendung berufenen lex contractus. Zunächst ist immer der Erfüllungsort der konkreten streitigen vertraglichen Verpflichtung zu ermitteln, nicht etwa, wie in den Fällen des Art. 7 Nr. 1 lit. b (i) und (ii) Brüssel Ia-VO, die vertragscharakteristische Pflicht.227 Diese Differenz zum Brüsseler Regime kann natürlich dazu führen, dass ein Urteil, auf Grundlage des Art. 7 Nr. 1 lit. b Brüssel Ia-VO, nicht nach dem Übereinkommen anzuerkennen ist.228
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Zur Bestimmung des Erfüllungsorts der streitigen vertraglichen Verpflichtung kommt es nach lit. g 63 (i) vorrangig auf eine „vertragliche Vereinbarung“ an. Zur Bestimmung der Maßgaben für eine Erfüllungsortsvereinbarung bzw. der dafür maßgeblichen lex contractus soll das IPR des Zweitstaates herangezogen werden.229 Dies entspricht zwar dem insgesamt von der lex fori des Erststaates autonomen Kontrollansatz der Konvention und vermeidet auch die Fremdrechtsanwendung, schafft aber missliche Probleme bei Divergenzen im IPR von Erst- und Zweitstaat230 und ist für den Kläger nicht planbar, kann also zu Überraschungen führen und beeinträchtigt damit das Ziel der Sicherung einer allgemeinen Anerkennungs- und Vollstreckungsfähigkeit von Vertragsstaatenurteilen im Anwendungsbereich der Konvention. Eine allgemeine Rechtswahlvereinbarung für den Vertrag gilt nicht als „Vereinbarung“ i.S.v. lit. g (i).231 Wo die vertragliche Pflicht tatsächlich erfüllt wurde, ist für lit. g (i) unerheblich.232 Allenfalls ließe sich bei abweichender tatsächlicher Erfüllung an eine modifizierende Erfüllungsortsvereinbarung, dies freilich nur nach Maßgaben der lex contractus, denken.233 Lit. g (ii) kommt zur Anwendung, wenn keine vertragliche Vereinbarung über den Erfüllungsort getroffen wurde oder die Vereinbarung unwirksam ist.234 Unter lit. g (ii) greift die zusätzliche Voraussetzung einer objektiven, beabsichtigten („purposeful“), substantiellen („substantial“) Verbindung zum Erfüllungsort.235 Die Konvention betritt mit diesem Vorbehalt im Anerkennungsrecht Neuland.236 Die ratio ist, eine zusätzliche Kontrolle gegenüber dem nach der lex contractus objektiv be225 226 227 228 229 230 231 232 233 234 235 236
Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 187. M. Weller, FS Roth, 2021, 835, 849. Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 18; Solomon, FS Thümmel, 2020, S. 873, 879. M. Weller, YbPIL 21 (2019/2020), 279, 295; Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 19. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 182. M. Weller, FS Roth, 2021, 835, 846; Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 20. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 183. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 182. Jacobs, ZfRV 2017, 24, 28. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 184. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 187. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 188; Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), S. 537, 555: „interesting attempt to draw a compromise“; vgl. eingehend zum US-amerikanischen „purposeful availment“ und zum kanadischen „real and substantial connection“-Test Brand/Mariottini, Note on the concept of „Pur-
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung stimmten Erfüllungsort einzufügen. Offensichtlich versucht lit. g (ii) einen Kompromiss zwischen Staaten herzustellen, die den – tatsächlichen bzw. rechtlichen – vertraglichen Erfüllungsort als solchen stets als zuständigkeitsbegründend ansehen, und Staaten, die auf die tatsächlichen Aktivitäten des Beklagten („doing business“) im Erststaat abstellen.237 Hier vertraut die Konvention, anders als bei der Missbrauchskontrolle der Erfüllungsortsvereinbarung, nicht allein auf die lex contractus. Vielmehr wurde offensichtlich die Gefahr gesehen, dass der objektiv bestimmte Erfüllungsort nicht hinreichend eng mit dem Vertrag bzw. dem Sachverhalt insgesamt zusammenhängt, um das dort daraufhin ergangene Urteil durch die anerkennungsrechtliche Zuständigkeitskontrolle passieren zu lassen,238 so etwa, wenn der Erfüllungsort nach dem IPR des Zweitstaates zu Staat A führt, tatsächlich aber lediglich in Staat B gehandelt wurde.239 65
Wie nun aber der Vorbehalt im letzten Halbsatz konkret zu handhaben ist, erscheint noch wenig geklärt.240 Methodisch wird es nicht anders sein als mit kollisionsrechtlich bekannten, generalklauselhaft gefassten Ausweichklauseln (wobei der Vorbehalt in lit. g (ii) natürlich keine eigene Anerkennungszuständigkeit schafft), einschließlich der inhärenten Gefahren für die Vorhersagbarkeit der Anerkennungsfähigkeit241 und einer divergierenden Praxis. Wo Vorbereitungshandlungen für die Erfüllung getroffen werden, wird (unabhängig von ihrem Umfang) für unerheblich gehalten.242 Die Beweislast für den Vorbehalt trägt jedenfalls der jetzige Gegner243 (… „unless“ …), und die Schwelle zur Ausnahme liegt hoch („… clearly …“).244
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Nicht ausdrücklich geregelt ist der Umgang mit Unterlassungspflichten. In Anlehnung an Rechtsprechung des EuGH zur entsprechenden Frage245 wird man annehmen dürfen, dass solche Pflichten durchaus vom Anwendungsbereich des indirekten Vertragsgerichtsstands in Art. 5 Abs. 1 lit. g HAVÜ erfasst sein sollen, aber dessen Anwendung dann scheitern muss, wenn sich im konkreten Fall kein Erfüllungsort sinnvoll lokalisieren lässt.246 Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn die Unterlassungsverpflichtung bereits selbst territorial bezogen ist (z.B. Nichtvertrieb im Staat X).247 bb) Unbewegliche Mietobjekte (lit. h)
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Gemäß lit. h passiert ein Urteil die anerkennungsrechtliche Zuständigkeitskontrolle, wenn es eine unbewegliche Mietsache im Forumstaat betrifft. Manche Rechtsordnungen sehen Streitigkeiten über die Miete unbeweglicher Sachen als in rem-Verpflichtung (und ordnen dafür ausschließliche Zuständigkeiten am Belegenheitsort an), andere als in personam-Verpflichtungen und damit als einfache vertragliche Verpflichtungen.248 Das Übereinkommen schließt sich der letztgenannten Qualifikation an,
237
238 239 240 241 242 243 244 245 246 247 248
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poseful and Substantial Connection“ in Article 5(1)(g) and 5(1)(n)(ii) of the February 2017 draft Convention, Prel.-Doc No. 6 of September 2017, Rz. 2; vgl. ferner hierzu Blom, 55 (2018) Osgoode Hall Law Review 257, 281; Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1 (20 f.); Teitz, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 491, 497; R. Wagner, IPRax 2016, 97, 101. Aus US-amerikanischer Sicht ist etwa Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO in zweifacher Hinsicht problematisch. Er ist einerseits zu eng, weil die Vorschrift Klagen gegen Beklagte nicht erfasst, die sich auf dieses Territorium ausgerichtet haben. Erscheint andererseits aber zu weit, weil sie die Zuständigkeit gegen Beklagte eröffnet, die weder aktiv in diesem Territorium waren noch ihre Tätigkeit auf das Territorium ausgerichtet haben, vgl. im Einzelnen M. Weller, FS Roth, 2021, 835, 850; van Loon, NIPR 2020, 1, 12. In der Praxis dürfte diesem „Filter“ nur eine residuale Rolle zukommen, da in internationalen Verträgen regelmäßig Gerichtsstands- bzw. Schiedsvereinbarungen getroffen werden. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 187. Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 21. Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 555; Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1 (21 f.); kritisch auch Schack, IPRax 2020, 1, 5: „kann nur Streit und Rechtsunsicherheit auslösen“. van Loon, NIPR 2020, 1, 13. van Loon, Collection of Papers of the Faculty of Law, Nisˇ 82 (2019), 15, 25; van Loon, NIPR 2020, 1, 13. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 187. M. Weller, YbPIL 21 (2019/2020), 279, 299. EuGH v. 19.2.2002 – C-256/00, ECLI:EU:C:2002:99 – Bexis vs. WABAG. Hierzu Garcimartín, Netherlands International Law Review 67 (2020), 19, 28 ff. Beispiel entnommen Garcimartín, Netherlands International Law Review 67 (2020), 19, 28 ff. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 189.
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V. Anerkennung und Vollstreckung
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so dass auch andere Zuständigkeiten nach Art. 5 Abs. 1 HAVÜ offenstehen.249 Selbst in Verbraucherschutzangelegenheiten bleibt die Zuständigkeit vollständig erhalten.250 Im Entwurf von 2018 war noch eine Ausnahme für langfristige Mietverträge vorgesehen.251 Nun bestimmt allerdings Art. 5 Abs. 3 S. 1 Var. 1 HAVÜ, dass Abs. 1 auf Wohnraummietsachen keine Anwendung findet. Insoweit sieht Art. 5 Abs. 3 S. 2 HAVÜ eine alleinige indirekte Zuständigkeit im Belegenheitsstaat des Hauses bzw. der Wohnung vor. Diese ist freilich nicht ausschließlich. Vielmehr bleiben ggf. bestehende, anderweitige Anerkennungszuständikgeiten nach nationalem Recht gemäß dem Günstigkeitsprinzip nach Art. 15 HAVÜ und anders als für die ausschließliche Zuständigkeit nach Art. 6 für Art. 5 Abs. 3 HAVÜ zulässig. cc) Unbewegliche Realsicherheit (lit. i) Lit. i ermöglicht die Anerkennung eines Urteils, bei dem vertragliche Ansprüche, die durch Grundpfandrecht dinglich gesichert sind, in dem Staat gegen den Schuldner der gesicherten Forderung geltend gemacht wurden, in dem sich das sichernde Grundstück befindet.252 Art. 5 Abs. 1 lit. i HAVÜ erlaubt für diesen Fall die parallele Anerkennung des Urteils über den gesicherten Anspruch, wenn zugleich das Urteil über das dingliche Recht gegen denselben Beklagten geltend gemacht wird. Art. 5 Abs. 1 lit. i HAVÜ ist damit im Zusammenhang mit und als Ergänzung zu Art. 6 HAVÜ zu lesen, wonach bei in rem-Rechten eine ausschließliche Zuständigkeit in dem Staat besteht, in dem sich die unbewegliche Sache befindet.253
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dd) Indirekter Deliktsgerichtsstand (lit. j) Nach lit. j passiert ein Urteil die anerkennungsrechtliche Zuständigkeitskontrolle, wenn das Urteil auf 69 einer deliktischen Forderung aus Verletzung des Lebens, des Körpers bzw. der Gesundheit oder des Eigentums an Sachen beruht und der Handlungsort der Verletzungshandlung im Forumstaat liegt. Der Begriff „non-contractual obligation“ lässt das Übereinkommen erneut bewusst undefiniert,254 zielt aber doch ersichtlich (nur) auf deliktische Verpflichtungen,255 wie schon die Aufzählung der erfassten Rechtsgüter – „non-contractual obligations arising from death, physical injury, damage to or loss of tangible property“ – zeigt. Diese Aufzählung ist abschließend.256 Insbesondere reine Vermögensschäden sind damit nicht erfasst, von den ohnehin von Art. 2 HAVÜ ausgeschlossenen Materien der Meeresverschmutzung, der Atomhaftung, des Persönlichkeitsrechts, des geistigen Eigentums, militärischer Aktivitäten und Kartellschäden ganz zu schweigen. Der sachliche Anwendungsbereich der deliktischen indirekten Zuständigkeit erscheint damit allzu eng. Erhofft wird damit eine entsprechend breitere Akzeptanz des Übereinkommens.257 Praktisch relevant wird die deliktische Zuständigkeit allerdings nur dann, wenn der Beklagte nicht schon im Erststaat seinen gewöhnlichen Aufenthalt (lit. a) bzw. seine Hauptniederlassung (lit. b)258 hat. Die Konvention hat sich bewusst für die anerkennungsrechtliche Anknüpfung nur an den Handlungsort (einschließlich des Ortes der Unterlassung gebotenen Handelns) entschieden und damit den in Europa zuständigkeitsrechtlich häufig gleichermaßen relevanten Erfolgsort ausgeschlossen.259
249 Garcimartín/Saumier, Revised Draft Explanatory Report, Rz. 198; Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 559. 250 de Araujo/De Nardi, Netherlands International Law Review 67 (2020), 67, 75. 251 Art. 6 lit. c Entwurf 2018. 252 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 192. 253 Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 560. 254 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 195. 255 Vgl. demgegenüber den weiteren Begriff der „non-contractual obligation“ der Rom II-VO. 256 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 196. 257 Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 558. 258 Bzw. Art. 5 lit. a i.V.m. Art. 3 Abs. 2 lit. d für juristische Personen sowie Personenvereinigungen. 259 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 197.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung Folgeschäden in einem anderen Staat260 kommen damit von vornherein zur Zuständigkeitsbegründung nicht in Betracht.261 Dies kann auch Anknüpfungen bei indirekten Schadensfolgen betreffen, etwa bei Angehörigen unmittelbar geschädigter Personen.262 Solche mittelbaren Schadensfolgen sind aber in aller Regel schon für den Angehörigen reine Vermögensschäden und damit mangels tauglicher Rechtsgutsverletzung nicht erfasst.263 Für den Unterhaltsschaden eines gegenüber dem primär Geschädigten Unterhaltsberechtigten wollen sich die Materialien trotzdem nicht festlegen, ob ein Urteil über einen Unterhaltsschadensersatzanspruch gegen den Schädiger den Filter nach lit. j passieren könnte oder nicht.264 „Arising from death“ sind die Ansprüche des Unterhaltsberechtigten natürlich, aber sie treffen eine andere, nicht primär geschädigte Person. Klar erscheint demgegenüber, dass Vermögensfolgeschäden des primär Geschädigten ebenfalls erfasst sind. Sonst könnte der „Filter“ in lit. j. die allermeisten Urteile allenfalls teilweise erfassen. 71
Damit ist nun die deliktische Anerkennungszuständigkeit enger als die entsprechende direkte Zuständigkeit im Entwurf von 2001.265 Dort war der Erfolgsort unter der Einschränkung eines Vorhersehbarkeitstests ebenfalls zuständigkeitsbegründend. Der sehr enge Anwendungsbereich, insbesondere der Ausschluss der Erfolgsortsanknüpfung soll andernorts erwachsenen „interpretatorischen Schwierigkeiten“ vorbeugen.266 Hiermit ist ersichtlich (auch) die Rechtsprechung des EuGH zu Art. 7 Nr. 2 Brüssels Ia-VO und deren Vorgängervorschriften gemeint. Allerdings haben sich zuletzt durchaus auch Schwierigkeiten bei der Interpretation des Handlungsortes gezeigt, dies freilich vor allem bei arbeitsteiliger Verletzung geistigen Eigentums sowie bei Kapitalanlage-267 und für Kartellschäden268 – jeweils hier a priori (geistiges Eigentum; reine Vermögensschäden) bzw. weitgehend (Kartellschäden) ausgeschlossene Materien. Die Grundfragen zur zuständigkeitsrechtlichen Handhabung arbeitsteiliger Deliktsverwirklichung sind damit nicht gelöst. Auf die anders gelagerten Schwierigkeiten bei Produkthaftung269 weisen die Materialien selbst hin.270 Anders als bei vertraglichen Ansprüchen nach lit. g (ii) letzter Halbsatz ist für die deliktische Zuständigkeit kein Vorbehalt für den Fall nicht hinreichender Nähebeziehung oder alternative Zuständigkeitsgründe („purposeful availment“-Test oder ähnliches) vorgesehen.271 Dies erklärt sich freilich leicht dadurch, dass die Anknüpfung an den Handlungsort hier ohnehin eine enge Verbindung des Ortes zu den Aktivitäten des Beklagten sichert.
260 Die Materialien verweisen auf „pain and suffering“ des Geschädigten in einem anderen Staat als dem der primären Verletzung, Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 198, dies unter Verweis auf Club Resorts v. Van Breda, 2012 SCC 17, at para. 89 (Supreme Court of Canada). 261 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 197. 262 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 197: „An obvious example is that of a spouse or child claiming for moral or economic loss subsequent to the wrongful death of a spouse or parent.“ 263 Zur „Schockschäden“ naher Angehöriger vgl. Solomon in FS Thümmel, 2020, S. 873, 883. 264 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 197: „It is possible that claims by dependents pursuant to wrongful death will not be covered by sub-paragraph (j) because that provision excludes non-physical injuries and deals only with harm directly caused. Alternatively, as sub-paragraph (j) deals with non-contractual obligations arising from death, such claims for dependents may well be included within this jurisdictional filter.“ Trotzdem mahnen die Autoren eine einheitliche Auslegung an. 265 Vgl. Art. 10, Prel. Doc. No. 11 v. August 2000. 266 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 197. 267 M. Weller, Neue Grenzen der internationalen Zuständigkeit im Kapitalanlageprozess: Keine wechselseitige Zurechnung der Handlungsbeiträge nach Art. 5 Nr. 3 EuGVO, WM 2013, 1681–1688. 268 Z.B. M. Weller, Die internationale Deliktszuständigkeit für kartellprivatrechtliche Schadensersatzklagen, in Matthias Weller/Michael Nietsch (Hrsg.), Private Enforcement: Brennpunkte kartellprivatrechtlicher Schadensersatzklagen, Workshop der EBS Law School am 21.6.2013, Schriftenreihe der EBS Law School Band 3, Nomos-Verlag Baden-Baden 2014, S. 49–60. 269 Wo liegt der Handlungsort bei Körperverletzung durch das fehlerhafte Produkt in einem anderem Staat als dem Sitz der Unternehmenszentale – wohl nach wie vor dort, anders eventuell bei unterlassener Instruktionspflicht. So tendenziell Solomon in FS Thümmel, 2020, S. 873, 883; Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 198 a.E., dort zusätzlich auf die Unterscheidung hinweisend, ob der Unterlassungsort als Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzufassen ist. Hierfür soll die je anwendbare lex loci delicti maßgeblich sein. Zugleich fordern die Autoren aber erneut eine einheitliche Anwendung des Übereinkommens. 270 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 198. 271 Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 25.
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V. Anerkennung und Vollstreckung
Einf. HAVÜ 2019
Die Beschränkung allein auf den Handlungsort mag man mit guten Gründen, insbesondere in Bezug auf „Menschenrechts“-Klagen, kritisieren.272 ee) Zuständigkeit in Angelegenheiten eines Trusts (lit. k) Der trust ist ein Konzept in common law-Staaten. Zur Definition kann auf Art. 2 des Haager Über- 72 einkommens über Trusts von 1985 verwiesen werden.273 Danach sind trusts sowohl unter Lebenden (ein- oder mehrseitig)274 als auch testamentarisch errichtete erfasst.275 Die Wahl des Erststaates als Ort der Streitbeilegung nach lit. k (i) muss nicht ausschließlich sein.276 Soweit die indirekte Zuständigkeit nach lit. k (ii) Halbs. 1 auf den Sitz der Hauptverwaltung im Erststaat gestützt werden soll, ergänzt lit. k (ii) Halbs. 2, dass dies nur für Urteile gilt, die interne Beziehungen innerhalb des trust betreffen. Hierbei ist es unschädlich, wenn die betreffenden Personen zum Zeitpunkt der Anerkennung nicht mehr dem Trust angehörten.277 Externe Rechtsstreitigkeiten müssen demgegenüber die Voraussetzungen eines anderen Zuständigkeitsgrundes nach Abs. 1 erfüllen, soll eine Anerkennung nach der Konvention erfolgen.278 e) Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz (Art. 5 Abs. 2 HAVÜ) Art. 5 Abs. 2 HAVÜ enthält bestimmte Restriktionen der Zuständigkeiten in Abs. 1, wenn der jetzige 73 Gegner Verbraucher oder Arbeitnehmer ist. Umgekehrt, wenn also der Verbraucher oder Arbeitnehmer selbst Anerkennung bzw. Vollstreckung betreibt, greift Abs. 2 nicht.279 Allerdings findet er auch dann Anwendung, wenn die andere Partei Verbraucher ist.280 „Verbraucher“ ist, wer als natürliche Person überwiegend zu persönlichen,281 familiären oder haushaltsbezogenen Zwecken („for personal, family or household purposes“) handelt.282 Der Schutz eines solchen Verbrauchers beschränkt sich dabei auf Angelegenheiten in Vertragssachen, Art. 5 Abs. 2 HAVÜ. Deliktische Klagen des Verbrauchers gegen einen Unternehmer unterliegen also den allgemeinen Regeln,283 ebenso deliktische Klagen gegen Verbraucher. Der Verbraucher kann also am Handlungsort verklagt werden, und das daraus erwachsende Urteil kann nach Art. 5 Abs. 1 lit. j HAVÜ unter den Vertragsstaaten frei zirkulieren, sofern es die übrigen Voraussetzungen, insbesondere hinsichtlich der Einschränkungen im sachlichen Anwendungsbereich, der deliktischen Zuständigkeit erfüllt.284 Ein „Arbeitnehmer“ muss abhängig beschäftigt sein, darf also kein Selbständiger sein.285 Nur
272 273 274 275 276 277 278 279 280 281
282 283 284 285
van Loon, Collection of Papers of the Faculty of Law, Nisˇ 82 (2019), 15, 26. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 2007. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 201. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 201. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 202. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 207. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 199. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 221; Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 24; Fuchs, GPR 2019, 395, 397. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 222; vorsichtiger Solomon in FS Thümmel, 2020, S. 873, 888. Dieses Merkmal soll nach teilweise vertretener Auffassung den Kauf eines Geschenks für einen „unrelated friend“ ausschließen, dies erwägend de Araujo/De Nardi, Netherlands International Law Review 67 (2020), 67, 73. Ersichtlich handelt es sich auch hierbei um einen „persönlichen“ Zweck, so dann auch im Folgenden de Araujo/De Nardi, Netherlands International Law Review 67 (2020), 67, 73. In der Tat nicht mehr besonders geschützt ist der Beschenkte, vgl. nochmals de Araujo/De Nardi, Netherlands International Law Review 67 (2020), 67, 73. Der Schutz des Verbrauchers nach Art. 5 Abs. 2 beschränkt sich freilich ohnehin auf die Anerkennung von Urteilen gegen den Verbraucher. Diese Definition entspricht Art. 2 Abs. 1 lit. a HProrogÜbk. de Araujo/De Nardi, Netherlands International Law Review 67 (2020), 67, 73. Tendenziell kritisch, aber vielleicht auch nur feststellend („no protection“) de Araujo/De Nardi, Netherlands International Law Review 67 (2020), 67, 76, am Beispiel eines Verbrauchers, der im Ausland ein Kfz mietet und dieses bei Gebrauch beschädigt. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 223.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung individualarbeitsrechtliche Ansprüche sind erfasst, also keine Klage im Zusammenhang mit Tarifvereinbarungen zwischen dem Arbeitgeber und einer Gewerkschaft etc.286 75
Gegenüber den Filtern des Abs. 1 wird der zuständigkeitsrechtlich Schwächere nicht etwa privilegiert, wenn er selbst die Durchsetzung eines von ihm an seinem Wohnsitz erstrittenen Urteils betreibt. Vielmehr muss auch solchenfalls eine der in Abs. 1 genannte Zuständigkeiten gegeben sein.287 Bei sonst beziehungsloser Klage am unter Umständen eröffneten Klägergerichtsstand im Forumstaat wird dies nicht immer der Fall sein, so dass die Stellung des Verbrauchers geschwächt ist.288
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Für Verbraucher und Arbeitnehmer gilt nach Abs. 2 lit. a der Zuständigkeitsgrund in Abs. 1 lit. e (ausdrückliche Zustimmung) nur dann, wenn die Zustimmung gerade gegenüber dem Gericht, mündlich oder schriftlich, erklärt wurde.289 Abs. 2 lit. b schließt die Zuständigkeitsgründe in Abs. 1 lit. f, g und m (rügelose Einlassung, Vertragsgerichtsstand, Gerichtsstandsvereinbarung) vollständig aus.290 Damit sind insbesondere Anerkennungszuständigkeiten ausgeschlossen, die auf Parteiautonomie gründen. In der Regel werden damit nur solche Urteile anerkannt werden, die am gewöhnlichen Aufenthalt des Verbrauchers bzw. Arbeitnehmers erlassen wurden – sofern keine Zustimmung i.S.d. lit. e erfolgt ist.291 Die indirekte Zuständigkeit nach Art. 5 Abs. 3 HAVÜ für Wohnraummiete am Belegenheitsort bleibt indes von Art. 5 Abs. 2 HAVÜ unverändert. f) Wohnraummiete und Eintragung von Grundstücken (Art. 5 Abs. 3 HAVÜ)
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Nach Abs. 3 gilt der gesamte Abs. 1 nicht für Wohnraummiete, ebenso wenig für Streitigkeiten über die Eintragung von Grundstücken. Für solche Urteile sind vielmehr allein die Gerichte des Belegenheitsstaates (indirekt) zuständig, jedoch nicht ausschließlich i.S.v. Art. 6 HAVÜ, so dass (anders als in den Fällen des Art. 6 HAVÜ) gem. Art. 15 HAVÜ die Anerkennung bzw. Vollstreckung nach nationalem Recht eröffnet bleibt.292 Im letzten Entwurf vor der Diplomatischen Konferenz war hingegen noch eine (nicht-ausschließliche) Zuständigkeit für Mietverhältnisse innerhalb von Abs. 1 vorgesehen, für solche von mehr als sechs Monaten allerdings eine ausschließliche innerhalb von Art. 6 HAVÜ, wenn die Gerichte des Belegenheitsstaates nach deren lex fori ausschließlich zuständig sind. Zwischen Wohnraum- und Gewerbemiete wurde dabei nicht unterschieden. Dieser allzu komplizierte und überdies auf nationales Recht verweisende Regelungsansatz konnte sich indes nicht durchsetzen. 3. Ausschließliche Zuständigkeit (Art. 6 HAVÜ)
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Nach Art. 6 HAVÜ kann ein Urteil, das Sachenrechte („rights in rem“) an unbeweglichem Vermögen betrifft, nur dann anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden, wenn sich das unbewegliche Vermögen im Erststaat befindet. Daraus folgt einerseits, dass ein Urteil, welches im Belegenheitsstaat erlassen wurde, nach dem Übereinkommen anzuerkennen ist.293 Andererseits kommt eine Anerkennung eines Urteils, das in einem anderen Staat erlassen wurde, weder nach dem Übereinkommen noch nach nationalem Recht in Betracht (… „if and only if“ …).294 Art. 6 HAVÜ formuliert damit im Kern bereits zwingend die direkte Zuständigkeit vor. Das unbewegliche Vermögen muss dabei in einem Vertragsstaat belegen sein.295 286 287 288 289 290 291 292 293 294 295
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Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 224. Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 24; Solomon, FS Thümmel, 2020, S. 873, 889. Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 24. Zum Verlauf der intensiven Verhandlungen hierzu de Araujo/De Nardi, Netherlands International Law Review 67 (2020), 67, 77. Eingehend hierzu de Araujo/De Nardi, Netherlands International Law Review 67 (2020), 67, 74 ff. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 221; Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 558. Stein, IPRax 2020, 197, 201: „Zwischenkategorie“ im System der indirekten Zuständigkeiten; Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 560. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 231. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 231; Goddard, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 473, 481; Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 559. Anders noch Garcimartín/Saumier, Revised Draft Explanatory Report, Rz. 264; vgl. allerdings nun Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 239 f.: „the preferable interpretation appears to be that Contracting
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V. Anerkennung und Vollstreckung
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„In rem“-Rechte sind solche, die unmittelbar unbewegliches Vermögen betreffen und erga omnes wir- 79 ken (Eigentum, Nießbrauch, Nutzungsrechte, Sicherungsrechte).296 Erfasst sind Fragen, die deren Bestehen, Inhalt und Durchsetzbarkeit betreffen,297 nicht aber etwa die Erfüllung eines Kaufvertrages über unbewegliches Vermögen oder Ansprüche aus Beschädigung unbeweglichen Vermögens.298 Ebenso wenig ist bewegliches Vermögen als solches erfasst.299 Inwieweit bewegliches Vermögen als Zubehör zum Grundstück erfasst sein kann, wird sich nach der lex rei sitae richten.300 Das Übereinkommen definiert den Begriff des unbeweglichen Vermögens jedenfalls nicht. 4. Versagung der Anerkennung und Vollstreckung (Art. 7 HAVÜ) Art. 7 HAVÜ enthält abschließende301 Versagungsgründe, weithin gleichlaufend mit denjenigen in Art. 9 HProrogÜbk und überdies einen weitreichenden internationalen Konsens widerspiegelnd,302 auf die sich ein Vertragsstaat stützen kann, aber nicht muss.303 Der vertragsstaatliche Gesetzgeber kann einzelne (theoretisch auch alle) Versagungsgründe in Umsetzung des Übereinkommens ausschließen.304 Ebenso kann er regeln, dass ein Urteil aus diesen Gründen zwingend nicht anerkannt wird oder aber schließlich Kriterien aufstellen, wie das Gericht sein Ermessen ausüben soll.305 Inwieweit sich die Parteien auf die Versagungsgründe berufen müssen oder ob diese von Amts wegen zu prüfen sind, ist genauso wie die Verteilung der objektiven Beweislast gem. Art. 13 HAVÜ eine Frage der lex fori.306
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a) Allgemeine Versagungsgründe (Art. 7 Abs. 1 HAVÜ) Abs. 1 enthält, in teilweiser Nachbildung zum HProrogÜbk,307 sechs Versagungsgründe.
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Erstens kann die Anerkennung eines Urteiles nach Art. 7 Abs. 1 lit. a HAVÜ versagt werden, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück, das die wesentlichen Elemente der Klage enthält, dem Beklagten entweder nicht so bzw. nicht so rechtzeitig übermittelt worden ist, dass er sich verteidigen konnte (lit. a (i)), oder dem Beklagten in einer Weise im Zweitstaat übermittelt worden ist, die mit wesentlichen Grundsätzen des Zweitstaates für die Zustellung von Schriftstücken unvereinbar ist (lit. a (ii)). Hierdurch soll ersichtlich das rechtliche Gehör des Beklagten gewahrt werden.308
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296 297 298 299 300 301 302 303
304 305 306 307 308
States are not obliged to recognise or enforce a judgment given in another Contracting State on immovable property situated in a non-Contracting State. Under this view, the Convention does not prevent such recognition or enforcement either under national law or under another international instrument“. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 234. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 235. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 234. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 234. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 234 f. Art. 4 Abs. 1 S. 2 HAVÜ; Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 244; Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 560; Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 9; Stewart, 113 (2019) AJIL 772, 778. Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 561. Maier, Netherlands International Law Review 67 (2020), 81, 92 ff., auch im Vergleich zu anderen Instrumenten; Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 244 und 246; de Araujo/De Nardi/Lopes/Polido, 16 (2019) Braz.J.Int’l L 19 (22 f.); Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 9; Goddard, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 473 (482); Stewart, 113 (2019) AJIL 772, 778. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 246; Goddard, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 473, 482. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 246; für eine einheitliche Auslegung des Wortlautes „may im UNÜ, im HProrogÜbk und im HAVÜ als Vorfrage zum Spielraum für nationale Umsetzungen Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 97, 103. Vgl. hierzu auch M. Weller, FS Kronke, 2020, S. 621, 629. Vgl. dort Art. 9 lit. c bis g unter Begrenzung auf den Prozessbetrug. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 250.
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Im ersten Fall nach Art. 7 lit. a (i) HAVÜ richtet sich die Anforderungen an eine hinreichende und rechtzeitige Zustellung nach eigenständigen Kriterien der Konvention,309 welche zugleich (bei marginalen Wortlautabweichungen) denjenigen in Art. 9 lit. c HProrogÜbk310 entsprechen.311 Diesen ist ausdrücklich genügt, wenn sich der Beklagte trotz fehlender Verteidigungsmöglichkeit rügelos eingelassen hat, sofern ein entsprechende Rüge nach dem Verfahrensrecht zulässig gewesen wäre.312 Darüber hinaus erfordert der konventionsautonome Standard keine persönliche Zustellung.313 Ersatzzustellung ist also grundsätzlich zulässig, solange sie den genannten abstrakten Mindeststandards des Übereinkommens entspricht („factual test“ im Gegensatz zu „formalistic tests“ in früheren Instrumenten314). Eine öffentliche Zustellung wird allerdings wohl nur dann als ausreichend erachtet werden, wenn alle Nachforschungen sorgfältig vorgenommen worden sind, die nach Treu und Glauben zumutbar sind, um den Beklagten ausfindig zu machen.315 Im Übrigen bleibt der konventionsautonome Standard unkonkretisiert. Dies birgt Risiken für die einheitliche Anwendung einer höchst praxisrelevanten Regelung, etwa bei der Frage, ob Postzustellung zulässig ist, wann Sprach- bzw. Übersetzungsanforderungen erfüllt sind oder ab wann „Rechtzeitigkeit“316 anzunehmen ist.317 Vorsichtige Orientierung u.a. an der Rechtsprechung des EuGH zum Brüsseler System und damit in anderem Systemkontext dürfte angebracht sein. Im Übrigen dürfte mit Blick auf internationale Grund- und Menschenrechtsstandards ein eventuelles Ermessen des Zweitstaatengerichts zur Überprüfung dieses Versagungsgrunds auf Null reduziert sein jedenfalls in Vertragsstaaten der EMRK, erst recht in Mitgliedstaaten der EU.318 Eine anerkennungsrechtliche Spiegelung des Schutzmechanismus nach Art. 28 Abs. 4 Brüssel Ia-VO i.V.m. Art. 15 des Haager Zustellungsübereinkommens, also mit Rekurs auf ausdifferenzierte internationale Standards, ist freilich nicht vorgesehen.319
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Im zweiten Fall (ii) werden die leitenden Rechtsgrundsätze des Zweitstaats selbst zum Maßstab, sofern die Zustellung auf seinem Gebiet erfolgt ist („… notified to the defendant in the requested State …“).320 Es handelt sich somit um einen speziellen Ordre-public-Vorbehalt zum Schutz derjenigen Staaten, welche die Zustellung als hoheitlichen Akt einordnen, der ihre Souveränität berührt, aber auch zum Schutz von Mindeststandards im Zweitstaat für den Fall, dass diese nicht als Bestandteil des allgemeinen ordre public verstanden werden.321 Als ergänzende Leitlinie im Sinne einer harmonischen Auslegung der Haager Instrumente im Verhältnis untereinander wird auf Art. 13 Abs. 1 des Haager Zustellungsübereinkommens von 1965 verwiesen, nach welchem es darauf ankommt, ob die Zustellung die Souveränität oder Sicherheit des Zweitstaates beeinträchtigt.322
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Zum Zweiten unterliegen durch Betrug erlangte Urteile (lit. b) nicht der Pflicht zur Anerkennung.323 Aus kontinentaleuropäischer Perspektive handelt es sich um einen besonderen Ordre-public-Vor309 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 251; Maier, Netherlands International Law Review 67 (2020), 81, 87. 310 Hierzu M. Weller in Rauscher, EuZPR/EuIPR Art. 9 HProrogÜbk Rz. 4. 311 Maier, Netherlands International Law Review 67 (2020), 81, 83, dort auch eingehend und in synoptischer Form zu Unterschieden im Vergleich zum „Haager System“ insgesamt, zum „Brüsseler System“, zur LuganoKonvention und zum UNÜ. 312 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 250. 313 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 251. 314 Maier, Netherlands International Law Review 67 (2020), 81, 86. 315 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 251. 316 Berücksichtigt werden soll hierbei insbesondere, ob eine Klagezustellung durch vorprozessuale Korrespondenz zu erwarten war oder nicht, Maier, Netherlands International Law Review 67 (2020), 81, 89. 317 Maier, Netherlands International Law Review 67 (2020), 81, 87. 318 Maier, Netherlands International Law Review 67 (2020), 81, 93. 319 Maier, Netherlands International Law Review 67 (2020), 81, 94. 320 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 252; Maier, Netherlands International Law Review 67 (2020), 81, 90. 321 Maier, Netherlands International Law Review 67 (2020), 81, 90; nach R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 102, 125, handelt es sich zumindest bei der Vorschrift des HProrogÜbk um ein Zugeständnis an Japan, welches die Ordre-public-Klausel tendenziell eng auslegt. so dass eine Konkretisierung erforderlich war. 322 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 254. 323 Betrug bezeichnet das absichtliche Täuschen, um einen ungerechtfertigten Vorteil zu erlangen bzw. um einen anderen um ein Recht zu bringen, vgl. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 255.
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behalt.324 Bereits das HProrogÜbk enthält insoweit einen speziell ausformulierten, eigenständigen Versagungsgrund, dies aber ausdrücklich beschränkt auf Prozessbetrug.325 Diese Einschränkung ist hier bewusst fallen gelassen worden, um materiellrechtsbezogene Betrugsfälle einschließen zu können.326 Allerdings wird dadurch zum Teil die Gefahr gesehen, unter Verletzung von Art. 4 Abs. 2 HAVÜ in eine allzu weitgehende révision au fond abzugleiten.327 Drittens ist der allgemeine (negative) Ordre-public-Vorbehalt (lit. c) von zentraler Bedeutung, wel- 86 cher bei Unvereinbarkeit des erststaatlichen Urteils mit der inländischen öffentlichen Ordnung des Zweitstaates, sei es in materieller (Halbs. 1), sei es in prozessualer Hinsicht (Halbs. 2), die Versagung der Anerkennung bzw. Vollstreckung erlaubt.328 Er umfasst nur die „essentiellen Regelungen“ des Gerichtsstaates329 – beispielhaft330 sind die „Souveränität“ und die „Sicherheit“ des Zweitstaates hervorgehoben – und ist deshalb eng auszulegen („… only in exceptional cases …“),331 zumal angesichts der notwendig inhaltlichen Offenheit gegenüber nationalem Recht keine einheitliche Auslegung i.S.d. Art. 20 HAVÜ in Ansehung erfasster Inhalte möglich ist.332 Dies schließt andererseits universell geltende Inhalte nicht aus, diese fließen dann aber ggf. aus allgemeinem völkerrechtlichem ius cogens, sind also nicht das Ergebnis vereinheitlichender Setzung durch die Konvention.333 Mit Blick auf die potentiell ganz unterschiedliche Rechtstraditionen und Rechtsstaatlichkeitsstandards pflegenden Beitrittskandidaten soll der Vorbehalt dennoch weiter verstanden werden, als es die restriktive Rechtsprechung des EuGH zu den Brüssel-Verordnungen zuließe, die aber eben einen vergleichsweise homogenen Rechtsraum betreffen.334 Zugleich steht der allgemeine Ordre-public-Vorbehalt in lit. c in systematischem Zusammenhang mit speziellen Ausprägungen des Ordre public in lit. a (Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks), lit. b (Betrug), nach teilweise vertretener Auffassung auch lit. e und f (kollidierende inländische Urteile)335 sowie Art. 10 HAVÜ (Strafschadensersatz) und wird dabei tendenziell als auffangende Generalklausel verstanden.336 Hier wird man auch diejenigen Urteile verorten müssen, die kraft autonomer Qualifikation als Zivilund Handelssache eingeordnet werden, deren Anerkennung im nationalen Recht jedoch als indirekte Durchsetzung einer ausländischen öffentlichen Forderung versagt bliebe (sog. Nichtdurchsetzungs-
324 Einige Staaten sehen hierin eine prozessuale Einwendung, die neben den allgemeinen Ordre public tritt, vgl. Douglas/Keys/McKibbin/Mortensen, Federal Law Review 47 (2019), 420, 430; Kessedjian, „Synthesis of the Work of the Special Commission of March 1998 on International Jurisdiction and the Effects of Foreign Judgments in Civil and Commercial Matters“, Prel. Doc. No. 9 v. Juli 1998, Rz. 40–45. 325 Art. 9 lit. d HProrogÜbk: „… judgment was obtained by fraud in connection with a matter of procedure …“ 326 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 255. 327 van Loon, Collection of Papers of the Faculty of Law, Nisˇ 82 (2019), 15, 29; vgl. auch Teitz, 29 (2019) Duke Journal of Comparative & International Law 491, 504. 328 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 261; eingehend hierzu im Kontext des HAVÜ Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 97 ff. 329 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 259: „manifest breach of a rule of law regarded as essential“. 330 Im Wortlaut wohl angelehnt an Art. 13 Abs. 1 des HZustellÜ und insoweit in auffälligem Unterschied zu Art. 9 lit. e HProrogÜbk. Dies soll sich durch die statistisch häufigere Relevanz dieser beiden Aspekte in den diese nennenden Übereinkommen erklären, ohne inhaltliche Unterschiede oder gar Erweiterungen im Anwendungsbereich zu begründen, Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 264. 331 Garcimartín/Saumier, Revised Draft Explanatory Report, Rz. 289, mit Verweis auf Rechtsprechung sowohl zu anderen Haager Übereinkommen als auch zu solchen des Brüsseler Regimes. Wie immer geht es also um die angemessene Balance zwischen dem ausnahmsweisen Schutz fundamentaler Wertungen des Zweitstaates und der grundsätzlich einheitlich zu haltenden Anwendung des Übereinkommens („trust management“), vgl. in grundsätzlicher Hinsicht dazu M. Weller, FS Kronke, 2020, S. 621 ff.; Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 97, 99: „[o]ptimizing the balance“. 332 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 264. 333 Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 98. 334 Pertegás, in van Calster/Falconis (Hrsg.), European Private International Law at 50, S. 67, 74; gegenläufig allerdings Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 97, 100: „infringement“ must be „unbearable“. 335 Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 97, 98. 336 Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 99.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung grundsatz, revenue rule).337 Angesichts des Ausschlusses öffentlich-rechtlicher Angelegenheiten vom Anwendungsbereich des Übereinkommens müssen die Vertragsstaaten jedenfalls nicht damit rechnen, ausländische Steuerforderungen zu realisieren, nur weil diese eine zivilrechtliche Einkleidung erfahren haben,338 zumal der Grundsatz universal anerkannt339 und häufig mit territorialen Souveränitätserwägungen begründet wird.340 Realistischerweise sind abweichende Qualifikationsentscheidungen mangels einer zentralen Auslegungsinstanz in der Praxis eher nicht oder jedenfalls nur ausnahmsweise zu erwarten. 88
Die Intensität des Inlandsbezugs soll dabei auch hier als wesentliches, freilich implizites Wertungskriterium fungieren.341 Schwere des Verstoßes und Inlandsbezug stehen danach in einem beweglichen System.342 Bezugspunkt für den Verstoß bilden die Folgen der Anerkennung bzw. Vollstreckung im konkreten Fall, auch und gerade bei Verstößen gegen den verfahrensrechtlichen Ordre public,343 wobei ein fundamentaler Verfahrensverstoß bereits dann ausreichen sollte, wenn die Ergebnisrelevanz in der Sache nicht auszuschließen ist. Der Missbrauch von indirekten Zuständigkeiten des Art. 5 HAVÜ mag in Extremfällen einer fraude à la loi unter Art. 7 Abs. 1 lit. c HAVÜ fallen,344 überzeugende Beispiele erscheinen aber kaum konstruierbar.
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Viertens kann die Entscheidung in Widerspruch zu einer Gerichtsstandsvereinbarung oder den Bestimmungen eines Trustes stehen, welche nicht den Ursprungsstaat zur Entscheidung des Rechtsstreites berufen (lit. d). Auch insoweit mag das ersuchte Gericht die Anerkennung versagen. Erfasst sind alle Gerichtsstandsvereinbarungen mit Derogationswirkung,345 seien es solche nach dem HProrogÜbk, nach der Brüssel Ia-VO, anderen einschlägigen Konventionen oder aber auch autonomem Recht. Die Vielfalt der Rechtsquellen für eine Gerichtsstandsvereinbarung nach lit. d führt zu der Frage, nach welchem Recht sich das Vorliegen und die Wirksamkeit dieser Vereinbarung für die Zwecke von lit. d richten soll.346 Zu beachten bleibt, dass in den Einlassungen des Beklagten eine konkluden-
337 Vgl. BGH v. 17.12.2015 – I ZR 275/14, IPRspr 2015, Nr. 262, 673; European Community v. RJR Nabisco, 424 F.3d 175; QRS 1 ApS v. Frandsen, [1999] 1 W.L.R. 2169; République du Guatemala c. SINCAF, Cass. Civ., 2 mai 1990, Rev. crit. DIP 1991, 378; OGer Zürich v. 20.3.2012 – LB 110077. 338 So selbst die nationale Einschätzung im Vereinigten Königreich unter dem weitaus integrierteren Brüssel/Lugano-System Skat v. Solo Capital Partners LLP, [2021] EWHC 974 (Comm.): „Dicey Rule 3 [the revenue rule] is a substantive rule of English law unaffected by the Brussels-Lugano regime. […] It is an overriding or mandatory rule of English law as the lex fori, a substantive rule of law that applies even if the applicable choice of law rule says that, in general, the suit in question is not governed by English law.“ 339 Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, S. 17 ff. Innerhalb der EU ist der Grundsatz durch die Rechtsprechung des EuGH sowie die Beitreibungsrichtlinie (RL 2010/24/EU) merklich eingeschränkt. Die berüchtigten Buchanan-Fallkonstellationen, in denen ein Insolvenzverwalter versucht, privatrechtliche Forderungen einer ausländischen Gesellschaft einzuziehen, wenn es sich bei dem (einzig relevanter) Gläubiger um den ausländischen Fiskus handelt, werden wohl bereits an Art. 2 Abs. 1 lit. e HAVÜ scheitern, vgl. Peter Buchanan Ltd. V. McVey [1955] A.C. 516, 529; Government of India v. Taylor, [1955] AC 491; QRS 1 ApS v. Frandsen, [1999] 1 W.L.R. 2169; Relfo Ltd. (in liquidation) v. Bhimji Velji Jadva Varsani, [2008] SGHC 105. 340 Vgl. z.B. Government of India v. Taylor, [1955] AC 491 per Lord Keith of Avonholm: „One explanation of the rule thus illustrated may be thought to be that enforcement of a claim for taxes is but an extension of the sovereign power which imposed the taxes, and that an assertion of sovereign authority by one State within the territory of another […] is (treaty or convention apart) contrary to all concepts of independent sovereignties.“ (UK); Moore v. Mitchell, 30 F.2d 600 per Circuit Judge Learned Hand: „To pass upon the provisions for the public order of another state is, or at any rate should be, beyond the powers of a court; it involves the relations between the states themselves, with which courts are incompetent to deal, and which are intrusted to other authorities“ (USA). 341 Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 97, 100: implicit in Art. 7(1)(c). 342 Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 97, 100. 343 Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 97, 100. 344 Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 97, 105. 345 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 299; Schack, IPRax 2020, 1, 5. 346 M. Weller, FS Kronke, 2020, S. 621, 627.
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te Abänderung der Vereinbarung gesehen werden kann,347 wenn das Gericht unter Anwendung seines Kollisionsrechtes nicht ohnehin zur Unwirksamkeit der Bestimmung gelangt.348 Schließlich bestehen Versagungsgründe sowohl bei unvereinbaren Entscheidungen, die ungeachtet der zeitlichen Reihenfolge im Zweitstaat gefällt worden sind (lit. e), als auch bei früher ergangenen Entscheidungen von Gerichten anderer Staaten, wenn diese Entscheidungen im Zweitstaat – nicht notwendig nach dem Übereinkommen- anzuerkennen sind (lit. f). Unvereinbarkeit besteht dabei, wenn sich die rechtliche Würdigung oder die Tatsachenfeststellungen gegenseitig ausschließen.349 Beide Varianten setzen dabei die Identität der Parteien voraus, nur im Rahmen des lit. f muss zusätzlich noch derselbe Streitgegenstand i.S. einer (konventionsautonomen) Kernpunkttheorie betroffen sein,350 die freilich der unionsrechtlichen nahestehen wird.
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b) Versagung bei Litispendenz im Zweitstaat (Art. 7 Abs. 2 HAVÜ) Mangels Regelung der direkten internationalen Zuständigkeit enthält die Konvention keinen Mecha- 91 nismus, der Parallelprozesse in mehreren Staaten koordinieren könnte.351 Vor Abschluss eines im Zweitstaat rechtshängigen Verfahrens – Identität der Parteien und des Streitgegenstandes vorausgesetzt – gewährt Art. 7 Abs. 2 HAVÜ daher einen eigenständigen Versagungs- bzw. Aussetzungsgrund des Anerkennungsstaates. Hierfür ist kumulativ (lit. a) die zeitlich frühere Befassung des Gerichts im Zweitstaat (Priorität)352 sowie (lit. b) eine enge Verbindung des Rechtsstreits zu diesem Zweitstaat erforderlich (Nähe). Letzteres soll dem Missbrauch durch z.B. gezielte Erhebung einer willkürlichen negativen Feststellungsklage entgegentreten.353 Das Nähekriterium für das zweitstaatliche, noch laufende Verfahren wird nicht unmittelbar konkretisiert, gilt aber nach den Materialien jedenfalls dann als erfüllt, wenn eine der indirekten Zuständigkeiten in Art. 5 HAVÜ eröffnet wäre. Beschränkt darauf ist die verlangte Nähe aber nicht. Beispielsweise käme ergänzend zu Art. 5 lit. j HAVÜ der Erfolgsort eines Delikts in Betracht.354 Nationalität oder Wohnsitz allein sollen hingegen nicht genügen.355 Wird der Rechtsstreit im Zweitstaat nach Versagung oder Aussetzung entschieden, greift Art. 7 Abs. 1 lit. f HAVÜ ein, im Übrigen bleibt der erneute Antrag (z.B. bei Prozessurteilen) gemäß S. 2 zulässig.356 5. Vorfragen (Art. 8 HAVÜ) Wie bereits angesprochen entfaltet die Anerkennung unabhängig von der Reichweite der Rechtskraft im Erststaat gem. Art. 8 Abs. 1 HAVÜ keine Bindungswirkung, soweit Vorfragen in Rede stehen, die nach Art. 2 Abs. 1 HAVÜ außerhalb des Anwendungsbereiches liegen oder nach Maßgabe des Art. 18 HAVÜ einseitig von diesem ausgenommen worden sind.357 Unbenommen bleibt die Anerkennung nach autonomem Zivilprozessrecht (Art. 15 HAVÜ). Art. 2 Abs. 2 HAVÜ stellt, wie bereits erläutert, dabei klar, dass ein Urteil nicht schon deswegen vom Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsregime des Übereinkommens ausgeschlossen ist, weil ausgeschlossene Sachmaterien als Vorfragen im Urteil auf347 348 349 350 351 352
353 354 355 356 357
Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 268 f. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 269. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 271. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 272. Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 541. Zum autonom-maßgeblichen Zeitpunkt Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 274 mit Verweis auf Rz. 41 (allgemein zum intertemporalen Anwendungsbereich des Übereinkommens, hierzu auch oben Rz. 13): „the completion of the first procedural act that gives rise to the commencement of the proceedings in the State of origin, e.g., the filing of the documents instituting the proceedings with the court, or if that document has to be served before filing, the reception by the authority responsible for service“. Bonomi, YbPIL 17 (2015/2016), 1, 11; Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 275. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 275. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 275. Ergänzend wird in Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 275 auf die in Art. 18 des Konventionsentwurfs von 1999 („prohibited grounds of jurisdiction“) verwiesen. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 276. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 282.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung scheinen. Im Umkehrschluss zu Art. 8 Abs. 1 HAVÜ sind (z.B. Zwischenfeststellungs-) Urteile über Vorfragen anerkennungsfähig, soweit sie solche im sachlichen Anwendungsbereich des Übereinkommens betreffen.358 93
Demgegenüber erlaubt Art. 8 Abs. 2 HAVÜ in Modifikation von Art. 2 Abs. 2 HAVÜ die Versagung der Anerkennung einer Entscheidung, wenn und soweit sie auf einer Vorfrage i.S.d. Art. 8 Abs. 1 HAVÜ (außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des Übereinkommens) oder i.S.d. Art. 6 HAVÜ „beruht“ („… based on …“).359 Dies soll nach den Materialien (nur) der Fall sein, wenn der ersuchte Staat diese Frage anders entschieden hätte als das Erstgericht sie entschieden hat und dadurch das Urteil abweichend ausgefallen wäre.360 So kommt eine Versagung beispielsweise nicht in Betracht, wenn ein Vertrag sowohl aufgrund fehlender Geschäftsfähigkeit als auch wegen Betruges nichtig wäre und die Klage aus dem Vertrag in der Sache abgewiesen wurde.361 Das Erfordernis der Ergebnisrelevanz soll Missbrauch vorbeugen, etwa die Verhinderung der Anerkennungsfähigkeit durch die gezielte Einführung von Vorfragen außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des Übereinkommens,362 kann dies aber nur um den Preis einer hypothetischen Prüfung der in Rede stehenden Vorfrage in der Sache. 6. Teilbarkeit (Art. 9 HAVÜ)
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Art. 9 HAVÜ gestattet die Anerkennung und Vollstreckung einzelner Teile einer Entscheidung. Selbstständig ist der anzuerkennende Teil, soweit er für sich stehen kann, weil durch seine Abspaltung keine wesentliche Änderung der Rechte und Pflichten der Parteien herbeigeführt würde.363 Ein Bedürfnis hierfür mag sich insbesondere ergeben, wenn nur Teile des Urteiles dem Anwendungsbereich unterfallen oder ordre public-widrig zustande gekommen sind. Rechtsfragen der Teilbarkeit sind grundsätzlich der lex fori überlassen.364 Teilbarkeit könnte relevant werden bei kartellprivatrechtlichen Ansprüchen in einem Urteil aus einem Vertragsstaat, das in den erfassten Schäden über das Territorium des Urteilsstaates hinausgeht und damit insoweit nicht mehr vom Anwendungbereich des Übereinkommens erfasst ist, vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. p HAVÜ.365 7. Strafschadenersatz (Art. 10 HAVÜ)
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Teilbarkeit i.S.v. Art. 9 HAVÜ kommt insbesondere in den Fällen des Art. 10 Abs. 1 HAVÜ in Betracht, welcher als spezieller Ordre-Public-Vorbehalt die Anerkennung und Vollstreckung in das Ermessen des Anerkennungsstaates stellt, soweit funktional nicht-kompensatorische Schadenersatzforderungen (punitive damages) in Rede stehen.366 Systematisch folgt aus der Sondervorschrift des Art. 10 HAVÜ, dass Strafschadensersatz (als solcher) nicht als Ordre-public-Verletzung i.S.v. Art. 7 Abs. 1 lit. c HAVÜ des Übereinkommens zu verstehen ist.367 „Non-compensatory damages“ sind dabei konventionsautonom-einheitlich auszulegen, die Qualifikation durch das Erstgericht bindet also (auch hier) nicht.368 Zugleich wird die Schwelle zur Nichtanerkennungsmöglichkeit erheblich gegenüber Art. 7 Abs. 1 lit. c HAVÜ abgesenkt.
358 359 360 361 362 363 364 365 366
Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 563. Ähnlich Art. 10 Abs. 2 HProrogÜbk. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 286. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 286. Stein, IPRax 2020, 197, 201. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 290. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 290. Stein, IPRax 2020, 197, 200. Vgl. auch Art. 11 HProrogÜbk. Zum Teil werden konvergierende Entwicklungen beobachtet, Coco, N.Y. Univ. L.R. 94 (2019), 1209, 1227 ff.: verfassungsrechtlich bedingte Einschränkungen in der Höhe nach jüngerer Rechtsprechung in den USA träfen auf wachsende Bereitschaft zur Anerkennung von Urteilen mit Strafschadensersatzanteil, etwa in Frankreich oder Italien, mit Verweis auf Cour de Cassation 1e civ., Dec. 1, 2010 Bull.civ. I, No. 1090; Cass., sez. Un., 5 luglio 2017, n. 16601, Foro it. I 2017, I, 2613. 367 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 293, 294. 368 Jang, Netherlands International Law Review 67 (2020), 97, 110.
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V. Anerkennung und Vollstreckung
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8. Gerichtlicher Vergleich (Art. 11 HAVÜ) Art. 11 HAVÜ stellt gerichtliche Vergleiche des benannten Gerichts für die Zwecke der Vollstre- 96 ckung369 durch das Übereinkommen den Entscheidungen gleich. Der Antragsteller muss nach Art. 12 Abs. 1 lit. d HAVÜ durch Bescheinigung eines Gerichts des Erststaates dartun, dass der gerichtliche Vergleich im Erststaat wie eine Entscheidung vollstreckbar ist. Ob auch außergerichtliche Vergleiche erfasst werden, die im Nachhinein gerichtliche Bestätigung erfahren, ist nicht eindeutig, aber wohl anzunehmen.370 Im Übrigen gelten die allgemeinen Voraussetzungen der Vollstreckbarerklärung nach Art. 4 ff. HAVÜ. Angesichts des einvernehmlichen Charakters des Vergleiches sind indes kaum zuständigkeitsrechtliche Probleme zu erwarten.371 9. Vorzulegende Schriftstücke (Art. 12 HAVÜ) Der Antragsteller muss nach Art. 12 Abs. 1 HAVÜ diverse Schriftstücke vorlegen, welche sich nach 97 den Eigenarten des Vollstreckungsobjektes unterscheiden können. Notwendig sind daher namentlich eine vollständige, d.h. inklusive Urteilsgründe, und beglaubigte Abschrift der Entscheidung (lit. a), bei Versäumnisurteil der originale oder beglaubigte Nachweis dafür, dass das den Rechtsstreit einleitende Schriftstück der säumigen Partei übermittelt worden ist (lit. b), alle notwendigen Nachweise für die Wirksamkeit bzw. Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsstaat (lit. d) sowie bei Vollstreckung eines gerichtlichen Vergleichs die Bescheinigung eines Gerichts des Erststaates über die Vollstreckbarkeit gleich einer gerichtlichen Entscheidung (lit. d), welches ausdrücklich auch von dem Gerichtsbediensteten ausgestellt werden kann. Die Anforderungen an die Beglaubigung legt der Zweitstaat fest.372 Abs. 1 ist nicht abschließend zu verstehen, so dass es dem Zweitgericht nach Abs. 2 frei steht bei Bedarf weitere Nachweise zu verlangen. Dem Antrag kann nach Abs. 3 das durch ein Gericht oder eines Gerichtsbediensteten des Erststaates ausgefüllte Formblatt im Anhang des Übereinkommens beigefügt werden. Zwingend ist dies aber nicht.373 Das Zweitgericht ist hierbei nicht gehalten, selbst unstreitige Angaben im Formblatt als zutreffend anzusehen.374 Die Dokumente sind nach Abs. 4 gegebenenfalls mit einer beglaubigten Übersetzung in einer Amtssprache des Zweitgerichts zu versehen, sofern dessen Verfahrensrecht dies verlangt. Legt der Antragsteller ein erforderliches Schriftstück nicht vor, richten sich die Folgen nach der lex fori des Zweitgerichts, wobei ihm grundsätzlich Gelegenheit zur Nachreichung gegeben werden soll.375 10. Verfahren (Art. 13 HAVÜ) Art. 13 Abs. 1 S. 1 HAVÜ erklärt, dass für das Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung grundsätzlich die lex fori des Zweitgerichts maßgebend ist, soweit sich keine andere Regelung aus dem Übereinkommen selbst ergeben. Es ist damit dem jeweiligen Vertragsstaatenrecht überlassen, ob es die Anerkennung durch Vorschaltung eines besonders Exequaturverfahren bewerkstelligen möchte oder auf den stellenweise als „moderner“ beschriebenen Grundsatz der Inzidentanerkennung vertraut.376 Jedenfalls soll die Anerkennung gem. Art. 13 Abs. 1 S. 2 HAVÜ möglichst zügig erfolgen, ohne dass aus diesem Appell konkrete Verfahrensvorgaben zu folgern wären.377 Allerdings mag der
369 Mangels Rechtskraft sind sie jedoch nicht der Anerkennung fähig, vgl. Schack, IPRax 2020, 1, 3. 370 Dafür mit einem Wortlautargument Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 297. Dagegen mit rechtsvergleichender Argumentation zum HProrogÜbk, Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht, Rz. 207. 371 So Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 299. 372 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 307; hiermit soll keine Ausnahme vom Grundsatz der Legalisation verbunden sein, vgl. Noodt Taquela/Ruiz Abou-Nigm, YbPIL 19 (2017/2018), 449, 472. 373 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 304. 374 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 304. 375 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 302. 376 Pertegás, in van Calster/Falconis (Hrsg.), European Private International Law at 50, S. 67, 74; Schack, IPRax 2020, 1, 6; Stein, IPRax 2020, 197, 202. 377 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 314 legen Staaten dennoch die Implementierung von Vorschriften nahe; Vgl. demgegenüber Art. 23 des Haager Kindesunterhaltsübereinkommens von 2007 mit ausdifferenzierten autonomen Maßgaben zum Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung Verweis auf die Zügigkeit des Verfahrens den Zugang zu nationalen Eilverfahren ebnen.378 Ebenso richten sich die zeitlichen Grenzen der Anerkennung und Vollstreckung nach der lex fori des Zweitstaates ggf. unter Einschluss seines Kollisionsrechtes, wodurch Vollstreckbarkeit im Erst- und Zweitstaat auseinanderfallen können.379 Konkret kann nach dieser Vorschrift eine Frist für die Vollstreckung von Urteilen nach dem Recht des ersuchten Staates der Vollstreckung entgegengehalten werden kann, selbst wenn nach dem Recht des Erststaates eine solche noch nicht eingetreten ist.380 Die Maßgaben zur Berechnung der Frist unterliegen ebenfalls der lex fori processualis des Zweitgerichts.381 99
Schließlich verbietet Art. 13 Abs. 2 HAVÜ den nationalen Gerichten, zur Verweigerung der Anerkennung und Vollstreckung auf ein nach Maßgabe der lex fori geeigneteres Forum im Ausland zu verweisen (forum non conveniens).382 Mit diesem ausdrücklichen Ausschluss jeglicher forum non conveniensDoktrin betritt die Konvention Neuland,383 auf Ebene des Exequaturverfahrens ist dieser Schritt freilich eher wenig spektakulär. 11. Verfahrenskosten (Art. 14 HAVÜ)
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Art. 14 Abs. 1 HAVÜ schließt es, in Anlehnung an Art. 14 und Art. 15 der Haager Konvention über den internationalen Zugang zur Rechtspflege von 1980,384 aus, für die Zwecke des Anerkennungsverfahrens im Zweitstaat eine irgendwie geartete Sicherheit zu verlangen, die sich allein darauf stützt, dass der Antragssteller anderer Nationalität ist oder seinen Wohnsitz in einem anderen Staat unterhält.385 Weitere Gründe – z.B. fehlendes Vermögen im Zweitstaat – können jedoch zur Begründung der Sicherheitsleistung herangezogen werden,386 nach teilweise vertretener Auffassung allerdings nur in den Grenzen der allgemein geltenden lex fori, nicht also durch speziell Ausländer treffende Regelungen.387
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Im Gegenzug für diese Gleichbehandlung zur cautio iudicatum solvi im Anerkennungsverfahren mit inländischen Antragstellern388 sind die auferlegten Verfahrenskosten nach Art. 14 Abs. 2 HAVÜ zum Schutz des Anerkennungsschuldners in anderen Vertragsstaaten vollstreckungsfähig.389 Hierin liegt eine Erweiterung des Anwendungsbereichs, weil das Anerkennungsverfahren keine Entscheidung in der Sache i.S.d. Art. 3 Abs. 1 lit. b HAVÜ darstellt.390 Abs. 3 gewährt allerdings eine opt out-Möglichkeit. Umstritten ist, ob die Ausübung dieses Vorbehalts einen gegenseitigen Ausschluss bewirkt.391
378 Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 527, 564. 379 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 320 u. 312. 380 Entsprechend für die Brüssel I-VO EuGH v. 4.10.2018 – C-379/17, ECLI:EU:C:2018:806 – Al Bosco, konkret zur Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO. 381 Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 237. 382 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 319; Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 527, 564; Stewart, 113 (2019) AJIL 772, 778; Wagner, IPRax 2016, 97, 102; als convention simple betrifft dieser Ausschluss nicht schon die direkte Zuständigkeit des Erstgerichtes, van Loon, NIPR 2020, 1, 17. 383 Zhao, 30 SRIEL (2020), 345, 350. 384 Zhao, 30 SRIEL (2020), 345, 350; dieses Übereinkommen, welches einzelne Vorschriften des Haager Übereinkommen über den Zivilprozess von 1954 modifiziert, wurde zwar von der Schweiz, nicht aber von Deutschland oder Österreich, ratifiziert. 385 Das HProrogÜbk schweigt zu dieser Frage, so dass diese der jeweiligen lex fori untersteht, Dotta Salgueiro, Netherlands International Law Review 67 (2020), 113, 117. 386 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 321. 387 Dotta Salgueiro, Netherlands International Law Review 67 (2020), 113, 118. 388 Eingehend hierzu, auch mit Blick in die Geschichte dieses Gleichbehandlungsgrundsatzes im Verhältnis von Vertragsstaaten untereinander im „Haager System“ Dotta Salgueiro, Netherlands International Law Review 67 (2020), 113, 115 ff. 389 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 322. 390 Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 322; Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 527, 565; Qian/Yang, China Journal of Applied Jurisprudence 4 (2020), 96, 101. 391 In Ermangelung einer Rechtsfolgenanordnung wie in Art. 18 Abs. 2 könnten andere Vertragsstaaten weiterhin verpflichtet sein, Urteile aus dem erklärenden Staat ohne Sicherheitsleistung anzuerkennen. Garcimartín/ Saumier, Explanatory Report, Rz. 325, sprechen sich dennoch für die reziproke Nichtanwendung aus. A.A. Dotta Salgueiro, Netherlands International Law Review 67 (2020), 113, 119.
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VI. Allgemeine Vorschriften
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12. Favor recognitionis (Art. 15 HAVÜ) Art. 15 HAVÜ regelt das Verhältnis zum nationalen Recht auf Grundlage eines – teleologisch ange- 102 legten, hier aber, entsprechend internationaler Praxis392 klarstellend393 ausdrücklich ausgesprochenen – Günstigkeitsprinzips.394 Das Übereinkommen setzt grundsätzlich also nur einen Mindeststandard. Allein die Anerkennungszuständigkeit für Urteile zu in rem-Rechten an Immobilien aus dem Belegenheitsstaat ist nach Art. 6 HAVÜ zwingend ausgestaltet, so dass sich die Vertragsstaaten auf den Ausschluss der Anerkennung von Urteilen aus anderen Vertragsstaaten als dem Belegenheitsstaat verständigt haben. Im Übrigen ist es Sache der Vertragsstaaten zu entscheiden, ob und inwieweit das autonom-nationale Anerkennungs- und Vollstreckungsregime zusätzlich offensteht. Im Ausgangspunkt dürfte dies nicht selten der Fall sein. Die Vorschrift substituiert damit funktional zu einem gewissen Maße eine für Art. 5 HAVÜ erwogene Generalklausel,395 wonach indirekte Zuständigkeit immer auch dann bestanden hätte, wenn dies nach dem direkten Zuständigkeitsrechts der Anerkennungsstaates der Fall gewesen wäre (Gedanke des Spiegelbildprinzips).396
VI. Allgemeine Vorschriften (Kapitel IV, Art. 16–26 HAVÜ) Die allgemeinen Vorschriften in Kapitel IV treffen Regelungen über den zeitlichen Anwendungs- 103 bereich (Art. 16 HAVÜ), Vorbehalte der Vertragsstaaten (Art. 17–19 HAVÜ), die einheitliche Anwendung (Art. 20, Art. 21 HAVÜ), Mehrrechtsstaaten (Art. 22 HAVÜ) sowie das Verhältnis zu anderen internationalen Rechtsquellen (Art. 23 HAVÜ). 1. Zeitlicher Anwendungsbereich (Art. 16 HAVÜ) Der zeitliche Anwendungsbereich ist eröffnet, wenn im Zeitpunkt der Einleitung des zum Urteil führenden Erkenntnisverfahrens im Erststaat sowohl dieser als auch der Zweitstaat, in dem nun die Anerkennung bzw. Vollstreckung in Frage steht, Vertragsparteien waren und das Übereinkommen zwischen diesen Staaten auch wirksam war (und weiterhin ist).397
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2. Erklärungen der Vertragsstaaten (Art. 17–19 HAVÜ) Art. 17–19 HAVÜ geben den Vertragsstaaten die Möglichkeit, das Übereinkommen in bestimmten Punkten zu modifizieren. Erklärungen der Vertragsstaaten hierzu können nach Art. 30 Abs. 1 HAVÜ beim Beitritt oder jederzeit danach abgegeben, geändert oder zurückgenommen werden. Jede Erklärung ist dem Verwahrer zu notifizieren, Art. 30 Abs. 2 HAVÜ. Art. 30 Abs. 4, 5 HAVÜ setzen eine Frist für das Wirksamwerden nachträglicher Erklärungen.
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a) Starke Bezüge zum Zweitstaat (Art. 17 HAVÜ) Eine anzuerkennende Entscheidung kann auf einem Sachverhalt beruhen, der, abgesehen natürlich 106 vom Urteil aus einem anderen Vertragsstaat, starke Bezüge zum Zweitstaat aufweist, etwa wenn die Parteien dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und das Rechtsverhältnis zwischen diesen Parteien nur Bezüge dorthin aufweist. Zustande kommen kann diese eigentümliche Situation etwa durch 392 Vgl. Art. VII UNÜ. 393 Vgl. demgegenüber das Haager Beweisübereinkommen von1970, das keine Klarstellung in der einen oder anderen Richtung enthält. Die Mehrheit der Vertragsstaaten betrachtet es als abschließend, nicht aber etwa die USA, so dass dort auch nationales Prozessrecht zur Anwendung kommen kann, Société Nationale Industrielle Aérospatiale v. U.S. District Court, 482 U.S. 522 (1987); vgl. auch Schack, Internationales Zivilprozessrecht Rz. 881. 394 Noodt Taquela/Ruiz Abou-Nigm, YbPIL 19 (2017/2018), Pertegás, in van Calster/Falconis (Hrsg.), European Private International Law at 50, S. 67, 75; 449; Rumenov, EU and Comparative Law Issues and Challenges Series 3 (2019), 385, 390; 464; Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 326. 395 Art. 5 Abs. 1 lit. k Working Group’s Proposed Draft Text, Prel. Doc. No. 7A v. November 2015. 396 Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 548. 397 Zu bilateralen opt out-Möglichkeiten nach Art. 29 vgl. unten HAVÜ Rz. 124.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung rügelose Einlassung im Erststaat oder durch eine „neutrale“ Gerichtsstandsvereinbarung. Für derartige Fälle gibt Art. 17 HAVÜ den Vertragsstaaten die Möglichkeit, zu erklären, dass die Entscheidung nicht nach Maßgabe des Übereinkommens anerkannt werden muss. Maßgeblicher Zeitpunkt zur Feststellung der Voraussetzungen des Art. 17 HAVÜ ist der Beginn des Verfahrens im Erststaat.398 b) Ausschluss bestimmter Rechtsgebiete (Art. 18 HAVÜ) 107
Möchte ein Vertragsstaat ein bestimmtes Rechtsgebiet vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausnehmen, muss er nach Art. 18 Abs. 2 HAVÜ ein „großes Interesse“ an der Nichtanwendung haben, sicherstellen, dass die Erklärung „nicht weiter reicht als erforderlich“ und schließlich das betroffene Gebiet „klar und eindeutig bezeichnen“. Hierbei mag der Ausschluss ganze Rechtmaterien betreffen oder auch nur konkrete Verbindungen zum Zweitstaat bzw. spezielle Rechtsbehelfe ausnehmen.399
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Zwar hält das Übereinkommen keine Sanktionen für die Nichtbeachtung der Anforderungen an den Ausschluss bereit, bewirkt über die Rechtsfolge des Abs. 2 jedoch die Wechselbezüglichkeit der Ausnahme im Verhältnis zu anderen Staaten.400 Deswegen ist das Übereinkommen nicht nur im erklärenden Vertragsstaat auf die ausgenommenen Rechtsgebiete nicht anzuwenden (lit. a), sondern auch in Bezug auf die Entscheidungen dieses Staates (lit. b) in allen anderen Vertragsstaaten. Die Möglichkeit der Anerkennung und Vollstreckung nach nationalem Recht bleibt hiervon unberührt. Trotz dieser Rechtsfolge birgt die Möglichkeit unilateraler Beschränkungen die Gefahr, dass das Vereinheitlichungsziel der Konvention beeinträchtigt wird.401 c) Vertragsstaat als Verfahrensbeteiligter (Art. 19 HAVÜ)
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Schließlich bietet Art. 19 HAVÜ die Möglichkeit, Verfahren mit Beteiligung des betreffenden Vertragsstaates, sei es die Gebietskörperschaft unmittelbar, sei es ein Repräsentant, sei es eine government agency, sei es wiederum deren Repräsentant, insgesamt oder genauer spezifiziert vom Anwendungsbereich auszunehmen, dies freilich nicht etwa nur für eine bestimmte Parteirolle (Beklagter), sondern nur insgesamt (Art. 19 Abs. 1 S. 3 HAVÜ). Nicht möglich soll die Erklärung in Bezug auf Staatsunternehmen (state-owned enterprises) sein.402 Andernfalls hätten Staaten Urteile aus anderen Vertragsstaaten gegen ihre Staatsunternehmen die Anerkennung und Vollstreckung verweigern können, sofern sie vom Vorbehalt in Art. 19 HAVÜ Gebrauch gemacht hätten.403 Gleichwohl wurde von einem ausdrücklichen Ausschluss von Staatsunternehmen im Wortlaut von Art. 19 HAVÜ abgesehen. Stattdessen ist nun anstelle von „government entities“ nur noch (enger gemeint) von „government agencies“ in Ausgrenzung von „enterprises“ die Rede.404 Hybriderscheinungen zwischen Staatsunternehmen und Agenturen mögen denkbar bleiben.405 Überschreitet ein Vertragsstaat die sachliche Reichweite des Vorbehalts in Art. 19 HAVÜ und verweigert die Anerkennung bzw. Vollstreckung von Urteilen gegen seine Staatsunternehmen, soll Art. 19 Abs. 2 HAVÜ gemäß dem Gedanken der Reziprozität die Möglichkeit zur spiegelbildlichen Reaktion gewähren.406 In der Tat beruht diese Vor398 399 400 401 402
403 404 405
406
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Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 239. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 337. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 341. Bonomi/Mariottini, YbPIL 20 (2018/2019), 537, 566 f.; Schack, IPRax 2020, 1, 3. Stein, IPRax 2020, 197, 200 mit Verweis auf Verhandlungsergebnisse der diplomatischen Konferenz. Ferner eingehend Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 134. Vgl. auch Garcimartín/ Saumier, Explanatory Report, Rz. 345 Fn. 247; sowie Revised Draft Explanatory Report Rz. 387, mit Verweis auf Art. 20 Abs. 2 des Entwurfs. Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 134. Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 134. Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 135: Autohersteller mit zusätzlicher hoheitlicher Funktion zur Normierung technischer Standards. Urteile gegen den Autohersteller in dieser Funktion bleiben „Zivil- und Handelssachen“, Urteile in Bezug auf die hoheitliche Funktion öffentlich-rechtliche Angelegenheiten und damit vom Anwendungsbereich ausgeschlossen, ohne dass es einer Ausübung des Vorbehalts nach Art. 19 bedürfte. Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 135.
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schrift auf dem genannten Gedanken, aber doch wohl innerhalb der gesetzten sachlichen Grenzen der Vorschrift, hier also nur solche Urteile betreffend, die gemäß der zutre-ffenden Auslegung des Vorbehalts gegen „government agencies“ gerichtet sind, nicht aber auch solche, die gegen „enterprises“ ergangen sind. Art. 19 HAVÜ konterkariert den Grundsatz in Art. 2 Abs. 4 HAVÜ, wonach die Beteiligung des Staa- 110 tes am Verfahren nicht per se die Anwendbarkeit des Übereinkommens ausschließt und beruht auf der Sorge gegenüber unterschiedlich weitreichend verstandener staatlicher Immunität.407 Die Rechtsfolge in Art. 19 Abs. 2 HAVÜ ist dahingehend gegenüber Art. 18 Abs. 2 HAVÜ abgeschwächt, dass entsprechende Urteile des erklärenden Staates nicht automatisch auch für den Zweitstaat außerhalb des Anwendungsbereiches liegen. Es steht ihm jedoch frei, bei Beteiligung des Erststaates oder eigener Beteiligung die Anerkennung zu versagen. 3. Einheitliche Auslegung; Überprüfung (Art. 20, 21 HAVÜ) Das Übereinkommen ist autonom unter Berücksichtigung seines internationalen Charakters aus- 111 zulegen, um möglichst weitreichend Rechtssicherheit durch einheitliche Anwendung in den Vertragsstaaten zu schaffen.408 Als authentisch gelten dafür nur die englische und französische Sprachfassung.409 Zentrale Bedeutung hat der Explanatory Report, der kraft seiner Verabschiedung von allen Mitgliedern der Diplomatischen Konferenz mitgetragen ist.410 Die weiteren Materialien zur Entstehungsgeschichte sind ergänzend zu berücksichtigen.411 Ausländische Urteile von Vertragsstaatengerichten wie auch Schrifttum sind in Auslegungsentscheidung soweit möglich einzubeziehen, entfalten aber natürlich keinerlei Bindungswirkung.412 Sollte die Europäische Union dem Übereinkommen beitreten, könnte der Auslegung des EuGH als supranationales Gericht besonderes Gewicht zukommen.413 Schließlich bietet sich – mit der gebotenen Vorsicht – ein instrumentenübergreifender Auslegungsansatz an, der nicht nur die Instrumente des „Haager Systems“, sondern auch „systemfremde“ (Brüsseler System; UNÜ) mitumfassen kann.414 Hierzu wird insbesondere die Zusammenarbeit der Trägerinstitutionen (HCCH, UNCITRAL, UNIDROIT), von der Bereitstellung gesammelter Informationen zu einschlägiger Rechtsprechung und solchem Schrifttum bis hin zur Einrichtung von Interpretationen vorschlagenden Expertengremien, sei es für einzelne Instrumente, sei es für einzelne Institutionen, sei es erneut übergreifend, angeregt.415 Ein Rückgriff direkt auf nationale Konzepte ist damit durch Art. 20 HAVÜ ausdrücklich ausgeschlossen.416 Ergänzend ist der Generalsekretär der Haager Konferenz nach Art. 21 HAVÜ dazu angehalten, „in re- 112 gelmäßigen Abständen“ die „Durchführung des Übereinkommens“ überprüfen zu lassen. Dies schließt die Erklärungen der Vertragsstaaten nach Art. 17 ff. HAVÜ mit ein. Als Gegenstand einer Revision wird insbesondere der Ausschluss des Geistigen Eigentums genannt.417 4. Umgang mit Mehrrechtsstaaten (Art. 22 HAVÜ) Nach Art. 22 Abs. 1 lit. a HAVÜ gilt eine Bezugnahme im Übereinkommen auf das Recht eines Mehr- 113 rechtsstaates (USA, Kanada, Vereinigtes Königreicht, China)418 als, sofern sachangemessen („… where appropriate…“), Verweis auf das in der betreffenden Gebietseinheit des Staates geltende Recht. 407 408 409 410 411 412 413 414 415 416 417 418
Stein, IPRax 2020, 197, 200. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 352. Schlussformel des HAVÜ. Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 124. Beaumont, Netherlands International Law Review 67 (2020), 121, 125 mit Verweis auf Art. 31 und 32 der Wiener Vertragsrechtskonvention. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 352; Stewart, 113 (2019) AJIL 772, 779. Schack, IPRax 2020, 1, 4; implizit auch GEDIP/EGPIL, Observations on the possible accession of the European Union to the Hague Convention of 2 July 2019 on the Recognition of Foreign Judgments, Rz. 6. Eingehend hierzu Ribeiro-Bidaoui, Netherlands International Law Review 67 (2020), 139 ff. Ribeiro-Bidaoui, Netherlands International Law Review 67 (2020), 139 ff. Ribeiro-Bidaoui, Netherlands International Law Review 67 (2020), 139 ff. Z.B. North, Netherlands International Law Review 67 (2020), 33, 47. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 356.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung Ebenso ist die Bezugnahme auf ein Gericht (lit. b) und auf eine Verbindung zu diesem Staat (lit. c) bzw. eines staatenbezogenen Anknüpfungsmoments (lit. d) zu behandeln. So setzt die Anerkennungszuständigkeit der Gerichte in Kalifornien nach Art. 5 Abs. 1 lit. a HAVÜ auch den gewöhnlichen Aufenthalt in Kalifornien und nicht etwa allgemein in den USA voraus.419 Selbiges gilt für die anderweitige Rechtshängigkeit nach Art. 7 Abs. 2 HAVÜ, welche nur dann zur Versagung der Anerkennung herangezogen werden kann, wenn der Parallelprozess in derselben Gebietseinheit (z.B. Québec) wie die erstrebte Anerkennung anhängig ist.420 Rechtstechnisch handelt es sich um eine Auslegungshilfe und keine Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereiches.421 Der Vorbehalt der Sachangemessenheit lässt dabei interpretatorischen Spielraum, wobei allerdings kein allgemeines Ermessen eingeräumt wird, vielmehr eben nur dann auf die Gebietseinheit abzustellen sein soll, wenn dies teleologisch geboten erscheint.422 114
Abs. 2 stellt klar, dass ungeachtet Abs. 1 ein Mehrrechtsstaat nicht dazu verpflichtet ist, das Übereinkommen in interlokalen Fällen allein zwischen seinen Gebietseinheiten anzuwenden. Ebenso wenig ist ein Mehrrechtsstaat nach dem Übereinkommen verpflichtet, eine nach dem Übereinkommen in einer seiner Gebietseinheiten anerkannte Entscheidung eines Vertragsstaatengerichts in anderen Teilgebieten anzuerkennen (Abs. 3).423 Abs. 4 stellt klar, dass die Vorschriften zu Mehrrechtsstaaten nicht für regionale Integrationsgemeinschaften i.S.d. Art. 26 HAVÜ gelten. 5. Verhältnis zu anderen internationalen Rechtsinstrumenten (Art. 23 HAVÜ)
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Die Vorschrift regelt Kollisionen mit anderen Rechtsinstrumenten vor dem Hintergrund der Art. 30 und Art. 41 HAVÜ der Wiener Vertragsrechtskonvention von 1969.424 Danach kann in einem Übereinkommen allenfalls bestimmt werden, dass es im Kollisionsfall nachgibt. Dementsprechend enthält Art. 23 HAVÜ bestimmte Nachgiebigkeitsregeln für das Übereinkommen. Im Übrigen soll sich das Übereinkommen nach allgemeinen Kollisionsregeln weitestmöglich durchsetzen.425
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Art. 23 Abs. 1 HAVÜ verlangt, soweit möglich, die harmonische Auslegung des Übereinkommens mit anderen einschlägigen völkerrechtlichen Verträgen der Vertragsstaaten,426 und zwar unabhängig davon, ob diese vor oder nach dem Übereinkommen geschlossen wurden. Mit dieser Auslegungsregel sollen Kollisionen zunächst vermieden werden.427 Besteht im konkreten Fall gleichwohl eine Kollision kommt es für das Verhältnis zu früher (Abs. 2) oder später (Abs. 3) abgeschlossenen Rechtsinstrumenten428 vornehmlich darauf an, ob die Haager Konvention nachgibt.
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Frühere Abkommen bleiben nach Art. 23 Abs. 2 HAVÜ unberührt. Dies gilt zunächst unabhängig davon, ob diese zwischen Vertragsstaaten bestehen. Auch soweit völkervertragliche Pflichten gegenüber anderen Staaten beeinträchtigt werden, vermag sich dieses konkurrierende Abkommen durchzusetzen.429 Sobald allerdings dieser dritte Staat ebenfalls dem Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen angehört, erscheint es nicht sachgerecht, die Konvention zu Lasten des Erststaates
419 420 421 422 423 424 425 426
427 428 429
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Garcimartín/Saumier, Revised Draft Explanatory Report, Rz. 401. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 363. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 357. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 358 f. Für die USA aufgrund der full faith and credit clause irrelevant, Stewart, 113 (2019) AJIL 772, 780. Diese „innovative, komprimierte und nicht ganz einfach lesbare Vorschrift“ ist Ergebnis komplexer Verhandlungen zum HProrogÜbk mit Blick auf Brüssel Ia-VO/LugÜbk, R. Wagner, RabelsZ 73 (2009), 102, 134. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 368. Hartley/Dogauchi, Erläuternder Bericht, Rz. 265 nennt das Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (EuGVÜ) von 1968, das Luganer Übereinkommen von 2007, das Übereinkommen von Minsk über Rechtshilfe und Rechtsverkehr in Zivil-, Familien- und Strafsachen von 1993. Daneben existieren weitere regionale Instrumente (Prel. Doc. No. 27 v. April 2005) sowie verschiedene Abkommen auf dem amerikanischen Kontinent (Prel. Doc. No. 31 v. Juni 2005). Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 371; Noodt Taquela/Ruiz Abou-Nigm, YbPIL 19 (2017/2018), 449, 452. Das Inkrafttreten ist insoweit irrelevant, Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 372. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 374.
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VII. Schlussbestimmungen
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zurücktreten zu lassen, weil der dritte Staat völkerrechtlich mit dem Erststaat verbunden und ihm gegenüber verpflichtet ist.430 Spätere Abkommen finden nach Art. 23 Abs. 3 HAVÜ dann neben der Haager Konvention Beachtung, wenn sie zwischen zwei Vertragsstaaten bestehen.431 Die ausschließliche Zuständigkeit aus Art. 6 kann auf diesem Wege nach Art. 23 Abs. 3 S. 2 HAVÜ allerdings nicht umgangen werden. Somit setzt sich ein Übereinkommen im Konflikt mit Art. 6 HAVÜ nur dann durch, wenn die übrigen Beteiligten keine Vertragsstaaten sind.432
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Schließlich lässt das Übereinkommen nach Abs. 4 die Anwendung von Vorschriften einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration (REIO) wie etwa der Europäischen Union, unberührt, wenn sie Vertragspartei des Übereinkommens ist. Frühere Regelungen bleiben vom Übereinkommen vollkommen unberührt (lit. a), spätere Regelungen nur insoweit, als sie die Verpflichtungen der REIO aus Art. 6 HAVÜ gegenüber Vertragsstaaten, die ihr nicht angehören, nicht beeinträchtigen (lit. b). Daraus ergibt sich ein weitgehender Vorrang der Regelungen der REIO.433 Insbesondere die Vorschriften der Brüssel-Verordnungen bleiben damit unangetastet. Hingegen wird das Luganer Übereinkommen unter die Abs. 2 und 3 zu fassen sein.
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VII. Schlussbestimmungen (Art. 24–32 HAVÜ) Art. 24 HAVÜ regelt Modalitäten der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung bzw. Beitritt zum Übereinkommen. Abs. 1 u. 3 stellen klar, dass das Übereinkommen für alle Staaten offensteht, also nicht nur für Mitgliedstaaten der HCCH. Der Status der Vertragspartei ist unabhängig von der Art und Weise, wie ein Staat Vertragspartei geworden ist, derselbe.434
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Mehrrechtsstaaten können nach Art. 25 HAVÜ erklären, dass das Übereinkommen auf alle Gebietseinheiten oder nur auf eine oder mehrere erstreckt wird. Diese Erklärung kann jederzeit geändert werden. Wird keine Erklärung abgegeben, dann erstreckt sich das Übereinkommen auf alle Gebietseinheiten. Die Vorschrift findet keine Anwendung auf regionale Integrationsgemeinschaften.
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Art. 26 und Art. 27 HAVÜ regeln, wie regionale Integrationsgemeinschaften Vertragspartei werden 122 können, nämlich je nach Kompetenzverteilung innerhalb der Gemeinschaft entweder sowohl die Gemeinschaft als auch ihre Mitgliedstaaten (Art. 26 HAVÜ) oder nur die Gemeinschaft mit Wirkung für ihre Mitgliedstaaten (Art. 27 HAVÜ).435 Die Europäische Union hat nach dem Gutachten des EuGH zum LugÜbk436 alleinige Kompetenz und würde nach Art. 27 HAVÜ alleinige Vertragspartei mit Wirkung für die Mitgliedstaaten werden. Art. 28 HAVÜ regelt die Modalitäten des Inkrafttretens des Übereinkommens. Nach Art. 28 Abs. 1 123 HAVÜ tritt das Übereinkommen am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von zwölf Monaten (Art. 29 Abs. 2 HAVÜ) der in Art. 24 HAVÜ vorgesehenen Hinterlegung der zweiten Ratifikations-, Annahme- Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde folgt. Für die folgenden Staaten tritt das Übereinkommen nach Abs. 2 am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von zwölf Monaten nach Hinterlegung der Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde folgt. Art. 29 HAVÜ erfordert, anders als noch das Übereinkommen von 1971, keine zusätzliche Bestätigung im jeweiligen bilateralen Verhältnis („opt in“), bevor das Übereinkommen im jeweiligen bilateralen Wirkungen entfaltet, sondern sieht ein „opt out“ vor, dies – spezifische Neuerung für das HAVÜ – beiderseits,437 also sowohl seitens bisheriger Vertragsstaaten gegenüber dem neu beitreten430 431 432 433 434 435
Garcimartín/Saumier, Revised Draft Explanatory Report, Rz. 418. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 379. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 383. Vgl. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 384. Garcimartín/Saumier, Explanatory Report, Rz. 385 ff. Hierzu mit Bezug auf den Beitritt der EU zur Haager Konferenz Schulz, The Accession of the European Community to the Hague Conference, I.C.L.Q 56 (2007), 945 ff. 436 EuGH v. 7.2.2006 – 1/03, ECLI:EU:C:2006:81 – Lugano-Übereinkommen. 437 Zhao, 30 SRIEL (2020), 345, 355.
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Einf. HAVÜ 2019 Einführung den, hier zeitlich beschränkt auf 12 Monate, als auch für den neu ratifizierenden bzw. beitretenden Staat, dann zeitlich beschränkt auf diesen Moment.438 Denn der hinzukommende Staat wird bereits bei Abwägung der Beitrittsfrage insgesamt die Ausübung des opt out nach Art. 29 HAVÜ miterwogen haben. Nach Ablauf der jeweiligen Frist ist kein opt out mehr möglich.439 Der opt out kann jederzeit zurückgezogen werden, Art. 29 Abs. 4 HAVÜ. Dies legt ein fortwährendes „Vertrauensmanagement“ nahe. Eine spezielle Reaktionsmöglichkeit auf später sich verschlechternde Rechtsstaatlichkeitsverhältnisse ist allerdings (leider) nicht vorgesehen.440 Sofern eine Regionale Integrationsgemeinschaft i.S.v. Art. 26 HAVÜ gem. Art. 27 HAVÜ mit Wirkung für ihre Mitgliedstaaten beitritt, scheidet ein opt-out gegenüber einem einzelnen Mitgliedstaat der Gemeinschaft aus.441 Für das HProrogÜbk besteht keine vergleichbare oder anderweitige opt in- oder opt out-Option.442 125
Die Vorschrift wurde erst im Rahmen der Diplomatischen Konferenz im Juli 2019 in den Konventionstext aufgenommen, nachdem verschiedene Modelle443 des „Vertrauensmanagements“ erwogen worden waren:444 erneut aktive Bilateralisierung wie unter dem Übereinkommen von 1971 („opt in“),445 Einführung eines Versagungsgrunds bei systemischen Rechtsstaatlichkeitsdefiziten,446 oder aber die schließlich gewählte Variante eines bilateralen, zeitlich beschränkten opt-outs. Ein solches opt out gab es bereits zuvor,447 dies allerdings nur gegenüber Vertragsstaaten, die nicht Mitglieder der Haager Konferenz sind. Freilich ist die Anzahl und auch die Heterogenität der Mitglieder in der letzten Zeit stark gewachsen.448 Neu ist hingegen (wie bereits dargetan) die opt out-Möglichkeit des hinzutretenden Staates gegenüber bestehenden Vertragsstaaten.449 Berichte des beitretenden Staates zum eigenen Justizsystem einschließlich Angaben zur richterlichen Unabhängigkeit wie in Art. 72 Abs. 1 lit. c Nr. 1 LugÜbk ist nicht vorgesehen.
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Art. 30 HAVÜ betrifft Modalitäten für Abgabe und Wirksamwerden von Erklärungen durch Vertragsstaaten nach Art. 14, Art. 17, Art. 18, Art. 19 und Art. 25 HAVÜ.
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Art. 31 HAVÜ regelt die Kündigung von Vertragsstaaten.
438 Mariottini, YbPIL 21 (2019/2020), 365, 366; Fuchs, GWR 2019, 395, 398 bezeichnet die Norm als „Hintertürchen“; sehr kritisch Schack, IPRax 2020, 1, 6: nur noch „Fassade eines multilateralen Übereinkommens“; vgl. allgemein zum trust management des Übereinkommens als zentraler Frage M. Weller, FS Kronke, 2020, S. 621 ff. 439 Hierzu Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 244. 440 Mariottini, YbPIL 21 (2019/2020), 365, 368. 441 Stein, IPRax 2020, 197, 199; Mariottini, YbPIL 21 (2019/2020), 365, 369. 442 Kritisch Mariottini, YbPIL 21 (2019/2020), 365, 378, zugleich das HProrogÜbk abgrenzend gegenüber dem UNÜ und der UN Mediation Convention. Alle drei der genannten Übereinkommen betreffen in der Tat die Anerkennung und Vollstreckung der jeweiligen Streitbeilegungsergebnisse, die aus parteiautonomer Vereinbarung zu dieser Streitbeilegung hervorgegangen sind, allerdings führt nur das HProrogÜbk zur Anerkennung ausländischer (Justiz-) Hoheitsakte. 443 Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 242, identifiziert nicht weniger als neun unterschiedliche Modelle, mit denen die Haager Konventionen operieren. 444 Mariottini, YbPIL 21 (2019/2020), 365, 369 ff. 445 Vgl. Art. 21 HCCH 1971 Convention. Vgl. auch Art. 42 Option A in Summary of the Outcome of the Discussion in Commission II of the First Part of the Diplomatic Conference 6–20 June 2001 – Interim Text, prepared by the Permanent Bureau and the Co-Reporters, Proceedings of the Twentieth Session (2005), Tome II, Judgments, 2013, S. 621. 446 Der Versagungsgrund der Ordre-public-Verletzung in Art. 7 lit. c HAVÜ erfasst keine abstrakt-generellen systemischen Mängel, sondern nur solche, die sich konkret im anzuerkennenden Urteil ergebnisrelevant niedergeschlagen haben, vgl. etwa Hebei Huaneng Industrial Development Co Ltd v. Shi [2020] NZHC 299 Rz. 58. Naturgemäß ist dies schwer darzutun und noch schwerer zu beweisen. Diese Lasten obliegen der Partei, die das Exequatur abwenden will, vgl. oben HAVÜ Rz. 80. 447 Vgl. Art. 37 und 38 Haager Kindesentführungsübereinkommen v. 1980; Art. 58 Abs. 1, 3 u. 5 Haager Unterhaltsübereinkommen v. 2007. Eingehend zu allen Varianten Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 244. 448 Stein, IPRax 2020, 197, 199. 449 Nielsen, J.P.I.L. 16 (2020), 205, 244. Vgl. auch Art. 72 Abs. 3 LugÜbk (Zustimmung aller bisherigen Vertragsstaaten zur Einladung zum Beitritt erforderlich) und Abs. 4 (zeitlich begrenztes opt-out bisheriger Vertragsstaaten gegenüber dem neu beitretenden Vertragsstaat, nicht aber umgekehrt).
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Art. 32 HAVÜ regelt Modalitäten der Notifikation der Mitglieder der Haager Konferenz sowie der Vertragsstaaten des Übereinkommens durch den Verwahrer über weitere Unterzeichnungen, Ratifikationen, Annahmen, Genehmigungen und Beitritte nach Art. 24, Art. 26 und Art. 27 HAVÜ.
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VIII. Empfohlenes Formblatt Im Anhang findet sich die Empfehlung zur Verwendung eines Formblattes zur Bestätigung der Anforderungen an eine Entscheidung eines Vertragsstaatengerichts zur Vorlage bei Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Vertragsstaat.450
Anhang Text des Übereinkommens (in englischer Sprache): Convention on the recognition and enforcement of foreign judgments in civil or commercial matters (Concluded 2 July 2019) The Contracting Parties to the present Convention, Desiring to promote effective access to justice for all and to facilitate rule-based multilateral trade and investment, and mobility, through judicial co-operation, Believing that such co-operation can be enhanced through the creation of a uniform set of core rules on recognition and enforcement of foreign judgments in civil or commercial matters, to facilitate the effective recognition and enforcement of such judgments, Convinced that such enhanced judicial co-operation requires, in particular, an international legal regime that provides greater predictability and certainty in relation to the global circulation of foreign judgments, and that is complementary to the Convention of 30 June 2005 on Choice of Court Agreements, Have resolved to conclude this Convention to this effect and have agreed upon the following provisions –
Chapter I: Scope and Definitions Article 1: Scope 1. This Convention shall apply to the recognition and enforcement of judgments in civil or commercial matters. It shall not extend in particular to revenue, customs or administrative matters. 2. This Convention shall apply to the recognition and enforcement in one Contracting State of a judgment given by a court of another Contracting State.
Article 2: Exclusions from scope 1. This Convention shall not apply to the following matters – (a) the status and legal capacity of natural persons; (b) maintenance obligations; (c) other family law matters, including matrimonial property regimes and other rights or obligations arising out of marriage or similar relationships; (d) wills and succession; 450 https://www.hcch.net/en/publications-and-studies/details4/?pid=6739&dtid=65 (24.8.2021).
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2.
3. 4.
5.
(e) insolvency, composition, resolution of financial institutions, and analogous matters; (f) the carriage of passengers and goods; (g) transboundary marine pollution, marine pollution in areas beyond national jurisdiction, ship-source marine pollution, limitation of liability for maritime claims, and general average; (h) liability for nuclear damage; (i) the validity, nullity, or dissolution of legal persons or associations of natural or legal persons, and the validity of decisions of their organs; (j) the validity of entries in public registers; (k) defamation; (l) privacy; (m) intellectual property; (n) activities of armed forces, including the activities of their personnel in the exercise of their official duties; (o) law enforcement activities, including the activities of law enforcement personnel in the exercise of their official duties; (p) anti-trust (competition) matters, except where the judgment is based on conduct that constitutes an anti-competitive agreement or concerted practice among actual or potential competitors to fix prices, make rigged bids, establish output restrictions or quotas, or divide markets by allocating customers, suppliers, territories or lines of commerce, and where such conduct and its effect both occurred in the State of origin; (q) sovereign debt restructuring through unilateral State measures. A judgment is not excluded from the scope of this Convention where a matter to which this Convention does not apply arose merely as a preliminary question in the proceedings in which the judgment was given, and not as an object of the proceedings. In particular, the mere fact that such a matter arose by way of defence does not exclude a judgment from the Convention, if that matter was not an object of the proceedings. This Convention shall not apply to arbitration and related proceedings. A judgment is not excluded from the scope of this Convention by the mere fact that a State, including a government, a governmental agency or any person acting for a State, was a party to the proceedings. Nothing in this Convention shall affect privileges and immunities of States or of international organisations, in respect of themselves and of their property.
Article 3: Definitions 1. In this Convention – (a) “defendant” means a person against whom the claim or counterclaim was brought in the State of origin; (b) “judgment” means any decision on the merits given by a court, whatever that decision may be called, including a decree or order, and a determination of costs or expenses of the proceedings by the court (including an officer of the court), provided that the determination relates to a decision on the merits which may be recognised or enforced under this Convention. An interim measure of protection is not a judgment. 2. An entity or person other than a natural person shall be considered to be habitually resident in the State – (a) where it has its statutory seat; (b) under the law of which it was incorporated or formed; (c) where it has its central administration; or (d) where it has its principal place of business. 736
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Chapter II: Recognition and Enforcement Article 4: General provisions 1. A judgment given by a court of a Contracting State (State of origin) shall be recognised and enforced in another Contracting State (requested State) in accordance with the provisions of this Chapter. Recognition or enforcement may be refused only on the grounds specified in this Convention. 2. There shall be no review of the merits of the judgment in the requested State. There may only be such consideration as is necessary for the application of this Convention. 3. A judgment shall be recognised only if it has effect in the State of origin, and shall be enforced only if it is enforceable in the State of origin. 4. Recognition or enforcement may be postponed or refused if the judgment referred to under paragraph 3 is the subject of review in the State of origin or if the time limit for seeking ordinary review has not expired. A refusal does not prevent a subsequent application for recognition or enforcement of the judgment.
Article 5: Bases for recognition and enforcement 1. A judgment is eligible for recognition and enforcement if one of the following requirements is met – (a) the person against whom recognition or enforcement is sought was habitually resident in the State of origin at the time that person became a party to the proceedings in the court of origin; (b) the natural person against whom recognition or enforcement is sought had their principal place of business in the State of origin at the time that person became a party to the proceedings in the court of origin and the claim on which the judgment is based arose out of the activities of that business; (c) the person against whom recognition or enforcement is sought is the person that brought the claim, other than a counterclaim, on which the judgment is based; (d) the defendant maintained a branch, agency, or other establishment without separate legal personality in the State of origin at the time that person became a party to the proceedings in the court of origin, and the claim on which the judgment is based arose out of the activities of that branch, agency, or establishment; (e) the defendant expressly consented to the jurisdiction of the court of origin in the course of the proceedings in which the judgment was given; (f) the defendant argued on the merits before the court of origin without contesting jurisdiction within the timeframe provided in the law of the State of origin, unless it is evident that an objection to jurisdiction or to the exercise of jurisdiction would not have succeeded under that law; (g) the judgment ruled on a contractual obligation and it was given by a court of the State in which performance of that obligation took place, or should have taken place, in accordance with (i) the agreement of the parties, or (ii) the law applicable to the contract, in the absence of an agreed place of performance, unless the activities of the defendant in relation to the transaction clearly did not constitute a purposeful and substantial connection to that State; (h) the judgment ruled on a lease of immovable property (tenancy) and it was given by a court of the State in which the property is situated; (i) the judgment ruled against the defendant on a contractual obligation secured by a right in rem in immovable property located in the State of origin, if the contractual claim was brought together with a claim against the same defendant relating to that right in rem; Weller
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the judgment ruled on a non-contractual obligation arising from death, physical injury, damage to or loss of tangible property, and the act or omission directly causing such harm occurred in the State of origin, irrespective of where that harm occurred; (k) the judgment concerns the validity, construction, effects, administration or variation of a trust created voluntarily and evidenced in writing, and – (i) at the time the proceedings were instituted, the State of origin was designated in the trust instrument as a State in the courts of which disputes about such matters are to be determined; or (ii) at the time the proceedings were instituted, the State of origin was expressly or impliedly designated in the trust instrument as the State in which the principal place of administration of the trust is situated. This sub-paragraph only applies to judgments regarding internal aspects of a trust between persons who are or were within the trust relationship; (l) the judgment ruled on a counterclaim – (i) to the extent that it was in favour of the counterclaimant, provided that the counterclaim arose out of the same transaction or occurrence as the claim; or (ii) to the extent that it was against the counterclaimant, unless the law of the State of origin required the counterclaim to be filed in order to avoid preclusion; (m) the judgment was given by a court designated in an agreement concluded or documented in writing or by any other means of communication which renders information accessible so as to be usable for subsequent reference, other than an exclusive choice of court agreement. For the purposes of this sub-paragraph, an “exclusive choice of court agreement” means an agreement concluded by two or more parties that designates, for the purpose of deciding disputes which have arisen or may arise in connection with a particular legal relationship, the courts of one State or one or more specific courts of one State to the exclusion of the jurisdiction of any other courts. 2. If recognition or enforcement is sought against a natural person acting primarily for personal, family or household purposes (a consumer) in matters relating to a consumer contract, or against an employee in matters relating to the employee’s contract of employment – (a) paragraph 1(e) applies only if the consent was addressed to the court, orally or in writing; (b) paragraph 1(f), (g) and (m) do not apply. 3. Paragraph 1 does not apply to a judgment that ruled on a residential lease of immovable property (tenancy) or ruled on the registration of immovable property. Such a judgment is eligible for recognition and enforcement only if it was given by a court of the State where the property is situated.
Article 6: Exclusive basis for recognition and enforcement Notwithstanding Article 5, a judgment that ruled on rights in rem in immovable property shall be recognised and enforced if and only if the property is situated in the State of origin.
Article 7: Refusal of recognition and enforcement 1. Recognition or enforcement may be refused if – (a) the document which instituted the proceedings or an equivalent document, including a statement of the essential elements of the claim – (i) was not notified to the defendant in sufficient time and in such a way as to enable them to arrange for their defence, unless the defendant entered an appearance and presented their case without contesting notification in the court of origin, provided that the law of the State of origin permitted notification to be contested; or 738
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(ii) was notified to the defendant in the requested State in a manner that is incompatible with fundamental principles of the requested State concerning service of documents; (b) the judgment was obtained by fraud; (c) recognition or enforcement would be manifestly incompatible with the public policy of the requested State, including situations where the specific proceedings leading to the judgment were incompatible with fundamental principles of procedural fairness of that State and situations involving infringements of security or sovereignty of that State; (d) the proceedings in the court of origin were contrary to an agreement, or a designation in a trust instrument, under which the dispute in question was to be determined in a court of a State other than the State of origin; (e) the judgment is inconsistent with a judgment given by a court of the requested State in a dispute between the same parties; or (f) the judgment is inconsistent with an earlier judgment given by a court of another State between the same parties on the same subject matter, provided that the earlier judgment fulfils the conditions necessary for its recognition in the requested State. 2. Recognition or enforcement may be postponed or refused if proceedings between the same parties on the same subject matter are pending before a court of the requested State, where – (a) the court of the requested State was seised before the court of origin; and (b) there is a close connection between the dispute and the requested State. A refusal under this paragraph does not prevent a subsequent application for recognition or enforcement of the judgment.
Article 8: Preliminary questions 1. A ruling on a preliminary question shall not be recognised or enforced under this Convention if the ruling is on a matter to which this Convention does not apply or on a matter referred to in Article 6 on which a court of a State other than the State referred to in that Article ruled. 2. Recognition or enforcement of a judgment may be refused if, and to the extent that, the judgment was based on a ruling on a matter to which this Convention does not apply, or on a matter referred to in Article 6 on which a court of a State other than the State referred to in that Article ruled.
Article 9: Severability Recognition or enforcement of a severable part of a judgment shall be granted where recognition or enforcement of that part is applied for, or only part of the judgment is capable of being recognised or enforced under this Convention.
Article 10: Damages 1. Recognition or enforcement of a judgment may be refused if, and to the extent that, the judgment awards damages, including exemplary or punitive damages, that do not compensate a party for actual loss or harm suffered. 2. The court addressed shall take into account whether and to what extent the damages awarded by the court of origin serve to cover costs and expenses relating to the proceedings.
Article 11: Judicial settlements (transactions judiciaires) Judicial settlements (transactions judiciaires) which a court of a Contracting State has approved, or which have been concluded in the course of proceedings before a court of a Contracting State, and Weller
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Anh. HAVÜ 2019 Text des Übereinkommens which are enforceable in the same manner as a judgment in the State of origin, shall be enforced under this Convention in the same manner as a judgment.
Article 12: Documents to be produced 1. The party seeking recognition or applying for enforcement shall produce – (a) a complete and certified copy of the judgment; (b) if the judgment was given by default, the original or a certified copy of a document establishing that the document which instituted the proceedings or an equivalent document was notified to the defaulting party; (c) any documents necessary to establish that the judgment has effect or, where applicable, is enforceable in the State of origin; (d) in the case referred to in Article 11, a certificate of a court (including an officer of the court) of the State of origin stating that the judicial settlement or a part of it is enforceable in the same manner as a judgment in the State of origin. 2. If the terms of the judgment do not permit the court addressed to verify whether the conditions of this Chapter have been complied with, that court may require any necessary documents. 3. An application for recognition or enforcement may be accompanied by a document relating to the judgment, issued by a court (including an officer of the court) of the State of origin, in the form recommended and published by the Hague Conference on Private International Law. 4. If the documents referred to in this Article are not in an official language of the requested State, they shall be accompanied by a certified translation into an official language, unless the law of the requested State provides otherwise.
Article 13: Procedure 1. The procedure for recognition, declaration of enforceability or registration for enforcement, and the enforcement of the judgment, are governed by the law of the requested State unless this Convention provides otherwise. The court of the requested State shall act expeditiously. 2. The court of the requested State shall not refuse the recognition or enforcement of a judgment under this Convention on the ground that recognition or enforcement should be sought in another State.
Article 14: Costs of proceedings 1. No security, bond or deposit, however described, shall be required from a party who in one Contracting State applies for enforcement of a judgment given by a court of another Contracting State on the sole ground that such party is a foreign national or is not domiciled or resident in the State in which enforcement is sought. 2. An order for payment of costs or expenses of proceedings, made in a Contracting State against any person exempt from requirements as to security, bond, or deposit by virtue of paragraph 1 or of the law of the State where proceedings have been instituted, shall, on the application of the person entitled to the benefit of the order, be rendered enforceable in any other Contracting State. 3. A State may declare that it shall not apply paragraph 1 or designate by a declaration which of its courts shall not apply paragraph 1.
Article 15: Recognition and enforcement under national law Subject to Article 6, this Convention does not prevent the recognition or enforcement of judgments under national law. 740
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Chapter III: General Clauses Article 16: Transitional provision This Convention shall apply to the recognition and enforcement of judgments if, at the time the proceedings were instituted in the State of origin, the Convention had effect between that State and the requested State.
Article 17: Declarations limiting recognition and enforcement A State may declare that its courts may refuse to recognise or enforce a judgment given by a court of another Contracting State if the parties were resident in the requested State, and the relationship of the parties and all other elements relevant to the dispute, other than the location of the court of origin, were connected only with the requested State.
Article 18: Declarations with respect to specific matters 1. Where a State has a strong interest in not applying this Convention to a specific matter, that State may declare that it will not apply the Convention to that matter. The State making such a declaration shall ensure that the declaration is no broader than necessary and that the specific matter excluded is clearly and precisely defined. 2. With regard to that matter, the Convention shall not apply – (a) in the Contracting State that made the declaration; (b) in other Contracting States, where recognition or enforcement of a judgment given by a court of a Contracting State that made the declaration is sought.
Article 19: Declarations with respect to judgments pertaining to a State 1. A State may declare that it shall not apply this Convention to judgments arising from proceedings to which any of the following is a party – (a) that State, or a natural person acting for that State; or (b) a government agency of that State, or a natural person acting for such a government agency. The State making such a declaration shall ensure that the declaration is no broader than necessary and that the exclusion from scope is clearly and precisely defined. The declaration shall not distinguish between judgments where the State, a government agency of that State or a natural person acting for either of them is a defendant or claimant in the proceedings before the court of origin. 2. Recognition or enforcement of a judgment given by a court of a State that made a declaration pursuant to paragraph 1 may be refused if the judgment arose from proceedings to which either the State that made the declaration or the requested State, one of their government agencies or a natural person acting for either of them is a party, to the same extent as specified in the declaration.
Article 20: Uniform interpretation In the interpretation of this Convention, regard shall be had to its international character and to the need to promote uniformity in its application.
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Article 21: Review of operation of the Convention The Secretary General of the Hague Conference on Private International Law shall at regular intervals make arrangements for review of the operation of this Convention, including any declarations, and shall report to the Council on General Affairs and Policy.
Article 22: Non-unified legal systems 1. In relation to a Contracting State in which two or more systems of law apply in different territorial units with regard to any matter dealt with in this Convention – (a) any reference to the law or procedure of a State shall be construed as referring, where appropriate, to the law or procedure in force in the relevant territorial unit; (b) any reference to the court or courts of a State shall be construed as referring, where appropriate, to the court or courts in the relevant territorial unit; (c) any reference to a connection with a State shall be construed as referring, where appropriate, to a connection with the relevant territorial unit; (d) any reference to a connecting factor in relation to a State shall be construed as referring, where appropriate, to that connecting factor in relation to the relevant territorial unit. 2. Notwithstanding paragraph 1, a Contracting State with two or more territorial units in which different systems of law apply shall not be bound to apply this Convention to situations which involve solely such different territorial units. 3. A court in a territorial unit of a Contracting State with two or more territorial units in which different systems of law apply shall not be bound to recognise or enforce a judgment from another Contracting State solely because the judgment has been recognised or enforced in another territorial unit of the same Contracting State under this Convention. 4. This Article shall not apply to Regional Economic Integration Organisations.
Article 23: Relationship with other international instruments 1. This Convention shall be interpreted so far as possible to be compatible with other treaties in force for Contracting States, whether concluded before or after this Convention. 2. This Convention shall not affect the application by a Contracting State of a treaty that was concluded before this Convention. 3. This Convention shall not affect the application by a Contracting State of a treaty concluded after this Convention as concerns the recognition or enforcement of a judgment given by a court of a Contracting State that is also a Party to that treaty. Nothing in the other treaty shall affect the obligations under Article 6 towards Contracting States that are not Parties to that treaty. 4. This Convention shall not affect the application of the rules of a Regional Economic Integration Organisation that is a Party to this Convention as concerns the recognition or enforcement of a judgment given by a court of a Contracting State that is also a Member State of the Regional Economic Integration Organisation where – (a) the rules were adopted before this Convention was concluded; or (b) the rules were adopted after this Convention was concluded, to the extent that they do not affect the obligations under Article 6 towards Contracting States that are not Member States of the Regional Economic Integration Organisation.
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Chapter IV: Final Clauses Article 24: Signature, ratification, acceptance, approval or accession 1. 2. 3. 4.
This Convention shall be open for signature by all States. This Convention is subject to ratification, acceptance or approval by the signatory States. This Convention shall be open for accession by all States. Instruments of ratification, acceptance, approval or accession shall be deposited with the Ministry of Foreign Affairs of the Kingdom of the Netherlands, depositary of the Convention.
Article 25: Declarations with respect to non-unified legal systems 1. If a State has two or more territorial units in which different systems of law apply in relation to matters dealt with in this Convention, it may declare that the Convention shall extend to all its territorial units or only to one or more of them. Such a declaration shall state expressly the territorial units to which the Convention applies. 2. If a State makes no declaration under this Article, the Convention shall extend to all territorial units of that State. 3. This Article shall not apply to Regional Economic Integration Organisations.
Article 26: Regional Economic Integration Organisations 1. A Regional Economic Integration Organisation which is constituted solely by sovereign States and has competence over some or all of the matters governed by this Convention may sign, accept, approve or accede to this Convention. The Regional Economic Integration Organisation shall in that case have the rights and obligations of a Contracting State, to the extent that the Organisation has competence over matters governed by this Convention. 2. The Regional Economic Integration Organisation shall, at the time of signature, acceptance, approval or accession, notify the depositary in writing of the matters governed by this Convention in respect of which competence has been transferred to that Organisation by its Member States. The Organisation shall promptly notify the depositary in writing of any changes to its competence as specified in the most recent notice given under this paragraph. 3. For the purposes of the entry into force of this Convention, any instrument deposited by a Regional Economic Integration Organisation shall not be counted unless the Regional Economic Integration Organisation declares in accordance with Article 27(1) that its Member States will not be Parties to this Convention. 4. Any reference to a “Contracting State” or “State” in this Convention shall apply equally, where appropriate, to a Regional Economic Integration Organisation.
Article 27: Regional Economic Integration Organisation as a Contracting Party without its Member States 1. At the time of signature, acceptance, approval or accession, a Regional Economic Integration Organisation may declare that it exercises competence over all the matters governed by this Convention and that its Member States will not be Parties to this Convention but shall be bound by virtue of the signature, acceptance, approval or accession of the Organisation. 2. In the event that a declaration is made by a Regional Economic Integration Organisation in accordance with paragraph 1, any reference to a “Contracting State” or “State” in this Convention shall apply equally, where appropriate, to the Member States of the Organisation.
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Article 28: Entry into force 1. This Convention shall enter into force on the first day of the month following the expiration of the period during which a notification may be made in accordance with Article 29(2) with respect to the second State that has deposited its instrument of ratification, acceptance, approval or accession referred to in Article 24. 2. Thereafter this Convention shall enter into force – (a) for each State subsequently ratifying, accepting, approving or acceding to it, on the first day of the month following the expiration of the period during which notifications may be made in accordance with Article 29(2) with respect to that State; (b) for a territorial unit to which this Convention has been extended in accordance with Article 25 after the Convention has entered into force for the State making the declaration, on the first day of the month following the expiration of three months after the notification of the declaration referred to in that Article.
Article 29: Establishment of relations pursuant to the Convention 1. This Convention shall have effect between two Contracting States only if neither of them has notified the depositary regarding the other in accordance with paragraph 2 or 3. In the absence of such a notification, the Convention has effect between two Contracting States from the first day of the month following the expiration of the period during which notifications may be made. 2. A Contracting State may notify the depositary, within 12 months after the date of the notification by the depositary referred to in Article 32(a), that the ratification, acceptance, approval or accession of another State shall not have the effect of establishing relations between the two States pursuant to this Convention. 3. A State may notify the depositary, upon the deposit of its instrument pursuant to Article 24(4), that its ratification, acceptance, approval or accession shall not have the effect of establishing relations with a Contracting State pursuant to this Convention. 4. A Contracting State may at any time withdraw a notification that it has made under paragraph 2 or 3. Such a withdrawal shall take effect on the first day of the month following the expiration of three months following the date of notification.
Article 30: Declarations 1. Declarations referred to in Articles 14, 17, 18, 19 and 25 may be made upon signature, ratification, acceptance, approval or accession or at any time thereafter, and may be modified or withdrawn at any time. 2. Declarations, modifications and withdrawals shall be notified to the depositary. 3. A declaration made at the time of signature, ratification, acceptance, approval or accession shall take effect simultaneously with the entry into force of this Convention for the State concerned. 4. A declaration made at a subsequent time, and any modification or withdrawal of a declaration, shall take effect on the first day of the month following the expiration of three months following the date on which the notification is received by the depositary. 5. A declaration made at a subsequent time, and any modification or withdrawal of a declaration, shall not apply to judgments resulting from proceedings that have already been instituted before the court of origin when the declaration takes effect.
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Article 31: Denunciation 1. A Contracting State to this Convention may denounce it by a notification in writing addressed to the depositary. The denunciation may be limited to certain territorial units of a non-unified legal system to which this Convention applies. 2. The denunciation shall take effect on the first day of the month following the expiration of 12 months after the date on which the notification is received by the depositary. Where a longer period for the denunciation to take effect is specified in the notification, the denunciation shall take effect upon the expiration of such longer period after the date on which the notification is received by the depositary.
Article 32: Notifications by the depositary The depositary shall notify the Members of the Hague Conference on Private International Law, and other States and Regional Economic Integration Organisations which have signed, ratified, accepted, approved or acceded to this Convention in accordance with Articles 24, 26 and 27 of the following – (a) the signatures, ratifications, acceptances, approvals and accessions referred to in Articles 24, 26 and 27; (b) the date on which this Convention enters into force in accordance with Article 28; (c) the notifications, declarations, modifications and withdrawals referred to in Articles 26, 27, 29 and 30; and (d) the denunciations referred to in Article 31. In witness whereof the undersigned, being duly authorised thereto, have signed this Convention. Done at The Hague, on the 2nd day of July 2019, in the English and French languages, both texts being equally authentic, in a single copy which shall be deposited in the archives of the Government of the Kingdom of the Netherlands, and of which a certified copy shall be sent, through diplomatic channels, to each of the Members of the Hague Conference on Private International Law at the time of its Twenty-Second Session and to each of the other States which have participated in that Session.
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Verordnung (EU) 2020/1783 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2020 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (Beweisaufnahme) (Neufassung) ABl. EU 2020 L 405/1 Schrifttum: 1. EU-BewVO und Buch 11 ZPO: a) Kommentare/Hand- und Lehrbücher/Monographien: Diago Diago, La Obtención de Pruebas en la Union Europea (2003), zitiert: Diago Diago; Frigo/Fumagalli, L’Assistenza Giudiziaria Internazionale in Materia Civile (2003), zitiert: Frigo/Fumagalli; Fucik und Mosser in Fasching/ Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen, Bd. V/2 (2. Aufl. 2011), zitiert: Bearbeiter in Fasching/Konecny; Geimer in Zöller, Zivilprozessordnung (34. Aufl. 2022), §§ 1072–1075 ZPO; Geimer, Internationales Zivilprozessrecht (8. Aufl. 2019) Rz. 2378a ff., zitiert: Geimer, IZPR; Schmidt in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/ Gehle, Zivilprozessordnung (79. 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Aufl. 2020), zitiert: Junker, IZPR; Klauser, Europäisches Zivilprozessrecht (2002), dort: EuBVO, zitiert: Klauser; Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Loseblatt, 32. Erg.-Lfg., September 2007), B Vor I 30b; Kreuzer/Wagner/Häcker (Q III–V) bzw. Kreuzer/Wagner/Reder (Q I und II), Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts (Loseblatt, 45. Erg.-Lfg., Stand: Juli 2018), zitiert: Bearbeiter in Dauses/Ludwigs; Linke/Hau, Internationales Zivilverfahrensrecht (8. Aufl. 2021), zitiert: Linke/Hau, IZVR; Mayr, Europäisches Zivilprozessrecht (2. Aufl. 2020), zitiert: Mayr; McClean, International Co-Operation in Civil and Criminal Matters (3. Aufl. 2012), zitiert: McClean; McGuire/ John, Europäische Beweisaufnahmeverordnung, in Leible/Terhechte (Hrsg.) Europäisches Rechtsschutz- und Verfahrensrecht (2. Aufl. 2021) § 25, zitiert: McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 1 ff.; Müller, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum (2004), (bespr v. von Hein, RabelsZ 70 [2006], 205), zitiert: Müller; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht (7. Aufl. 2013), § 9 Rz. 8–35, zitiert: Nagel/Gottwald, IZPR; Neumayr/Kodek in Burgstaller/Neumayr/Geroldinger/Schmaranzer (Hrsg.), Internationales Zivilverfahrensrecht (Loseblatt, Dezember 2004), dort: EuBewVO, zitiert: Neumayr/Kodek in Burgstaller; Niehr, Die zivilprozessuale Dokumentenvorlegung im deutsch-englischen Rechtshilfeverkehr nach der deutschen und der englischen Prozessrechtsreform (2004), zitiert: Niehr; Rauscher in Krüger/Rauscher (Hrsg.), Münchener Kommentar zur ZPO (5. Aufl. 2017), §§ 1072–1075 ZPO, Anh. §§ 1072 ff. ZPO; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht (8. Aufl. 2021), zitiert: Schack, IZVR; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht (5. 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EU-BewVO Schrifttum higkeitsbescheinigungen: Änderungen durch die EU-VO 1206/01, DB 2004, 1613; Sujecki, Das Verhältnis der Europäischen Beweisaufnahmeverordnung zu nationalen Beweisverfahren, EWS 2013, 80; Thole, Kein abschließender Charakter der Europäischen Beweisaufnahmeverordnung, IPRax 2014, 255; Trocker, Note sul regolamento n. 1206/ 2001 relativo all’assunzione delle prove in materia civile o commerciale, Riv. dir. int. 2003, 670; Tsikrikas, Einige Gedanken über den Anwendungsbereich der Europäischen Beweisverordnung, in FS Daphne-Ariane Simotta, 2012, S. 635; Ubertazzi, Die EG-Beweisaufnahmeverordnung und die „Beschreibung“ einer Verletzung des geistigen Eigentums, GRURInt 2008, 807; Ubertazzi, Il regolamento comunitario sulle prove e la descrizione della contrafazione, Riv. dir. int. priv. proc. 2008, 689; Ubertazzi, The EC Council Regulation on evidence and the „description“ of goods infringing IP rights, EuLF 2008, I-80; Valdhans/Sehnálek, The 1970 Hague Evidence Convention, The European Union and the 2001 EU Evidence Regulation – Interfaces, in van Rhee/Uzelac (Hrsg.), Evidence in Contemporary Civil Procedure (2015), S. 337, zitiert: Valdhans/Sehnálek in van Rhee/Uzelac, 2015, S. 337; Velicogna/Lupo, From Drafting Common Rules to Implementing Electronic European Civil Procedure: The Rise of e-CODEX, in Hess/Kramer, From Common Rules to Best Practices in European Civil Procedure, 2017, S. 181; Vorwerk, Beweisaufnahme im Ausland – Die EG-BeweisaufnahmeVO und der Grundsatz der Beweisunmittelbarkeit, in FS Achim Krämer, 2009, S. 551; Vorwerk, Beweisaufnahme im Ausland: Neue Wege für den deutschen Prozess, AnwBl. 2011, 369; Windau, Grenzüberschreitende Verhandlung und Beweisaufnahme im Wege der Bild- und Tonübertragung, jM 2021, 178; Ybarra Bores, La Práctica de Prueba en Materia Civil y Mercantil en la Union Europea en el Marco de Reglamento 1206/2001 y su Articulación con el Derecho Español, Cuad Der Transnac (Oktober 2012), Vol 4, N° 2, 248. 2. HBÜ und internationale Beweisaufnahme im Allgemeinen: a) Kommentare zum HBÜ: Berger in Stein/Jonas, ZPO (23. Aufl. 2015), Anh. zu § 363 A; Knöfel in Geimer/Schütze (Hrsg.), Internationaler Rechtsverkehr in Zivilund Handelssachen (Loseblatt, 32. Erg.-Lfg., September 2007), A I 3; Pabst in Krüger/Rauscher (Hrsg.), Münchener Kommentar zur ZPO (5. Aufl. 2017), HBÜ; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-Zivilprozessrecht (4. Aufl. 2015), HBÜ (in der 5. Aufl. 2021 nicht mehr enthalten), zitiert: Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR (4. Aufl. 2015). b) Sonstige Literatur (Auswahl*): Adler, Schritt in Richtung Beilegung des deutsch-amerikanischen Justizkonflikts? – Zur geplanten Einschränkung des Totalvorbehalts gegenüber exterritorialer discovery-Anfragen US-amerikanischer Gerichte, IPRax 2015, 364; Ahrens, Grenzüberschreitende selbständige Beweisverfahren – eine Skizze, in FS Rolf A. Schütze, 1999, S. 1; Bernasconi/Celis/Kunzelmann, Of Luddites and Luminaries: The Use of Modern Technologies under the Hague Legal Co-operation Conventions, in A Commitment to Private International Law – Essays in Honour of Hans van Loon (2013), S. 31; Blaschczok, Das Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen (1986), zitiert: Blaschczok; Brinkmann, „Clash of Civilizations“ oder effektives Rechtshilfeinstrument? – Zur wachsenden Bedeutung von discovery orders nach Rule 28 U.S.C. § 1782(a), IPRax 2015, 109; Buxbaum, Improving Transatlantic Cooperation in the Taking of Evidence, in Nuyts/ Watté (Hrsg.), International Civil Litigation in Europe and Relations with Third States (2005), S. 343, zitiert: Buxbaum in Nuyts/Watté, 2005, S. 343; Coester-Waltjen, Einige Überlegungen zur Beschaffung von Beweisurkunden aus dem Ausland, in FS Peter F. Schlosser, 2005, S. 147; Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im deutschen Zivilprozess (2000; bespr v. Stadler, ZZP 115 [2002], 515); Davies, Taking Evidence by Video-Link in International Litigation, in GS Peter E. Nygh, 2004, S. 69; Davies, Bypassing the Hague Evidence Convention: Private International Law Implications of the Use of Video and Audio Conferencing Technology in Transnational Litigation, Am J Comp L 55 (2007), 205; Dörschner, Beweissicherung im Ausland (2000), zitiert: Dörschner; Forschner/ Kienzle, Die e-Apostille – de lege lata und de lege ferenda, DNotZ 2020, 724; Ewald Geimer, Internationale Beweisaufnahme (1998), zitiert: Ewald Geimer; Hau, Europarechtliche Vorgaben zum Beweismaß im Zivilprozess, in FS Hanns Prütting, 2018, S. 325; Heinze/Prado Ojea, Der Beweis mit privaten elektronischen Dokumenten nach ZPO und eIDAS-VO, CR 2018, 37; Jayme, Extraterritoriale Beweisverschaffung für inländische Verfahren und Vollstreckungshilfe durch ausländische Gerichte, in FS Reinhold Geimer, 2002, S. 375; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr (1987), zitiert: Junker, Discovery; Junker, Electronic Discovery gegen deutsche Unternehmen (2008), zitiert: Junker, Electronic Discovery; Kienzle, Nachweis der Echtheit ausländischer öffentlicher E-Dokumente im Zivilprozess, NJW 2019, 1712; Knöfel, Judizielle Loyalität in der Europäischen Union – Zur Rechts- und Beweishilfe im Verhältnis der Unionsgerichtsbarkeit zu den Gerichten der Mitgliedstaaten, EuR 2010, 618; Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery – Grundfragen des Internationalen Zivilprozessrechts (1989), zitiert: Leipold, Lex fori; Martens, Erfahrungen mit dem Rechtshilfeersuchen aus den USA nach dem Haager Beweisaufnahme-Übereinkommen, RIW 1981, 725; Martiny, Mutual Legal Assistance in Civil and Commercial Matters, in Wolfrum (Hrsg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Vol VII (2012), S. 439, zitiert: Martiny in Wolfrum, 2012, S. 439; Möhlenbruch, „Gerichtstage“ in Israel – Zur Hoheits- und Gerichtsgewalt deutscher Sozialgerichte im Ausland, NZS 2011, 417; Musielak, Beweiserhebung bei auslandsbelegenen Beweismitteln, in FS Reinhold Geimer, 2002, S. 761; Nordmeier, Neuerungen im deutschen IZVR durch das Gesetz zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts, IPRax 2017, 436; Pfeil-Kammerer, * Zum HBÜ s. auch das fortlaufend aktualisierte Schriftenverzeichnis unter https://www.hcch.net/de/instru ments/conventions/publications1/?dtid=1&cid=82.
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Schrifttum
EU-BewVO
Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen (1987); Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen (2016); Reufels/Scherer, Pre-Trial Discovery nach dem Haager Beweisübereinkommen, IPRax 2005, 456; Roffman/Emer/Kräft, Verteidigung deutscher Unternehmen im Zusammenhang mit der US-amerikanischen pre-trial discovery of documents, Teil I: GWR 2018, 323; Teil II: GWR 2018, 343; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess (1996); Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, Rec. 284 (2000), 9; Schlosser, Direct Interaction of Courts of Different Nations, in FS Giuseppe Tarzia, Bd. I, 2005, S. 589; Siehr, Grundfragen der internationalen Rechtshilfe in Zivilsachen, RIW 2007, 321; Thole/Gnauck, Electronic Discovery – neue Herausforderungen für grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten, RIW 2012, 417; Trocker, The Principles of Transnational Civil Procedure and Cross-Border Evidence Taking, in FS Rolf Stürner, 2013, S. 1357; Tsikrikas, Die Anerkennung von Wirkungen ausländischer Prozesshandlungen als Grundlage für die judizielle Zusammenarbeit, ZZPInt 15 (2010), 145; Volken, Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen (1996); G. Wagner, Urkundenedition durch Dritte – Deutsches Recht und amerikanische Discovery, in FS Dieter Leipold, 2009, S. 801; Weinbörner, Die Neustrukturierung und Aktualisierung des Länderteils der ZRHO, IPRax 2008, 486; Winkler, Die neue deutsche Initiative zur Einschränkung des generellen Widerspruchs gegen die pre-trial discovery of documents nach Art. 23 HBÜ, in FS Gerhard Wegen, 2015, S. 807. 3. Rechtsvergleichung (Auswahl): Barbier de la Serre/Sibony, Expert Evidence before the EC Courts, C.M.L.Rev. 45 (2008), 941; Berger-Steiner, Beweismass und Privatrecht, ZBernJV 2008, 269; Brandt, Das englische Disclosure-Verfahren (2015), zitiert: Brandt, Disclosure; Brinkmann, Das Beweismaß im Zivilprozess aus rechtsvergleichender Sicht (2005); Brinkmann, Die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel im Zivilprozess aus der Perspektive des Schadensrechts, AcP 206 (2006), 746; Coester-Waltjen, Parteiaussage und Parteivernehmung am Ende des 20. Jahrhunderts, ZZP 113 (2000), 269; Demeyere, The Search for the „Truth“: Rendering Evidence under Common Law and Civil Law, SchiedsVZ 2003, 247; Harsági, Documentary Evidence in Comparative Perspective, in FS Daphne-Ariane Simotta, 2012, S. 205; Huber, Entwicklung transnationaler Modellregeln für Zivilverfahren am Beispiel der Dokumentenvorlage (2008), zitert: Huber, Modellregeln; Junker Die Informationsbeschaffung für den Zivilprozess: Informationsbeschaffung durch Beweispersonen, in Schlosser (Hrsg.), Die Informationsbeschaffung für den Zivilprozess (1996), S. 63, zitiert: Junker in Schlosser, 1996, S. 63; Kraayvanger/Richter/Wendler, US-Beweishilfe in Schiedsverfahren – ein Anschlag auf die internationale Schiedsgerichtsbarkeit?, SchiedsVZ 2008, 161; Murray, Hearsay Evidence in Civil Litigation at Common and Civil Law, in FS Peter Gottwald, 2014, S. 455 ff.; Nagel/Bajons (Hrsg.), Beweis – Preuve – Evidence: Grundzüge des zivilprozessualen Beweisrechts in Europa (2003); Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht (7. Aufl. 2013), § 10, zitiert: Nagel/Gottwald, IZPR; Rassi, Die Aufklärungsund Mitwirkungspflichten der nicht beweisbelasteten Partei im Zivilprozess aus österreichischer Sicht, ZZP 121 (2008) 165; Rechberger, Zur „discovery light“ im Europäischen Zivilprozess, in FS Herbert Roth, 2021, S. 803; van Rhee/Uzelac (Hrsg.), Evidence in Contemporary Civil Procedure (2015); Dimitri Schneider, Die ZPO und die englischen Civil Procedure Rules – Gemeinsamkeiten und Unterschiede, IWRZ 2018, 195; Schröder, Das Beweisrecht im englischen Zivilverfahren (2007), zitiert: Schröder; Sladicˇ, La présomption et le droit procédural de l’Union Européenne, Int J Proc L 2016, 296; Rolf Stürner, Der Sachverständigenbeweis im Zivilprozess der Europäischen Union, in FS Otto Sandrock, 2000, S. 959; Rolf Stürner, Beweisregeln und freie Beweiswürdigung im Zivilprozess der Europäischen Staaten, in FS Eduard Picker, 2010, S. 809; Rolf Stürner, Voraussetzungen einer Tatsachenerhebung im Zivilprozess in Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung, in FS Herbert Roth, 2021, S. 1055; Tsikrikas, Örtliche und internationale Zuständigkeit der griechischen Gerichte bei einer Klage auf Akteneinsicht und Urkundenvorlage, ZZPInt 12 (2007), 109; Gerhard Wagner, Europäisches Beweisrecht – Prozessrechtsharmonisierung durch Schiedsgerichte, ZEuP 2001, 441; Zekoll/Bolt, Die Pflicht zur Vorlage von Urkunden im Zivilprozess – Amerikanische Verhältnisse in Deutschland?, NJW 2002, 3129. Materialien: 1. EU-BewVO: a) Alte Fassung (EG-BewVO): Europäischer Rat (Tampere), Schlussfolgerungen des Vorsitzes, 15./16.10.1999 (Nr. 38), NJW 2000, 1925; Initiative der Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Rates über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen, ABl. EG 2000 C 314/1 vom 3.11.2000; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 16.2.2001, 6850/01; Marinho, Europäisches Parlament, Ausschuß für Recht und Binnenmarkt, Bericht über die Initiative [wie vorstehend], 27.2.2001, A5-0073/2001; Europäisches Parlament, Stellungnahme, 14.3.2001, ABl. EG 2001 C 343/184; Rat der Europäischen Union, Vermerk des Vorsitzes, 28.3.2001, 6850/01 ADD 1; Wirtschafts- und Sozialausschuß, Stellungnahme zu der Initiative [wie vorstehend], 11.5.2001, ABl. EG 2001 C 139/10; Erklärung des Rates Nr. 54/01 zur EG-BewVO, Monatliche Aufstellung der Rechtsakte des Rates, Mai 2001, Nr. 10571/01 v. 4.7.2001, Anlage II, S. 16; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Praktischer Leitfaden für die Anwendung der Verordnung über die Beweisaufnahme (o.J., zuletzt abgerufen am 18.12.2008), zitiert: Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Bericht v. 5.12.2007 über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001, KOM (2007) 769; Mainstrat/Universidad del País Vasco, Study on the application of Articles 3(1)(c) and 3, and Articles 17 and 18 of the Council Regulation (EC) N° 1206/2001 of 28 May 2001 on cooperation between the courts of the member states in the taking of evidence in civil or commercial matters (Juni 2012); Kommission der Europäischen Union, Empfehlung der Kommission an den Rat zur Ermächtigung der Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen im Hinblick auf
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EU-BewVO Schrifttum den Abschluss eines Übereinkommens zwischen der Europäischen Union und Island, Norwegen und der Schweiz über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen sowie eines Übereinkommens zwischen der Europäischen Union und Dänemark, Island, Norwegen und der Schweiz über die Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen, KOM (2012) 539 endg.; Ratsdok. 14350/12; Kommission der Europäischen Union, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Anpassung von Rechtsakten im Bereich Justiz, in denen auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle Bezug genommen wird, an Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, KOM (2013) 452 endg. b) Neue Fassung (EU-BewVO): Kommission der Europäischen Union, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2011 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Ziviloder Handelssachen, COM (2018) 378 final; Kommission der Europäischen Union, Commission Staff Working Document, Impact Assessment accompanying the document Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Council Regulation (EC) No 1206/2001 of 28 May 2001 on cooperation between the courts of the Member States in the taking of evidence in civil or commercial matters, SWD (2018) 284 final; Kommission der Europäischen Union, Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, Zusammenfassung der Folgenabschätzung, Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2011 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen, SWD (2018) 285 final; Regulatory Scrutiny Board, Opinion on the Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council amending Council Regulation (EC) No 1206/2001 of 18 May 2001 on cooperation between the courts of the Member States in the taking of evidence in civil or commercial matters), SEC(2018) 271 final; Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Beweisaufnahme und Zustellung von Schriftstücken in Zivil- oder Handelssachen, Stellungnahme INT/867, ABl. EU 2019 C 62/56; Bundesrat, Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2011 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen, BR-Drucks. 339/18; Bundesrechtsanwaltskammer, Stellungnahme Nr. 29/2018 zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1393/ 2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (COM(2018) 379) und der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2011 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (COM(2018) 378); Deutscher Anwaltverein, Stellungnahme Nr. 53/2018 zu den Vorschlägen der EU-Kommission zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1393/ 2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten COM(2018) 379 final und der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2011 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen COM(2018) 378 final; Bericht des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments vom 19.12.2018, abrufbar unter https://www.europarl.europa.eu/doceo/docu ment/A-8-2018-0477_EN.html (abgerufen am: 27.10.2021); Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 13.2.2019, abrufbar unter https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-8-2019-0103_DE.html (abgerufen am: 27.10.2021); Stellungnahme Nr. 5/2019 des Europäischen Datenschutzbeauftragten vom 13.9.2019, abrufbar unter https://edps.europa.eu/sites/default/files/publication/19-09-13_opinion_service_doc_taking_evidence_civil_ matters_de.pdf (abgerufen am: 27.10.2021); Rat. Allgemeine Ausrichtung vom 28.11.2019, abrufbar unter https:// data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-14601-2019-INIT/de/pdf (abgerufen am: 27.10.2021); Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 4.11.2020, abrufbar unter https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-98892020-REV-2/de/pdf (abgerufen am: 27.10.2021); Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, Empfehlung vom 18.11.2020 zu dem Standpunkt des Rates in erster Lesung, abrufbar unter https://www.europarl.europa.eu/doceo/ document/A-9-2020-0225_DE.html (abgerufen am: 27.10.2021); Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23.11.2020, abrufbar unter https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-0308_DE. html (abgerufen am: 27.10.2021). 2. EG-BewDG: Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz), 11.4.2003, BR-Drucks. 239/03 = (inhaltlich unverändert) 27.5.2003, BT-Drucks. 15/1062; Bundesrat, Stellungnahme, 23.5.2003, BR-Drucks. 239/03 (Beschluss); Rechtsausschuss, Beschlussempfehlung und Bericht, 30.6.2003, BT-Drucks. 15/1283; Bundestag, Plenarprotokoll, 3.7.2003, 15/56, S. 4646 C. 3. HBÜ: Amram, Explanatory Report on the Hague Convention of 18 March 1970 on the Taking of Evidence Abroad in Civil or Commercial Matters, https://www.hcch.net/de/publications-and-studies/details4/?pid=2968 (abgerufen am 27.10.2021), zitiert: Amram; Hague Conference on Private International Law, Practical Handbook on the Operation of the Evidence Convention, 2016.
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Erwägungsgründe
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DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION – gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 81 Absatz 2, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,1 nach Anhörung des Ausschusses der Regionen, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,2 in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates3 ist bereits früher geändert worden. Da weitere erhebliche Änderungen vorgenommen werden müssen, sollte die Verordnung im Interesse der Klarheit neu gefasst werden. (2) Die Union hat sich zum Ziel gesetzt, die Union als einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem die Freizügigkeit gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Um diesen Raum aufzubauen, erlässt die Union unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen. (3) Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und die Entwicklung eines Rechtsraums in Zivilsachen in der Union muss die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der verschiedenen Mitgliedstaaten im Bereich der Beweisaufnahme weiter verbessert und beschleunigt werden. Diese Verordnung verfolgt das Ziel, die Effizienz und Schnelligkeit von Gerichtsverfahren durch Vereinfachung und Optimierung der Abläufe bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Rahmen der Beweisaufnahme zu verbessern, und gleichzeitig dazu beizutragen, Verzögerungen und Kosten für natürliche Personen und Unternehmen zu verringern. Durch die Schaffung größerer Rechtssicherheit und die Vereinfachung, Straffung und Digitalisierung der Verfahren werden natürliche Personen und Unternehmen dazu ermutigt, sich am grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr zu beteiligen, wodurch der Handel innerhalb der Union angekurbelt und somit das Funktionieren des Binnenmarkts verbessert wird. (4) Mit dieser Verordnung werden Regeln über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der verschiedenen Mitgliedstaaten bei der grenzüberschreitenden Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen festgelegt. (5) Für die Zwecke dieser Verordnung sollte der Begriff „Gericht“ auch Behörden einschließen, die gerichtliche Funktionen ausüben oder in Ausübung einer Befugnisübertragung durch ein Gericht oder unter der Aufsicht eines Gerichts handeln und nach nationalem Recht zur Beweisaufnahme für die Zwecke von Gerichtsverfahren in Zivil- oder Handelssachen befugt sind. Das schließt insbesondere Behörden ein, die in Anwendung anderer Rechtsakte der Union, beispielsweise der Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates4 und der Verordnungen (EU) Nr. 1215/20125 und (EU) Nr. 650/20126 des Europäischen Parlaments und des Rates, als Gerichte gelten. 1 Amtliche Fußnote: ABl. C 62 vom 15.2.2019, S. 56. 2 Amtliche Fußnote: Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 13.2.2019 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 4.11.2020 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht), Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 23.11.2020 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). 3 Amtliche Fußnote: Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 1). 4 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates vom 25.6.2019 über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (ABl. L 178 vom 2.7.2019, S. 1). 5 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 351 vom 20.12.2012, S. 1). 6 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen
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EU-BewVO Erwägungsgründe (6) Damit ein Höchstmaß an Klarheit und Rechtssicherheit gewährleistet ist, sollten die Ersuchen um Beweisaufnahme unter Verwendung eines Formblatts übermittelt werden, das in der Sprache des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts oder in einer anderen von diesem Mitgliedstaat anerkannten Sprache auszufüllen ist. Aus denselben Gründen empfiehlt es sich, auch für die weitere Kommunikation zwischen den betreffenden Gerichten soweit wie möglich Formblätter zu verwenden. (7) Um eine schnelle Übermittlung von Ersuchen und Mitteilungen zwischen den Mitgliedstaaten zu Beweisaufnahmezwecken sicherzustellen, sollten alle geeigneten modernen Kommunikationstechnologien genutzt werden. Daher sollten in der Regel jede Kommunikation und jeder Austausch von Schriftstücken über ein sicheres und zuverlässiges dezentrales IT-System erfolgen, das nationale IT-Systeme umfasst, die vernetzt und technisch interoperabel sind, wie beispielsweise – unbeschadet der weiteren technologischen Entwicklung – auf e-CODEX beruhend. Dementsprechend sollte ein dezentrales IT-System für den Datenaustausch nach dieser Verordnung eingerichtet werden. Der dezentrale Charakter dieses IT-Systems würde den Datenaustausch ausschließlich zwischen einem Mitgliedstaat und einem anderen ermöglichen, ohne dass eines der Organe der Union an diesem Austausch beteiligt ist. (8) Unbeschadet eines möglichen künftigen technologischen Fortschritts sollten das sichere dezentrale IT-System und seine Bestandteile nicht zwingend als qualifizierter Dienst für die Zustellung elektronischer Einschreiben im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates7 aufgefasst werden. (9) Die Kommission sollte für die Schaffung, Wartung und Pflege sowie künftige Weiterentwicklung einer Referenzimplementierungssoftware verantwortlich sein, die Mitgliedstaaten anstelle eines nationalen IT-Systems nutzen können sollten, gemäß den Grundsätzen des Datenschutzes durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen. Die Kommission sollte die Referenzimplementierungssoftware gemäß den Datenschutzanforderungen und -grundsätzen der Verordnungen (EU) 2018/17258 und (EU) 2016/6799 des Europäischen Parlaments und des Rates – insbesondere den Grundsätzen des Datenschutzes durch Technikgestaltung und durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen – konzipieren, entwickeln und warten. Die Referenzimplementierungssoftware sollte außerdem geeignete technische Maßnahmen enthalten und die organisatorischen Maßnahmen ermöglichen, die dafür erforderlich sind, ein Maß an Sicherheit und Interoperabilität zu gewährleisten, das für den Informationsaustausch im Bereich der Beweisaufnahme geeignet ist. (10) Für die Komponenten des dezentralen IT-Systems, für welche die Union zuständig ist, sollte die Verwaltungsstelle über ausreichende Ressourcen verfügen, um das ordnungsgemäße Funktionieren dieses Systems zu gewährleisten. (11) Die nach nationalem Recht zuständige Behörde oder zuständigen Behörden sollte bzw. sollten als Verantwortliche im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679 für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die sie nach der vorliegenden Verordnung zur Übermittlung von Ersuchen und sonstigen Mitteilungen zwischen Mitgliedstaaten durchführt bzw. durchführen, zuständig sein. (12) Die Übermittlung über das dezentrale IT-System könnte aufgrund einer Störung des Systems oder der Beschaffenheit des Beweismittels, beispielsweise bei DNA- oder Blutproben, unmöglich werden. Auch aufgrund außergewöhnlicher Umstände könnten andere Kommunikationsmittel und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 107). 7 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.7.2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, S. 73). 8 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 und des Beschlusses Nr. 1247/2002/EG (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39.). 9 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
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Erwägungsgründe
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besser geeignet sein, etwa dann, wenn die Digitalisierung einer umfangreichen Dokumentation einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für die zuständigen Behörden darstellen würde oder wenn zur Beurteilung der Echtheit eines Schriftstücks das Original in Papierform benötigt wird. Wenn das dezentrale IT-System nicht verwendet wird, sollte die Übermittlung mit dem am besten geeigneten alternativen Mittel durchgeführt werden. Dieses alternative Mittel sollte unter anderem dazu führen, dass die Übermittlung so rasch wie möglich und auf sichere Weise durch andere sichere elektronische Mittel oder durch Postdienste durchgeführt wird. (13) Damit die elektronische grenzüberschreitende Übermittlung von Schriftstücken über das dezentrale IT-System häufiger genutzt wird, sollte solchen Schriftstücken die Rechtswirkung und die Zulässigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahren nicht allein deshalb abgesprochen werden, weil sie in elektronischer Form vorliegen. Jedoch sollte dieser Grundsatz die Beurteilung der Rechtswirkung solcher Schriftstücke oder ihrer Zulässigkeit als Beweismittel nach nationalem Recht nicht berühren. Zudem sollte er nationales Recht über die Umwandlung von Schriftstücken unberührt lassen. (14) Diese Verordnung sollte die Möglichkeit unberührt lassen, dass Behörden Informationen im Rahmen von Systemen austauschen, die in anderen Rechtsakten der Union wie der Verordnung (EU) 2019/1111 oder der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates10 festgelegt sind, selbst wenn diese Informationen Beweiskraft haben, sodass die Wahl der am besten geeigneten Methode der ersuchenden Behörde überlassen bleibt. (15) Ersuchen um Beweisaufnahme sollten rasch erledigt werden. Kann ein Ersuchen innerhalb von 90 Tagen nach Eingang beim ersuchten Gericht nicht erledigt werden, so sollte das ersuchte Gericht das ersuchende Gericht hiervon unter Angabe der Gründe, die einer zügigen Erledigung des Ersuchens entgegenstehen, in Kenntnis setzen. (16) Um die Wirksamkeit dieser Verordnung zu gewährleisten, sollten die Umstände, unter denen es möglich ist, die Erledigung eines Ersuchens um Beweisaufnahme abzulehnen, auf eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt werden. (17) Das ersuchte Gericht sollte das Ersuchen um Beweisaufnahme nach Maßgabe seines nationalen Rechts erledigen. (18) Die Parteien und gegebenenfalls ihre Vertreter sollten bei der Beweisaufnahme zugegen sein können, wenn das im Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts vorgesehen ist, damit sie die Verhandlungen wie im Falle einer Beweisaufnahme im Mitgliedstaat des ersuchenden Gerichts verfolgen können. Sie sollten auch das Recht haben, die Beteiligung an der Beweisaufnahme zu beantragen, damit sie an der Beweisaufnahme aktiver mitwirken können. Die Bedingungen jedoch, unter denen sie teilnehmen dürfen, sollten vom ersuchten Gericht nach Maßgabe seines nationalen Rechts festgelegt werden. (19) Die Beauftragten des ersuchenden Gerichts sollten bei der Beweisaufnahme zugegen sein können, wenn das mit dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts vereinbar ist, um die Beweise besser würdigen zu können. Sie sollten ebenfalls das Recht haben, die Beteiligung an der Beweisaufnahme zu beantragen – wobei die vom ersuchten Gericht nach Maßgabe seines nationalen Rechts festgelegten Bedingungen zu beachten sind –, damit sie an der Beweisaufnahme aktiver mitwirken können. (20) Damit die Beweisaufnahme erleichtert wird, sollte es einem Gericht eines Mitgliedstaats möglich sein, nach seinem nationalen Recht in einem anderen Mitgliedstaat unmittelbar Beweise zu erheben, sofern dieser dem Antrag auf unmittelbare Beweisaufnahme zustimmt, wobei die von der Zentralstelle oder der zuständigen Behörde des ersuchten Mitgliedstaats festgelegten Bedingungen zu beachten sind. (21) Das Potenzial moderner Kommunikationstechnologien, beispielsweise Videokonferenzen, die ein wichtiges Mittel zur Vereinfachung und Beschleunigung der Beweisaufnahme darstellen, wird derzeit nicht voll ausgeschöpft. Wenn Beweise erhoben werden sollen, indem eine Person mit Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat, z. B. als Zeuge, Partei oder Sachverständiger, ver10 Amtliche Fußnote: Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen (ABl. L 7 vom 10.1.2009, S. 1).
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EU-BewVO Erwägungsgründe nommen wird, sollte das ersuchende Gericht diese Beweisaufnahme unmittelbar per Videokonferenz oder mittels einer anderen Fernkommunikationstechnologie durchführen, sofern das Gericht über diese Möglichkeit verfügt und sofern das Gericht den Einsatz dieser Technologie aufgrund der besonderen Umstände des Falls für den fairen Ablauf des Verfahrens als angemessen ansieht. Auch die Vernehmung eines Kindes könnte gemäß der Verordnung (EU) 2019/1111 per Videokonferenz erfolgen. Falls allerdings die Zentralstelle oder die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats bestimmte Bedingungen für erforderlich hält, sollte die unmittelbare Beweisaufnahme nach diesen Bedingungen gemäß dem Recht des ersuchten Mitgliedstaats erfolgen. Die Zentralstelle oder die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats sollte die unmittelbare Beweisaufnahme ganz oder teilweise verweigern können, wenn diese unmittelbare Beweisaufnahme den Grundprinzipien der Rechtsordnung dieses Mitgliedstaats zuwiderlaufen würde. (22) Wird beabsichtigt, Beweise zu erheben, indem eine Person per Videokonferenz oder mittels einer anderen Fernkommunikationstechnologie vernommen wird, so sollte das ersuchende Gericht auf dessen Antrag hin bei der Suche nach einem Dolmetscher – einschließlich eines beeideten Dolmetschers, wenn das ausdrücklich beantragt wird – unterstützt werden. (23) Das für das Verfahren zuständige Gericht sollte die Parteien und ihre Rechtsvertreter anleiten, wie bei der Vorlage von Schriftstücken oder anderen Materialien bei Vernehmungen per Videokonferenz oder mittels einer anderen Fernkommunikationstechnologie vorzugehen ist. (24) Um die Beweisaufnahme durch Bedienstete diplomatischer oder konsularischer Vertretungen zu erleichtern, sollten diese Personen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats und innerhalb ihres Akkreditierungsbereichs im Rahmen eines bei den Gerichten des von ihnen vertretenen Mitgliedstaats anhängigen Verfahrens ohne vorheriges Ersuchen eine Beweisaufnahme in Form einer Vernehmung ohne Zwangsmaßnahmen von Staatsangehörigen des von ihnen vertretenen Mitgliedstaats durchführen. Allerdings sollte es im Ermessen der Mitgliedstaaten liegen, darüber zu entscheiden, ob die Bediensteten ihrer diplomatischen oder konsularischen Vertretungen bei der Ausübung ihres Amtes zur Beweisaufnahme befugt sind. (25) Die Beweisaufnahme durch Bedienstete diplomatischer oder konsularischer Vertretungen sollte in den Räumlichkeiten der diplomatischen oder konsularischen Vertretung durchgeführt werden, sofern keine besonderen Umstände vorliegen. Solche Umstände können darin bestehen, dass die zu vernehmende Person aufgrund einer schweren Erkrankung nicht in der Lage ist, diese Räumlichkeiten aufzusuchen. (26) Für die Erledigung eines Ersuchens um Beweisaufnahme gemäß dieser Verordnung sollte keine Erstattung von Gebühren oder Auslagen verlangt werden dürfen. Falls jedoch das ersuchte Gericht die Erstattung verlangt, sollten die Aufwendungen für Sachverständige und Dolmetscher sowie die durch die Durchführung gemäß einem besonderen Verfahren nach nationalem Recht oder durch die Verwendung von Fernkommunikationstechnologien entstehenden Auslagen nicht von jenem Gericht getragen werden. In einem solchen Fall sollte das ersuchende Gericht die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die unverzügliche Erstattung sicherzustellen. Wird die Stellungnahme eines Sachverständigen verlangt, so sollte das ersuchte Gericht in der Lage sein, vor der Erledigung des Ersuchens das ersuchende Gericht um eine angemessene Kaution oder einen angemessenen Vorschuss für die Sachverständigenkosten bitten. (27) Um die in Anhang I dieser Verordnung enthaltenen Formblätter zu aktualisieren oder technische Anpassungen an diesen Formblättern vorzunehmen, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, nach Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Rechtsakte zur Änderung des genannten Anhangs zu erlassen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeit angemessene Konsultationen, auch auf der Ebene von Sachverständigen, durchführt, die mit den Grundsätzen in Einklang stehen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13.4.2016 über bessere Rechtsetzung11 niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und ihre Sachverständigen haben syste-
11 Amtliche Fußnote: ABl. L 123 vom 12.5.2016, S. 1.
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matisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind. (28) Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates12 ausgeübt werden. (29) Diese Verordnung sollte Vorrang vor den Bestimmungen bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte oder Vereinbarungen mit einem dieser Verordnung gleichen Anwendungsbereich haben, die Mitgliedstaaten geschlossen haben. Diese Verordnung hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, Übereinkünfte oder Vereinbarungen zur weiteren Vereinfachung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Beweisaufnahme beizubehalten oder zu schließen, sofern diese Übereinkünfte oder Vereinbarungen mit dieser Verordnung vereinbar sind. (30) Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass wirksame Mittel zur Erlangung, Sicherung und Vorlage von Beweisen zur Verfügung stehen und dass die Verteidigungsrechte respektiert und vertrauliche Informationen geschützt werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, den Einsatz moderner Technologie zu fördern. (31) Bei den Verfahren zur Aufnahme, Sicherung und Vorlage von Beweisen sollte gewährleistet werden, dass Verfahrensrechte, die Privatsphäre sowie die Integrität und die Vertraulichkeit personenbezogener Daten gemäß dem Unionsrecht und dem nationalen Recht gewahrt werden. (32) Es ist wichtig, sicherzustellen, dass diese Verordnung unter Einhaltung des Datenschutzrechts der Union angewandt wird und dass die Anwendung dieser Verordnung mit dem in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Schutz der Privatsphäre im Einklang steht. Ferner muss sichergestellt werden, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten natürlicher Personen im Rahmen dieser Verordnung gemäß der Verordnung (EU) 2016/679, der Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates13 sowie der Verordnung (EU) 2018/1725 erfolgt. Personenbezogene Daten sollten nur für die im Rahmen der vorliegenden Verordnung festgelegten besonderen Zwecke verarbeitet werden. (33) Nach den Nummern 22 und 23 der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13.4.2016 über bessere Rechtsetzung sollte die Kommission diese Verordnung auf der Grundlage der Informationen bewerten, die im Rahmen spezifischer Monitoring-Regelungen eingeholt werden, um die tatsächlichen Auswirkungen dieser Verordnung zu bewerten und zu prüfen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind. Erfassen Mitgliedstaaten Daten zur Zahl der übermittelten und erledigten Ersuchen und zur Zahl der Fälle, in denen die Übermittlung auf anderem Wege als über das dezentrale IT-System erfolgt ist, so sollten sie diese Daten für die Zwecke der Überwachung der Kommission bereitstellen. Die von der Kommission als Back-End-System entwickelte Referenzimplementierungssoftware sollte die für die Zwecke der Überwachung erforderlichen Daten durch entsprechende Programmierung erfassen, und diese Daten sollten der Kommission übermittelt werden. Wenn sich die Mitgliedstaaten für die Nutzung eines nationalen IT-Systems anstelle der durch die Kommission entwickelten Referenzimplementierungssoftware entscheiden, so kann dieses System so ausgerüstet sein, dass es diese Daten durch entsprechende Programmierung erfasst; in diesem Fall sollten die Daten der Kommission übermittelt werden. (34) Da die Ziele dieser Verordnung von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr aufgrund der Schaffung eines vereinfachten rechtlichen Rahmens, der die direkte, effiziente und schnelle Übermittlung von Ersuchen und Mitteilungen im Zusammenhang mit der Beweisaufnahme sicherstellt, auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten 12 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. L 55 vom 28.2.2011, S. 13). 13 Amtliche Fußnote: Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.7.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) (ABl. L 201 vom 31.7.2002, S. 37).
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Einl. EU-BewVO Einleitung Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. (35) Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde nach Artikel 42 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2018/1725 konsultiert und hat am 13.9.2019 eine Stellungnahme abgegeben.14 (36) Im Interesse einer besseren Übersicht und Verständlichkeit sollte die Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 aufgehoben und durch die vorliegende Verordnung ersetzt werden. (37) Nach Artikel 3 und Artikel 4a Absatz 1 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts hat Irland mitgeteilt, dass es sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchte. (38) Nach den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet – HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Einleitung 1
Die im Folgenden kommentierte EU-BewVO löst zum 1.7.2022 die bisher geltende EG-BewVO aus dem Jahre 2001 ab (zu den Neuerungen Rz. 6 ff.; zur verzögerten Anwendbarkeit des Art. 7 EUBewVO s. Art. 7 EU-BewVO Rz. 5). Mit der EG-BewVO war erstmals ein einheitliches Recht der internationalen Beweisaufnahme für die Mitgliedstaaten der EU (mit Ausnahme Dänemarks, s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 53, aber vor dem „Brexit“ noch einschließlich des Vereinigten Königreichs, s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 51) geschaffen worden (zum räumlichen Anwendungsbereich s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 51 ff.). Das HBÜ galt zurzeit des Inkrafttretens der EG-BewVO nur im Verhältnis zwischen elf Mitgliedstaaten. Es ist inhaltlich noch stark von herkömmlichen Souveränitätsvorstellungen geprägt, die für die Zusammenarbeit im europäischen Justizraum zunehmend als unpassend erschienen.1 Die wesentlichen Unterschiede zwischen dem HBÜ und der EG-BewVO lagen in der Zurückdrängung der Zuständigkeit der Zentralstellen (s. Art. 4 EU-BewVO Rz. 1) und in der Zulassung der unmittelbaren Beweisaufnahme durch das Prozessgericht im Ausland (s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 1) statt der im HBÜ vorgesehenen diplomatischen oder konsularischen Beweisaufnahme.2 Die jüngst erfolgte Revision hat jedoch neben der unmittelbaren Beweisaufnahme nach Art. 19 EU-BewVO eine neue Bestimmung zur diplomatischen oder konsularischen Beweisaufnahme geschaffen (s. Art. 21 EUBewVO Rz. 1 ff.). Zur Evaluation der praktischen Erfahrungen mit der EG-BewVO s. Art. 33 EUBewVO Rz. 1 ff. Zur im Jahre 2020 erfolgten Reform s. Rz. 6 ff.
2
Trotz der im Vergleich zum HBÜ erzielten Fortschritte orientiert sich die EU-BewVO, wie schon die EG-BewVO, in vielen Einzelfragen, insbesondere in den Art. 12–16 EU-BewVO, an dem Vorbild des HBÜ, wenngleich dessen Einfluss bereits in der Endfassung der EG-BewVO gegenüber dem ursprünglichen deutschen Verordnungsvorschlag abgeschwächt worden war.3 Für die Auslegung der EU-BewVO ist auf die bisherige Rechtspraxis zur EG-BewVO zu achten und grundsätzlich auch vergleichend die Handhabung des HBÜ heranzuziehen.4 Zu bedenken ist hierbei jedoch, dass die EU14 Amtliche Fußnote: ABl. C 370 vom 31.10.2019, S. 24. 1 Vgl. Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 150; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1283. 2 Näher zu den Unterschieden zwischen EG-BewVO und HBÜ Berger, IPRax 2001, 522; Freudenthal, NIPR 2002, 109 ff.; Sandrini in Ambrosi/Scarano, 2005, S. 215 ff.; Stadler, FS Geimer, 2002, 1281, 1282 ff.; Valdhans/ Sehnálek in van Rhee/Uzelac, 2015, S. 337 ff. 3 Näher zur Entstehungsgeschichte Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 3 ff.; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1286 ff. 4 Vgl. zur Auslegung des Art. 22 Abs. 2 EU-BewVO die Heranziehung der Entstehungsgeschichte des Art. 14 ´ ski vs. Mediatel 4B spólka z.o.o., Abs. 2 HBÜ in EuGH v. 17.2.2011 – C-283/09, ECLI:EU:C:2011:85 – Weryn
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Einleitung
Einl. EU-BewVO
BewVO autonom auszulegen ist (näher Art. 1 EU-BewVO Rz. 1) und dass selbst dem HBÜ und der EU-BewVO gemeinsame Begriffe wegen des abweichenden Normenumfeldes mitunter anders ausgelegt werden können bzw. müssen5 (s. z.B. Art. 1 EU-BewVO Rz. 44). Auch das autonome Zivilprozessrecht der Mitgliedstaaten bedarf zum Teil interpretatorischer Anpassungen, um ein möglichst reibungsloses Ineinandergreifen mit dem europäischen Recht der Beweisaufnahme zu gewährleisten6 (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 34, Art. 12 EU-BewVO Rz. 36 f.). Die EU-BewVO stellt eine Verordnung i.S.d. Art. 288 Abs. 2 AEUV dar, d.h. sie hat allgemeine Geltung, 3 ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt – vorbehaltlich abweichender Regelungen – unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (zu Dänemark, Großbritannien und Irland s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 51 ff.). An sich bedarf die EU-BewVO daher keines innerstaatlichen Umsetzungsaktes. Gleichwohl besteht in einigen Punkten, bei denen auf das mitgliedstaatliche Recht verwiesen wird, ein Gestaltungsspielraum für den autonomen Gesetzgeber (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 13, Art. 1 EU-BewVO Rz. 29, Art. 3 EUBewVO Rz. 7, Art. 4 EU-BewVO Rz. 11, Art. 6 EU-BewVO Rz. 2, Art. 13 EU-BewVO Rz. 14, Art. 14 EU-BewVO Rz. 4, 6, Art. 19 EU-BewVO Rz. 16). Der deutsche Gesetzgeber hat deshalb im Jahre 2003 das Gesetz zur Durchführung gemeinschaftlicher Vorschriften über die grenzüberschreitende Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten verabschiedet (EG-BewDG),7 mit dem ein neues elftes Buch der ZPO zur Regelung der justiziellen Zusammenarbeit innerhalb der EU geschaffen wurde (§§ 1067–1075 ZPO). Hierdurch sollten die autonomen Vorschriften zur Ergänzung der EG-ZustVO und der EG-BewVO übersichtlicher und anwendungsfreundlicher gefasst werden. Das Durchführungsgesetz ist zeitgleich mit der Verordnung am 1.1.2004 in Kraft getreten (Art. 2 EG-BewDG). Die §§ 1067–1075 ZPO bedürfen im Hinblick auf die im Jahre 2020 erfolgte Revision der Verordnung der Anpassung bis zum 1.7.2022. Mit der Vorlage eines entsprechenden Referentenentwurfs ist dem Vernehmen nach bis Ende 2021 zu rechnen. Da es sich bei der Rechtshilfe im Rahmen der EU-BewVO um Tätigkeiten der Justizverwaltung handelt,8 sind in der Praxis ferner die in der Rechtshilfeordnung für Zivilsachen (ZRHO) für den Bund und die Länder vereinheitlichten Verwaltungsvorschriften zu beachten.9 Auch diese Vorgaben sind bereits im Zuge des Inkrafttretens der EG-BewVO reformiert worden (§§ 55–63, 127–136 ZRHO)10 und bedürfen noch einer Abstimmung mit den im Jahre 2020 vollzogenen Reformschritten. Aufgrund des Anwendungsvorrangs der EU-BewVO gegenüber bloßen Verwaltungsvorschriften können die Vorschriften der ZRHO im Einzelfall einschränkend ausgelegt werden.11
4
Die Abkürzung „EU-BewVO“ ist – ebenso wie „EuBVO“, „EuBeweisVO“ usw – nicht amtlich.12
5
Nachdem die EG-BewVO 2017 bereits zum dritten Mal eingehend evaluiert worden war (s. Art. 33 EU-BewVO Rz. 6), legte die Kommission am 31.5.2018 einen Vorschlag für eine Reform der Verordnung vor.13 Hierzu gaben der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss,14 der deutsche Bundes-
6
5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
EuGHE 2011 I 601 Rz. 66 ff.; Galicˇ, ERA Forum 2017, 213, 214; zur Berücksichtigung der Staatenpraxis zu Art. 17 Abs. 2 HBÜ auch im Rahmen des Art. 19 EU-BewVO Lindacher, FS Pekcanitez, 2014, S. 231, 236; allgemein Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 8; Labonté/Rohrbeck, IWRZ 2021, 99, 100; Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 80. Ebenso Bonatti, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 211, 215 f.; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 675. Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 150; Stadler, ZZP 115 (2002), 515, 519 f.; Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 5; zum italienischen Recht eingehend Romano, Riv. dir. proc. 2005, 221 ff. BGBl. 2003 I 2166. Zur dogmatischen Einordnung der Rechtshilfe Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 60 f.; zur historischen Entwicklung der internationalen Rechtshilfe s. Knöfel, ZfRV 2008, 273. Die ZRHO ist u.a. abgedruckt bei Geimer/Schütze, Bd. VI Nr. 900, darin ZRHO Stand April 2021. Eine fortlaufend aktualisierte Fassung findet sich im Internet unter http://www.ir-online.nrw.de/index2.jsp#inhalt (abgerufen am 27.10.2021); s. auch Weinbörner, IPRax 2008, 486. Hierzu Jastrow, IPRax 2004, 11, 13. Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 16; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor §§ 1072 ff. Rz. 11. Kieninger, ZEuP 2009, 224; Klauser, Vorbem. 1. COM (2018) 378 final; hierzu Jansen, NIPR 2019, 753, 764 ff.; Knöfel, RIW 2018, 712 ff.; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 105 ff. Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme INT/867, ABl. EU 2019 C 62/56.
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Einl. EU-BewVO Einleitung rat,15 die Bundesrechtsanwaltskammer16 und der Deutsche Anwaltverein17 Stellungnahmen ab, auf die jeweils im Kontext der vollzogenen Änderungen eingegangen wird.18 Auf Grundlage eines Berichts des Rechtsausschusses vom 19.12.201819 nahm das Europäische Parlament in erster Lesung am 13.2.2019 einen Beschluss an.20 Nach einer Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten21 nahm der Rat Ende 2019 eine Allgemeine Ausrichtung an.22 Nach weiterer redaktioneller Ausarbeitung,23 insbesondere im Hinblick auf die Anhänge, wurde die Neufassung der Verordnung schließlich am 25.11.2020 angenommen. 7
Die Reform der EU-BewVO verfolgt insbesondere den Zweck, den Einsatz moderner Technologien bei der grenzüberschreitenden Beweisaufnahme zu verbessern. Hierdurch sollen Verzögerungen vermieden und die Kosten für Bürger, Unternehmen und Mitgliedstaaten gesenkt werden (s. Rz. 8). Zweitens sollen die rechtliche Komplexität verringert und Unklarheiten in der praktischen Handhabung der Verordnung beseitigt werden (s. Rz. 9). Drittens werden allfällige regelungstechnische Anpassungen vorgenommen (s. Rz. 10).
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Der Modernisierung der Verordnung im Hinblick auf den technologischen Fortschritt dienen die folgenden Maßnahmen: Erstens wird die Übermittlung der Ersuchen und der sonstigen Mitteilungen nach Art. 7 EU-BewVO der technischen Entwicklung angepasst, d.h. es sollen die Vorteile der Digitalisierung besser genutzt werden. Die Kommunikation und der Austausch von Schriftstücken sollen künftig standardmäßig auf elektronischem Weg erfolgen (s. Art. 7 EU-BewVO Rz. 1 ff.). Zweitens soll die Revision der Verordnung den Gebrauch moderner Mittel der Beweisaufnahme wie Videokonferenzen fördern. Mit einem neuen Art. 20 EU-BewVO soll eine häufigere und raschere Nutzung der unmittelbaren Beweisaufnahme gewährleistet werden, wenn eine Person, die sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, als Zeuge, Sachverständiger oder Partei gehört wird (s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 12; Art. 20 EU-BewVO Rz. 1 ff.). Die grenzüberschreitende unmittelbare Beweisaufnahme sollte nach dem Kommissionsvorschlag auch dadurch erleichtert werden, dass künftig auf das bisher in Art. 17 Abs. 2 EG-BewVO enthaltene Freiwilligkeitserfordernis verzichtet würde;24 dieser Vorstoß wurde aber nicht verwirklicht (s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 19). Drittens sollen rechtliche Hindernisse für die Zulassung elektronischer (digitaler) Beweismittel beseitigt werden.25 In einem neuen Art. 8 EU-BewVO ist daher die Rechtswirkung elektronischer Schriftstücke geregelt (s. Art. 8 EU-BewVO Rz. 1 ff.).
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Der Schaffung größerer Rechtssicherheit dienen insbesondere zwei Änderungen: Erstens sieht der Vorschlag in einem neuen Art. 2 EU-BewVO eine Legaldefinition des Begriffs „Gericht“ vor, der in der EG-BewVO noch nicht näher präzisiert worden war (s. Art. 2 EU-BewVO Rz. 1 ff.). Zweitens ist die schon zuvor vielfach praktizierte, aber hinsichtlich der Rechtsgrundlage umstrittene Möglichkeit 15 16 17 18 19 20 21 22 23
24 25
BR-Drucks. 339/18. BRAK-Stellungnahme Nr. 29/2018. DAV-Stellungnahme Nr. 53/2018. Zum Fortgang des Verordnungsgebungsverfahrens s. auch Knöfel, RIW 2018, 712, 713; Knöfel, RIW 2021, 247; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 108 ff. Bericht des Rechtsausschusses des Europäischen Parlaments vom 19.12.2018, abrufbar unter https://www.euro parl.europa.eu/doceo/document/A-8-2018-0477_EN.html. Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 13.2.2019, abrufbar unter https://www.europarl.europa.eu/ doceo/document/TA-8-2019-0103_DE.html. Stellungnahme Nr. 5/2019 des Europäischen Datenschutzbeauftragten vom 13.9.2019, abrufbar unter https:// edps.europa.eu/sites/default/files/publication/19-09-13_opinion_service_doc_taking_evidence_civil_matters_ de.pdf. Europäischer Rat, Allgemeine Ausrichtung vom 28.11.2019, abrufbar unter https://data.consilium.europa.eu/ doc/document/ST-14601-2019-INIT/de/pdf. S. hierzu den Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 4.11.2020, abrufbar unter https://data.consilium.euro pa.eu/doc/document/ST-9889-2020-REV-2/de/pdf; Europäisches Parlament, Rechtsausschuss, Empfehlung vom 18.11.2020 zu dem Standpunkt des Rates in erster Lesung, abrufbar unter https://www.europarl.europa. eu/doceo/document/A-9-2020-0225_DE.html; Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 23.11.2020, abrufbar unter https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2020-0308_DE.html. COM(2018) 378 final, S. 14. Zur bisherigen Nutzung elektronischer Beweismittel näher Junker, Electronic Discovery; Mason, Comp & Telecom L Rev 18 (2012), 23 ff.; Thole/Gnauck, RIW 2012, 417 ff. (vornehmlich zum Verhältnis zu den USA).
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-BewVO
der Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter in einem neuen Art. 21 EUBewVO eigenständig auf unionsrechtlicher Ebene geregelt worden (s. Art. 21 EU-BewVO Rz. 1 ff.). Schließlich sind regelungstechnische Anpassungen und Maßnahmen zur Verbesserung der Rechts- 10 setzung vorgenommen worden. Zur Änderung der Standardformblätter in den Anhängen oder ihrer Aktualisierung sind der Kommission die entsprechenden Befugnisse gem. Art. 290 AEUV übertragen worden (s. Art. 24 EU-BewVO Rz. 1). Ferner ist auf Grundlage des neuen Art. 32 EU-BewVO ein dauerhaftes Monitoring-System eingerichtet worden (s. Art. 33 EU-BewVO Rz. 7).
Kapitel I Allgemeine Bestimmungen (Art. 1–Art. 4)
Artikel 1 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt in Zivil- oder Handelssachen, in denen das Gericht eines Mitgliedstaats nach seinem innerstaatlichen Recht a) das zuständige Gericht eines anderen Mitgliedstaats um Beweisaufnahme ersucht oder b) darum ersucht, in einem anderen Mitgliedstaat unmittelbar Beweis erheben zu dürfen. (2) Um Beweisaufnahme darf nicht ersucht werden, wenn die Beweise nicht zur Verwendung in einem bereits eingeleiteten oder einem gerichtlichen Verfahren bestimmt sind, dessen Eröffnung geprüft wird. I. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . 1. Zivil- oder Handelssachen . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die einzelnen Materien . . . . . . . . . . 2. Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Verhältnis der EU-BewVO zum innerstaatlichen Recht . . . . . . . . . . . . a) Extraterritoriale Beweisanordnungen . . (1) Grundsatz: Keine Exklusivität der EU-BewVO . . . . . . . . . . . . . . . (2) Autonome Qualifikation eines Vorgehens als unmittelbare Beweisaufnahme im Ausland . . . . . . . . . (3) Die Beweismittel im Einzelnen . . . . aa) Zeugenbefragung . . . . . . . . . bb) Sachverständige . . . . . . . . . . cc) Augenschein . . . . . . . . . . . dd) Vorlage von Urkunden . . . . . ee) Parteivernehmung und -anhörung . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidung zwischen den unterschiedlichen Formen der internationalen Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vorrang des Rechtshilfeweges . . . . (3) Priorität der Beweisbeschaffung . . . (4) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . .
. . . . .
1 1 1 3 6
. 13 . 13 . 13 . . . . . .
14 15 15 20 21 26
. 27 . . . . .
28 28 32 33 34
5. Verwendungszweck für die Beweise . . . . . a) Eingeleitetes gerichtliches Verfahren . . . . b) Beweisermittlung vor dem Hauptverfahren (discovery und disclosure) . . . . . . . (1) Verhältnis von Art. 1 Abs. 2 EUBewVO zur Protokollerklärung 54/01 . (2) Discovery, Disclosure und ähnliche Vorlagepflichten . . . . . . . . . . . . . aa) Standard disclosure . . . . . . . . bb) Vorlage nur mittelbar beweisrelevanter Dokumente . . . . . . . cc) Offenlegung von Beweismitteln vor Klageerhebung . . . . . . . . . c) Beweissicherungsverfahren . . . . . . . . . (1) Das selbstständige Beweisverfahren im Inland bei inländischer Zuständigkeit in der Hauptsache, aber im Ausland belegenen Beweismitteln . . . (2) Das selbstständige Beweisverfahren im Inland bei ausländischer Zuständigkeit in der Hauptsache, aber im Inland belegenen Beweismitteln . . . . (3) Das selbstständige Beweisverfahren im Ausland bei im Ausland belegenen Beweismitteln, aber inländischer Zuständigkeit in der Hauptsache . . . d) Verwendung in weiteren Verfahren . . . . .
35 35 36 36 40 40 43 45 46
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48
49 50
II. Räumlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . 51
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich
I. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Zivil- oder Handelssachen a) Allgemeines 1
Die Umschreibung des sachlichen Anwendungsbereichs durch den Begriff „Zivil- oder Handelssachen“ lehnt sich an Art. 1 Brüssel Ia-VO, Art. 1 EU-ZustVO und Art. 1 Abs. 1 HBÜ an. Die zu diesen Vorschriften ergangene Rechtsprechung und verfasste Literatur können zur Auslegung herangezogen werden;1 zum HBÜ beachte Einl. EU-BewVO Rz. 2. Ebenso wie im Rahmen von Brüssel Ia-VO und EU-ZustVO ist der Begriff der Zivil- oder Handelssachen autonom auszulegen,2 d.h. weder das Recht des ersuchenden noch das des ersuchten Staates sind maßgebend, sondern die gemeinsame, letztlich vom EuGH anhand von Sinn und Zweck der Verordnung zu ermittelnde europäische Rechtsauffassung entscheidet.3 Für die Ursprungsfassung der EG-BewVO war eine Vorlage an den EuGH bis zum 1.12.2009 nur unter den ggü. Art. 234 EGV restriktiveren Voraussetzungen des Art. 68 EGV möglich (Rechtswegerschöpfung).4 Seit dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages am 1.12.2009 galt jedoch bereits für die EG-BewVO – wie auch für alle anderen Rechtsakte der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen – das allgemeine Verfahren nach Art. 267 AEUV (ex-Art. 234 EGV), das auch für die heutige Fassung der EU-BewVO maßgebend ist. Auch ein AG kann daher gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorlage einer die EU-BewVO betreffenden Frage verpflichtet sein, wenn seine Entscheidung, z.B. im Adoptionsanerkennungsverfahren, nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden kann.5
2
Für das Vorliegen einer Zivil- oder Handelssache ist aus Gründen des Entscheidungseinklangs ebenso wie nach der Brüssel Ia-VO die materiell-rechtliche Natur der Rechtssache, nicht die Art der Gerichtsbarkeit entscheidend, auch wenn die EU-BewVO anders als die Brüssel Ia-VO keine Klarstellung dieser Frage enthält (vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 1 HS 2 Brüssel Ia-VO).6 Auch nach Art. 1 HBÜ und § 2 Abs. 1 S. 4 ZRHO kommt es auf das streitige materielle Rechtsverhältnis, nicht auf den Gerichtszweig, in dem über die Sache verhandelt wird, an.7 Jedoch muss es sich bei dem ersuchenden Organ stets um ein „Gericht“ i.S.d. Art. 2 Nr. 1 EU-BewVO handeln (s. Art. 2 EU-BewVO Rz. 1 ff.). b) Die einzelnen Materien
3
Von der Anwendung ausgeschlossen sind insbesondere Steuer- und Zollsachen8 sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten,9 einschließlich der Staatshaftung für hoheitliches Handeln, auch soweit 1 S. Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 1 ff. und Heiderhoff in Rauscher, EuZPR/EuIPR (4. Aufl. 2015) Art. 1 EG-ZustVO Rz. 1 ff. 2 Alio, NJW 2004, 2706; Berger, IPRax 2001, 522; Betetto, EuLF 2006, I-137, I-138; Kreuzer/Wagner/Häcker in Dauses/Ludwigs, Rz. Q III 33; Frigo/Fumagalli, S. 162 f.; Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 331; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 18; Hess, EuZPR, Rz. 8.38; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 151; Klauser, S. 1; Klötgen in Kengyel/Rechberger, 2007, S. 87, 90; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 223; Müller, S. 92; Musge in Rat der Europäischen Union, 2004, S. 205, 207; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EG-BewVO Rz. 1; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 675 f.; Tsikrikas, FS Simotta, 2012, S. 635, 636; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 1; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 7. 3 Einschränkend aber Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 2. 4 Krit. hierzu Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 673. 5 BVerfG v. 14.9.2015 – 1 BvR 1321/13, IPRax 2016, 367 Rz. 35; näher Hüßtege, IPRax 2016, 327 f. 6 Ebenso Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 5; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 4; Valdhans/Sehnálek in van Rhee/Uzelac, 2015, S. 337, 354. 7 Zum HBÜ Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 1 HBÜ Rz. 6; Berger in Stein/Jonas, Anh. A zu § 363 Art. 1 HBÜ Rz. 16; Ewald Geimer, S. 67. 8 Ebenso Fucik in Fasching/Konecny, Art. 1 EG-BewVO Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 1; Valdhans/Sehnálek in van Rhee/Uzelac, 2015, S. 337, 349; a.A. Besso in Nuyts/Watté, 2005, S. 365, 376; Besso, Int. J. Proc. L. 2012, 68, 75; Jorde/Verfürth, DB 2014, 563, 566; anders noch zu Art. 1 HBÜ auch das House of Lords, in re State of Norway’s Application [1989] 1 All ER 745, hierzu kritisch Schack, IZVR, Rz. 865; wie hier aber zu Art. 1 EuGVÜ der Court of Appeal, QRS 1 ApS and others v. Frandsen [1999] 1 WLR 2109; zu Steuerund Zollforderungen im IZPR näher Basedow/von Hein/Janzen/Puttfarken, YB PIL 6 (2004), 1 ff. m.w.N. 9 Für Verwaltungssachen s. das Europäische Übereinkommen über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland vom 15.3.1978, BGBl. 1981 II 550.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-BewVO
sie vor Zivilgerichten geltend zu machen ist10 (s. auch Art. 16 EU-BewVO Rz. 18). Diese Abgrenzung ist vor allem im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten aus dem Rechtskreis des common law wichtig.11 Zwar enthält die EU-BewVO anders als die Brüssel Ia-VO keine Vorschrift, die diese Materien ausdrücklich ausnimmt. Art. 1 Abs. 1 S. 2 Brüssel Ia-VO hat jedoch nur klarstellende Bedeutung (arg. „insbesondere“), so dass aus dem Fehlen einer Parallelnorm kein Umkehrschluss gezogen werden darf.12 Zu beachten ist indes, dass die in Art. 1 Abs. 2 Brüssel Ia-VO enthaltenen echten Ausnahmen (a: Fa- 4 milienrecht, b: Insolvenzrecht, c: Sozialrecht, d: Schiedsgerichtsbarkeit, e: Unterhaltsrecht, f: Erbrecht) nicht in Art. 1 EU-BewVO wiederholt werden (ebenso Art. 1 EU-ZustVO). Daraus wird a contrario gefolgert, auch diese Bereiche unterfielen der EU-BewVO.13 Die Einbeziehung dieser Materien in die EU-BewVO bedarf jedoch autonomer Auslegung im Einzelfall.14 Die Subsumtion des Familien- und Erbrechts unter den Begriff der Zivilsachen wirft keine besonderen Probleme auf;15 fraglich kann auf dem Gebiet der Freiwilligen Gerichtsbarkeit allenfalls die Qualifikation des ersuchenden Organs als „Gericht“ i.S.d. des Art. 2 Nr. 1 EU-BewVO sein (s. Art. 2 EU-BewVO Rz. 7). Die EU-BewVO berührt aber nicht den möglichen Austausch von Informationen zwischen Behörden im Rahmen der Systeme, die in der Brüssel IIa-VO und der EG-UntVO festgelegt sind, selbst wenn diese Informationen Beweiskraft haben;16 die ersuchende Behörde hat also die Option, die jeweils am besten geeignete Methode zu wählen.17 Insolvenzrechtliche Streitigkeiten sind i.d.R. zivilrechtlicher Natur.18 An eine öffentlich-rechtliche Qualifikation ist z.B. bei finanzaufsichtsrechtlichen Sonderverfahren zu denken. Schwieriger sind die Abgrenzungsfragen bei der sozialen Sicherheit. Auch bei autonomer Auslegung müssen zumindest diejenigen sozialrechtlichen Streitigkeiten, die direkt zwischen einem Sozialversicherungsträger und dem Prätendenten bzw. Leistungsempfänger ausgetragen werden, als öffentlichrechtlich qualifiziert werden.19 Beim Unterhaltsregress der öffentlichen Hand gegen den Unterhaltsverpflichteten handelt es sich hingegen um eine zivilrechtliche Streitigkeit.20 Ob die EU-BewVO im 10 Ebenso Fucik in Fasching/Konecny, Art. 1 EG-BewVO Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EGBewVO Rz. 1; vgl. zu Art. 1 EuGVÜ EuGH v. 15.2.2007 – C-292/05, ECLI:EU:C:2007:102 – Lechouritou vs. Dimosio tis Omospondiakis Dimokratias tis Germanias, EuGHE 2007 I 1519; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 14; Knöfel, EuZW 2008, 267 f. 11 Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 223; Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 86; zum Verhältnis von privatem und öffentlichem Recht im Common Law statt vieler Oliver, Rev. dr. int. dr. comp. 2001, 327. 12 A.A. Besso in Nuyts/Watté, 2005, S. 365, 376; Besso, Int. J. Proc. L. 2012, 68, 75; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 12; Knöfel, EuZW 2008, 267. 13 Freudenthal, NIPR 2002, 109, 114; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 19; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 35; Leipold, FS Schlechtriem, 2003, S. 91, 93; Schmidt, Rz. 336; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 676; grundsätzlich auch Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 332; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 8; s. auch Bruneau, JClP (G) 2001, I 349, p 1771 Fn. 25. 14 Mit diesem Vorbehalt auch Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 332 Fn. 15. 15 Vgl. z.B. zum Adoptionsrecht BVerfG v. 14.9.2015 – 1 BvR 1321/13, IPRax 2016, 367; s. im Kontext der Brüssel IIa-VO EuGH v. 22.12.2010 – C-491/10 PPU, ECLI:EU:C:2010:828 – Aguirre Zaraga vs. Pelz, EuGHE 2010 I 14247 Rz. 67; zum Erbrecht OGH v. 6.10.2016 – 2 Nc 15/16b, abrufbar unter https://ris.bka.gv.at; ferner Betetto, EuLF 2006, I-137, I-142; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor §§ 1072 ff. Rz. 3; Wieczorek in Wieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 2; vgl. aus der Praxis auch das DIJuF-Rechtsgutachten v. 2.5.2011 – Ab 4.140 An, JAmt 2011, 260. 16 COM (2018) 378 final S. 3; Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme INT/867, ABl. EU 2019 C 62/56, Rz. 3.2.6. 17 COM (2018) 378 final S. 3; Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme INT/867, ABl. EU 2019 C 62/56, Rz. 3.2.6. 18 Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 11; Leipold, FS Schlechtriem, 2003, S. 91, 93; Musger in Rat der Europäischen Union, 2004, S. 205, 207; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 2; ohne weiteres geht BGH v. 14.7.2011 – IX Z.B. 207/10, ZinsO 2011, 1499, 1450 von der Anwendbarkeit der EG-BewVO vor dem Insolvenzgericht aus. 19 Ebenso Fucik in Fasching/Konecny, Art. 1 EG-Bew-VO Rz. 4; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 20; weitergehend Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 2; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EGBewVO Rz. 16. 20 Vgl. zum EuGVÜ EuGH v. 14.11.2002 – C-271/00, ECLI:EU:C:2002:656 – Gemeente Steenbergen vs. Luc Baten, EuGHE 2002 I 10489; wie hier Fucik in Fasching/Konecny/Fucik, Art. 1 EG-BewVO Rz. 4; Huber in Gebauer/ Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 20.
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar ist, wenn es um die Erstattung von Therapiekosten durch eine gesetzliche Krankenkasse geht, hat das BSG offengelassen.21 Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, müsse ein Sozialgericht dem Antrag auf Anhörung eines im Ausland wohnhaften Arztes jedenfalls dann entsprechen, wenn besondere Gründe für die Auswahl gerade eines solchen Arztes vorlägen.22 Individualarbeitsrechtliche Streitigkeiten sind i.S.d. des Art. 1 Abs. 1 EU-BewVO zivilrechtlicher Natur.23 Auch insoweit kann man sich an den zu Art. 1 Abs. 2 lit. c Brüssel Ia-VO entwickelten Fallgruppen orientieren.24 Anders als nach Art. 1 Abs. 2 lit. d Brüssel Ia-VO werden auch gerichtliche Verfahren, die einem Schiedsverfahren dienen sollen,25 als Zivil- oder Handelssachen von der EUBewVO erfasst,26 s. Art. 2 EU-BewVO Rz. 8. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass die EU-BewVO – ebenso wie das HBÜ und die Brüssel Ia-VO – auch zivilrechtliche Streitigkeiten in Kartellsachen einbezieht (s. aber Art. 2 EU-BewVO Rz. 5).27 Die EU-BewVO gilt auch auf dem Gebiet des geistigen Eigentums, da die Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (DurchsetzungsRL) sich allein auf die Harmonisierung des innerstaatlichen Rechts bezieht, aber keine Vorgaben für die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen macht.28 Die EU-BewVO ist schließlich auch bei geringfügigen Forderungen anwendbar; die EG-BagatellVO29 enthält aber in Art. 9 EG-BagatellVO spezifische Bestimmungen über die Art der zulässigen Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme.30 5
In Strafsachen ist die Anwendung der EU-BewVO ausgeschlossen.31 Jedoch kommt eine Heranziehung der EU-BewVO im Rahmen eines Adhäsionsverfahrens in Betracht, da die materiell-rechtliche Natur der Rechtssache, nicht die Art der Gerichtsbarkeit entscheidet (s. Rz. 2).32 Wird in demselben Ersuchen sowohl um Rechtshilfe für ein Straf- als auch für das damit verbundene Adhäsionsverfahren gebeten, empfiehlt es sich, aus Gründen der Prozessökonomie und nach dem Grundsatz, dass Nebensächliches der Hauptsache folgt,33 der Rechtshilfe in Strafsachen den Vorrang zuzuerkennen und eine 21 BSG v. 20.4.2010 – B 1/3 KR 22/08 R – „Kuba-Therapie“, BSGE 106, 81, 86; vgl. auch zum HBÜ Möhlenbruch, NZS 2011, 417, 419 f. 22 BSG v. 20.4.2010 – B 1/3 KR 22/08 R, BSGE 106, 81, 86. 23 Vgl. z.B. BAG v. 17.3.2016 – 2 AZR 110/15, juris Rz. 25 = IPRspr. 2016 Nr. 273 (Ls). 24 Ausführlich Kropholler/von Hein, Art. 1 Brüssel I-VO Rz. 38–40; zu den Auswirkungen der EG-BewVO auf den Beweiswert von ausländischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen Subatzus, DB 2004, 1613. 25 S. die Beispiele bei Kropholler/von Hein, Art. 1 Brüssel I-VO Rz. 43. 26 High Court of Justice v. 11.4.2013 – National Grid Electricity Transmission plc vs. ABB Limited and others, [2013] EWHC 822 (Ch.); Berger, IPRax 2001, 522, 523 (zu § 1050 ZPO); Freudenthal, NIPR 2002, 109, 114; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 11; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 1; a.A. Schmidt, Rz. 336; wohl auch Gioia, Nuove leggi civ. comm. 2001, 1159, 1171. 27 So ausdrücklich Erwägungsgrund 17 und Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 der RL 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.11.2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach einzelstaatlichem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl. EU 2014 L 349/1; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 223; Valdhans/ Sehnálek in van Rhee/Uzelac, 2015, S. 337, 349; zum HBÜ Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 39; zur Brüssel I-VO Kropholler/von Hein, Art. 1 Brüssel I-VO Rz. 15. 28 So ausdrücklich Erwägungsgrund Nr. 11 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vom 29.4.2004, ABl. EU 2004 L 157/45; hierzu näher GA Kokott, Schlussanträge in C-175/06 – Alessandro Tedesco/Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd. EuLF 2008, I-42, I-47 ff. Rz. 46 ff.; Adolphsen in Marauhn, 2007, S. 1, 13 ff.; Heinze, Einstweiliger Rechtsschutz, S. 106 ff.; Heinze, ZEuP 2009, 282, 289; McGuire, GRUR-Int. 2005, 15, 17; Ubertazzi, GRUR-Int. 2008, 807, 813 ff. 29 VO Nr. 861/2007, ABl. EU 2007 L 199/1, geändert durch VO Nr. 2015/2421, ABl. EU 2015 L 341/1. 30 Näher Varga in Rauscher, EuZPR/EuIPR Art. 9 EG-BagatellVO Rz. 1 ff.; Kropholler/von Hein, Art. 9 EuGFVO Rz. 1 ff.; zur Digitalisierung des Europäischen Bagatellverfahrens näher Ont,anu in v. Hein/Kruger, 2021, S. 483 ff. 31 Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 331; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 21; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 223; Olivier, Gaz.Pal.Doctr. 2002, 1302, 1303. 32 Betetto, EuLF 2006, I-137, I-142; Fucik in Fasching/Konecny, Art. 1 EG-BewVO Rz. 4; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 6; Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 82 f.; Sandrini in Ambrosi/Scarano, 2005, S. 215, 217; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 1; vgl. zur Praxis nach dem HBÜ Gioia, Nuove leggi civ. comm. 2001, 1159, 1169. 33 Vgl. EuGH v. 15.1.1987 – C-266/85, ECLI:EU:C:1987:11 – Shenavai vs. Kreischer, EuGHE 1987, 239, 256 Rz. 19 (zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ).
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-BewVO
Aufspaltung des Ersuchens zu vermeiden.34 Zur Weiterverwendung von nach der EU-BewVO erlangten Informationen in einem Strafverfahren s. Art. 30 EU-BewVO Rz. 2. 2. Beweisaufnahme Die EU-BewVO erfasst die sog. aktive Rechtshilfe (Ersuchen um Durchführung der Beweisaufnahme durch ein ausländisches Gericht, Art. 1 Abs. 1 lit. a EU-BewVO) und die sog. passive Rechtshilfe, d.h. die Genehmigung der Durchführung einer unmittelbaren Beweisaufnahme im Ausland durch das inländische Gericht (Art. 1 Abs. 1 lit. b EU-BewVO). Einzelheiten regeln die Art. 12–18 EUBewVO (aktive Rechtshilfe) bzw. Art. 19–20 EU-BewVO (unmittelbare Beweisaufnahme). Die diplomatische oder konsularische Beweisaufnahme gem. Art. 21 EU-BewVO ist ein Sonderfall der unmittelbaren Beweisaufnahme i.S. des Art. 1 Abs. 1 lit. b EU-BewVO (s. Art. 21 EU-BewVO Rz. 1 f.). Der Begriff der Beweisaufnahme ist wie die Verordnung im Allgemeinen (s. Rz. 1) autonom auszulegen.35 Die in Art. 7 Durchsetzungs-RL (s. Rz. 4) enthaltene Definition von Beweissicherungsmaßnahmen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums kann zur Konkretisierung auch der Beweisaufnahme i.S.d. EU-BewVO herangezogen werden.36 Gewisse Anhaltspunkte für ein europäisch-autonomes Begriffsverständnis können auch die Vorschriften über die Beweisaufnahme in der EuGH-Satzung und der EuGH-Verfahrensordnung liefern (s. Art. 2 EU-BewVO Rz. 9).37 Hingegen werden weder Fragen der Beweislast, die der kollisionsrechtlich (z.B. nach Art. 18 Rom I-VO) berufenen lex causae unterliegen,38 noch Fragen des Beweismaßes durch die EU-BewVO geregelt.39 Abgesehen von Art. 8 EUBewVO, der die Rechtswirkung elektronischer Schriftstücke betrifft (s. Art. 8 EU-BewVO Rz. 1 ff.), enthält die EU-BewVO keine Bestimmungen darüber, ob und wie das Prozessgericht Beweise verwerten kann und darf, die es im Wege der Rechtshilfe gewonnen hat; dies unterliegt grundsätzlich allein der lex fori (s. insbesondere § 369 ZPO).40
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Im Gegensatz zu Art. 1 Abs. 1 HBÜ und auch noch Art. 1 Abs. 1 des deutschen EG-BewVO-Vorschlags wird die Vornahme „anderer gerichtlicher Handlungen“ von der EU-BewVO nicht explizit erfasst.41 Unter „anderen gerichtlichen Handlungen“ i.S.d. Art. 1 Abs. 1 HBÜ werden im Umkehrschluss aus Art. 1 Abs. 3 HBÜ alle zur Förderung eines Gerichtsverfahrens geeigneten Maßnahmen verstanden, bei denen es sich nicht um die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke – dann gilt die EU-ZustVO –, um Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes („Sicherung“, zum Verhältnis der
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34 Ebenso zu § 2 Abs. 1 ZRHO Geimer/Schütze, ZRHO Anm. 11, einschlägig ist vor allem das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.4.1959, BGBl. 1964 II 1369, 1386; 1976 II 1799; 1995 II 736 i.V.m. dem Zusatzprotokoll vom 17.3.1978, BGBl. 1991 II 909, das zunehmend durch EU-Instrumente (Schengen) ergänzt wird; hierzu und zu weiteren relevanten Rechtsquellen Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Auflage 2019, Einl. Rz. 215 ff.; Überblick (Stand Mai 2002) bei Schomburg, NJW 2002, 1629 ff. 35 GA Kokott Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-46 ff. Rz. 40 ff.; Adolphsen in Marauhn, 2007, S. 1, 9; Betetto, EuLF 2006, I-137, I-138; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 36; Heinze, IPRax 2008, 480, 481; Hess, EuZPR, Rz. 8.38; Janal, § 15 Rz. 6; Ubertazzi, GRUR-Int. 2008, 807, 810 ff.; für Gleichlauf mit Art. 1 HBÜ hingegen Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 224. 36 GA Kokott Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-47 ff. Rz. 46 ff.; Adolphsen in Marauhn, S. 1, 13 ff.; Heinze, Einstweiliger Rechtsschutz, S. 106 ff.; Ubertazzi, GRUR-Int. 2008, 807, 813 ff. 37 Ebenso Betetto, EuLF 2006, I-137, I-138. 38 Kreuzer/Wagner/Häcker in Dauses/Ludwigs, Rz. Q III 52; näher Bücken, Internationales Beweisrecht im Europäischen internationalen Schuldrecht; von Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2016) Art. 18 Rom I-VO Rz. 1 ff. 39 Kreuzer/Wagner/Häcker in Dauses/Ludwigs, Rz. Q III 53; Hau, FS Prütting, 2018, S. 325, 328; ausführlich hierzu Berger-Steiner, ZBernJV 2008, 269 ff.; Brinkmann, Das Beweismaß im Zivilprozess aus rechtsvergleichender Sicht. 40 Krit. zur mangelnden Harmonisierung des Beweisverfahrensrechts McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 5. 41 Hierzu GA Kokott Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-50 Rz. 79; Freudenthal, NIPR 2002, 109, 114; Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 332; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 152; Jayme, FS Geimer, 2002, S. 375, 378 f.; Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501, 503 f.; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EGBewVO Rz. 5; Schulze, IPRax 2001, 527, 529; Valdhans/Sehnálek in van Rhee/Uzelac, 2015, S. 337, 354 f.
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich EU-BewVO zu Art. 35 Brüssel Ia-VO s. Rz. 46) oder um Vollstreckungsmaßnahmen handelt (dann Art. 39 ff. Brüssel Ia-VO).42 Beispielsfälle:43 die Vornahme eines Güteversuchs oder Sühnetermins,44 Anhörung der Parteien und Entgegennahme von Parteierklärungen, öffentliche Bekanntgaben gerichtlicher Mitteilungen, Ersuchen um eine Auskunft einer Behörde oder um Aktenübersendung45 usw. Des Weiteren soll die informatorische (uneidliche) Befragung einer zeugnisunfähigen Person, wie sie z.B. in Art. 205 (2) des französischen cpc vorgesehen ist, als eine „andere gerichtliche Handlung“ anzusehen sein;46 ebenso die Abnahme des zugeschobenen Eides (Art. 317 cpc47) oder die Parteivernehmung.48 Ferner wird die Vollstreckungshilfe bei der Verschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland ins Inland, z.B. bei der Entnahme einer Blutprobe zur Feststellung der Vaterschaft (§ 372a ZPO), als ein Fall der anderen gerichtlichen Handlung i.S.d. Art. 1 Abs. 1 HBÜ eingestuft (hierzu Rz. 28 ff.). 8
Als Reaktion auf die Streichung der „anderen gerichtlichen Handlungen“ i.S.d. Art. 1 Abs. 1 HBÜ bzw. des deutschen Vorschlags wird empfohlen, den Begriff der Beweisaufnahme i.S.d. Art. 1 Abs. 1 EU-BewVO weit auszulegen.49 Unter „Beweisaufnahme“ i.S.d. EU-BewVO fielen „alle justiziellen Informationsbeschaffungsmaßnahmen“.50 Unter einen solchen weiten Begriff könnten auch die „anderen gerichtlichen Handlungen“ subsumiert werden.51 Zwar sind im Lichte des Verordnungszwecks, die Beweisaufnahme zu erleichtern, keine engherzigen Auslegungsmaßstäbe angebracht.52 Aber eine pauschale Subsumtion aller in Rz. 7 genannten Beispiele unter den Begriff der „Beweisaufnahme“ ist nicht möglich. So kann etwa die Vornahme eines Güteversuchs oder Sühnetermins sinnvollerweise nicht als Beweisaufnahme eingeordnet werden, weil diese richterliche Tätigkeit nicht der Informationsgewinnung dient.53 Ebenso wenig werden Maßnahmen zur Sicherung des Hauptanspruchs von der EU-BewVO geregelt.54 Unter den Oberbegriff der „justiziellen Informationsbeschaffungsmaßnahmen“ fallen zudem sowohl Beweisaufnahmen im Ausland als auch die Verschaffung von im Ausland belegenen Beweismitteln ins Inland. Die letztgenannte Fallgruppe (sog. extraterritoriale Beweisanordnungen) wird jedoch von der EU-BewVO nicht erfasst (s. Rz. 13 ff.). Die Abgrenzung – etwa bei einer Entnahme einer Blutprobe im Ausland (s. Rz. 23 ff.) – ist im Einzelfall indes schwierig.
42 Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 1 HBÜ Rz. 12; Berger in Stein/Jonas, § 363 Anh. A Art. 1 HBÜ Rz. 26; Tsikrikas, FS Simotta, 2012, S. 635, 637. 43 Beispiele von Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.56; Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 1 HBÜ Rz. 12; Berger in Stein/Jonas, § 363 Anh. A Art. 1 HBÜ Rz. 26; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 1 HBÜ Rz. 3; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 92. 44 Als Beispiel auch genannt in § 5 Nr. 2 ZRHO. 45 Verfahrenshilfe i.S.v. § 5 Nr. 5 ZRHO, s. auch Müller, S. 93, sehr str., vgl. BVerfG v. 14.9.2015 – 1 BvR 1321/13, IPRax 2016, 367 Rz. 32 ff. m.w.N. 46 Blaschczok, S. 95; zur incapacité de témoigner nach französischem Recht näher Junker in Schlosser, 1996, S. 63, 80; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 103; Schack, IZVR, Rz. 815. 47 Blaschczok, S. 95; zum serment déféré näher Nagel/Gottwald, IZPR, § 10 Rz. 114; Schack, IZVR, Rz. 817. 48 Blaschczok, S. 95. 49 Alio, NJW 2004, 2706, 2707; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 36; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 152; Mayr, Rz. VIII/8; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.54; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EGBewVO Rz. 6; Valdhans/Sehnálek in van Rhee/Uzelac, 2015, S. 337, 354 f. 50 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EG-BewVO Rz. 6; ebenso Adolphsen in Marauhn, 2007, S. 1, 9; Mayr, Rz. VIII/8; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 8. 51 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 152; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 41; vorsichtiger Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EG-BewVO Rz. 6. 52 Für tendenziell weite Auslegung auch GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-47 Rz. 43; Betetto, EuLF 2006, I-137, I-138; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 26; s. auch Paul Sayers and others v. Smithkline Beecham plc and others, 2004 WL 1174310 (Q.B.D.) Rz. 9 und 14: „inspection, photographing, preservation, custody and detention of property as to which any question arises in the proceedings“; zu diesem Fall näher Ubertazzi, GRUR-Int. 2008, 807, 812. 53 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 25; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EGBewVO Rz. 3; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 4; vgl. auch Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 83; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 43. 54 GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-50 Rz. 79, 85.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-BewVO
Als Kernelement eines autonomen Begriffsverständnisses ist anzusehen, dass die Maßnahme auf die 9 Beschaffung einer Information abzielen muss, die der richterlichen Wahrheitsfindung bzw. Überzeugungsbildung im Erkenntnisverfahren dient.55 Hiervon werden auch Maßnahmen der Beweissicherung (dazu näher unten Rz. 46 ff.), wie z.B. die Beschreibung einer Verletzung des geistigen Eigentums nach Art. 128 des italienischen Codice della proprietà industriale,56 erfasst.57 Auch die Beiziehung von Akten aus einem anderen Mitgliedstaat ließe sich bei einer erweiternden Auslegung u.U. unter diese Definition fassen.58 Darauf, ob der Informationsträger (Person oder Objekt) im technischen Sinne als Beweismittel nach dem Recht des ersuchten oder ersuchenden Gerichts anzusehen ist, kommt es für den autonomen Begriff der Beweisaufnahme nicht an.59 So ist z.B. der in Art. 19 Abs. 3 und Art. 22 Abs. 2, erster Spiegelstrich EU-BewVO ausdrücklich genannte Sachverständige ein Beweismittel i.S.d. EU-BewVO, auch wenn einzelne nationale Rechtsordnungen wie etwa die italienische die „consulenza tecnica“ nicht als eine Beweisaufnahme stricto sensu ansehen.60 Auch die nach französischem Verständnis lediglich informatorische Befragung einer zeugnisunfähigen Person ist eine Beweisaufnahme im Sinne der EU-BewVO (hierzu näher Art. 16 EU-BewVO Rz. 5). Mit Abschluss des Erkenntnisverfahrens ist keine Beweisaufnahme zum Zwecke richterlicher Überzeugungsbildung mehr möglich. So stellt die Ermittlung der Anschrift einer Person, der eine gerichtliche Entscheidung zuzustellen ist, keine „Beweisaufnahme“ i.S. des Art. 1 Abs. 1 lit. a EUBewVO dar.61 Auch auf Auskunftsansprüche gegen eine Partei, die nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens lediglich die Zwangsvollstreckung aus dem ergangenen Urteil ermöglichen sollen (Vollstreckungshilfe, z.B. nach § 807 ZPO), findet die EU-BewVO keine Anwendung.62 Die Vernehmung und die Anhörung einer Partei werfen besondere Qualifikationsprobleme auf. Nach deutschem Recht wird bekanntlich zwischen Zeugen- und Parteistellung scharf unterschieden.63 Eine Partei kann nicht als Zeuge vernommen werden. Allein die restriktiven Voraussetzungen unterliegende Parteivernehmung (§§ 445 ff. ZPO) ist ein echtes, wenngleich subsidiäres, Beweismittel,64 während die Anhörung der Parteien (§ 141 ZPO) nach h.M. keinen Beweischarakter hat, sondern lediglich der Stoffsammlung und Information des Gerichts dient.65 In den Rechten der Mitgliedstaaten sind Parteivernehmung und -anhörung jedoch höchst unterschiedlich ausgestaltet.66 Das französische, belgische und italienische Recht kennen die Parteivernehmung als solche nicht, dafür aber den zugeschobenen
55 Ebenso Betetto, EuLF 2006, I-137, I-138; Fucik in Fasching/Konecny, Art. 1 EG-BewVO Rz. 7; Heinze, IPRax 2008, 480, 481; Janal, § 15 Rz. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 3; Tsikrikas, FS Simotta, 2012, S. 635, 637 f.; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 5; ähnlich GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-48 Rz. 55. 56 DLgs No 30/05, 10.2.2005. 57 GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42 ff.; zust. von Hein, EuLF 2008, I-34 ff.; Heinze, IPRax 2008, 480, 481; Ubertazzi, GRUR-Int. 2008, 807 ff. 58 Ausführlich BVerfG v. 14.9.2015 – 1 BvR 1321/13, IPRax 2016, 367 Rz. 32 ff., m.w.N. zum Streitstand. 59 Eingehend für autonome Auslegung des Beweisbegriffs Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 676–678. 60 So Frigo/Fumagalli, S. 164; Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 332; zur Tätigkeit des Sachverständigen nach italienischem Recht näher Junker in Schlosser, 1996, S. 63, 88; zum Sachverständigenbeweis in der EU allgemein Stürner, FS Sandrock, 2000, S. 959. Auch Art. 64 Abs. 2 lit. d EuGH-VerfO stuft die Begutachtung durch Sachverständige als Beweismittel ein; hierzu näher Barbier de la Serre/Sibony, C.M.L.Rev. 45 (2008) 941 ff. 61 EuGH v. 9.9.2021 – C-208/20, C-256/20, ECLI:EU:C:2021:719 – „Toplofikatsia Sofia“ EAD, Rz. 25. 62 So i.E. auch Masri v. Consolidated Contractors International Co SAL & Anor [2008] 2 CLC 126, 139 ff. (CA Civ Div). 63 Näher Wagner, ZEuP 2001, 441, 485–487. 64 Statt aller Huber in Musielak/Voit, § 445 ZPO Rz. 1. 65 Gehrlein, ZZP 110 (1997), 451, 471 ff.; Fritzsche in MünchKomm/ZPO, § 141 ZPO Rz. 2; Huber in Musielak/ Voit, § 445 ZPO Rz. 3; Stadler in Musielak/Voit, § 141 ZPO Rz. 2; Seiler in Thomas/Putzo, vor § 445 ZPO Rz. 2; Greger in Zöller, § 141 ZPO Rz. 1; a.A. Schöpflin, NJW 1996, 2134; krit. auch Rüßmann in AltK/ZPO, 1987, vor § 445 Rz. 3. 66 Umfassender rechtsvergleichender Überblick bei Coester-Waltjen, ZZP 113 (2000) 269 ff.; Wagner, ZEuP 2001, 441, 484 ff.
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich Eid und das gerichtliche Geständnis.67 Das englische und grundsätzlich auch das niederländische Recht hingegen behandeln die Partei als Zeugen.68 Die Parteianhörung wird überwiegend dogmatisch außerhalb der Beweisaufnahme angesiedelt.69 In Frankreich wird allerdings die Anhörung der Parteien (comparution personnelle des parties) als voll gültiges Beweismittel angesehen.70 Coester-Waltjen stellt zu Recht fest, dass „die Grenzen [zwischen Parteivernehmung und Parteianhörung] fließend [sind] und […] die Parteianhörung in einigen Rechtsordnungen funktional die Rolle der Parteivernehmung zumindest weitgehend ein[nimmt].“71 Auch Art. 64 Abs. 2 lit. a der EuGH-VerfO bezeichnet das persönliche Erscheinen der Parteien als Beweismittel. Aus diesem rechtsvergleichenden Befund sollte für eine funktional orientierte, autonome Qualifikation der Schluss gezogen werden, sowohl die Parteivernehmung als auch die Parteianhörung als „Beweisaufnahme“ i.S.d. EU-BewVO einzustufen.72 Für eine großzügige Auslegung in dieser Frage sprechen sowohl der Zweck der EU-BewVO, die Beweisaufnahme möglichst zu erleichtern, als auch die Rechtsprechung des EGMR zur Waffengleichheit im Zivilprozess.73 Zur Beweisaufnahme i.S.d. EU-BewVO sind auch Maßnahmen zu zählen, die auf die Vornahme von Prozesshandlungen gerichtet sind, welche die richterliche Beweiswürdigung gerade einschränken oder ausschließen sollen, wie z.B. der zugeschobene Eid nach Art. 317 cpc (s. Art. 16 EUBewVO Rz. 19). 11
Die Frage, ob eine Beweisaufnahme „im Ausland“ erfolgt, kann nicht allein durch eine naturalistische Anschauung (physische Präsenz der Richter auf ausländischem Territorium) beantwortet werden, sondern bedarf einer wertenden Betrachtung im Lichte der Zwecke und der Systematik der EUBewVO74 (s. zu Videokonferenzen Art. 20 EU-BewVO Rz. 2 ff.).
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Fällt eine gerichtliche Handlung nicht unter den Begriff der Beweisaufnahme i.S.d. EU-BewVO, bleibt gem. Art. 29 Abs. 1 EU-BewVO das HBÜ bzw. das HaagZivPrÜbk 1954 anwendbar.75 3. Das Verhältnis der EU-BewVO zum innerstaatlichen Recht a) Extraterritoriale Beweisanordnungen (1) Grundsatz: Keine Exklusivität der EU-BewVO
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Die EU-BewVO regelt nur die Modalitäten (das „Wie“) der Beweisaufnahme im Ausland, wenn das Gericht darum ersucht (Art. 1 Abs. 1 EU-BewVO), überlässt jedoch die Beantwortung der Frage, unter welchen prozessualen Voraussetzungen ein Gericht vom Normalfall der Beweisaufnahme im inländischen Verfahren abweichen darf oder muss, indem es im Ausland Beweis erheben lässt bzw. selbst erhebt (das „Ob“), „seinem innerstaatlichen Recht“.76 Deshalb bedarf die EU-BewVO zu ihrer 67 Coester-Waltjen, ZZP 113 (2000), 269, 277. 68 Coester-Waltjen, ZZP 113 (2000), 269, 278 (England), 281 (Niederlande); Wagner, ZEuP 2001, 441, 488 f. (England), 494 (Niederlande). 69 Coester-Waltjen, ZZP 113 (2000), 269, 284. 70 Näher Wagner, ZEuP 2001, 441, 487 f. 71 Coester-Waltjen, ZZP 113 (2000), 269, 284. 72 So im Erg. auch EuGH v. 6.9.2012 – C-170/11, ECLI:EU:C:2012:540 – Lippens vs. Kortekaas, RIW 2012, 874 Rz. 31: „die als Zeuge geladene Partei“; ebenso Hess, EuZPR, Rz. 8.38; Kern, GPR 2013, 49, 51; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 38; Kohake, DRiZ 2021, 378, 379; für die Parteivernehmung auch Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 12. 73 EGMR v. 27.10.1993 – 37/1992/382/460 – Dombo Beheer B. V. vs. Niederlande, NJW 1995, 1413 mit zust. Anm. Schlosser, NJW 1995, 1404 = ZEuP 1996, 484 mit zust. Anm. Roth; zur nachfolgenden Entwicklung ausführlich Wagner, ZEuP 2001, 441, 490–494; ferner Koch, JuS 2003, 105, 109. 74 Ebenso Fucik in Fasching/Konecny, Art. 1 EG-BewVO Rz. 7. 75 BVerfG v. 14.9.2015 – 1 BvR 1321/13, IPRax 2016, 367 Rz. 34; ebenso Decker, IPRax 2004, 229, 235; Jayme, FS Geimer, 2002, S. 375, 378; Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 1 HBÜ Rz. 16 ff.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor §§ 1072 ff. Rz. 5; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EG-BewVO Rz. 5; Schulze, IPRax 2001, 527, 529; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 3. 76 EuGH v. 6.9.2012 – C-170/11, ECLI:EU:C:2012:540 – Lippens vs. Kortekaas, RIW 2012, 874 Rz. 28; EuGH v. 21.2.2013 – C-332/11, ECLI:EU:C:2013:87 – ProRail BV vs. Xpedys NV u.a., RIW 2013, 380 Rz. 42; Neumayr/ Kodek in Burgstaller, vor Art. 1 EG-BewVO Rz. 7; Coester-Waltjen, FS Schlosser, 2005, S. 147; Frigo/Fumagalli, S. 181; Galicˇ, ERA Forum 2017, 213, 215; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 41; Grabinski,
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Art. 1 EU-BewVO
Anwendbarkeit der Freischaltung durch § 1072 ZPO.77 Macht das Gericht von der EU-BewVO keinen Gebrauch, obwohl deren Heranziehung sachdienlich und grundsätzlich erfolgversprechend erscheint, kann dies einen Verfahrensfehler darstellen78 und gegen den verfassungsrechtlichen Rechtsschutzanspruch (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verstoßen.79 Ebenso wie das HBÜ80 entfaltet die EU-BewVO keine grundsätzliche Sperrwirkung gegenüber sog. extraterritorialen Beweisanordnungen (Beweismittelbe- oder -verschaffung), d.h. Maßnahmen des Gerichts, die darauf gerichtet sind, die Verwertung eines im Ausland belegenen Beweismittels im Rahmen einer im Inland vorzunehmenden Beweisaufnahme zu ermöglichen.81 Diese grundsätzliche Verneinung einer Exklusivität der EU-BewVO folgt aus dem Sinn und Zweck der Verordnung, die Beweisaufnahme im europäischen Rechtsraum lediglich zu erleichtern.82 Die Ablehnung einer Auslegung der EU-BewVO als abschließende Höchstnorm kann auch auf den in Art. 29 Abs. 2 EU-BewVO zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken gestützt werden:83 Nach dieser Vorschrift bleibt den Mitgliedstaaten das Recht
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FS Schilling, 2007, S. 191, 197; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 153; Huber, ZEuP 2014, 642, 654; Janal, § 15 Rz. 61; Junker, IZPR, § 26 Rz. 2; Lafontaine, DAR 2020, 541, 547; Leipold, FS Schlechtriem, 2003, S. 91, 104 f.; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.38; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 12; Musger in Rat der Europäischen Union, 2004, S. 205, 207; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 10; Niehr, S. 143 f.; Schulze, IPRax 2001, 527, 528; Seibl in Encyclopedia PIL, S. 709, 715 f.; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 699; Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 44; krit. Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1288 f.; die Verweisung auf das innerstaatliche Recht betont auch Keith J. in Paul Sayers and others vs. Smithkline Beecham plc and others, 2004 WL 1174310 (Q.B.D.) Rz. 9; zur Frage, ob darüber hinaus eine Beweissammlung durch Private zulässig ist, eingehend Knöfel, FS Simotta, 2012, S. 333 ff. Vgl. BT-Drucks. 15/1062, S. 19; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 Rz. 3; im Erg. auch Vorwerk, FS Krämer, 2009, S. 551, 556; ebenso zum österreichischen Recht Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 101; entgegen einem verbreiteten Missverständnis hat § 1072 ZPO daher nicht nur Hinweischarakter; Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 14; Stadler in Musielak/Voit, § 1072 ZPO Rz. 1; Schütze in Wieczorek/ Schütze, § 1072 Rz. 15. OLG Zweibrücken v. 12.3.2019 – 5 U 63/18, juris Rz. 48 (Verstoß gegen § 286 ZPO). BVerfG v. 14.9.2015 – 1 BvR 1321/13, IPRax 2016, 367 m. Anm. Hüßtege, IPRax 2016, 327 = FamRZ 2016, 26 m. Anm. Botthof. Eine Exklusivität des HBÜ verneinenden h.M. s. m.w.N. Pabst in MünchKomm/ZPO, Vor Art. 1 HBÜ Rz. 7 ff.; Berger in Stein/Jonas, § 363 Anh. A Art. 1 HBÜ Rz. 8; Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 765–767; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 44; Schack, IZVR, Rz. 864; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl., 2015, Art. 1 HBÜ Rz. 5; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 699; Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 45 ff.; a.A. Stadler in Musielak/Voit, § 363 ZPO Rz. 9. EuGH v. 6.9.2012 – C-170/11, ECLI:EU:C:2012:540 – Lippens vs. Kortekaas, RIW 2012, 874 Rz. 30; EuGH v. 21.2.2013 – C-332/11, ECLI:EU:C:2013:87 – ProRail BV vs. Xpedys NV u.a., RIW 2013, 380 Rz. 45; Masri v. Consolidated Contractors International Co SAL & Anor, [2008] 2 CLC 126, 139 ff. (CA Civ. Div.); s. hierzu auch die abschließende Entscheidung [2009] UKHL 43; Berger, IPRax 2001, 522, 526 f.; Besso in Nuyts/Watté, 2005, S. 365, 376 ff.; Coester-Waltjen, FS Schlosser, 2005, S. 147; Decker, IPRax 2004, 229, 235; Freudenthal, NIPR 2002, 109, 114; Frigo/Fumagalli, S. 181; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 41; Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 28; von Hein, LMK 2012, 340744; Hess, EuZPR, Rz. 8.39; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 153; Junker, IZPR, § 26 Rz. 3; Kern, GPR 2013, 49 ff.; Knöfel, IPRax 2013, 231 ff.; Labonté/ Rohrbeck, IWRZ 2021, 99, 100; Leipold, FS Schlechtriem, 2003, S. 91, 101; Mayr, Rz. VIII/10; Müller, S. 145; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 12; Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 768, Fn. 24; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 6; Nuyts, Rev crit dr i p 2007, 53 ff.; Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 85 ff.; Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 114 ff.; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EG-BewVO Rz. 2; Schmidt, Rz. 332; Sujecki, EWS 2013, 80 ff.; Teixeira de Sousa, JZ 2013, 98 f.; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 700; Schütze in Wieczorek, § 1072 Rz. 16; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 4; vorsichtiger Schulze, IPRax 2001, 527, 528; einschränkend auch Stadler in Musielak/Voit, § 363 ZPO Rz. 9; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1289; offen gelassen bei Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501, 503 f.; s. auch Jayme, FS Geimer, 2002, S. 375, 378 f. EuGH v. 6.9.2012 – C-170/11, ECLI:EU:C:2012:540 – Lippens vs. Kortekaas, RIW 2012, 874 Rz. 29; EuGH v. 21.2.2013 – C-332/11, ECLI:EU:C:2013:87 – ProRail BV vs. Xpedys NV u.a., RIW 2013, 380 Rz. 44; Berger, IPRax 2001, 522, 527; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 41; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 153 und 175. Ebenso EuGH v. 6.9.2012 – C-170/11, ECLI:EU:C:2012:540 – Lippens vs.Kortekaas, RIW 2012, 874 Rz. 33; EuGH v. 21.2.2013 – C-332/11, ECLI:EU:C:2013:87 – ProRail BV vs. Xpedys NV u.a., RIW 2013, 380 Rz. 46; ferner Leitzen, Jura 2007, 201, 202; Müller, S. 145.
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich vorbehalten, untereinander Übereinkünfte oder Vereinbarungen zur weiteren Vereinfachung der Beweisaufnahme zu schließen oder beizubehalten. Es muss deshalb erst recht im Grundsatz zulässig sein, dass die nationalen Rechte für die inländische Beweisaufnahme den i.d.R. einfacheren und schnelleren Direktzugriff auf im Ausland belegene Beweismittel ermöglichen. Es wäre zudem ein Wertungswiderspruch, wenn die auf Souveränitätserwägungen gestützte Exklusivitätslehre, die sich bereits in Bezug auf das konventionelle Rechtshilfeübereinkommen HBÜ bislang nicht durchsetzen konnte, gerade bei der Auslegung der EU-BewVO zum Zuge käme, obgleich diese Verordnung die klassischen Hoheitsrechte der Mitgliedstaaten erheblich stärker einschränkt, als dies im HBÜ der Fall ist (s. vor allem Art. 19–20 EU-BewVO).84 (2) Autonome Qualifikation eines Vorgehens als unmittelbare Beweisaufnahme im Ausland 14
Gleichwohl ist der Einwand zu bedenken, aus dem Abbau traditioneller Souveränitätsvorbehalte in der EU-BewVO dürfe nicht der Schluss gezogen werden, die Mitgliedstaaten hätten eine generelle Zulässigkeit extraterritorialer Beweisanordnungen beabsichtigt, weil in der EU-BewVO dem Souveränitätsverzicht entsprechende Kautelen (Genehmigungserfordernisse, z.B. in Art. 19–20 EU-BewVO) gegenüber stünden.85 Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Konkurrenzverhältnis zwischen der Beweisbeschaffung nach nationalem Recht und dem Instrumentarium der EU-BewVO sich anders stellt als in Bezug auf das HBÜ, weil das Übereinkommen vornehmlich die aktive Rechtshilfe regelt, aber die unmittelbare Beweisaufnahme im Ausland im Gegensatz zur EU-BewVO (Art. 19–20 EU-BewVO) nur indirekt ermöglicht (Art. 17 HBÜ).86 Gerade im Verhältnis zwischen Beweisbeschaffung ins Inland und sog. „passiver“ Rechtshilfe des Auslands werden indes die entscheidenden Abgrenzungsfragen aufgeworfen (s. Rz. 20 sowie Art. 20 EU-BewVO Rz. 3). Ob ein gerichtliches Vorgehen eine unmittelbare Beweisaufnahme i.S.d. EU-BewVO darstellt, kann nur durch autonome Auslegung der EU-BewVO (s. Rz. 6 ff.) selbst, nicht aber durch einen Rückgriff auf das Recht des jeweiligen Mitgliedstaates ermittelt werden.87 Andernfalls würde die lex fori die Wirksamkeit der EUBewVO in Frage stellen und zur Umgehung zwingender Vorschriften eingesetzt werden können, die dem Schutz der Territorialhoheit der Mitgliedstaaten dienen. Der EuGH hält indes die Einhaltung des in der EU-BewVO vorgesehenen Rechtshilfeweges selbst dann „nicht unbedingt“ für geboten, wenn das gerichtliche Vorgehen als eine unmittelbare Beweisaufnahme im Ausland einzustufen ist88 (s. Rz. 20). Bei der Zulässigkeit extraterritorialer Beweisanordnungen ist zwischen den einzelnen Beweismitteln zu unterscheiden. (3) Die Beweismittel im Einzelnen aa) Zeugenbefragung
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Eine Vernehmung eines Auslandszeugen durch einen deutschen Richter im Ausland, d.h. bei physischer Präsenz des Gerichtsangehörigen (§ 1073 Abs. 2 Alt. 1 ZPO) am ausländischen Aufenthaltsort des Zeugen, ist ausschließlich unter den Voraussetzungen des Art. 19 EU-BewVO statthaft.89 Der Zeuge kann auch nicht auf die Einhaltung des in Art. 19 EU-BewVO vorgesehenen Verfahrens verzichten, weil die darin geschützten Hoheitsrechte des jeweiligen Mitgliedstaates nicht seiner privaten Disposition unterliegen. Hieran ist auch im Lichte der neueren EuGH-Rechtsprechung (s. Rz. 13, Rz. 20) festzuhalten.90 Abgrenzungsprobleme zwischen ZPO und EU-BewVO stellen sich in drei Fallgruppen: bei der Ladung des Zeugen ins Inland, bei der schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage und bei der Distanzvernehmung unter Inanspruchnahme technischer Hilfsmittel (Telefon, Videoschaltung usw). Der Ladung des Auslandszeugen vor das Prozessgericht steht die EU-BewVO jeden84 85 86 87 88
Vgl. auch Siehr, RIW 2007, 321, 323 f.; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1289. Janal, § 15 Rz. 62; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1289; vgl. auch Schulze, IPRax 2001, 527, 528. Zur Auslegung des Art. 17 HBÜ Berger, IPRax 2001, 522, 526. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor §§ 1072 ff. Rz. 9. EuGH v. 21.2.2013 – C-332/11, ECLI:EU:C:2013:87 – ProRail BV vs. Xpedys NV u.a., RIW 2013, 380 Rz. 49. 89 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 46. 90 Tsikrikas, FS Simotta, 2012, S. 635, 641; ebenso Bach, EuZW 2013, 315, 316 (zur Augenscheinseinnahme).
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-BewVO
falls nicht entgegen, sofern bei Ausländern auf die Androhung von Zwangsmitteln verzichtet wird.91 Eine Zustellung der Ladung durch die Post (Einschreiben mit Rückschein) ermöglicht Art. 18 EUZustVO.92 Des Weiteren hindert die EU-BewVO das Gericht nicht daran, den Auslandszeugen darum zu bitten, die Beweisfrage freiwillig schriftlich zu beantworten (§ 377 Abs. 3 ZPO).93 Zwar lehnt die sehr umstrittene deutsche Rechtsprechung diesen Weg bislang ab, weil der ausländische Staat hierin einen unzulässigen Eingriff in seine territorialen Hoheitsrechte sehen könnte.94 Im Lichte des in der EUBewVO enthaltenen Abbaus traditioneller Souveränitätsvorstellungen, insbesondere in Art. 19–20 EU-BewVO, erscheint diese Befürchtung aber für den europäischen Rechtsraum als überzogen.95 Auch eine Aussage mittels E-Mail kommt in Betracht,96 sofern die Voraussetzungen des § 130a ZPO gewahrt sind.97 Ferner steht die EU-BewVO nicht der gängigen Praxis entgegen, die beweisbelastete Partei damit zu beauftragen, eine schriftliche Erklärung des Auslandszeugen herbeizuschaffen, die sodann als Urkundenbeweis (§ 416 ZPO) in den Prozess eingeführt werden kann.98
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Vernimmt das inländische Gericht selbst die im Ausland weilende Auskunftsperson im Wege einer Video- oder Telekonferenz (§ 128a ZPO), während sich die Gerichtsangehörigen im Inland aufhalten, soll es sich nach einer international verbreiteten Ansicht um eine bloße Beweisbeschaffung han-
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91 Vgl. EuGH v. 6.9.2012 – C-170/11, ECLI:EU:C:2012:540 – Lippens vs. Kortekaas, RIW 2012, 874 Rz. 31: „insbesondere dann, wenn die als Zeuge geladene Partei bereit ist, freiwillig zu erscheinen“; ferner Berger, IPRax 2001, 522, 527; Betetto, EuLF 2006, I-137, I-142; Galicˇ, ERA Forum 2017, 213, 217 ff.; Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 29; Kohake, DRiZ 2021, 378; Huber, ZEuP 2014, 642, 657; Janal, § 15 Rz. 76; Labonté/Rohrbeck, IWRZ 2021, 99, 100; Lafontaine, DAR 2020, 541; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 29; Leipold, FS Schlechtriem, 2003, S. 91, 101 f.; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.16 ff.; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 10; Schmidt, Rz. 361; Seibl in Encyclopedia PIL, S. 711; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 17; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1290 f. hält eine Ladung ohne Sanktionsandrohung für wenig Erfolg versprechend, aber offenbar nicht für von vornherein unzulässig; eine Androhung von Zwangsmitteln halten Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 176 für möglich; sie kritisieren aber die daraus unter Umständen resultierenden Pflichtenkollisionen; s. auch Müller, S. 154 f.; zum Streitstand nach autonomem Recht eingehend Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 770 der sich gegen die Androhung von Zwangsmitteln auch gegenüber deutschen Staatsangehörigen ausspricht. 92 Kohake, DRiZ 2021, 378; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 10; vgl. auch Berger, IPRax 2001, 522, 527 (Zustellung „nach der EG-Zustell-VO“). 93 Berger, IPRax 2001, 522, 527; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 48; Geimer, FS Spellenberg, 2010, S. 407, 426; Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 29; Labonté/Rohrbeck, IWRZ 2021, 99, 103; Lafontaine, DAR 2020, 541, 542; Leipold, FS Schlechtriem, 2003, S. 91, 101 f.; Mankowski, RIW 2014, 397, 401; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor §§ 1072 ff. Rz. 10; Müller, S. 155; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 10; Schmidt, Rz. 362; Seibl in Encyclopedia PIL, S. 711 f.; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1291; Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 11; dahin tendierend auch Schulze, IPRax 2001, 527, 528. 94 BGH v. 10.5.1984 – II ZR 29/83, NJW 1984, 2039; OLG Celle v. 20.2.2020 – 11 U 169/19, juris Rz. 34; ebenso § 64g S. 2 ZRHO; dem BGH folgend Kohake, DRiZ 2021, 378, 379; Leipold, Lex fori, S. 63; Leitzen, Jura 2007, 201, 202; Stadler in Musielak/Voit, § 363 ZPO Rz. 10 (aber mit Einschränkung in Bezug auf EG-BewVO, ebenso Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1291; Stadler, ZZP 115 [2002], 515, 518); Seiler in Thomas/Putzo, § 363 ZPO Rz. 5; grds. auch Göertz in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, § 363 ZPO Rz. 3, der aber eine urkundenbeweisliche Verwertung anregt; gegen die Rspr. Geimer, IZPR, Rz. 437; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 192; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 139; Schack, IZVR, Rz. 859; Seibl, in Encyclopedia PIL, S. 711 f.; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Rz. 12; zum Streitstand nach autonomem Recht eingehend Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 767–769 m.w.N.; zur österreichischen Sicht Fucik in Fasching/Konecny, Art. 1 EGBewVO Rz. 13 (verneinend); Sengstschmid, S. 314 f. (grds. bejahend). 95 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 48; Linke/Hau, IZVR, Rz. 10.22; Müller, S. 155; ihre bisherige ablehnende Auffassung in Bezug auf die EG-BewVO einschränkend auch Stadler in Musielak/Voit, § 363 ZPO Rz. 10; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1291; Stadler, ZZP 115 (2002), 515, 518 (Erst-Recht-Schluss aus Art. 17 EG-BewVO). 96 Schulze, IPRax 2001, 527, 529. 97 Lafontaine, DAR 2020, 541, 542. 98 Zu dieser Praxis allgemein Kohake, DRiZ 2021, 378, 379; Mankowski, RIW 2014, 397, 401; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 139; Schack, IZVR, Rz. 861, auch zu den Nachteilen dieses Vorgehens.
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich deln99. Jedoch hat der Verordnungsgeber bei der Revision im Jahre 2020 die Vernehmung per Videokonferenz oder mittels anderer Fernkommunikationstechnologie in Art. 20 EU-BewVO als Unterfall der genehmigungspflichtigen unmittelbaren Beweisaufnahme geregelt (s. Art. 20 EU-BewVO Rz. 3). 18
Im Rahmen des sog. Freibeweises100 wird zum Teil auch die telefonische Befragung des Auslandszeugen für eine zulässige Beweisbeschaffung außerhalb des Rechtshilfeweges gehalten.101 Handelt es sich bei dem Gespräch um eine Telekonferenz i.S.d. Art. 12 Abs. 4 S. 1 EU-BewVO oder Art. 20 Abs. 1 EUBewVO (Echtzeit-Kommunikation mit mehreren aktiven und passiven Gesprächsteilnehmern), kommt jedoch eine aktive oder passive Rechtshilfe nach der EU-BewVO in Betracht.102 Zur Frage, ob insoweit die Einhaltung des in Art. 20 EU-BewVO vorgesehenen Rechtshilfeweges nach der neueren Rechtsprechung des EuGH „nicht unbedingt“ verpflichtend ist,103 s. Art. 20 EU-BewVO Rz. 2 f.
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Soll die Videoaufzeichnung einer aus anderem Anlass durchgeführten Zeugenvernehmung (etwa aus einem Land, in dem das Fernsehen Gerichtsverhandlungen live überträgt) in einem deutschen Gerichtsverfahren verwertet werden, ist nach den für die Verbringung von Augenscheinsobjekten geltenden Regeln zu verfahren (s. Rz. 21 ff.).104 Bittet ein deutsches Gericht z.B. eine ausländische Fernsehstation um die Überlassung einer entsprechenden Aufzeichnung, fällt diese Anfrage folglich nicht in den Anwendungsbereich der EU-BewVO. S. auch Art. 12 EU-BewVO Rz. 39. bb) Sachverständige
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Im deutschen Recht ist seit je umstritten, ob ein deutsches Gericht einen Sachverständigen damit beauftragen darf, Feststellungen im Ausland zu treffen, ohne zuvor die Genehmigung des ausländischen Staats einzuholen.105 Kernpunkt des Streits ist die Frage, ob der Sachverständige im Ausland als „verlängerter Arm des Gerichts“ (Folge: Hoheitsverletzung) oder als Privatperson tätig wird (dann zulässige Beweisbeschaffung).106 Art. 1 Abs. 3 des deutschen EG-BewVO-Vorschlags hatte vorgesehen, dass der Sachverständige unmittelbar durch das inländische Gericht bestellt werden sollte, ohne dass eine vorherige Genehmigung oder Unterrichtung des anderen Mitgliedstaates erforderlich gewe-
99 So insbesondere die Sicht in Australien: Full Court of the Federal Court of Australia v. 19.8.2011 Matthew James Joyce v. Sunland Waterfront (BVI) Ltd, RIW 2011, 886 m. zust. Anm. Knöfel; Davies in GS Nygh, 2004, S. 69, 72; ferner Geimer, IZPR, Rz. 2385a; Geimer, FS Spellenberg, 2010, S. 407, 427; Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 29; Knöfel, RIW 2006, 302, 304; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 35; Berger in Stein/ Jonas, § 363 ZPO Rz. 14; Geimer in Zöller, Art. 17 EG-BewVO Rz. 2. 100 Zum Begriff und zu den Voraussetzungen des Freibeweises eingehend Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Auflage 1994, § 48; Berger in Stein/Jonas, vor § 355 ZPO Rz. 6–22, dort auch zum Streitstand um die Zulässigkeit des Freibeweises (Rz. 23 f.). 101 Betetto, EuLF 2006, I-137, I-143; Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 29 u. Art. 10 EG-BewVO Rz. 41; Mankowski, RIW 2014, 397, 401; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 140; einschränkend Geimer, IZPR, Rz. 2385 (völkerrechtlich zulässig, doch fehle innerstaatliche Rechtsgrundlage); Geimer, FS Spellenberg, 2010, S. 407, 426 f.; Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 11 (nur im Falle des § 495a S. 1 ZPO). 102 Betetto, EuLF 2006, I-137, I-143; Lafontaine, DAR 2020, 541, 542; im Ausgangspunkt auch Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 11; restriktiver Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 46; Schulze, IPRax 2001, 527, 529: Telefonische Zeugenbefragung sei generell keine zulässige Beweisbeschaffung mehr; wohl auch Markus, SZW 2002, 65, 75. 103 EuGH v. 21.2.2013 – C-332/11, ECLI:EU:C:2013:87 – ProRail BV vs. Xpedys NV u.a., RIW 2013, 380. 104 Zur Abgrenzung des Zeugen- vom Augenscheinsbeweis bei der Verwertung einer aus anderem Anlass durchgeführten Vernehmungsaufzeichnung näher Ahrens, FS Geimer, 2002, S. 1, 5 f. 105 Dagegen § 64f Abs. 1 ZRHO; eingehend zur Problematik Hau, RIW 2003, 822, 823 f.; Hau, D.S. 2004, 91, 92; Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 771–773 m.w.N.; s. auch Ahrens, FS Geimer, 2002, S. 1, 4–6; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1287; zum französischen Recht Le Berre/Pataut, Rev. dr. aff. int. 2004, 53, 67 ff. 106 Statt vieler einerseits Leipold, Lex fori, S. 46–48; Lindacher, FS Pekcanitez, 2014, S. 231, 234; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1287; Stadler, ZZP 115 (2002), 515, 519 (verlängerter Arm); andererseits (Privatperson) Daoudi, S. 108 f., 128 ff.; Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 29; Leitzen, Jura 2007, 201 f.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor §§ 1072 ff. Rz. 9 (mit Einschränkungen); Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 772 f.; Schack, IZVR, Rz. 846; Schütze, Rechtsverfolgung, Rz. 333; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 11; Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 63; ebenso Tsikrikas, FS Simotta, 2012, S. 635, 640.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-BewVO
sen wäre. Diese sinnvolle Bestimmung ist jedoch nicht in die Endfassung der Verordnung gelangt.107 Vielmehr erwähnt Art. 19 Abs. 3 EU-BewVO die Ernennung eines Sachverständigen lediglich als einen Unterfall der – genehmigungspflichtigen – unmittelbaren Beweisaufnahme im Ausland. Diese Entstehungsgeschichte legt an sich den Schluss nahe, dass die genehmigungsfreie Beweisbeschaffung durch einen vom inländischen Gericht bestellten Sachverständigen nicht zulässig sei.108 Der EuGH hat diese Frage jedoch entgegengesetzt entschieden: Art. 1 Abs. 3 des EG-BewVO-Vorschlags sei „nämlich im Kontext des ursprünglichen Vorschlags der Verordnung Nr. 1206/2001 zu sehen, der nur ein einziges Verfahren für eine Beweisaufnahme vorsah, nämlich deren Durchführung durch das ersuchte Gericht eines anderen Mitgliedstaats. Die Vorschrift, die nicht die Durchführung einer Sachverständigenuntersuchung durch das Gericht eines anderen Mitgliedstaats erlaubte, stellte somit eine Ausnahme von diesem einzigen Verfahren für eine Beweisaufnahme dar. Aus dem Umstand, dass eine derartige Vorschrift in der Verordnung Nr. 1206/2001 nicht enthalten ist, folgt jedoch nicht, dass ein nationales Gericht, das eine grenzüberschreitende Untersuchung durch einen Sachverständigen anordnet, stets verpflichtet wäre, das in dieser Verordnung vorgesehene Verfahren für eine Beweisaufnahme anzuwenden.“109 Diese Lesart überzeugt nur bedingt, weil die Ersetzung der im Vorschlag für einen Spezialfall der unmittelbaren Beweisaufnahme (Sachverständige) vorgesehenen Norm durch eine allgemeine Vorschrift über die passive Rechtshilfe (Art. 19 EU-BewVO) lediglich regelungstechnischer Natur ist, aber inhaltlich nichts daran ändert, ob die hierdurch geregelte Tätigkeit selbst hoheitlichen Charakter hat oder nicht.110 Der EuGH betrachtet die Einhaltung des in Art. 19 EUBewVO vorgesehenen Rechtshilfeweges nur dann als zwingend geboten, wenn „eine Untersuchung, mit der der von einem Gericht eines Mitgliedstaats ernannte Sachverständige betraut ist und zu deren Durchführung er sich in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats begeben muss, sich unter bestimmten Umständen auf die Ausübung hoheitlicher Gewalt des Mitgliedstaats, in dem sie vorzunehmen ist, auswirken [kann], namentlich wenn es sich um eine Untersuchung an Orten handelt, die mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt verbunden sind oder zu denen der Zutritt oder andere Maßnahmen nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dem die Untersuchung durchgeführt wird, verboten oder nur dazu befugten Personen erlaubt sind.“111 Hierbei vermischt der Gerichtshof aber die primäre Frage, ob der Sachverständige als Hoheitsträger des ersuchenden Staates anzusehen ist, mit der anders gelagerten, sekundären Problemstellung, ob er zur Durchführung seines Auftrags eine hoheitliche Hilfestellung des ersuchten Staates in Anspruch nehmen muss.112 Dadurch vermengt der Gerichtshof Aspekte, die nach der Konzeption des Verordnungsgebers im Rahmen der Genehmigungserteilung nach Art. 19 Abs. 4 EU-BewVO vom ersuchten Staat selbst zu prüfen sind (Bedingungen für die Durchführung der unmittelbaren Beweisaufnahme) mit der vorgreiflichen Problematik, ob wegen des hoheit107 Rechtspolitisch zust. zum Ansatz des Art. 1 Abs. 3 der deutschen Initiative (Schrifttum 1c) auch Müller, S. 158; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1287; Stadler, ZZP 115 (2002), 515, 519. 108 So noch die 3. Aufl. Rz. 25; ebenso Betetto, EuLF 2006, I-137, I-143; Cuniberti, Rev crit dr i p 104 (2015), 519, 536 f.; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 192; Hau, RIW 2003, 822, 824; Hau, D.S. 2004, 91, 92; Hau, ERAForum 2005, 224, 229; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 175; Huber, GPR 2003/04, 115, 118 f.; Janal, § 15 Rz. 71; Meyer-Fabre, Trav. com. fr. dr. i. p. 2002-04, 199, 215; Müller, S. 114, S. 158; Musger in Rat der Europäsichen Union, 2004, S. 205, 223 f.; Stadler in Musielak/Voit, § 363 ZPO Rz. 14, § 1073 Rz. 4; Schmidt, Rz. 366; Schulze, IPRax 2001, 527, 528; Sengstschmid, S. 403; i.E. Le Berre/Pataut, Rev. dr. aff. int. 2004, 53, 68 f.; wohl auch Adolphsen in Marauhn, 2007, S. 1, 12; a.A. Diago Diago, S. 53; Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 29; Leipold, FS Schlechtriem, 2003, S. 91, 103 f.; Leitzen, Jura 2007, 201 f.; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 34; Schack, IZVR, Rz. 846; Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 16; wohl auch Berger, IPRax 2001, 522, 527; einschränkend Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor §§ 1072 ff. Rz. 9 (nur, „soweit nicht im Ausland Befundtatsachen zu erheben sind“). 109 EuGH v. 21.2.2013 – C-332/11, ECLI:EU:C:2013:87 – ProRail BV vs. Xpedys NV u.a., RIW 2013, 380 Rz. 51; s. hierzu eingehend Bach, EuZW 2013, 315; Cuniberti, Rev. crit. dr i p 10 (2015), 519; Huber, ZEuP 2014, 642; Lindacher, FS Pekcanitez, 2014, S. 231; Schlosser, FS Klamaris, 2016, S. 685; Slonina, ecolex 2013, 428; Sujecki, EWS 2013, 80, 83 f.; Thole, IPRax 2014, 255. 110 Ebenso Janal, § 15 Rz. 71 in Fn. 442; vgl. zu einem Richter auch VG Bremen v. 24.4.2018 – 6 K 1528/16, juris Rz. 44 ff. 111 EuGH v. 21.2.2013 – C-332/11, ECLI:EU:C:2013:87 – ProRail BV vs. Xpedys NV u.a., RIW 2013, 380 Rz. 47; so bereits OLG Oldenburg v. 29.11.2012 – 8 W 102/12, IPRspr. 2012 Nr. 255 = MDR 2013, 547 (Ls). 112 Mit Recht krit. zur „Verharmlosung des Sachverständigenhandelns als quasi-touristisch“ Lindacher, FS Pekcanitez, 2014, S. 231, 234; vgl. (zu einem Richter) auch VG Bremen v. 24.4.2018 – 6 K 1528/16, juris Rz. 44 ff.
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich lichen Charakters der Beweisaufnahme überhaupt eine Genehmigung vom ersuchenden Gericht beantragt werden muss.113 Eine solche Vorprüfung soll laut EuGH zwar von dem potentiell ersuchenden Gericht vorgenommen werden, sich aber inhaltlich nach dem Recht des potentiell ersuchten Staates richten.114 Insoweit wird vorgeschlagen, sich daran zu orientieren, ob der potentiell ersuchte Staat im Rahmen des Art. 17 Abs. 2 HBÜ auf die Erforderlichkeit einer Genehmigung verzichtet habe, da nicht anzunehmen sei, dass er Drittstaaten ein größeres Vertrauen entgegenbringe als anderen Mitgliedstaaten.115 Auch das Vorliegen eines Blockadegesetzes, mit dem die Herausgabe bestimmter Beweismittel an das Ausland unter Strafe gestellt wird, ist zu berücksichtigen.116 Wenn es aber zu Meinungsverschiedenheiten darüber kommt, ob z.B. ein Ort „mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt verbunden“ ist, sind Justizkonflikte vorprogrammiert.117 Soll es z.B. darauf ankommen, ob der Sachverständige sich auf dem Betriebsgelände einer staatlichen Eisenbahngesellschaft (Hoheitsgewalt oder bloß acta iure gestionis?) oder auf dem Grundstück eines privaten Logistikunternehmens (keine Hoheitsgewalt, aber Beachtung des zivilrechtlichen Hausrechts?) umsehen will?118 Hinzu kommt, dass eine unmittelbare Beweisaufnahme nach Art. 19 Abs. 2 EU-BewVO ohnehin nur zulässig ist, „wenn sie auf freiwilliger Grundlage und ohne Zwangsmaßnahmen erfolgen kann“ (s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 17 ff.). Beantragt etwa ein ersuchendes Gericht, dem von ihm ernannten Sachverständigen unter Ausübung hoheitlicher Gewalt und entgegen dem Hausrecht des Liegenschaftseigentümers den Zugang zum Betriebsgelände einer Bahn zu verschaffen, müsste nach der Sichtweise des EuGH zwar der Rechtshilfeweg des Art. 19 EU-BewVO eingehalten werden; die Ablehnung eines solchen Antrags wäre aber wegen Art. 19 Abs. 2 EU-BewVO unumgänglich.119 Es bleibt daher abzuwarten, wie der EuGH seiner recht unbestimmten „nicht unbedingt“-Formel künftig präzisere Konturen verleihen wird.120 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass der EuGH dem nationalen Verfahrensrecht lediglich einen Anwendungsspielraum neben der EU-BewVO eröffnen, aber nicht selbst die für die Entsendung eines Sachverständigen ins Ausland nötige Rechtsgrundlage im nationalen Prozessrecht schaffen kann;121 insoweit bleibt es auch nach ProRail dabei, dass die Frage, ob außerhalb des Anwendungsbereichs der EU-BewVO eine Beweiserhebung durch Sachverständigengutachten im Ausland ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 363 Abs. 1 und 2 ZPO stattfinden darf, höchstrichterlich nicht entschieden und klärungsbedürftig ist.122 Wenngleich der Abbau traditioneller Souveränitätsvorbehalte in der EU der Sache nach zu begrüßen ist, wäre es zudem angebracht gewesen, diese heikle Frage dem Verordnungsgeber selbst zu überlassen und ihm nicht durch richterliche Rechtsfortbildung vorzugreifen.123 So ist insbesondere fraglich, ob die Verdrängung des Art. 19 EU-BewVO sich 113 Deutlich wird dieser Zirkelschluss in Secretary of State for Health v. Servier Laboratory Ltd. [2013] EWCA Civ 1234 Rz. 101; hierzu Cuniberti, Rev crit dr i p 104 (2015), 519, 539; kritisch auch Kern, GPR 2013, 49, 51 in Fn. 27 (zu den vorangehenden Schlussanträgen); Lindacher, FS Pekcanitez, 2014, S. 231, 234 ff. 114 EuGH v. 21.2.2013 – C-332/11, ECLI:EU:C:2013:87 – ProRail BV vs. Xpedys NV u.a., RIW 2013, 380 Rz. 47. 115 Lindacher, FS Pekcanitez, 2014, S. 231, 236. 116 Cuniberti, Rev crit dr i p 104 (2015), 519, 538 f.; zur Rechtslage in Frankreich ausführlich Lenoir, Rev fr dr admin 2014, 487 ff. 117 Treffend Lindacher, FS Pekcanitez, 2014, S. 231, 235: „Maßgebend ist nicht, wie dieser [potentiell ersuchte Staat] die Dinge nach Ansicht der Literatur im Forumstaat sehen sollte, sondern wie er sie in Wahrnehmung seiner Definitionsprärogative sieht“; kritisch zu der durch ProRail ausgelösten Rechtsunsicherheit auch Lafontaine, DAR 2020, 541, 544. 118 Vgl. Janal, § 15 Rz. 72; Schlosser, FS Klamaris, 2016, S. 685, 687 f. 119 Janal, § 15 Rz. 72; Schlosser, FS Klamaris, 2016, S. 685, 691. 120 Näher Schlosser, FS Klamaris, 2016, S. 685, 687 ff.; die „vielen Unsicherheiten“ dieser Formel beklagen auch Kreuzer/Wagner/Häcker in Dauses/Ludwigs, Rz. Q III 45; Jansen, NIPR 2019, 753, 761 f.; eine – nicht näher definierte – Klarstellung bei der Reform der EG-BewVO hatte auch die DAV-Stellungnahme Nr. 53/2018 S. 10 angeregt. 121 Zutreffend Lindacher, FS Pekcanitez, 2014, S. 231, 233 ff.; vgl. auch zu einem Richter VG Bremen v. 24.4.2018 – 6 K 1528/16, juris Rz. 48: „Selbst wenn unterstellt würde, dass das Großherzogtum Luxemburg nichts gegen die Wahrnehmung hoheitlicher Tätigkeiten des Klägers auf seinem Staatsgebiet einzuwenden gehabt hätte, so macht dies die Genehmigungen der zuständigen deutschen Stellen nicht grundsätzlich entbehrlich.“ 122 Vgl. BVerfG v. 26.8.2009 – 1 BvR 2111/08, BeckRS 2009, 39174; Thole, IPRax 2014, 255, 258. 123 In diesem Sinne Cuniberti, Rev crit dr i p 104 (2015), 519, 537, der drastisch von einem „petit coup d’état judiciaire“ („kleiner Richterputsch“) spricht; kritisch auch Janal, § 15 Rz. 63, die dem EuGH ein Handeln ultra vires vorwirft; Lindacher, FS Pekcanitez, 2014, S. 231, 237.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-BewVO
allein auf Gerichtssachverständige beschränken soll oder ob sich sogar Mitglieder des ersuchten Gerichts selbst (Art. 19 Abs. 3 Alt. 1 EU-BewVO) auf diese Rechtsprechung berufen können, um im Ausland genehmigungsfrei Zeugen zu befragen, einen Augenschein einzunehmen oder Ähnliches, sofern sie dies nur an einem allgemein zugänglichen Ort tun.124 Eine solche Konsequenz wird indes selbst von Autoren für absurd gehalten, die der Auffassung des EuGH in Bezug auf Gerichtssachverständige zustimmen.125 In Anbetracht des Umstands, dass sowohl die Verordnung (Art. 19 Abs. 3 EU-BewVO) als auch das nationale Recht (§ 1073 Abs. 2 ZPO) die unmittelbare Beweisaufnahme durch beide Personengruppen in derselben Vorschrift regeln, ist eine solche Differenzierung zwar bei einer funktionalen Betrachtung angreifbar;126 es erscheint indes kaum vorstellbar, dass der EuGH einen derart weitgehenden – zudem verfassungswidrigen – Eingriff in die Souveränitätsrechte der Mitgliedstaaten beabsichtigt hat.127 cc) Augenschein Eine im Ausland erfolgende Augenscheinseinnahme durch die Gerichtsangehörigen selbst (§ 1073 Abs. 2 Alt. 1 ZPO) setzt ungeachtet der neueren EuGH-Rechtsprechung (s. Rz. 20) die Einhaltung des in Art. 19 EU-BewVO vorgesehenen Rechtshilfeweges voraus.128 Es ist aber umstritten, ob die extraterritoriale Tätigkeit eines Augenscheinsmittlers (Augenscheinsgehilfen) analog den für Sachverständige entwickelten Regeln zu beurteilen ist, es sich also um eine zulässige Beweisbeschaffung ins Inland handelt, oder ob insoweit eine genehmigungspflichtige Beweisaufnahme im Ausland vorliegt.129 Da der EuGH bereits die Tätigkeit des Sachverständigen „nicht unbedingt“ als genehmigungspflichtige Beweisaufnahme ansieht (s. Rz. 20), muss diese Einstufung a fortiori für den Augenscheinsmittler gelten.130 Hingegen handelt es sich bei dem sog. Tele- oder Video-Augenschein, der mit Hilfe technischer Mittel vom Gericht selbst eingenommen wird, um eine unmittelbare Beweisaufnahme i.S. des Art. 19 EU-BewVO (s. Art. 20 EU-BewVO Rz. 5).
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Eine Recherche im Internet ist ohne Rücksicht auf den Ort, an dem die Daten gespeichert sind oder in das Netz eingespeist werden, keine Beweisaufnahme im Ausland, sondern im Inland.131 Zum sog. Tele-Augenschein s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 35, Art. 12 EU-BewVO Rz. 38.
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Bei der Verbringung von Augenscheinsobjekten in den Gerichtsstaat ist zu unterscheiden: Es ist auch im Geltungsbereich der EU-BewVO zulässig, nach innerstaatlichem Recht den Inhaber eines Augenscheinobjekts ohne Androhung von Zwangsmaßnahmen dazu aufzufordern, den fraglichen Gegenstand dem deutschen Gericht vorzulegen.132 Bsp: Der Beklagte wird zur Abgabe einer Blutprobe ohne Androhung von Zwangsmitteln aufgefordert und kommt dieser Bitte freiwillig nach. Die mangelnde Bereitschaft zur Herausgabe eines Augenscheinsobjekts von Seiten einer Partei kann jedoch gem. § 371 Abs. 3 ZPO als Beweisvereitelung gewertet werden.133 Entsprechendes gilt für die Aufforderung an einen im Ausland lebenden Mann, eine Blutentnahme zur Feststellung der Vaterschaft zu dulden (§ 372a ZPO).134 Will das deutsche Gericht allerdings einen von ihm beauftragten Sachverständigen
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124 Vgl. Janal, § 15 Rz. 74; Lafontaine, DAR 2020, 541, 544. 125 Namentlich Bach, EuZW 2013, 315, 316; Galicˇ, ERA Forum 2017, 213, 225; offener Lafontaine, DAR 2020, 541, 544. 126 Janal, § 15 Rz. 74. 127 Vgl. hierzu auch VG Bremen v. 24.4.2018 – 6 K 1528/16, juris Rz. 49; Lafontaine, DAR 2020, 541, 544. 128 Ebenso Bach, EuZW 2013, 315, 316; vgl. auch Tsikrikas, FS Simotta, 2012, S. 635, 639; kritisch Hess, EuZPR, Rz. 8.58. 129 Näher einerseits Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 143 (Beweisbeschaffung); andererseits Leitzen, Jura 2007, 201, 202; Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 774 f.; Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 18 (Beweisaufnahme im Ausland). 130 So Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 29; Janal, § 15 Rz. 72; Schlosser, FS Klamaris, 2016, S. 685, 688; ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 44; Müller, S. 156 f. 131 Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Rz. 14; Stadler in Musielak/Voit, § 363 ZPO Rz. 9. 132 Labonté/Rohrbeck, IWRZ 2021, 99, 100; Schmidt, Rz. 358; Schulze, IPRax 2001, 527, 528; hierzu allgemein Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 775; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 143. 133 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 44; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1290. 134 AG Hamburg v. 24.5.2000 – 21A C 560/90, FamRZ 2003, 45; eingehend Jayme, FS Geimer, 2002, S. 375, 378 f.; ferner Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 174; Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501, 503 f.; Schlosser in
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich zur Abnahme der Blutprobe ins Ausland schicken, ist nach der vom EuGH in ProRail entwickelten Abgrenzungsformel (s. Rz. 20) der in Art. 19 EU-BewVO vorgesehene Rechtshilfeweg nur einzuhalten, wenn der Betroffene nicht zur freiwilligen Mitwirkung bereit ist.135 Verweigert der Betroffene jedoch die Mitwirkung, hilft auch ein Antrag nach Art. 19 EU-BewVO nicht weiter, weil die darin vorgesehene unmittelbare Beweisaufnahme nur ohne Zwangsmaßnahmen zulässig ist (Art. 19 Abs. 2 EU-BewVO). 24
Kommt der Inhaber des Augenscheinsobjekts einer Aufforderung zur freiwilligen Herausgabe nicht nach oder duldet er eine Besichtigung nicht, stellt sich das Problem, dass die EU-BewVO die Vornahme „anderer gerichtlicher Handlungen“ nicht explizit erfasst (s. Rz. 7).136 Im Schrifttum wurde zum Teil in der zwangsweisen Durchsetzung einer Blutentnahme im Ausland, die anschließend zur Analyse und gerichtlichen Verwertung ins Inland verbracht werden soll, die Beweisaufnahme mithin erst ermöglichen soll, eine von der EU-BewVO nicht erfasste Hilfe zur Beweisverschaffung ins Inland, nicht eine Beweisaufnahme im Ausland gesehen.137 Ebenso hat die britische Regierung in der Sache Tedesco/Tomasoni argumentiert, die zwangsweise Durchsetzung einer „Beschreibung“ nach italienischem Immaterialgüterrecht sei nicht von der EU-BewVO gedeckt.138 Dieses Begriffsverständnis ist jedoch im Lichte des Verordnungszwecks, die grenzüberschreitende Kooperation zwischen den Gerichten bei der Beweisaufnahme zu fördern, zu eng.139 Auch die Kommission neigt insoweit zu einer weiten Auslegung.140 Selbst der Vergleich mit Art. 1 Abs. 1 HBÜ erzwingt keinen Umkehrschluss. Das HBÜ enthält keine Erklärung dessen, was unter einer „Beweisaufnahme“ zu verstehen ist.141 Der Entwurf hatte noch die Legaldefinition vorgesehen: „The […] production or examination of documents or other objects or property.“ Die Entnahme einer Blutprobe oder die Vorlegung eines patentverletzenden Gegenstands lässt sich zwanglos unter die „production of an object“ (Beschaffung oder Hervorbringung eines Gegenstands) subsumieren. In der Literatur zum HBÜ wird gerade die Entnahme einer Blutprobe zwecks Feststellung der Vaterschaft als Beispiel für eine Beschaffung von Beweisgegenständen im Wege der Rechtshilfe genannt.142 Auch in der Praxis wurde das Ersuchen deutscher Gerichte um die Rechtshilfe bei der Entnahme einer Blutprobe durch ein amerikanisches Gericht als ein „evidentiary request“ nach dem HBÜ behandelt.143 Zwar ist die genannte Legaldefinition nicht in das HBÜ übernommen worden. Dies unterblieb aber nicht wegen Uneinigkeit über ihren sachlichen Gehalt, sondern weil man sie als unnötig ansah.144 Es ist deshalb begrifflich durchaus
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140 141 142
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Schlosser/Hess, Art. 1 EG-BewVO Rz. 5; Schulze, IPRax 2001, 527, 529; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1298 f.; zu einer Erweiterung dieses Grundsatzes auf Abkömmlinge des Putativvaters s. KG v. 22.11.2002 – 3 WF 5611/99, IPRax 2004, 255 mit zust. Anm. Decker, IPRax 2004, 229. Vgl. zur Problematik Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1298 f. Hierzu Freudenthal, NIPR 2002, 109, 114; Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 332; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 152; Jayme, FS Geimer, 2002, S. 375, 378 f.; Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501, 503 f.; Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 1 HBÜ Rz. 17; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EG-BewVO Rz. 5; Schulze, IPRax 2001, 527, 529. Decker, IPRax 2004, 229, 235; Jayme, FS Geimer, 2002, S. 375, 378 f.; Jayme/Kohler, IPRax 2001, 501, 503 f.; Müller, S. 93; Schulze, IPRax 2001, 527, 529 Fn. 22; weitere Nachweise bei Junker, Discovery, S. 280 Fn. 164; offen gelassen bei Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EG-BewVO Rz. 5. GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-48 Rz. 54. Zur Erzwingung der Beschreibung nach italienischem Immaterialgüterrecht GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-48 Rz. 56: „Derartige Beweisanordnungen sind […] untrennbar mit der Beweisaufnahme verbunden“; ebenso von Hein, EuLF 2008, I-34, I-35 f.; Heinze, IPRax 2008, 480, 481; Janal, § 15 Rz. 7 ff.; Ubertazzi, GRUR-Int. 2008, 807, 811 ff.; zum Abstammungsgutachten OLG Bremen v. 20.1.2009 – 4 UF 99/08, FamRZ 2009, 1339 = FamRZ 2009, 802 = NJW-RR 2009, 876; Junker, IZPR, § 26 Rz. 7. COM (2007) 769 endg, S. 6; COM (2018) 378 final S. 9; ebenso Knöfel, EuZW 2008, 267, 268. Hierzu Amram, unter II A. Siehr, Internationales Privatrecht, S. 520; Volken, Die Internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, Rz. 3/134; vgl. auch Leipold, Lex fori, S. 67 f., der die Duldung der Blutentnahme im Ausland als „einen dem deutschen Gericht zuzurechnenden Akt der Beweisaufnahme auf ausländischem Gebiet“ ansieht und eine Einstufung als bloße Vorbereitungshandlung nur „schwerlich“ für möglich hält. Vgl. Court of Appeals (W Va) in re Letter of Request from AG Ingolstadt, FRG 82 F.3d 590 (1996). Amram, unter II A.
von Hein
Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-BewVO
möglich, die Rechtshilfe bei der Entnahme einer Blutprobe bereits als Beweisaufnahme i.S.d. Art. 1 Abs. 1 HBÜ anzusehen. Folglich kann aus der Nicht-Übernahme des Passus „andere gerichtliche Handlung“ in die EU-BewVO nicht e contrario geschlossen werden, dass die EU-BewVO diese Maßnahme nicht erfassen soll. Diese Lesart wird durch Erwägungsgrund 12 EU-BewVO bestätigt, der „DNA- oder Blutproben“ explizit als Beispiele für Beweismittel i.S. der Verordnung nennt. Für eine weite Auslegung des Begriffs der Beweisaufnahme gerade in Bezug auf die Vaterschaftsfest- 25 stellung spricht zudem die Rechtsprechung des EGMR.145 Es ist allgemein anerkannt, dass die EMRK als Teil der allgemeinen Rechtsgrundsätze der EU-Mitgliedstaaten (Art. 6 Abs. 2 EUV) auch zur Auslegung des europäischen Zivilprozessrechts herangezogen werden kann bzw. muss.146 In der Sache Mikulic´ hat der EGMR entschieden, dass das Recht des Kindes, von der Identität seines Vaters Kenntnis zu erlangen, grundsätzlich von Art. 8 EMRK (Privatleben) geschützt wird.147 Zwar gebietet Art. 8 EMRK es nicht unbedingt, dass die Rechtsordnungen der Vertragsstaaten eine zwangsweise Durchsetzung von DNA-Tests vorsehen.148 Falls diese Möglichkeit nicht besteht, muss aber sichergestellt sein, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt wird.149 Die Verweigerung einer Blutentnahme durch den Beklagten darf nicht zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führen.150 Gerade in Statussachen müssten die Gerichte mit besonderer Sorgfalt („particular diligence“) handeln.151 Angesichts dieses Gebots zur Verfahrensbeschleunigung in Vaterschaftsfeststellungsverfahren ist es kaum vertretbar, gerade die Hilfe bei der Beschaffung einer Blutprobe vom Anwendungsbereich der EU-BewVO auszunehmen und dem langsameren Mechanismus des HBÜ zu unterstellen.152 Grenzen für die zwangsweise Durchsetzung einer Blutprobe bestehen jedoch, wenn das Recht des ersuchten Staates diese Form der Beweisaufnahme nicht kennt (Art. 15 EU-BewVO).153 Zum Transport der Blutprobe ins Inland s. Art. 7 EU-BewVO Rz. 8. dd) Vorlage von Urkunden Die EU-BewVO berührt nicht die Befugnis des deutschen Gerichts, gegenüber einer Partei gem. § 142 ZPO oder §§ 422, 423 ZPO die Vorlage einer im Ausland befindlichen Urkunde anzuordnen.154 Auch 145 EGMR v. 7.2.2002 – 53176/99 – Mikulic´ vs. Kroatien, abrufbar unter http://www.echr.coe.int/hudoc (abgerufen am 27.10.2021); vgl. auch EGMR v. 13.2.2003 – 42326/98 – Odièvre vs. France, NJW 2003, 2145; s. auch zum GG BVerfG v. 31.1.1989 – 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256 = FamRZ 1989, 255. 146 Statt vieler Kropholler/von Hein, Einl. Brüssel I-VO Rz. 81; Schlosser in Schlosser/Hess, Einl. Brüssel Ia-VO Rz. 28; speziell zum „Recht auf Beweis“ Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 170 f.; McGuire/John in Leible/ Terhechte, § 25 Rz. 87; Müller, S. 10 ff.; insoweit aber ablehnend Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 35 f. 147 EGMR v. 7.2.2002 – 53176/99 – Mikulic´ vs. Kroatien §§ 56–66, abrufbar unter http://www.echr.coe.int/hudoc (abgerufen am 27.10.2021). 148 EGMR v. 7.2.2002 – 53176/99 – Mikulic´ vs. Kroatien § 64, abrufbar unter http://www.echr.coe.int/hudoc (abgerufen am 27.10.2021). 149 EGMR v. 7.2.2002 – 53176/99 – Mikulic´ vs. Kroatien § 64, abrufbar unter http://www.echr.coe.int/hudoc (abgerufen am 27.10.2021). 150 EGMR v. 7.2.2002 – 53176/99 – Mikulic´ vs. Kroatien §§ 64 f., abrufbar unter http://www.echr.coe.int/hudoc (abgerufen am 27.10.2021). 151 EGMR v. 7.2.2002 – 53176/99 – Mikulic´ vs. Kroatien §§ 44–46, abrufbar unter http://www.echr.coe.int/hudoc (abgerufen am 27.10.2021). 152 Ebenso Fucik in Fasching/Konecny, Art. 1 EG-BewVO Rz. 10; Knöfel, EuZW 2008, 267, 268; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.54; vgl. aus der Praxis das DIJuF-Rechtsgutachten v. 2.5.2011 – Ab 4.140 An, JAmt 2011, 260. 153 OLG Bremen v. 20.1.2009 – 4 UF 99/08, FamRZ 2009, 802 = FamRZ 2009, 1339 (Ls.) m. Anm. Knöfel = NJW-RR 2009, 876; AG Recklinghausen v. 25.4.2017 – 73 F 190/15, juris Rz. 11; näher Art. 15 EU-BewVO Rz. 3. 154 Berger, IPRax 2001, 522, 527; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 45; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 153; Labonté/Rohrbeck, IWRZ 2021, 99, 100; Lafontaine, DAR 2020, 541, 543; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 11; Schmidt, Rz. 367; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1290; Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 12; weiterführende Überlegungen bei Coester-Waltjen, FS Schlosser, 2005, S. 147 ff. (hierzu wiederum krit. Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 17); s. auch Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 773; ebenso zum belgischen Recht Cass. (belg.) v. 25.4.2013 – Fortis Luxembourg Vie vs. G.R., TIP 2013 n° 3, 32, 52 f.; zur Anerkennung einer deutschen Anordnung auf Urkundenvorlage Cass. (belg.) v. 29.4.2010 – Goebel & Kuhl GmbH vs. Tops Foods, Pas belge 2010 n° 297 (keine Sperrwirkung des Art. 17 Abs. 2 EG-BewVO);
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich gegenüber im Ausland wohnhaften Dritten kann gem. § 142 ZPO eine entsprechende Anordnung ergehen, sofern von der Androhung von Zwangsmitteln abgesehen wird.155 Die im Rahmen des Justizkonflikts zwischen den USA und Europa entwickelte Minderheitsmeinung, der zufolge bereits die Inlandsbelegenheit einer Urkunde einer ausländischen Vorlageanordnung außerhalb des Rechtshilfeweges entgegenstehe (und umgekehrt),156 ist angesichts des im europäischen Rechtsraum vollzogenen Abbaus herkömmlicher Souveränitätsvorbehalte hier nicht mehr vertretbar.157 Ob es sich um Dokumente in Papierform oder elektronische Dokumente (z.B. pdf-Dateien) handelt, kann bei wertender Betrachtung keinen Unterschied machen.158 Zur Problematik von discovery und disclosure s. Rz. 36 ff. ee) Parteivernehmung und -anhörung 27
Die in der EU-BewVO vorgesehenen Möglichkeiten, eine Auslandspartei nach Art. 19 EU-BewVO an ihrem Aufenthaltsort zu vernehmen bzw. nach Art. 12 ff. EU-BewVO vernehmen zu lassen, stehen einer Parteivernehmung der Auslandspartei vor dem Prozessgericht im Inland nicht entgegen.159 Eine Zustellung der Ladung ist seit der ZPO-Reform von 2001 nicht mehr erforderlich (§ 450 Abs. 1 S. 3 ZPO). Eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage entsprechend den für Auslandszeugen geltenden Grundsätzen (s. Rz. 16) scheidet nach § 451 ZPO aus.160 Die EU-BewVO entbindet ferner die sich im Ausland aufhaltende Partei nicht von der Verpflichtung, nach § 141 ZPO zur Anhörung vor dem inländischen Gericht zu erscheinen.161 Das Gericht ist nicht dazu gezwungen, auf die Rechtshilfemöglichkeiten der EU-BewVO zurückzugreifen; allerdings sind diese bei der Ermessensentscheidung nach § 141 Abs. 1 S. 2 ZPO (Absehen vom persönlichen Erscheinen bei Unzumutbarkeit) zu berücksichti-
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zum englischen Recht High Court of Justice v. 11.4.2013 – National Grid Electricity Transmission plc vs. ABB Limited and others, [2013] EWHC 822 (Ch.); aus österreichischer Sicht Sengstschmid, S. 316; zur Rechtslage in Frankreich Le Berre/Pataut, Rev. dr. aff. int. 2004, 53, 58 ff.; in Griechenland Tsikrikas, ZZPInt 12 (2007) 109 ff.; in Slowenien Betetto, EuLF 2006, I-137, I-143; umfassende rechtsvergleichende Darstellung bei Huber, Modellregeln; zur Beweiskraft beglaubigter Abschriften ausländischer Urkunden BGH v. 16.1.2007 – VIII ZR 82/06, FamRZ 2007, 636 = NJW-RR 2007, 1006. Berger, IPRax 2001, 522, 527; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 45; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 11; Schmidt, Rz. 368; Schulze, IPRax 2001, 527, 528; a.A. (Zwang zulässig) Müller, S. 156; ebenso Coester-Waltjen, FS Schlosser, 2005, S. 147, 157 (bei Gerichtspflichtigkeit des Dritten analog den Regeln über die internationale Zuständigkeit); zur Auslegung des § 142 ZPO näher BGH v. 26.6.2007 – XI ZR 277/05, BGHZ 173, 23. Vgl. noch Stadler in Musielak/Voit, § 363 ZPO Rz. 12; dagegen z.B. Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 46 f.; ausführlich zur Geschichte des Justizkonflikts Schack, IZVR, Rz. 873 ff.; zu jüngeren Entwicklungen Junker, Electronic Discovery, Rz. 25 ff. High Court of Justice v. 11.4.2013 – National Grid Electricity Transmission plc vs. ABB Limited and others, [2013] EWHC 822 (Ch.); eingehend Giussani, Riv. trim. dir. proc. civ. 2002, 867; ebenso Coester-Waltjen, FS Schlosser, 2005, S. 147, 148; Müller, S. 156; Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 86 f.; Tsikrikas, ZZPInt 12 (2007), 109, 117; vgl. Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1290 f.; differenzierend zum österreichischen Recht Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 114 ff. Näher zur Vorlage elektronischer Dokumente Binder, ZZP 122 (2009), 187 (zum deutschen Recht); Junker, Electronic Discovery, Rz. 88 (zum HBÜ). Galicˇ, ERA Forum 2017, 213, 217 f.; Lafontaine, DAR 2020, 541, 544; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 28; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.20; Müller, S. 155 f.; Schmidt, Rz. 370; zur Vernehmung der Auslandspartei im Allgemeinen vgl. Geimer, IZPR, Rz. 2324 f.; Linke/Hau, IZVR, Rz. 10.31 f.; Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 776 f.; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 145. Ebenso Daoudi, S. 137. Allgemein zur Verpflichtung der Auslandspartei, einer Anordnung nach § 141 ZPO Folge zu leisten: Hess, EuZPR, Rz. 8.49; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 145; Schack, IZVR, Rz. 847; vgl. auch Sengstschmid, 317 f.; skeptisch Althammer in Stein/Jonas, § 141 ZPO Rz. 23; gegen Erzwingung des Erscheinens OLG München v. 5.9.1995 – 28 W 2329/95, NJW-RR 1996, 59 = IPRspr. 1995 Nr. 134; OLG Hamm v. 2.10.2008 – 19 W 21/08, NJW 2009, 1090 = IPRax 2009, 434 (LS) = IPRpr 2008 Nr. 159.
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gen.162 Auf die Staatsangehörigkeit der Partei kommt es nicht an.163 In Ehesachen ist § 128 FamFG zu beachten.164 Die EU-BewVO hindert ein international zuständiges Gericht einer Common LawRechtsordnung nicht daran, Auskunftsansprüche gegenüber einer Partei mithilfe der Androhung von contempt-of-court-Sanktionen durchzusetzen.165 Für das Organmitglied einer verklagten juristischen Person gelten allerdings die oben (Rz. 15) genannten Grundsätze über den Zeugenbeweis, sofern kein Rechtsmissbrauch vorliegt, der einen prozessualen Durchgriff rechtfertigt.166 b) Entscheidung zwischen den unterschiedlichen Formen der internationalen Beweisaufnahme (1) Überblick Es kommen vier unterschiedliche Formen der grenzüberschreitenden Beweisaufnahme in Betracht: (1) die extraterritoriale Beweisbeschaffung außerhalb der EU-BewVO (Rz. 13 ff.), (2) das Ersuchen des Gerichts eines anderen Mitgliedstaates um Beweisaufnahme (Art. 1 Abs. 1 lit. a, Art. 12 ff. EU-BewVO), (3) die unmittelbare Beweisaufnahme im Ausland (Art. 1 Abs. 1 lit. b, Art. 19–20 EU-BewVO), (4) die diplomatische oder konsularische Beweisaufnahme nach Art. 21 EU-BewVO.
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Die Entscheidung zwischen diesen Wegen der Beweiserhebung muss das Gericht nach Maßgabe sei- 29 nes jeweiligen innerstaatlichen Rechts treffen.167 Unterlässt das Gericht die Stellung eines Ersuchens nach der EU-BewVO, obwohl deren Heranziehung sachdienlich und grundsätzlich erfolgversprechend erscheint, kann dies gegen den verfassungsrechtlichen Rechtsschutzanspruch (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) verstoßen (s. Rz. 13). Im deutschen Zivilprozessrecht ist jedoch höchst umstritten, in welchem Verhältnis der für die innerstaatliche Beweisaufnahme geltende Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 355 ZPO) zu der Beweisaufnahme unter Inanspruchnahme internationaler Rechtshilfe (§ 363 ZPO) steht. Nach § 363 Abs. 1 ZPO hat, „wenn die Beweisaufnahme im Ausland erfolgen soll“, der Vorsitzende die zuständige Behörde um Aufnahme des Beweises zu ersuchen. Die Vorschrift liefert aber keine justiziablen Kriterien, anhand derer sich entscheiden ließe, ob die Beweisaufnahme überhaupt im Ausland vorgenommen werden „soll“.168 Diese Problematik wird zusätzlich dadurch kompliziert, dass die EU-BewVO die vor 2001 diskutierten Formen der internationalen Beweisaufnahme – Beweisbeschaffung oder aktive Rechtshilfe – durch einen dritten Weg, die Möglichkeit der unmittelbaren Beweisaufnahme im Ausland (Art. 19–20 EU-BewVO), ergänzt. Zudem wird die Beteiligung des Prozessgerichts auch bei einer Beweisaufnahme durch ein anderes mitgliedstaatliches Gericht gestärkt (Art. 14 Abs. 1 EU-BewVO).169 § 363 Abs. 3 ZPO i.d.F. des EG-BewDG (s. Einl. EUBewVO Rz. 3) dient vornehmlich dem Zweck, den Praktiker auf die Geltung der EU-BewVO und die Regeln im 11. Buch der ZPO hinzuweisen, um ihm „das Auffinden der Regeln im vertrauten Umfeld des nationalen Beweisaufnahmerechts zu erleichtern“.170 Der in Bezug genommene § 1072 ZPO bestimmt, dass, „wenn“ die Beweisaufnahme nach der EU-BewVO erfolgen „soll“, das Gericht entweder unmittelbar das zuständige Gericht eines anderen Mitgliedstaates um Aufnahme des Beweises er162 S. aber auch Althammer in Stein/Jonas, § 141 ZPO Rz. 24 (§ 141 ZPO siehe Anhörung im Wege der Rechtshilfe nicht vor). 163 Daoudi, S. 138; i.E. auch Geimer, IZPR, Rz. 431 (völkerrechtliche minimum contacts kraft Parteistellung zu bejahen); ähnlich Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 776 (Parteien unterstehen lex fori); a.A. Stadler in Musielak/Voit, § 141 ZPO Rz. 5. 164 Näher Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 145; zu § 613 ZPO a.F. Daoudi, S. 138. 165 Court of Appeal (Civil Division) v. 4.4.2008 – Masri vs. Consolidated Contractors International Co SAL & Anor, [2008] 2 CLC 126, 139 ff. 166 Weitergehend Court of Appeal (Civil Division) v. 4.4.2008 – Masri vs. Consolidated Contractors International Co SAL & Anor, [2008] 2 CLC 126, 139 ff.; aufgehoben durch House of Lords – Masri vs. Consolidated Contractors International (UK) Ltd. and others (No 4), [2009] UKHL 43 = [2010] 1 A.C. 90. 167 Ebenso Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 11. 168 Geimer, IZPR, Rz. 2380. 169 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 174 sprechen plastisch von „Quasi-Unmittelbarkeit“ der Beweisaufnahme. 170 BT-Drucks. 15/1062, 11 f.; Göertz in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, § 363 ZPO Rz. 9; Vorwerk, FS Krämer, 2012, S. 551, 556.
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich suchen kann oder gem. Art. 19 EU-BewVO eine unmittelbare Beweisaufnahme in einem anderen Mitgliedstaat beantragen kann. Inhaltliche Entscheidungsmaßstäbe für die Auswahl des Gerichts zwischen extraterritorialer Beweisbeschaffung sowie aktiver und passiver Rechtshilfe lassen sich aber auch diesen Vorschriften nicht entnehmen. 30
Die Beweisaufnahme im Wege der Rechtshilfe (§ 363 ZPO) ist kein Fall der Ausnahme vom Unmittelbarkeitsgrundsatz, der unter § 355 Abs. 1 S. 2 ZPO subsumiert werden könnte.171 Nach der letztgenannten Vorschrift kann die Beweisaufnahme in den durch die ZPO bestimmten Fällen einem Mitglied des Prozessgerichts oder einem anderen Gericht übertragen werden. Hiermit sind jedoch nur der inländische beauftragte Richter (§ 361 ZPO) und das inländische ersuchte Gericht (§ 362 ZPO) gemeint. § 363 ZPO stellt hingegen eine Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes sui generis dar, deren zulässige Inanspruchnahme nicht an die Einhaltung der §§ 372 Abs. 2, 375, 402, 434, 451 ZPO gebunden ist.172 Ferner ist anerkannt, dass ein Gericht gegen das Verbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung verstößt, wenn es unter Berufung auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz eine Beweiserhebung im Wege der Rechtshilfe unterlässt, obwohl eine Beweisbeschaffung ins Inland aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in Betracht kommt.173
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Im Übrigen stehen sich im deutschen Zivilprozessrecht herkömmlich zwei Grundauffassungen gegenüber: Während einige Autoren an einem Vorrang des Rechtshilfeweges festhalten, wird nach einer vordringenden Meinung eine Priorität der Beweisbeschaffung gegenüber dem Rechtshilfeweg aufgrund des Unmittelbarkeitsgrundsatzes behauptet. (2) Vorrang des Rechtshilfeweges
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Die erstgenannte Auffassung speist sich im Wesentlichen aus zwei Argumentationssträngen: einem völkerrechtlichen und einem pragmatischen. In völkerrechtlicher Hinsicht wird vorgetragen, die Wahrung ausländischer Souveränität müsse gegenüber dem innerstaatlichen Unmittelbarkeitsgrundsatz bevorzugt werden.174 Unter praktischen Aspekten wird darauf hingewiesen, dass nur die Inanspruchnahme der Rechtshilfe die Beweiserhebung mit Hilfe hoheitlichen Zwangs ermögliche, während die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes z.B. bei Auslandszeugen von deren in aller Regel fehlender Bereitschaft zur freiwilligen Mitwirkung am Verfahren abhänge.175 Ein Ermessen des Gerichts bei der Entscheidung darüber, ob es den Weg der Rechtshilfe oder den der Beweisbeschaffung wählt, wird ausdrücklich abgelehnt.176 (3) Priorität der Beweisbeschaffung
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Nach der zweiten Meinung soll der Unmittelbarkeitsgrundsatz auch für die internationale Beweisaufnahme gelten.177 Grundsätzlich sei deshalb die Beweisbeschaffung ins Inland der Inanspruchnahme von Rechtshilfe vorzuziehen.178 Zwischen der Beweisbeschaffung ins Inland und der Beweisaufnahme 171 Eingehend Leipold, ZZP 105 (1992), 507, 510; insoweit übereinstimmend Heinrich in MünchKomm/ZPO, § 363 ZPO Rz. 2; Schabenberger, S. 222. 172 Leipold, ZZP 105 (1992), 507, 510; Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 5; implizit auch diejenigen Autoren, die für ein Auswahlermessen des Gerichts zwischen Beweisbeschaffung und Rechtshilfe plädieren, z.B. Nagel/ Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 137; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Rz. 5. 173 Vgl. BGH v. 29.1.1992 – VIII ZR 202/90, IPRax 1992, 319 m. Anm. Nagel, IPRax 1992, 301) = ZZP 105 (1992), 500 m. Anm. Leipold; OLG Stuttgart v. 23.3.2010 – 3 U 214/09, IPRspr. 2010 Nr. 258; hierzu s. die Anm. Dötsch, MDR 2011, 269 ff.; ebenso Daoudi, S. 66; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Rz. 5. 174 Stadler in Musielak/Voit, § 363 ZPO Rz. 1. 175 Leipold, ZZP 105 (1992), 507, 510; krit. dazu Daoudi, S. 69 f. 176 Leipold, ZZP 105 (1992), 507, 512. 177 Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 764 f.; Heinrich in MünchKomm/ZPO, § 363 ZPO Rz. 1; zust. Geimer, IZPR, Rz. 2380; Schabenberger, S. 223 f.; ausführlich Daoudi, S. 66 ff. (hierzu die Bespr. v. Stadler, ZZP 115 [2002], 515 ff.); aus österreichischer Sicht Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 90. 178 S. Galicˇ, ERA Forum 2017, 213, 217 f.; Lafontaine, DAR 2020, 541, 544; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 28; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.20; Müller, S. 155 f.; Schmidt, Rz. 370; zur Vernehmung der Auslandspartei im Allgemeinen vgl. Geimer, IZPR, Rz. 2324 f.; Linke/Hau, IZVR, Rz. 10.31 f.; Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 776 f.; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 145.
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im Ausland habe das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.179 Hierbei könne man sich an den für die Übertragung der Beweisaufnahme an den beauftragten oder ersuchten inländischen Richter entwickelten Maßstäben orientieren.180 Eine Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes sei nur dann zulässig, wenn die Herbeischaffung der Beweismittel aus dem Ausland aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich sei oder wenn ein eigener Eindruck des Prozessgerichts vom Beweismittel nicht notwendig sei.181 (4) Stellungnahme Unter der Geltung der EU-BewVO sind beide Auffassungen zu relativieren. Angesichts des mit der EU-BewVO verbundenen Souveränitätsverzichts, der sich besonders in der Zulassung der unmittelbaren Beweisaufnahme im Ausland ausdrückt (Art. 19–20 EU-BewVO), ist ein auf völkerrechtliche Erwägungen gestützter strikter Vorrang der aktiven Rechtshilfe gegenüber dem Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht länger plausibel zu begründen.182 Andererseits verliert der in den 1990er-Jahren verstärkt postulierte Primat der Beweisbeschaffung ins Inland in dem Maße an Überzeugungskraft, in dem die unmittelbare Beweisaufnahme durch das Prozessgericht im Ausland ermöglicht wird und die aktive Rechtshilfe durch Beteiligungsmöglichkeiten des Prozessgerichts einer unmittelbaren Beweisaufnahme qualitativ zumindest angenähert werden kann.183 Das Prozessgericht ist deshalb, sofern die EU-BewVO keine zwingenden Vorgaben enthält (s. zur Videovernehmung Art. 20 EU-BewVO Rz. 3, zum Sachverständigen Rz. 20), zu einer Ermessensausübung verpflichtet, ohne an eine feste Rangfolge zwischen den unterschiedlichen Formen der internationalen Beweisaufnahme gebunden zu sein.184 In die Ermessensausübung muss die bessere Eignung der unmittelbaren Beweisaufnahme als Grundlage der Beweiswürdigung einfließen, insbesondere in Fällen, in denen der persönliche Eindruck entscheidet (z.B. in Bezug auf die Glaubwürdigkeit eines Zeugen).185 Nicht haltbar ist es allerdings, wenn das Gericht allein deshalb von der Stellung eines Ersuchens um aktive Rechtshilfe zur Durchführung einer Zeugenvernehmung im Ausland absieht, weil es auf die Beurteilung der Glaubwürdigkeit durch das deutsche Gericht ankomme.186 Denn das ersuchende Gericht hat nach der EU-BewVO die Möglichkeit, an der Beweisaufnahme durch das ersuchte Gericht teilzunehmen187 (s. Art. 14 EU-BewVO Rz. 1). Wesentliche Bedeutung haben auch die Aspekte der Prozessökonomie und Verfahrensbeschleu179 S. Galicˇ, ERA Forum 2017, 213, 217 f.; Lafontaine, DAR 2020, 541, 544; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 28; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.20; Müller, S. 155 f.; Schmidt, Rz. 370; zur Vernehmung der Auslandspartei im Allgemeinen vgl. Geimer, IZPR, Rz. 2324 f.; Linke/Hau, IZVR, Rz. 10.31 f.; Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 776 f.; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 145. 180 Musielak, FS Geimer, 2002, S. 761, 764. 181 EuGH v. 21.2.2013 – C-332/11, ECLI:EU:C:2013:87 – ProRail BV vs. Xpedys NV u.a., RIW 2013, 380. 182 So auch McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 88 ff.; Stadler, ZZP 115 (2002), 515, 519 f.; Vorwerk, FS Krämer, 2009, S. 551, 557 f. 183 Eingehend Schulze, IPRax 2001, 527, 532 f. 184 OLG Koblenz v. 4.8.2006 – 8 U 315/04, BeckRS 2006, 11933; Betetto, EuLF 2006, I- 137, I-141 f.; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 42; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 174; Janal, § 15 Rz. 4; Lafontaine, DAR 2020, 541, 548; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 91 f.; Müller, S. 159; Niehr, S. 148; Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 88 f.; Schmidt, Rz. 356; Sengstschmid, S. 303; grundsätzlich auch Schulze, IPRax 2001, 527, 532 f., der aber (533) das Teilnahmemodell nach Art. 12 Abs. 4 S. 1, 14 Abs. 4 EUBewVO für „vorzugswürdig“ erklärt; für Ermessen auch Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 137; Berger in Stein/ Jonas, § 363 ZPO Rz. 5; für einen „Primat der Unmittelbarkeit“ hingegen (mit Einschränkungen) Stadler, ZZP 115 (2002), 515, 520; Vorwerk, FS Krämer, 2009, S. 551 ff.; Vorwerk, AnwBl. 2011, 369 ff. 185 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 173; Kohake, DRiZ 2021, 378; Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 91 f.; Schulze, IPRax 2001, 527, 532; Stadler, ZZP 115 (2002), 515, 520; Vorwerk, FS Krämer, 2009, S. 551, 556 f.; vgl. zur Abwägung BGH v. 11.7.1990 – VIII ZR 366/89, NJW 1990, 3088 = IPRspr. 1990 Nr. 197; OLG Koblenz v. 4.8.2006 – 8 U 315/04, BeckRS 2006, 11933; Lafontaine, DAR 2020, 541, 548. 186 OLG Stuttgart v. 23.3.2010 – 3 U 214/09, IPRspr. 2010 Nr. 258; hierzu s. die Anm. Dötsch, MDR 2011, 269 ff.; zur Ablehnung des Zeugenbeweises wegen der Unerreichbarkeit eines im Ausland lebenden Zeugen s. BGH v. 24.7.2013 – IV ZR 110/12, IHR 2014, 115, 116; hierzu Galicˇ, ERA Forum 2017, 213, 221 ff.; OLG München v. 14.2.2014 – 10 U 3074/13, RIW 2014, 460; hierzu Mankowski, RIW 2014, 397; ferner Lafontaine, DAR 2020, 541, 549; Windau, jM 2021, 178, 181. 187 OLG Stuttgart v. 23.3.2010 – 3 U 214/09, IPRspr. 2010 Nr. 258; hierzu s. die Anm. Dötsch, MDR 2011, 269 ff.; s. auch Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 174; Schmidt, Rz. 356; Schulze, IPRax 2001, 527, 532.
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich nigung,188 So hat der EuGH im Hinblick auf die Ermöglichung der Anhörung des Kindes gem. Art. 42 Abs. 2 Unterabs. 1 lit. a Brüssel IIa-VO (Art. 47 Abs. 3 lit. b Brüssel IIb-VO) betont, „das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats [müsse] im Rahmen des Möglichen und stets unter Berücksichtigung des Kindeswohls, auf alle ihm nach seinem nationalen Recht zur Verfügung stehenden Mittel sowie auf die der grenzüberschreitenden gerichtlichen Zusammenarbeit eigenen Instrumente zurückgreifen, zu denen gegebenenfalls die in der Verordnung Nr. 1206/2001 vorgesehenen Mittel gehören“,189 einschließlich der Durchführung einer Videokonferenz (Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO).190 Ferner sind zu berücksichtigen: – die Möglichkeit der Zwangsanwendung, die unter Art. 19 EU-BewVO nicht gegeben ist,191 – die Handhabung der Genehmigungserfordernisse durch die Zentralstellen (Art. 19 EU-BewVO) und die Gerichte („Bedingungen“ i.S.d. Art. 14 Abs. 4 EU-BewVO),192 – die Vermeidung von Kommunikationsproblemen und Missverständnissen zwischen ersuchendem und ersuchtem Gericht,193 – die Verhältnismäßigkeit der anfallenden Kosten,194 – die Wahrung der Parteiöffentlichkeit (§ 357 ZPO)195 sowie – die Zumutbarkeit einer Reise für die Beweisperson. 5. Verwendungszweck für die Beweise a) Eingeleitetes gerichtliches Verfahren 35
Voraussetzung für eine Beweisaufnahme nach der EU-BewVO ist, dass die Beweise zur Verwendung in einem bereits eingeleiteten oder zu eröffnenden gerichtlichen Verfahren bestimmt sind (Art. 1 Abs. 2 EU-BewVO). Es muss sich nach Sinn und Zweck der Verordnung um ein Verfahren vor einem Gericht eines Mitgliedstaates handeln;196 das Gericht eines Mitgliedstaates (z.B. Frankreich) darf nicht das Gericht eines anderen Mitgliedstaates (z.B. Deutschland) um die Aufnahme von Beweisen bitten, die anschließend in einem drittstaatlichen Verfahren (z.B. in den USA) verwertet werden sollen.197 Dies unterstreicht auch der in Erwägungsgrund 2 EU-BewVO normierte Binnenmarktbezug der nach der Verordnung gewährten Rechtshilfe.198 Fraglich ist, wie der Zeitpunkt zu bestimmen ist, ab dem ein Verfahren als im Sinne dieser Vorschrift „eingeleitet“ („commenced“, „engagée“) gilt. Da die EU-BewVO selbst keine Definition der Verfahrenseinleitung enthält, könnte – wie noch nach dem ebenfalls insoweit lückenhaften EuGVÜ – auf die jeweilige lex fori abgestellt werden.199 Im Interesse einer möglichst einheitlichen Anwendung der EU-BewVO ist es jedoch vorzugswürdig, eine autonome Auslegung zu wählen. Es bietet sich an, Art. 32 Brüssel Ia-VO analog anzuwenden.200
188 Schulze, IPRax 2001, 527, 532; Stadler, ZZP 115 (2002), 515, 520. 189 EuGH v. 22.12.2010 – C-491/10 PPU, ECLI:EU:C:2010:828 – Aguirre Zaraga vs. Pelz, EuGHE 2010 I 14247 Rz. 67. 190 EuGH v. 22.12.2010 – C-491/10 PPU, ECLI:EU:C:2010:828 – Aguirre Zaraga vs. Pelz, EuGHE 2010 I 14247 Rz. 14. 191 Betetto, EuLF 2006, I-137, I-141; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 174; Kohake, DRiZ 2021, 378, 379; Schmidt, Rz. 356; Schulze, IPRax 2001, 527, 532; Stadler, ZZP 115 (2002), 515, 520. 192 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 174; Schulze, IPRax 2001, 527, 533. 193 Hierzu eingehend Vorwerk, FS Krämer, 2009, S. 551, 560 ff. 194 Schulze, IPRax 2001, 527, 532; näher (zum österreichischen Recht) Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 91 f. 195 Schulze, IPRax 2001, 527, 532. 196 Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 87. 197 So aber Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 51; wie hier Kreuzer/Wagner/Reder in Dauses/Ludwigs, Rz. Q I 46; zur Problematik näher de Vareilles-Sommières in Nuyts/Watté, S. 381, 388 ff. und Nuyts/ Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 89 f., die aber de lege ferenda mit der Einbeziehung drittstaatlicher Verfahren sympathisieren (fragwürdig). 198 Kreuzer/Wagner/Reder in Dauses/Ludwigs, Rz. Q I 46. 199 Hierzu eingehend Kropholler, EuZPR, 6. Auflage 1998, Art. 21 EuGVÜ Rz. 12 ff. 200 Näheres zu Art. 32 Brüssel Ia-VO s. Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 32 Brüssel Ia-VO.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-BewVO
b) Beweisermittlung vor dem Hauptverfahren (discovery und disclosure) (1) Verhältnis von Art. 1 Abs. 2 EU-BewVO zur Protokollerklärung 54/01 Nach Art. 1 Abs. 2 EU-BewVO darf um eine Beweisaufnahme nicht nur dann ersucht werden, wenn die Beweise zur Verwendung in einem bereits eingeleiteten gerichtlichen Verfahren bestimmt sind, sondern auch, wenn diese zur Verwendung in einem gerichtlichen Verfahren bestimmt sind, dessen Eröffnung geprüft wird. Hierin weicht die Verordnung von dem deutschen Vorschlag für die EGBewVO ab, dessen Art. 1 Abs. 2 ein Ersuchen auf den Fall beschränken wollte, dass die Beweise zur Verwendung in einem bei dem ersuchenden Gericht anhängigen Verfahren bestimmt seien. Aus der Einbeziehung einer Beweisaufnahme für zukünftige Verfahren wird der Schluss gezogen, dass die EUBewVO auch auf Vorverfahren zur Beweiserhebung, insbesondere die in den Ländern des common law übliche discovery, Anwendung finde.201
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Im Gegensatz zum HBÜ (Art. 23 HBÜ202) enthält die EU-BewVO keine explizite Vorbehaltsklausel 37 gegenüber einer sog. pre-trial discovery.203 Jedoch hat der Rat auf seiner Tagung vom 28.5.2001 anlässlich der Verabschiedung der EG-BewVO die folgende Erklärung Nr. 54/01 abgegeben:204 „‚Pre-trial discovery‘, einschließlich Ausforschungen (so genannte ‚fishing expeditions‘), sind [sic] vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen.“ Die genaue Tragweite dieser Erklärung für die Auslegung der EU-BewVO ist noch nicht abschließend geklärt.205 Da Art. 288 AEUV (ex-Art. 249 EGV), der die rechtlichen Handlungsformen der Gemeinschaft abschließend regelt, die Protokollerklärung nicht nennt, handelt es sich nicht um einen Rechtsakt im engeren Sinne.206 Jedoch erkannte bereits der EGVertrag mittelbar die Existenz von Protokollerklärungen an, indem er deren Veröffentlichung anordnete, wenn der Rat als Gesetzgeber tätig wurde (ex-Art. 207 Abs. 3 Unterabs. 2 S. 3 EGV). Protokollerklärungen werden häufig verwendet, um Bedenken einzelner Ratsmitglieder gegen bestimmte Punkte eines Regelungsvorschlags Rechnung zu tragen und so einen Konsens zu ermöglichen.207 Derartige Äußerungen können zum einen bloße politische Absichtserklärungen darstellen, indem sie z.B. die Bereitschaft bekunden, eine bestimmte Regelung nach einiger Zeit zu evaluieren.208 Hierum handelt es sich bei der Erklärung Nr. 54/01 aber ersichtlich nicht. Vielmehr liegt hier der Fall einer sog. „auslegenden Erklärung“ vor, mit welcher der Rat eine Präferenz für eine bestimmte Auslegung eines Rechtsaktes verlauten lässt.209 Das Vorbild dieser Strategie liegt in der entsprechenden Übung beim 201 Adolphsen in Marauhn, S. 1, 8 f.; Alio, NJW 2004, 2706, 2707; Berger, IPRax 2001, 522 f.; Bruneau, JClP (G) 2001 I, 349, p 1768; Klauser, S. 3 f.; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 225; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EG-BewVO Rz. 6; Valdhans/Sehnálek in van Rhee/Uzelac, 2015, S. 337, 353; zu den besonderen Problemen der „electronic discovery“ vgl. (im Rahmen des HBÜ) Junker, Electronic Discovery. 202 Hierzu Adler, IPRax 2015, 364 ff.; Brinkmann, IPRax 2015, 109 ff.; zur gescheiterten Gesetzesänderung (Art. 3 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften im Bereich des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts, BT-Drucks. 18/10714) im Jahre 2017 s. Nordmeier, IPRax 2017, 436, 442; Roffman/Emer/ Kräft, GWR 2018, 323, 325 f.; Winkler, FS Wegen, 2015, S. 807 ff., m.w.N.; zur französischen Rechtspraxis näher Lenoir, Rev. fr. dr. admin. 2014, 487 ff. 203 Vgl. GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-49 Rz. 66; ferner Biavati, Riv. trim. dir. proc. civ. 2005, 425, 439 ff.; Lenoir, Rev fr dr admin 2014, 487, 491. 204 Monatliche Aufstellung der Rechtsakte des Rates, Mai 2001 Nr. 10571/01 (4.7.2001) Anlage II 16; zur Entstehungsgeschichte Niehr, S. 160 f. 205 Alio, NJW 2004, 2706, 2707; näher Niehr, S. 160 f. Zur Berücksichtigung von Protokollerklärungen im Allgemeinen s. Hix in Schwarze/EU-Kommentar (4. Aufl. 2019), Art. 237 AEUV Rz. 16 f.; Obwexer in Streinz/ EUV/AEUV (3. Aufl. 2018), Art. 237 AEUV Rz. 65; ferner Dreher, EuZW 1996, 487, 490; Herdegen, ZHR 155 (1991), 52 ff.; Karl, JZ 1991, 593 ff.; Pechstein, EuR 1990, 249 ff. 206 Vgl. Pechstein, EuR 1990, 249, 250 („numerus clausus der Rechtsakte“); von „soft law“ spricht Karl, JZ 1991, 593, 594 f. 207 Hix in Schwarze/EU-Kommentar (4. Aufl. 2019), Art. 237 AEUV Rz. 16 f.; Dreher, EuZW 1996, 487, 490; Herdegen, ZHR 155 (1991), 52, 53; Karl, JZ 1991, 593, 594; Pechstein, EuR 1990, 249. 208 Hix in Schwarze/EU-Kommentar (4. Aufl. 2019), Art. 237 AEUV Rz. 16. 209 Ebenso GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-49 Rz. 69; Seibl, in Encyclopedia PIL, S. 713; eingehend zur Bedeutung „auslegender“ Protokollerklärungen Hix in Schwarze/EU-Kommentar (4. Aufl. 2019), Art. 237 AEUV Rz. 16 f.; Obwexer in Streinz/EUV/AEUV (3. Aufl. 2018), Art. 237 AEUV
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich Abschluss völkerrechtlicher Verträge.210 Gleichwohl ist Art. 31 Abs. 2 lit. a und b der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK211), der die Berücksichtigung entsprechender Übereinkünfte gebietet, wegen der Natur des Europarechts als gegenüber dem Völkerrecht eigenständige Rechtsmaterie nicht anwendbar.212 Da das Monopol für die Auslegung des Unionsrechts bei dem EuGH liegt (Art. 19 EUV), kann der Rat als Legislativorgan keine „authentische Interpretation“ der EU-BewVO festlegen.213 38
Für die Verwertung einer Protokollerklärung gelten nach dem EuGH die folgenden Grundsätze: Eine Protokollerklärung kann nicht zur Auslegung abgeleiteten Rechts herangezogen werden, wenn der Inhalt der Erklärung im Normtext keinen Ausdruck gefunden und somit keine rechtliche Bedeutung erlangt hat.214 Eine solche Erklärung kann jedoch bei der Auslegung berücksichtigt werden, soweit sie der Klarstellung eines allgemeinen Begriffes dient.215
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Daher kommt es in Betracht, die Protokollerklärung Nr. 54/01 als Versuch der Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals der Bestimmung der Beweise zur „Verwendung […] in einem gerichtlichen Verfahren […], dessen Eröffnung geprüft wird“, anzusehen.216 Unter einer pre-trial discovery versteht man ein vor allem im US-amerikanischen Recht vorgesehenes Verfahren zwischen Klageerhebung und Hauptverhandlung, mit dessen Hilfe die gegnerische Partei oder ein Dritter zur Vorlegung von Beweismitteln (nicht nur Urkunden) gezwungen werden kann.217 Für die Zulässigkeit des Vorlageersuchens ist nur ein sehr geringer Grad an vermuteter Relevanz des verlangten Beweismaterials für die spätere Hauptverhandlung vonnöten.218 Selbst die Anforderung irrelevanter Beweismittel ist zulässig, sofern diese geeignet sind, als Ausgangspunkt für das eventuelle Aufdecken weiteren prozesstauglichen Materials zu dienen.219 Diese Ausforschung des Gegners wird auch als „fishing expedition“ bezeichnet.220
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Rz. 65; ferner Dreher, EuZW 1996, 487, 490; Herdegen, ZHR 155 (1991), 52 ff.; Karl, JZ 1991, 593 ff.; Pechstein, EuR 1990, 249 ff. Herdegen, ZHR 155 (1991), 52, 56 f.; Karl, JZ 1991, 593, 596; Pechstein, EuR 1990, 249, 250 f. Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.5.1969, BGBl. 1985 II 926. Herdegen, ZHR 155 (1991), 52, 57; Karl, JZ 1991, 593, 596 ff.; Pechstein, EuR 1990, 249, 250 f. Vgl. allgemein Herdegen, ZHR 155 (1991), 52, 56 f.; Karl, JZ 1991, 593, 596; Pechstein, EuR 1990, 249, 251 f. EuGH v. 26.2.1991 – C-292/89, ECLI:EU:C:1991:80 – The Queen vs. Immigration Appeal Tribunal ex parte: Gustaff Desiderius Antonissen, EuGHE 1991 I 745, 778 Rz. 18; EuGH v. 19.3.1996 – C-25/94, ECLI:EU:C: 1996:114 – Kommission vs. Rat, EuGHE 1996 I 1469, 1508 Rz. 38; EuGH v. 29.5.1997 – C-329/95, ECLI:EU: C:1997:256 – VAG Sverige, EuGHE 1997 I 2686, 2694 Rz. 23; EuGH v. 3.12.1998 – C-368/96, ECLI:EU:C: 1998:583 – The Queen vs. The Licensing Authority ex parte: Generics [UK] Ltd., EuGHE 1998 I 7967, 8016 Rz. 26; EuGH v. 10.1.2006 – C-402/03 – Skov, EuGHE 2006 I 199 Rz. 42; vgl. auch BverfG v. 22.3.1995 – BvG 1/89, BVerfGE 92, 203, 244; ebenso Hix in Schwarze/EU-Kommentar, Art. 237 AEUV Rz. 17; Obwexer in Streinz/EUV/AEUV, Art. 237 AEUV Rz. 65. EuGH v. 3.12.1998 – C-368/96, ECLI:EU:C:1998:583 – The Queen vs. The Licensing Authority ex parte: Generics [UK] Ltd., EuGHE 1998 I 7967, 8016 Rz. 27; zust. Hix in Schwarze/EU-Kommentar, Art. 237 AEUV Rz. 17. Ebenso GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-49 Rz. 66 ff., insb. Rz. 69; Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme INT/867, ABl. EU 2019 C 62/56, Rz. 5.2.4; Fumagalli in Liber Pocar, 2009, S. 391, 400 f.; Heinze, IPRax 2008, 480, 481 f.; Janal, § 15 Rz. 56; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.61; Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 84 f.; Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 86 in Fn. 28; im Ausgangspunkt, aber mit rechtspolitischer Kritik auch Tsikrikas, FS Simotta, 2012, S. 635, 638; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 58. Näher Adler, IPRax 2015, 364 ff.; Brinkmann, IPRax 2015, 109 ff.; Junker, ZZPInt 1 (1996), 235 ff.; Lorenz ZZP 111 (1998), 35 ff.; Paulus, ZZP 104 (1991), 397, 399; Reiling, Das US-amerikanische Discovery-Verfahren im Rahmen deutscher gerichtlicher Auseinandersetzungen; Roffman/Emer/Kräft, GWR 2018, 323 ff., 343 ff.; Schack, IZVR, Rz. 876; Zekoll/Bolt, NJW 2002, 3129, 3133 f. Schack, IZVR, Rz. 876; Zekoll/Bolt, NJW 2002, 3129, 3133 f. Rule 26(b)(1) Federal Rules of Civil Procedure; hierzu aus deutscher Sicht Schack, IZVR, Rz. 876; Wagner, ZEuP 2001, 441, 463; Zekoll/Bolt, NJW 2002, 3129, 3133 f. Zum Begriff „fishing expedition“ näher Wagner, ZEuP 2001, 441, 463 m.w.N.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-BewVO
(2) Discovery, Disclosure und ähnliche Vorlagepflichten aa) Standard disclosure Jedoch gilt die EU-BewVO nicht im Verhältnis zu den USA, so dass als möglicher Adressat der Pro- 40 tokollerklärung Nr. 54/01 in erster Linie die europäischen Common Law-Rechtsordnungen (zu den Auswirkungen des „Brexit“ s. Rz. 51) in Betracht kommen.221 Hier stellt sich die Frage, ob die Protokollerklärung Nr. 54/01 herangezogen werden kann, um Ersuchen auf der Grundlage von Art. 1 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 lit. a EU-BewVO abzulehnen. Ersuchen aus kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen (etwa um eine „Beschreibung“ nach italienischem Immaterialgüterrecht) müssen freilich an denselben Maßstäben gemessen werden.222 Auch wenn die EU-BewVO aufgrund des Brexit nicht im Vereinigten Königreich gilt, ist für ein diffe- 41 renziertes Verständnis der verschiedenen Formen von Beweisvorlageverfahren ein Blick in die Mutterrechtsordnung des Common Law hilfreich. Das englische Recht der discovery weicht seit je stark von seinem amerikanischen Gegenstück ab.223 Die Gegensätze sind noch verschärft worden durch die Reform des englischen Zivilprozessrechts (Civil Procedure Rules [C.P.R.] 1999).224 Aber auch das herkömmliche englische Recht erstreckte die Vorlagepflicht auf Dokumente, die zwar selbst nicht entscheidungsrelevant waren, jedoch möglicherweise Hinweise auf weiteres Beweismaterial geben konnten („train of enquiry“-Dokumente, sog. Peruvian-Guano-Formel).225 Diese Formel ermöglichte Vorlageersuchen, die aus deutscher Sicht eine unzulässige Ausforschung darstellen. Die Reform von 1999 hat die discovery durch eine neue Form der disclosure (C.P.R. part 31) ersetzt. Hierbei ist zwischen dem Normalfall der standard disclosure und der specific disclosure zu unterscheiden. Gemäß Rule 31.6 C.P.R. erfordert eine standard disclosure von einer Partei lediglich, solche Dokumente offen zu legen, auf die sie sich beruft – C.P.R. 31.6(a) –, die von Nachteil für das eigene Vorbringen oder das einer anderen Partei sind – C.P.R. 31.6(b)(i) bzw. (ii) –, die das Vorbringen einer anderen Partei unterstützen – C.P.R. 31.6(b)(iii) –, oder deren Offenlegung in einer Begleitverordnung (practice direction) zu den C.P.R. geboten wird, C.P.R. 31.6(c). Die von der Partei bei der Suche nach relevantem Beweismaterial zu verlangenden Bemühungen müssen verhältnismäßig („reasonable“) sein (C.P.R. 31.7). Unter den Voraussetzungen des C.P.R. 31.12 sowie der practice direction 5 kann darüber hinaus eine specific disclosure angeordnet werden, in deren Rahmen die Vorlage bestimmter Dokumente oder die Durchführung bestimmter Suchmaßnahmen befohlen werden kann. Bedingung hierfür ist, dass der Antragsteller glaubt, dass die bisherige Offenlegung der gegnerischen Seite nur unzureichend erfolgt ist. Ausnahmsweise kann auch die Vorlage von Dokumenten verlangt werden, von denen vernünftigerweise anzunehmen ist, dass sie zu einer Aufspürung von Beweismaterial führen werden (train of enquiry), practice direction 5.5(1)(b). Hierin lebt die alte Peruvian-Guano-Formel in
221 Rechtsvergleichend Matthews/Malek, Disclosure, 4. Auflage 2012, Rz. 1.15 ff. m.w.N.; zum englischen Recht ausführlich Niehr, S. 50 ff.; zu einer „discovery light“ in europäischen Modellregeln Rechberger, FS Herbert Roth, 2021, S. 803 ff. 222 Eingehend zu einem Ersuchen aus Italien GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007: 451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-49 Rz. 66 ff.; ebenso Heinze, IPRax 2008, 480, 481 f. 223 Zur Entstehungsgeschichte des Art. 23 HBÜ ausführlich Junker, Discovery, S. 287 ff.; zur heutigen Praxis vgl. BayObLG v. 6.11.2020 – 101 VA 130/20, IWRZ 2021, 93 m. Anm. Fahrbach; zu den Unterschieden zwischen amerikanischer discovery und englischer disclosure näher Matthews/Malek, Disclosure, 4. Aufl. 2012, Rz. 1.04, 1.21–22; aus deutscher Sicht hierzu Wagner, ZEuP 2001, 441, 463 ff.; R. Stürner, FS Herbert Roth, 2021, S. 1055, 1057 f. 224 Text und Kommentar bei Grainger/Fealy, The Civil Procedure Rules in Action, 3. Auflage 2000; ausf. Überblick über die Reform bei Andrews, ZZPInt 4 (1999), 3–25 (zur disclosure: 19 f.); in deutscher Sprache bei Schröder, S. 246 ff.; Stürner, ZVglRWiss 99 (2000), 310–337 (zur disclosure: 323); Weber, ZZPInt 5 (2000), 59–74 (zur disclosure: 70–73); knapper Sobich, JZ 1999, 775 ff. (zur disclosure: 778 f.); speziell zur disclosure auch Brandt, Disclosure, S. 41 ff.; D. Schneider, IWRZ 2018, 195 ff.; Wagner, ZEuP 2001, 441, 471–473. 225 Seit der Leitentscheidung Court of Appeal v. 20.12.1882 – Compagnie Financière du Pacifique v. Peruvian Guano Co (1882), 11 Q.B.D. 55 at 63 (per Brett L. J.); hierzu eingehend Matthews/Malek, Disclosure, 4. Aufl. 2012, Rz. 5.08–11, 6.45–56; aus dt. Sicht Brandt, Disclosure, S. 51 f.; Wagner, ZEuP 2001, 441, 464 f.; Stürner, ZVglRWiss 99 (2000), 310, 323.
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich abgeschwächter Gestalt weiter. Die Befürchtung, die englischen Gerichte könnten dies als Einfallstor für ein Festhalten an der traditionellen discovery missbrauchen, hat sich bisher nicht bestätigt.226 42
Das irische Recht der discovery orientiert sich herkömmlich an dem englischen Rechtszustand, wie er vor 1999 galt, auch im Hinblick auf die Peruvian-Guano-Formel.227 Jedoch hat sich auch dort die Erkenntnis verbreitet, dass entsprechende Herausgabeverlangen leicht zu einem in Bezug auf Zeit und Kosten unverhältnismäßigen Aufwand führen können.228 Bereits 1999 wurden daher die Practice Orders dahingehend verschärft, dass die herausverlangten Dokumente exakt bezeichnet werden müssen.229 Nach der vielbeachteten Entscheidung des Supreme Court in der Sache Tobin230 hat eine von der Regierung eingesesetzte Kommission Vorschläge für eine erneute Einschränkung der discovery vorgelegt.231 Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Einstweilen gilt: Ein Vorlageersuchen, das die offenzulegenden, unmittelbar beweisrelevanten Dokumente präzise bezeichnet, fällt in den Anwendungsbereich der EU-BewVO.232 Die Gefahr einer fishing expedition besteht insoweit nicht. Ein Common Law-Gericht ist im Übrigen nicht dazu gezwungen, den nach der EU-BewVO vorgesehenen Weg der Rechtshilfe zu beschreiten; es kann auch – ebenso wie ein deutsches Gericht (s. Rz. 26) – die Vorlage von Dokumenten als extraterritoriale Beweisbeschaffungsmaßnahme anordnen. bb) Vorlage nur mittelbar beweisrelevanter Dokumente
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Vom Anwendungsbereich der EU-BewVO ausgenommen bleiben indes Beweisermittlungsersuchen, die auf die Vorlage nur mittelbar beweisrelevanter Dokumente – train of enquiry i.S.d. Peruvian-GuanoFormel (s. Rz. 41) – gerichtet sind.233 Insoweit fehlt es an der Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals „zur Verwendung in einem … gerichtlichen Verfahren“. Hiermit ist, wie die Protokollerklärung Nr. 54/01 verdeutlicht, nur eine unmittelbare Verwendung der Beweise im Gerichtsverfahren gemeint, nicht lediglich eine mittelbare Verwendung in dem Sinne, dass die Dokumente, um deren Vorlage ersucht wird, erst zur Aufspürung von verwendungsfähigem Beweismaterial führen.234 Die hier vorgeschlagene Differenzierung zwischen präzisen Herausgabeverlangen und unzulässigen Beweisermittlungen entspricht im Übrigen nicht nur der deutschen Rechtsauffassung,235 sondern auch der traditionellen britischen Haltung, bei der Erledigung von Rechtshilfeersuchen zwischen der Vorlage entscheidungserheblicher Beweismittel (evidence) und einer unzulässigen Ermittlung beweisrelevanten Materials zu unterscheiden.236 226 Brandt, Disclosure, S. 51 f.; Grainger/Fealy, The Civil Procedure Rules in Action, 3. Auflage 2000, S. 90; vgl. auch Wagner, ZEuP 2001, 441, 471. 227 Näher Kelly, Review of the Administration of Civil Justice, 2020, S. 147 ff.; Moriarty, Evidence in Civil Law – Ireland, 2015, S. 21 ff. 228 Kelly, Review of the Administration of Civil Justice, 2020, S. 162 ff. 229 Order 31, r.12 RSC as amended by SI 233 of 1999 Rules of the Superior Courts (No. 2) (Discovery), 1999; hierzu Moriarty, Evidence in Civil Law – Ireland, 2015, S. 22. 230 Supreme Court of Ireland v. 15.7.2019 – Tobin vs. Minister for Defence & Ors, [2019] IESC 57. 231 Kelly, Review of the Administration of Civil Justice, 2020, S. 186 ff. 232 Ebenso Fumagalli in Liber Pocar, 2009, S. 391, 401; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 39; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 225; Mayr, Rz. VIII/10; Müller, S. 52; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 8; Niehr, S. 160 f. 233 Ebenso GA Kokott Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-49 Rz. 72; Fumagalli in Liber Pocar, 2009, S. 391, 401; Heinze, IPRax 2008, 480, 482; Janal, § 15 Rz. 56 in Fn. 407; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.61; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 8; dazu tendierend auch Fucik in Fasching/ Konecny, Art. 1 EG-BewVO Rz. 9; str, a.A. Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 39; für Einzelfallprüfung Müller, S. 52; wohl auch McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 36. 234 GA Kokott Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-49 Rz. 72; Heinze, IPRax 2008, 480, 482; in diesem Sinne auch Mayr, Rz. VIII/9; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 680. 235 So aber die Kritik von Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 39. 236 Grundlegend Radio Corp of America vs. Rauland Corp, [1956] 1 Q.B. 618, 643 (per Devlin, J.); trotz zwischenzeitlich erfolgter Gesetzesänderung bestätigt von House of Lords v. 1.12.1977 – Rio Tinto Zinc Corp vs. Westinghouse Electric Corp, (1978) 2 WLR. 81, 86 (per Lord Wilberforce) 96 (per Viscount Dilhorne) 117 (per Lord Fraser); aus heutiger Sicht vgl. Matthews/Malek, Disclosure, 4. Aufl. 2012, Rz. 5.30, 10.57; aus deut-
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Der gegen diese Differenzierung unter dem HBÜ erhobene Einwand, der besondere Vorbehalt gegen 44 die pre-trial discovery in Art. 23 HBÜ wäre bei dieser restriktiven Auslegung des Art. 1 Abs. 2 HBÜ überflüssig,237 überzeugt im Rahmen des Art. 1 Abs. 2 EU-BewVO nicht, weil die EU-BewVO keinen entsprechenden Vorbehalt aufweist. Ferner ist der zur Korrektur eines weit gefassten Anwendungsbereichs des HBÜ erwogene Weg über den ordre public (Art. 12 Abs. 1 lit. b HBÜ)238 unter der EUBewVO nicht gangbar, da die Verordnung keine vergleichbare Klausel enthält.239 Schließlich ist auch die Überlegung, der Anwendungsbereich des HBÜ sei weit zu fassen, weil der Beitritt zu diesem Übereinkommen für die USA sonst keinen Sinn ergeben hätte,240 auf den Anwendungsbereich der EU-BewVO nicht übertragbar, weil die Verordnung nicht für die USA gilt. Die Erklärung des Opt-In war aber für das Vereinigte Königreich (in Bezug auf die EG-BewVO; zu den Auswirkungen des „Brexit“ s. Rz. 51) und für Irland auch bei einer engen Auslegung des Art. 1 Abs. 2 EU-BewVO sinnvoll, weil man in diesen Ländern Beweisermittlungsanträge, die auf die Vorlage von nur mittelbar beweisrelevanten Dokumenten abzielen, ebenfalls mit großer Zurückhaltung sieht. Da die EU-BewVO zudem keinen exklusiven Charakter hat (s. Rz. 13), bleibt es einem Common-Law-Gericht unbenommen, eine Beweisermittlung zu Lasten einer Partei anzuordnen, auch sofern die relevanten Dokumente sich in einem anderen Mitgliedstaat befinden.241 Dies bietet sich in der Praxis auch deshalb an, weil kontinentaleuropäische Zentralstellen (z.B. in Frankreich) die Durchführung eines Ersuchens, das auf die Vorlage von nur mittelbar beweisrelevanten Dokumenten auf ihrem Hoheitsgebiet gerichtet ist, zumeist ablehnen.242 cc) Offenlegung von Beweismitteln vor Klageerhebung Hinsichtlich des Zeitpunkts einer discovery oder disclosure ist zu unterscheiden:243 Üblicherweise wird eine solche Offenlegung während des Verfahrens, d.h. nach Klageerhebung, aber vor der Hauptverhandlung, beantragt.244 Insofern handelt es sich um einen Abschnitt eines eingeleiteten Verfahrens i.S.d. Art. 1 Abs. 2 EU-BewVO. Es ist jedoch auch ein Vorverfahren im engeren Sinne, d.h. vor Beginn des Gerichtsverfahrens, möglich.245 Da Art. 1 Abs. 2 EU-BewVO die Rechtshilfe auch für ein Verfahren vorsieht, „dessen Eröffnung geprüft wird“, bestehen gegen die Einbeziehung eines solchen Vorverfahrens keine Bedenken.246
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scher Sicht s. hierzu Junker, Discovery, S. 283 f.; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, 1987, S. 200 f., 205 f.; Schlosser, Rec. 284 (2000), 9, 133–137; ferner Geimer, IZPR, Rz. 2472. Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, 1987, S. 205. Vgl. Pabst in MünchKomm/ZPO/Pabst, Art. 12 HBÜ Rz. 1 m.w.N.; Schütze, FS Stiefel, 1987, S. 697, 703: Ausforschungsbeweis sei Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public (zu § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO; verneinend aber insoweit BGH v. 4.6.1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312, 323 = IPRax 1993, 310); skeptisch bis ablehnend zur Tragfähigkeit des Art. 12 Abs. 1 lit. b HBÜ in dieser Frage die h.L., eingehend Junker, Discovery, S. 322 f.; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, 1987, S. 224–227; ferner Geimer, IZPR, Rz. 2490; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 12 HBÜ Rz. 2; Berger in Stein/ Jonas, § 363 Anh. A Art. 12 HBÜ Rz. 70 f.; gleichsinnig zu Art. 13 HZÜ OLG Frankfurt v. 13.2.2001 – 20 VA 7/00, RIW 2001, 464 = ZZPInt 6 (2001), 245 m. Anm. Hau. Für das Hineinlesen eines ungeschriebenen ordre-public-Vorbehalts in die EG-BewVO zur Abwehr von Ausforschungen Schütze, Rechtsverfolgung, Rz. 321; dagegen aber Berger, IPRax 2001, 522, 524; Geimer, IZPR, Rz. 2378b. Schlosser, Rec. 284 (2000), 9, 136; vgl. auch Schack, IZVR, Rz. 881. High Court of Justice v. 11.4.2013 – National Grid Electricity Transmission plc vs. ABB Limited and others, [2013] EWHC 822 (Ch.); auch Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 39 räumt letztlich ein, dass das praktische Bedürfnis für eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs der EG-BewVO in diesem Punkt gering ist. So auch High Court of Justice v. 11.4.2013 – National Grid Electricity Transmission plc vs. ABB Limited and others, [2013] EWHC 822 (Ch.); näher Lenoir, Rev. fr. dr. admin. 2014, 487 ff. Ausführlich zu zeitlichen Problemen der disclosure Matthews/Malek, Disclosure, 4. Aufl. 2012, Chapter 2. Matthews/Malek, Disclosure, 4. Aufl. 2012, Rz. 2.01. Zur pre-action discovery nach irischem Recht Supreme Court of Ireland v. 1.1.1993 – Megaleasing UK Ltd. vs. Barrett, [1993] ILRM 497; Kelly, Review of the Administration of Civil Justice, 2020, S. 189; vgl. noch zum englischen Recht die sog. pre-action disclosure, z.B. nach Rule 31.16 CPR. Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 38.
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Da um eine Beweisaufnahme auch zur Verwendung in einem „zu eröffnenden“ gerichtlichen Verfahren ersucht werden darf, wird auch die Rechtshilfe für ein selbstständiges Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO von der EU-BewVO erfasst.247 Entsprechendes gilt für ausländische Beweissicherungsverfahren, etwa die „mesures d’instruction in futurum“ nach Art. 145 cpc248 oder die Beschreibung (descrizione) nach italienischem Immaterialgüterrecht.249 Schwierigkeiten bereitet insoweit die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der EU-BewVO von der Brüssel Ia-VO.250 Die Heranziehung der Brüssel Ia-VO auf Maßnahmen der Beweissicherung weckt insofern Zweifel, als selbstständige Beweisverfahren nicht in eine gem. Art. 36 ff. Brüssel Ia-VO anerkennungs- und vollstreckungsfähige Entscheidung münden.251 Vielmehr entfaltet die Beweiserhebung lediglich ihre Wirkung im weiteren Verfahrensfortgang.252 Auch das mag man zwar im weiteren Sinne als eine „Anerkennung“ bezeichnen;253 so sprach z.B. noch Art. 18a des Kommissionsvorschlags von 2018 (s. Einl. EU-BewVO Rz. 6) von einer gegenseitigen Anerkennung digitaler Beweismittel.254 Aber es handelt sich insoweit nicht um eine Anerkennung i.S.d. Art. 36 Brüssel Ia-VO.255 Jedoch schließt die fehlende Anerkennungsmöglichkeit es wiederum nicht notwendigerweise aus (vgl. Art. 2 lit. a Brüssel Ia-VO), zumindest die Zuständigkeitsvorschriften der Brüssel Ia-VO über den Erlass einstweiliger Maßnahmen (Art. 35 Brüssel Ia-VO) auf ein Beweissicherungsverfahren anzuwenden.256 So verfährt insbesondere die französische Praxis.257 Auch nach heute überwiegender Ansicht in der Literatur soll Art. 35 Brüssel Ia-VO
247 Adolphsen in Marauhn, S. 1, 9; Alio, NJW 2004, 2706, 2707; Schmidt in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/ Anders/Gehle, § 1072 ZPO Rz. 4; Berger, IPRax 2001, 522, 523; Kreuzer/Wagner/Häcker in Dauses/Ludwigs, Rz. Q III 33; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 33; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EGBewVO Rz. 49; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 197; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 152; Hess/Zhou, IPRax 2007, 183, 184; Holzgreve, Ausländische Beweissicherungsverfahren, S. 70 f.; Mayr, Rz. VIII/9; Müller, S. 93 f.; Stadler in Musielak/Voit, § 363 ZPO Rz. 16; Nagel/Gottwald, IZPR, § 17 Rz. 85; Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 87; Schmidt, Rz. 372; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1302 ff.; Schütze in Wieczorek/ Schütze, § 1072 Rz. 6; Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 63. 248 Bruneau, JClP (G) 2001, I 349, p 1768; Holzgreve, Ausländische Beweissicherungsverfahren, S. 38 ff.; MeyerFabre, Trav com fr dr i p. 2002-04, 199, 215; Pataut, Rev. crit. dr. i. p. 94 (2005), 747 ff.; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 11; wohl auch Olivier, Gaz.Pal.Doctr. 2002, 1302, 1304; einschränkend Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 224 (nur bei realer Verbindung mit Staat des ersuchenden Gerichts); für Anwendbarkeit der Brüssel I-VO Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1302; ausführlich zum Verfahren nach Art. 145 cpc Dörschner, S. 109 ff.; zum belgischen Recht Mougenot, J. T. 2002, 17, 18; s. auch zu einem kort geding die Entscheidung der Rechtbank van Koophandel, Kortrijk (Belgien) v. 13.7.2004 – 47/04 RK – Geldof Metaalconstructie vs. Weighing & Inpection Belgium, http://www.eurprocedure.be/cases/2004-07-13.html (abgerufen am 27.10.2021); aus italienischer Sicht Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 333; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 681; aus spanischer Sicht Herrera Petrus, S. 190. 249 Eingehend GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42 ff. 250 Näher Heinze, IPRax 2008, 480 ff.; Hess/Zhou, IPRax 2007, 183 ff.; Holzgreve, Ausländische Beweissicherungsverfahren, S. 58 ff.; Mankowski, JZ 2005, 1144 ff.; Rushworth, L.M.C.L.Q. 2009, 196 ff.; Seibl, in Encyclopedia PIL, S. 709, 715 f.; Ubertazzi, GRUR-Int. 2008, 807 ff. 251 Janal, § 11 Rz. 46; Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 15; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1303; zu den Anforderungen an eine anerkennungsfähige Entscheidung näher Kropholler/von Hein, Art. 32 Brüssel I-VO Rz. 24. 252 So im Ausgangspunkt auch OLG München v. 19.2.2014 – 15 W 912/13, IPRax 2015, 93, 94. 253 Schlosser, IPRax 2017, 551, 552. 254 Mit Recht kritisch Knöfel, RIW 2018, 712, 718 („zeitgemäß gemeint […], aber systemwidrig“). 255 Holzgreve, Ausländische Beweissicherungsverfahren, S. 66; Huber, ZEuP 2014, 642, 659; Niggemann, IPRax 2015, 75, 77. 256 OLG Dresden v. 15.9.2011 – 10 W 376/11, unalex Rechtsprechung DE-2252; Gaudemet-Tallon, Clunet 145 (2018), 1163 f.; Holzgreve, Ausländische Beweissicherungsverfahren, S. 66; einschränkend OLG München v. 19.2.2014 – 15 W 912/13, IPRax 2015, 93, 94. 257 Cass. civ. 1ère v. 14.3.2018 – n° 16-19.731, D 2018, 623 (Ls) = Clunet 145 (2018) 1156 m. Anm. GaudemetTallon; ebenso zu Art. 31 LugÜ Cass. civ. 1ère v. 14.3.2018 – n° 16-27.913, D 2018, 623 (Ls) = Clunet 145 (2018) 1155 m. Anm. Gaudemet-Tallon.
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Art. 1 EU-BewVO
auf die Beweissicherung grundsätzlich anwendbar sein.258 Folglich soll dem Kläger grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen der Brüssel Ia-VO und der EU-BewVO zustehen.259 Nach einer vorsichtigeren Auffassung soll die Brüssel Ia-VO subsidiär zur EU-BewVO sein, d.h. nur dann zum Zuge kommen, wenn die EU-BewVO keine effektive Beweisaufnahme oder -beschaffung ermögliche.260 Irland und das Vereinigte Königreich haben sogar vor dem EuGH die Ansicht vertreten, der Brüssel Ia-VO komme ein Vorrang vor der EU-BewVO zu.261 Andere wollen einen Rückgriff auf die Brüssel Ia-VO davon abhängig machen, wie die Beweissicherung in der lex fori des ersuchenden Gerichts ausgestaltet sei.262 Schließlich ist vorgeschlagen worden, für innerprozessual ausgestaltete selbstständige Beweisverfahren allein auf die EU-BewVO zurückzugreifen.263 Davon unberührt bliebe die Durchsetzung materiell-rechtlicher Vorlage- und Herausgabeansprüche (etwa § 809 BGB, § 33g GWB), z.B. in Bezug auf Urkunden, nach Art. 35 Brüssel Ia-VO.264 Diese Differenzierung je nach einer materiell- oder prozessrechtlichen Ausgestaltung von Ansprüchen, die funktional gleichermaßen auf die Sicherstellung von Informationsquellen gerichtet sind, würde zwar für eine gewisse Rechtssicherheit sorgen,265 erscheint aber angesichts der oft zufälligen Trennlinie zwischen Sach- und Verfahrensrecht in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen letztlich unbefriedigend.266 Der EuGH hat insoweit entschieden, dass eine Anordnung auf vorgezogene Zeugenvernehmung nach niederländischem Recht nicht als eine einstweilige Maßnahme i.S.d. Art. 24 EuGVÜ, dem Art. 35 Brüssel Ia-VO inhaltlich entspricht, qualifiziert werden kann, wenn sie allein dem Interesse des Antragstellers an der Beurteilung der Zweckmäßigkeit eines Verfahrens in der Hauptsache dient.267 Dies begründet der Gerichtshof 258 Dörschner, S. 163; van Drooghenbroeck/de Boe in Guinchard, S. 179 ff.; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EGBewVO Rz. 33; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 194 ff.; Heinze, IPRax 2008, 480, 484 f.; Holzgreve, Ausländische Beweissicherungsverfahren, S. 61 ff.; Janal, § 11 Rz. 51 ff.; Knöfel, EuZW 2008, 267, 268; Linke/Hau, IZVR, Rz. 10.49; Mankowski, JZ 2005, 1144 ff.; Niggemann, IPRax 2015, 75, 78; Hess in Schlosser/Hess, Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 27; ebenso Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 88; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 681; Tsikrikas, FS Simotta, 2012, S. 635, 638 f.; a.A. aber Dietze/Schnichels, EuZW 2006, 742, 747; Hüßtege in Thomas/Putzo, Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 2a; Leitzen, Jura 2007, 201, 204 f.; Gottwald in MünchKomm/ZPO, Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 5; Stadler in Musielak/Voit, Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 2; Leible in Rauscher, EuZPR/ EuIPR (2021) Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 16. 259 van Drooghenbroeck/de Boe, Les mesures provisoires, S. 179 ff.; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 33; Janal, § 11 Rz. 51 ff.; Knöfel, EuZW 2008, 267, 268; Linke/Hau, IZVR, Rz. 10.49; Mankowski, JZ 2005, 1144 ff.; Hess in Schlosser/Hess, Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 27; nach Fallgruppen differenzierend Heinze, IPRax 2008, 480, 484 ff. 260 Nuyts, Rev. crit. dr. i. p. 96 (2007), 53, 83; ihm folgend Besso, Int. J. Proc. L. 2012, 68, 82. 261 Zitiert nach GA Kokott Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-50 Rz. 88. 262 Hess/Zhou, IPRax 2007, 183, 189; Linke/Hau, IZVR, Rz. 10.49; für Anwendung des Art. 31 Brüssel I-VO auf ermessensabhängige Maßnahmen Rushworth, L.M.C.L.Q. 2009, 205 ff. 263 So im Ergebnis GA Ruiz-Jarabo Colomer Schlussanträge in der Rs. C-104/03 – St. Paul Dairy Industries NV/ Unibel Exser BVBA vom 9.9.2004, EuGHE 2005 I 3483, 3495 Rz. 59–61 unter Berufung auf den Grundsatz der lex posterior; einen Vorrang der EG-BewVO ablehnend aber Mankowski, RIW 2005, 561, 566 f.; Mankowski, JZ 2005, 1144 ff.; Knöfel, EuZW 2008, 267, 268. 264 Differenzierend Ahrens, FS Loschelder, 2010, S. 1, 13; Coester-Waltjen, FS Schlosser, 2005, S. 147, 149 f.; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 38; Seibl, in Encyclopedia PIL, S. 709, 716; vgl. insoweit auch Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 196; Heinze, IPRax 2008, 480, 486 (Durchsetzung von Informationsansprüchen ohne Element der Beweisaufnahme nach der Brüssel Ia-VO); Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 7; vgl. auch Tsikrikas, FS Simotta, 2012, S. 635, 642; Tsikrikas, ZZPInt 15 (2010), 145, 155 f. 265 Zwischen einer Sicherung des materiell-rechtlichen Hauptanspruchs und bloß innerprozessualen Maßnahmen der Beweissicherung differenzierend GA Kokott Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C: 2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-50 f. Rz. 85 ff.; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 38; Seibl, in Encyclopedia PIL, S. 709, 716. 266 Janal, § 11 Rz. 49; Hess in Schlosser/Hess, Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 27; anders noch die Voraufl. Art. 1 EGBewVO Rz. 51; vgl. zur notwendigen Anpassung bei Ansprüchen auf Herausgabe von Beweismitteln i.S.d. § 33g GWB, wenn diese einem ausländischen Recht unterliegen, von Hein in Fuchs/Weitbrecht, Handbuch des Internationalen Kartellrechts, 2019, § 21 Rz. 141, m.w.N. 267 EuGH v. 18.4.2005 – C-104/03, ECLI:EU:C:2005:255 – St. Paul Dairy Industries NV/Unibel Exser BVBA, EuGHE 2005 I 3481 = JZ 2005, 1166, 1144; Mankowski, IPRax 2007, 208, 183; Hess/Zhou, Rev. crit. dr. i. p. 94 (2005) 742 m. Anm. Pataut = NJ 2006, 636 m. Anm. Vlas; dazu auch Hess, IPRax 2006, 348, 356; Pirrung, FS
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich überdies damit, dass die Brüssel Ia-VO andernfalls zur Umgehung der spezielleren EU-BewVO eingesetzt werden könne.268 Diese ratio decidendi dieses Urteils ließe sich zwar grundsätzlich nicht nur auf die vorweggenommene Zeugenvernehmung niederländischen Rechts anwenden, sondern allgemein auf selbstständige Beweisverfahren übertragen.269 Da die neuere Rechtsprechung des EuGH aber eine Exklusivität der EU-BewVO explizit ablehnt (s. Rz. 13), dürfte dieses Umgehungsargument allenfalls sehr restriktiv zu verstehen sein.270. Auch im Text der Brüssel Ia-VO wird der Begriff der einstweiligen Maßnahme ebenso wenig wie zuvor legaldefiniert.271 Der Wortlaut des Art. 35 Brüssel Ia-VO gibt einen Hinweis nur dadurch, dass er „Sicherungsmaßnahmen“ ausdrücklich einschließt. Erwägungsgrund 25 Satz 1 Brüssel Ia-VO stellt indes klar, dass hierunter auch Maßnahmen zur Informationsgewinnung oder Sicherung von Beweismitteln z.B. nach der Durchsetzungs-Richtlinie272 fallen. Die Vernehmung eines Zeugen soll hingegen – im Anschluss an den EuGH273 – ausweislich ErwGr. 25 Satz 2 Brüssel Ia-VO vom Anwendungsbereich des Art. 35 Brüssel Ia-VO ausgenommen bleiben.274 Zu der Frage, ob sich aus der Entscheidung in der Sache St. Paul Dairy ein Vorrang der EUBewVO gegenüber Art. 35 Brüssel Ia-VO ergibt, führt Erwägungsgrund 25 Satz 3 Brüssel Ia-VO lediglich aus, dass die Anwendung der EU-BewVO vom Ausschluss der Zeugenvernehmung aus Art. 35 Brüssel Ia-VO unberührt bleibe. Hieraus wird im Umkehrschluss gefolgert, dass andere Maßnahmen als eine Zeugenvernehmung grundsätzlich unter Art. 35 Brüssel Ia-VO fielen.275 Für selbständige Beweisverfahren soll im Einzelfall danach differenziert werden, ob sie tatsächlich der Sicherung von Beweisen oder nur der Abschätzung der Erfolgsaussichten einer Klage dienen.276 Zumindest in Bezug auf die in Erwägungsgrund 25 Brüssel Ia-VO neben den Sicherungsmaßnahmen genannten Anord-
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van der Velden, 2006, S. 31, 36 f.; zust. OLG Köln v. 24.5.2006 – 16 W 25/06, IPRspr. 2006 Nr. 122; Betetto, EuLF 2006, I-137, I-143; Di Carlo, Riv. trim. dir. proc. civ. 2006, 1317, 1326 f.; Dietze/Schnichels, EuZW 2006, 742, 746 f.; Kropholler/von Hein, Art. 31 Brüssel I-VO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EGBew.VO Rz. 7; Niboyet, Droit et Patrimoine 2006 N°145, S. 118 f.; Nuyts, Rev. crit. dr. i. p. 96 (2007), 53, 60 ff.; Nuyts, première interprétation; die Anwendbarkeit des Art. 31 Brüssel I-VO; i.E. abl. auch die Rechtbank Kortrijk v. 13.7.2004 – 47/04 RK – Geldof Metaalconstructie vs. Weighing & Inpection Belgium, http://www.eur procedure.be/cases/2004-07-13.html (abgerufen am 27.10.2021). Krit. Hess/Pfeiffer/Schlosser, Report on the Application of Regulation Brussels I in the Member States (2007), Rz. 69 (Hess) u. Rz. 768 (Schlosser). EuGH v. 18.4.2005 – C-104/03, ECLI:EU:C:2005:255 – St. Paul Dairy Industries NV/Unibel Exser BVBA, EuGHE 2005 I, 3481, 3505 Rz. 23; ebenso Kropholler/von Hein, Art. 31 Brüssel I-VO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-Bew-VO Rz. 7. Eine Anwendbarkeit des Art. 35 Brüssel Ia-VO auf die Beweissicherung ablehnend Rb. Rotterdam v. 13.12.2017, ECLI:NL:RBROT:2017:9917 Rz. 5.8 – Cefetra vs. MS IDA Oetker Schifffahrtsgesellschaft; GA Kokott Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06, ECLI:EU:C:2007:451 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-51 Rz. 90–93; OLG München v. 19.2.2014 – 15 W 912/13, IPRax 2015, 93, 94; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 21; a.A. Heinze, IPRax 2008, 480, 483 f.; Niggemann, IPRax 2015, 75, 78; zweifelnd Biavati, Riv. trim. dir. proc. civ. 2006, 483, 497 f.; Pirrung, FS van der Velden, 2006, S. 31, 36 f. OLG Dresden v. 15.9.2011 – 10 W 376/11, unalex Rechtsprechung DE-2252 S. 4; Cuniberti, Rev crit dr i p 104 (2015), 419, 522 ff.; van Drooghenbroeck/de Boe, Les mesures provisoires, S. 182 f.; Gaudemet-Tallon, Clunet 145 (2018), 1162; Huber, ZEuP 2014, 642, 658 ff.; Janal, § 11 Rz. 53; Niggemann, IPRax 2015, 75, 76. Insoweit kritisch Magnus/Mankowski, ZVglRWiss 110 (2011), 252, 291 (zum Kommissionsvorschlag). Richtlinie 2004/48/EG des EP und des Rates v. 29.4.2004 zur Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums, ABl. EU 2004 L 157/45. EuGH v. 18.4.2005 – C-104/03, ECLI:EU:C:2005:255 – St. Paul Dairy Industries NV vs. Unibel Exser BVBA, EuGHE 2005 I 3481. Das Parlament hatte sich hingegen dafür ausgesprochen, auch Beweissicherungsmaßnahmen generell in den Anwendungsbereich der Brüssel I-VO einzubeziehen, EP, Entschließung v. 7.9.2010 – P7-TA(2010)0304, Nrn 26–28, abrufbar unter http://www.europarl.europa.eu (abgerufen am 27.10.2020) (hierzu näher van het Kaar, NIPR 2010, 603 f.). Im Übrigen kann auch eine Zeugenvernehmung Sicherungszwecken dienen (z.B. bei einer Erkrankung des Zeugen), vgl. nur Gaudemet-Tallon, Clunet 2018, 1160; Holzgreve, Ausländische Beweissicherungsverfahren, S. 66. Cuniberti, Rev crit dr i p 104 (2015), 519, 526 f.; van Drooghenbroeck/de Boe, Les mesures provisoires, S. 180 ff.; E. Peiffer/M. Peiffer in Geimer/Schütze, Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 20; Niggemann, IPRax 2015, 75, 78; Nuyts in van Calster/Jura Falconis, S. 83, 101 ff.; Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 16. Cuniberti, Rev crit dr i p 104 (2015), 519, 526 f.; E. Peiffer/M. Peiffer in Geimer/Schütze/, Art. 35 Brüssel IaVO Rz. 21; Holzgreve, Ausländische Beweissicherungsverfahren, S. 66 f.; Niggemann, IPRax 2015, 75, 78;
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EU-BewVO
nungen zur „Beweiserhebung“ bzw. Informationsgewinnung lässt sich mit einer solchen einzelfallabhängigen Motivforschung aber nur schwer eine klare Linie ziehen.277 So muss im deutschen Recht wohl danach unterschieden werden, ob ein selbständiges Beweisverfahren auf § 485 Abs. 1 Alt. 2 ZPO gestützt wird (drohender Beweismittelverlust; dann wäre Art. 35 Brüssel Ia-VO eröffnet) oder aber auf § 485 Abs. 1 Alt. 1 ZPO (Zustimmung des Gegners) bzw. auf § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO (gutachterliche Feststellung zur Vermeidung eines Rechtsstreits); in den beiden letztgenannten Varianten käme nur die EU-BewVO in Betracht. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn der Verordnungsgeber bei der Revision der EU-BewVO im Jahre 2020 insoweit für größere Klarheit gesorgt hätte.278 Im Einzelnen sind drei Konstellationen voneinander zu unterscheiden: (1) Das selbstständige Beweisverfahren im Inland bei inländischer Zuständigkeit in der Hauptsache, aber im Ausland belegenen Beweismitteln; (2) Das selbstständige Beweisverfahren im Inland bei im Inland belegenen Beweismitteln, aber bei ausländischer Zuständigkeit in der Hauptsache; (3) Das selbstständige Beweisverfahren im Ausland bei im Ausland belegenen Beweismitteln, aber inländischer Zuständigkeit in der Hauptsache. Insoweit gilt Folgendes: (1) Das selbstständige Beweisverfahren im Inland bei inländischer Zuständigkeit in der Hauptsache, aber im Ausland belegenen Beweismitteln Die internationale Zuständigkeit des inländischen Gerichts zur Durchführung eines selbstständigen 47 Beweisverfahrens folgt, solange kein Verfahren anhängig ist (dann § 486 Abs. 1 ZPO, Zuständigkeit des Prozessgerichts), der hypothetischen Zuständigkeit des Gerichts in der Hauptsache (§ 486 Abs. 2 ZPO). Diese Zuständigkeit ist nach herkömmlicher Auffassung dem autonomen deutschen Recht zu entnehmen, weil die Brüssel Ia-VO insoweit nicht gilt.279 Hält man hingegen mit der inzwischen wohl überwiegenden Auffassung Art. 35 Brüssel Ia-VO zumindest für Beweissicherungsverfahren im engeren Sinne des § 485 Abs. 1 Alt. 2 ZPO (drohender Beweismittelverlust) für anwendbar (s. Rz. 46), ergibt sich der Rückgriff auf die nationalen Vorschriften daraus, dass Art. 35 Brüssel Ia-VO ein solches Vorgehen für den Erlass einstweiliger Maßnahmen gestattet.280 Zweifelhaft ist jedoch, ob das für ein selbstständiges Beweisverfahren gem. § 486 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit einem von der Brüssel IaVO ausgeschlossenen Gerichtsstand (§ 23 ZPO) zuständige deutsche Gericht i.S.d. Art. 3 Abs. 1 EUBewVO als dasjenige Gericht betrachtet werden kann, bei dem das Hauptsacheverfahren „eröffnet werden soll“, obwohl an diesem Gerichtsstand aufgrund der Brüssel Ia-VO tatsächlich kein Hauptsacheverfahren durchgeführt werden kann (s. Art. 3 EU-BewVO Rz. 5). Die Verwertung der gewonne-
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Nuyts in van Calster/Jura Falconis, S. 83, 101 ff.; Hess in Schlosser/Hess, Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 27; in diesem Sinne letztlich auch OLG München v. 19.2.2014 – 15 W 912/13, IPRax 2015, 93, 94. Gaudemet-Tallon, Clunet 145 (2018) 1162; Holzgreve, Ausländische Beweissicherungsverfahren, S. 67; vgl. bereits zur Doppelnatur der Art. 186 ff. der niederländischen ZPO EuGH v. 18.4.2005 – C-104/03, ECLI:EU: C:2005:255 – St. Paul Dairy Industries NV vs. Unibel Exser BVBA, EuGHE 2005 I 3481 Rz. 8: Das Verfahren soll „nicht nur [!] ermöglichen […], dass bald nach dem Eintritt streitiger Tatsachen Zeugenaussagen darüber gemacht werden können, und verhindern […], dass Beweise verloren gehen, sondern auch und vor allem dazu dien[en], denen, die an einem eventuell später anhängig zu machenden Zivilrechtsstreit ein Interesse haben, Gelegenheit zu geben, […] ihre Lage besser zu beurteilen, insbesondere auch in Bezug auf die Frage, gegen wen der Rechtsstreit geführt werden muss.“; hierzu auch Janal, § 11 Rz. 48; vgl. zu Art. 145 des französischen cpc LG Stralsund v. 8.1.2016 – 7 O 415/14, IPRspr. 2016 Nr. 272 S. 650 f.; GA Saugmandsgaard Øe, Schlussanträge in C-29/16, ECLI:EU:C:2017:44 Rz. 77 ff. – HanseYachts AG vs. Port d’Hiver Yachting SARL. Insoweit kritisch Knöfel, RIW 2021, 247, 260; vgl. auch Jansen, NIPR 2019, 753, 762 ff. Ahrens, FS Schütze, 1999, S. 1, 7; Geimer, IZPR, Rz. 2540; Schack, IZVR, Rz. 538; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1302; kritisch Heinze, IPRax 2008, 480, 483; im Erg. ebenso, obwohl von der Anwendbarkeit der Brüssel Ia-VO ausgehend, OLG Dresden v. 15.9.2011 – 10 W 376/11, unalex Rechtsprechung DE-2252 S. 4; a.A. OLG München v. 19.2.2014 – 15 W 912/13, IPRax 2015, 93 ff.; zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO s. BayObLG v. 15.5.2019 – 1 AR 36/19, juris. Holzgreve, Ausländische Beweissicherungsverfahren, S. 75 ff.; Janal, § 11 Rz. 66; näher Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 35 Brüssel Ia-VO Rz. 24 ff.
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich nen Beweise richtet sich nach § 493 ZPO, wobei im Hinblick auf die Rechtswirkung elektronischer Schriftstücke Art. 8 EU-BewVO zu beachten ist (s. Art. 8 EU-BewVO Rz. 1 ff.). (2) Das selbstständige Beweisverfahren im Inland bei ausländischer Zuständigkeit in der Hauptsache, aber im Inland belegenen Beweismitteln 48
Nach h.M. kann in Fällen dringender Gefahr auf der Grundlage von § 486 Abs. 3 ZPO ein Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens im Inland unabhängig von einer ausländischen Hauptsachezuständigkeit bei demjenigen AG beantragt werden, in dessen Bezirk sich das fragliche Beweismittel befindet.281 Da hier das deutsche Gericht selbst eine Beweisaufnahme im Inland vornimmt, wird der Anwendungsbereich der EU-BewVO nicht berührt. Die anschließende Verwertung der Beweiserhebung im ausländischen Hauptsacheverfahren richtet sich jedoch nicht nach § 493 ZPO, sondern nach der lex fori des in der Hauptsache zuständigen Gerichts;282 auch insoweit greift die EU-BewVO – abgesehen von Art. 8 EU-BewVO – nicht in das autonome Zivilverfahrensrecht ein.283 Da das selbstständige Beweisverfahren gem. §§ 485 ff. ZPO keine i.S.d. Art. 36 Brüssel Ia-VO (Art. 2 lit. a Brüssel Ia-VO) anerkennungsfähige Entscheidung hervorbringt,284 kommt auch die Brüssel Ia-VO nicht als Transmissionsriemen in Richtung auf das ausländische Hauptsacheverfahren in Betracht. Folglich ist die Verwertung des im Inland gewonnenen Beweisergebnisses im Ausland mit beträchtlichen Unsicherheiten behaftet. Es empfiehlt sich in der Fallgruppe (2) daher, bei dem zuständigen ausländischen Gericht ein Beweissicherungsverfahren anzustrengen, in dem mit Hilfe der EU-BewVO auf das im Inland belegene Beweismittel zurückgegriffen werden kann. Ist bei einem ausländischen Gericht schon ein Verfahren in der Hauptsache anhängig und hat dieses Gericht bereits eine Begutachtung angeordnet, ist die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens in Deutschland nach § 485 Abs. 3 ZPO unzulässig.285 Die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens im Inland bewirkt aber keine Rechtshängigkeitssperre (Art. 29 Abs. 1 Brüssel Ia-VO) gegenüber einem ausländischen Verfahren in der Hauptsache (s. zur umgekehrten Konstellation Rz. 54 a.E.). (3) Das selbstständige Beweisverfahren im Ausland bei im Ausland belegenen Beweismitteln, aber inländischer Zuständigkeit in der Hauptsache
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Erklärt sich ein ausländisches Gericht am Ort der Belegenheit des Beweismittels für zuständig zur Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens (zur Frage, ob insoweit Art. 35 Brüssel Ia-VO Anwendung findet, s. Rz. 46), ist dieser direkte Zugriff außerhalb der EU-BewVO oft schneller als bei dem unter (1) beschriebenen Vorgehen unter Einschaltung des Rechtshilfeweges.286 Dieser zeitliche Vorsprung erweist sich indes als Pyrrhussieg, wenn das deutsche Gericht in der Hauptsache die Berücksichtigung des Beweisergebnisses ablehnt, womit nach bisherigen Erfahrungen zu rechnen ist.287 Eine unmittelbare Anwendung des § 493 ZPO auf die Beweiserhebung im Ausland ist zwar nach überwiegender Ansicht ausgeschlossen.288 Eine freie Beweiswürdigung der ausländischen Be281 Ahrens, FS Schütze, 1999, S. 1, 10; Dörschner, S. 154–156; Geimer, IZPR, Rz. 1246, 2540; Ewald Geimer, S. 236 f.; Holzgreve, Ausländische Beweissicherungsverfahren, S. 76 ff.; Nagel/Gottwald, IZPR, § 17 Rz. 87; Schack, IZVR, Rz. 538; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, vor Art. 15 HBÜ Rz. 3; Schütze, Rechtsverfolgung, Rz. 328. 282 Vgl. Schack, IZVR, Rz. 538. 283 Ebenso zum HBÜ Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1303. 284 S. oben Rz. 46. 285 OLG Köln v. 12.4.2011 – 5 W 11/11, VersR 2012, 1058 = MedR 2012, 125 m. Anm. Nordmeier = IPRspr. 2011 Nr. 125. 286 Zutreffend Nagel/Gottwald, IZPR, § 17 Rz. 87; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1303; zum französischen Recht Le Berre/Pataut, Rev. dr. aff. int. 2004, 53, 65 f. 287 So die bislang st. Rspr.: OLG Köln v. 5.1.1983 – 17 W 482/82, IPRax 1984, 315 = NJW 1983, 2779; OLG Hamburg v. 29.9.1999 – 8 W 235/99, IPRax 2000, 530 mit krit. Anm. Försterling, IPRax 2000, 499; vgl. auch LG Hamburg v. 15.9.1998 – 410 O 44/95, IPRax 2001, 45 mit krit. Anm. Spickhoff, IPRax 2001, 37; großzügiger die französische Praxis, hierzu Le Berre/Pataut, Rev. dr. aff. int. 2004, 53, 66 m.w.N. 288 Ahrens, FS Schütze, 1999, S. 1, 13; Nagel/Gottwald, IZPR, § 17 Rz. 88; Schmidt, Rz. 374; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1303 f.; a.A. Holzgreve, Ausländische Beweissicherungsverfahren, S. 115 ff.; Linke/Hau, IZVR,
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Art. 1 EU-BewVO
weisaufnahme nach den Grundsätzen des Urkundenbeweises sollte aber zugelassen werden.289 Auch insoweit entfaltet die EU-BewVO keine Sperrwirkung gegenüber dem autonomen Zivilverfahrensrecht.290 Die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens im Ausland bewirkt keine Rechtshängigkeitssperre (Art. 29 Abs. 1 Brüssel Ia-VO) gegenüber einem inländischen Verfahren in der Hauptsache.291 d) Verwendung in weiteren Verfahren Fraglich ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang nach der EU-BewVO erhobene Beweise über das bestimmungsgemäße zivilgerichtliche Verfahren hinaus, insbesondere in einem Strafverfahren, verwertet werden dürfen.292 Hier ist der Schutz übermittelter Informationen gem. Art. 30 EU-BewVO zu beachten (s. Art. 30 EU-BewVO Rz. 1 ff.).
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II. Räumlicher Geltungsbereich Als Mitgliedstaat i.S.d. EU-BewVO sind, wie Erwägungsgrund 38 EU-BewVO klarstellt, alle Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme Dänemarks (s. Rz. 53) anzusehen. Besonderheiten sind für das Vereinigte Königreich zu beachten. Rechtsgrundlage für den Erlass der EG-BewVO waren seinerzeit exArt. 61 lit. c, 65 lit. a 2. Spiegelstrich, 67 Abs. 1 EGV. Diese Vorschriften befanden sich im Titel IV des EG-Vertrages, der die Politiken betreffend den freien Personenverkehr, einschließlich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen regelte. Der Titel IV war auf das Vereinigte Königreich und Irland aufgrund Art. 2 des Protokolls Nr. 4 zum EUV/EGV nicht anwendbar. Dieses Protokoll enthielt jedoch in Art. 3 eine Opt-In-Klausel, von der das Vereinigte Königreich Gebrauch gemacht hatte, so dass es wie jeder andere Mitgliedstaat der EG-BewVO zu behandeln war. Mit dem zum 31.12.2020 vollzogenen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU („Brexit“) ist aber die EG-BewVO für Großbritannien außer Kraft getreten.293 Das Austrittsabkommen zwischen der EU und Großbritannien sieht in Art. 68 lit. b vor, dass vor dem Ende der Übergangsperiode am 31.12.2020 eingegangene Ersuchen in Fällen mit Bezug zum Vereinigten Königreich dort und auch in den verbleibenden 26 Mitgliedstaaten noch nach der EG-BewVO erledigt werden.294 Ein solcher „Bezug zum Vereinigten Königreich“ ist stets gegeben, wenn das Ersuchen aus einem Mitgliedstaat der EG-BewVO stammt und im Vereinigten Königreich erledigt werden soll, oder umgekehrt.295 Da allein im Jahre 2019 vierzig ausgehende Rechtshilfeersuchen nach der EG-BewVO von deutschen Gerichten an Gerichte im
289 290 291
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293 294 295
Rz. 10.47; Schütze, Rechtsverfolgung, Rz. 231; offengelassen von OLG München v. 19.2.2014 – 15 W 912/13, IPRax 2015, 93, 95 m.w.N. zum Streitstand. Ahrens, FS Schütze, 1999, S. 1, 13; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 196; Heinze, IPRax 2008, 480, 485; Nagel/Gottwald, IZPR, § 17 Rz. 88; Schmidt, Rz. 374; Schütze, DIZPR, Rz. 241; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1304. Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 37. EuGH v. 4.5.2017 – C-29/16, ECLI:EU:C:2017:343 – HanseYachts AG vs. Port d’Hiver Yachting SARL, IPRax 2017, 602 m. Anm. Schlosser, IPRax 2017, 551 = Rev. crit. dr. i. p. 106 (2017), 572 m. Anm. Cuniberti; hierzu auch Mankowski, LMK 2017, 390645; Vorlagebeschluss: LG Stralsund v. 8.1.2016 – 7 O 415/14, IPRspr. 2016 Nr. 272. Verneinend der englische High Court v. 19.5.2004 – Dendron GmbH & Others vs. The Regents of the University of California and another, [2004] Int Litig proc No 35, p 641, 650 (hierzu ausführlich Schlosser, FS Vollkommer, 2006, 217 ff.); ebenso Besso, Int. J. Proc. L. 2012, 68, 86; Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 39, Art. 1 EU-BewVO Rz. 44 ff.; Knöfel, EuZW 2008, 267, 268 f.; Knöfel, RIW 2010, 403, 405; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 12. McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 94 ff.; Sonnentag, Die Konsequenzen des Brexits für das Internationale Privat- und Zivilverfahrensrecht, S. 132; Ungerer in Kramme/Baldus/Schmidt-Kessel, S. 297, 309; Rolf Wagner, IPRax 2021, 2, 13. Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl. EU 2019 C 384 I/1. R. Wagner, IPRax 2021, 2, 13.
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Art. 1 EU-BewVO Anwendungsbereich Vereinigten Königreich gestellt wurden,296 ist noch für eine gewisse Übergangszeit mit einer Anwendung der EG-BewVO im deutsch-britischen Rechtsverkehr zu rechnen. Im Übrigen findet seit dem „Brexit“ wieder das HBÜ im deutsch-britischen Rechtshilfeverkehr Anwendung.297 Gemäß Art. 32 HBÜ können ergänzend auch die Art. 8 ff. des Deutsch-Britischen Abkommens über den Rechtsverkehr vom 20.3.1928298 wieder zum Zuge kommen.299 Zwar hatte Großbritannien der Kommission seinerzeit im Rahmen des Art. 21 Abs. 3 EG-BewVO mitgeteilt, dass es an diesem Übereinkommen nur in Bezug auf seine überseeischen Gebiete festzuhalten beabsichtige.300 Mit dem Fortfall der Anwendbarkeit der EG-BewVO ist diese Absicht aber hinfällig. 52
Irland hatte sich ebenso wie das Vereinigte Königreich (s. Rz. 51) bereits an der EG-BewVO beteiligt. Die Republik hat gem. Art. 3 Abs. 1 des Protokolls Nr. 21 zum AEUV dem Präsidenten des Rates der EU am 17.10.2018 ihre Absicht mitgeteilt, sich auch an der Neufassung der Verordnung zu beteiligen (Erwägungsgrund 37 EU-BewVO). Irland ist daher wie jeder andere Mitgliedstaat zu behandeln.
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Wie Erwägungsgrund 38 EU-BewVO deutlich macht, beteiligt sich Dänemark nicht an der EU-BewVO. Insoweit bleibt die Rechtslage im Vergleich zur EG-BewVO (s. Art. 1 Abs. 3 EG-BewVO) unverändert. Das zum Zeitpunkt des Erlasses der EG-BewVO geltende Protokoll Nr. 5 zum EUV/EGV über die Position Dänemarks schloss die Anwendbarkeit des Titels IV auf Dänemark aus (Art. 1 und 2), ohne die Möglichkeit eines freiwilligen Einstiegs in einzelne Maßnahmen vorzusehen. Dänemark hatte lediglich nach Art. 7 des Protokolls Nr. 5 die Befugnis, ganz oder teilweise auf die Rechte aus dem Protokoll Nr. 5 zu verzichten. Eine derartige Verzichtserklärung in Bezug auf die justizielle Zusammenarbeit hatte Dänemark aber nicht abgegeben. Seit Erlass des Lissabonner Vertrages bestünde zwar in Art. 3 Abs. 1 des Anhangs zu Protokoll Nr. 22 zum EUV/AEUV auch für Dänemark die europarechtliche Grundlage für die Möglichkeit des Opt-In;301 eine engere justizielle Kooperation mit den anderen EU-Mitgliedstaaten ist von der dänischen Bevölkerung jedoch in einem Referendum vom 4.12.2015 abgelehnt worden.302 Es bleibt folglich nur der Ausweg eines konventionellen völkerrechtlichen Vertragsschlusses zwischen der EU und Dänemark, der bisher allerdings nicht erfolgt ist.303 Bislang fehlt es auch an einem Parallelübereinkommen zur EU-BewVO im Verhältnis zu den Vertragsstaaten des Lugano-Übereinkommens (Island, Norwegen, Schweiz). Die Kommission der EU hat indes im Jahre 2012 eine Empfehlung an den Rat zur Ermächtigung der Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen im Hinblick auf den Abschluss eines Übereinkommens zwischen der EU und Dänemark, Island, Norwegen und der Schweiz über die Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen verabschiedet.304 Diese Verhandlungen sind derzeit noch in der Schwebe.305 Einstweilen gilt im Verhältnis zu Dänemark daher – ebenso wie zu den Vertragsstaaten des Lugano-Übereinkommens – weiterhin das HBÜ.306
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Trotz gewisser Verbindungen dieser Staaten zu Italien bzw. Frankreich gilt die EU-BewVO nicht in San Marino, dem Vatikanstaat und Monaco.307 Im Übrigen richtet sich der räumliche Geltungsbereich der EU-BewVO nach den in Art. 52 EUV i.V.m. Art. 349, 355 AEUV (ex-Art. 299 EGV) niedergelegten Grundsätzen, die entsprechend auf die Abgrenzung der räumlichen Geltung des Sekundärrechts angewendet werden.308 296 BT-Drucks. 19/27550, S. 2. 297 BT-Drucks. 19/27550, S. 3; Hess in Schlosser/Hess, Art. 1 EU-BewVO Rz. 4; Labonté/Rohrbeck, IWRZ 2021, 99, 100; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 101; Ungerer, NJW 2021, 1270, 1273; R. Wagner, IPRax 2021, 2, 13 f. 298 RGBl. 1928 II 623 = Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 20. Aufl. 2020, Nr. 228. 299 Ungerer, NJW 2021, 1270, 1273; R. Wagner, IPRax 2021, 2, 14. 300 https://e-justice.europa.eu/content_taking_evidence-374-ew-en.do?member=1 (abgerufen am 27.10.2021). 301 Hierzu Trüten, Die Entwicklung des Internationalen Privatrechts in der Europäischen Union, 2015, S. 625. 302 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2016, 1, 3. 303 Näher Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 151; Müller, S. 140. 304 COM(2012) 539 endg; Ratsdok. 14350/12. 305 Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2018, 121, 128. 306 Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 61; offenbar übersehen von Kreuzer/Wagner/Reder in Dauses/ Ludwigs, Rz. Q I 46 aE. 307 Vgl. zur Brüssel I-VO Kropholler/von Hein, Einl. Rz. 53. 308 Eingehend zur Rom I-VO von Hein in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2016), Art. 24 Rom I-VO Rz. 1 ff.; speziell zur EG-BewVO Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 62 f.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 2 EU-BewVO
Artikel 2 Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen: 1. „Gericht“ bezeichnet Gerichte und andere Behörden der Mitgliedstaaten, die der Kommission nach Artikel 31 Absatz 3 mitgeteilt wurden, gerichtliche Funktionen ausüben, in Ausübung einer Befugnisübertragung durch eine Justizbehörde oder unter Aufsicht einer Justizbehörde handeln und nach nationalem Recht zur Beweisaufnahme für die Zwecke von Gerichtsverfahren in Zivil- oder Handelssachen befugt sind. 2. „Dezentrales IT-System“ bezeichnet ein Netzwerk nationaler IT-Systeme und interoperabler Zugangspunkte, die unter der jeweiligen Verantwortung und Verwaltung eines jeden Mitgliedstaats betrieben werden, das den sicheren und zuverlässigen grenzüberschreitenden Informationsaustausch zwischen den nationalen IT-Systemen ermöglicht.
I. Gericht Die Eigenschaften, die einem Spruchkörper zukommen mussten, um als „Gericht“ i.S.d. des Art. 1 1 Abs. 1 EG-BewVO gelten zu können, waren in der Ursprungsfassung der Verordnung – abgesehen davon, dass es sich um das Gericht eines Mitgliedstaates handeln musste1 – nicht näher geregelt worden. Dies führte laut der Kommission zu unterschiedlichen Auslegungen in den Mitgliedstaaten.2 Einige Mitgliedstaaten verstanden darunter nur herkömmliche Gerichte, andere erledigten auch Ersuchen anderer Justizbehörden (z.B. Notariaten), sofern diese nach nationalem Recht befugt waren, Aufgaben im Zusammenhang mit der Beweisaufnahme wahrzunehmen.3 Diese Unsicherheiten sollen in der Neufassung der Verordnung durch die Legaldefinition des Begriffs „Gericht“ in einem neuen Art. 2 Nr. 1 EU-BewVO beseitigt werden.4 Als „Gerichte“ i.S. der EU-BewVO gelten nunmehr nicht nur Gerichte im engeren Sinne, sondern auch andere Behörden der Mitgliedstaaten, die der Kommission nach Art. 31 Abs. 3 EU-BewVO mitgeteilt wurden (s. Art. 31 EU-BewVO Rz. 1), gerichtliche Funktionen ausüben, in Ausübung einer Befugnisübertragung durch eine Justizbehörde oder unter Aufsicht einer Justizbehörde handeln und nach nationalem Recht zur Beweisaufnahme für die Zwecke von Gerichtsverfahren in Zivil- oder Handelssachen befugt sind. Die in dieser Vorschrift genannten inhaltlichen Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.5 Jedoch steht es der Einstufung einer Behörde als „Gericht“ nicht entgegen, wenn ein Mitgliedstaat der Kommission nicht oder nicht rechtzeitig gem. Art. 31 Abs. 3 EU-BewVO mitgeteilt hat, dass diese Behörde gerichtliche Funktionen ausübt.6 Die lediglich informatorische Mitteilungspflicht gilt bereits ab dem 23.3.2022 (Art. 35 Abs. 2 EU-BewVO). Der Begriff des „Gerichts“ i.S. des Art. 2 Nr. 1 EU-BewVO ist autonom auszulegen.7 Entscheidende Bedeutung hat das Tatbestandsmerkmal der Ausübung gerichtlicher Funktionen. Ausweislich des Erwägungsgrundes 5 EU-BewVO sollte vor allem ein Einklang mit den Legaldefinitionen des Gerichtsbegriffs in Art. 3 Brüssel Ia-VO und Art. 3 Abs. 2 EU-ErbVO erzielt werden. Diese Vorschriften können daher als Auslegungshilfe herangezogen werden. Ferner kann die Rechtspraxis zu Art. 1 Abs. 1 HBÜ eine gewisse Orientierung vermitteln. Im Sinne dieser Vorschrift wird unter einer „gerichtlichen Behörde“ ein Spruchkörper verstanden, der „als neutrale Instanz eine Streitsache verbind-
1 Eingehend hierzu de Vareilles-Sommières, Le règlement communautaire, S. 384 ff. 2 COM(2018) 378 final S. 9. 3 COM(2018) 378 final S. 9; als Beispiel wird die Tätigkeit österreichischer Notare im Verlassenschaftsverfahren nach §§ 143 ff. AußerStrG genannt (Knöfel, RIW 2018, 712, 718). 4 Zum Kommissionsvorschlag s. noch COM(2018) 378 final S. 9. 5 Zu Art. 2 Nr. 1 EU-BewVO Knöfel, RIW 2021, 247, 259 im Anschluss an EuGH v. 23.5.2019 – C-658/17, ECLI: EU:C:2019:444 – WB vs. Przemysława Bac Rz. 62 (zu Art. 3 Abs. 2 EU-ErbVO). 6 Vgl. zu Art. 3 Abs. 2 EU-ErbVO EuGH v. 23.5.2019 – C-658/17, ECLI:EU:C:2019:444 – WB vs. Przemysława Bac Rz. 39–49. 7 Vgl. zu Art. 3 Abs. 2 EU-ErbVO EuGH v. 23.5.2019 – C-658/17, ECLI:EU:C:2019:444 – WB vs. Przemysława Bac Rz. 50.
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Art. 2 EU-BewVO Begriffsbestimmungen lich entscheidet“8 bzw. der die Macht hat, „konkrete Rechtsfragen mit verbindlicher Wirkung für die Verfahrensbeteiligten zu entscheiden“.9 3
Als Gerichte i.S. des Art. 2 Nr. 1 EU-BewVO gelten jedenfalls die in Art. 3 Brüssel Ia-VO genannten Behörden. Das sind in Ungarn bei summarischen Mahnverfahren der Notar (Art. 3 lit. a Brüssel IaVO) sowie in Schweden bei summarischen Mahnverfahren und Beistandsverfahren das Amt für Beitreibung (Kronofogdemyndigheten) gem. Art. 3 lit. b Brüssel Ia-VO.10 Eine generelle Ausdehnung des Gerichtsbegriffs auf die notarielle Tätigkeit kommt hingegen nicht in Betracht.11 So hat der EuGH zur Brüssel Ia-VO entschieden, dass kroatische Notare, die im Rahmen der ihnen durch die nationalen Rechtsvorschriften in Zwangsvollstreckungsverfahren übertragenen Befugnisse auf der Grundlage einer „glaubwürdigen Urkunde“ tätig werden, nicht unter den Begriff „Gericht“ im Sinne dieser Verordnung fallen.12 Zur Begründung führte der Gerichtshof aus, dass die Anwendung des der Brüssel Ia-VO zugrunde liegenden Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens insbesondere voraussetze, dass die Entscheidungen, um deren Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat ersucht werde, in einem gerichtlichen Verfahren ergangen seien, das die Gewähr für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit biete und in dem der Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens gewahrt werde.13 Die letztgenannte Voraussetzung sei aber bei der fraglichen Tätigkeit kroatischer Notare nicht erfüllt.14
4
Auch der Gerichtsbegriff in Art. 3 Abs. 2 EU-ErbVO setzt die Ausübung gerichtlicher Funktionen voraus.15 Dieses Erfordernis ist erfüllt, wenn eine Behörde kraft eigener Befugnis über zwischen den Parteien etwa bestehende Streitpunkte entscheiden kann.16 Es ist zu verneinen, wenn die Befugnis z.B. eines Notars allein vom Willen der Beteiligten abhängt.17 Hingegen ist nicht maßgebend, ob das fragliche Verfahren im Sinne der Abgrenzung zwischen freiwilliger (FamFG) und streitiger Gerichtsbarkeit (ZPO) streitig oder nicht streitig ist.18 Da die Ausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. a und f Brüssel Ia-VO nicht in die EU-BewVO übernommen wurde, lässt sich kein genereller Ausschluss von FamFG-Sachen herleiten.19 Grundsätzlich spricht nicht bereits die Art der Gerichtsbarkeit dagegen, als Zivil- oder Handelssachen im Kontext der Rechtshilfe auch Angelegenheiten der FG zu betrachten (so ausdrücklich § 1 Abs. 1 ZRHO).20 Im Einzelnen kann man sich an der zu Art. 3 Abs. 2 EU-ErbVO entwickelten Kasuistik orientieren:21 Ein Notar ist folglich kein Gericht i.S. des Art. 3 Nr. 1 EUBewVO, wenn er auf einstimmigen Antrag aller Beteiligten eines notariellen Verfahrens eine Urkunde über die Bestätigung der Erbenstellung errichtet,22 erbrechtliche Willenserklärungen beurkundet23 oder Urkunden verwahrt.24 Hingegen ist er als Gericht einzustufen, wenn er Aufgaben in Teilungs-
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Berger in Stein/Jonas, § 363 Anh. A Art. 1 HBÜ Rz. 21. Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 1 HBÜ Rz. 9. Näher Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 3 Brüssel Ia-VO Rz. 1. EuGH v. 9.3.2017 – C-551/15, ECLI:EU:C:2017:193 – Pula Parking d.o.o. vs. Tederahn, DAR 2017, 254 m. Anm. Rauscher = IPRax 2018, 79. EuGH v. 9.3.2017 – C-551/15, ECLI:EU:C:2017:193 – Pula Parking d.o.o. vs. Tederahn, DAR 2017, 254 m. Anm. Rauscher = IPRax 2018, 79 m. Anm. H. Roth, IPRax 2018, 41. EuGH v. 9.3.2017 – C-551/15, ECLI:EU:C:2017:193 – Pula Parking d.o.o. vs. Tederahn, DAR 2017, 254 m. Anm. Rauscher = IPRax 2018, 79 m. Anm. H. Roth, IPRax 2018, 41. EuGH v. 9.3.2017 – C-551/15, ECLI:EU:C:2017:193 – Pula Parking d.o.o. vs. Tederahn, DAR 2017, 254 m. Anm. Rauscher = IPRax 2018, 79 m. Anm. H. Roth, IPRax 2018, 41. Hierzu EuGH v. 23.5.2019 – C-658/17, ECLI:EU:C:2019:444 – WB vs. Przemysława Bac, Rz. 50–63. EuGH v. 23.5.2019 – C-658/17, ECLI:EU:C:2019:444 – WB vs. Przemysława Bac Rz. 55. EuGH v. 23.5.2019 – C-658/17, ECLI:EU:C:2019:444 – WB vs. Przemysława Bac Rz. 55. EuGH v. 23.5.2019 – C-658/17, ECLI:EU:C:2019:444 – WB vs. Przemysława Bac Rz. 56. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 7. So auch in Bezug auf das HBÜ OLG Frankfurt v. 23.6.2008 – 20 VA 13/07, IPRax 2009, 71 m. Anm. Knöfel, 46; Berger in Stein/Jonas, § 363 Anh. A Art. 1 HBÜ Rz. 16. Näher Hertel in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Art. 3 EU-ErbVO Rz. 33; Dutta in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 3 EuErbVO Rz. 20. EuGH v. 23.5.2019 – C-658/17, ECLI:EU:C:2019:444 – WB vs. Przemysława Bac Rz. 63 f.; Knöfel, RIW 2021, 247, 259. Dutta in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 3 EuErbVO Rz. 20. Dutta in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 3 EuErbVO Rz. 20.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 2 EU-BewVO
sachen gem. § 342 Abs. 2 Nr. 1 FamFG i.V.m. § 23a Abs. 3 GVG25 oder im Rahmen des Vermittlungsverfahrens nach §§ 87–102 SachenRBerG26 wahrnimmt. Dass deutsche Notare der Aufsicht durch eine „Justizbehörde“ unterliegen, ergibt sich aus § 92 Nr. 1–3 BNotO.27 Ob Verwaltungsbehörden wie z.B. das BKartA oder das Bundespatentamt als „Gerichte“ i.S.d. Art. 2 Abs. 1 EU-BewVO gelten können, war noch unter der alten Fassung der Verordnung umstritten.28 Nach der Neufassung kann es sich um „Gerichte“ handeln, soweit diese Behörden „gerichtliche“ und nicht nur verwaltende Funktionen ausüben. Ferner kommt z.B. in Betracht, dass auch Behörden, die in den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Kindes- oder Erwachsenenschutzes sowie der sozialen Sicherheit tätig sind, Ersuchen nach der EU-BewVO stellen können;29 regelmäßig werden aber die Möglichkeiten des Informationsaustausches nach Art. 80 ff. Brüssel IIb-VO oder Art. 32 ff. ErwSÜ schnellere Wege darstellen.
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Auch Einzelpersonen, denen zur Feststellung des Sachverhalts gerichtliche Befugnisse übertragen worden sind, können grundsätzlich Gerichte i.S. des Art. 2 Nr. 1 EU-BewVO darstellen.30 Als Beispiel ist der französische huissier de justice zu nennen.31
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Während Art. 2 Nr. 1 EU-BewVO im Wege einer funktionalen Betrachtung den Kreis der „Gerichte“ 7 unter den genannten Voraussetzungen um Behörden bzw. Notariate erweitert, stellt sich umgekehrt die Frage, ob bei in der Sache verwaltenden Tätigkeiten nationaler Gerichte im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit auf die EU-BewVO zurückgegriffen werden kann.32 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH können nationale Gerichte den EuGH gem. Art. 267 AEUV nur anrufen, wenn sie im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden haben, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt.33 Ein im Rahmen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit bei funktionaler Betrachtung als Verwaltungsorgan tätiges Gericht ist deshalb nicht vorlagebefugt.34 Diese an der Funktion des Spruchkörpers orientierte Rechtsprechung bietet einen gewichtigen Anhaltspunkt dafür, dass ebenso eine rein verwaltende Gerichtstätigkeit im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, z.B. die Führung des Handelsregisters, bei der gebotenen autonomen Auslegung nicht unter die EU-BewVO fällt.35 Andernfalls würde die Reichweite der EU-BewVO für funktional äquivalente Verwaltungstätigkeiten davon abhängen, ob der jeweilige nationale Gesetzgeber diese Aufgaben den Gerichten oder Verwaltungsbehörden im materiellen Sinne zugewiesen hat. Zudem bestünde die Gefahr, dass ein Rechtshilfeersuchen in Verwaltungsangelegenheiten unter Berufung auf Art. 16 Abs. 2 lit. b EU-BewVO abgelehnt würde.36 Dies führt dazu, die Wahrnehmung lediglich verwaltender Aufgaben seitens der Gerichte im Rahmen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der EU-BewVO auszunehmen.37
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Dutta in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 3 EuErbVO Rz. 20; Knöfel, RIW 2021, 247, 259. Knöfel, RIW 2021, 247, 259. Knöfel, RIW 2021, 247, 259. Verneinend Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 30; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EGBewVO Rz. 28; Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 83; Valdhans/Sehnálek in van Rhee/Uzelac, 2015, S. 337, 349; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 10; i.E. ebenso Leipold, Ritsum. L. Rev. 20 (2003), 85, 89; a.A. McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 40; in Bezug auf Kartellbehörden Danov, Int Comp L Q 61 (2012) 27, 35 ff.; kritisch in Bezug auf das Kartellrecht auch Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 223 f. Vgl. Evaluation Report, Anhang zu SWD(2018) 284 final S. 31. Hess in Schlosser/Hess, Art. 2 EU-BewVO Rz. 2. Hess in Schlosser/Hess, Art. 2 EU-BewVO Rz. 2. Für Einbeziehung der FG Frigo/Fumagalli, S. 165; Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 333 Fn. 19; Herrera Petrus, S. 192; Leipold, FS Schlechtriem, 2003, S. 91, 93; Musger in Rat der Europäischen Union, S. 205, 207. So z.B. in einer Handelsregistersache EuGH v. 10.7.2001 – C-86/00, ECLI:EU:C:2001:394 – HSB-Wohnbau, EuGHE 2001 I 5353. Handelsregistersache EuGH v. 10.7.2001 – C-86/00, ECLI:EU:C:2001:394 – HSB-Wohnbau, EuGHE 2001 I 5353. Ebenso Betetto, EuLF 2006, I-137, I-142; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 29; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 4; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 10; i.E. Knöfel in Geimer/ Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 29; wohl auch Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.45. Vgl. Bruneau, JClP (G) 2001 I 349, p 1771. So i.E. bereits zum HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 Anh. A Art. 1 HBÜ Rz. 21.
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Art. 2 EU-BewVO Begriffsbestimmungen 8
Nur ein staatliches Gericht, nicht ein Schiedsgericht, ist dazu befugt, nach der EU-BewVO ein Ersuchen um Beweisaufnahme an ein ausländisches Gericht zu richten.38 Dies entspricht der h.L. zu Art. 1 HBÜ39 und zu Art. 3 Abs. 2 EuErbVO,40 wurde aber im Hinblick auf die Revision der EUBewVO (s. Einl. EU-BewVO Rz. 6) vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss als nicht mehr zeitgemäß kritisiert.41 Ein deutsches Schiedsgericht muss nach geltender Rechtslage gem. § 1050 ZPO einen Antrag auf Unterstützung bei der Beweisaufnahme durch ein deutsches staatliches Gericht stellen, das sich sodann an das zuständige ausländische Gericht wendet.42 Dieses umstrittene Vorgehen ist zulässig,43 denn obgleich ein Schiedsgericht kein „Gericht“ i.S.d. des Art. 2 Nr. 1 EUBewVO darstellt, ist das dem Schiedsverfahren dienende sekundäre Gerichtsverfahren als „Zivil- oder Handelssache“ iS des Art. 1 Abs. 1 EU-BewVO zu qualifizieren (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 4).44 Ein ausländisches Schiedsgericht kann sich zudem gem. § 1025 Abs. 2 ZPO direkt an ein deutsches staatliches Gericht wenden, ohne dass auf die EU-BewVO zurückgegriffen werden muss.45 Da die EU-BewVO Schiedsgerichte nicht unmittelbar als zur Stellung eines Ersuchens berechtigte Gerichte erfasst, entfaltet die Verordnung insoweit keine Sperrwirkung. Sofern in dem betreffenden ausländischen Prozessrecht eine dem § 1025 Abs. 2 ZPO entsprechende Öffnungsklausel besteht oder die dortige Praxis entsprechend großzügig verfährt,46 kann sich auch ein deutsches Schiedsgericht unmittelbar an das ausländische staatliche Gericht wenden.
9
Der EuGH ist kein Gericht i.S.d. EU-BewVO.47 Für die Beweisaufnahme vor dem EuGH gelten die Art. 24–30 der EuGH-Satzung48 sowie die Art. 63–75 der EuGH-Verfahrensordnung (VerfO).49 Rechtshilfeersuchen des EuGH regeln Art. 29 EuGH-Satzung sowie das Kapitel I der auf Grundlage des Art. 207 (ex-Art. 52) VerfO erlassenen zusätzlichen Verfahrensordnung.50 Auch sonstige supranationale Spruchkörper mit Sitz in der EU bilden im Allgemeinen keine Gerichte eines Mitgliedstaates und sind daher nicht zu einem Ersuchen berechtigt.51 Hingegen wird das künftige Einheitliche Patentgericht
38 Alio, NJW 2004, 2706; Berger, IPRax 2001, 522, 523; Kreuzer/Wagner/Häcker in Dauses/Ludwigs, Rz. Q III 33; Frigo/Fumagalli, S. 165; Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 333; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 27; Herrera Petrus, S. 193; Hess, EuZPR, Rz. 8.40; Klauser, Rz. 2; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 223; Mayr, Rz. VIII/6; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.46; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 1; Musger in Rat der Europäsichen Union, S. 205, 207; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EG-BewVO Rz. 1; Schmidt, Rz. 375; Schütze inWieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 3; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 10; Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden Nr. 9; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 30; Knöfel, RIW 2007, 832, 836 ff.; Knöfel, EuZW 2008, 267, 268; Knöfel, JPrIL 5 (2009), 281, 305 f.; differenzierend Valdhans/Sehnálek in van Rhee/Uzelac, 2015, S. 337, 351. 39 Näher Berger in Stein/Jonas, § 363 Anh. A Art. 1 HBÜ Rz. 21; Geimer in Zöller, § 1050 ZPO Rz. 5. 40 Dutta in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 3 EuErbVO Rz. 24, m.w.N. zum dortigen Streitstand. 41 Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme INT/867, ABl. EU 2019 C 62/56, Rz. 5.3.1 ff. 42 Alio, NJW 2004, 2706 f.; Berger, IPRax 2001, 522, 523; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 27; Hess, EuZPR, Rz. 8.40; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 1; Niehr, S. 138; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1072 Rz. 3; ebenso aus österreichischer Sicht Fucik in Fasching/Konecny, Art. 1 EGBewVO Rz. 6; Mayr, Rz. VIII/6; Rechberger/McGuire, ÖJZ 2006, 829, 830 f.; Schoibl, FS Rechberger, 2005, S. 513, 527; a.A. Frigo/Fumagalli, S. 165; Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 334; Herrera Petrus, S. 193; Schmidt, Rz. 375 (Verstoß gegen Art. 1 Abs. 2); zweifelnd auch Leipold, Ritsum. L. Rev. 20 (2003), 85, 89 Fn. 7. 43 So bereits zum HBÜ und zu § 1036 ZPO a.F. Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 1 HBÜ Rz. 2; näher zur internationalen Schiedsgerichtspraxis Goldman in Fouchard/Gaillard, On International Commercial Arbitration, 1999, Rz. 1336–1338. 44 Nicht überzeugend deshalb Frigo/Fumagalli, S. 165; Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 334; Herrera Petrus, S. 193. 45 Ebenso Schmidt, Rz. 375. 46 Dies ist nach Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 27 „vielfach“, nach Schmidt, Rz. 375 jedoch „eher selten“ der Fall; umfassend hierzu Schoibl, FS Rechberger, 2005, 513 ff. 47 Zur Rechts- und Beweishilfe im Verhältnis zwischen dem EuGH und den mitgliedstaatlichen Gerichten s. umfassend Knöfel, EuR 2010, 618 ff. 48 ABl. EU 2010 C 83/210. 49 ABl. EU 2012 L 265/1, zuletzt geändert durch VO v. 26.11.2019 (ABl. EU 2019 L 316/103). 50 ABl. EU 2014 L 32/37. 51 Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 24.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EU-BewVO
(EPG) gem. Art. 1 Abs. 2 des EPG-Übereinkommens52 die Stellung eines nationalen Gerichts der Vertragsmitgliedstaaten haben; Regel 173 der EPG-Verfahrensordnung53 sieht (i.V.m. Art. 34 Abs. 2 EUBewVO) deshalb folgerichtig vor, dass das EPG sich auch der EU-BewVO bedienen darf.54
II. Dezentrales IT-System Begriff und Funktionsweise des dezentralen IT-Systems werden unter Art. 7 EU-BewVO Rz. 1 ff. näher erläutert.
10
Artikel 3 Unmittelbarer Geschäftsverkehr zwischen Gerichten (1) Ersuchen nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a sind von dem Gericht, bei dem das Verfahren eingeleitet wurde oder eröffnet werden soll (im Folgenden „ersuchendes Gericht“), unmittelbar dem zuständigen Gericht eines anderen Mitgliedstaats (im Folgenden „ersuchtes Gericht“) zur Beweisaufnahme zu übersenden. (2) Jeder Mitgliedstaat erstellt eine Liste der Gerichte, die für Beweisaufnahmen nach dieser Verordnung zuständig sind. In der Liste ist auch der örtliche Zuständigkeitsbereich und gegebenenfalls die besondere fachliche Zuständigkeit dieser Gerichte anzugeben. I. Unmittelbarer Geschäftsverkehr . . . . . . . II. Ersuchendes und ersuchtes Gericht . . . . . .
1 5
1. Ersuchendes Gericht . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ersuchtes Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 6
I. Unmittelbarer Geschäftsverkehr Art. 3 Abs. 1 EU-BewVO ermöglicht einen unmittelbaren Geschäftsverkehr zwischen den Gerichten 1 der Mitgliedstaaten, sofern es um die aktive Rechtshilfe geht (Art. 1 Abs. 1 lit. a EU-BewVO; zur Übermittlung eines Ersuchens um unmittelbare Beweisaufnahme nach Art. 1 Abs. 1 lit. b EU-BewVO s. Art. 4 Abs. 3 EU-BewVO). Diese Dezentralisierung stellt einen wesentlichen Fortschritt gegenüber dem HBÜ dar, das allein die Übermittlung eines Rechtshilfeersuchens durch die Zentrale Behörde des ersuchten Staates kennt (Art. 2 HBÜ). Für eine Zentralisierung des Übermittlungsweges werden üblicherweise zwei Argumente angeführt: Erstens sei es für ein ersuchendes Gericht schwierig, das zuständige ausländische Gericht zu ermitteln.1 Diesem Bedenken trägt die EU-BewVO mit der in Art. 3 Abs. 2 EU-BewVO vorgesehenen Liste Rechnung, die es dem ersuchenden Gericht ohne größere Probleme ermöglicht, das zuständige Gericht herauszufinden. Zweitens spreche für eine Zentralisierung, dass so die Erfahrung in der Bearbeitung von Rechtshilfeersuchen konzentriert werde.2 Die starke Formalisierung der Ersuchen nach der EU-BewVO (Art. 5 EU-BewVO) und der dazugehörigen Formblätter ermöglicht indes auch in der Rechtshilfe eher unerfahrenen Praktikern eine rasche Bearbeitung und macht eine Konzentration speziellen Sachverstandes weitgehend überflüssig. Zudem bleibt, wenn ein föderaler Staat wie die Bundesrepublik für jedes Bundesland eine eigene zentrale Behörde einrichtet,3 von dem ursprünglichen Konzentrationsziel nicht viel erhalten. Schließlich hat sich
52 Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht (2013/C 175/01) v. 20.6.2013, ABl. 2013 C 175/1. 53 Die Fassung vom 18.3.2017 ist abrufbar unter https://www.unified-patent-court.org/sites/default/files/upc_ rules_of_procedure_18th_draft_15_march_2017_final_clear.pdf (abgerufen am 27.10.2021). 54 Näher Ahrens, GRUR 2017, 323, 326 f. 1 Z.B. Junker, Discovery, S. 231. 2 Z.B. Junker, Discovery, S. 231. 3 Überblick über die zentralen Behörden nach HBÜ in Deutschland bei Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 2 HBÜ Rz. 9.
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Art. 3 EU-BewVO Unmittelbarer Geschäftsverkehr zwischen Gerichten die Zwischenschaltung einer Zentralstelle in der Praxis unter dem HBÜ als eher hinderlich für eine zügige Abwicklung der Rechtshilfeersuchen erwiesen.4 2
Zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift s. Erstaufl. Rz. 2.
3
Die in Art. 4 EU-BewVO geregelten Zentralstellen haben weitgehend andere Funktionen als die zentralen Behörden i.S.d. Art. 2 HBÜ (s. Art. 4 EU-BewVO Rz. 1). Nur in Ausnahmefällen leiten die Zentralstellen auf Ersuchen eines ersuchenden Gerichts ein Ersuchen an das zuständige Gericht weiter (Art. 4 Abs. 1 lit. c EU-BewVO, s. Art. 4 EU-BewVO Rz. 7 ff.).
4
Aus der Wendung „Ersuchen sind unmittelbar zu übersenden“ folgt, dass der Weg des unmittelbaren Geschäftsverkehrs zwischen den Gerichten zwingend einzuhalten ist, sofern nicht die EU-BewVO selbst Ausnahmen vorsieht (Art. 4 Abs. 1 lit. c EU-BewVO). Der Parteibetrieb (§ 364 ZPO) ist ausgeschlossen.5 Ob die von der ZRHO grundsätzlich vorgesehene Beteiligung der Prüfungsstellen (§ 9 ZRHO) mit der Verordnung vereinbar ist, kann bezweifelt werden.6 Jedenfalls sollte im Interesse der Beschleunigung der Rechtshilfe von der in § 28 S. 3 ZRHO vorgesehenen Möglichkeit, im Anwendungsbereich der EU-BewVO von einer Beteiligung der Prüfungsstellen abzusehen, großzügiger Gebrauch gemacht werden.
II. Ersuchendes und ersuchtes Gericht 1. Ersuchendes Gericht 5
Das ersuchende Gericht ist dasjenige Gericht, bei dem das Verfahren eingeleitet wurde oder eröffnet werden soll. Die Ersuchenszuständigkeit des Gerichts, bei dem das Verfahren bereits anhängig (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 35) ist, ist unproblematisch. Aber auch wenn noch kein Verfahren eröffnet worden ist, entscheidet die hypothetische Hauptsachenzuständigkeit über die Bestimmung des Gerichts, das zur Stellung eines Ersuchens zuständig ist.7 Dies deckt sich im Ansatz mit der in § 486 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Gleichschaltung der Zuständigkeiten für die hypothetische Hauptsache und für das selbstständige Beweisverfahren.8 Fraglich ist die Zuständigkeit des Gerichts des Beweisverfahrens zur Stellung eines Ersuchens nach der EU-BewVO, wenn, was die in Deutschland h.M. gestattet (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 47), die hypothetische Hauptsachenzuständigkeit nicht auf die Gerichtsstände der Brüssel Ia-VO gestützt wird, sondern auf eine Zuständigkeit nach deutschem autonomen Recht, auch wenn diese in der Hauptsache nach der Brüssel Ia-VO unzulässig wäre. Die Wendung „eröffnet werden soll“ weist darauf hin, dass zur Stellung eines Rechtshilfeersuchens erforderlich ist, dass das ersuchende Gericht auch zur Durchführung des Hauptsacheverfahrens wirklich zuständig sein „soll“. Wegen des Regelungszusammenhangs der EU-BewVO mit der Brüssel Ia-VO dürfte insoweit auf die europäischen Zuständigkeitsvorschriften abzustellen sein, nicht auf diejenigen des deutschen autonomen Rechts.9 Allerdings wird die hypothetische Hauptsachenzuständigkeit des ersuchenden Gerichts vom ersuchten Gericht nicht nachgeprüft (s. Art. 16 EU-BewVO Rz. 23).
4 Vgl. Berger, IPRax 2001, 522; Schmidt, Rz. 338; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 2 EG-BewVO Rz. 1; Geimer in Zöller, Art. 2 EG-BewVO Rz. 1. 5 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 2 EG-BewVO Rz. 1; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 2 EGBewVO Rz. 6; Geimer in Zöller, Art. 2 EG-BewVO Rz. 2. 6 Skeptisch Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 2 EG-BewVO Rz. 2; verneinend Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 2 EG-BewVO Rz. 4; für Europarechtskonformität aber Kohake, DRiZ 2021, 378, 380; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1072 ZPO Rz. 18; Geimer in Zöller, § 1072 ZPO Rz. 8. 7 Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 2 EG-BewVO Rz. 7; anders Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 5: Entscheidungszuständigkeit sei im Rechtshilfeverfahren ohne Belang. 8 Vgl. auch Heinze, IPRax 2008, 480, 484; zum französischen Recht (Art. 145 cpc) Dörschner, S. 113 (örtliche Zuständigkeiten für die Hauptsache maßgebend); vgl. auch zur internationalen Zuständigkeit für eine pre-action disclosure nach englischem Recht Matthews/Malek, Disclosure, 3. Aufl. 2007, Rz. 2.16: „The basic principle is that the court has the power to grant an injunction against anyone who is amenable to its jurisdiction.“ 9 Vgl. OLG München v. 19.2.2014 – 15 W 912/13, IPRax 2015, 93 ff.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EU-BewVO
2. Ersuchtes Gericht Das ersuchte Gericht ist anhand der in Art. 3 Abs. 2 EU-BewVO vorgesehenen Liste zu bestimmen. Diese Liste ist der Kommission von jedem Mitgliedstaat mitzuteilen (Art. 31 Abs. 1 EU-BewVO). Sie wird in das gem. Art. 23 Abs. 1 EU-BewVO von der Kommission erstellte Handbuch aufgenommen, das in fortlaufend aktualisierter Fassung im Internet abgerufen werden kann (Art. 23 Abs. 1 EUBewVO).10 Bei Unklarheiten der Liste oder sonstigen Schwierigkeiten kann die Zentralstelle des betreffenden Mitgliedstaates um Hilfe gebeten werden (s. Art. 4 EU-BewVO Rz. 6, Art. 4 EU-BewVO Rz. 8). Zu Einzelheiten der Zuständigkeitsbestimmung s. Art. 9 EU-BewVO Rz. 3 ff.
6
§ 1074 ZPO bestimmt: „(1) Für Beweisaufnahmen in der Bundesrepublik Deutschland ist als ersuchtes Gericht im Sinne von Artikel 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 dasjenige Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Verfahrenshandlung durchgeführt werden soll. (2) Die Landesregierungen können die Aufgaben des ersuchten Gerichts einem Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte durch Rechtsverordnung zuweisen. (3) [betrifft Zentralstellen] (4) Die Landesregierungen können die Befugnis zum Erlass einer Rechtsverordnung nach Absatz 2 und Absatz 3 Satz 1 einer obersten Landesbehörde übertragen.“ Die Vorschrift lehnt sich an § 8 des HBÜ-Ausführungsgesetzes11 an, differenziert aber nicht mehr zwischen einer Zuständigkeit für die Entgegennahme und einer für die Erledigung des Ersuchens.12 Die Gesetzesbegründung weist darauf hin, dass aufgrund der geringeren Häufigkeit von Ersuchen um Beweisaufnahme gegenüber Zustellungsersuchen (Verhältnis etwa 1:9) in diesem Bereich ein größeres Bedürfnis für eine Konzentration bestehe.13 Insbesondere könne die bessere Nutzung kommunikationstechnischer Infrastruktur (z.B. für Videokonferenzen, s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 34 f.) eine Konzentration rechtfertigen.14 Eine Zuständigkeitskonzentration besteht in Berlin beim AG Schöneberg,15 in Hamburg beim AG Hamburg,16 in Nordrhein-Westfalen bei den AG Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Herne und Mönchengladbach,17 sowie in Rheinland-Pfalz bei den AG am Sitz eines LG für den Bezirk des jeweiligen LG.18 In Mecklenburg-Vorpommern hat die Landesregierung zwar die Ermächtigung nach § 1074 Abs. 2 ZPO auf das Landesjustizministerium übertragen;19 hiervon hat das Ministerium aber, soweit ersichtlich, bislang keinen Gebrauch gemacht.20 Sofern das Landesrecht keine Zuweisung nach § 1074 Abs. 2 ZPO vorsieht, richtet sich die Zuständigkeit nach der Belegenheit des Beweismittels bzw. dem Wohnsitz der Auskunftsperson.21 Sind demnach Verfahrenshandlungen an verschiedenen Orten notwendig, müssen mehrere Ersuchen gestellt werden.22 Funktionell zuständig ist der Richter, nicht der Rechtspfleger.23
7
10 Die Internetadresse lautet: https://e-justice.europa.eu/content_taking_evidence-374-en.do (abgerufen am 27.10.2021); s. auch die Arbeitshilfe in, IPRax 2004, 160 f. 11 HBÜ-Ausführungsgesetz vom 22.12.1977, BGBl. 1977 I 3105. 12 BT-Drucks. 15/1062, 22. 13 BT-Drucks. 15/1062, 23. 14 BT-Drucks. 15/1062, 23. 15 § 9 Abs. 1 ZustV v. 8.5.2008, GVBl. 2008, 116. 16 § 1 Nr. 9 RHi ErsAGZustV i.d.F. v. 27.2.2004, GVBl. 2004, 187. 17 § 4 ZustVO EUZHA v. 6.1.2004, GVBl. 2004, 24. 18 § 15 ZivilZustVO i.d.F. v. 18.8.2005, GVBl. 2010, 443. 19 § 1 Nr. 43 der Landesverordnung zur Übertragung von Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen im Bereich der Justiz (GVOBl. M-V 2006, 755) in der Fassung vom 19.7.2018, juris. 20 Vgl. die Verordnung über die Konzentration von Zuständigkeiten der Gerichte (KonzVO M-V), GVOBl. M-V 1994, 514, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22.2.2018 (GVOBl. M-V 2018, 59). 21 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 2 EG-BewVO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 3; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1074 ZPO Rz. 2. 22 Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 2 EG-BewVO Rz. 9; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1074 ZPO Rz. 2. 23 Schmidt in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, § 1074 ZPO Rz. 2; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 2 EG-BewVO Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 4; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1074 ZPO Rz. 2.
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Art. 4 EU-BewVO Zentralstelle
Artikel 4 Zentralstelle (1) Jeder Mitgliedstaat benennt eine Zentralstelle, die dafür verantwortlich ist, a) den Gerichten Auskünfte zu erteilen; b) nach Lösungswegen zu suchen, wenn bei einem Ersuchen Schwierigkeiten auftreten; c) in Ausnahmefällen auf Ersuchen eines ersuchenden Gerichts ein Ersuchen an das zuständige Gericht weiterzuleiten. (2) Bundesstaatlich organisierten Mitgliedstaaten, Mitgliedstaaten mit mehreren Rechtssystemen und Mitgliedstaaten mit autonomen Gebietskörperschaften steht es frei, mehrere Zentralstellen zu bestimmen. (3) Jeder Mitgliedstaat benennt ferner die in Absatz 1 dieses Artikels genannte Zentralstelle oder eine oder mehrere zuständige Behörden als verantwortlich für Entscheidungen über Ersuchen nach Artikel 19. I. Aufgaben der Zentralstellen . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Erteilung von Auskünften an die Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Suche nach Lösungswegen, wenn bei einem Ersuchen Schwierigkeiten auftreten . . . . . 4. Weiterleitung eines Ersuchens an das zuständige Gericht . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Entscheidung über Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . II. Bestimmung der Zentralstelle . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zentralstellen in Deutschland . . . . . . . . 3. Zentralstellen in den anderen Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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. . 13
I. Aufgaben der Zentralstellen 1. Überblick 1
Die nach der EU-BewVO einzurichtenden Zentralstellen weichen in ihrer Funktion erheblich von den zentralen Behörden i.S.d. HBÜ ab. Während nach dem HBÜ allein die zentralen Behörden für die Übermittlung von Rechtshilfeersuchen zuständig sind, geht die EU-BewVO (Art. 3 EU-BewVO) von dem Grundsatz des unmittelbaren Geschäftsverkehrs zwischen den Gerichten aus. Ferner haben die Zentralstellen nach der EU-BewVO bei Ersuchen um aktive Rechtshilfe (Art. 1 Abs. 1 lit. a EUBewVO) keine inhaltliche Prüfungskompetenz (vgl. hingegen Art. 5 HBÜ).1 Letztlich konzentriert sich die Aufgabenstellung der Zentralstellen vorwiegend darauf, den Gerichten der Mitgliedstaaten mit Informationen und Vermittlungsbemühungen zur Seite zu stehen.2 Im Einzelnen erfüllen sie vier Funktionen: – Die Erteilung von Auskünften an die Gerichte (Art. 4 Abs. 1 lit. a EU-BewVO), – die Suche nach Lösungswegen, wenn bei einem Ersuchen Schwierigkeiten auftreten (Art. 4 Abs. 1 lit. b EU-BewVO), – in Ausnahmefällen auf Ersuchen eines ersuchenden Gerichts die Weiterleitung eines Ersuchens an das zuständige Gericht (Art. 4 Abs. 1 lit. c EU-BewVO), – die Entscheidung über Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme nach Art. 19 EU-BewVO (Art. 4 Abs. 3 EU-BewVO, soweit diese Aufgabe nicht anderen Stellen zugewiesen wurde (Rz. 10).
1 Dies betonen auch Alio, NJW 2004, 2706, 2707; Berger, IPRax 2001, 522, 523; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 3 EG-BewVO Rz. 1; ebenso Hay/Rösler, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, 5. Aufl. 2016, S. 70. 2 Vgl. Alio, NJW 2004, 2706, 2707; Berger, IPRax 2001, 522, 523; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 164; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1291.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 4 EU-BewVO
2. Die Erteilung von Auskünften an die Gerichte Vor Inanspruchnahme der Zentralstellen ist stets zu prüfen, ob die gewünschte Information nicht be- 2 reits dem nach Art. 23 Abs. 1 EU-BewVO zu erstellenden Handbuch zu entnehmen ist.3 Die auf Art. 4 Abs. 1 lit. a EU-BewVO beruhende Pflicht zur ergänzenden Auskunftserteilung erstreckt sich allein auf Fragen, die mit der Anwendung der EU-BewVO zusammenhängen. Die Zentralstellen sind keine Ansprechpartner für allgemeine Rechtsanwendungshilfe, folglich z.B. nicht für Auskünfte über den Inhalt ausländischen Rechts zuständig.4 Dadurch wird freilich nicht ausgeschlossen, dass faktisch dieselbe Behörde aufgrund einer entsprechenden Aufgabenzuweisung sowohl als Zentralstelle nach der EUBewVO als auch als Auskunftsstelle aufgrund anderer Rechtshilfebestimmungen fungiert. Nur die Gerichte, nicht die Parteien selbst können sich an die Zentralstellen wenden. Davon unberührt bleibt die Befugnis der Parteien, eine gerichtliche Bitte um Auskunftserteilung unverbindlich anzuregen.5
3
Eine Bitte um Auskunft nach Art. 4 Abs. 1 lit. a EU-BewVO ist formfrei zu stellen.6 Für die Sprache, in der das Auskunftsverlangen abzufassen ist, gilt Art. 6 EU-BewVO entsprechend.7 Kosten für die Bearbeitung von Auskunftsverlangen werden nicht erhoben. Dies ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt sich aber a maiore ad minus aus dem in Art. 22 Abs. 1 EU-BewVO geregelten Grundsatz der Kostenfreiheit bei der Erledigung eines Ersuchens nach Art. 12 EU-BewVO. Da die Auskunft die sachgerechte Erledigung lediglich vorbereitet, wäre es widersinnig, hierfür Kosten zu erheben.
4
Zur Haftung der Zentralstelle bei unrichtigen Auskünften enthält die EU-BewVO keine Regelung. Es finden deshalb gegebenenfalls die autonomen Vorschriften des Staates Anwendung, um dessen Zentralstelle es sich handelt.
5
3. Suche nach Lösungswegen, wenn bei einem Ersuchen Schwierigkeiten auftreten Ferner soll die Zentralstelle nach Lösungswegen suchen, wenn bei einem Ersuchen Schwierigkeiten 6 auftreten (Art. 4 Abs. 1 lit. b EU-BewVO). Welcher Art diese Schwierigkeiten sein könnten, wird nicht näher ausgeführt. Probleme bei der Weiterleitung des Ersuchens fallen nur insofern hierunter, als die Zentralstelle nicht um eine Weiterleitung gebeten wird, weil Art. 4 Abs. 1 lit. c EU-BewVO dazu eine Spezialbestimmung enthält. In Betracht kommt vor allem eine vermittelnde Rolle der Zentralstellen, um Meinungsverschiedenheiten und Missverständnisse zu klären, die im unmittelbaren Geschäftsverkehr zwischen den Gerichten auftreten (z.B. im Zusammenhang mit der Vervollständigung unvollständiger Ersuchen, Art. 10, 11 EU-BewVO). Zu Form, Sprache, Kosten und Haftung s. Rz. 4 f. Wenn auch die ausländische Zentralstelle nicht für Abhilfe sorgt, ist der inländischen Prüfungsstelle zu berichten (§ 55 Abs. 5 S. 4 ZRHO); in Fällen von grundsätzlicher Bedeutung wird die Landesjustizverwaltung eingeschaltet (§ 32 Abs. 3 S. 3 ZRHO). 4. Weiterleitung eines Ersuchens an das zuständige Gericht a) In Ausnahmefällen übernehmen die Zentralstellen auf Ersuchen eines ersuchenden Gerichts die Weiterleitung eines Ersuchens an das zuständige Gericht (Art. 4 Abs. 1 lit. c EU-BewVO). Welcher Art diese Ausnahmefälle sein könnten, wird in der Verordnung nicht näher definiert. Schlosser hält dies für unschädlich, da man ohnehin nicht versuchen sollte, den Begriff der „Ausnahmefälle“ tatbestandlich zu konkretisieren: „Auch wenn das Ausgangsgericht die relevanten Adressen leicht hätte finden können, sollte die Zentralstelle das Gesuch weiterleiten, um unnötige Verzögerungen zu ver3 Drastisch Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1074 ZPO Rz. 7: Die Vorschrift solle nicht der „Faulheit von Gerichten […] Vorschub leisten“. 4 Ebenso Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 3 EG-BewVO Rz. 2; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1074 ZPO Rz. 7; vgl. hierzu das Londoner Übereinkommen betreffend Auskünfte über ausländisches Recht vom 7.6.1968, BGBl. 1974 II 938 = Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 19. Aufl. 2018, Nr. 200, m.w.N. zum Ratifikationsstand; näher Schellack, Selbstermittlung oder ausländische Auskunft unter dem europäischen Rechtsauskunftsübereinkommen, S. 136 ff. 5 Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1074 ZPO Rz. 7. 6 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EG-BewVO Rz. 6. 7 I.E. ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 5 EG-BewVO Rz. 1.
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Art. 4 EU-BewVO Zentralstelle meiden.“8 Diese großherzige Auslegung ist jedoch abzulehnen, weil die Buchstaben a und b des Art. 4 Abs. 1 EU-BewVO weitgehend ihrer Funktion beraubt würden, wenn das ersuchende Gericht ohne weiteres auf die Dienste der Zentralstelle zurückgreifen könnte.9 Zudem muss die Kommission spätestens nach fünf Jahren einen Bericht über die Anwendung der EU-BewVO vorlegen (Art. 33 Abs. 1 EU-BewVO). Die Vorläuferbestimmung zu dieser Vorschrift (Art. 23 EG-BewVO) stellte noch explizit klar, dass die Kommission hierbei insbesondere auf die praktische Anwendung der Ausnahmefälle i.S. des Art. 3 Abs. 1 lit. c EG.BewVO (jetzt: Art. 4 Abs. 1 lit. c EU-BewVO) achten sollte. Eine solche Überprüfungspflicht hätte keinen rechten Sinn, wenn auf eine tatbestandliche Konkretisierung des Ausnahmefalls i.S.d. Art. 4 Abs. 1 lit. c EU-BewVO verzichtet werden könnte. In dem am 5.12.2007 vorgelegten Bericht wurde hierzu ausgeführt: „Trotz der Tatsache, dass gemäß der Verordnung die Übermittlung der Ersuchen um Beweisaufnahme unmittelbar zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten erfolgen soll, und dass folglich die Zentralstellen Ersuchen nur ‚in Ausnahmefällen‘ an das zuständige Gericht weiterleiten sollen, zeigt die Studie, dass die Zentralstellen ‚manchmal‘ oder sogar ‚oft‘ Ersuchen an das zuständige Gericht weiterleiten. Es kann daher der Schluss gezogen werden, dass in der gegenwärtigen, noch andauernden Anpassungsphase die Verordnung noch nicht ausreichend bekannt ist, und dass jegliche Anstrengung unternommen werden sollte, um sie bei den Gerichten in der Europäischen Union besser bekannt zu machen.“10 8
b) Es ist folglich an einer strikten Handhabung der nur ausnahmsweise eingreifenden Weiterleitungspflicht der Zentralstellen festzuhalten, auch um erzieherisch auf die Gerichte der Mitgliedstaaten einzuwirken (s. auch §§ 55 Abs. 5 S. 4, 127 Abs. 2 S. 3 ZRHO). Nur wenn die Gerichte den Grundsatz des unmittelbaren Geschäftsverkehrs verinnerlichen, kann der mit Art. 3 Abs. 1 EU-BewVO beabsichtigte Beschleunigungseffekt im Vergleich zum HBÜ eintreten. Begründete Ausnahmefälle sind daher diejenigen Fälle, in denen es einem durchschnittlich sorgfältigen Richter nach Einsichtnahme in das Handbuch (Art. 23 Abs. 1 EU-BewVO) und auch unter Inanspruchnahme der Unterstützung der Zentralstelle nach Art. 4 Abs. 1 lit. a, b EU-BewVO nicht mit vertretbarem Aufwand möglich ist, eine unmittelbare Übersendung an das zuständige Gericht zu bewirken.11 Als Orientierungshilfe kann auch die Praxis zu der vergleichbaren Ausnahmebestimmung in Art. 4 Abs. 1 lit. c EU-ZustVO herangezogen werden.12 Denkbare Ausnahmefälle, die eine Inanspruchnahme der Zentralstellen rechtfertigen, sind z.B.: – das Scheitern einer Übermittlung des Ersuchens im unmittelbaren Geschäftsverkehr daran, dass nach der Liste (Art. 3 Abs. 2 EU-BewVO) zwei Gerichte als zuständig in Betracht kommen, was zu positiven oder negativen Kompetenzkonflikten und mehrfacher Inanspruchnahme des Art. 9 Abs. 2 EU-BewVO führen kann (s. auch Art. 9 EU-BewVO Rz. 8);13 – Widersprüche in der Liste (Art. 3 Abs. 2 EU-BewVO) zwischen sachlicher und örtlicher Zuständigkeit (ein örtlich zuständiges Gericht wäre nicht sachlich zuständig, einem sachlich zuständigen Gericht fehlt die örtliche Zuständigkeit); – die verzögerte Erstellung oder die fehlende Aktualisierung der Liste (Art. 3 Abs. 2 EU-BewVO), z.B. nach Inkrafttreten einer umfassenden Justizreform in dem betreffenden Mitgliedstaat; – eine willkürliche Verweigerung der Annahme des Ersuchens im unmittelbaren Geschäftsverkehr durch das ausländische Gericht.14
9
c) Wird die Zentralstelle um Weiterleitung des Ersuchens gebeten, ohne dass ein Ausnahmefall in diesem Sinne vorliegt, kann sie den Antrag des ersuchenden Gerichts in ein Auskunftsverlangen nach Art. 4 Abs. 1 lit. a EU-BewVO oder in eine Bitte um Suche nach Lösungswegen gem. Art. 4 Abs. 1 8 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 3 EG-BewVO Rz. 1; enger aber Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 3 EGBewVO Rz. 4; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EG-BewVO Rz. 3. 9 Ebenso Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 3 EG-BewVO Rz. 5; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EG-BewVO Rz. 3; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1074 ZPO Rz. 9. 10 Europäische Kommission, 5.12.2007, KOM (2007) 769 final, S. 4. 11 Ähnlich Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 94. 12 Freudenthal, NIPR 2002, 109, 115. 13 Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1074 ZPO Rz. 9. 14 Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1074 ZPO Rz. 9.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 4 EU-BewVO
lit. b EU-BewVO umdeuten und entsprechend bescheiden. Der Rechtsbehelf gegen die Ablehnung der Weiterleitung (Justizverwaltungsakt) ist § 23 EGGVG. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass auch bei einer Einschaltung der Zentralstelle zur Weiterleitung des Ersuchens ihr keine Prüfungskompetenz entsprechend Art. 5 HBÜ zusteht. Zu Form, Sprache, Kosten und Haftung s. Rz. 4 f. 5. Entscheidung über Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme Die Zentralstellen sind ferner in der Regel zuständig für die Entscheidung über Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme nach Art. 19 EU-BewVO.15 Jeder Mitgliedstaat kann aber auch eine oder mehrere andere Behörden als für diese Entscheidungen verantwortliche Stellen benennen. In Deutschland hat hiervon nur Bayern Gebrauch gemacht.16 Zu Einzelheiten s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 3 ff. Art. 33 Abs. 1 EU-BewVO ordnet nach fünf Jahren eine Überprüfung der Praxis durch die Kommission an. Die allgemeinen Verpflichtungen der Zentralstelle zu Auskünften (Art. 4 Abs. 1 lit. a EU-BewVO) und zur Unterstützung bei Schwierigkeiten (Art. 4 Abs. 1 lit. b EU-BewVO) stellen eine bloße Konkretisierung unionsrechtlicher Treue- und Rücksichtnahmepflichten dar und finden daher auch im Rahmen des Art. 4 Abs. 3 EU-BewVO i.V.m. Art. 19 EU-BewVO Beachtung.17 Hinzu kommt die in Art. 19 Abs. 6 EU-BewVO vorgesehene Möglichkeit, dass die Zentralstellen des ersuchten Mitgliedstaates ein Gericht dieses Staates damit beauftragt, praktische Unterstützung bei der unmittelbaren Beweisaufnahme zu leisten (s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 21).
10
II. Bestimmung der Zentralstelle 1. Überblick In Bundesstaaten (z.B. Deutschland), Staaten mit mehreren Rechtssystemen oder Staaten mit auto- 11 nomen Gebietskörperschaften (z.B. Spanien) können, wie schon nach Art. 24 Abs. 2 HBÜ, mehrere Zentralstellen bestimmt werden (Art. 4 Abs. 2 EU-BewVO). Da die Justizverwaltung in Deutschland grundsätzlich Ländersache ist, sind Zentralstellen für die einzelnen Länder eingerichtet worden.18 Gemäß § 1074 Abs. 3 ZPO können die Landesregierungen durch Rechtsverordnungen (1) die Stelle bestimmen, die in dem jeweiligen Land als deutsche Zentralstelle i.S.v. Art. 4 Abs. 1 EU-BewVO zuständig ist und (2) die als zuständige Stelle Ersuchen auf unmittelbare Beweisaufnahme i.S.v. Art. 19 Abs. 1 EU-BewVO entgegennimmt. Diese Aufgaben können für sich genommen in jedem Land nur jeweils einer Stelle zugewiesen werden. Nach § 1074 Abs. 4 ZPO können die Landesregierungen die Befugnis zum Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung einer obersten Landesbehörde übertragen.19 Über die Zentralstellen informiert das Handbuch (Art. 23 Abs. 1 EU-BewVO), ebenso über die gegebenenfalls nach Art. 4 Abs. 3 EU-BewVO benannten verantwortlichen Stellen.20 Soweit i.F. nicht anders angegeben, sind die nach Art. 4 Abs. 1 u. 2 EU-BewVO zuständigen Zentralstellen zugleich die verantwortlichen Stellen nach Art. 4 Abs. 3 EU-BewVO. 2. Zentralstellen in Deutschland Baden-Württemberg AG Freiburg 79098 Freiburg im Breisgau Tel: +49 761 205 0 Fax: +49 761 205 18 00 E-Mail: [email protected]
12 Hausanschrift: AG Freiburg Holzmarkt 2 79098 Freiburg im Breisgau
15 16 17 18 19
Kritisch Klötgen in Kengyel/Rechberger, 2007, S. 87, 102 in Bezug auf grenznahe Regionen. Näher Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EG-BewVO Rz. 7. Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EG-BewVO Rz. 7. Zur Abgrenzung der Bund/Länder-Zuständigkeiten näher Geimer in Zöller, § 1074 ZPO Rz. 1. Vgl. die Nachweise in den Kommentaren zu § 1074 ZPO, z.B. Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 11. 20 Vgl. auch https://e-justice.europa.eu/content_taking_evidence-374-en.do (abgerufen am 27.10.2021).
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Art. 4 EU-BewVO Zentralstelle Bayern a) Zentralstelle nach Art. 4 Abs. 1, 2 EU-BewVO Bayerisches Staatsministerium der Justiz 80097 München Tel: +49 89 55 97 01 Fax: +49 89 55 97 23 22 E-Mail: [email protected] b) Verantwortliche Stelle nach Art. 4 Abs. 3 EU-BewVO Präsident des OLG München 80097 München Tel: +49 89 55 97 02 Fax: +49 89 55 97 35 70 E-Mail: [email protected] Berlin Senatsverwaltung für Justiz Salzburger Straße 21–25 10825 Berlin Tel: +49 30 90 13 0 Fax: +49 30 90 13 20 00 E-Mail: [email protected] Brandenburg Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg 14460 Potsdam Tel: +49 331 866 0 Fax: +49 331 866 30 80 E-Mail: [email protected]
Hausanschrift: Bayerisches Staatsministerium der Justiz Justizpalast Prielmayerstraße 7 80335 München Hausanschrift: Präsidentin des OLG München Prielmayerstraße 5 80335 München
Hausanschrift: Senatsverwaltung für Justiz Salzburger Straße 21-25 10825 Berlin
Hausanschrift: Ministerium der Justiz und für Europa-Angelegenheiten des Landes Brandenburg Heinrich-Mann-Allee 107 14473 Potsdam
Bremen Präsidentin des LG Bremen Postfach 10 78 43 28078 Bremen Tel: +49 421 361 42 00 Fax: +49 421 496 4851 E-Mail: [email protected]
Hausanschrift: LG Bremen Domsheide 16 28195 Bremen
Hamburg Präsident des AG Hamburg 20348 Hamburg Tel: +49 40 428 43 1633 Fax: +49 40 4279 83217 E-Mail: [email protected]
Hausanschrift: AG Hamburg Sievekingplatz 1 20355 Hamburg
Hessen Der Präsident des OLG Frankfurt Postfach 10 01 01 60313 Frankfurt/M. Tel: +49 69 1367 01 Fax: +49 69 1367 29 76/2097 E-Mail: [email protected]
Hausanschrift: OLG Frankfurt Zeil 42 60313 Frankfurt/M.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 4 EU-BewVO
Mecklenburg-Vorpommern Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern 19048 Schwerin Tel: +49 385 588 3003 Fax: +49 385 588 34 50 E-Mail: [email protected]
Hausanschrift: Justizministerium Mecklenburg-Vorpommern Puschkinstraße 19–21 19055 Schwerin
Niedersachsen Niedersächsisches Justizministerium Postfach 201 30002 Hannover Tel: +49 511 120 5170 Fax: +49 511 120 51 70/51 85 E-Mail: [email protected]
Hausanschrift: Niedersächsisches Justizministerium Am Waterlooplatz 1 30169 Hannover
Nordrhein-Westfalen Die Präsidentin des OLG Düsseldorf Postfach 30 02 10 40402 Düsseldorf Tel: +49 211 49 71 0 Fax: +49 211 49 71 548 E-Mail: [email protected]
Hausanschrift: OLG Düsseldorf Cecilienallee 3 40474 Düsseldorf
Rheinland-Pfalz Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz Postfach 3260 55022 Mainz Tel: +49 6131 16 4800 Fax: +49 6131 16 48 87 E-Mail: [email protected]
Hausanschrift: Ministerium der Justiz des Landes Rheinland-Pfalz Ernst-Ludwig-Straße 3 55116 Mainz
Saarland Ministerium für Justiz Postfach 10 24 51 66024 Saarbrücken Tel: +49 681 501 00 Fax: +49 681 501 58 55 E-Mail: [email protected]
Hausanschrift: Ministerium für Justiz Franz-Josef-Röder-Straße 17 66119 Saarbrücken
Sachsen Präsident des OLG Dresden Postfach 12 07 32 01008 Dresden Tel: +49 351 44 60 Fax: +49 351 446 15 29 E-Mail: [email protected]
Hausanschrift: Präsident des OLG Dresden Schlossplatz 1 01067 Dresden
Sachsen-Anhalt Ministerium der Justiz und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt Postfach 34 29 39043 Magdeburg Tel: +49 391 567 01 Fax: +49 391 567 61 80 E-Mail: [email protected]
Hausanschrift: Ministerium der Justiz Domplatz 2-4 39104 Magdeburg
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Art. 4 EU-BewVO Zentralstelle Schleswig-Holstein Ministerium für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung Lorentzendamm 35 24103 Kiel Tel: +49 431 988 0 Fax: +49 431 988 3704 E-Mail: [email protected] Thüringen Thüringer Justizministerium Postfach 10 01 51 99001 Erfurt Tel: +49 361 57 3511 000 Fax: +49 361 57 3511 888 E-Mail: [email protected]
Hausanschrift: Ministerium für Justiz, Frauen, Jugend und Familie Lorentzendamm 35 24103 Kiel
Hausanschrift: Thüringer Justizministerium Werner-Seelenbinder-Straße 5 99096 Erfurt
3. Zentralstellen in den anderen Mitgliedstaaten 13
Soweit nicht anders angegeben, sind die nach Art. 4 Abs. 1 u. 2 EU-BewVO zuständigen Zentralstellen zugleich die verantwortlichen Stellen nach Art. 4 Abs. 3 EU-BewVO. Zur rechtlichen Bedeutung der im Handbuch (Art. 23 EU-BewVO) ggf. angegebenen Arbeitssprachen s. Art. 6 EU-BewVO Rz. 3. Belgien Service public fédéral Justice Service d’Entraide judiciaire internationale en matière civile Boulevard de Waterloo, 115 1000 Brüssel Tel.: +322 542 65 11 Fax: +322 542 70 06/+32 2542 70 38 E-Mail: [email protected] Arbeitssprachen lt Handbuch: Französisch, Niederländisch, Englisch Bulgarien Ministerium der Justiz Direktion Internationale Justizielle Zusammenarbeit und Europaangelegenheiten Abteilung Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen Ul. Slawjanska 1 1040 Sofia Tel.: +359 2 9237544 Fax: +359 2 9809223 Für Entscheidungen über die unmittelbare Beweisaufnahme nach Art. 19 EU-BewVO ist in der Republik Bulgarien das Bezirksgericht (окръжен), in dessen Gerichtsbezirk die Beweisaufnahme erfolgen soll, zuständig. Estland Justizministerium (Justiitsministeerium) Suur-Ameerika 110122 Tallinn Tel.: +372 620 8183 Fax: +372 620 8109 E-Mail: [email protected]
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 4 EU-BewVO
Finnland Justizministerium (Oikeusministeriö) PL 25 00023 Valtioneuvosto Tel.: +358 9 16 06 76 28 Fax: +358 9 16 06 75 24 E-Mail: [email protected] Arbeitssprachen lt Handbuch: Finnisch, Schwedisch, Englisch Frankreich Ministère de la Justice Direction des Affaires Civiles et du Sceau Bureau de l’entraide civile et commerciale internationale 13 Place Vendôme 75042, Paris Cedex 01 Tel.: +33 1 44 77 61 05 Fax: +33 1 44 77 61 22 E-Mail: [email protected] Griechenland Ministerium für Justiz, Transparenz und Menschenrechte (Upourceo Dikaios@mgr, Diavmeiar kai Amhrypmym Dikaiyltym) Abteilung Internationale justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen (Tlla Diehmo@r Dikastikr Sumercasar se Astikr kai Poimikr Upohseir) 96 Mesogeion Av. 11527 Athen Tel: +30 210 7767529/+30 210 7767322/+30 210 7767312 Fax: +30 210 7767499 E-Mail: [email protected], [email protected], [email protected] Irland Courts Service 1st Floor Aras Ui Dhalaigh, Four Courts Dublin 7 Tel.: +353-01 888 6152 Fax: +353-01 878 3218 E-Mail: MaryO’[email protected] Italien Justizministerium (Ministerio della Giustizia) Dipartimento Affari di Giustizia Direzione Generale della Giustizia Civile Ufficio I – Affari civili internazionali Vía Arenula n. 70 00186 Rom Tel.: +39 06 6885 2480/2517 Fax: +39 06 6889 7529 E-Mail: [email protected]
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Art. 4 EU-BewVO Zentralstelle Kroatien Justizministerium der Republik Kroation (Ministarstvo pravosuE¯a Republike Hrvatske) Ulica grada Vukovara 49 10000 Zagreb Tel.: +385 1 371 40 00 Fax: +385 1 371 45 07 E-Mail: www.mprh.hr Lettland Justizministerium der Republik Lettland Brivibas bvld.36 1536 Riga Tel.: +371 703 6736/6738 Fax: +371 7210823 E-Mail: [email protected]; [email protected]; [email protected] Arbeitssprachen lt Handbuch: Lettisch, Englisch Litauen Lietuvos Respublikos teisingumo ministerija Gedimino pr. 30/1 01104 Vilnius Tel.: +370 5 266 2984/+370 5 266 29 38/+370 5 266 29 42/+370 5 266 2941 Fax: +370 5 262 59 40, +370 5 2662854 E-Mail: [email protected] Luxemburg Parquet Général Cité Judiciaire, Bâtiment CR Plateau du Saint-Esprit 2080 Luxemburg Tel.: +352 47 59 81 336 Fax: +352 47 05 50 E-Mail: [email protected] Arbeitssprachen lt Handbuch: Französisch und Deutsch Malta Attorney General’s Office The Palace St. George’s Square Valletta VLT 1190 Tel.: +356 25 68 31 62 Fax: +356 21 23 72 81
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 4 EU-BewVO
Niederlande a) Zentralstelle nach Art. 4 Abs. 1, 2 EU-BewVO Raad voor de Rechtspraak Kneuterdijk 1 2514 EM Den Haag Postbus 90613 2509 LP ’s-Gravenhage Tel.: 070 361 9723 Fax: 070 361 9715 b) Verantwortliche Stelle nach Art. 4 Abs. 3 EU-BewVO Rechtbank ’s-Gravenhage Prins Clauslaan 60 2595 AJ ’s-Gravenhage Postbus 20302 2500 EH ’s-Gravenhage Tel.: 070 381 3495 Fax: 070 381 1972 Arbeitssprache lt Handbuch: Englisch Österreich Bundesministerium für Justiz Museumstraße 7 1070 Wien Tel.: +43 1 52 1 52 2147 Fax: +43 1 52 1 52 2829 E-Mail: [email protected] lt Handbuch: Deutsch, Englisch Polen Ministerstwo Sprawiedliwos´ci Departament Współpracy Mie˛dzynarodoweij i Prawa Europejskiego Al. Ujazdowskie 11 00 – 950 Warschau Tel.: +48 22 23 90 870 Fax: +48 22 628 09 49 Arbeitssprachen: Polnisch, Englisch, Deutsch, Französisch Portugal Generaldirektion der Justizverwaltung (Direcção Geral da Administração da Justiça) Av. D. João II, 1.8.2001 D/E PT-1990-097 Lissabon Tel.: +351 21 790 62 00/62 23 Fax: +351 21 154 51 00 E-Mail: [email protected] Arbeitssprachen lt Handbuch: Portugiesisch, Spanisch
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Art. 4 EU-BewVO Zentralstelle Rumänien Ministerium der Justiz (Ministerul Justit¸iei) Direktion für internationales Recht und justizielle Zusammenarbeit (Direct¸ia Drept Internat¸ional s¸i Cooperare Judiciara˘) Dienst für international justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen (Serviciul Cooperare judiciara˘ internat¸ionala˘ în materie civila˘) Strada Apollodor 17, Sector 5, 050741 Bukarest Tel.: +40372041077 Tel.: +40372041083, +40372041218 (Dienst für internationale Zusammenarbeit in Zivil- oder Handelssachen) Fax: +4037204 1079, +40372041084 E-Mail: [email protected], [email protected] Schweden Justizministerium (Justitiedepartementet) Abteilung für Strafsachen und internationale justizielle Zusammenarbeit (Enheten för brottmålsärenden och internationellt rättsligt samarbete) Zentrale Behörde (Centralmyndigheten) 103 33 Stockholm Tel.: +46 8 405 45 00 Fax: +46 8 405 46 76 E-Mail: [email protected] Arbeitssprachen lt Handbuch: Schwedisch, Englisch Slowakei Justizministerium der Slowaktischen Republik (Ministerstvo spravodlivosti Slovenskej republiky) Abteilung Internationales Privatrecht (Odbor medzinárodného práva súkromného a právneho styku s cudzinou) Zˇupné nám. 13 813 11 Bratislava Tel.: +421 2 888 91258Fax: +421 2 888 91 604 E-Mail: [email protected] Arbeitssprachen lt Handbuch: Slowakisch, Tschechisch, Englisch, Französisch, Deutsch Slowenien Justizministerium (mínistrstvo za pravosodje) Zˇupancˇicˇeva 3 1000 Ljubljana Tel.: +386 1 369-53 42 Fax: +386 1 369 57 83 E-Mail: [email protected] Arbeitssprachen lt Handbuch: Slowenisch, Englisch Spanien a) Zentralstelle nach Art. 4 Abs. 1, 2 EU-BewVO Unterabteilung „Internationale justizielle Zusammenarbeit“ (Subdirección General de Cooperación Jurídica Internacional) Justizministerium (Ministerio de Justicia) San Bernardo, 62 28015 Madrid Fax: +34 91 390 44 57 Arbeitssprachen lt Handbuch: Spanisch, Portugiesisch
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 4 EU-BewVO
b) Verantwortliche Stellen nach Art. 4 Abs. 3 EU-BewVO Die zuständigen Behörden für Entscheidungen über Ersuchen nach Art. 19 EU-BewVO sind die Juzgados Decanos eines jeden Gerichtsbezirks. Der für jede Gemeinde zuständige Gerichtsbezirk kann über die Website des Ministeriums für Justiz (www.mju.es), dort über den Bereich Partidos Judiciales (Gerichtsbezirke), in Erfahrung gebracht werden. In diesem Bereich erscheint die Anschrift des Juzgado Decano, an das die Anträge zu richten sind. Tschechische Republik Justizministerium, Abteilung internationale Angelegenheiten (Ministerstvo spravedlnosti mezinárodní odbor) Vysˇehradská 16 128 10 Prag 2 Tel.: +420 221 997 111 Fax: +420 224 919 927 E-Mail: [email protected] Arbeitssprachen lt Handbuch: Englisch, Tschechisch Ungarn Justizministerium (Igazságügyi Minisztérium) Hauptabteilung für Internationales Privatrecht (Magyarországon a központi szerv feladatait az igazságügyért felelo˝s miniszter látja el.) Kossuth Lajo tèr 2-4, 1055 Budapest Postfach 21357 Budapest Tel: +36 1 795 6094 Fax: +36 1 795 0463 E-Mail: [email protected] Arbeitssprachen lt Handbuch: Ungarisch, Deutsch, Englisch und Französisch Zypern Ministry of Justice and Public Order (Ypourgeío Dikaiosy´nis kai Dimosías Táxeos) International Legal Cooperation Unit (Monáda Diethnoús Nomikís Synergasías) Leoforos Athalassas 125 Dasoupoli,1461 Nicosia Kontakt: Ms Yioulika Hodjiprodromou Legal Officer International Legal Cooperation Unit Ministry of Justice and Public Order Tel.: +357 22 805943 Fax: +357 22 518328 E-Mail: [email protected] Ms Troodia Dionysiou Administrative Officer International Legal Cooperation Unit Ministry of Justice and Public Order Tel: +357 22 805932 Fax: +357 22 518328 E-Mail: [email protected] Arbeitssprachen lt Handbuch: Griechisch, Türkisch, Englisch
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Art. 5 EU-BewVO Form und Inhalt von Ersuchen
Kapitel II Übermittlung und Erledigung der Ersuchen (Art. 5–Art. 22) Abschnitt 1 Übermittlung von Ersuchen (Art. 5–Art. 8)
Artikel 5 Form und Inhalt von Ersuchen (1) Ersuchen werden unter Verwendung des Formblattes A oder gegebenenfalls des Formblattes L in Anhang I gestellt. Jedes Ersuchen enthält folgende Angaben: a) das ersuchende und gegebenenfalls das ersuchte Gericht; b) Namen und Anschriften der Parteien und gegebenenfalls ihrer Vertreter; c) die Art und den Gegenstand der Rechtssache sowie eine kurze Darstellung des Sachverhalts; d) die Beschreibung der ersuchten Beweisaufnahme; e) bei einem Ersuchen um Vernehmung einer Person: – Name und Anschrift der zu vernehmenden Person; – die Fragen, welche an die zu vernehmende Person gerichtet werden sollen, oder den Sachverhalt, über den diese Person vernommen werden soll; – gegebenenfalls einen Hinweis auf ein nach dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht; – gegebenenfalls den Antrag, die Vernehmung unter Eid oder eidesstattlicher Versicherung durchzuführen, und gegebenenfalls die dabei zu verwendende Formel; – gegebenenfalls alle anderen Informationen, die das ersuchende Gericht für erforderlich hält; f) bei einem Ersuchen um eine sonstige, nicht unter Buchstabe e genannte Beweisaufnahme die Urkunden oder anderen Gegenstände, die geprüft werden sollen; g) gegebenenfalls Anträge nach Artikel 12 Absätze 3 oder 4 oder nach den Artikeln 13 oder 14 und für deren Ausführung erforderliche Erläuterungen. (2) Die Ersuchen sowie alle beigefügten Unterlagen bedürfen weder der Beglaubigung noch einer anderen gleichwertigen Formalität. (3) Schriftstücke, deren Beifügung das ersuchende Gericht für die Erledigung des Ersuchens für notwendig hält, sind mit einer Übersetzung der Schriftstücke in die Sprache zu versehen, in der das Ersuchen abgefasst wurde. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhältnis der EU-BewVO zu den Formblättern . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Angaben im Einzelnen . . . . . . . . . 1. Das ersuchende und das ersuchte Gericht (Art. 5 Abs. 1 lit. a EU-BewVO) . . . . . . 2. Bezeichnung der Parteien . . . . . . . . . . 3. Rechtssache und Sachverhalt . . . . . . . . 4. Beschreibung der durchzuführenden Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vernehmung einer Person . . . . . . . . . .
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a) Zeuge, Partei, Sachverständiger . . . b) Name und Anschrift . . . . . . . . . c) Beweisthema . . . . . . . . . . . . . . d) Zeugnisverweigerungsrechte . . . . e) Vernehmung unter Eid . . . . . . . . 6. Urkunden und Augenscheinsobjekte . . 7. Sonstige Angaben nach Art. 5 Abs. 1 lit. g EU-BewVO . . . . . . . . . . . . . a) Besondere Formen und Kommunikationstechnologien . . . . . . . . . b) Anwesenheit und Beteiligung von Parteien und Beauftragten . . . . . . V. Form und Sprache . . . . . . . . . . . .
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. . . . 22 . . . . 22 . . . . 23 . . . . 25
Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 5 EU-BewVO
I. Normzweck Die EU-BewVO will durch die Einführung von Formblättern eine weitgehende Standardisierung 1 und Formalisierung der Kommunikation zwischen den Gerichten ermöglichen und so zur beschleunigten Erledigung von Rechtshilfeersuchen beitragen.1 Hiermit soll „ein Höchstmaß an Klarheit und Rechtssicherheit gewährleistet“ werden (Erwägungsgrund 6 Satz 1 EU-BewVO). Dies ist bemerkenswert, weil im Recht der internationalen Beweisaufnahme lange Zeit die Auffassung überwog, dass einheitliche Formblätter angesichts der internationalen Vielfalt an Beweismitteln und der Unterschiede im Beweisverfahren für diesen Bereich der Rechtshilfe – anders als im Zustellungsrecht – eher ungeeignet seien.2 Die Formalisierung der Ersuchen nach der EU-BewVO stellt jedoch einen notwendigen Ausgleich für den Wegfall der Übermittlung und Prüfung der Rechtshilfeersuchen durch eine zentrale Behörde dar.3 Da die Gerichte selbst im unmittelbaren Geschäftsverkehr eingehende Ersuchen bearbeiten müssen, ohne dass bei ihnen in demselben Maße wie bei einer zentralen Behörde spezifische Kenntnisse des ausländischen und internationalen Rechts der Beweisaufnahme vorausgesetzt werden können, ist die in der Verordnung angestrebte Standardisierung gerechtfertigt. Zudem wird so die elektronische Datenverarbeitung erleichtert und die Verarbeitung fremdsprachiger Formulare ermöglicht.4
II. Auslegung 1. Art. 5 EU-BewVO ist hinsichtlich der notwendigen Informationen, die ein Rechtshilfeersuchen enthalten muss, in seinen Grundzügen Art. 3 HBÜ nachgebildet. Insbesondere im deutschen Schrifttum wurde Art. 3 HBÜ in den vergangenen Jahren zu einem Bollwerk gegen die durch eine amerikanische pre-trial discovery befürchtete Ausforschung deutscher Beweispersonen ausgebaut, indem die aus deutscher Sicht notwendigen Anforderungen an die Spezifität des Beweisthemas (Art. 3 Abs. 1 lit. c und f HBÜ) verschärft wurden.5 Aufgrund des Prinzips der autonomen Auslegung der EUBewVO darf jedoch an die nach Art. 5 Abs. 1 EU-BewVO zu verlangende Spezifität der Bezeichnung von Beweismitteln und -themen nicht der Maßstab der lex fori angelegt werden.6 Auch Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO, der die Erledigung des Ersuchens nach der lex fori des ersuchten Gerichts anordnet, führt nicht dazu, dass die Bestimmtheit der Bezeichnung von Beweismitteln und -themen am deutschen Prozessrecht zu messen ist (s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 4).7 Dafür, dass die Vollständigkeit oder Unvollständigkeit bei der Angabe von Beweismitteln und -themen autonom zu bestimmen ist, spricht mittelbar ferner, dass die EU-BewVO selbst Vorschriften über die Vervollständigung des Ersuchens und die dabei einzuhaltenden Fristen enthält (Art. 10, 11, 16 Abs. 2 lit. c EU-BewVO) und insoweit nicht auf die lex fori (etwa § 356 ZPO) verweist.
2
2. Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO enthält die Verpflichtung des ersuchten Gerichts, bei einer Bitte um eine Vervollständigung des Ersuchens die fehlenden Angaben „in möglichst genauer Weise zu bezeichnen“. Dieses Spezifitätserfordernis zu Lasten des ersuchten Gerichts hätte keinen rechten Sinn, wenn nicht bereits das ersuchende Gericht im Rahmen des Art. 5 Abs. 1 EU-BewVO ebenso zu einer präzisen Beschreibung von Beweismitteln und -themen gehalten wäre.8 Was im Einzelnen unter einer „möglichst genauen Bezeichnung“ der Beweismittel und -themen zu verstehen ist, muss am Zweck des Art. 5
3
1 Berger, IPRax 2001, 522, 523; kritisch zur Formularvielfalt Müller, S. 127 f. 2 So z.B. Ewald Geimer, S. 76; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl 2015, Art. 3 HBÜ Rz. 1; Volken, Die Internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, Rz. 3/133; krit. zur EG-BewVO Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 166 („problematisch“). 3 Berger, IPRax 2001, 522, 523; Freudenthal, NIPR 2002, 109, 115. 4 Näher Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 166. 5 Für diesen Ansatz insbesondere Junker, Discovery, S. 315–317; ferner Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 3 HBÜ Rz. 4; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, S. 253; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 3 HBÜ Rz. 35. 6 Betetto, EuLF 2006, I-137, I-139; Mosser in Fasching/Konecny, Art. 4 EG-BewVO Rz. 1; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 4 EG-BewVO Rz. 2; Klauser, S. 2; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 4 EG-BewVO Rz. 1. 7 I.E. ebenso Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 4 EG-BewVO Rz. 1. 8 A.A. Janal, § 15 Rz. 14.
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Art. 5 EU-BewVO Form und Inhalt von Ersuchen Abs. 1 EU-BewVO, als Entscheidungsgrundlage für das ersuchte Gericht in Bezug auf die Erledigung des Ersuchens zu dienen, ausgerichtet werden. Ausreichend, aber auch erforderlich ist deshalb, dass die nach Art. 5 Abs. 1 EU-BewVO vorgeschriebenen Angaben so hinreichend verdichtet sind, dass das ersuchte Gericht (bzw. bei einem Antrag nach Art. 19 EU-BewVO die Zentralstelle) inhaltlich über die Erledigung des Ersuchens entscheiden kann, d.h. insbesondere die Ablehnungsgründe der Art. 16 und Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO (bzw. Art. 19 Abs. 7 EU-BewVO) zu prüfen vermag.9
III. Verhältnis der EU-BewVO zu den Formblättern 4
Die Formblätter sind als Anhang zur EU-BewVO gemeinsam mit dieser und auf derselben Rechtsgrundlage verabschiedet worden; sie bilden folglich einen Teil der Verordnung und können grundsätzlich auch bei der Auslegung des Verordnungstextes herangezogen werden.10 Sie können fortan von der Kommission durch Delegierte Rechtsakte gem. Art. 23 Abs. 2 EU-BewVO aktualisiert oder technisch angepasst werden (s. Art. 23 EU-BewVO Rz. 2 f.). Ferner besteht eine inhaltliche Hierarchie zwischen dem eigentlichen Verordnungstext und dem Text der Formblätter. Soweit die Formulare Informationen vorsehen, die nach dem Verordnungstext nicht zwingend vorgeschrieben sind, kann eine fehlende Angabe in einer entsprechenden Rubrik nicht die Ablehnung eines Rechtshilfeersuchens rechtfertigen.11 So schreibt z.B. Art. 5 Abs. 1 lit. b EU-BewVO lediglich die Angabe der Namen und Anschriften der Parteien vor, während das Formblatt A zusätzlich zu Name (Nr. 5.1) und Anschrift (Nr. 5.2) Rubriken für die Telefon- und Faxnummer sowie die E-Mail-Adresse (Nrn. 5.3–5.5) enthält. Es wird regelmäßig im eigenen Interesse des ersuchenden Gerichts an einer zügigen Abwicklung des Rechtshilfeersuchens liegen, diese einer schnellen Kommunikation dienlichen Angaben zu übermitteln. Unterbleibt dies jedoch, etwa aus Unkenntnis oder weil die Partei nicht über moderne Kommunikationstechniken wie z.B. E-Mail verfügt, liegt hierin kein Hindernis für die Erledigung des Rechtshilfeersuchens. Schreibt hingegen Art. 5 Abs. 1 EU-BewVO Angaben vor, für die sich im Formblatt A keine Rubrik findet, ist gegebenenfalls eine Anlage einzureichen, auf die an geeigneter Stelle hinzuweisen ist. Dies betrifft namentlich die für Anträge auf Beteiligung der Parteien bzw. Richter nach Art. 13 EU-BewVO und Art. 14 EU-BewVO erforderlichen Erläuterungen, deren Angabe in Art. 5 Abs. 1 lit. g EU-BewVO vorgeschrieben ist, für die sich aber unter den Nr. 8 und 9 des Formblatts A – anders als bei Anträgen nach Art. 12 Abs. 3 oder Abs. 4 EU-BewVO (vgl. Formblatt A Nr. 12.3) – keine Rubrik findet, unter der sie eingetragen werden könnten (s. Rz. 24).
IV. Die Angaben im Einzelnen 1. Das ersuchende und das ersuchte Gericht (Art. 5 Abs. 1 lit. a EU-BewVO) 5
Das ersuchende Gericht ist das Gericht, bei dem das Verfahren eingeleitet wurde oder eröffnet werden soll (Art. 3 Abs. 1 EU-BewVO, näher Art. 3 EU-BewVO Rz. 1 ff.). Die Zuständigkeit des ersuchenden Gerichts wird im Rahmen des Rechtshilfeverfahrens nicht überprüft (Art. 16 Abs. 3 EU-BewVO, s. Art. 16 EU-BewVO Rz. 23);12 dies bleibt in den Grenzen des Art. 45 Brüssel Ia-VO der Urteilsanerkennung vorbehalten. Die Zuständigkeit des ersuchten Gerichts ergibt sich aus der gem. Art. 3 Abs. 2 EU-BewVO erstellten Liste (s. Art. 3 EU-BewVO Rz. 6). 2. Bezeichnung der Parteien
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Das Ersuchen muss die Namen und die Anschriften der Parteien und gegebenenfalls ihrer Vertreter angeben (Art. 5 Abs. 1 lit. b EU-BewVO). Der Begriff der Anschrift ist autonom und nicht nach der 9 Für eine Differenzierung zwischen zwingenden und halbzwingenden Angaben Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 4 EG-BewVO Rz. 16. 10 Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 232; ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 4 EG-BewVO Rz. 4 in Fn. 3. 11 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 4 EG-BewVO Rz. 2. 12 Mosser in Fasching/Konecny, Art. 4 EG-BewVO Rz. 12; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 4 EG-BewVO Rz. 5.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 5 EU-BewVO
lex fori des ersuchten Gerichts zu verstehen. Während beispielsweise nach deutschem Recht ein Postfach nicht als ladungsfähige Anschrift gelten soll,13 sieht das Formblatt A die Angabe des Postfachs durchgehend als gleichwertige Alternative zu Straße und Hausnummer an (vgl. Nrn. 4.2.1, 5.2.1, 6.2.1, 7.2.1).14 Entscheidend ist, dass unter der angegebenen Adresse Mitteilungen des Gerichts die Partei erreichen können.15 Aus diesem Grund und weil Art. 5 Abs. 1 lit. b EU-BewVO nur von „Anschrift“ (address, adresse), nicht speziell von der „Wohnanschrift“ der Parteien spricht, kann ebenso wie im deutschen Recht ausnahmsweise auch die Arbeitsstätte einer Partei als Anschrift in Betracht kommen, sofern die Angaben so konkret und genau sind, dass von einer ernsthaften Möglichkeit ausgegangen werden kann, die Zustellung verfahrensbezogener Mitteilungen durch Übergabe werde dort gelingen.16 Die Ermittlung der Anschrift einer Person, der eine gerichtliche Entscheidung zuzustellen ist, stellt keine „Beweisaufnahme“ i.S. des Art. 1 Abs. 1 lit. a EU-BewVO dar.17 3. Rechtssache und Sachverhalt Ferner soll das Ersuchen die Art und den Gegenstand der Rechtssache angeben sowie eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts erhalten (Art. 5 Abs. 1 lit. c EU-BewVO). Diesen Angaben kommt besondere Bedeutung zu, weil das ersuchte Gericht nur auf ihrer Grundlage beurteilen kann, ob das Ersuchen in den Anwendungsbereich der EU-BewVO fällt (Art. 1 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 lit. a EUBewVO). Sie müssen daher so ausführlich sein, dass das ersuchte Gericht die Zulässigkeit des Ersuchens beurteilen kann.18 Zur Sprache s. Art. 6 EU-BewVO.
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4. Beschreibung der durchzuführenden Beweisaufnahme Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. d EU-BewVO ist die durchzuführende Beweisaufnahme zu beschreiben. 8 Dies sollte mit größtmöglicher Sorgfalt erfolgen, um Missverständnisse zwischen den Gerichten zu vermeiden. Es muss insbesondere klargestellt werden, ob eine Partei nur angehört oder ob sie als Zeuge vernommen werden soll, ob eine Person als Sachverständiger oder als Zeuge zu befragen ist usw. Die in den folgenden Buchstaben genannten Beweismittel (lit. e: Vernehmung von Personen, lit. f: Urkunden und andere Gegenstände) sind nicht abschließend zu verstehen. Art. 5 Abs. 1 lit. d EU-BewVO erfasst jede in den Anwendungsbereich der EU-BewVO fallende Beweisaufnahme, z.B. auch die Beweiserhebung durch einen vom ersuchten Gericht ernannten Sachverständigen.19 5. Vernehmung einer Person a) Zeuge, Partei, Sachverständiger Art. 5 Abs. 1 lit. e EU-BewVO spricht allgemein von der Vernehmung einer „Person“. Hierunter fallen sowohl Zeugen als auch die Parteien, sofern sie als Auskunftspersonen befragt werden sollen (zu Parteivernehmung und -anhörung s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 10).20 Praktische Probleme können sich daraus ergeben, dass das Formblatt A unter Nr. 11.2 allein die Vernehmung von „Zeugen“ aufführt. Auch dieser Begriff muss jedoch autonom verstanden werden, was bereits deshalb nahe liegt, weil die dem deutschen Recht eigene scharfe Trennung zwischen Partei- und Zeugenstellung nicht allgemein
13 So das BVerwG v. 13.4.1999 – 1 C 24.97, NJW 1999, 2608. 14 Huber in Gebauer/Wiedemann, Art. 4 EG-BewVO Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 7. 15 Ebenso Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 4 EG-BewVO Rz. 5; aus diesem Grund ist die EU-BewVO auch kein taugliches Instrument, um die Anschrift einer Partei zum Zwecke der Zustellung überhaupt erst zu ermitteln, s. Europäische Kommission, 4.12.2013, KOM (2013) 858 final, S. 8. 16 Vgl. zum deutschen Recht BGH v. 31.10.2000 – VI ZR 198/99, BGHZ 145, 358; wie hier Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 7. 17 EuGH v. 9.9.2021 – C-208/20, C-256/20, C-208/20, C-256/20, ECLI:EU:C:2021:719 – „Toplofikatsia Sofia“ EAD, Rz. 25–27. 18 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 7. 19 Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1291. 20 Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 232.
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Art. 5 EU-BewVO Form und Inhalt von Ersuchen in Europa verbreitet ist21 und auch in Deutschland de lege ferenda zunehmend kritisiert wird.22 Unter einem „Zeugen“ i.S.d. Formblatts A ist folglich jede Auskunftsperson – Partei und Zeuge (im technischen Sinne der ZPO) – zu verstehen.23 Ob das ersuchte Gericht die Partei als normalen Zeugen vernehmen kann oder ob hierfür besondere Voraussetzungen, wie etwa bei der deutschen Parteivernehmung, erfüllt sein müssen, ist gem. Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO nach dem Recht des ersuchten Gerichts zu entscheiden. 10
Für den Sachverständigen mag es zweckmäßiger erscheinen, die entsprechenden Angaben unter Nr. 11.1 des Formblattes A zu machen, um eine Verwirrung darüber, ob die betreffende Person gerade in ihrer Eigenschaft als Sachverständiger oder als gewöhnlicher Zeuge aussagen soll, zu vermeiden.24 Hierfür spricht ferner, dass das ersuchte Gericht darum gebeten werden kann, vor Ort einen Sachverständigen zu ernennen.25 In diesem Fall kann das ersuchende Gericht ohnehin keine Angaben unter Nr. 11.2 des Formblattes A machen. Die ZRHO geht indessen davon aus, dass auch Angaben zu Sachverständigen unter Nr. 11.2 des Formblattes A aufzunehmen sind.26 Zur Beschreibung der vom Sachverständigen ggf. zu untersuchenden Objekte s. Rz. 21. b) Name und Anschrift
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Gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. e EU-BewVO sind Name und Anschrift der zu vernehmenden Person anzugeben. Die Angabe eines vollständigen melderechtlichen Datensatzes, einschließlich Geburtsort und -datum, ist nicht vorgeschrieben und darf auch nicht verlangt werden.27 Bei unklaren Angaben (z.B. „das für den Vertrieb zuständige Vorstandsmitglied der X-AG“)28 ist das ersuchte Gericht nicht dazu verpflichtet, die gemeinte Person zu ermitteln.29 Ist dem ersuchten Gericht jedoch die Adresse bekannt, muss es mit der Erledigung des Ersuchens fortfahren, ohne diese durch ein überflüssiges Verlangen nach förmlicher Vervollständigung (Art. 10 EU-BewVO) zu verzögern.30 Im Übrigen gelten die Ausführungen zur Bezeichnung der Parteien entsprechend (s. Rz. 6). c) Beweisthema
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Das Ersuchen muss nach Art. 5 Abs. 1 lit. e EU-BewVO ferner angeben, – welche Fragen an die zu vernehmenden Personen gerichtet werden sollen, – oder den Sachverhalt, über den sie vernommen werden sollen. Es handelt sich hierbei um ein echtes Alternativverhältnis („oder“):31 Werden präzise Fragen angegeben, braucht nicht der Sachverhalt erläutert zu werden, über den die Personen vernommen werden sollen. Insoweit wird das Gericht hinreichend durch die gedrängte Darstellung des Sachverhalts gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c EU-BewVO unterrichtet. Zum Teil wird die Ansicht vertreten, die Vernehmung einer Person über einen Sachverhalt gem. Art. 5 Abs. 1 lit. e EU-BewVO könne auch Ausforschungscharakter haben.32 So sei es z.B. zulässig, als Sachverhalt lediglich anzugeben, „ob die Person über ei21 Etwa Großbritannien, Niederlande (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 15); vgl. auch Schack, IZVR Rz. 813. 22 Eingehend Coester-Waltjen, ZZP 113 (2000), 269, 291 ff.; Wagner, ZEuP 2001, 441, 493 f. 23 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 4 EG-BewVO Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 8. 24 Vgl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 8; die Unterscheidung hat Bedeutung für die Kosten, s. Art. 18 Abs. 3 EG-BewVO. 25 S. Art. 14 EU-BewVO Rz. 4. 26 Siehe § 58 Abs. 2 u. 3 ZRHO; ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 4 EG-BewVO Rz. 11; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 8, aber unter Ersetzung des Wortes „Zeuge“ durch „Sachverständiger“; vgl. auch Mosser in Fasching/Konecny, Art. 4 EG-BewVO Rz. 17. 27 Vgl. LG Paderborn v. 14.3.2017 – 6 O 5/15, juris Rz. 52. 28 Beispiel von Junker, Discovery, S. 308. 29 Großzügiger zu Art. 3 HBÜ Junker, Discovery, S. 308; ebenso Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 4 EG-BewVO Rz. 9. 30 Zum HBÜ OLG München v. 27.11.1980 – 9 VA 4/80, RIW 1981, 555, 556; Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 3 HBÜ Rz. 3. 31 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 4 EG-BewVO Rz. 10. 32 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 4 EG-BewVO Rz. 2; zust. Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 4 EG-BewVO Rz. 11; Janal, § 15 Rz. 14; enger aber Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 4 EG-BewVO Rz. 9.
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nen längeren Zeitraum hinweg Beobachtungen über Unregelmäßigkeiten einer Anlage gemacht hat, ob im Verhältnis von Mutter- und Tochtergesellschaft die Verwaltungen korrekt unterschieden wurden [oder] ob regelmäßige Wartungsarbeiten durchgeführt wurden“.33 Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden,34 auch wenn man dem argumentativen Ansatz folgt, die Spezifität des Beweisthemas sei autonom zu bestimmen.35 Wie bereits ausgeführt wurde (Rz. 2 f.), verlangt eine autonome Auslegung in diesem Zusammenhang, dass die nach Art. 5 EU-BewVO vorgeschriebenen Angaben „in möglichst genauer Weise zu bezeichnen sind“ (arg. Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO, s. Rz. 3), d.h. so hinreichend präzise sind, dass das ersuchte Gericht inhaltlich über die Erledigung des Ersuchens entscheiden kann, insbesondere die Ablehnungsgründe der Art. 16 EU-BewVO und Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO zu beurteilen vermag.36 Hierzu gehört auch die Prüfung der Frage, ob die Beweise, um deren Aufnahme ersucht wird, zur Verwendung in einem gerichtlichen Verfahren bestimmt sind (Art. 16 Abs. 2 lit. a EU-BewVO i.V.m. Art. 1 Abs. 2 EU-BewVO). Hierdurch werden bloße Beweisermittlungsanträge (Ausforschungen, fishing expeditions) ausgeschlossen (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 43 f.).37 Praktisch dürfte diese Frage nur selten erheblich werden, da die extensive pre-trial discovery amerikanischen Zuschnitts in den Mitgliedstaaten unbekannt ist (zur irischen discovery s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 42 ff.). Darüber hinaus kommt es kaum vor, dass bei Inanspruchnahme aktiver Rechtshilfe lediglich der Sachverhalt mitgeteilt wird, auf dem eine Vernehmung durch das ersuchte Gericht basieren soll.38 Einem ersuchenden Gericht ist daher dringend davon abzuraten, bei einem Ersuchen um aktive Rechtshilfe auf die Formulierung genauer Fragen zu verzichten und sich mit der Angabe eines Vernehmungssachverhalts zu begnügen. Von Seiten des ersuchten Gerichts sind derartige Ersuchen besonders kritisch zu prüfen und gegebenenfalls mit Ersuchen um Vervollständigung (Art. 10 EU-BewVO) zu beantworten. Soll die Vernehmung der Auskunftspersonen gem. Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO in einer besonderen 13 Form durchgeführt werden (Kreuzverhör, s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 20 ff.), kann dies zu einer Abschwächung der Spezifitätsanforderungen führen.39 d) Zeugnisverweigerungsrechte Ferner muss das ersuchende Gericht im Rechtshilfeersuchen gegebenenfalls einen Hinweis auf ein 14 nach seiner lex fori bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht geben (Art. 5 Abs. 1 lit. e, dritter Spiegelstrich EU-BewVO). Der Zweck der Vorschrift liegt darin, das ersuchte Gericht möglichst frühzeitig über Aussageverweigerungsrechte zu informieren, die gem. Art. 16 Abs. 1 lit. b EU-BewVO zur NichtErledigung des Ersuchens führen können. Hierdurch wird eine überraschende Berufung des Zeugen auf ein Verweigerungsrecht in der Vernehmungssituation vermieden. Erlangt das Gericht nämlich erst zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von einem nach dem Recht des ersuchenden Staates angeblich bestehenden Zeugnisverweigerungsrecht, kann es zu erheblichen Verfahrensverzögerungen kommen, weil das Rechtshilfegericht grundsätzlich eine Bestätigung des Prozessgerichts einholen muss (s. Art. 16 EU-BewVO Rz. 10 ff.). Leider ist insoweit die Terminologie der EU-BewVO uneinheitlich: Während Art. 5 Abs. 1 lit. e, dritter Spiegelstrich EU-BewVO lediglich ein „Zeugnisverweigerungsrecht“ nennt, spricht Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO demgegenüber allgemeiner von „Aussageverweigerung“ und zusätzlich von einem „Aussageverbot“. Da Art. 16 Abs. 1 lit. b EU-BewVO aber ausdrücklich auf die Bezeichnung des Aussageverweigerungsrechts bzw. des Aussageverbots in dem Ersuchen Bezug nimmt, wird deutlich, dass mit diesen begrifflichen Unterschieden keine inhaltlichen Abweichungen einhergehen. Im Ersuchen sind daher alle Rechte aufzuführen, die nach Art. 16 Abs. 1 lit. b EU-BewVO zur NichtErledigung des Ersuchens führen können, mag es sich hierbei auch im Einzelfall nicht um ein „Zeugnisverweigerungsrecht“ im technischen Sinne der lex fori des ersuchenden Gerichts handeln.40 33 34 35 36 37
Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 4 EG-BewVO Rz. 2. Abl. auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 9. Vgl. Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 4 EG-BewVO Rz. 1; s. Rz. 2. Vgl. OLG Karlsruhe v. 13.12.2017 – 6 VA 12/17, juris Rz. 18. Ebenso Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 198; für Ablehnung nicht spezifizierter Anträge nach Art. 14 Abs. 1 EG-BewVO hingegen Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 157 (in Fn. 57). 38 Junker, Discovery, S. 309; Busse, RIW 2002, 720. 39 So zu Art. 3 HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO, Anh. A Art. 3 HBÜ Rz. 37; Schlosser, ZZP 94 (1981), 388 f. 40 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 4 EG-BewVO Rz. 12; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 11; Musger in Rat der Europäischen Union, 2004, S. 205, 211.
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Das ersuchende Gericht hat nicht zu prüfen, ob nach dem Recht des ersuchten Staates Aussageverweigerungsrechte bestehen.41
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Kommt es nach Übersendung des Ersuchens zu Veränderungen, die für das Bestehen eines Aussageverweigerungsrechts relevant sind (z.B. Verlobung von Partei und Zeuge) hat das ersuchende Gericht das ersuchte Gericht ungefragt schnellstmöglich darüber zu informieren. Es handelt sich hierbei je nach Zeitpunkt um eine Vervollständigung des Ersuchens (Art. 10, 11 EU-BewVO) oder um eine Bestätigung gem. Art. 16 Abs. 1 lit. b Alt. 2 EU-BewVO (s. Art. 16 EU-BewVO Rz. 13).
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Art. 5 Abs. 1 lit. e EU-BewVO bezieht sich auf die Vernehmung einer „Person“ und macht damit deutlich, dass sowohl Zeugen als auch Parteien als Aussagepersonen in Betracht kommen. Bei von einem deutschen Gericht ausgehenden Rechtshilfeersuchen ist darauf hinzuweisen, dass eine Partei nach §§ 453 Abs. 2, 446 ZPO nicht zur Aussage gezwungen werden kann, sondern lediglich Prozessnachteile in Kauf nehmen muss.42 Nur so kann eine sachgerechte Belehrung der Parteien über die Rechtsfolgen ihres Schweigens erreicht und vermieden werden, dass eine zur Mitwirkung nicht verpflichtete Partei Zwangsmaßnahmen nach der lex fori des ersuchten Gerichts (Art. 15 EU-BewVO) ausgesetzt wird.
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Die Zeugnisfähigkeit unterliegt der lex fori des ersuchten Gerichts (s. Art. 16 EU-BewVO Rz. 5). Das ersuchende Gericht muss deshalb im Ersuchen nicht auf eine nach seinem Recht bestehende Zeugnisunfähigkeit hinweisen.43
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Rechte, die es einer Beweisperson gestatten, an einer anderen Beweisaufnahme als einer Vernehmung (z.B. Urkundenvorlegung, Augenscheinseinnahme) nicht mitzuwirken, sind im Ersuchen nicht aufzuführen.44 Dies wäre überflüssig, da in Bezug auf diese Rechte nicht das vernehmungsspezifische Meistbegünstigungsprinzip gilt, sondern die lex fori des ersuchten Gerichts Anwendung findet (s. Art. 16 EU-BewVO Rz. 7). e) Vernehmung unter Eid
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Das Ersuchen enthält ferner erforderlichenfalls den Antrag, die Vernehmung unter Eid oder eidesstattlicher Versicherung durchzuführen und gegebenenfalls die dabei zu verwendende Formel (Art. 5 Abs. 1 lit. e, vierter Spiegelstrich EU-BewVO). Es handelt sich bei dieser Bestimmung um einen Spezialfall eines Antrages auf Erledigung der Beweisaufnahme in einer besonderen Form (s. Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO). Wird kein Antrag auf Verwendung einer bestimmten Eidesformel gestellt, führt das ersuchte Gericht nach Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO die Eidesabnahme im Einklang mit seinem eigenen Verfahrensrecht durch.45 Die Vereidigung einer Aussageperson oder die Verwendung einer bestimmten Eidesformel kann vom ersuchten Gericht nur unter den Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO abgelehnt werden (s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 24). Der Umstand, dass Art. 5 Abs. 1 lit. e, vierter Spiegelstrich EU-BewVO lediglich die Verwendung einer bestimmten Eidesformel als besonderes Formerfordernis nennt, schließt nicht aus, dass gemäß dem subsidiär eingreifenden Art. 12 Abs. 3 i.V.m. Art. 4 Abs. 1 lit. g EU-BewVO um die Beachtung weiterer Förmlichkeiten bei der Vereidigung gebeten wird, wie z.B. um die Ablegung eines Voreides (s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 24). Näheres ergibt sich aus § 58 ZRHO. 6. Urkunden und Augenscheinsobjekte
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Eine „sonstige Beweisaufnahme“ i.S.d. des Art. 5 Abs. 1 lit. f EU-BewVO stellt in Abgrenzung zu lit. e jede Beweisaufnahme dar, bei der es sich nicht um die Vernehmung einer Person handelt. So kommt 41 Vgl. in einem deutsch-liechtensteinischen Fall BGH v. 20.11.1997 – III ZR 57/96, IPRspr. 1997 Nr. 181; ebenso zu Art. 11 HBÜ Geimer, IZPR, Rz. 2419b. 42 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 4 EG-BewVO Rz. 12; s. auch § 58 Abs. 5 ZRHO; für überflüssig hält dies Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 11 HBÜ Rz. 1. 43 Ebenso Mosser in Fasching/Konecny, Art. 4 EG-BewVO Rz. 26. 44 A.A Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 4 EG-BewVO Rz. 13; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 14: Art. 5 Abs. 1 lit. e, dritter Spiegelstrich EU-BewVO analog. 45 Ebenso zu Art. 3 HBÜ Amram unter II C.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 5 EU-BewVO
z.B. in Betracht, ein Gericht im Ausland um Nachprüfung zu ersuchen, ob eine Adoptionsakte noch vorhanden ist und ob in dieser ein bestimmter Antrag enthalten ist.46 Die zu prüfenden Urkunden oder anderen Gegenstände sind in dem Ersuchen möglichst genau zu bezeichnen (arg. Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO, s. Rz. 3).47 Vage Sammelbegriffe reichen nicht aus (etwa „der gesamte Schriftverkehr der X-AG in Sachen Joint Venture mit P“).48 Unzulässig ist es auch, wenn das ersuchende Gericht zwar einzelne Urkunden oder Gegenstände aufführt, diese Aufzählung jedoch durch den Zusatz erweitert, sie sei nur „beispielhaft, aber nicht ausschließlich“ zu verstehen.49 Es ist ferner anzugeben, was das ersuchte Gericht an der Urkunde oder dem Augenscheinsobjekt prüfen bzw. worauf es besonderes Augenmerk legen soll50 (Beschreibung der erbetenen Beweisaufnahme i.S.v. Nr. 11.3.1 und 11.3.2 Formblatt A). Eine Umgehung des in Art. 5 Abs. 1 lit. g EU-BewVO enthaltenen Spezifitätserfordernisses und deshalb eine unzulässige Beweisermittlung stellt es dar, wenn eine Partei oder ein Zeuge danach gefragt werden soll, ob sie oder er Kenntnis von der Existenz beweiskräftiger Urkunden oder anderer sächlicher Informationsmittel hat.51 Hier dient die vom Rechtshilfegericht zu erhebende Aussage nicht als Beweismittel, sondern lediglich als Sprungbrett für die Formulierung eines präziseren Ersuchens. Folglich ist das ersuchte Gericht zur Ablehnung nach Art. 16 Abs. 2 lit. a EU-BewVO berechtigt (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 36 ff.). Wegen der unterschiedlichen Kostenfolgen (Art. 22 EU-BewVO) ist deutlich zu machen, ob die Einnahme eines Augenscheins oder eine sachverständige Begutachtung gewünscht ist.52 7. Sonstige Angaben nach Art. 5 Abs. 1 lit. g EU-BewVO a) Besondere Formen und Kommunikationstechnologien Das Ersuchen enthält ferner unter Nr. 12.1 des Formblattes A gegebenenfalls Anträge auf Erledigung 22 des Ersuchens in einer besonderen Form (Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO) sowie unter Nr. 12.2 für die Verwendung von Kommunikationstechnologien (Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO). Die für die Erledigung in einer besonderen Form erforderlichen Erläuterungen (Art. 5 Abs. 1 lit. g EU-BewVO) sind in einer Anlage zum Formblatt A vorzunehmen. Für die Kommunikationstechnologien i.S. des Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO ist das Formblatt N zu benutzen. b) Anwesenheit und Beteiligung von Parteien und Beauftragten Terminologisch und dogmatisch unscharf spricht Art. 5 Abs. 1 lit. g EU-BewVO ferner von „Anträge[n]“ nach Art. 13 und 14 EU-BewVO. Diese Vorschriften betreffen die Anwesenheit und Beteiligung der Parteien oder ihrer Vertreter (Art. 13 EU-BewVO) bzw. die Anwesenheit und Beteiligung von Beauftragten des ersuchenden Gerichts (Art. 14 EU-BewVO). Wie sich aus Art. 13 Abs. 2 EUBewVO und Art. 14 Abs. 3 EU-BewVO ergibt, ist jedoch zwischen der passiven Anwesenheit und der aktiven Beteiligung zu unterscheiden (näher Art. 13 EU-BewVO Rz. 2 ff., Art. 14 EU-BewVO Rz. 6): Das Anwesenheitsrecht unterliegt dem Recht des ersuchenden Gerichts (Art. 13 Abs. 1 EU-BewVO, Art. 14 Abs. 1 EU-BewVO); seine Voraussetzungen werden von diesem Gericht geprüft und dem ersuchten Gericht lediglich mitgeteilt (Art. 13 Abs. 2, Art. 14 Abs. 3 EU-BewVO). Nur hinsichtlich der aktiven Beteiligung ist ein Antrag an das ersuchte Gericht zu stellen (Art. 13 Abs. 2 EU-BewVO, Art. 14 Abs. 3 EU-BewVO), über den das ersuchte Gericht grundsätzlich nach seinem eigenen Recht 46 BVerfG v. 14.9.2015 – 1 BvR 1321/13, IPRax 2016, 367 Rz. 36. 47 I.E. ebenso Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 4 EG-BewVO Rz. 3; ebenso zu Art. 3 HBÜ Junker, Discovery, S. 308 f.; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 3 HBÜ Rz. 35; Volken, Die Internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, Rz. 3/134; a.A. Janal, § 15 Rz. 14. 48 Vgl. OLG Karlsruhe v. 13.12.2017 – 6 VA 12/17, juris Rz. 23; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 4 EG-BewVO Rz. 15; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 4 EG-BewVO Rz. 3; weitergehend Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 4 EGBewVO Rz. 13; Janal, § 15 Rz. 14. 49 GA Kokott, Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-50 Rz. 75; so auch Janal, § 15 Rz. 14. 50 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 13. 51 A.A. Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 4 EG-BewVO Rz. 2; offengelassen bei Mosser in Fasching/Konecny, Art. 4 EG-BewVO Rz. 29. 52 Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 233.
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23
Art. 6 EU-BewVO Sprachen entscheidet (Art. 13 Abs. 3 EU-BewVO, Art. 14 Abs. 4 EU-BewVO i.V.m. Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO). Auch das Formblatt A unterscheidet zwischen der bloßen Mitteilung der Anwesenheit der Parteien oder Beauftragten (Nr. 8.1, 9.1: Diese „werden […] anwesend sein.“) und der Beantragung ihrer Beteiligung (Nr. 8.2, 9.2: „Die Beteiligung […] wird beantragt.“). Dennoch ist unter „Anträgen“ nach Art. 13 EU-BewVO und Art. 14 EU-BewVO i.S.d. Art. 5 Abs. 1 lit. g EU-BewVO sowohl der Antrag auf Beteiligung im engeren Sinne als auch die bloße Mitteilung der Anwesenheit zu verstehen: Beide Angaben müssen grundsätzlich im Ersuchen enthalten sein.53 Zu beachten ist aber, dass die Anwesenheits- und Beteiligungsrechte der Parteien und der Beauftragten auch zu jedem anderen geeigneten Zeitpunkt geltend gemacht werden können (Art. 13 Abs. 2 S. 2 EU-BewVO, Art. 14 Abs. 3 S. 2 EUBewVO). 24
Schließlich schreibt Art. 5 Abs. 1 lit. g EU-BewVO vor, dass die für die Anwendung dieser Bestimmungen (Art. 13 EU-BewVO, Art. 14 EU-BewVO) erforderlichen Erläuterungen gegeben werden müssen. Daraus folgt insbesondere, dass das ersuchende Gericht im Falle eines Antrags auf Beteiligung der Parteien/Beauftragten näher erläutern muss, worin die gewünschte Beteiligung bestehen soll,54 denn andernfalls könnte das ersuchte Gericht nicht prüfen, ob die beantragte Form der Beteiligung mit seinem eigenen Recht zu vereinbaren ist (Art. 13 Abs. 3 EU-BewVO, Art. 14 Abs. 4 EUBewVO). Aus dem Fehlen einer entsprechenden Rubrik im Formblatt A folgt wegen des Vorrangs des Art. 5 Abs. 1 lit. g EU-BewVO (s. Rz. 4) nicht, dass auf eine Spezifizierung der Beteiligungsform verzichtet werden könnte;55 gegebenenfalls ist eine Anlage einzureichen. Allerdings kann eine Spezifizierung der gewünschten Beteiligung auch noch nach Stellung des Ersuchens erfolgen (Erst-recht-Schluss aus Art. 13 Abs. 2 S. 2, 14 Abs. 3 S. 2 EU-BewVO).
V. Form und Sprache 25
Das Ersuchen und die ihm beigefügten Unterlagen bedürfen weder der Beglaubigung noch einer anderen gleichwertigen Formalität (Art. 5 Abs. 2 EU-BewVO). Zwingend ist allerdings die Verwendung der Formblätter A bzw. L. Anlagen sind mit einer Übersetzung in die Sprache zu versehen, in der das Ersuchen abgefasst wurde (Art. 5 Abs. 3 EU-BewVO). Die maßgebende Sprache richtet sich nach Art. 6 EU-BewVO.
Artikel 6 Sprachen Ersuchen und die aufgrund dieser Verordnung gemachten Mitteilungen sind in der Amtssprache des ersuchtenMitgliedstaats oder, wenn es in diesem Mitgliedstaat mehrere Amtssprachen gibt, in der Amtsspracheoder einer der Amtssprachen des Ortes, an dem die beantragte Beweisaufnahme durchgeführt werdensoll, oder in einer anderen Sprache, die dieser Mitgliedstaat zugelassen hat, abzufassen. Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission jede Amtssprache der Union mit, die er außer seiner eigenen für das Ausfüllen der Formblätter in Anhang I zulässt. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
IV. Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
II. Zulässige Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . .
2
V. Durchführung der Beweisaufnahme . . . . . .
7
III. Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
53 § 61 Abs. 2 ZRHO; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 4 EG-BewVO Rz. 19. 54 I.E. ebenso Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 12 EG-BewVO Rz. 2. 55 So aber Schulze, IPRax 2001, 527, 530.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 6 EU-BewVO
I. Normzweck Ähnlich wie schon Art. 4 Abs. 1 HBÜ ordnet Art. 6 S. 1 EU-BewVO an, dass das Ersuchen in der 1 Sprache des ersuchten Mitgliedstaats abzufassen ist. Hierdurch sollen dem ersuchten Gericht (bzw. bei einem Antrag nach Art. 19 EU-BewVO der Zentralstelle)1 sprachliche Probleme erspart werden, die zu einer Verzögerung der Erledigung und zu Übersetzungskosten führen würden.2 Im Gegensatz zu Art. 4 Abs. 1 HBÜ legt Art. 6 S. 1 EU-BewVO ausdrücklich auch die Verwendung der für das Ersuchen maßgebenden Sprache für den nachfolgenden Schriftverkehr fest („aufgrund dieser Verordnung gemacht[e] Mitteilungen“, z.B. nach Art. 10, 11 EU-BewVO).3 Mit den „Mitteilungen“ i.S.d. des Art. 6 S. 1 EU-BewVO sind nicht die nach Art. 31 EU-BewVO vorgeschriebenen Mitteilungen der Mitgliedstaaten an die Kommission gemeint, für die jeder Mitgliedstaat seine eigene Amtssprache verwendet.4 Bestehen im Mitgliedstaat des ersuchten Gerichts mehrere Amtssprachen, ist grundsätzlich an den Ort anzuknüpfen, an dem die Beweisaufnahme durchgeführt werden soll (so z.B. in Belgien).5 Ein mehrsprachiger Mitgliedstaat kann auch Ersuchen in derjenigen seiner Amtssprachen akzeptieren, die keine Amtssprache der EU ist; so lässt Zypern Ersuchen auch in türkischer Sprache zu.6
II. Zulässige Sprachen Es kann auch eine andere Sprache, die dieser Mitgliedstaat zugelassen hat, verwendet werden. 2 Deutschland hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht: Nach § 1075 ZPO müssen aus dem Ausland eingehende Ersuchen auf Beweisaufnahme sowie Mitteilungen in deutscher Sprache abgefasst oder von einer Übersetzung in die deutsche Sprache begleitet sein.7 Ob und gegebenenfalls welche Sprachen ein Mitgliedstaat außer seiner bzw. seinen eigenen zulässt (dies ist seine freie Entscheidung8), hat er gem. Art. 31 Abs. 1 lit. d EU-BewVO der Kommission mitzuteilen, welche die entsprechenden Angaben in das nach Art. 23 Abs. 1 EU-BewVO erstellte Handbuch aufnimmt (Art. 6 S. 2 EU-BewVO). Es muss sich bei diesen Sprachen um Amtssprachen der Organe der EU handeln. Dies sind gegenwärtig Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch, Italienisch, Kroatisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch.9 Theoretisch könnte ein Staat daher auch Ersuchen in einer ihm fremden EU-Amtssprache (Dänisch) akzeptieren, obwohl der Staat, um dessen Amtssprache es sich handelt (Dänemark), nicht Mitgliedstaat der EU-BewVO ist (s. Erwägungsgrund 38 EU-BewVO).10 Umgekehrt kann ein Mitgliedstaat nicht außer seiner eigenen eine Amtssprache eines anderen Mitgliedstaates akzeptieren, wenn es sich hierbei nicht zugleich um eine Amtssprache der EU handelt (z.B. Lëtzebuergesch).11 Die in Art. 4 Abs. 2 HBÜ enthaltene, nur durch einen Vorbehalt abzuwehrende Verpflichtung des er- 3 suchten Staates, Rechtshilfeersuchen in französischer und englischer Sprache zu akzeptieren, wurde
1 Kreuzer/Wagner/Häcker in Dauses/Ludwigs, Rz. Q III 38; Musger in Rat der Europäischen Union, 2004, S. 205, 208. 2 Berger, IPRax 2001, 522, 523. 3 Dies war aber auch schon für das HBÜ anerkannt, s. Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 4 HBÜ Rz. 38. 4 Ebenso Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-BewVO Rz. 2. 5 Ebenso Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 5 EG-BewVO Rz. 5. 6 https://e-justice.europa.eu/content_taking_evidence-374-cy-de.do?member=1 (abgerufen am 27.10.2021). 7 Die vorgedruckten Teile eines Formblattes sind vom Übersetzungserfordernis befreit, § 85 Abs. 1 S. 2 ZRHO. 8 Kreuzer/Wagner/Häcker in Dauses/Ludwigs, Rz. Q III 38; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 165; Müller, S. 126; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-BewVO Rz. 8; Sengstschmid, S. 337 f.; missverständlich Markus, SZW 2002, 65, 76; a.A. Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 5 EG-BewVO Rz. 1; Mosser in Fasching/Konecny, Art. 5 EG-BewVO Rz. 3; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 5 EG-BewVO Rz. 7; Herrera Petrus, S. 210; Musger in Rat der Europäischen Union, 2004, S. 205, 209: Es müsse mindestens eine weitere Sprache zugelassen werden. 9 https://europa.eu/european-union/about-eu/eu-languages_en (abgerufen am 27.10.2021). 10 Ebenso Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-BewVO Rz. 8. 11 Vgl. Betetto, EuLF 2006, I-137, I-138.
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Art. 6 EU-BewVO Sprachen nicht in die EU-BewVO übernommen.12 Hier dürften wie so oft Prestigeerwägungen eine pragmatische Lösung, die vor allem im Hinblick auf die Osterweiterung der EU dringlich gewesen wäre, verhindert haben.13 Gegenwärtig lassen außer Irland und Malta folgende Staaten englische Ersuchen zu:14 Finnland, die Niederlande, die Tschechische Republik, Ungarn und Zypern sowie – beschränkt auf die Formblätter – Lettland, Litauen, Österreich,15 Schweden16 und Slowenien. Französische Ersuchen werden außer im französischen Sprachraum von dem Vereinigten Königreich (zur Anwendung der EG-BewVO in Altfällen s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 51) sowie – wiederum beschränkt auf die Formblätter – von Litauen akzeptiert. Deutsche Ersuchen nehmen außer Deutschland Österreich, Ungarn und Luxemburg entgegen, ferner Belgien in denjenigen Gerichtsbezirken, in denen Deutsch Amtssprache ist. Finnland gestattet auch schwedische Ersuchen; Zypern auch solche in türkischer Sprache. Während die Tschechen zunächst auch slowakische Ersuchen annahmen, bestehen sie nun wie die Slowaken auf Ersuchen in ihrer eigenen Sprache. Ausgewogener geht es auf der iberischen Halbinsel zu, wo sowohl Portugiesisch als auch Spanisch im jeweils anderen Land willkommen sind.17 Bulgarien, Frankreich, Estland, Griechenland, Polen, Rumänien und Kroatien lassen ebenso wie Deutschland nur Ersuchen in der jeweils eigenen Sprache zu. Bei Anfragen an die Zentralstellen ist davon auszugehen, dass diese auch in den im Handbuch angegebenen Arbeitssprachen (s. Art. 4 EU-BewVO Rz. 13) erfolgen können.18
III. Anlagen 4
Dem Ersuchen anliegende Schriftstücke müssen in die Sprache des Ersuchens übersetzt werden (Art. 5 Abs. 3 EU-BewVO). Hat ein Staat für das Ersuchen („Ausfüllung des Formblatts“) weitere Sprachen außer seiner eigenen Amtssprache zugelassen (s. Rz. 3), reicht es aus, wenn auch die Anlagen nur in diese weitere Sprache übersetzt werden.19 Da diese rechtshilfefreundliche Auslegung aber nicht allseits auf Akzeptanz stößt, ist der Praxis ggf. zu empfehlen, sicherheitshalber Anlagen in eine Amtssprache des ersuchten Staates zu übersetzen.20
IV. Mängel 5
Falls das ersuchende Gericht eine vom Staat des ersuchten Gerichts nicht akzeptierte Sprache verwendet hat, bringt das ersuchte zuständige Gericht einen entsprechenden Vermerk in der gem. Art. 9 Abs. 1 EU-BewVO zu übersendenden Empfangsbestätigung an (Formblatt B Nr. 6.1). In der Empfangsbestätigung ist auf die korrekte(n) Sprache(n) hinzuweisen (Formblatt B Nr. 6.1.1). Ist das Ersuchen nicht nur in einer falschen Sprache verfasst, sondern auch noch an ein unzuständiges Gericht adressiert, besteht keine Pflicht zur Weiterleitung (Art. 9 Abs. 2 EU-BewVO).21 Das ersuchte Gericht
12 Hierzu billigend Bruneau, JClP (G) 2001, I 349, p 1769 (Es gebe weniger exotische Sprachen in der EU als bei einem weltweit geltenden Übereinkommen); mit Recht kritisch aber Jansen, NIPR 2019, 753, 766 f.; Nuyts/ Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 92; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 684 f. 13 Vgl. Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 165; Hess in GS Blomeyer, 2004, S. 617, 625; Müller, S. 127; Nuyts/ Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 92; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 684 f.; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1075 Rz. 2; der Nicht-Übernahme des Art. 4 Abs. 2 HBÜ in die VO zustimmend aber Rauscher in MünchKomm/ ZPO Rz. 8. 14 Alle folgenden Angaben entstammen dem Handbuch. 15 OGH v. 6.10.2016 – 2 Nc 15/16b, abrufbar unter https://ris.bka.gv.at; Mosser in Fasching/Konecny, Art. 5 EGBewVO Rz. 5; Rechberger/McGuire, ÖJZ 2006, 829, 832. 16 Für die Anlagen empfiehlt sich eine Übersetzung in die schwedische Sprache (http://www.ir-online.nrw.de/ land.jsp?id=191 abgerufen am 27.10.2021). 17 Von Portugal wird Spanisch aber nur für die Formblätter akzeptiert. 18 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 5 EG-BewVO Rz. 1. 19 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 20. 20 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPORz. 20. 21 Mosser in Fasching/Konecny, Art. 5 EG-BewVO Rz. 9; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 5 EG-BewVO Rz. 14.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 7 EU-BewVO
hat in diesem Fall das ersuchende Gericht formlos auf die Mängel hinzuweisen.22 Bevor das Ersuchen nicht in einer vom ersuchten Mitgliedstaat akzeptierten Sprache eingegangen ist, besteht keine Pflicht zur Erledigung;23 die in Art. 12 Abs. 1 EU-BewVO genannte 90-Tage-Frist wird nicht in Lauf gesetzt (Art. 11 Abs. 1 EU-BewVO). Für die Beibringung der Übersetzung besteht anders als bei einem Vervollständigungsverlangen nach Art. 10, 16 Abs. 2 lit. c EU-BewVO keine 30-Tage-Frist;24 auch wenn nach 30 Tagen keine Übersetzung vorliegt, kann und darf das ersuchte Gericht das Ersuchen nicht nach Art. 16 Abs. 2 lit. c EU-BewVO ablehnen.25 Auf die Zentralstelle ist Art. 9 EU-BewVO nicht unmittelbar anwendbar; zur analogen Anwendung s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 5.
6
V. Durchführung der Beweisaufnahme Zur Sprache, in der die Beweisaufnahme durchzuführen ist, s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 5 f.; Art. 19 EU-BewVO Rz. 20.
Artikel 7 Übermittlung von Ersuchen und sonstigen Mitteilungen (1) Ersuchen und Mitteilungen nach dieser Verordnung werden über ein sicheres und zuverlässiges dezentrales IT-System unter angemessener Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten übermittelt. Dieses dezentrale IT-System beruht auf einer interoperablen Lösung wie beispielsweise e-CODEX. (2) Für Ersuchen und Mitteilungen, die über das dezentrale IT-System übermittelt werden, gilt der mit der Verordnung (EU) Nr. 910/2014 geschaffene allgemeine Rechtsrahmen für die Verwendung von qualifizierten Vertrauensdiensten. (3) Erfordern oder enthalten die in Absatz 1 dieses Artikels genannten Ersuchen und Mitteilungen ein Siegel oder eine eigenhändige Unterschrift, so können stattdessen qualifizierte elektronische Siegel oder qualifizierte elektronische Signaturen im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 910/ 2014 verwendet werden. (4) Ist die Übermittlung nach Absatz 1 aufgrund einer Störung des dezentralen IT-Systems, der Beschaffenheit des Beweismittels oder außergewöhnlicher Umstände nicht möglich, so wird die Übermittlung mit dem schnellsten und am besten geeigneten alternativen Mittel durchgeführt, wobei dem Erfordernis der Zuverlässigkeit und Sicherheit Rechnung zu tragen ist. I. Übermittlung über ein dezentrales IT-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Alternative Übermittlungswege . . . . . . . . 1. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
6 6
2. Anforderungen an die Übermittlung . . . . . . 10 III. Mängel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
22 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 7 EG-BewVO Rz. 10; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 20. 23 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 7 EG-BewVO Rz. 5; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1075 Rz. 4. 24 Für analoge Anwendung des Art. 10 EU-BewVO hingegen Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 4 EG-BewVO Rz. 4. Angesichts der expliziten Regelung in Art. 9 und 11 EU-BewVO und im Formblatt B besteht aber keine Regelungslücke. 25 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 5 EG-BewVO Rz. 9; i.E. ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 7 EGBewVO Rz. 15; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 5 EG-BewVO Rz. 12.
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Art. 7 EU-BewVO Übermittlung von Ersuchen und sonstigen Mitteilungen
I. Übermittlung über ein dezentrales IT-System 1
Art. 7 Abs. 1 S. 1 EU-BewVO schreibt die elektronische Übermittlung von Ersuchen und Mitteilungen über ein dezentrales IT-System nach der EU-BewVO als Regel zwingend vor.1 Hiermit sollen Kosten gesenkt und die Geschwindigkeit der Kommunikation zwischen den zuständigen Stellen erhöht werden.2 Nur in Ausnahmefällen, d.h. wenn das System aufgrund unvorhergesehener außergewöhnlicher Umstände gestört ist oder eine elektronische Übermittlung für die betreffenden Beweismittel nicht geeignet ist (z.B. Übersendung einer DNA-Probe als Beweismittel, s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 24 f.), können gem. Art. 7 Abs. 4 EU-BewVO weiterhin andere Kanäle genutzt werden.3 Die Vorschrift entspricht Art. 5 EU-ZustVO 2020.4
2
Nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 2 EU-BewVO handelt es sich bei einem dezentralen IT-System i.S. der Verordnung um „ein Netzwerk nationaler IT-Systeme und interoperabler Zugangspunkte, die unter der jeweiligen Verantwortung und Verwaltung eines jeden Mitgliedstaats betrieben werden, das den sicheren und zuverlässigen grenzüberschreitenden Informationsaustausch zwischen den nationalen IT-Systemen ermöglicht.“ Diese Lösung wird plastisch als ein „Übertragungstunnelsystem“ bezeichnet, an das sich die Mitgliedstaaten mit ihren nationalen IT-Plattformen anschließen können.5 Gem. Art. 7 Abs. 1 S. 2 EU-BewVO muss das dezentrale IT-System auf einer interoperablen Lösung wie beispielsweise e-CODEX beruhen.6 Insoweit ist der Verordnungsvorschlag der Kommission vom 2.12.2020 zu beachten.7 Die Berichterstatter des Rechtsausschusses im Europäischen Parlament haben hierzu am 15.10.2021 ihren Bericht vorgelegt.8 Mit dem Abschluss des Verordnungsgebungsverfahrens ist in naher Zukunft zu rechnen.
3
Art. 7 Abs. 2 und 3 EU-BewVO verweisen für Einzelheiten, insbesondere die Verwendung qualifizierter elektronischer Siegel oder qualifizierter elektronischer Signaturen, auf die eIDAS-VO.9 Ergänzend sind in Deutschland die §§ 130a, 130 b ZPO sowie die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr (ERRV)10 zu beachten. Art. 25 EU-BewVO ermächtigt die Kommission zum Erlass weiterer Durchführungsrechtsakte zur Einrichtung des dezentralen IT-Systems. Art. 27 Abs. 1 EUBewVO verpflichtet die Kommission zur Schaffung, Wartung und Pflege sowie Weiterentwicklung einer Referenzimplementierungssoftware, welche die Mitgliedstaaten anstelle eines nationalen Systems verwenden können. Auch insoweit dürfte die e-CODEX-VO, ggf. in Verbndung mit weiteren Durchführungsrechtsakten, die erforderlichen Voraussetzungen schaffen.11
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Einzelheiten zur Tragung der Kosten des dezentralen IT-Systems regelt Art. 28 EU-BewVO. Demnach muss jeder Mitgliedstaat die Kosten für Installation, Betrieb sowie Wartung und Pflege seiner Zugangspunkte, über welche die nationalen IT-Systeme im Rahmen des dezentralen IT-Systems ver1 2 3 4 5 6 7 8
9 10 11
Vgl. hierzu Eichel, ZVglRWiss 119 (2020), 220, 232 f.; Knöfel, RIW 2021, 247, 258. Europäische Kommission, 31.5.2018, COM (2018) 378 final S. 2. Europäische Kommission, 31.5.2018, COM (2018) 378 final S. 9. Zur letztgenannten Vorschrift vgl. Schlosser/Hess in Schlosser/Hess, Art. 5 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 ff. Eichel, ZVglRWiss 119 (2020), 220, 229; Knöfel, RIW 2021, 247, 258. Näher zu e-CODEX Ont,anu in v. Hein/Kruger, Informed Choices in Cross-Border Enforcement, 2021, S. 483, 498 ff.; Velicogna/Lupo in Hess/Kramer, From Common Rules to Best Practices in European Civil Procedure, 2017, S. 181 ff. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Parlaments und des Rates über ein EDV-System für die grenzüberschreitende Kommunikation in Zivil- und Strafverfahren (e-CODEX) und zur Änderung der Verordnung (EU) 2018/1726, 2.12.2020, COM (2020) 712 final. Europäisches Parlament (Rechtsausschuss), Report on the proposal for a regulation of the European Parliament and of the Council on a computerised system for communication in cross-border civil and criminal proceedings (e-CODEX system), and amending Regulation (EU) 2018/1726 (COM(2020)0712 – C9-0389/2020 – 2020/0345(COD)), A9-0288/2021. Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.7.2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl. EU 2014, L 257/73. Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach vom 24.11.2017, BGBl. 2017 I 3803, die durch Art. 6 des Gesetzes vom 5.10.2021 (BGBl. 2021 I 4607) geändert worden ist. Hess in Schlosser/Hess, Art. 27 EU-BewVO Rz. 1.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 7 EU-BewVO
netzt sind, bestreiten (Art. 28 Abs. 1 EU-BewVO). Ferner ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, für die Kosten für die Einrichtung und Anpassung seiner nationalen IT-Systeme zur Herstellung der Interoperabilität mit den Zugangspunkten sowie die Kosten für Verwaltung, Betrieb und Instandhaltung dieser Systeme aufzukommen (Art. 28 Abs. 2 EU-BewVO). Allerdings können die Mitgliedstaaten Finanzhilfen zur Unterstützung dieser Tätigkeiten im Rahmen der EU-Finanzierungsprogramme beantragen (Art. 28 Abs. 3 EU-BewVO). Für die intertemporale Anwendbarkeit des Art. 7 EU-BewVO ist zu beachten, dass diese Bestimmung wegen der Notwendigkeit, zuvor die erforderlichen rechtlichen und technischen Voraussetzungen zu schaffen, gem. Art. 35 Abs. 3 EU-BewVO erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam wird als die übrigen Teile der Verordnung (s. Art. 34 EU-BewVO Rz. 1). Bis dahin gilt Art. 6 EG-BewVO weiter (Art. 34 Abs. 1 EU-BewVO). Der Hintergrund liegt darin, dass die in dem Kommissionsvorschlag (s. Einl. EU-BewVO Rz. 6) vorgesehene 24-Monatsfrist zur Bereitstellung der erforderlichen IT-Systeme als zu knapp bemessen kritisiert worden war.12
5
II. Alternative Übermittlungswege 1. Voraussetzungen Art. 7 Abs. 4 EU-BewVO gestattet in drei verschiedenen Fällen die Nutzung anderer Übermittlungswege: erstens, wenn eine Störung des dezentralen IT-Systems vorliegt (Art. 7 Abs. 4 Var. 1 EU-BewVO); zweitens, wenn eine Übermittlung über das IT-System aufgrund der Beschaffenheit des Beweismittels nicht möglich ist (Art. 7 Abs. 4 Var. 2 EU-BewVO); drittens, wenn andere außergewöhnliche Umstände einer Nutzung des IT-Systems entgegenstehen (Art. 7 Abs. 4 Var. 3 EU-BewVO). Auch dieser Teil der Vorschrift dient dem Ziel, moderne Kommunikationstechnologien in möglichst großem Umfang zu nutzen, um eine beschleunigte Erledigung des Rechtshilfeersuchens zu fördern.13 Art. 7 Abs. 4 EU-BewVO verpflichtet zur Nutzung des schnellstmöglichen und am besten geeigneten Übermittlungsweges. Hierbei ist dem Erfordernis der Zuverlässigkeit und Sicherheit Rechnung zu tragen, d.h. insbesondere, dass die Übereinstimmung des empfangenen mit dem versandten Dokument gewährleistet sein muss und die darin enthaltenen Angaben lesbar sind (s. Rz. 10). Im Gegensatz zu Art. 6 S. 1 EG-BewVO setzt Art. 7 Abs. 4 EU-BewVO nicht mehr ausdrücklich voraus, dass der ersuchte Staat sich mit der gewählten Übertragungsform einverstanden erklärt hat. In der Mitteilung der technischen Mittel, über welche die Gerichte für die Entgegennahme von Ersuchen verfügen (Art. 31 Abs. 1 lit. c EU-BewVO), kann aber ohnehin ein konkludentes Einverständnis mit der Nutzung dieser Kommunikationswege gesehen werden (s. Art. 31 EU-BewVO Rz. 2).
6
Eine Störung des dezentralen IT-Systems (Art. 7 Abs. 4 Var. 1 EU-BewVO) kann sowohl in der Sphäre des ersuchenden als auch des ersuchten Staates wurzeln oder höhere Gewalt darstellen. Auf die Verursachung oder gar ein Verschulden kommt es aber nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift nicht an; vielmehr ist der Rückgriff auf die in Art. 7 Abs. 4 EU-BewVO vorgesehenen alternativen Übermittlungswege bereits dann eröffnet, wenn eine Nutzung des IT-Systems objektiv nicht störungsfrei möglich ist.
7
Eine Übermittlung über das IT-System ist aufgrund der Beschaffenheit des Beweismittels nicht möglich (Art. 7 Abs. 4 Var. 2 EU-BewVO), wenn es sich z.B. um den Transport einer DNA- oder Blutprobe handelt (Erwägungsgrund 12 S. 1 EU-BewVO). In diesem Fall kommen z.B. die Blutentnahme durch einen Vertrauensarzt der deutschen Auslandsvertretung14 und der anschließende Transport mit Hilfe des Kurierdienstes des Auswärtigen Amtes in Betracht.15
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Außergewöhnliche Umstände, die einer Nutzung des IT-Systems entgegenstehen (Art. 7 Abs. 4 Var. 3 EU-BewVO), können z.B. vorliegen, „wenn die Digitalisierung einer umfangreichen Dokumentation einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für die zuständigen Behörden darstellen
9
12 So vom Bundesrat, BR-Drucks. 339/18, 2, und der BRAK, Stellungnahme Nr. 29/2018 S. 4. 13 Vgl. noch zu Art. 6 EG-BewVO Berger, IPRax 2001, 522, 523; Bruneau, JClP (G) 2001, I 349, p 1769; Freudenthal, NIPR 2002, 109, 115. 14 OLG Hamm v. 14.5.2002 – 9 UF 30/99, FamRZ 2003, 616. 15 KG v. 17.11.1975 – 3 W 1302/75, IPRspr. 1975 Nr. 159; ebenso Knöfel, RIW 2018, 712, 718 in Fn. 106.
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Art. 7 EU-BewVO Übermittlung von Ersuchen und sonstigen Mitteilungen würde oder wenn zur Beurteilung der Echtheit eines Schriftstücks das Original in Papierform benötigt wird“ (Erwägungsgrund 12 S. 2 EU-BewVO). 2. Anforderungen an die Übermittlung 10
Art. 7 Abs. 4 Hs. 2 EU-BewVO definiert mit den Begriffen „Zuverlässigkeit und Sicherheit“ einen qualitativen Mindeststandard für die Übereinstimmung und Lesbarkeit. Ausweislich des Erwägungsgrundes 12 S. 4 EU-BewVO kann eine Übermittlung „auf sichere Weise durch andere sichere elektronische Mittel oder durch Postdienste durchgeführt“ werden. Einen Anhaltspunkt für das Gemeinte bietet die Vorläuferbestimmung (Art. 6 S. 2 EG-BewVO), in der es hieß, das empfangene Dokument müsse mit dem versandten Dokument inhaltlich genau übereinstimmen und alle darin enthaltenen Angaben lesbar sein. Diese Erfordernisse sind bei Fax und E-Mail in der Regel gewahrt.16 Zwar ist ein Mitgliedstaat grundsätzlich nicht dazu verpflichtet ist, seine Gerichte und die Justizverwaltung mit Faxgeräten, Computern und den jeweils neuesten Internetverbindungen auszurüsten. Hat er dies aber getan und der Kommission gem. Art. 31 Abs. 1 lit. c EU-BewVO mitgeteilt, kann ein ersuchtes Gericht oder die Zentralstelle die hierdurch eröffneten Kommunikationsmöglichkeiten nicht ablehnen.17 Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot liegt z.B. vor, wenn ein Gericht die Erledigung eines per Fax oder E-Mail übermittelten Ersuchens mit der Begründung verweigert, es sehe hierin lediglich die Ankündigung eines förmlichen Schreibens.18
11
Ob und inwieweit die Mitgliedstaaten im Rahmen des Art. 7 Abs. 4 EU-BewVO elektronische Übermittlungswege praktisch akzeptieren werden, bleibt abzuwarten. Noch unter der EG-BewVO ließen Polen, Spanien und grundsätzlich auch das Vereinigte Königreich19 nur die Übermittlung auf dem Postweg zu. Alle anderen Staaten akzeptierten auch Ersuchen und Mitteilungen per Fax;20 Kroatien nur in außergewöhnlichen Fällen. Die Slowakei bestand auf einem Ersuchen in schriftlicher Form, hatte aber in der Vergangenheit auch Faxe akzeptiert, wenn innerhalb von drei Tagen das Original nachgereicht worden war. E-Mails wurden angenommen von Estland, Finnland, Griechenland, Irland, Lettland, Malta, Portugal, Slowenien, der Tschechischen Republik, Ungarn, sowie – falls Anschlüsse vorhanden waren – von Frankreich und in außergewöhnlichen Fällen auch von Kroatien. Deutschland akzeptierte E-Mails nur in Bezug auf informelle Mitteilungen. Darüber hinaus erlaubte Portugal in dringenden Fällen auch Ersuchen per Telegramm, Telefongespräch (soweit anschließend die betreffenden Unterlagen übermittelt werden) oder ein entsprechendes anderes Kommunikationsmittel. Das Vereinigte Königreich nahm Faxe und E-Mails lediglich in Bezug auf Unterhaltsvollstreckungssachen sowie für Ersuchen an schottische Gerichte entgegen. Schweden ließ darüber hinaus Sondervereinbarungen zu.
III. Mängel 12
Ist das übermittelte Dokument nicht lesbar, bringt das ersuchte Gericht gem. Art. 9 Abs. 1 S. 2 EUBewVO in der Empfangsbestätigung einen entsprechenden Vermerk an (Formblatt B, Nr. 6.2). Bevor das Ersuchen nicht in einer lesbaren Form eingegangen ist, besteht keine Pflicht zur Erledigung; die in Art. 12 Abs. 1 EU-BewVO genannte 90-Tage-Frist wird nicht in Lauf gesetzt (Art. 11 Abs. 1 EUBewVO).21 Für die Übermittlung einer lesbaren Fassung besteht anders als bei einem Vervollständigungsverlangen nach Art. 10, 16 Abs. 2 lit. c EU-BewVO keine 30-Tage-Frist;22 auch wenn nach 16 Markus, SZW 2002, 65, 75; Mougenot, J. T. 2002, 17, 19; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 683. 17 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 6 EG-BewVO Rz. 2. 18 A.A. aber Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 6 EG-BewVO Rz. 2; wie hier Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 6 EG-BewVO Rz. 1. 19 Eingeschränkt auf England, Wales, Nordirland und Gibraltar. 20 Zu Österreich näher Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 100 f.; Rechberger/McGuire, ÖJZ 2006, 829, 832: nur Fax, keine E-Mail. 21 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 7 EG-BewVO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 14. 22 Für analoge Anwendung des Art. 10 EU-BewVO auch insofern Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 6 EG-BewVO Rz. 2; ihm folgend Klauser, S. 2; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 6 EG-BewVO Rz. 6.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 8 EU-BewVO
30 Tagen keine lesbare Fassung vorliegt, kann und darf das ersuchte Gericht das Ersuchen nicht nach Art. 16 Abs. 2 lit. c EU-BewVO ablehnen. Zur analogen Anwendung des Art. 9 Abs. 1 EU-BewVO auf die Zentralstelle s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 5.
Artikel 8 Rechtswirkung elektronischer Schriftstücke Den über das dezentrale IT-System übermittelten Schriftstücken darf die Rechtswirkung oder die Zulässigkeit als Beweismittel im Gerichtsverfahren nicht allein deshalb abgesprochen werden, weil sie in elektronischer Form vorliegen. Die EG-BewVO enthielt noch keine Bestimmungen darüber, ob und wie das Prozessgericht Beweise 1 verwerten konnte und durfte, die es im Wege der Rechtshilfe gewonnen hatte; dies unterlag allein der lex fori (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 6). Dies gilt grundsätzlich auch für die Neufassung; jedoch sieht nunmehr Art. 8 EU-BewVO unter Durchbrechung dieses Grundsatzes vor, dass Schriftstücken, die über das dezentrale IT-System i.S. des Art. 7 Abs. 1–3 EU-BewVO (s. Art. 7 EU-BewVO Rz. 1 ff.) übermittelt worden sind, die Rechtswirkung oder die Zulässigkeit als Beweismittel im Gerichtsverfahren nicht allein deshalb abgesprochen werden darf, weil sie in elektronischer Form vorliegen. Hiermit will der Verordnungsgeber gewährleisten, dass die elektronische grenzüberschreitende Übermittlung von Schriftstücken über das dezentrale IT-System häufiger genutzt wird (Erwägungsgrund 13 Satz 1 EU-BewVO). Die Vorschrift geht zurück auf Art. 18a des Kommissionsvorschlags von 2018.1 In dieser Fassung war die Norm noch weitergehend wie folgt formuliert: „Digitalen Beweismitteln, die in einem Mitgliedstaat nach dessen Recht erhoben wurden, darf in anderen Mitgliedstaaten nicht allein wegen ihres digitalen Charakters die Anerkennung als Beweismittel verweigert werden.“2 Hiermit wollte die Kommission sicherstellen, „dass digitale Beweismittel, die nach dem Recht des Mitgliedstaats der Beweisaufnahme erhoben wurden, in anderen Mitgliedstaaten nicht allein wegen ihres digitalen Charakters als Beweismittel zurückgewiesen werden“.3 Ihre heutige Fassung, die sich ersichtlich an Art. 46 eIDAS-VO4 anlehnt, erhielt die Vorschrift im Standpunkt des Rates vom 4.11.2020.5 Inhaltlich entspricht Art. 8 EU-BewVO dem Art. 6 EU-ZustVO 2020.6 Art. 8 EU-BewVO findet nur Anwendung auf Schriftstücke, die über das dezentrale IT-System (Art. 7 Abs. 1–3 EU-BewVO) übermittelt worden sind. Wird ein alternativer Übermittlungsweg gem. Art. 7 Abs. 4 EU-BewVO gewählt, greift die Vorschrift hingegen nicht ein. Im letzteren Fall bleibt es weiterhin allein der lex fori überlassen, welchen Beweiswert sie elektronischen Dokumenten zuerkennt.
2
Daraus, dass Art. 8 EU-BewVO es untersagt, den über das dezentrale IT-System übermittelten Schriftstücken die Rechtswirkung allein deshalb abzusprechen, weil sie in elektronischer Form vorliegen, lässt sich erstens schließen, dass ein Empfangsstaat ein elektronisches Ersuchen mitsamt den entsprechenden Anlagen nicht allein aus diesem formalen Grund ablehnen darf.7 Zweitens folgt daraus, dass der ersuchende Staat bei entsprechender Rückübermittlung der Unterlagen das Ersuchen nicht allein aufgrund der elektronischen Form als unerledigt betrachten darf.
3
1 Europäische Kommission, 31.5.2018, COM (2018) 378 final, Art. 1 Nr. 6. 2 Zustimmend Eichel, ZVglRWiss 119 (2020), 220, 233; kritisch hierzu aber Knöfel, RIW 2018, 712, 718 („systemwidrig“). 3 Europäische Kommission, 31.5.2018, COM (2018) 378 final S. 10. 4 Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.7.2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG, ABl. EU 2014 L 257/73; die Vorschrift lautet: „Einem elektronischen Dokument darf die Rechtswirkung und die Zulässigkeit als Beweismittel in Gerichtsverfahren nicht allein deshalb abgesprochen werden, weil es in elektronischer Form vorliegt“. 5 Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 4.11.2020, abrufbar unter https://data.consilium.europa.eu/doc/docu ment/ST-9889-2020-REV-2/de/pdf (abgerufen am: 27.10.2021). 6 Zur letztgenannten Vorschrift vgl. Schlosser/Hess in Schlosser/Hess, Art. 6 EU-ZustVO 2020 Rz. 1 f. 7 Knöfel, RIW 2021, 247, 259.
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Art. 9 EU-BewVO Entgegennahme von Ersuchen 4
Darüber hinaus gewährleistet Art. 8 EU-BewVO, dass das ersuchende Gericht die ihm über das dezentrale IT-System übermittelten Schriftstücke nicht allein deshalb als unzulässige Beweismittel verwerfen darf, weil sie in elektronischer Form vorliegen. Unbeschadet dieser Regelung bleibt es im Übrigen dabei, dass sich die Beweiswürdigung nach der lex fori des ersuchenden Gerichts richtet;8 dies soll Erwägungsgrund 13 Satz 2 EU-BewVO klarstellen. Für die Beweiskraft elektronischer Dokumente ist in Deutschland § 371a ZPO zu beachten; für gescannte öffentliche Dokumente ist § 371b ZPO maßgebend; für schlichte E-Mails gilt § 286 ZPO.9
5
Erwägungsgrund 13 Satz 3 EU-BewVO betont, dass Art. 8 EU-BewVO nationales Recht über die Umwandlung von Schriftstücken in elektronische Dokumente unberührt lässt. Da das ersuchte Gericht das Ersuchen gem. Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO nach Maßgabe seines nationalen Rechts erledigt, wendet es insoweit auch die einschlägigen Umwandlungsvorschriften seiner lex fori an, ein deutsches Gericht z.B. also für öffentliche Urkunden § 371b S. 1 ZPO, der Folgendes bestimmt: „Wird eine öffentliche Urkunde nach dem Stand der Technik von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person in ein elektronisches Dokument übertragen und liegt die Bestätigung vor, dass das elektronische Dokument mit der Urschrift bildlich und inhaltlich übereinstimmt, finden auf das elektronische Dokument die Vorschriften über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden entsprechende Anwendung.“
Abschnitt 2 Entgegennahme von Ersuchen (Art. 9–Art. 11)
Artikel 9 Entgegennahme von Ersuchen (1) Das ersuchte zuständige Gericht übersendet dem ersuchenden Gericht innerhalb von sieben Tagen nach Eingang des Ersuchens eine Empfangsbestätigung unter Verwendung des Formblatts B in Anhang I. Entspricht das Ersuchen nicht den Anforderungen der Artikel 6 und 7, so bringt das ersuchte Gericht einen entsprechenden Vermerk in der Empfangsbestätigung an. (2) Fällt die Erledigung eines unter Verwendung des Formblatts A in Anhang I gestellten Ersuchens, das die Anforderungen des Artikels 6 erfüllt, nicht in die Zuständigkeit des ersuchten Gerichts, so leitet dieses das Ersuchen an das zuständige Gericht seines Mitgliedstaats weiter und unterrichtet das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts C in Anhang I hiervon. I. Mängel der Sprache und Lesbarkeit . . . . .
1
II. Zuständigkeit des ersuchten Gerichts und Weiterleitung an das zuständige Gericht . . . 1. Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weiterleitung im Inland . . . . . . . . . . . . .
3 3 4
3. Unleserlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Frist und Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . .
5 6 8
I. Mängel der Sprache und Lesbarkeit 1
Der Art. 9 EU-BewVO ist, wie sich aus der Formulierung des Abs. 1 („Das ersuchte … Gericht“) ergibt, bei direkter Anwendung allein auf ein Ersuchen gem. Art. 1 Abs. 1 lit. a EU-BewVO, nicht jedoch auf ein Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme (Art. 1 Abs. 1 lit. b EU-BewVO, Art. 19 EU-BewVO) zugeschnitten, über das nicht ein Gericht, sondern die Zentralstelle entscheidet.1 Zur analogen Anwendbarkeit s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 5. Die weiteren durch Art. 9 Abs. 1 EU-BewVO 8 Zum Beweiswert elektronischer Dokumente im deutschen Zivilprozessrecht s. ausführlich Heinze/Prado Ojea, CR 2018, 37 ff.; Kienzle, NJW 2019, 1712 ff.; speziell zur e-Apostille Forschner/Kienzle, DNotZ 2020, 724 ff. 9 Eingehend Ortner in Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimedia-Recht, 47. Erg.-Lfg. 2018, Teil 13.2, Beweiswert elektronischer Dokumente, m.w.N. 1 Anders aber Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-BewVO Rz. 1.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 9 EU-BewVO
aufgeworfenen Fragen werden an anderer Stelle im systematischen Zusammenhang behandelt. Siehe im Einzelnen – zur Sprache: Art. 6 EU-BewVO Rz. 5, – zur Lesbarkeit: Art. 7 EU-BewVO Rz. 12 und unten Rz. 5, – zu unvollständigen Ersuchen: Art. 10 EU-BewVO Rz. 1 ff. Klarzustellen ist, dass es ungeachtet der Formulierung „entspricht das Ersuchen nicht den Bedingungen der Artikel 6 und 7“ für die Anbringung eines entsprechenden Vermerks ausreicht, dass das Ersuchen den Voraussetzungen des Art. 6 EU-BewVO oder des Art. 7 EU-BewVO nicht entspricht.2
2
II. Zuständigkeit des ersuchten Gerichts und Weiterleitung an das zuständige Gericht 1. Zeitpunkt Die nach Art. 9 Abs. 1 EU-BewVO binnen sieben Tagen nach Eingang des Ersuchens zu versendende3 Empfangsbestätigung muss von dem ersuchten zuständigen Gericht ausgehen. Fraglich ist, ob für die Zuständigkeit auf das Eingangsdatum oder auf den Zeitpunkt, in dem die Empfangsbestätigung erteilt wird, abzustellen ist. Aus Gründen der Rechtssicherheit empfiehlt sich der Eingang des Ersuchens.4 Spätere Veränderungen (z.B. ein inländischer Wohnsitzwechsel des zu vernehmenden Zeugen) berühren die Zuständigkeit nicht.5 Andernfalls bestünde die Gefahr eines Katz-und-Maus-Spiels zwischen dem ersuchenden Gericht und der Beweisperson. Nach anderer Ansicht soll die Frage einer beweisverfahrensrechtlichen perpetuatio fori dem jeweiligen nationalen Recht überlassen bleiben.6
3
2. Weiterleitung im Inland Ein Ersuchen, das in der richtigen Sprache (Art. 6 EU-BewVO) und unter Verwendung des Form- 4 blatts A abgefasst worden ist, darf in dem Fall, dass es an ein nicht zuständiges Gericht übersendet worden ist, von diesem nicht einfach zurückgewiesen werden. Entgegen der missverständlichen Formulierung in Art. 1 Abs. 1 lit. a EU-BewVO („das zuständige Gericht“) ist in diesem Fall unstreitig auch nicht etwa der Anwendungsbereich der EU-BewVO verschlossen.7 Vielmehr muss das Ersuchen von dem ersuchten Gericht an das zuständige Gericht seines Mitgliedstaats weitergeleitet werden (Art. 9 Abs. 2 EU-BewVO). Die Vorschrift schreibt Art. 6 HBÜ fort. Welches Gericht zuständig ist, ergibt sich aus der nach Art. 3 Abs. 2 EU-BewVO erstellten Liste. Wie der Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 EU-BewVO verdeutlicht („das zuständige Gericht seines Mitgliedstaats“), ist eine grenzüberschreitende Weiterleitung des Ersuchens an ein ausländisches Gericht nicht vorgesehen.8 Eine analoge Anwendung der Vorschrift „in grenznahen Fällen“9 ist abzulehnen, weil die Grenznähe in Zeiten elek-
2 Ebenso Mosser in Fasching/Konecny, Art. 7 EG-BewVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EGBewVO Rz. 3. 3 Auf den Eingang der Empfangsbestätigung beim ersuchenden Gericht kommt es für die Fristwahrung nicht an, näher Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 7 EG-BewVO Rz. 3. 4 Ebenso Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 7 EG-BewVO Rz. 1. 5 A.A. Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 7 EG-BewVO Rz. 12; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 6 HBÜ Rz. 46 (zu Art. 6 HBÜ). 6 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 7 EG-BewVO Rz. 9. 7 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 32; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 1 EG-BewVO Rz. 34; Müller, S. 96. 8 Ebenso Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 7 EG-BewVO Rz. 3; Mosser in Fasching/Konecny, Art. 7 EG-BewVO Rz. 6; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 7 EG-BewVO Rz. 12; Lafontaine, DAR 2020, 541, 545; Rauscher in MünchKomm/ZPO Rz. 10; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 7 EG-BewVO Rz. 3; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 7 EG-BewVO Rz. 2. 9 Dafür Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 7 EG-BewVO Rz. 2; ebenso Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 7 EG-BewVO Rz. 3.
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Art. 9 EU-BewVO Entgegennahme von Ersuchen tronischer Datenübertragung kein sachgerechtes Abgrenzungskriterium bietet.10 Zudem drohen in diesem Fall sprachliche Komplikationen.11 3. Unleserlichkeit 5
Art. 9 Abs. 2 EU-BewVO setzt lediglich voraus, dass das Ersuchen die Voraussetzungen des Art. 6 EU-BewVO (Sprache) erfüllt, schweigt indes zu den Bedingungen nach Art. 7 EU-BewVO (Kommunikationstechnologien, Zuverlässigkeit und Sicherheit), so dass bei Mängeln der letztgenannten Art Ersuchen grundsätzlich weiterzuleiten sind.12 Ist jedoch das Ersuchen im Falle des Art. 7 Abs. 4 EU-BewVO gerade insoweit unlesbar, als es die Voraussetzungen betrifft, von denen die Zuständigkeit abhängt (z.B. Unleserlichkeit der Anschrift, sofern es auf den Wohnsitz ankommt), befindet sich das ersuchte Gericht in einem Dilemma: Eine Empfangsbestätigung nach Art. 9 Abs. 1 EU-BewVO kann nach dem Wortlaut der Vorschrift nur das „ersuchte zuständige Gericht“ versenden; eine Weiterleitung nach Art. 9 Abs. 2 EU-BewVO kommt aber auch nicht in Betracht, wenn nicht erkennbar ist, an welches Gericht das Ersuchen weiterzuleiten ist. In diesem Fall besteht für das zunächst ersuchte Gericht eine Notzuständigkeit analog Art. 9 Abs. 1 EU-BewVO zur Erteilung der Empfangsbestätigung, die mit einem entsprechenden Vermerk (Formblatt B Nr. 6.2) zu versehen ist.13 4. Frist und Form
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Für die Weiterleitung gem. Art. 9 Abs. 2 EU-BewVO gilt nicht die 7-Tage-Frist des Art. 9 Abs. 1 EUBewVO. Diese Frist wird erst in Lauf gesetzt, wenn das zuständige Gericht das Ersuchen erhält. Im Gegensatz zu Art. 6 Abs. 1 HBÜ wird das Gericht in Art. 9 Abs. 2 EU-BewVO nicht einmal ausdrücklich zur „unverzüglich[en]“ Weiterleitung verpflichtet. Der in Art. 12 Abs. 1 EU-BewVO normierte Unverzüglichkeitsgrundsatz gilt erst für die Erledigung des Ersuchens durch das zuständige Gericht, nicht bereits für die Weiterleitung. Dem Vorschlag, de lege ferenda die Eingangsworte „das ersuchte zuständige Gericht“ in Art. 9 Abs. 1 EU-BewVO zu „das ersuchte Gericht“ zu verkürzen, ist der Verordnungsgeber bislang nicht gefolgt. Ferner ist zu erwägen, auch für die Weiterleitung nach Art. 9 Abs. 2 EU-BewVO eine 7-Tage-Frist einzuführen. Bis dahin ist aus dem in verschiedenen Vorschriften der EU-BewVO zum Ausdruck kommenden Beschleunigungsgedanken (Art. 9, 12, 14 Abs. 1 EUBewVO) die Verpflichtung des ersuchten Gerichts abzuleiten, das Ersuchen unverzüglich an das zuständige Gericht weiterzusenden.14
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Von der Weiterleitung des Ersuchens an das zuständige Gericht ist das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts C zu unterrichten. 5. Bindungswirkung
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Die EU-BewVO schweigt darüber, ob die Weiterleitung des Ersuchens Bindungswirkung entfaltet.15 Grundsätzlich ist dies zu verneinen, so dass eine erneute Weiterleitung an das tatsächlich zuständige (dritte) Gericht zulässig ist.16 Verfehlt ist es hingegen, das Ersuchen schlicht an das zuerst ersuchte Gericht zurückzusenden.17 Kommt es zu Streitigkeiten, etwa weil verschiedene Gerichte sich für unzuständig erklären, liegt ein Ausnahmefall i.S.d. Art. 4 Abs. 1 lit. c EU-BewVO vor, in dem die Zen-
10 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 7 EG-BewVO Rz. 12. 11 Mosser in Fasching/Konecny, Art. 7 EG-BewVO Rz. 6; dies räumt auch Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 7 EGBewVO Rz. 2 ein. 12 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 20. 13 I.E. auch Huber in Gebauer/Wiedemann, Art. 7 EG-BewVO Rz. 4; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 7 EGBewVO Rz. 1. 14 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 7 EG-BewVO Rz. 8. 15 Verneinend zu Art. 6 HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 6 HBÜ Rz. 45. 16 OGH v. 6.10.2016 – 2 Nc 15/16b, abrufbar unter https://ris.bka.gv.at; Mosser in Fasching/Konecny, Art. 7 EGBewVO Rz. 6; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 7 EG-BewVO Rz. 9; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 7 EGBewVO Rz. 3. 17 OGH v. 6.10.2016 – 2 Nc 15/16b, abrufbar unter https://ris.bka.gv.at.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 10 EU-BewVO
tralstelle das Ersuchen direkt an das zuständige Gericht weiterleitet.18 Dieser Weiterleitung wird man nach Sinn und Zweck des Art. 4 Abs. 1 lit. c EU-BewVO eine Bindungswirkung beilegen müssen, um das Ziel einer möglichst beschleunigten Durchführung von Rechtshilfeersuchen zu erreichen.19 Die EU-BewVO enthält ferner keine Regelung darüber, ob Beweisaufnahmen vor dem ersuchenden Gericht verwertbar sind, wenn das ersuchte Gericht seine Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 2 EU-BewVO zu Unrecht angenommen hat. Insofern bleibt die lex fori des Prozessgerichts maßgebend.20 Die Verwertung einer aufgrund eines ausgehenden Rechtsersuchens im Ausland durchgeführten Beweisaufnahme kann vor dem deutschen Prozessgericht nicht mit dem Einwand angegriffen werden, das ersuchte Gericht sei nach der von dem anderen Mitgliedstaat erstellten Liste nicht zuständig gewesen (§ 369 ZPO).
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Artikel 10 Unvollständige Ersuchen (1) Kann ein Ersuchen nicht erledigt werden, weil es nicht alle erforderlichen Angaben gemäß Artikel 5 enthält, so setzt das ersuchte Gericht unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des Ersuchens das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts D in Anhang I davon in Kenntnis und ersucht das ersuchende Gericht, die fehlenden Angaben, die in möglichst genauer Weise zu bezeichnen sind, zu übermitteln. (2) Kann ein Ersuchen nicht erledigt werden, weil eine Kaution oder ein Vorschuss nach Artikel 22 Absatz 3 erforderlich ist, so teilt das ersuchte Gericht dem ersuchenden Gericht das unverzüglich, spätestens 30 Tage nach Eingang des Ersuchens unter Verwendung des Formblatts D in Anhang I mit; es teilt dem ersuchenden Gericht ferner mit, wie die Kaution oder der Vorschuss zu leisten ist. Das ersuchte Gericht bestätigt den Eingang der Kaution oder des Vorschusses unverzüglich, spätestens innerhalb von 10 Tagen nach Erhalt der Kaution oder des Vorschusses unter Verwendung des Formblatts E in Anhang I.
I. Unvollständigkeit nach Art. 5 EU-BewVO Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO verpflichtet das ersuchte Gericht im Falle eines i.S.d. Art. 5 EU-BewVO unvollständigen Ersuchens dazu, unverzüglich einen Antrag auf Vervollständigung an das ersuchende Gericht zu stellen. Als Obergrenze gilt hierbei eine Frist von 30 Tagen. Aus dem Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO („setzt … in Kenntnis“) wird der Schluss gezogen, es komme für die Fristwahrung nicht auf die Absendung, sondern auf den Zugang des Antrags an.1 Da eine Überschreitung der 30-Tage-Frist keine verordnungsimmanenten Sanktionen auslöst2 und die meisten Staaten im Rahmen des Art. 7 Abs. 4 EU-BewVO zumindest eine Kommunikation per Fax zulassen (s. Art. 7 EU-BewVO Rz. 11), ist die Frage indes von geringer praktischer Bedeutung.3 Das ersuchende Gericht kann nicht erwarten, dass allein infolge einer Fristüberschreitung das ersuchte Gericht ein unvollständiges Ersuchen ausführt.4 Die Verwendung des Formblatts D ist zwingend; ebenso das Gebot einer möglichst genauen Bezeichnung der fehlenden Angaben. Auf die Verwendung einer nicht zugelassenen Sprache (Art. 6 EU-BewVO) oder Mängel der Lesbarkeit (Art. 7 Abs. 4 EU-BewVO) findet Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO keine Anwendung; insoweit ist nach Art. 9 Abs. 1 EU-BewVO bereits ein entsprechender Vermerk in der Empfangsbestätigung anzubringen (s. Art. 6 EU-BewVO Rz. 5, Art. 7 EU-BewVO Rz. 12). 18 Ebenso Mosser in Fasching/Konecny, Art. 7 EG-BewVO Rz. 6. 19 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 7 EG-BewVO Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 24. 20 Wohl auch Mosser in Fasching/Konecny, Art. 7 EG-BewVO Rz. 7. 1 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 8 EG-BewVO Rz. 2. 2 Ebenso Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 8 EG-BewVO Rz. 1. 3 Ebenso Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 8 EG-BewVO Rz. 5 in Fn. 10 („eher theoretisch“). 4 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 25.
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Art. 11 EU-BewVO Vervollständigung des Ersuchens 2
Das ersuchte Gericht i.S.d. Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO ist, wie sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift, aber aus der systematischen Stellung nach Art. 9 EU-BewVO ergibt, das ersuchte zuständige Gericht (s. Art. 9 EU-BewVO Rz. 3). Im Falle einer Weiterleitung des Ersuchens nach Art. 9 Abs. 2 EU-BewVO beginnt deshalb die 30-Tage-Frist des Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO erst mit Eingang des Ersuchens bei dem zuständigen Gericht zu laufen.5 Zu den möglichen Rechtsfolgen verzögerter Bearbeitung s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 2. Hat das ersuchte Gericht das ersuchende Gericht gem. Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO davon unterrichtet, dass das Ersuchen nicht erledigt werden kann, weil es nicht alle erforderlichen Angaben nach Art. 5 EU-BewVO enthält, beginnt die Frist nach Art. 12 Abs. 1 EU-BewVO erst mit dem Eingang des ordnungsgemäß ausgefüllten Ersuchens beim ersuchten Gericht zu laufen (Art. 11 Abs. 1 EU-BewVO). Entspricht das ersuchende Gericht der Aufforderung des ersuchten Gerichts auf Ergänzung des Ersuchens gem. Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO nicht innerhalb von 30 Tagen, nachdem das ersuchte Gericht das ersuchende Gericht um Ergänzung des Ersuchens gebeten hat, liegt nach Art. 16 Abs. 2 lit. c EU-BewVO ein Ablehnungsgrund vor (näher Art. 16 EUBewVO Rz. 20 f.).
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Auf ein Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme (Art. 1 Abs. 1 lit. b EU-BewVO, Art. 19 EUBewVO) ist Art. 10 EU-BewVO nicht anzuwenden.6 Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut – Normadressat ist das „ersuchte Gericht“, nicht die Zentralstelle –, sondern auch aus einem Gegenschluss aus Art. 19 Abs. 7 EU-BewVO im Vergleich zu Art. 16 Abs. 2 lit. c EU-BewVO.
II. Kaution oder Vorschuss nach Art. 22 Abs. 3 EU-BewVO 4
Die Anforderung einer Kaution oder eines Vorschusses für die Sachverständigenkosten nach Art. 22 Abs. 3 EU-BewVO wird in Art. 10 Abs. 2 EU-BewVO geregelt. Die Vorschrift ist weitgehend aus sich heraus verständlich; weitere Einzelheiten regelt § 128 Abs. 4 ZRHO. Zur Zuständigkeit des ersuchten Gerichts und zum Beginn des Fristenlaufs s. oben Rz. 3–6. Im Falle einer Fristüberschreitung wird angenommen, dass der materielle Anspruch auf Stellung einer Kaution oder eines Vorschusses verfalle;7 dies dürfte aber nur bei erheblichen Verzögerungen angemessen sein. Zu Einzelheiten zur Kaution bzw. zum Vorschuss nach Art. 22 Abs. 3 EU-BewVO s. Art. 22 EU-BewVO Rz. 5. Auf die Sicherstellung der Erstattung anderer Aufwendungen und Auslagen nach Art. 22 Abs. 2 EU-BewVO ist Art. 10 Abs. 2 EU-BewVO nicht, auch nicht analog, anwendbar.8 Sofern das ersuchte Gericht um eine Kaution oder einen Vorschuss gebeten hat, beginnt die 90-Tage-Frist für die Erledigung nach Art. 12 Abs. 1 EU-BewVO erst mit der Hinterlegung der Kaution oder dem Eingang des Vorschusses zu laufen (Art. 11 Abs. 2 EU-BewVO). Werden eine Kaution oder ein Vorschuss, die gem. Art. 22 Abs. 3 EU-BewVO verlangt wurden, nicht innerhalb von 60 Tagen nach dem entsprechenden Verlangen des ersuchenden Gerichts hinterlegt bzw. einbezahlt, liegt ein Ablehnungsgrund gem. Art. 16 Abs. 2 lit. d EU-BewVO vor (näher Art. 16 EU-BewVO Rz. 22).
Artikel 11 Vervollständigung des Ersuchens (1) Hat das ersuchte Gericht gemäß Artikel 9 Absatz 1 auf der Empfangsbestätigung vermerkt, dass das Ersuchen die Anforderungen der Artikel 6 und 7 nicht erfüllt, oder hat es das ersuchende Gericht gemäß Artikel 10 davon unterrichtet, dass das Ersuchen nicht erledigt werden kann, weil es nicht alle erforderlichen Angaben nach Artikel 5 enthält, so beginnt die Frist nach Artikel 12 erst mit dem Eingang des ordnungsgemäß ausgefüllten Ersuchens beim ersuchten Gericht zu laufen. 5 6 7 8
Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 8 EG-BewVO Rz. 2. Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 8 EG-BewVO Rz. 1. Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 26. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 8 EG-BewVO Rz. 8; Klauser, S. 2; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 8 EG-BewVO Rz. 2.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 12 EU-BewVO
(2) Sofern das ersuchte Gericht nach Artikel 22 Absatz 3 um eine Kaution oder einen Vorschuss gebeten hat, beginnt die Frist nach Artikel 12 erst mit der Hinterlegung der Kaution oder dem Eingang des Vorschusses zu laufen. S. die Kommentierung in Art. 12 EU-BewVO Rz. 1 f.
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Abschnitt 3 Beweisaufnahme durch das ersuchte Gericht (Art. 12–Art. 18)
Artikel 12 Allgemeine Bestimmungen über die Erledigung eines Ersuchens (1) Das ersuchte Gericht erledigt das Ersuchen unverzüglich, spätestens aber innerhalb von 90 Tagen nach Eingang des Ersuchens. (2) Das ersuchte Gericht erledigt das Ersuchen nach Maßgabe seines nationalen Rechts. (3) Das ersuchende Gericht kann unter Verwendung des Formblatts A in Anhang I beantragen, dass das Ersuchen nach einer besonderen Form erledigt wird, die sein nationales Recht vorsieht. Das ersuchte Gericht erledigt das Ersuchen gemäß dem besonderen Verfahren, es sei denn, dass das mit seinem nationalen Recht unvereinbar wäre oder dem ersuchten Gericht wegen erheblicher tatsächlicher Schwierigkeiten unmöglich ist. Entspricht das ersuchte Gericht aus einem der genannten Gründe nicht dem Ersuchen nach Erledigung in einer besonderen Form, so unterrichtet es das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts H in Anhang I hiervon. (4) Das ersuchende Gericht kann das ersuchte Gericht bitten, die Beweisaufnahme unter Verwendung einer besonderen Kommunikationstechnologie, insbesondere im Wege der Videokonferenz oder Telekonferenz, durchzuführen. Das ersuchte Gericht verwendet die in Unterabsatz 1 näher bezeichnete Kommunikationstechnologie, es sei denn, dass das mit seinem nationalen Recht unvereinbar wäre oder dass es dem ersuchten Gericht wegen erheblicher tatsächlicher Schwierigkeiten unmöglich ist. Verwendet das ersuchte Gericht aus einem der genannten Gründe die besondere Kommunikationstechnologie nicht, so unterrichtet es das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts H in Anhang I hiervon. Hat das ersuchende oder das ersuchte Gericht keinen Zugang zu der in Unterabsatz 1 genannten Kommunikationstechnologie, so können die Gerichten diese Kommunikationstechnologie im gegenseitigen Einvernehmen zur Verfügung stellen. I. Unverzügliche Erledigung . . . . . . . . . . .
1
II. Erledigung nach lex fori des ersuchten Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3 3 5
III. 1. 2. 3. 4.
Besondere Form der Erledigung . . . . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formale Anforderungen . . . . . . . . . . . . Versagungsgründe – Überblick . . . . . . . . Unvereinbarkeit der besonderen Form mit dem Recht des ersuchten Gerichts . . . . . . a) Restriktive Auslegung der Unvereinbarkeit b) Auslegungskompetenz des EuGH und Beurteilungsspielraum des ersuchten Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7 7 10 11 14 14 16
c) Unmöglichkeit . . . . d) Einzelne Fallgruppen . (1) Wortprotokoll . . (2) Kreuzverhör . . . (3) Vereidigung . . . . e) Kosten . . . . . . . . .
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IV. Verwendung moderner Kommunikationstechnologien . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Neuerungen gegenüber dem HBÜ . . . . b) Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen für die Rechtsanwendung . . . . . d) Unterschiede zu Art. 19, 20 EU-BewVO . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . a) Videovernehmung und -verhandlung . . b) Augenschein . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
26 26 26 27 31 33 34 34 35
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Art. 12 EU-BewVO Allgemeine Bestimmungen über die Erledigung eines Ersuchens 3. Unvereinbarkeit mit nationalem Recht . . . a) Modifizierte Anwendung des § 128a ZPO . b) Tele-Augenschein . . . . . . . . . . . . . . . c) Videoaufzeichnung . . . . . . . . . . . . . .
36 36 38 39
4. Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 5. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 V. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
I. Unverzügliche Erledigung 1
Art. 12 Abs. 1 EU-BewVO verschärft durch das Gebot der unverzüglichen Erledigung, verbunden mit der ausdrücklichen Anordnung einer 90-Tage-Frist, die Anforderungen des HBÜ, dessen Art. 9 Abs. 3 HBÜ das ersuchte Gericht lediglich zu einer „raschen“ Erledigung verpflichtet.1 Die Frist beginnt mit dem Eingang des Ersuchens beim zuständigen Gericht, im Falle der Weiterleitung nach Art. 9 Abs. 2 EU-BewVO also erst mit dem Eingang bei dem Gericht, an welches das Ersuchen weitergeleitet wurde (s. Art. 9 EU-BewVO Rz. 3). Dies ergibt sich mittelbar daraus, dass Art. 11 Abs. 1 Alt. 1 EU-BewVO den Beginn des Fristenlaufs verhindert, wenn das „ersuchte Gericht gemäß Artikel 9 Absatz 1“ EU-BewVO eine Empfangsbestätigung an das ersuchende Gericht schickt, die einen Vermerk in Bezug auf die Verwendung einer falschen Sprache (Art. 6 EU-BewVO) oder2 einen Mangel der Lesbarkeit (s. Art. 7 EU-BewVO Rz. 10 ff.) enthält. Da das ersuchte Gericht nach Art. 9 Abs. 1 EU-BewVO das „ersuchte zuständige Gericht“ sein muss, kann der Lauf der Frist nicht beginnen, bevor das zuständige Gericht das Ersuchen erhalten hat.3 Der Beginn des Fristenlaufs wird ferner dadurch verhindert, dass das ersuchte (zuständige) Gericht einen Vervollständigungsantrag nach Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO stellt (Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EU-BewVO), oder durch die Bitte um eine Kaution bzw. einen Vorschuss nach Art. 22 Abs. 3 EU-BewVO (Art. 11 Abs. 2 EU-BewVO). Der Mangel eines Beginns des Fristenlaufs in den letztgenannten beiden Fällen bewirkt aber nicht, dass das Ersuchen in einem permanenten Schwebezustand bleibt. Vielmehr greifen nach Ablauf von 30 Tagen (Vervollständigungsantrag) bzw. 60 Tagen (Kautionsantrag) die Ablehnungsgründe des Art. 16 Abs. 2 lit. c und d EU-BewVO ein.
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Eine Sanktion für eine Überschreitung der 90-Tage-Frist sieht die EU-BewVO nicht vor.4 Ist das ersuchte Gericht jedoch nicht in der Lage, das Ersuchen fristgerecht zu erledigen, hat es das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts J hiervon in Kenntnis zu setzen (Art. 17 S. 1 EU-BewVO). Dabei muss es die Gründe für die Verzögerung angeben sowie den Zeitraum, der nach Einschätzung des ersuchten Gerichts für die Erledigung des Ersuchens voraussichtlich benötigt wird (Art. 17 S. 2 EU-BewVO). Darüber hinaus kommen bei einer unzureichend begründeten Verzögerung der Bearbeitung Staatshaftungsansprüche nach nationalem Recht5 sowie die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen den betreffenden Mitgliedstaat in Betracht.6 Ferner bleibt von der EU-BewVO die Möglichkeit unberührt, unter Berufung auf Art. 6 Abs. 1 EMRK (angemessene Verfahrensdauer) Beschwerde beim EGMR zu erheben.7 Eine Verkürzung der 90-Tage-Frist aufgrund nationaler Vorschriften, die dem Beweisführer schon nach einer geringeren Dauer das angebotene Beweismittel verwehren, ist nicht zulässig.8
1 Vgl. Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1292: Zügige Erledigung sei nicht mehr nur „bloßer Programmsatz“. 2 Auch hier ist das „und“ in der Formulierung „dass das Ersuchen nicht die Bedingungen der Art. 6 und Art. 7 [EU-BewVO] erfüllt“ als ein „oder“ zu lesen, vgl. Art. 9 EU-BewVO Rz. 2. 3 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 2. 4 Klauser, S. 1; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 231; Olivier, Gaz.Pal.Doctr. 2002, 1302, 1305; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 10 EG-BewVO Rz. 1; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1292. 5 Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 10 EG-BewVO Rz. 4; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 4; Klauser, S. 1; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 231; Mayr, Rz. VIII/15; Schlosser in Schlosser/ Hess, Art. 10 EG-BewVO Rz. 1; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 5. 6 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 164 f.; Klauser, S. 1; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 10 EG-BewVO Rz. 1; skeptisch McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 14. 7 Zum „Recht auf Beweis“ als von Art. 6 Abs. 1 EMRK i.V.m. Art. 6 Abs. 2 EUV geschütztes Rechtsgut näher Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 170 f.; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 86 f.; Ubertazzi, GRURInt. 2008, 807, 813 f.; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 1. 8 McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 87.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 12 EU-BewVO
II. Erledigung nach lex fori des ersuchten Gerichts 1. Grundsatz Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO ordnet an, dass das Rechtshilfegericht bei der Erledigung des Ersuchens 3 nach seiner lex fori verfährt. Die Vorschrift lehnt sich an Art. 9 Abs. 1 HBÜ an (Erledigung in den „Formen“ der lex fori).9 Ausnahmen enthalten Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO (s. Rz. 7 ff.) und Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO (Meistbegünstigungsprinzip in Bezug auf Aussageverweigerungsrechte, s. Art. 16 EU-BewVO Rz. 1 ff.). Die lex fori entscheidet z.B. über die Öffentlichkeit der Beweisaufnahme und (i.V.m. Art. 13 Abs. 3 und 5 EU-BewVO), darüber, ob der Kläger direkte Fragen an den Zeugen stellen darf.10 Die lex fori gilt auch für die Beurteilung der Zeugnisfähigkeit und der Eidesmündigkeit der Beweisperson11 (s. auch Art. 16 EU-BewVO Rz. 5). Das Lex-fori-Prinzip regelt ferner die Anwendung von Zwangsmaßnahmen (Art. 15 EU-BewVO). Auch die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen gegen die vom Rechtshilfegericht gewählten Modalitäten der Erledigung des Ersuchens ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann, unterliegt dessen eigenem Recht.12 Modifikationen des deutschen Verfahrensrechts im Rahmen der aktiven Rechtshilfe können geboten sein, um die Verwertbarkeit der Beweisergebnisse vor dem ausländischen Prozessgericht zu ermöglichen.13 So enthält z.B. die ZRHO die Soll-Vorschriften, Vernehmungen nicht durch einen Referendar vornehmen zu lassen (§ 127 Abs. 3 S. 2 ZRHO) und auf Durchstreichungen und Radierungen im Protokoll möglichst zu verzichten (§ 128 Abs. 7 ZRHO). Ferner soll ein Zeuge nur dann schriftlich befragt werden (§ 377 Abs. 3 ZPO), wenn das ersuchende Gericht darum gebeten oder sich damit einverstanden erklärt hat (§ 129 ZRHO). Hat hingegen das ersuchte ausländische Gericht bei der Beweisaufnahme gegen seine eigene lex fori verstoßen, hindert dies gem. § 369 ZPO die Verwertung der gewonnenen Beweise im deutschen Verfahren nicht, sofern die für das hiesige Prozessgericht geltenden Vorschriften eingehalten worden sind.14 Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO führt nicht dazu, dass die Spezifität der Bezeichnung von Beweismitteln 4 und -themen bei der Formulierung des Ersuchens nach Art. 5 EU-BewVO am deutschen Prozessrecht zu messen ist (s. Art. 5 EU-BewVO Rz. 2). 2. Sprache Die Beweisaufnahme vor dem ersuchten deutschen Gericht findet in deutscher Sprache statt, denn 5 § 184 GVG („Die Gerichtssprache ist deutsch“) gilt vorbehaltlich abweichender Regelungen (z.B. nach Art. 6 EU-BewVO) auch für den Rechtshilfeverkehr.15 Das ersuchende Gericht kann nach Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO die Durchführung der Beweisaufnahme in einer Fremdsprache beantragen.16 Ein solcher Antrag kann aber wiederum nach Art. 12 Abs. 3 S. 2 EU-BewVO bei erheblichen tatsächlichen Schwierigkeiten abgelehnt werden.17 Zur Zuziehung eines Dolmetschers s. § 185 Abs. 1 GVG. Ausnahmsweise kann die Zuziehung eines Dolmetschers unterbleiben, wenn alle Beteiligten (einschließlich des Protokollführers18) die betreffende Fremdsprache beherrschen (§ 185 Abs. 2 9 Zum Formulierungsunterschied näher Bonatti, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 211, 222 f. 10 BAG v. 17.3.2016 – 2 AZR 110/15, juris Rz. 26 f. = IPRspr. 2016 Nr. 273 (Ls). 11 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 6; vgl. zu Art. 9 Abs. 1 HBÜ Pfeil-Kammerer, Deutschamerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, S. 320 f.; anders Blaschczok, S. 151 f. 12 OGH v. 29.3.2011 – 5 Ob 164/10v, JBl 2011, 527 = ÖJZ 2012, 1053 Nr. 5 Bericht Mosser. 13 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 32. 14 BAG v. 17.3.2016 – 2 AZR 110/15, juris Rz. 25 = IPRspr. 2016 Nr. 273 (Ls). 15 Schmidt in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, § 1075 ZPO Rz. 1; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 8; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 2; Mankowski, FS Kaissis, 2012, S. 607, 625; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1075 ZPO Rz. 7; Stadler in Musielak/Voit, § 1075 ZPO Rz. 1; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1075 Rz. 1; zur Rechtshilfe allgemein BGH v. 17.5.1984 – 4 StR 139/84, BGHSt 32, 342 = NJW 1984, 2050 mit abl. Anm. Vogler, NJW 1985, 1764; zur Verwertung fremdsprachiger Beweismittel s. auch Hoge Raad v. 15.1.2016, ZEuP 2020, 195 m. Anm. Kilian, mit zahlreichen rechtsvergleichenden Nachweisen. 16 Mankowski, FS Kaissis, 2012, S. 607, 625 f. 17 Mosser in Fasching/Konecny, Art. 5 EG-BewVO Rz. 10. 18 Vgl. Schack, IZVR Rz. 697.
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Art. 12 EU-BewVO Allgemeine Bestimmungen über die Erledigung eines Ersuchens GVG).19 Das Protokoll ist im Inlandsverfahren auch in diesem Fall auf deutsch zu führen.20 Für die Rechtshilfe wird indes vorgeschlagen, das Protokoll in der betreffenden Fremdsprache abzufassen.21 Hierfür fehlt es jedoch an einer allgemeinen Rechtsgrundlage.22 Das ersuchte Gericht kann sich aber mit einer großzügigen Handhabung von § 185 Abs. 1 S. 2 GVG behelfen. Ferner kann das ersuchende Gericht nach Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO die Errichtung eines fremdsprachigen Wortprotokolls beantragen (s. Rz. 19). 6
Diese Grundsätze gelten auch, wenn das ersuchte Gericht einem Antrag auf Erledigung der Beweisaufnahme in einer besonderen Form (Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO) entspricht, z.B. im Falle eines Kreuzverhörs.23
III. Besondere Form der Erledigung 1. Normzweck 7
Art. 12 Abs. 3 S. 1 EU-BewVO, der im Wesentlichen dem Art. 9 Abs. 2 S. 1 HBÜ entspricht, sieht die Möglichkeit vor, dass die Beweisaufnahme auf Antrag des ersuchenden Gerichts in einer besonderen, von der lex fori des ersuchten Gerichts abweichenden Form durchgeführt wird, die dem Recht des ersuchenden Gerichts entstammt. Der Zweck dieser Ausnahmeregelung besteht darin, die Verwertbarkeit der vom Rechtshilfegericht erhobenen Beweise im Verfahren vor dem Prozessgericht sicherzustellen.24 Die Vorschrift soll so letztlich überflüssige, weil unverwertbare Beweisaufnahmen nach dem Recht des ersuchten Gerichts verhindern.25 Sie kann damit der Prozessökonomie und der Effizienz der internationalen Rechtshilfe dienen. Dies setzt jedoch voraus, dass das ersuchte Gerichte das ihm fremde Verfahrensrecht zutreffend anwendet.26 Ferner muss sichergestellt werden, dass das ersuchte Gericht nicht dazu gezwungen wird, gegen grundlegende Vorschriften seines eigenen Rechts, insbesondere zum Schutz von Zeugen, zu verstoßen, und dass von ihm nicht praktisch Unmögliches verlangt wird. Diesen Bedenken tragen die Versagungsgründe in Art. 12 Abs. 3 S. 2 EU-BewVO Rechnung.
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Aus deutscher Sicht ist bei ausgehenden Rechtshilfeersuchen die Stellung eines Antrags auf Einhaltung einer besonderen Form nach Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO grundsätzlich unnötig, weil es für die Verwertbarkeit des Beweisergebnisses ausreicht, wenn die Form der Beweisaufnahme dem ausländischen Recht entspricht (arg. § 369 ZPO).27 § 59 ZRHO sieht diese Möglichkeit aber vor.
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Zur Frage, ob Zwangsmaßnahmen auch bei Einhaltung einer besonderen Form der Beweisaufnahme ergriffen werden können, s. Art. 15 EU-BewVO Rz. 8 ff.
19 Müller, S. 36; Stadler in Musielak/Voit, § 1075 ZPO Rz. 1; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1075 Rz. 1; ebenso zum HBÜ Junker, Discovery, S. 339. 20 Kohake, DRiZ 2021, 378, 380 in Fn. 10. 21 Junker, Discovery, S. 339. 22 Ablehnend auch Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1075 ZPO Rz. 7. 23 Ebenso zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ Junker, Discovery, S. 339; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 56; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, S. 311; kritisch Nagel/ Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 56. 24 Alio, NJW 2004, 2706, 2707; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 154; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 225. 25 Ebenso zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ Ewald Geimer, S. 89; Volken, Die Internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, Rz. 3/145. 26 Skeptisch Bonatti, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 211, 225 f. 27 Allg.M., s. statt vieler Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 16; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 199; Stadler in Musielak/Voit, § 369 ZPO Rz. 3; ebenso (zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ) Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 56; Schack, IZVR Rz. 868; vgl. auch Heinrich in MünchKomm/ZPO, § 369 ZPO Rz. 4.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 12 EU-BewVO
2. Formale Anforderungen Der Antrag auf Erledigung des Rechtshilfeersuchens in einer besonderen Form wird mit dem Ersuchen gestellt (Art. 5 Abs. 1 lit. f EU-BewVO). Hierbei ist das Formblatt A zu verwenden (Art. 5 Abs. 1 S. 1 EU-BewVO und Art. 12 Abs. 3 S. 1 EU-BewVO, Formblatt A Nr. 12.1).
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3. Versagungsgründe – Überblick Das ersuchte Gericht kann einen Antrag auf Erledigung in einer besonderen Form nur dann ableh- 11 nen, wenn diese Form mit dem Recht des ersuchten Gerichts unvereinbar oder ihre Einhaltung wegen erheblicher tatsächlicher Schwierigkeiten unmöglich ist. Auch insoweit orientiert sich die EUBewVO an Art. 9 Abs. 2 HBÜ. Gegenüber dieser Vorschrift wurden die Ablehnungsmöglichkeiten jedoch enger gefasst:28 So reicht es entgegen Art. 9 Abs. 2 HBÜ nicht aus, dass die Einhaltung der besonderen Form „nach der gerichtlichen Übung im ersuchten Staat […] unmöglich“ ist. Ferner können nur „erhebliche“ tatsächliche Schwierigkeiten die Unmöglichkeit der Einhaltung einer besonderen Form begründen. Entspricht das ersuchte Gericht aus einem der oben genannten Gründe nicht dem Antrag auf Erledigung des Ersuchens in einer besonderen Form, muss es das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts H hiervon unterrichten. Hierbei handelt es sich, wie die systematische Stellung des Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO zeigt und wie auch an der Verwendung eines speziellen Formblatts (H, nicht K) erkennbar wird, nicht um einen Fall der Ablehnung des Ersuchens i.S.d. Art. 16 EUBewVO.29 Vielmehr ist das ersuchte Gericht, wenn es den Antrag auf Einhaltung einer besonderen Form zurückweist, grundsätzlich gehalten, das Ersuchen gem. Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO nach seiner lex fori zu erledigen.30 Hat eine solche Beweisaufnahme für das ersuchende Gericht aufgrund eines absehbar eingreifenden Beweisverwertungsverbots keinen Sinn, steht es dem ersuchenden Gericht frei, das Ersuchen zurückzuziehen. Es empfiehlt sich, zugleich mit der Übersendung des Formblatts H das ersuchende Gericht um eine Erklärung darüber zu bitten, ob es eine hilfsweise vorzunehmende Erledigung des Ersuchens nach Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO wünscht.31 Ebenso wird man es dem ersuchenden Gericht gestatten müssen, bereits bei der Stellung des Ersuchens darauf hinzuweisen, dass das Ersuchen im Falle der Versagung einer Erledigung nach Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO hilfsweise im Einklang mit dem Recht des ersuchten Gerichts durchgeführt werden soll.32
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Für die Erledigung in einer besonderen Form gilt die allgemeine 90-Tage-Frist des Art. 12 Abs. 1 EUBewVO.33 Die Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit einer unbekannten Form der Beweisaufnahme oder die Behebung tatsächlicher Schwierigkeiten können aber eine Fristüberschreitung rechtfertigen, die dem ersuchenden Gericht nach Art. 17 EU-BewVO unter Verwendung des Formblatts J mitzuteilen ist.
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28 Hierzu GA Kokott, Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06 – Alessandro Tedesco vs.Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd. EuLF 2008, I-42, I-52 Rz. 107; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 154; Lebeau/ Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 225. 29 A.A. Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 4 EG-BewVO Rz. 4: Für den Fall der Ablehnung einer besonderen Form gelte Art. 16 Abs. 4 EU-BewVO. 30 GA Kokott, Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06 – Alessandro Tedesco vs.Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-52 Rz. 108; Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 10 EG-BewVO Rz. 12; Kreuzer/Wagner/Häcker in Dauses/Ludwigs, Rz. Q III 44; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EGBewVO Rz. 16; Heinze, IPRax 2008, 480, 482; Janal, § 15 Rz. 50; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 33; Romano, Riv. dir. proc. 2005, 221, 237; Sandrini in Ambrosi/Scarano, 2005, S. 215, 221. 31 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 15; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 33. 32 Vgl. etwa die Formulierung im Draft Letter of Request, Annex A zu den Practice Directions zu C.P.R. (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 41) 34: „The witnesses should be examined on oath or if that is not possible within your laws or is impossible of performance by reason of the internal practice and procedure of your court or by reason of practical difficulties, they should be examined in accordance with whatever procedure your laws provide in these matters.“ 33 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 10 EG-BewVO Rz. 4.
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Art. 12 EU-BewVO Allgemeine Bestimmungen über die Erledigung eines Ersuchens 4. Unvereinbarkeit der besonderen Form mit dem Recht des ersuchten Gerichts a) Restriktive Auslegung der Unvereinbarkeit 14
Gemäß Art. 12 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 EU-BewVO kann das ersuchte Gericht einen Antrag auf Erledigung in einer besonderen Form ablehnen, wenn diese Form mit dem Recht des ersuchten Gerichts unvereinbar ist. Ebenso wie nach Art. 9 Abs. 2 HBÜ ist dieser Ausschlussgrund restriktiv zu handhaben.34 So kann es für die Ablehnung eines Antrags auf Erledigung in einer besonderen Form nicht ausreichen, dass die erbetene Verfahrensweise in dem Prozessrecht des ersuchten Gerichts nicht vorgesehen ist.35 Andernfalls würde Art. 12 Abs. 3 S. 1 EU-BewVO praktisch leerlaufen.36 Es fehlt auch nicht an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für die Durchführung einer Beweisaufnahme in einer besonderen Form, weil die EU-BewVO als unmittelbar in der Bundesrepublik anwendbares europäisches Recht in Verbindung mit der Verweisung auf das einschlägige ausländische Prozessrecht eine hinreichende Rechtsgrundlage schafft.37
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Ein bloßes Schweigen der ZPO zu einer bestimmten Form der Beweisaufnahme oder eine andersartige Regelung reicht für die Unvereinbarkeit deshalb nicht aus. Erforderlich ist vielmehr ein expliziter oder aus der Auslegung des mitgliedstaatlichen Rechts zu gewinnender Verbotssatz, der nicht nur im gewöhnlichen Inlandsprozess, sondern gerade auch im Rechtshilfeverfahren Geltung beansprucht.38 Hierbei sind insbesondere die Grundrechte nach dem GG sowie Art. 47 Abs. 2 der GrundrechteCharta und die Menschenrechte nach der EMRK i.V.m. Art. 6 Abs. 2 EUV zu beachten.39 Ergibt sich ein Verbot einer bestimmten Form aus der Verfassung bzw. aus der EMRK, ist auch der überwiegend erhobenen Forderung Genüge getan, der Versagungsgrund müsse ein ordre-public-ähnliches Gewicht haben.40 b) Auslegungskompetenz des EuGH und Beurteilungsspielraum des ersuchten Gerichts
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Zum Teil wird allerdings angenommen, auch ein lediglich einfachrechtlicher Verbotssatz des nationalen Rechts müsse zur Bejahung der Unvereinbarkeit i.S.d. Art. 12 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 EU-BewVO ausreichen.41 Richtiger Ansicht nach (s. Rz. 15) handelt es sich bei Art. 12 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 EU-BewVO indes um einen restriktiv zu handhabenden, besonderen ordre-public-Vorbehalt.42 Im Gegensatz zu 34 GA Kokott, Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06 – Alessandro Tedesco vs.Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-52 Rz. 99: „eng begrenzte Ausnahmefälle“; Alio, NJW 2004, 2706, 2708; Berger, IPRax 2001, 522, 525; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 154; Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 95; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 10 EG-BewVO Rz. 3. 35 Berger, IPRax 2001, 522, 525; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 154; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR (4. Aufl. 2015) Art. 10 HBÜ Rz. 3; zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ: Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 54; Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 9 HBÜ Rz. 5. 36 GA Kokott, Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06 – Alessandro Tedesco vs.Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-52 Rz. 107; ebenso zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ Junker, Discovery, S. 336. 37 Insoweit a.A. Berger, FS Rechberger, 2005, S. 39, 45. 38 In diesem Sinne (zum HBÜ) Junker, Discovery, S. 337; sehr ähnlich Ewald Geimer, S. 90; für die EG-BewVO Mosser in Fasching/Konecny, Art. 10 EG-BewVO Rz. 16; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 10; anders aber Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-BewVO Rz. 10. 39 Zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ Junker, Discovery, S. 337 (Grundrechte); sehr ähnlich Ewald Geimer, S. 90; ferner McClean, S. 97 („constitutional prohibition“). 40 Dafür Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR (4. Aufl. 2015), Art. 9/10 HBÜ Rz. 3; Mayr, Rz. VIII/16; McClean, S. 97; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 225; Frigo/Fumagalli, S. 174; Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 341 Fn. 48; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 686; eng auch Bonatti, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 211, 227; Romano, Riv. dir. proc. 2005, 221, 238; dagegen aber Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-BewVO Rz. 10. 41 Dezidiert Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 13; ebenso (zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ) Berger in Stein/ Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 54, der sich ausdrücklich von Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR (4. Aufl. 2015), Art. 9/10 HBÜ Rz. 3 abgrenzt; vgl. auch McClean, S. 97 („statutory prohibition“); Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 341 Fn. 48 („proibizione legislativa“). 42 GA Kokott, Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-51 Rz. 96; s. ferner die Nachw. oben Fn. 37.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 12 EU-BewVO
Art. 9 Abs. 2 HBÜ43 kann der ersuchte Staat nach Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO zudem nicht gänzlich eigenständig darüber befinden, ob eine beantragte besondere Form der Beweisaufnahme mit seinem Recht unvereinbar ist, da auch insoweit der EuGH im Grenzbereich zur Auslegung berufen ist, um den effet utile der EU-BewVO zu wahren.44 Es liegt nahe, bei der Abgrenzung des europarechtlich vorgegebenen Normgehalts von dem Spielraum, der dem nationalen Rechtsanwender bleibt, auf die Kriterien zurückzugreifen, die im Rahmen der ordre-public-Klausel des Art. 19 Abs. 7 lit. c EUBewVO gelten (s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 6 ff.). Jedoch ist zu berücksichtigen, dass nicht nur der Wortlaut des Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO gegenüber Art. 19 Abs. 7 lit. c EU-BewVO großzügiger ist – bloße „Unvereinbarkeit“ im Gegensatz zum Verstoß gegen „wesentliche Rechtsgrundsätze“ –, sondern auch, dass der Inlandsbezug stärker ausgeprägt ist, wenn ein inländisches Gericht selbst eine Beweisaufnahme in einer ausländischen Form vornehmen soll (aktive Rechtshilfe durch Ausübung eigener Hoheitsgewalt), als wenn diese lediglich einem ausländischen Gericht auf inländischem Hoheitsgebiet gestattet wird (passive Rechtshilfe durch Duldung fremder hoheitlicher Tätigkeit).45 Es ist daher theoretisch denkbar, dass eine bestimmte Form der Beweisaufnahme nach Art. 12 Abs. 3 EUBewVO abzulehnen ist, obwohl sie nicht den ordre public i.S.d. Art. 19 Abs. 7 lit. c EU-BewVO verletzen würde.46 Bei der sachlich gebotenen restriktiven Auslegung des Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO werden sich die praktischen Ergebnisse aber stark annähern. Zu einzelnen Fallgruppen s. Rz. 19 ff. c) Unmöglichkeit An die Unmöglichkeit i.S.d. Art. 12 Abs. 3 S. 2 Alt. 2 EU-BewVO sind ebenfalls strenge Maßstäbe anzulegen. Es reicht zur Ablehnung des Antrags nicht aus, dass die Einhaltung einer besonderen Form für das Gericht mühevoll ist oder dass bestehende Schwierigkeiten nur mit einem gewissen Aufwand zu beheben sind.47 Zu einzelnen Fallgruppen s. im Folgenden unter d.
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Die Beurteilung der Tatfrage, ob im Einzelfall eine Unmöglichkeit i.S.d. Art. 12 Abs. 3 S. 2 Alt. 2 EUBewVO besteht, obliegt den Gerichten des ersuchten Mitgliedstaates. Der EuGH hat aber über den rechtlichen Gehalt des Unmöglichkeitsbegriffs zu wachen und ist insofern auslegungsberechtigt.
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d) Einzelne Fallgruppen (1) Wortprotokoll Das in Ländern des common law übliche Wortprotokoll48 weicht zwar von der in § 160 Abs. 2 ZPO enthaltenen Regelung ab, nach der nur die wesentlichen Vorgänge der Verhandlung aufzunehmen sind. Einen Verbotssatz im oben (Rz. 15) definierten Sinne kann man der ZPO aber ebenso wenig entnehmen wie anderen kontinentaleuropäischen Verfahrensordnungen.49 Auch der Einwand, das um ein Wortprotokoll ersuchte Gericht verfüge über keinen Stenographen,50 vermag angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten (§ 160a Abs. 1 ZPO, Aufzeichnung auf Ton- oder Datenträger) 43 Vgl. hierzu McClean, S. 97: „It is, of course, for the requested state to determine whether the special method is impractical or impossible of performance.“ 44 GA Kokott, Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-51 Rz. 98. 45 A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 34 f.: Vornahme auf deutschem Hoheitsgebiet sei entscheidend. 46 A.A. Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 10 in Fn. 21. 47 Alio, NJW 2004, 2706, 2708; Bonatti, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 211, 227; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 11; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 14; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 226; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-BewVO Rz. 11. 48 Vgl. z.B. C.P.R. 34.9(4): „The examiner must ensure that the evidence given by the witness is recorded in full.“ 49 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 13; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 23 ff.; Janal, § 15 Rz. 41; Müller, S. 97; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 21; aus französischer Sicht Bruneau, JClP (G) 2001, I 349, p 1770; aus italienischer Sicht Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 686; aus österreichischer Sicht Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 10 EG-BewVO Rz. 14; Mosser in Fasching/Konecny, Art. 10 EGBewVO Rz. 18; Mayr, Rz. VIII/16; aus slowenischer Sicht Betetto, EuLF 2006, I-137, I-144. 50 Zu diesem noch auf der Haager Konferenz vorgebrachten Argument s. Ewald Geimer, 90 f.; kritisch Blaschczok, S. 141.
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Art. 12 EU-BewVO Allgemeine Bestimmungen über die Erledigung eines Ersuchens keine praktische Undurchführbarkeit zu begründen.51 Sagt der Zeuge in einer Fremdsprache aus (s. Rz. 5 f.), ist das Wortprotokoll in dieser Fremdsprache aufzunehmen, da andernfalls die Verwertbarkeit der Aussage vor dem Prozessgericht nicht sichergestellt wäre.52 Die hierin liegende Durchbrechung des § 185 Abs. 1 GVG wird durch Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO gerechtfertigt. Bereits § 185 Abs. 1 S. 2 GVG stellt klar, dass die Verwendung der deutschen Sprache zu Protokollierungszwecken nicht ausnahmslos gilt. Zur Ersetzung oder Ergänzung des Protokolls durch eine Videoaufzeichnung der Zeugenvernehmung s. Rz. 39. (2) Kreuzverhör 20
Die Vernehmung eines Zeugen im Wege des Kreuzverhörs ist zwar nicht in der ZPO vorgesehen, aber nicht i.S.d. Art. 12 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 EU-BewVO mit dem deutschen Recht unvereinbar.53 Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das deutsche Recht selbst im Strafprozess das Kreuzverhör ausdrücklich zulässt (§ 239 StPO).54 Des Weiteren kann das Gericht auch im Zivilverfahren den Parteien gestatten, an den Zeugen unmittelbar Fragen zu richten; ihren Anwälten muss es dies sogar auf Verlangen erlauben (§ 397 Abs. 2 ZPO).55 Auch das anwaltliche Standesrecht steht der Beteiligung an einem Kreuzverhör nicht entgegen.56 Jedoch können im Einzelfall berechtigte Bedenken gegen die mit einem Kreuzverhör verbundenen Belastungen des Zeugen bestehen (Art. 1 und 2 GG).57 Ein Standardwerk des Common Law (zum „Brexit“ s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 51) beschreibt die „Kunst“ des Kreuzverhörs in aus deutscher Sicht geradezu martialisch anmutender Weise:
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„The true test of an advocate is his or her proficiency in the skill, or art, of deadly cross-examination; the ability to destroy the evidence of an opposing witness by asking a series of piercing, puncturing, pulverising questions. An experienced advocate will execute a staged campaign which has […] been […] prepared so as to undermine this particular witness. The opening shots are aimed at his confidence; next, several barrages of questions will cause the witness to accept a series of facts damaging to his previous testimony; the final round is often the question ‘And you still say …’ which receives a doubtful, embarrassed and crestfallen reply.“58
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Eine solche „Kampagne“, die der Einschüchterung eines Zeugen und der Zerstörung seiner Glaubwürdigkeit dient, ist mit den Grundrechten des Zeugen aus Art. 1, 2 GG und deutschen Grundvorstellungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht zu vereinbaren.59 Die Beantwortung entehrender 51 Ebenso zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, S. 332 f. 52 Ebenso Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 24. 53 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 13; Hess, EuZPR Rz. 8.45; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 154 f.; Hess in GS Blomeyer, 2004, S. 617, 626; Janal, § 15 Rz. 42; Müller, S. 35 f.; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 21; Seibl, in Encyclopedia PIL, S. 713; Siehr, RIW 2007, 321, 327; Geimer, IZPR, Rz. 2268, 2463; ebenso zum belgischen Recht Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 96; zum französischen Recht Le Berre/Pataut, Rev. dr. aff. int. 2004, 53, 63; zum italienischen Recht Romano, Riv. dir. proc. 2005, 221, 238; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 686; zum slowenischen Recht Betetto, EuLF 2006, I-137, I-139; zum österreichischen Recht einerseits Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 10 EG-BewVO Rz. 13; Mosser in Fasching/Konecny, Art. 10 EGBewVO Rz. 18 (vereinbar); andererseits Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 93 f., 103 (unvereinbar); a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 17; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-BewVO Rz. 10; Schütze, Rechtsverfolgung, Rz. 319. 54 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 154 f.; ebenso zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 53, 56; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 55; E. Geimer, 90; Junker, Discovery 338; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, S. 310; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 19; Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 9 HBÜ Rz. 6: StPO sei für Rechtshilfe in Zivilsachen nicht ausschlaggebend. 55 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 154; ebenso zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 55; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, S. 310. 56 A.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 17. 57 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 155; ebenso zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 55; Ewald Geimer, S. 90; Junker, Discovery, S. 338. 58 O’Hare & Hill, Civil Litigation, 10. Aufl. 2001, Rz. 37.013. 59 Vgl. auch zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 55: Zeuge dürfe nicht entwürdigend oder demütigend behandelt werden.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 12 EU-BewVO
Fragen kann der Zeuge nach Art. 16 Abs. 1 lit. a EU-BewVO, § 384 Abs. 1 Nr. 2 ZPO verweigern. Aber auch Fang- und Suggestivfragen müssen vom deutschen Gericht ausgeschlossen werden.60 Die ausländische Form der Beweisaufnahme (Kreuzverhör) wird so grundsätzlich zugelassen, aber inländischen Vorstellungen angepasst. Eine solche Lösung wird dem Zweck des Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO, die Verwertbarkeit des Beweismittels vor dem Prozessgericht sicherzustellen, zugleich aber die Grundvorstellungen des Rechts des ersuchten Gerichts zu achten, besser gerecht als ein Alles-oderNichts-Ansatz, der nur die Befragung durch den Richter (allenfalls ergänzt durch § 397 Abs. 2 ZPO) oder ein Kreuzverhör, das in jeder Hinsicht dem englischen Muster entspricht, zulässt.61 Die Befugnis zur Anpassung der ausländischen Form der Beweisaufnahme an Grundvorstellungen des eigenen Rechts ist bei der gebotenen rechtshilfefreundlichen Auslegung der Verordnung als Minus in dem in Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO verbrieften Recht zur Nicht-Erledigung enthalten.62 Es ist zudem nicht zu befürchten, dass derartige Abweichungen von der cross-examination im Stil des Common Law vor dem Prozessgericht zu einer Unverwertbarkeit der Zeugenaussage führen werden. So heißt es z.B. bei McClean: „The German courts […] have developed a procedure for taking depositions in response to requests from foreign countries, with provision for cross-examination, which appears entirely to meet the needs of common law countries.“63 Die Toleranz für eine Intervention des ausländischen Gerichts im Rahmen eines Kreuzverhörs dürfte zumindest insoweit gegeben sein, als auch z.B. irische Gerichte eine Beschränkung der cross-examination bei schikanösen („vexatious“) Fragen oder einer exzessiven Dauer des Kreuzverhörs gestatten.64 Da die Durchführung des Kreuzverhörs deutschen Grundvorstellungen eines rechtsstaatlichen Ver- 23 fahrens anzupassen ist, greift auch der Einwand nicht durch, das deutsche Gericht sei mangels einschlägiger Kenntnisse des ausländischen Verfahrensrechts zu einer korrekten Beaufsichtigung der Vernehmung außerstande, so dass ein Fall der Unmöglichkeit i.S.d. Art. 12 Abs. 3 S. 2 Alt. 2 EU-BewVO vorliege.65 Das Gericht muss nur dafür Sorge tragen, dass die äußere Form eines Kreuzverhörs eingehalten wird; es ist nicht erforderlich, dass die Zulässigkeit jeder einzelnen im Rahmen des Kreuzverhörs gestellten Frage an den Maßstäben z.B. des irischen Rechts gemessen wird. Im Übrigen befürworten auch diejenigen Autoren, die ein Kreuzverhör für unmöglich halten, eine großzügige Handhabung des § 397 Abs. 2 ZPO.66 Während also nach hiesiger Auffassung dem Antrag auf Beweisaufnahme in einer besonderen Form (Kreuzverhör) grundsätzlich stattzugeben, die Durchführung aber im Lichte deutscher Grundvorstellungen eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu modifizieren ist, soll nach dieser Meinung von der inländischen Form (§ 397 Abs. 2 ZPO) ausgegangen werden, diese aber den ausländischen Vorstellungen angepasst werden. Im praktischen Ergebnis dürften die Abweichungen zwischen den beiden Lösungswegen eher gering sein. Zwangsmaßnahmen gegen den Zeugen kann das Gericht aber nur dann ergreifen, wenn die Form der Beweisaufnahme deutschem Recht (§ 397 Abs. 2 ZPO) entspricht (s. Art. 15 EU-BewVO Rz. 10). (3) Vereidigung Bei dem Antrag, die Vernehmung unter Eid oder eidesstattlicher Versicherung durchzuführen, und gegebenenfalls dabei eine bestimmte Formel zu verwenden (Art. 5 Abs. 1 lit. e, vierter Spiegelstrich 60 Vgl. zum Strafprozess Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 241 Rz. 15. 61 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 13. 62 So auch GA Kokott, Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-52 Rz. 111; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EGBewVO Rz. 18. 63 McClean, S. 97; Die Befürchtung Schützes (Rechtsverfolgung im Ausland, 5. Aufl, 2016, Rz. 319) das deutsche Gericht müsse eine „Zeugenvernehmung mit examination in chief, crossexamination und reexamination nach common law Verfahrensregeln“ durchführen, ist deshalb unbegründet. 64 Näher Moriarty, Evidence in Civil Law – Ireland, S. 78. 65 So aber Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, 5. Aufl. 2016, Rz. 319; ebenso zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ Blaschczok, S. 140 f.; Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 9 HBÜ Rz. 5 ff.; gegen Unmöglichkeit Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 687. 66 Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 9 HBÜ Rz. 6; zur praktischen Handhabung des § 397 Abs. 2 ZPO s. auch Schlosser, Rec. 284 (2000), 9, 125; ebenso zum österreichischen Recht Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 103.
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Art. 12 EU-BewVO Allgemeine Bestimmungen über die Erledigung eines Ersuchens EU-BewVO), handelt es sich um einen Spezialfall eines Antrags auf Erledigung der Beweisaufnahme in einer besonderen Form (s. Art. 5 EU-BewVO Rz. 20). Wird kein Antrag auf Verwendung einer bestimmten Eidesformel gestellt, führt das ersuchte Gericht nach Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO die Eidesabnahme im Einklang mit seinem eigenen Verfahrensrecht durch.67 Die Vereidigung einer Aussageperson oder die Verwendung einer bestimmten Eidesformel kann vom ersuchten Gericht nur unter den Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO abgelehnt werden. Ein Ablehnungsgrund liegt daher vor, wenn das autonome Zivilprozessrecht des ersuchten Staates schlechthin keine eidliche Vernehmung von Zeugen oder Parteien erlaubt.68 In diesem Fall liegt zugleich ein Ablehnungsgrund nach Art. 16 Abs. 2 lit. b EU-BewVO vor (s. Art. 16 EU-BewVO Rz. 19).69 Lässt das Recht des ersuchten Gerichts grundsätzlich eine eidliche Vernehmung zu, dürfen durch die Verwendung einer fremden Form insbesondere die Grund- und Menschenrechte der Aussageperson nicht verletzt werden.70 So ist es beispielsweise mit Art. 140 GG i.V.m. Art. 136 Abs. 4 WRV unvereinbar, die Aussageperson dazu zu zwingen, den Eid mit religiöser Beteuerung zu leisten.71 Auch der Eid ohne religiösen Bezug kann wegen Art. 4 GG nicht erzwungen werden (vgl. § 484 ZPO).72 Hingegen entspricht die Ablegung eines Voreids zwar nicht den Vorgaben des § 392 ZPO, verstößt aber als solche nicht gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung.73 Wenngleich die ZPO abgesehen von § 410 Abs. 1 S. 1 ZPO nur den sog. assertorischen Eid (Nacheid) kennt, sieht die deutsche Rechtsordnung z.B. in Bezug auf die Amtseide des Bundespräsidenten (Art. 56 GG) sowie des Bundeskanzlers und der Bundesminister (Art. 64 GG) auch den sog. promissorischen Eid vor.74 Die Ablegung des Voreids oder die Verwendung einer bestimmten ausländischen Eidesformel kann aber nicht erzwungen werden (Art. 15 EU-BewVO Rz. 10). Zur Abnahme des zugeschobenen Eides s. Art. 16 EU-BewVO Rz. 19. e) Kosten 25
Zur Erstattung der Kosten, die durch die Erledigung des Ersuchens in einer besonderen Form entstehen, s. Art. 22 Abs. 2 EU-BewVO, hierzu Art. 22 EU-BewVO Rz. 2 ff.
IV. Verwendung moderner Kommunikationstechnologien 1. Einführung a) Neuerungen gegenüber dem HBÜ 26
Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO, der die Beweisaufnahme unter Verwendung moderner Kommunikationstechnologien ermöglicht, enthält insofern eine Innovation gegenüber dem HBÜ, als im Übereinkommen der Einsatz von Videoaufzeichnungen, Videokonferenzen usw noch nicht ausdrücklich geregelt ist.75 Allerdings besteht auch im Rahmen des HBÜ die Möglichkeit zur Durchführung einer Video-
67 Ebenso zu Art. 3 HBÜ Amram unter II C. 68 So zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ Heinrich in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl. 2008, Art. 9 HBÜ Rz. 3; i.E. ebenso Blaschczok, S. 153 f.; einschränkend Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 158 Fn. 60. 69 Vgl. Blaschczok, S. 153 f. (zu Art. 12 Abs. 2 lit. a HBÜ). 70 Junker, Discovery, S. 337; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 55. 71 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 13; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 16; Janal, § 15 Rz. 41; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 226 (zum französischen Recht); zum HBÜ Junker, Discovery, S. 337; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 55. 72 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 35; vgl. BVerfG v. 11.4.1972 – 2 BvR 75/71, BVerfGE 33, 23. 73 Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 16; Junker, Discovery, S. 337; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, § 1074 ZPO Rz. 35; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 55; ebenso zum belgischen Recht Mougenot, J. T. 2002, 17, 19. 74 Zur Unterscheidung von assertorischem und promissorischem Eid von Schlabrendorff, abw.M. zu BVerfG v. 11.4.1972 – 2 BvR 75/71, BVerfGE 33, 23, 38. 75 Zu den Möglichkeiten der Beweisaufnahme durch Videoaufzeichnungen und -übertragungen nach dem HBÜ eingehend Bernasconi/Celis/Kunzelmann in Essays in Honour of van Loon, 2013, S. 31, 41 ff.; Davies, Am J Comp L 55 (2007), 205 ff.; zur EG-BewVO Mankowski, RIW 2014, 397, 400.
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konferenz oder zur Anfertigung einer Videoaufzeichnung, wenn das Recht des ersuchten Staates diese Formen der Beweisaufnahme vorsieht (Art. 9 Abs. 1 HBÜ) oder sie nach Art. 9 Abs. 2 HBÜ beantragt werden und nicht mit dem Recht des ersuchten Staates unvereinbar oder mangels technischer Vorrichtungen undurchführbar sind.76 Hindernisse für den Einsatz moderner Kommunikationstechnologien im zivilrechtlichen Rechtshilfeverkehr ergaben sich in der Vergangenheit weniger aus einer Lückenhaftigkeit des HBÜ als aus dem Fehlen einer Rechtsgrundlage in den Verfahrensordnungen der Mitgliedstaaten.77 Für Deutschland schafft der mit dem ZPO-Reformgesetz von 2001 eingefügte § 128a ZPO weitgehend Abhilfe.78 b) Rechtsnatur Dogmatisch stellt Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO einen Spezialfall des Antrags auf Beweisaufnahme in einer besonderen Form (Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO) dar. Die Verwandtschaft zwischen den Abs. 3 und 4 des Art. 12 EU-BewVO zeigt sich am deutlichsten in den identisch formulierten Versagungsgründen der Unvereinbarkeit und Undurchführbarkeit (Art. 12 Abs. 3 S. 2 EU-BewVO bzw. Art. 12 Abs. 4 S. 2 EU-BewVO), die auch hier restriktiv auszulegen sind.79 Allerdings bestehen auch Unterschiede:
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So spricht Art. 12 Abs. 3 S. 1 EU-BewVO von einem Antrag des ersuchenden Gerichts, Art. 12 Abs. 4 S. 1 EU-BewVO hingegen von einer Bitte. Hierbei handelt es sich jedoch, wie ein Blick in die englische und französische Fassung zeigt („may call“ bzw. „may ask“ sowie „peut demander“), um eine Unschärfe der deutschen Übersetzung, mit der kein unterschiedlicher Grad an Verbindlichkeit des vom ersuchenden Gerichts gestellten Antrags zum Ausdruck gebracht werden soll.80 Auch die Sätze 2 und 3 des Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO sprechen zudem von einem „Antrag“.
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Des Weiteren ist der Antrag auf Erledigung in einer besonderen Form nach Art. 12 Abs. 3 S. 1 EUBewVO zwingend unter Verwendung des Formblatts A zu stellen, während Art. 12 Abs. 4 EUBewVO zu Formerfordernissen erstaunlicherweise schweigt. Hierbei handelt es sich offenbar um ein auch in den anderssprachigen Fassungen unterlaufenes redaktionelles Versehen, denn das Formblatt A sieht unter Nr. 12.2 ausdrücklich einen Antrag auf Erledigung „unter Einsatz der in Formblatt N angegebenen Kommunikationstechnologien (Artikel 12 Absatz 4 [EU-BewVO])“ vor. Analog Art. 12 Abs. 3 S. 1 EU-BewVO ist deshalb die Verwendung des Formblatts A für einen Antrag nach Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO als zwingend anzusehen (§ 60 Abs. 1 S. 1 ZRHO). Eine Vorabanfrage im Hinblick auf die technischen oder rechtlichen Voraussetzungen beim ersuchten Gericht wird empfohlen (§ 60 Abs. 1 S. 3 ZRHO).
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Schließlich verweist Art. 12 Abs. 3 S. 1 EU-BewVO bezüglich der besonderen Form, deren Einhaltung beantragt wird, auf das Recht des ersuchenden Gerichts. Der Art. 12 Abs. 4 S. 1 EU-BewVO enthält hingegen keine derartige Bezugnahme. Hieraus könnte der Umkehrschluss gezogen werden, es dürfe nur – im Einklang mit dem allgemeinen Grundsatz der Beweisaufnahme nach der lex fori des ersuchten Gerichts (Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO) – eine Videokonferenz etc. beantragt werden, wenn das Recht des ersuchten Gerichts diese Möglichkeit vorsehe. In diesem Fall wäre allerdings nicht verständlich, weshalb die EU-BewVO in Art. 12 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 EU-BewVO ausdrücklich den Versagungsgrund der Unvereinbarkeit des Einsatzes von Kommunikationstechnologie mit dem Recht des ersuch-
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76 Für Zulässigkeit der Videoaufzeichnung nach Art. 9 Abs. 2 HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 55; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR (4. Aufl. 2015), Art. 9/10 HBÜ Rz. 3; McClean, S. 97; einschränkend Junker, Discovery, S. 341: nur wenn Zeuge einwilligt; für Zulässigkeit der Videokonferenz nach Art. 9 Abs. 2 HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 9 HBÜ Rz. 55; Schultzky, NJW 2003, 313, 314; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1292. 77 Vgl. zu Deutschland Berger, IPRax 2001, 522, 525; rechtsvergleichende Hinweise zu anderen Mitgliedstaaten bei Stadler, ZZP 115 (2002), 413, 442 f. 78 Zu § 128a ZPO s. neben den Kommentaren Dötsch, MDR 2011, 269, 273; Schultzky, NJW 2003, 313 ff.; Stadler, ZZP 115 (2002), 413, 435 ff.; Windau, jM 2021, 178 ff. 79 Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 96. 80 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 17 in Fn. 34; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 10 EG-BewVO Rz. 5.
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Art. 12 EU-BewVO Allgemeine Bestimmungen über die Erledigung eines Ersuchens ten Staates normiert. Dies wäre überflüssig, wenn eine im Recht des ersuchten Gerichts nicht vorgesehene Videokonferenz gar nicht erst beantragt werden könnte.81 c) Folgen für die Rechtsanwendung 31
Richtigerweise ist zu differenzieren: In der Regel wird das ersuchende Gericht an der Durchführung einer Videokonferenz interessiert sein, um eine Reise in den Staat des Rechtshilfegerichts zu vermeiden. Es wird aber nur wenig Wert darauf legen, dass das ersuchte Gericht die Videokonferenz gerade nach den Verfahrensvorschriften des ersuchenden Gerichts durchführt. Wird also lediglich die Verwendung von Kommunikationstechnologien ohne nähere Spezifizierung beantragt, entspricht das ersuchte Gericht diesem Antrag, wenn es das Ersuchen nach Maßgabe seines eigenen Rechts erledigt.82 Der Versagungsgrund der Unvereinbarkeit spielt dann keine Rolle.
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Es ist aber denkbar, dass das Recht des ersuchenden und das des ersuchten Gerichts unterschiedliche Regelungen über Videokonferenzen, Videoaufzeichnungen usw enthalten oder dass nur das Recht des ersuchenden Gerichts, nicht aber das des ersuchten Gerichts, diese Vernehmungsformen vorsieht. In diesem Fall ist der Antrag auf eine nach dem Recht des ersuchenden Gerichts zulässige oder nach dessen Maßstäben spezifizierte Verwendung von Kommunikationstechnologien nicht schlechthin unzulässig. Es muss insoweit auch kein separater Antrag nach Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO gestellt werden.83 Die insoweit offene Formulierung des Art. 12 Abs. 4 S. 1 EU-BewVO deckt auch diesen Antrag ab. Jedoch kann dann unter Umständen der Versagungsgrund der Unvereinbarkeit des beantragten Einsatzes von Kommunikationstechnologien mit dem Recht des ersuchten Gerichts eingreifen (näher Rz. 36 ff.). d) Unterschiede zu Art. 19, 20 EU-BewVO
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Sieht das Recht des ersuchten Gerichts den Einsatz von Kommunikationstechnologien nicht oder nicht in der beantragten Weise vor, wird es zweckmäßiger sein, bei der Zentralstelle ein Ersuchen auf unmittelbare Beweisaufnahme nach Art. 19, 20 EU-BewVO zu stellen, in deren Rahmen ebenfalls die Verwendung von Kommunikationstechnologie möglich ist, sofern dem nicht wesentliche Rechtsgrundsätze des jeweiligen Mitgliedstaates entgegenstehen (Art. 19 Abs. 7 lit. c EU-BewVO).84 Der Unterschied zwischen dem Einsatz von Kommunikationstechnologien im Rahmen des Art. 12 EUBewVO einerseits, des Art. 20 EU-BewVO andererseits besteht darin, dass nach Art. 12 EU-BewVO die Beweisaufnahme vom Rechtshilfegericht durchgeführt wird und Mitglieder des Prozessgerichts sich an ihr allenfalls nach Art. 14 Abs. 4 EU-BewVO beteiligen können (näher Rz. 37), während nach Art. 20 EU-BewVO die Beweisaufnahme in den Händen des Prozessgerichts liegt.85 Ferner setzt Art. 19 Abs. 2 EU-BewVO auf Seite der Beweisperson Freiwilligkeit voraus. 2. Anwendungsbereich a) Videovernehmung und -verhandlung
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Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO betrifft den Einsatz von Kommunikationstechnologie im Zusammenhang mit einer Beweisaufnahme. Daraus wird der Schluss gezogen, die Vorschrift gestatte allein die Durchführung von Videovernehmungen (§ 128a Abs. 2 ZPO), biete aber keine Rechtsgrundlage für die 81 So auch Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 19; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-BewVO Rz. 12. 82 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 17; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EGBewVO Rz. 35; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 10 EG-BewVO Rz. 12: Es sei ausschließlich das Recht des ersuchenden Gerichts maßgebend. 83 So aber wohl Berger, IPRax 2001, 522, 525, wenn nur die Rechtsordnung des ersuchenden Gerichts, nicht die des Rechtshilfegerichts die Videovernehmung erlaubt; wie hier Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EGBewVO Rz. 19. 84 Vgl. das Beispiel bei Betetto, EuLF 2006, I-137, I-144. 85 Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 31; Hess, in Marauhn, 2007, S. 17, 24; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 163; ferner Müller, S. 122 f.
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Durchführung grenzüberschreitender Videoverhandlungen (§ 128 Abs. 1 ZPO).86 Nach anderer Ansicht sollen aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO grenzüberschreitende Videoverhandlungen im europäischen Justizraum ohne Einschränkung zulässig sein.87 Der erstgenannten Auffassung ist insofern zuzustimmen, als stets ein Zusammenhang mit einer Beweisaufnahme gegeben sein muss; eine grenzüberschreitende Videoverhandlung z.B., die lediglich der Erörterung von Rechtsfragen zwischen dem Prozessgericht und einer sich am Ort des Rechtshilfegerichts befindenden Partei dienen oder einen Sühnetermin (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 8) ersetzen soll, kann nicht auf Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO gestützt werden. Gleichwohl ist die Beschränkung auf eine Videovernehmung i.S.d. § 128a Abs. 2 ZPO zu eng, weil nach Art. 13 Abs. 4 EU-BewVO die Parteien und ihre Vertreter an der Beweisaufnahme beteiligt werden können; Entsprechendes gilt für die Mitglieder des Prozessgerichts gem. Art. 14 Abs. 4 EU-BewVO (s. Rz. 37). Eine Beteiligung abwesender Personen an der Beweisaufnahme ist jedoch nur im Rahmen einer Videoverhandlung möglich (vgl. auch den Verweis auf § 128a Abs. 1 ZPO in § 128a Abs. 2 S. 2 ZPO). Sollen die nach der EU-BewVO gewährten Beteiligungsrechte nicht weitgehend leerlaufen, muss deshalb auch die Durchführung einer Videoverhandlung möglich sein.88 b) Augenschein Der Hauptanwendungsfall für Video- und Telekonferenzen liegt in der Vernehmung von Auskunfts- 35 personen (Zeugen und Parteien). Dieser Aspekt der Verwendung von Kommunikationstechnologien wird auch in § 128a Abs. 2 ZPO geregelt. Jedoch nennt Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO Video- und Telekonferenzen lediglich als Beispielsfälle für die Verwendung von Kommunikationstechnologien (arg. „insbesondere“). Zudem spricht die Vorschrift allgemein von einer „Beweisaufnahme“ und erfasst somit auch andere Formen der Beweiserhebung als die Vernehmung einer Person. So kommt namentlich die Einnahme eines sog. „Tele-Augenscheins“ in Betracht. Hierunter versteht man die Einnahme eines gerichtlichen Augenscheins an außerhalb des Sitzungszimmers befindlichen Objekten, die mit Hilfe einer Videoübertragung von den Gerichtsangehörigen wahrgenommen werden können.89 Auch in diesem Zusammenhang ist zwischen Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO und Art. 19, 20 EU-BewVO zu unterscheiden: Ein Fall des Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO liegt vor, wenn das Rechtshilfegericht den Augenschein einnimmt, d.h. die Beweisaufnahme leitet und deren Ergebnisse festhält, während das Prozessgericht oder die Parteien lediglich zugeschaltet werden, um ergänzende Hinweise zu geben, etwa um das Augenmerk der ersuchten Richter auf bestimmte Merkmale des Augenscheinsobjekts zu lenken, oder um Fragen zu stellen. Zweifelhaft ist insofern jedoch die Vereinbarkeit mit dem deutschen Recht i.S.d. Art. 12 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 EU-BewVO (s. Rz. 38). Ein Fall des Art. 19 EU-BewVO liegt hingegen vor, wenn das ersuchende Gericht selbst und formell unmittelbar mit technischer Hilfe den Augenschein einnimmt (s. Art. 20 EU-BewVO Rz. 5). 3. Unvereinbarkeit mit nationalem Recht a) Modifizierte Anwendung des § 128a ZPO Die innerstaatliche Rechtsgrundlage für den Einsatz moderner Kommunikationstechnologie wird all- 36 gemein in § 128a ZPO gesehen.90 Die Vorschrift bedarf aber für die Rechtshilfe gewisser Modifikationen, denn § 128a ZPO ist unmittelbar nur auf die Beweisaufnahme vor einem inländischen Gericht zugeschnitten, bei der sich die Beweisperson (§ 128a Abs. 2 S. 1 ZPO) und/oder Parteien bzw. ihre 86 Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 33; Hess, AnwBl. 2011, 321, 325; Schultzky, NJW 2003, 313, 315; ähnlich Greger in Zöller, § 128a ZPO Rz. 10; s. auch die Überlegungen de lege ferenda bei Leipold, FS Schlechtriem, 2003, S. 91, 105 f. 87 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 163 Fn. 87. 88 A.A. Knöfel, EuZW 2008, 267, 269; für Änderung de lege ferenda aber Knöfel, RIW 2021, 247, 252; zur Schaffung einer unionsrechtlichen Grundlage für eine grenzüberschreitende Videoverhandlung ohne Bezug zu einer Beweisaufnahme s. Kohake, DRiZ 2021, 378, 380. 89 Hierzu aus Sicht des deutschen Rechts Schultzky, NJW 2003, 313, 314; Stadler, ZZP 115 (2002), 413, 442. 90 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 10 EG-BewVO Rz. 5; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 163; Stadler, FS Geimer, 2002, 1281, 1292; Niehr, S. 156 f.; Windau, jM 2021, 178 ff.; zu Besonderheiten in familienrechtlichen Verfahren Lorenz, MDR 2016, 956 ff.; Socha, FamRZ 2020, 731 ff.
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Art. 12 EU-BewVO Allgemeine Bestimmungen über die Erledigung eines Ersuchens Vertreter (§ 128a Abs. 1 ZPO) an einem anderen Ort als dem Sitzungszimmer aufhalten.91 Die in Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO erfasste Konstellation wird hingegen in der Regel so aussehen, dass die Beweisperson physisch am Ort des Rechtshilfegerichts präsent ist, während lediglich die Mitglieder des Prozessgerichts oder die auswärtigen Parteien bzw. ihre Vertreter videotechnisch zugeschaltet werden, um ergänzende Fragen zu stellen. Streng genommen handelt es sich daher nicht um eine Videovernehmung i.S.d. § 128a Abs. 2 ZPO, weil der Aufenthaltsort der Beweisperson und der Ort des die Beweisaufnahme durchführenden Gerichts (also des Rechtshilfegerichts) zusammenfallen. Bei einem Einsatz von Kommunikationstechnologien im Rahmen des Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO liegt die Verfahrensleitung bei dem Rechtshilfegericht, nicht bei dem Prozessgericht; will das Prozessgericht selbst unmittelbar eine Videovernehmung des in Deutschland sich aufhaltenden Zeugen durchführen, muss es einen Antrag nach Art. 19, 20 EU-BewVO stellen (s. Rz. 33). Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich daraus, dass § 128a Abs. 1, 2 ZPO allein die Zuschaltung von Parteien, ihren Vertretern (Bevollmächtigten und Beiständen) sowie der Beweisperson selbst in das Sitzungszimmer des deutschen Gerichts regelt. Die im Rahmen der Rechtshilfe sich anbietende Zuschaltung von Mitgliedern eines ausländischen Prozessgerichts ist hingegen nicht ausdrücklich erwähnt. Es ergeben sich hierdurch technische Zweifelsfragen: Würde man in der Befragung eines Zeugen durch das zugeschaltete Prozessgericht eine Videovernehmung i.S.d. § 128a Abs. 2 ZPO sehen, hätte dies zur Folge, dass die Vernehmung zwar zeitgleich in Bild und Ton in das Sitzungszimmer des Prozessgerichts zu übertragen wäre, dass aber in umgekehrter Richtung keine Übertragung von Bildern aus dem Sitzungszimmer des Prozessgerichts an den Aufenthaltsort des Zeugen erforderlich wäre, was auch für das Rechtshilfegericht eine wenig praktische Lösung wäre. 37
Die Wurzel all dieser Schwierigkeiten liegt darin, dass § 128a ZPO allein auf die Beweisaufnahme durch ein Gericht im Inlandsverfahren zugeschnitten ist, nicht aber auf die bei der internationalen Rechtshilfe sinnvolle Kooperation zweier Gerichte bei der Beweisaufnahme. Die Lösung besteht darin, § 128a Abs. 1, Abs. 2 S. 2 ZPO, welche die Beteiligung abwesender Parteien bzw. ihrer Vertreter an einer Verhandlung/Beweisaufnahme vor dem deutschen Gericht regeln, auf die Beteiligung von Mitgliedern eines ausländischen ersuchenden Gerichts an einer vom deutschen Rechtshilfegericht geleiteten Beweisaufnahme entsprechend anzuwenden.92 Daraus folgt insbesondere die wichtige technische Konsequenz, dass die Beweisaufnahme zeitgleich in Bild und Ton in beide Richtungen zu übertragen ist, also sowohl vom Sitzungszimmer des Rechtshilfegerichts in das des Prozessgerichts als auch umgekehrt. b) Tele-Augenschein
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Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO erfasst nach seinem Wortlaut auch den sog. „Tele-Augenschein“ (s. Rz. 35). Fraglich ist insoweit jedoch die Vereinbarkeit mit dem deutschen Recht (Art. 12 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 EUBewVO). Im deutschen Recht ist umstritten, ob § 128a Abs. 2 ZPO den Einsatz von Videotechnologie zum Zwecke der Beweisaufnahme abschließend regelt, also allein die Videovernehmung zulässig ist, oder ob auch für die in § 128a ZPO nicht genannten Beweismittel, insbesondere die Einnahme eines gerichtlichen Augenscheins, der Einsatz moderner Kommunikationstechnologien in Betracht kommt.93 Es ist jedoch zu beachten, dass die Unvereinbarkeit einer Beweisaufnahme mit dem Recht des ersuchten Gerichts nach Art. 12 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 EU-BewVO ebenso wie nach Art. 12 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 EU-BewVO nicht bereits dann zu bejahen ist, wenn die ZPO eine bestimmte Form der Beweiserhebung nicht kennt (s. Rz. 15). Erforderlich ist vielmehr auch hier, dass sich dem Recht des ersuchten Gerichts ein klarer Verbotssatz entnehmen lässt. Allein aus der fehlenden Regelung des Tele-Augenscheins in § 128a ZPO kann daher nicht auf eine Unvereinbarkeit des Einsatzes von Vi-
91 Vgl. Windau, jM 2021, 178. 92 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 21; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 35; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EG-BewVO Rz. 33: Das ausländische Gericht dürfe nur „mithören“, aber nicht „hineinreden“. 93 Für abschließende Regelung Stadler, ZZP 115 (2002), 413, 442; für Zulässigkeit des „Tele-Augenscheins“ Schultzky, NJW 2003, 313, 314; Windau, jM 2021, 178, 185; allgemein zur Heranziehung technischer Hilfsmittel (z.B. Mikroskope, Ferngläser) zur Augenscheinseinnahme Ahrens, FS Geimer, 2002, S. 1, 6 f.
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deotechnologie zu diesem Zweck mit dem deutschen Recht geschlossen werden.94 Es ist durchaus sinnvoll, dass Mitglieder des Prozessgerichts oder die Parteien der vom Rechtshilfegericht vorzunehmenden Augenscheinseinnahme videotechnisch zugeschaltet werden, um dem ersuchten Gericht ergänzende Hinweise zu geben, etwa um das Augenmerk der Richter auf bestimmte Merkmale des Augenscheinsobjekts zu lenken oder um Fragen zu stellen. c) Videoaufzeichnung Fraglich ist, ob das ersuchende Gericht die Anfertigung einer Videoaufzeichnung einer Vernehmung 39 oder einer anderen Beweisaufnahme beantragen kann.95 § 128a Abs. 3 S. 1 ZPO („Die Übertragung wird nicht aufgezeichnet“) enthält für das Inlandsverfahren nach h.L. ein Verbot der Aufzeichnung.96 Begründet wird dies mit dem Persönlichkeitsschutz der vernommenen Person.97 Das Aufzeichnungsverbot soll sogar eine vorläufige Speicherung der Vernehmung zu Protokollzwecken untersagen.98 Es soll auch im Rahmen des Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO zu beachten sein.99 Man kann jedoch bezweifeln, ob der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG) tatsächlich solch eine rigide Haltung rechtfertigt, da im deutschen Strafprozess die Aufzeichnung einer Videovernehmung ausdrücklich zugelassen wird (§§ 58a, 247a S. 4 StPO). Nicht alles, was im Inlandsprozess unzulässig oder nicht vorgesehen ist, muss auch im Rahmen der internationalen Rechtshilfe verboten sein (s. Rz. 19 ff. zur Anfertigung eines Wortprotokolls und zur Zulässigkeit des Kreuzverhörs).100 Selbst wenn man das Aufzeichnungsverbot des § 128a Abs. 3 S. 1 ZPO für einen Unvereinbarkeitsgrund i.S.d. Art. 12 Abs. 4 S. 2 Alt. 1 EU-BewVO hielte, könnte es im Falle einer Zuschaltung vom ersuchenden Gericht problemlos umgangen werden, weil eine Aufzeichnung der Videoübertragung auch von dort aus möglich ist.101 Schließlich kann das deutsche Gericht selbst um die Aufzeichnung einer Videovernehmung ersuchen, wenn das Recht des ersuchten ausländischen Gerichts diese Möglichkeit vorsieht.102 Einem Antrag des ersuchenden Gerichts auf Videoaufzeichnung einer Vernehmung ist deshalb stattzugeben.103 Allerdings kann die Videoaufzeichnung nicht gegenüber dem Zeugen erzwungen werden (Art. 15 EU-BewVO Rz. 10). 4. Unmöglichkeit An die Unmöglichkeit i.S.d. Art. 12 Abs. 4 S. 2 Alt. 2 EU-BewVO sind ebenso strenge Maßstäbe anzulegen wie bei Art. 12 Abs. 3 S. 2 Alt. 2 EU-BewVO (s. Rz. 17 f.). Insbesondere ist auf die in Art. 12 Abs. 4 S. 4 EU-BewVO geregelte Möglichkeit hinzuweisen, kommunikationstechnische Infrastruktur im gegenseitigen Einvernehmen zur Verfügung zu stellen.
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5. Kosten Falls das ersuchte Gericht dies verlangt, stellt das ersuchende Gericht unverzüglich die Erstattung der Auslagen sicher, die durch die Anwendung von Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO entstanden sind (Art. 22
94 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 23; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EGBewVO Rz. 40. 95 Zu Art. 9 Abs. 2 HBÜ s. die Nachweise in Fn. 62. 96 Ahrens, FS Geimer, 2002, S. 1, 5; Anders in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, § 128a ZPO Rz. 8; Stadler in Musielak/Voit, § 128a ZPO Rz. 10; Stadler, ZZP 115 (2002), 413, 440; Schultzky, NJW 2003, 313, 317; a.A. Bachmann ZZP 118 (2005), 133, 157 f.; Seiler in Thomas/Putzo § 128a ZPO Rz. 8; Greger in Zöller § 128a ZPO Rz. 9 [zulässig bei Einverständnis des Zeugen]. 97 Schultzky, NJW 2003, 313, 317; Stadler, ZZP 115 (2002), 413, 440; ablehnend Bachmann, ZZP 118 (2005), 133, 157. 98 Schultzky, NJW 2003, 313, 317. 99 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 10 EG-BewVO Rz. 5; Niehr, S. 156. 100 Zustimmend Mosser in Fasching/Konecny, Art. 10 EG-BewVO Rz. 28. 101 Vgl. zur Aufzeichnung durch den Zugeschalteten Schultzky, NJW 2003, 313, 317. 102 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 10 EG-BewVO Rz. 5. 103 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 25; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 10 EGBewVO Rz. 36; wohl auch Schmidt, Rz. 340.
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Art. 13 EU-BewVO Beweisaufnahme in Anwesenheit und unter Beteiligung der Parteien Abs. 2 S. 1, zweiter Spiegelstrich EU-BewVO). Die Pflicht der Parteien, diese Kosten zu tragen, unterliegt dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts (Art. 22 Abs. 2 S. 2 EU-BewVO).
V. Rechtsbehelfe 42
S. Art. 16 EU-BewVO Rz. 24.
Artikel 13 Beweisaufnahme in Anwesenheit und unter Beteiligung der Parteien (1) Sofern im Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts vorgesehen, haben die Parteien und gegebenenfalls ihre Vertreter das Recht, bei der Beweisaufnahme durch das ersuchte Gericht zugegen zu sein. (2) In seinem Ersuchen teilt das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts A in Anhang I dem ersuchten Gericht mit, dass die Parteien und gegebenenfalls ihre Vertreter zugegen sein werden und dass gegebenenfalls ihre Beteiligung bei der Beweisaufnahme beantragt wird. Diese Mitteilung kann auch zu jedem anderen geeigneten Zeitpunkt erfolgen. (3) Wird die Beteiligung der Parteien und gegebenenfalls ihrer Vertreter an der Beweisaufnahme beantragt, so legt das ersuchte Gericht die Bedingungen für ihre Teilnahme nach Artikel 12 fest. (4) Das ersuchte Gericht teilt den Parteien und gegebenenfalls ihren Vertretern unter Verwendung des Formblatts I in Anhang I Ort und Zeitpunkt der Beweisaufnahme und gegebenenfalls die Bedingungen mit, unter denen sie an der Beweisaufnahme teilnehmen können. (5) Die Absätze 1 bis 4 lassen die Möglichkeit des ersuchten Gerichts unberührt, die Parteien und gegebenenfalls ihre Vertreter aufzufordern, bei der Beweisaufnahme zugegen zu sein oder sich daran zu beteiligen, wenn das Recht des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts das vorsieht. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das auf Anwesenheits- und Beteiligungsrechte der Parteien anwendbare Recht . . . . 1. Das auf die Anwesenheit der Parteien anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablehnungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Das auf die Beteiligung der Parteien anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 11 III. Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kommunikation zwischen dem ersuchten Gericht und den Parteien . . . . . . . . . . 2. Sicheres Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Durchführung der Beweisaufnahme . . . .
. . 15 . . 15 . . 16 . . 17
I. Einführung 1
Art. 13 EU-BewVO regelt zum einen das Recht der Parteien oder ihrer Vertreter, bei der Beweisaufnahme vor dem Rechtshilfegericht (passiv) anwesend zu sein, zum anderen das Recht der Parteien oder ihrer Vertreter, sich an der Beweisaufnahme aktiv (z.B. durch Fragen und Hinweise) zu beteiligen. Der Vorläufer dieser Regelung ist Art. 7 HBÜ, der nach allgemeiner Meinung ein Anwesenheitsrecht der Parteien voraussetzt,1 aber zu ihren Beteiligungsrechten schweigt. Innovativ ist Art. 13 EU-BewVO auch darin, dass der Versuch unternommen wird, das auf Anwesenheits- und Beteiligungsrechte anwendbare Recht präziser zu bestimmen. Die Anwesenheit und die Beteiligung von Beauftragten des ersuchenden Gerichts sind nicht in Art. 13 EU-BewVO, sondern in Art. 14 EU-BewVO gesondert, wenn auch in strukturell ähnlicher Weise, geregelt. Noch Art. 14 des deutschen EG-BewVO-Vorschlags hatte die Anwesenheit von Parteien und Beauftragten in einer Vorschrift zusammengefasst (so auch § 1073 1 Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 7 HBÜ Rz. 1; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 7 HBÜ Rz. 49; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 7 HBÜ Rz. 1; Blaschczok, S. 122 ff.
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Art. 13 EU-BewVO
Abs. 1 ZPO). Eine Anwesenheit der Parteien bzw. ihrer Vertreter sollte nach dem Vorschlag aber nur unter der Voraussetzung statthaft sein, dass das Recht des ersuchten Gerichts dem nicht entgegenstünde. Diese Einschränkung ist in Art. 11 EG-BewVO (heute Art. 13 Abs. 1 EU-BewVO) fallen gelassen worden.
II. Das auf Anwesenheits- und Beteiligungsrechte der Parteien anwendbare Recht 1. Das auf die Anwesenheit der Parteien anwendbare Recht Den Ausgangspunkt bildet Art. 13 Abs. 1 EU-BewVO. Die Parteien und gegebenenfalls ihre Vertreter haben das Recht auf Anwesenheit bei der Beweisaufnahme durch das ersuchte Gericht, sofern dies im Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts vorgesehen ist.2 Der Sinn der Vorschrift liegt darin, dass es den Parteien ermöglicht werden soll, die Verhandlungen wie im Falle einer Beweisaufnahme im Mitgliedstaat des ersuchenden Gerichts verfolgen zu können (Erwägungsgrund 18 EUBewVO). In der italienischen Fassung des Art. 13 Abs. 1 EU-BewVO heißt es hingegen, das Recht des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts sei maßgebend („legge dello Stato membro dell’autorità giudiziaria richiesta“). Hierbei handelt es sich aber auch aus italienischer Sicht um einen Übersetzungsfehler.3 Ungeachtet der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des Rechts des ersuchenden Gerichts hat das ersuchte Gericht die Möglichkeit, die Parteien aufzufordern, bei der Beweisaufnahme zugegen zu sein oder sich daran zu beteiligen,4 wenn das Recht des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts dies vorsieht (Art. 13 Abs. 5 EU-BewVO).
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Insgesamt bewirkt die Kombination der grundsätzlichen Verweisung auf das Recht des ersuchenden 3 Gerichts (Art. 13 Abs. 1 EU-BewVO) mit einer subsidiären Anknüpfung an das Recht des ersuchten Gerichts (Art. 13 Abs. 5 EU-BewVO) eine Verbesserung der Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme, da es im Ergebnis ausreicht, wenn nur eine der beteiligten Rechtsordnungen den Parteien ein Anwesenheitsrecht einräumt. Nach deutschem Recht haben die Parteien auch bei einer Beweisaufnahme zum Zwecke der Rechtshilfe ein Recht auf Anwesenheit gem. § 357 ZPO, zumindest aus Art. 103 Abs. 1 GG.5 Die Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme ist auch in rechtsvergleichender Sicht nahezu allgemein verbreitet.6 Das Öffentlichkeitsgebot aus § 169 Abs. 1 GVG gilt hingegen nicht für die Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter.7 Entscheidet das deutsche Rechtshilfegericht gem. Art. 13 Abs. 5 EU-BewVO über die Anwesenheit der Parteien bei der Beweisaufnahme, ist es an Vorstellungen und Wünsche des ersuchenden Gerichts nicht gebunden,8 sollte diese aber so weit wie möglich berücksichtigen, um nicht die Verwertung des Beweisergebnisses durch das Prozessgericht zu gefährden.9 Art. 13 Abs. 1 EU-BewVO erfasst allein die Herstellung von Parteiöffentlichkeit, d.h. die passive Anwesenheit (das „Zugegensein“) der Parteien bzw. ihrer Vertreter bei der Beweisaufnahme. Ob sie sich 2 Unrichtig Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 23: „Nach Maßgabe des Rechts des ersuchten Staates“; zutreffend hingegen Adolphsen in Marauhn, 2007, S. 1, 10; Berger, IPRax 2001, 522, 524; Schack, IZVR, Rz. 855; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 11 EG-BewVO Rz. 2; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1292. 3 Biavati, Riv. trim. dir. proc. civ. 2005, 425, 436; Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 342; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 689; offenbar übersehen von Gioia, Nuove leggi civ. comm. 2001, 1159, 1177, die sich um eine inhaltliche Begründung bemüht. 4 Die Begriffe sind unionsrechtlich-autonom zu verstehen, näher Rauscher, IPRax 2012, 40, 45. 5 Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 11 EG-BewVO Rz. 5; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 200; Berger in Stein/ Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 7 HBÜ Rz. 49 (§ 357 ZPO); Ewald Geimer, S. 225 (Art. 103 Abs. 1 GG); Janal, § 15 Rz. 25 in Fn. 329; i.E. ebenso Geimer, IZPR, Rz. 2511; Blaschczok, S. 123 Fn. 372; a.A. Schlosser in Schlosser/ Hess, Art. 11 EG-BewVO Rz. 7: Deutsches Recht sehe für Rechtshilfe zugunsten ausländischer Gerichte von sich aus keine Parteiöffentlichkeit vor. 6 Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1293 („europaweit der Regelfall“); s. auch die Nachweise bei Blaschczok, S. 123. 7 BAG v. 17.3.2016 – 2 AZR 110/15, juris Rz. 26 = IPRspr. 2016 Nr. 273 (Ls). 8 Janal, § 15 Rz. 25; a.A. Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 11 EG-BewVO Rz. 7. 9 Janal, § 15 Rz. 25.
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Art. 13 EU-BewVO Beweisaufnahme in Anwesenheit und unter Beteiligung der Parteien an der Beweisaufnahme aktiv beteiligen können, z.B. durch die Stellung von Fragen (§ 397 Abs. 2 ZPO) wird nicht durch Art. 13 Abs. 1 EU-BewVO geregelt,10 sondern durch Art. 13 Abs. 2 bis 5 EUBewVO.11 5
Das ersuchende Gericht informiert grundsätzlich mit dem Ersuchen nach Art. 5 EU-BewVO das ersuchte Gericht davon, dass die Parteien und gegebenenfalls ihre Vertreter bei der Beweisaufnahme anwesend sein werden (Art. 13 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 EU-BewVO). Diese Mitteilung kann jedoch auch noch später zu jedem geeigneten Zeitpunkt erfolgen (Art. 13 Abs. 2 S. 2 EU-BewVO). Art. 13 Abs. 2 S. 1 EU-BewVO differenziert zwischen der Information über die (passive) Anwesenheit (présence, presence) der Parteien (Alt. 1) einerseits, der Beantragung ihrer (aktiven) Beteiligung (participation) andererseits (Alt. 2): Während dem ersuchten Gericht lediglich informatorisch mitgeteilt wird, dass die Parteien „zugegen sein werden“, heißt es in Bezug auf die Beteiligung der Parteien, dass diese gegebenenfalls „beantragt“ wird. Aus dieser Unterscheidung ergibt sich, dass es sich bei der Mitteilung über die (passive) Anwesenheit der Parteien nicht um einen Antrag handelt, sondern um eine bloße Information.12
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Diese Unterscheidung zwischen passiver Anwesenheit und aktiver Beteiligung (vgl. auch Erwägungsgrund 18 S. 1 und 2 EU-BewVO) ist auch für das Verständnis des Art. 13 Abs. 3 EU-BewVO wesentlich. Leider erschwert die deutsche Fassung den richtigen Zugang zum Norminhalt, weil zusätzlich zu den in Art. 13 Abs. 1 und 2 EU-BewVO verwendeten Begriffen des passiven „Zugegenseins“ (Anwesenheit) und der aktiven „Beteiligung“ der Begriff der „Teilnahme“ eingeführt wird: „Wird die Beteiligung der Parteien und gegebenenfalls ihrer Vertreter an der Beweisaufnahme beantragt, so legt das ersuchte Gericht die Bedingungen für ihre Teilnahme nach Art. 12 [EU-BewVO] fest.“ Hierdurch wird das Missverständnis nahegelegt, dass die „Teilnahme“ der Parteien bzw. ihrer Vertreter als Oberbegriff sowohl Anwesenheit als auch Beteiligung umfasse. Die Folge wäre, dass das ersuchte Gericht nicht nur Bedingungen für die Beteiligung der Parteien bzw. ihrer Vertreter festlegen könnte, sondern auch die bloß passive Anwesenheit aufgrund der Verweisung in Art. 13 Abs. 3 EU-BewVO an den Maßstäben des Art. 12 EU-BewVO messen dürfte.13 Ein Blick in die englische und französische Fassung zeigt jedoch, dass das ersuchte Gericht allein die Bedingungen für die Beteiligung, d.h. die aktive Teilnahme, festlegen darf:14 „If the participation of the parties and their representatives, if any, is requested in the taking of evidence, the requested court shall determine the conditions under which they may participate, in accordance with Article 12.“ „Si la participation des parties et, le cas échéant, de leurs représentants à l’exécution de la mesure d’instruction est demandée, la juridiction requise détermine les conditions de leur participation conformément à l’article 12.“
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Statt „Bedingungen für ihre Teilnahme“ müsste es daher – sprachlich weniger abwechslungsreich, aber systematisch konsequent – in Art. 13 Abs. 3 EU-BewVO „Bedingungen für ihre Beteiligung“ heißen.15 Nur wenn man Art. 13 Abs. 3 EU-BewVO auf die Beteiligung der Parteien beschränkt, bleibt die dogmatische Stimmigkeit mit Art. 13 Abs. 2 EU-BewVO gewahrt: Da nach Abs. 2 des Art. 13 EU-BewVO die Anwesenheit der Parteien bzw. ihrer Vertreter beim ersuchten Gericht nicht beantragt wird, sondern das ersuchte Gericht lediglich davon in Kenntnis gesetzt wird, dass die Parteien bzw. ihre Vertreter „zugegen sein werden“, ist es nur konsequent, dass das ersuchte Gericht diese Mitteilung hinnehmen muss, ohne seinerseits Bedingungen für die Anwesenheit der Parteien aufstellen zu dürfen. Nur so wird auch der in Erwägungsgrund 18 S. 1 EU-BewVO formulierte Zweck gewahrt, dass die Parteien bzw. ihre Vertreter „die Verhandlungen wie im Falle einer Beweisaufnahme 10 So aber Alio, NJW 2004, 2706, 2708; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 155; Müller, S. 100. 11 Berger, FS Rechberger, 2005, S. 39, 50 f.; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 11 EG-BewVO Rz. 4; Musger in Rat der Europäischen Union, 2004, S. 205, 218; Schmidt, Rz. 344. 12 Berger, FS Rechberger, 2005, S. 39, 50 f.; Schulze, IPRax 2001, 527, 531. 13 So offenbar Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1292 f. 14 Berger, FS Rechberger, 2005, S. 39, 50 f.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 11 EG-BewVO Rz. 3; i.E. ebenso Betetto, EuLF 2006, I-137, I-139; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 155; vgl. auch die Begründung zum EGBewDG-E, BT-Drucks. 15/1062, 20. 15 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 10 EG-BewVO Rz. 4.
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im Mitgliedstaat des ersuchenden Gerichts verfolgen können“ sollen. Schließlich wäre die in Art. 13 Abs. 3 EU-BewVO ausgesprochene Verweisung auf Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO in Bezug auf das Anwesenheitsrecht der Parteien auch im Ergebnis widersinnig: Während Art. 13 Abs. 1 EU-BewVO die Parteiöffentlichkeit ausdrücklich dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts unterstellt, ordnet Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO grundsätzlich die Geltung der lex fori des ersuchten Gerichts an. Zusammenfassend gilt daher: Die Parteiöffentlichkeit unterliegt ausschließlich dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts. Das ersuchende Gericht muss prüfen, ob die Parteien bzw. ihre Vertreter nach seinem eigenen Recht bei der Beweisaufnahme zugegen sein dürfen; das Ergebnis dieser Prüfung teilt es dem ersuchten Gericht mit. Das ersuchte Gericht darf die Anwesenheit der Parteien bzw. ihrer Vertreter – anders als ihre aktive Beteiligung – keinen Bedingungen unterwerfen, die es aus seinem eigenen Recht ableitet. Kann z.B. nach dem Recht des ersuchenden Gerichts eine Partei verlangen, physisch bei der Beweisaufnahme zugegen zu sein, darf das ersuchte Gericht sie nicht darauf beschränken, lediglich videotechnisch zugeschaltet zu werden.
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2. Ablehnungsgründe Eine ordre-public-Klausel, die dem ersuchten Gericht den Ausschluss einer Partei von der Beweis- 9 aufnahme entgegen dem Recht des ersuchenden Gerichts ermöglichen würde, enthält die EU-BewVO nicht. Das ersuchte Gericht darf nicht einmal ermitteln, ob das ersuchende Gericht seine eigenen Vorschriften in Bezug auf die Parteiöffentlichkeit richtig angewendet hat.16 Es ist indes vorgeschlagen worden, dem ersuchten Gericht analog Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO (Meistbegünstigungsprinzip bei Aussageverweigerungsrechten) zu gestatten, einer Partei die Anwesenheit auch dann zu verwehren, wenn sie im Recht des ersuchenden Gerichts vorgesehen ist.17 Dieser Vorschlag ist jedoch abzulehnen: Art. 13 Abs. 1 und 5 EU-BewVO sollen die Parteiöffentlichkeit der Beweisaufnahme ermöglichen, wenn diese entweder im Recht des ersuchenden Gerichts (Art. 13 Abs. 1 EU-BewVO) oder im Recht des ersuchten Gerichts (Art. 13 Abs. 5 EU-BewVO) vorgesehen ist. Dieser Begünstigung der Parteien würde die Analogie zu Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO im Dienste des Geheimnisschutzes widersprechen. Im Übrigen ist der Schutz von Geschäftsgeheimnissen in der EU durch die Geschäftsgeheimnis-Richtlinie harmonisiert worden.18 Ferner wird eine analoge Anwendung des Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO erwogen, um es dem ersuchten 10 Gericht zu ermöglichen, eine Anwesenheit der Parteien bzw. ihrer Vertreter bei der Beweisaufnahme abzulehnen.19 Auch dieser Vorschlag ist indes zurückzuweisen, weil die Differenzierung zwischen Anwesenheit und Beteiligung in Art. 13 EU-BewVO offensichtlich bewusst erfolgte und deshalb keine planwidrige Regelungslücke vorliegt, deren Schließung durch eine Analogie zulässig wäre.20 Angesichts des europaweit akzeptierten Grundsatzes der Parteiöffentlichkeit und der Geltung der EMRK in allen Mitgliedstaaten ist es hinnehmbar, auf eine spezielle Vorbehaltsklausel zu verzichten.21 Der Bericht der Kommission vom 5.12.2007 hat nicht ergeben, dass der Verzicht auf eine Vorbehaltsklausel zu Missständen in der Praxis geführt hat (s. Art. 33 EU-BewVO Rz. 3). 3. Das auf die Beteiligung der Parteien anwendbare Recht Die Verweisung auf das Recht des ersuchenden Gerichts in Art. 13 Abs. 1 EU-BewVO bezieht sich allein auf die passive Anwesenheit der Parteien bzw. ihrer Vertreter, nicht auf deren aktive Beteiligung 16 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 11 EG-BewVO Rz. 2. 17 Berger, IPRax 2001, 522, 525; vorsichtiger Mosser in Fasching/Konecny, Art. 11 EG-BewVO Rz. 7: Verlangen nach Bestätigung analog Art. 14 Abs. 1 lit. b EG-BewVO. 18 Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, ABl. EU 2016 L 157/1. 19 Schulze, IPRax 2001, 527, 531 Fn. 47; Geimer in Zöller, Art. 11 EG-BewVO Rz. 1; abl. Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 11 EG-BewVO Rz. 2. 20 Zustimmend Mosser in Fasching/Konecny, Art. 11 EG-BewVO Rz. 5. 21 Für eine ungeschriebene menschenrechtliche Vorbehaltsklausel aber Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 11 EG-BewVO Rz. 5; ähnlich Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 230 (bei „intimen“ Untersuchungen).
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Art. 13 EU-BewVO Beweisaufnahme in Anwesenheit und unter Beteiligung der Parteien an der Beweisaufnahme (s. Rz. 4). Für die Beteiligung der Parteien bzw. ihrer Vertreter ist grundsätzlich die lex fori des ersuchten Gerichts maßgebend (Art. 13 Abs. 3 EU-BewVO i.V.m. Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO).22 Sollen die Parteien in einer besonderen Form nach dem Recht des ersuchenden Gerichts an der Beweisaufnahme beteiligt werden (z.B. Kreuzverhör), ist ein Antrag nach Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO zu stellen, auf den Art. 13 Abs. 3 EU-BewVO verweist (s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 20 ff.).23 Auch eine Beteiligung der Parteien bzw. ihrer Vertreter mit Hilfe moderner Kommunikationstechnologien, insbesondere im Wege der Videokonferenz, kommt in Betracht (Art. 13 Abs. 3 EU-BewVO i.V.m. Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO). 12
Das ersuchende Gericht kann bereits mit der Stellung des Ersuchens mit Hilfe des Formblatts A die Beteiligung der Parteien bzw. ihrer Vertreter beantragen (Art. 13 Abs. 2 S. 1 EU-BewVO). Dieser Antrag kann aber auch noch später zu jedem geeigneten Zeitpunkt erfolgen (Art. 13 Abs. 2 S. 2 EUBewVO).
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Sieht das ersuchende Gericht davon ab, eine Beteiligung der Parteien zu beantragen, hat das ersuchte Gericht dessen ungeachtet die Möglichkeit, nach seinem eigenen Recht (s. Rz. 2) die Parteien bzw. ihre Vertreter zu einer Beteiligung an der Beweisaufnahme aufzufordern (Art. 13 Abs. 5 EU-BewVO). Entscheidet das deutsche Rechtshilfegericht gem. Art. 13 Abs. 5 EU-BewVO über die Beteiligung der Parteien an der Beweisaufnahme, ist es an Vorstellungen und Wünsche des ersuchenden Gerichts nicht gebunden;24 eine Rücksprache ist jedoch in der Regel zweckmäßig.
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Eine problematische Vorschrift ist § 1073 Abs. 1 S. 2 ZPO.25 Danach sollen sich deutsche Parteien26 und deren Vertreter27 an einer Beweisaufnahme durch das ausländische Gericht in dem Umfang „beteiligen“ können, in dem sie in dem betreffenden Verfahren an einer inländischen Beweisaufnahme „beteiligt“ werden dürfen. Obwohl in der Begründung des Gesetzesentwurfs im Ansatz zutreffend erkannt wird, dass Art. 13 EU-BewVO zwischen bloßer Anwesenheit und aktiver Beteiligung unterscheidet,28 benutzt diese Vorschrift den Terminus „beteiligt“ als einen Oberbegriff, der sowohl die passive Anwesenheit als auch die aktive Beteiligung, z.B. durch Fragerechte, abdecken soll.29 Bereits diese Abweichung von dem allein auf ein aktives Verhalten der Parteien oder ihrer Vertreter zugeschnittenen Beteiligungsbegriff der EU-BewVO ist nicht dazu geeignet, für Rechtsklarheit zu sorgen. Inhaltlich ist die Anknüpfung aktiver Beteiligungsrechte an die lex fori des Prozessgerichts mit der in Art. 13 Abs. 3 EU-BewVO ausgesprochenen grundsätzlichen Verweisung auf Art. 12 Abs. 2 EUBewVO, der gerade entgegengesetzt auf die lex fori des Rechtshilfegerichts abstellt, nicht zu vereinbaren.30 Praktisch führt dies dazu, dass eine deutsche Partei sich darauf beschränken muss, dem ausländischen Rechtshilfegericht Fragen an den Zeugen oder Sachverständigen vorzulegen (§§ 397 Abs. 1, 402 ZPO), auch wenn das lokale Verfahrensrecht es der Partei gestattet, sich unmittelbar an die Auskunftsperson zu wenden.31 Diese verfahrensrechtliche Normenhäufung droht zu Widersprü22 Berger, IPRax 2001, 522, 525; Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 11 EG-BewVO Rz. 8; Huber in Gebauer/ Wiedmann, Art. 11 EG-BewVO Rz. 7; vgl. auch Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1293; kritisch Müller, S. 100 f.: „unnötig umständlich und unklar“. 23 Ebenso Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 690; im Erg. letztlich auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 11 EGBewVO Rz. 5. 24 A.A. Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 11 EG-BewVO Rz. 11; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 11 EG-BewVO Rz. 7; vermittelnd Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 11 EG-BewVO Rz. 5: Fall des Art. 10 Abs. 3 EG-BewVO; ebenso Mosser in Fasching/Konecny, Art. 11 EG-BewVO Rz. 15. 25 Ergänzend hierzu § 61 ZRHO; näher Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 Rz. 13 f. 26 Auch Streithelfer, Schmidt in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, § 1073 ZPO Rz. 1. 27 Das können auch Parteisachverständige sein, Stadler in Musielak/Voit, § 1073 ZPO Rz. 2; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 11 EG-BewVO Rz. 3; Schmidt in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, § 1073 ZPO Rz. 1. 28 BT-Drucks. 15/1062, 20. 29 BT-Drucks. 15/1062, 20. 30 Ebenso Berger, FS Rechberger, 2005, S. 39, 51; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 11 EG-BewVO Rz. 10; für europarechtskonforme Reduktion des § 1073 Abs. 1 S. 2 ZPO auch Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 11 EGBewVO Rz. 10; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 24. 31 Konsequent Schmidt in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, § 1073 ZPO Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 14; Stadler in Musielak/Voit, § 1073 ZPO Rz. 2; Seiler in Thomas/Putzo, § 1073 ZPO Rz. 1.
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chen und Anpassungsproblemen zu führen, die dem mit der Verordnung verfolgten Vereinfachungsund Beschleunigungszweck widersprechen.32
III. Durchführung 1. Kommunikation zwischen dem ersuchten Gericht und den Parteien Gemäß Art. 13 Abs. 4 EU-BewVO teilt das ersuchte Gericht den Parteien und gegebenenfalls ihren 15 Vertretern unter Verwendung des Formblatts I den Ort und den Zeitpunkt der Verhandlung und, falls die Beteiligung der Parteien bzw. ihrer Vertreter beantragt worden ist, die Bedingungen mit, unter denen sie sich beteiligen können. Die hierbei zu verwendende Sprache richtet sich nach Art. 6 EUBewVO. Hat die Partei einen Prozessvertreter bestellt, ist es ausreichend, wenn dieser und nicht auch die Partei benachrichtigt wird.33 2. Sicheres Geleit Das einer Partei gem. Art. 13 Abs. 1 EU-BewVO zustehende Anwesenheitsrecht nach dem Recht des ersuchenden Staates betrifft allein die zivilprozessuale Seite der Parteiöffentlichkeit. Bei der Frage, ob einer Partei, die zugleich in einem Strafverfahren beschuldigt wird, sicheres Geleit zum Zwecke ihrer Anwesenheit im Zivilrechtsstreit zu gewähren ist, handelt es sich hingegen um ein strafprozessuales Problem (vgl. § 295 StPO), auf dessen Lösung die EU-BewVO keinen Einfluss hat.34 Nach der Rechtsprechung des BGH kann sicheres Geleit grundsätzlich auch gewährt werden, um dem Beschuldigten die Teilnahme an einem Zivilverfahren zu ermöglichen.35
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3. Durchführung der Beweisaufnahme Beteiligen sich die Parteien oder ihre Vertreter an einer Beweisaufnahme, die nach einem ihnen fremden Verfahrensrecht durchgeführt wird, so tun sie dies grundsätzlich auf eigene Gefahr. Das deutsche Rechtshilfegericht ist über die sich aus § 139 ZPO ergebenden Verpflichtungen hinaus nicht gehalten, Rechtsberatung zur Handhabung der ZPO zu erteilen. Oft wird sich daher die Einschaltung deutscher Korrespondenzanwälte empfehlen. Die Hinzuziehung des mit der Prozessführung beauftragten Rechtsanwalts einer Partei z.B. zur Vernehmung eines Zeugen vor dem Rechtshilfegericht ist aber wegen der überlegenen Kenntnisse des Prozessanwalts in Bezug auf den Streitgegenstand in aller Regel zweckentsprechend.36 Die von den Parteien bzw. ihren Vertretern gestellten Fragen (§ 397 Abs. 2 ZPO; Art. 13 Abs. 3, 12 Abs. 2 EU-BewVO) müssen sich im Rahmen des nach Art. 5 Abs. 1 lit. d EUBewVO spezifizierten Beweisthemas halten.37
32 Scharfe rechtspolitische Kritik bei Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 11 EG-BewVO Rz. 10; positivere Würdigung bei Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 14. 33 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 49; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 11 EG-BewVO Rz. 6; Geimer in Zöller, Art. 11 EG-BewVO Rz. 2. 34 Ebenso Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 11 EG-BewVO Rz. 14. 35 BGH v. 12.6.1991 – 4 BJs 42/89-3-2 BGs 177/91, NJW 1991, 2500; Geimer, FS Spellenberg, 2010, S. 407, 431; abl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 295 StPO Rz. 1; zust. Ewald Geimer, S. 226; zum Problem ausführlich Bauer, Das sichere Geleit unter besonderer Berücksichtigung des Zivilprozessrechts (2006). 36 BGH v. 16.12.2004 – I ZB 23/04, NJW-RR 2005, 725 (Folge: Pflicht des ausbleibenden Zeugen zur Kostentragung nach § 380 Abs. 1 S. 1 ZPO). 37 Grundsätzlich ebenso Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 11 EG-BewVO Rz. 4, der aber großzügig Ergänzungen ad hoc zulassen will.
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Art. 14 EU-BewVO Beweisaufnahme mit Beteiligung von Beauftragten des ersuchenden Gerichts
Artikel 14 Beweisaufnahme in Anwesenheit und unter Beteiligung von Beauftragten des ersuchenden Gerichts (1) Sofern mit dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts vereinbar, haben die Beauftragten des ersuchenden Gerichts das Recht, bei der Beweisaufnahme durch das ersuchte Gericht zugegen zu sein. (2) Im Sinne dieses Artikels umfasst der Begriff „Beauftragte“ Gerichtsangehörige, die vom ersuchenden Gericht nach Maßgabe seines nationalen Rechts bestimmt werden. Das ersuchende Gericht kann nach Maßgabe seines nationalen Rechts auch jede andere Person wie etwa einen Sachverständigen bestimmen. (3) In seinem Ersuchen teilt das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts A in Anhang I dem ersuchten Gericht mit, dass seine Beauftragten zugegen sein werden und gegebenenfalls, dass ihre Beteiligung an der Beweisaufnahme beantragt wird. Diese Mitteilung kann auch zu jedem anderen geeigneten Zeitpunkt erfolgen. (4) Wird die Beteiligung der Beauftragten des ersuchenden Gerichts an der Beweisaufnahme beantragt, so legt das ersuchte Gericht nach Artikel 12 die Bedingungen für ihre Teilnahme fest. (5) Das ersuchte Gericht teilt dem ersuchenden Gericht unter Verwendung des Formblatts I in Anhang I Ort und Zeitpunkt der Beweisaufnahme und gegebenenfalls die Bedingungen mit, unter denen seine Beauftragten an der Beweisaufnahme teilnehmen können. I. 1. 2. 3.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung zur passiven Rechtshilfe . Abweichungen vom HBÜ . . . . . . .
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II. Der Begriff des Beauftragten . . . . . . . . . . III. Auf die Anwesenheit und die Beteiligung von Beauftragten anwendbares Recht . . . .
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1. Anwesenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidung über den Antrag auf Beteiligung nach eigenem Recht . . . b) Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . c) Keine Eigeninitiative des ersuchten Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Mitteilung an das ersuchende Gericht
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I. Einführung 1. Normzweck 1
Art. 14 EU-BewVO regelt in enger struktureller Verwandtschaft mit dem vorangehenden, die Parteien betreffenden Art. 13 EU-BewVO, die Anwesenheit und Beteiligung von Beauftragten des ersuchenden Gerichts an der vom Rechtshilfegericht durchzuführenden Beweisaufnahme. Der Hauptzweck der Vorschrift besteht darin, dem Grundsatz der formellen Unmittelbarkeit mutatis mutandis auch im Rahmen der aktiven Rechtshilfe Beachtung zu verschaffen.1 Insbesondere wird dem ersuchenden Gericht eine bessere Beweiswürdigung ermöglicht, wenn es sich nicht allein auf das vom Rechtshilfegericht angefertigte Protokoll einer Vernehmung verlassen muss, sondern auch einen persönlichen Eindruck vom Zeugen erhält2 (vgl. auch Erwägungsgrund 19 EU-BewVO). Entsprechende Erwägungen gelten für andere Beweismittel, z.B. die Einsicht in Urkunden3 oder die Augenscheinseinnahme.4 Mitglieder des ersuchenden Gerichts oder andere Beauftragte können zudem durch ihre Anwesenheit und Beteiligung die Arbeit des ersuchten Gerichts wesentlich erleichtern, indem sie diesem z.B. Hin-
1 Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1293; von „Quasi-Unmittelbarkeit“ sprechen Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 155 – rechtstechnisch zutreffend, weil eine „echte“ Unmittelbarkeit nur im Rahmen des Art. 19 EU-BewVO gewährleistet ist; vgl. auch Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 96 ff. 2 Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 343 f.; Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 97. 3 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 155. 4 Vgl. zu Art. 8 HBÜ Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen (1987), S. 275.
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weise zum ausländischen materiellen Recht geben, das dem Streit zugrunde liegt,5 oder eine dem ersuchten Gericht fremde Form der Beweisaufnahme näher erläutern, deren Einhaltung nach Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO beantragt worden ist.6 Hierdurch wird die Verwertbarkeit der Beweisaufnahme gesichert und die Prozessökonomie gefördert. Durch die Anwesenheit oder Beteiligung von Beauftragten wird der Grundsatz, dass Rechtshilfe grundsätzlich kostenfrei zu gewähren ist (Art. 22 Abs. 1 EUBewVO), nicht tangiert.7 2. Abgrenzung zur passiven Rechtshilfe Art. 14 EU-BewVO hat allein die Anwesenheit bei und die Beteiligung an der aktiven Rechtshilfe 2 durch das ersuchte Gericht zum Gegenstand und ist nicht zu verwechseln mit der unmittelbaren Beweisaufnahme durch einen Beauftragten des ersuchenden Gerichts nach Art. 19 Abs. 3 EU-BewVO (passive Rechtshilfe). Anders als im Rahmen der passiven Rechtshilfe ermöglicht Art. 14 EU-BewVO auch den Einsatz von Zwangsmitteln durch das ersuchte Gericht.8 3. Abweichungen vom HBÜ Der Vorläufer des Art. 14 EU-BewVO ist Art. 8 HBÜ. Gegenüber dieser Vorschrift enthält die Verord- 3 nung jedoch wesentliche Fortschritte:9 Nach Art. 8 S. 2 HBÜ kann jeder Vertragsstaat erklären, dass die Anwesenheit von Mitgliedern des Prozessgerichts bei der Beweisaufnahme von einer Genehmigung durch den ersuchten Staat abhänge.10 Dieser Genehmigungsvorbehalt ist im europäischen Rechtsraum entfallen, denn nach Art. 14 Abs. 3 S. 1 EU-BewVO ist dem ersuchten Gericht lediglich mitzuteilen, dass die Beauftragten des ersuchenden Gerichts zugegen sein werden.11 Art. 14 Abs. 1 EU-BewVO stellt klar, dass die Rechtsordnung des ersuchenden Gerichts über das Anwesenheitsrecht entscheidet, während es nach Art. 8 HBÜ auf die lex fori des ersuchten Staates ankommt.12 Des Weiteren regelt Art. 14 EU-BewVO nicht nur – wie noch Art. 8 HBÜ13 – die passive Anwesenheit von Mitgliedern des Gerichts bei der Beweisaufnahme, sondern bietet auch einen Rahmen für deren aktive Beteiligung (Art. 14 Abs. 3 bis 5 EU-BewVO). Schließlich wird der Kreis der zur Anwesenheit oder Beteiligung berechtigten Personen über die Mitglieder des Prozessgerichts hinaus auf andere Beauftragte, wie z.B. Sachverständige, erweitert (Art. 14 Abs. 2 EU-BewVO).
II. Der Begriff des Beauftragten Der Begriff des „Beauftragten“ wird in Art. 14 Abs. 2 EU-BewVO näher bestimmt: Er umfasst zum einen vom ersuchenden Gericht nach Maßgabe des Rechts seines Mitgliedstaats bestimmte Gerichtsangehörige (Art. 14 Abs. 2 S. 1 EU-BewVO). Die in § 134 Abs. 1 S. 1 und 2 ZRHO enthaltenen Einschränkungen sind gegenüber ausländischen Gerichten mit dem Vorrang der EU-BewVO nicht vereinbar.14 Gemäß § 1073 Abs. 1 S. 1 ZPO kann das ersuchende deutsche Gericht – also ggf. der gesamte 5 Ebenso zu Art. 8 HBÜ Blaschczok, S. 126; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen (1987), S. 275. 6 Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 344; Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 97; vgl. auch zu Art. 8 HBÜ Junker, Discovery, S. 342 (Kooperation bei Durchführung eines Kreuzverhörs). 7 Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 98. 8 Diesen Vorzug betonen auch Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 97; Schulze, IPRax 2001, 527, 532; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1294. 9 Positive Würdigung auch bei Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1293. 10 Überblick über die Staaten, welche den Genehmigungsvorbehalt erklärt haben bzw. dies nicht getan haben, bei Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 8 HBÜ Rz. 50. 11 Dies betont auch Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 688. 12 Ewald Geimer, S. 18 Fn. 29. 13 Art. 8 Abs. 1 HBÜ gewährt nach h.M. den anwesenden Richtern des Prozessgerichts kein Mitwirkungs- oder Fragerecht, z.B. Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 8 HBÜ Rz. 5; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 8 HBÜ Rz. 51; grundsätzlich auch Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 8 HBÜ Rz. 1; a.A. Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 63. 14 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 44.
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Art. 14 EU-BewVO Beweisaufnahme mit Beteiligung von Beauftragten des ersuchenden Gerichts Spruchkörper15 – oder ein von diesem beauftragtes Mitglied (i.d.R. der Berichterstatter)16 bei der Erledigung des Ersuchens auf Beweisaufnahme durch das ersuchte ausländische Gericht anwesend und beteiligt sein (s. auch § 62 ZRHO). Nach Art. 14 Abs. 2 S. 2 EU-BewVO kann das ersuchende Gericht auch andere in- oder ausländische Personen wie etwa Sachverständige zu Beauftragten ernennen, sofern sein eigenes Recht dies – wie in Deutschland gem. § 1073 Abs. 1 S. 2 ZPO17 – zulässt. Andere deutsche oder ausländische öffentliche Stellen (einschließlich Konsuln,18 für die Art. 21 EU-BewVO zu beachten ist), Rechtsanwälte oder sonstige Privatpersonen können hingegen nach deutschem Recht nicht zu Beauftragten ernannt werden.19 § 364 ZPO (Erledigung im Parteibetrieb) ist wegen Art. 3 Abs. 1 EU-BewVO ohnehin nicht anwendbar (s. Art. 3 EU-BewVO Rz. 4), bietet aber auch inhaltlich keine Grundlage für die Beauftragung von Privatpersonen i.S.d. des Art. 14 Abs. 2 EU-BewVO.20 Der enge Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 S. 2 EU-BewVO schließt es nicht aus, dass das ersuchende Gericht seine Auswahlbefugnis delegiert und das ersuchte Gericht darum bittet, einen auslandsansässigen Sachverständigen zu bestellen (arg. Art. 22 Abs. 3 EU-BewVO).21 5
Die Teilnahme deutscher Richter an einer Beweisaufnahme in einem anderen Mitgliedstaat bedarf keiner Genehmigung durch die Bundesregierung (§ 62 Abs. 1 ZRHO).22 Dienstrechtliche Genehmigungserfordernisse für Auslandsreisen bleiben nach § 62 Abs. 3 ZRHO unberührt.23
III. Auf die Anwesenheit und die Beteiligung von Beauftragten anwendbares Recht 1. Anwesenheit 6
Ebenso wie bei Art. 13 EU-BewVO ist es für das Verständnis des Art. 14 EU-BewVO von entscheidender Bedeutung, zwischen der bloß passiven Anwesenheit bei der Beweisaufnahme und der aktiven Beteiligung an der Beweiserhebung durch das Rechtshilfegericht zu unterscheiden.24 Das Recht auf ein lediglich passives „Zugegensein“ der Beauftragten des ersuchenden Gerichts unterliegt gem. Art. 14 Abs. 1 EU-BewVO ausschließlich dem Recht des ersuchenden Gerichts (aus deutscher Sicht also § 1073 Abs. 1 ZPO für ausgehende Ersuchen).25 Dies gilt entgegen § 134 Abs. 1 S. 1 ZRHO („soweit deutsches Recht nicht entgegensteht“) auch für eingehende Ersuchen.26 Ein Recht auf aktive Beteiligung an der Beweisaufnahme ergibt sich hieraus nicht.27 Wer als Beauftragter in Betracht kommt,
15 Alio, NJW 2004, 2706, 2708; Schmidt in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, § 1073 ZPO Rz. 1; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 12 EG-BewVO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 6; Stadler in Musielak/Voit, § 1073 ZPO Rz. 3. 16 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 6. 17 Hierzu Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 7; Stadler in Musielak/Voit, § 1073 ZPO Rz. 3; Schmidt, Rz. 343; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1073 ZPO Rz. 1; Geimer in Zöller, § 1073 ZPO Rz. 6. 18 Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1073 ZPO Rz. 1; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 12 EG-BewVO Rz. 3; zum französischen Recht Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 227. 19 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 12 EG-BewVO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 7; Schulze, IPRax 2001, 527, 530; zu § 363 ZPO Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Rz. 21; zu Art. 17 HBÜ Geimer, IZPR, Rz. 457 f.; Ewald Geimer, S. 143; vgl. auch Blaschczok, S. 172 f. 20 Vgl. zu Art. 17 HBÜ Ewald Geimer, S. 143. 21 Näher Hau, RIW 2003, 822, 825; Hau, D.S. 2004, 91, 128; Schulze, IPRax 2001, 527, 528. 22 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 12 EG-BewVO Rz. 6, 11; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 6; Schulze, IPRax 2001, 527, 531; Windau, jM 2021, 178, 184; vgl. Geimer in Zöller, § 1073 ZPO Rz. 5. 23 Vgl. zur Teilnahme eines deutschen Richters an einer Verhandlung vor dem EuGH BVerwG v. 15.4.2021 – 2 C 13.20, ArbuR 2021, 281 (Ls.). 24 Zutreffend Berger, FS Rechberger, 2005, S. 39, 46 ff.; Schulze, IPRax 2001, 527, 530. 25 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 12 EG-BewVO Rz. 4; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 8; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 688; a.A. Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 25: Vereinbarkeit mit lex fori des ersuchten Gerichts sei erforderlich. 26 Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 12 EG-BewVO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 44. 27 Berger, IPRax 2001, 522, 525; Lafontaine, DAR 2020, 541, 545; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 25; Schulze, IPRax 2001, 527, 530.
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wird ebenfalls nach der lex fori des ersuchenden Gerichts bestimmt (Art. 14 Abs. 2 EU-BewVO, s. Rz. 4). Das ersuchende Gericht prüft die Voraussetzungen der Bestellung und der Anwesenheit von Beauftragten und teilt dem ersuchten Gericht gem. Art. 14 Abs. 3 S. 1 EU-BewVO lediglich mit, dass seine Beauftragten anwesend sein werden. Diese Mitteilung hat nur informatorischen Charakter; es handelt sich nicht um einen Antrag, über den das ersuchte Gericht nach Maßgabe seines eigenen Rechts zu entscheiden hätte.28 Die Ausführungen zu Art. 13 EU-BewVO Rz. 5 gelten auch hier. Die Mitteilung erfolgt in spezifizierter Form (s. Art. 5 EU-BewVO Rz. 24) grundsätzlich mit dem Ersuchen, kann aber auch noch später erfolgen (Art. 14 Abs. 3 S. 2 EU-BewVO). Anders als im Falle der Anwesenheit der Parteien bzw. ihrer Vertreter (Art. 13 Abs. 5 EU-BewVO) kann das ersuchte Gericht nicht aus eigenem Antrieb und nach seinem eigenen Recht Mitglieder des Prozessgerichts dazu auffordern, der Beweisaufnahme beizuwohnen. Hält das ersuchte Gericht jedoch die Anwesenheit von Mitgliedern des Prozessgerichts für sinnvoll, um die Beweisaufnahme angemessen durchführen zu können (z.B. weil gem. Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO eine besondere Form beantragt wurde), kann es gleichwohl bei dem ersuchenden Gericht formlos anregen, dass dieses einen Beauftragten bestellen und entsenden möge.29 2. Beteiligung a) Entscheidung über den Antrag auf Beteiligung nach eigenem Recht Für die aktive Beteiligung von Beauftragten des ersuchenden Gerichts an der Beweisaufnahme durch das Rechtshilfegericht ist hingegen ein Antrag erforderlich (Art. 14 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 EU-BewVO). Dieser kann bereits im Ersuchen, aber auch später gestellt werden (Art. 14 Abs. 3 S. 2 EU-BewVO). Über die aktive Beteiligung (participation30) von Beauftragten des ersuchenden Gerichts entscheidet das ersuchte Gericht grundsätzlich nach seinem eigenen Recht (Art. 14 Abs. 4, 12 Abs. 2 EU-BewVO).31 Darauf, dass die vom ersuchenden Gericht bestimmte Person (z.B. ein Rechtsanwalt) nach dem Recht des ersuchten Gerichts (z.B. nach der ZPO) nicht zu einem Beauftragten hätte ernannt werden können, kann wegen des Vorrangs der speziellen Verweisung auf das Recht des ersuchenden Staates in Art. 14 Abs. 2 EU-BewVO keine Ablehnung der aktiven Beteiligung gestützt werden. Sieht das Recht des ersuchten Gerichts keine Beteiligung von Beauftragten an der Beweisaufnahme vor, kann gleichwohl ein entsprechender Antrag nach dem Recht des ersuchenden Gerichts gestellt werden; dies ergibt sich aus der Verweisung des Art. 14 Abs. 4 EU-BewVO auf Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO.32 Dieser Antrag kann nur abgelehnt werden, wenn die gewünschte Form der Beteiligung nach Art. 12 Abs. 3 S. 2 EU-BewVO (i.V.m. Art. 14 Abs. 4 EU-BewVO) mit dem Recht des ersuchten Gerichts unvereinbar oder praktisch undurchführbar ist. Für die Ablehnung ist das Formblatt I, nicht H zu verwenden.33 Ferner kann die aktive Beteiligung von Mitgliedern des Prozessgerichts im Wege der Videokonferenz beantragt werden (Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO, Art. 14 Abs. 4 EU-BewVO).34
28 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 12 EG-BewVO Rz. 7; Schulze, IPRax 2001, 527, 531; im Ergebnis auch Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 12 EG-BewVO Rz. 2: Auch die Anwesenheit stehe unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit dem Recht des ersuchenden Staates, aber das ersuchte Gericht könne sich auf die Korrektheit des gestellten Antrags verlassen. 29 Dieser Anregung kann freilich nur entsprochen werden, wenn das Recht des ersuchenden Gerichts dem nicht entgegensteht, Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 12 EG-BewVO Rz. 5. 30 Der in der deutschen Fassung verwendete Begriff „Teilnahme“ ist auch hier missverständlich, s. Art. 13 EUBewVO Rz. 6 f. 31 Berger, IPRax 2001, 522, 525; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 11; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 25; Schulze, IPRax 2001, 527, 530; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1294. 32 Berger, IPRax 2001, 522, 525; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 201; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 11; Schütze in Wieczorek/Schütze, § 1073 ZPO Rz. 3; a.A. Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 12 EGBewVO Rz. 3; wie hier aber zu Art. 8 HBÜ: Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 8 HBÜ; Schulze, IPRax 2001, 527, 530; vgl. auch Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 8 HBÜ Rz. 5. 33 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 12 EG-BewVO Rz. 10 in Fn. 16; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 45; a.A. Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 12 EG-BewVO Rz. 3. 34 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 10.
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Art. 14 EU-BewVO Beweisaufnahme mit Beteiligung von Beauftragten des ersuchenden Gerichts b) Deutsches Recht 8
Über den Antrag auf Beteiligung von Beauftragten des Prozessgerichts an der Beweisaufnahme muss das Rechtshilfegericht auf Grundlage seines eigenen Rechts (s. Rz. 7) nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.35 Jedoch enthält die ZPO keine Vorschriften, welche die Beteiligung von Beauftragten eines ausländischen Prozessgerichts an einer von einem deutschen Rechtshilfegericht durchzuführenden Beweisaufnahme unmittelbar regeln.36 Auch die auf die innerstaatliche Ebene zugeschnittenen §§ 361, 362 ZPO sehen nicht vor, dass ein Mitglied des Prozessgerichts an einer Beweisaufnahme durch einen ersuchten Richter mitwirkt.37 Aus dem Fehlen spezifischer Regelungen in der ZPO kann indes nicht der Schluss gezogen werden, das deutsche Recht lasse eine Beteiligung ausländischer Richter oder anderer Beauftragter an der Beweisaufnahme nicht zu (s. auch § 134 Abs. 1 ZRHO).38 Angesichts der Parallelität der Art. 13 EU-BewVO und Art. 14 EU-BewVO liegt es nahe, auf die Beteiligung von Beauftragten diejenigen ZPO-Vorschriften analog anzuwenden, welche die Beteiligung der Parteien bzw. ihrer Vertreter an der Beweisaufnahme betreffen. Den Beauftragten des Prozessgerichts ist deshalb zumindest ein Fragerecht unter den entsprechend heranzuziehenden Bedingungen des § 397 ZPO einzuräumen.39 Das Rechtshilfegericht darf sich jedoch nicht die Leitung der Vernehmung oder einer anderen Beweisaufnahme vom Beauftragten des ersuchenden Gerichts aus der Hand nehmen lassen, weil es sonst in unzulässiger Weise in die Entscheidungsbefugnisse der Zentralstelle nach Art. 19 Abs. 4 EU-BewVO eingreifen würde.40 Die gerichtliche Zwangsgewalt einschließlich der Sitzungspolizei verbleibt stets in den Händen des Rechtshilfegerichts (Art. 15 EU-BewVO). Anregungen durch den Beauftragten des ersuchenden Gerichts werden hierdurch nicht ausgeschlossen.41 c) Keine Eigeninitiative des ersuchten Gerichts
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Teilt das Prozessgericht eine Anwesenheit von Beauftragten bei der Beweisaufnahme mit, verzichtet aber darauf, deren Beteiligung zu beantragen, kann das Gericht die Beauftragten, anders als im Falle der Parteien bzw. ihrer Vertreter (Art. 13 Abs. 5 EU-BewVO), nicht aus eigenem Antrieb dazu auffordern, sich an der Beweisaufnahme aktiv zu beteiligen.42 Das ersuchte Gericht kann aber ad hoc eine Rücksprache mit dem Prozessgericht halten und die Stellung eines Antrags auf Beteiligung anregen, da dieser zu jedem geeigneten Zeitpunkt möglich ist (Art. 14 Abs. 3 S. 2 EU-BewVO).43 d) Mitteilung an das ersuchende Gericht
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Nach Art. 14 Abs. 5 EU-BewVO teilt das ersuchte Gericht dem ersuchenden Gericht unter Verwendung des Formblatts I den Ort und den Zeitpunkt der Verhandlung und gegebenenfalls die Bedin-
35 Für Ermessen Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 12 EG-BewVO Rz. 9; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 25; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 12 EG-BewVO Rz. 3; in der Sache auch Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 155 Fn. 46; Müller, S. 101: willkürliche Ablehnung der Beteiligung sei unzulässig; für weitergehenden Beurteilungsspielraum wohl Schulze, IPRax 2001, 527, 530. 36 Lediglich § 10 AusfG zum HBÜ enthält eine Grundlage für die Anwesenheit ausländischer Richter bei der Beweisaufnahme durch das deutsche Rechtshilfegericht. 37 Allerdings besteht insoweit die Möglichkeit zur Abstimmung mit dem Prozessgericht im Wege des Zwischenstreits (§ 366 ZPO). 38 Ebenso Berger, FS Rechberger, 2005, S. 39, 49; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 46. 39 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 46; i.E. für die Gestattung von Zusatzfragen auch Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 12 EG-BewVO Rz. 3; für Gewährung von Fragen als „Regel“ auch Schulze, IPRax 2001, 527, 530; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 12 EG-BewVO Rz. 7. 40 Ebenso Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 12 EG-BewVO Rz. 10; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 12 EGBewVO Rz. 10; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 46; anders zu Art. 8 HBÜ Junker, Discovery, S. 342: Arbeitsteilige Leitung der Vernehmung sei zulässig. 41 Schulze, IPRax 2001, 527, 531. 42 Ebenso Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 47; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 12 EGBewVO Rz. 9. 43 Ebenso Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 47.
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gungen mit, unter denen die Beauftragten daran teilnehmen können. Die Vorschrift entspricht Art. 13 Abs. 4 EU-BewVO (s. Art. 13 EU-BewVO Rz. 15).
Artikel 15 Zwangsmaßnahmen Soweit erforderlich, wendet das ersuchte Gericht bei der Erledigung des Ersuchens geeignete Zwangsmaßnahmen in den Fällen und in dem Umfang an, wie sie das Recht des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts für die Erledigung eines zum gleichen Zweck gestellten Ersuchens inländischer Behörden oder der beteiligten Parteien vorsieht. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Verweisung auf Recht des ersuchten Gerichts .
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III. Recht des ersuchenden Gerichts . . . . . . . .
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IV. Erforderlichkeit des Zwangsmitteleinsatzes bei drohender Unverwertbarkeit des Beweisergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Zwangsmaßnahmen bei Erledigung in besonderer Form . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einführung Art. 15 EU-BewVO übernimmt nahezu unverändert die in Art. 10 HBÜ getroffene Regelung, nach der Zwangsmaßnahmen, die zur Erledigung des Ersuchens erforderlich sind, dem Recht des ersuchten Gerichts unterworfen werden. In der Ermöglichung des Einsatzes von Zwangsmitteln liegt ein wesentlicher Vorteil gegenüber dem vertrags- bzw. verordnungslosen Rechtshilfeverkehr nach §§ 363 ff. ZPO.1 Die Mitgliedstaaten sind nicht nur dazu berechtigt, sondern dazu verpflichtet, in- und ausländische Rechtshilfeersuchen hinsichtlich des Einsatzes von Zwangsmitteln gleich zu behandeln.2 Während die Erfüllung dieser Pflicht nach Art. 10 HBÜ nicht effektiv kontrolliert und gegebenenfalls sanktioniert werden kann, ist damit zu rechnen, dass eine Nicht-Einhaltung der Verpflichtung aus Art. 15 EUBewVO ein Vertragsverletzungsverfahren nach sich zieht (Art. 58 AEUV).3 Die zweite Alternative des letzten Halbsatzes (Ersuchen der beteiligten Parteien) erklärt sich aus der Rücksichtnahme auf Rechtsordnungen des Common Law, in denen die Anwendung von Zwang voraussetzt, dass das Gericht auf Antrag einer Partei eine gerichtliche Anordnung der Beweisaufnahme erlässt.4
1
II. Verweisung auf Recht des ersuchten Gerichts Das ersuchte Gericht kann nur diejenigen Zwangsmittelarten anordnen, die sein eigenes Verfahrensrecht kennt (Beugehaft, Zwangsgeld usw).5 Dies wird von Art. 15 EU-BewVO vorausgesetzt, da das ersuchte Gericht Zwangsmaßnahmen nur in dem „Umfang“ (extent, la mesure) anordnen darf, wie ihn seine lex fori vorsieht. Die Zulassung fremder Arten von Zwangsmaßnahmen würde diesen Umfang notwendigerweise sprengen.
2
Art. 15 EU-BewVO beschränkt sich aber nicht auf die Rechtsfolgenseite, sondern macht die Anordnung von Zwangsmitteln zudem von den Voraussetzungen abhängig, welche die lex fori des ersuch-
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1 Ebenso zu Art. 10 HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 10 HBÜ Rz. 57; Geimer, IZPR, Rz. 2513. 2 Alio, NJW 2004, 2706, 2708; Berger, IPRax 2001, 522, 525; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 13 EG-BewVO Rz. 1; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 13 EG-BewVO Rz. 1; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 156; Müller, S. 105; ebenso zu Art. 10 HBÜ Junker, Discovery, S. 325. 3 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 156. 4 Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 13 EG-BewVO Rz. 15; vgl. zu Art. 10 HBÜ Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen (1987), S. 277. 5 Berger, IPRax 2001, 522, 525; vgl. zu Art. 10 HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 10 HBÜ Rz. 58; Geimer, IZPR, Rz. 2513; Junker, Discovery, S. 324.
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Art. 15 EU-BewVO Zwangsmaßnahmen ten Gerichts aufstellt: Nur „in den Fällen“, in denen dieses Recht zur Erledigung eines inländischen Ersuchens Zwangsmittel zulässt, können diese auch im Rahmen der EU-BewVO zur Anwendung kommen. Daraus folgt, dass prozessuale Pflichten, die im Recht des ersuchten Gerichts nicht vorgesehen sind oder deren Nicht-Erfüllung dieses Recht nicht mit unmittelbarem Zwang begegnet, auch im europäischen Rechtshilfeverkehr nicht zwangsweise durchgesetzt werden können6 (zu Beispielen s. Rz. 10).
III. Recht des ersuchenden Gerichts 4
Indem Art. 15 EU-BewVO die Zulässigkeit des Einsatzes von Zwangsmitteln der lex fori des ersuchten Gerichts unterwirft, trifft die Vorschrift zugleich die negative Aussage, dass sich das ersuchende Gericht der Androhung oder Anordnung von Maßnahmen enthalten muss, mit denen die Beweisperson zur Mitwirkung an der Beweisaufnahme vor dem Rechtshilfegericht gezwungen werden soll.7 Dem ersuchenden Gericht bleibt es aber unbenommen, die Verweigerung der Mitwirkung an der Beweisaufnahme auf prozessualer Ebene zu sanktionieren, z.B. durch Nachteile im Rahmen der Beweiswürdigung.8 Ferner bleibt es zulässig, nach der Rechtsordnung des ersuchenden Gerichts materiellrechtliche Auskunfts- und Vorlageansprüche durchzusetzen und eine entsprechende Entscheidung gem. Art. 36 ff. Brüssel Ia-VO in einem anderen Mitgliedstaat anerkennen und vollstrecken zu lassen9 oder im Inland einen Zwangsgeldbeschluss nach § 888 ZPO zu erwirken.10 Zur Zulässigkeit der Beweisbeschaffung außerhalb der EU-BewVO s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 13 ff.
IV. Erforderlichkeit des Zwangsmitteleinsatzes bei drohender Unverwertbarkeit des Beweisergebnisses 5
Umstritten ist, ob das ersuchte Gericht zur Berücksichtigung des Umstands verpflichtet ist, dass das Recht des ersuchenden Gerichts die Erzwingung einer bestimmten Mitwirkung an der Beweisaufnahme nicht kennt, wenn die zwangsweise Durchsetzung der Beweisaufnahme zur Unverwertbarkeit des Beweisergebnisses vor dem Prozessgericht zu führen droht.11 Die h.M. zu Art. 10 HBÜ lehnt dies unter Berufung auf den Wortlaut der Vorschrift ab, der ausschließlich auf die lex fori des ersuchten Gerichts verweise.12 Grundsätzlich ist es richtig, dass das ersuchte Gericht nicht zu einer kumulativen 6 OLG Bremen v. 20.1.2009 – 4 UF 99/08, NJW-RR 2009, 876 = FamRZ 2009, 802 m. Anm. Knöfel, FamRZ 2009, 1339 = jurisPR-FamR 7/2009 Anm. 7 (Brückner); zust. Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2009, 1, 21; AG Recklinghausen v. 25.4.2017 – 73 F 190/15, juris Rz. 11; Berger, IPRax 2001, 522, 525; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 13 EG-BewVO Rz. 3; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 156; Müller, S. 106; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1292; a.A. Teixeira de Sousa, JZ 2013, 98, 99. 7 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 13 EG-BewVO Rz. 2; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 13 EG-BewVO Rz. 5; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 201 f.; Müller, S. 107 f.; ebenso zu Art. 10 HBÜ Pabst in MünchKomm/ ZPO, Art. 10 HBÜ Rz. 3; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 10 HBÜ Rz. 60; Junker, Discovery, S. 325. 8 Berger, IPRax 2001, 522, 525; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 13 EG-BewVO Rz. 2; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 13 EG-BewVO Rz. 8; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 202; Müller, S. 108; ebenso zu Art. 10 HBÜ Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 10 HBÜ Rz. 3; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 10 HBÜ Rz. 60; Junker, Discovery, S. 325. 9 Hierzu Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 13 EG-BewVO Rz. 14; mit rechtspolitischer Kritik Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 9/10 HBÜ Rz. 2. 10 Vgl. OLG Hamburg v. 11.5.2005 – 5 W 44/05, NJOZ 2005, 2956 (ggü. Schweizer Schuldnerin; keine Umgehung des Lugano-Übereinkommens). 11 Dafür Frigo/Fumagalli, S. 174 f.; Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 341 Fn. 49; ebenso zu Art. 10 HBÜ Blaschczok, S. 133–135; ablehnend (zu Art. 10 HBÜ) Geimer, IZPR, Rz. 2514; Pabst in MünchKomm/ ZPO, Art. 10 HBÜ Rz. 3; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 9/10 HBÜ Rz. 1 f.; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 10 HBÜ Rz. 59. 12 Geimer, IZPR, Rz. 2514; Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 10 HBÜ Rz. 4; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 9/10 HBÜ Rz. 1; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 10 HBÜ Rz. 59 (s. aber zur EG-BewVO Berger, FS Rechberger, 2005, S. 39, 44); ebenso zu Art. 13 EG-BewVO Mosser in Fasching/Konecny, Art. 13 EG-BewVO Rz. 3; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 695.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 15 EU-BewVO
Prüfung der Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen nach den Rechtsordnungen des ersuchenden und des ersuchten Gerichts verpflichtet ist.13 Dies lässt sich über den Wortlaut des Art. 15 EU-BewVO hinaus auch auf einen Umkehrschluss aus Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO stützen, der eine Meistbegünstigung eines Zeugen allein für den Fall des Bestehens eines Aussageverweigerungsrechts anordnet. Jedoch dürfen nach den Eingangsworten des Art. 15 EU-BewVO Zwangsmaßnahmen nur angeordnet 6 werden, „soweit“ sie zur Erledigung des Ersuchens „erforderlich“ sind. Die Erzwingung eines Beweisergebnisses, das anschließend vor dem Prozessgericht nach dessen lex fori nicht verwertbar ist, kann aber kaum als „erforderlich“ angesehen werden. Auch unter verfassungsrechtlichen Aspekten bestehen insoweit ernste Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit eines Zwangsmitteleinsatzes. Für eine restriktive Auslegung des Art. 15 EU-BewVO spricht ferner, dass die EU-BewVO an anderer Stelle (Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO) darum bemüht ist, die Verwertbarkeit des Beweisergebnisses vor dem Prozessgericht sicherzustellen. Deshalb sollte man es dem ersuchenden Gericht gestatten, sein Ersuchen gegebenenfalls in der Weise einzuschränken, dass das ersuchte Gericht von dem Einsatz von Zwangsmaßnahmen absehen möge.14 Hingegen ist das ersuchte Gericht nicht dazu berechtigt oder gar verpflichtet, aus eigenem Antrieb zu prüfen, ob eine erzwungene Mitwirkung der Beweisperson die Verwertbarkeit des Beweisergebnisses vor dem Prozessgericht beeinträchtigen könnte.15 Aus deutscher Sicht bestehen bei ausgehenden Rechtshilfeersuchen keine Bedenken dagegen, dass das ausländische Rechtshilfegericht Zwangsmaßnahmen nach seiner lex fori ergreift, auch wenn diese in der ZPO nicht vorgesehen sind.16 Die Verwertbarkeit des Beweisergebnisses vor dem deutschen Prozessgericht wird dadurch nicht berührt (arg. § 369 ZPO).17
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V. Zwangsmaßnahmen bei Erledigung in besonderer Form Ob das ersuchte Gericht auch dann Zwangsmaßnahmen nach Art. 15 EU-BewVO anordnen darf, wenn die Beweisaufnahme gem. Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO in einer besonderen Form durchgeführt wird, ist streitig.18 Einigkeit besteht darin, dass bei Erledigung in einer besonderen Form allenfalls diejenigen Arten von Zwangsmitteln in Betracht kommen, die das deutsche Recht vorsieht: Auch bei Zulassung z.B. eines Kreuzverhörs kann das deutsche Gericht im Falle der Verweigerung des Zeugen keine contempt-of-court-Maßnahmen anordnen.19 Die wohl überwiegende Meinung geht indes noch darüber hinaus und lehnt auch den Einsatz der in der ZPO vorgesehenen Zwangsmaßnahmen (§ 390 ZPO) in diesen Fällen ab, weil Art. 15 EU-BewVO hinsichtlich des Einsatzes von Zwangsmit13 Ebenso Betetto, EuLF 2006, I-137, I-140; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 13 EG-BewVO Rz. 5; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 26. 14 Ebenso Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 341 Fn. 49; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 13 EGBewVO Rz. 5; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 13 EG-BewVO Rz. 3; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-BewVO Rz. 7; Musger in Rat der Europäischen Union, 2004, S. 205, 214. 15 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 53. 16 Ebenso zum italienischen Recht Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 695 mit dem Bsp der französischen astreinte; zum österreichischen Recht Sengstschmid, S. 354; zu Art. 10 HBÜ Junker, Discovery, S. 419: Die Verweisung auf das Recht des ersuchten Staates sei keine „Einbahnstraße in Richtung auf ein Weniger an Zwangsmitteln in der Rechtshilfe“; ausführlich zum lex-fori-Prinzip Stadler in Musielak/Voit, § 369 ZPO Rz. 2–4; a.A. Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 40: Deutsches Gericht sei auch an Beschränkungen der ZPO gebunden, wenn ein ausländisches Gericht um Rechtshilfe ersucht werde. 17 Alio, NJW 2004, 2706, 2708; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 202; Stadler in Musielak/Voit, § 369 ZPO Rz. 3; zur Maßgeblichkeit der lex fori des Prozessgerichts in dieser Frage auch Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 695; anders aus slowenischer Sicht Betetto, EuLF 2006, I-137, I-144. 18 Dafür Alio, NJW 2004, 2706, 2708; ebenso (zu Art. 10 HBÜ) Martens, RIW 1981, 725, 729; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen (1987), S. 277; vgl. auch Junker, Discovery, S. 337 (für Erzwingbarkeit des nach Art. 9 Abs. 2 HBÜ beantragten Voreides); a.A. (zu Art. 13 EG-BewVO) Berger, IPRax 2001, 522, 525; Klauser, S. 1; Müller, S. 106; Geimer in Zöller, Art. 11 EG-BewVO Rz. 3; grds. auch Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 13 EG-BewVO Rz. 7; (zu Art. 10 HBÜ) Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 10 HBÜ Rz. 4; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 10 HBÜ Rz. 58; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 9/10 HBÜ Rz. 3; Blaschczok, S. 129 f.; Ewald Geimer, S. 221. 19 S. nur Berger, IPRax 2001, 522, 525; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 13 EG-BewVO Rz. 5; Junker, Discovery, S. 324; Schlosser, FS Vollkommer, 2006, S. 217, 232 f.
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Art. 16 EU-BewVO Ablehnung der Erledigung teln ausländische Rechtshilfeersuchen lediglich mit inländischen gleichstellen wolle, letztere aber stets nur eine Beweisaufnahme in den Formen des inländischen Rechts ermöglichen würden.20 Ferner wird geltend gemacht, dass die Erzwingung der Mitwirkung an einer Beweisaufnahme in besonderer Form gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit der Eingriffsgrundlage verstoße.21 9
In dieser Allgemeinheit ist die Ablehnung von Zwangsmaßnahmen aber nicht überzeugend. Richtigerweise ist danach zu unterscheiden, ob die besondere Form nur die Pflichten des Gerichts betrifft und sich auf den Zeugen allenfalls als Reflex auswirkt oder ob ihre Einhaltung in die Pflichten des Zeugen eingreift.22 Wird z.B. die Erstellung eines Wortprotokolls beantragt, handelt es sich zwar um eine besondere Form der Vernehmung (s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 19), um die ein inländisches Gericht nicht ersuchen könnte. Gleichwohl sollte dies den Zeugen nicht zur folgenlosen Aussageverweigerung berechtigen, da ihm keine besonderen Lasten auferlegt werden, welche die Vernehmung von einer Beweisaufnahme nach der ZPO unterscheiden würden.23
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Anders ist zu entscheiden, wenn die besondere Form der Beweisaufnahme sich unmittelbar auf die den Zeugen bei der Vernehmung treffenden Pflichten auswirkt. Dies ist z.B. bei einem Voreid oder der Verwendung einer bestimmten Eidesformel der Fall. Da die ZPO aus verfassungsrechtlichen Gründen keine unbedingte Eidesverpflichtung kennt (§ 484 ZPO),24 kann der Zeuge auch im Rechtshilfeverfahren nicht zu einer bestimmten Art der Eidesleistung oder überhaupt zum Schwur gezwungen werden.25 Das Kreuzverhör greift ebenfalls in das Persönlichkeitsrecht des Zeugen ein, so dass eine Erzwingung seiner Mitwirkung auf der Grundlage der ZPO, welche diese Form der Beweisaufnahme nicht vorsieht, ausscheiden muss.26 Eine entsprechende Anwendung der §§ 70, 239 StPO würde verfassungsrechtlichen Erfordernissen nicht genügen. Auch eine Videoaufzeichnung kann aufgrund des § 128a Abs. 3 S. 1 ZPO nicht erzwungen werden.27
Artikel 16 Ablehnung der Erledigung (1) Ein Ersuchen um Vernehmung einer Person wird nicht erledigt, wenn sich die betreffende Person auf ein Recht zur Aussageverweigerung beruft oder wenn ein Aussageverbot besteht, a) das nach dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts vorgesehen ist oder b) das nach dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts vorgesehen und im Ersuchen bezeichnet oder erforderlichenfalls auf Verlangen des ersuchten Gerichts von dem ersuchenden Gericht bestätigt worden ist. (2) Die Erledigung eines Ersuchens kann außer aus den in Absatz 1 genannten Gründen nur abgelehnt werden, wenn einer oder mehrere der folgenden Gründe vorliegen: a) das Ersuchen fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung; b) die Erledigung des Ersuchens fällt nach dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts nicht in den Bereich der Gerichtsbarkeit;
20 21 22 23 24 25 26 27
Janal, § 15 Rz. 48; vgl. zu Art. 10 HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 10 HBÜ Rz. 58. Geimer, IZPR, Rz. 2446, 2513; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 10 HBÜ Rz. 58. Zust. Betetto, EuLF 2006, I-137, I-140; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 13 EG-BewVO Rz. 4. Zust. Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 13 EG-BewVO Rz. 7; ähnlich zum slowenischen Recht Betetto, EuLF 2006, I-137, I-140. Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 52; zu den Hintergründen s. BVerfG v. 11.4.1972 – 2 BvR 75/71, BVerfGE 33, 23; vgl. auch § 65 StPO. Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 52; anders wohl Junker, Discovery, S. 337 (für Erzwingbarkeit des nach Art. 9 Abs. 2 HBÜ beantragten Voreides). Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 13 EG-BewVO Rz. 7; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 52. So auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 52; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 13 EGBewVO Rz. 13.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 16 EU-BewVO
c) das ersuchende Gericht kommt der Aufforderung des ersuchten Gerichts zur Ergänzung des Ersuchens um Beweisaufnahme gemäß Artikel 10 nicht innerhalb von 30 Tagen, nachdem das ersuchte Gericht das ersuchende Gericht um Ergänzung des Ersuchens gebeten hat, nach; oder d) eine Kaution oder ein Vorschuss, die/der gemäß Artikel 22 Absatz 3 verlangt wurde, wird nicht innerhalb von 60 Tagen nach dem entsprechenden Verlangen des ersuchten Gerichts hinterlegt bzw. einbezahlt. (3) Ein ersuchtes Gericht darf die Erledigung nicht allein aus dem Grund ablehnen, dass nach seinem nationalen Recht die ausschließliche Zuständigkeit für die Sache bei einem anderen Gericht dieses Mitgliedstaats liegt oder das Recht dieses Mitgliedstaats ein Verfahren für diese Streitsache nicht kennt. (4) Wird die Erledigung des Ersuchens aus einem der in Absatz 2 genannten Gründe abgelehnt, so setzt das ersuchte Gericht unter Verwendung des Formblatts K in Anhang I das ersuchende Gericht innerhalb von 60 Tagen nach Eingang des Ersuchens bei dem ersuchten Gericht davon in Kenntnis. I. Aussageverweigerungsrechte und Aussageverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2. Systematische Stellung . . . . . . . . . . . . . . 3 3. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . 5 a) Zeugnisunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . 5 b) Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 c) Urkundenvorlage, Augenscheinseinnahme 7 4. Entscheidungskompetenz des Rechtshilfegerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 5. Entbindung von Aussageverboten . . . . . . . 14
6. Form und Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Ersuchen außerhalb des Anwendungsbereichs der EU-BewVO . . . . . . . . . . . . 16 III. Fehlende Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . 17 1. Gerichtsbarkeit im völkerrechtlichen Sinne . . 17 2. Wesenseigene Zuständigkeit . . . . . . . . . . . 19 IV. Formale Fehler des Ersuchens . . . . . . . . . 20 V. Unzulässigkeit der Ablehnung . . . . . . . . . 23 VI. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
I. Aussageverweigerungsrechte und Aussageverbote 1. Normzweck Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO verwirklicht in Bezug auf Aussageverweigerungsrechte und Aussageverbote 1 das bereits aus dem HBÜ bekannte Meistbegünstigungsprinzip (Art. 11 Abs. 1 HBÜ). Unter Durchbrechung des Grundsatzes, dass sich das Verfahren nach der lex fori des ersuchten Gerichts bestimmt (Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO), darf sich die Beweisperson nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO nicht nur auf die in diesem Recht enthaltenen Aussageverweigerungsrechte bzw. Aussageverbote berufen (lit. a), sondern kann darüber hinaus diejenigen Aussageverweigerungsrechte und -verbote für sich in Anspruch nehmen, die ihr das Recht des Prozessgerichts gewährt (lit. b).1 Das Meistbegünstigungsprinzip dient in erster Linie der Vermeidung von Pflichtenkollisionen, die dadurch drohen, dass die Beweisperson nach dem Recht des ersuchten Gerichts weitergehende Aussagepflichten treffen als nach dem Recht des ersuchenden Gerichts, und umgekehrt.2 Zudem wird durch das Meistbegünstigungsprinzip die Gefahr vermindert, dass das ersuchte Gericht nach seiner lex fori eine Vernehmung durchführt, die anschließend wegen eines Aussageverweigerungsrechts oder eines diesbezüglichen Verbots im Recht des ersuchenden Gerichts von diesem nicht verwertbar und somit letztlich überflüssig ist.3 Schließlich wird der Zweck des Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO darin gese-
1 Contra legem für eine ausschließliche Anwendbarkeit des Rechts des Prozessgerichts Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 14 EG-BewVO Rz. 4; hierzu ablehnend auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-BewVO Rz. 1. 2 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 3; vgl. zu Art. 11 HBÜ Blaschczok, S. 143. 3 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 3; Volken, Die Internationale Rechtshilfe in Zivilsachen (1996), Rz. 3/153 (zu Art. 11 HBÜ).
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Art. 16 EU-BewVO Ablehnung der Erledigung hen, dass er die Parteien daran hindert, im europäischen Rechtsraum ein Rechtsgefälle im Zeugenschutz auszunutzen („Beweisforum-Shopping“).4 2
Hingegen wurde die in Art. 11 Abs. 2 HBÜ den Vertragsstaaten eingeräumte Möglichkeit, in einer Erklärung Aussageverweigerungsrechte und Aussageverbote anzuerkennen, die nach dem Recht eines Drittstaates, z.B. nach dem Personalstatut der Beweisperson, bestehen, nicht in die EU-BewVO übernommen.5 Für Deutschland bringt dies keine Änderung der Rechtslage, da die Bundesrepublik auf die Abgabe einer entsprechenden Erklärung zum HBÜ verzichtet hat.6 Wird also z.B. ein in Frankfurt/M. wohnhafter Bankier schweizerischer Staatsangehörigkeit von einem deutschen Gericht auf Ersuchen eines französischen Gerichts befragt, kann dieser sich nicht auf die absoluten Aussageverbote des schweizerischen Rechts (Bankgeheimnis) berufen, auch wenn die Vernehmung auf Vorgänge abzielt, die sich in der Schweiz abgespielt haben.7 2. Systematische Stellung
3
Die Einordnung der Aussageverweigerungsrechte und -verbote unter die Nicht-Erledigung eines Rechtshilfeersuchens wird als nicht sachgerecht kritisiert, weil das ersuchte Gericht das Ersuchen ja gerade erledige, indem es die Aussageverweigerung des Zeugen feststelle.8 Da der erstrebte Beweis, die Aussage des Zeugen, vom ersuchten Gericht im Ergebnis nicht erhoben werden kann, erscheint es indes zumindest vertretbar, dies als einen Fall der Nicht-Erledigung aufzufassen. Letztlich hat dieser Streit nur terminologische Bedeutung.9
4
Anders als noch das HBÜ, das mittels getrennter Vorschriften deutlich zwischen Nicht-Erledigung (Art. 11 HBÜ) und Ablehnung des Ersuchens (Art. 12 HBÜ) unterscheidet, fasst die EU-BewVO die Nicht-Erledigung als einen Unterfall der Ablehnung des Ersuchens auf. Diese Verschmelzung der beiden Fallgruppen ist eine Folge des Wegfalls einer zentralen Behörde mit Prüfungskompetenz (s. Art. 4 EU-BewVO Rz. 1).10 Da aufgrund der Einführung des unmittelbaren Geschäftsverkehrs (Art. 3 EUBewVO) ohnehin das ersuchte Gericht (keinesfalls die Zentralstelle nach Art. 4 EU-BewVO) über die Nicht-Erledigung oder die Ablehnung befindet, hätte eine entsprechende Differenzierung zwar für mehr dogmatische Klarheit gesorgt, ist aber praktisch nicht zwingend geboten.11 3. Anwendungsbereich a) Zeugnisunfähigkeit
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Die Frage der Zeugnisunfähigkeit wird in Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO nicht geregelt.12 Zwar wird bisweilen die Auffassung vertreten, hierdurch werde auch die Zeugnisunfähigkeit erfasst.13 Der englische und französische Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO nennen aber wie der deutsche Text neben 4 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 157. 5 Vgl. Betetto, EuLF 2006, I-137, I-139 in Fn. 24; Bruneau, JClP (G) 2001, I 349, p 1771 Fn. 27; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 4 in Fn. 5; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 229; kritisch hierzu Jansen, NIPR 2019, 753, 768. 6 Zu den von den Niederlanden, Estland und Bulgarien im Rahmen des HBÜ abgegebenen Erklärungen näher Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 11 HBÜ Rz. 8; kritisch zu Art. 11 Abs. 2 HBÜ wiederum Schack, IZVR, Rz. 867. 7 Zum Schutz des schweizerischen Bankgeheimnisses näher Volken, Die Internationale Rechtshilfe in Zivilsachen (1996), Rz. 3/155 m.w.N.; zur Verschwiegenheitspflicht der BaFin nach § 21 WpHG näher von Hein, FS Herbert Roth, 2021, S. 341 ff., m.w.N. 8 Alio, NJW 2004, 2706, 2709; Berger, IPRax 2001, 522, 524; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 157, Fn. 56; Müller, S. 104; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 23; ebenso zu Art. 11 HBÜ Blaschczok, S. 142 f. 9 So auch Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 1 in Fn. 2. 10 Zur Prüfungskompetenz hinsichtlich des Bestehens eines Zeugnisverweigerungsrechts nach Art. 11 HBÜ OLG Hamburg v. 3.5.2002 – 2 Va 4/01, RIW 2002, 717 m. Anm. Busse. 11 Ebenso Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 14 EG-BewVO Rz. 4. 12 Berger, IPRax 2001, 522, 524, der dies aber für rechtspolitisch angezeigt hält. 13 Müller, S. 104; zu Art. 11 HBÜ Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 58, der dies aus den Begriffen „privilege“ und „interdiction“ ableitet; a.A. Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen (1987), S. 346.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 16 EU-BewVO
dem Fall des Aussageverweigerungsrechts („right to refuse to give evidence“, „droit de refuser de déposer“) lediglich das Aussageverbot („to be prohibited from giving evidence“, „interdiction de déposer“). Ein Aussageverbot als eine Regelung des Nicht-Dürfens ist klar von einer Zeugnisunfähigkeit als einem Fall des Nicht-Könnens abzugrenzen.14 Die Zeugnisunfähigkeit unterliegt daher gem. Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO der lex fori des ersuchten Gerichts.15 Allerdings dürfte in Konfliktfällen die Erzwingung einer Aussage nach den oben (Art. 15 EU-BewVO Rz. 6) dargestellten Grundsätzen nicht „erforderlich“ sein, wenn sie vor dem Prozessgericht nicht verwertbar wäre.16 b) Parteien Die in Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO genannten Aussageverweigerungsrechte und Aussageverbote beziehen sich sowohl auf die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen als auch auf die von Parteien.17 Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, die allgemein von der Vernehmung einer „Person“ spricht. Zu den Folgen für die Ausfüllung des Formblatts A s. Art. 5 EU-BewVO Rz. 9. Bei eingehenden Rechtshilfeersuchen sind etwaige Aussageverweigerungsrechte der Parteien nach dem Recht des Prozessgerichts für das deutsche Gericht praktisch unerheblich, da nach deutschem Recht (s. Art. 15 EU-BewVO) eine Partei ohnehin nicht zur Aussage verpflichtet ist.18 Letzteres gilt auch, wenn nach dem Recht des ersuchenden Gerichts Parteien wie Zeugen behandelt werden.19 Bei ausgehenden Rechtshilfeersuchen ist darauf hinzuweisen, dass eine Partei nach §§ 453 Abs. 2, 446 ZPO nicht zur Aussage gezwungen werden kann, sondern lediglich Prozessnachteile in Kauf nehmen muss (s. Art. 5 EU-BewVO Rz. 17). Über die Rechtsfolgen eines Aussageverzichts durch eine Partei für die Beweiswürdigung entscheidet in jedem Fall das Prozessgericht nach seinem eigenen Recht.20
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c) Urkundenvorlage, Augenscheinseinnahme Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO beschränkt sich darauf, diejenigen Rechte einer Beweisperson zu regeln, 7 die sich auf eine Vernehmung beziehen.21 Dies folgt aus den Eingangsworten „Ersuchen um Vernehmung einer Person“ und aus einem Umkehrschluss zur Unterscheidung in Art. 5 Abs. 1 lit. e EUBewVO („Vernehmung einer Person“) und Art. 5 Abs. 1 lit. f EU-BewVO („sonstige Beweisaufnahme“). Die zu Art. 11 HBÜ vertretene Auffassung, die Vorschrift betreffe alle Rechte, aufgrund derer jemand die Mitwirkung an einer Beweisaufnahme ablehnen dürfe, also z.B. auch im Falle einer Urkundenvorlage,22 ist auf Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO wegen des insoweit abweichenden Wortlauts nicht übertragbar.23 Allerdings wurde zur Vorläuferbestimmung (Art. 14 Abs. 1 EG-BewVO) vielfach
14 Ebenso Betetto, EuLF 2006, I-137, I-139 in Fn. 23; Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 14 EG-BewVO Rz. 7; a.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 42: Erst-recht-Schluss. 15 I.E. ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 6; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 199; allgemein zur Unterstellung der Zeugnisfähigkeit unter die lex fori Linke/Hau, IZVR, Rz. 10.18; Schack, IZVR, Rz. 815; für ausnahmsweise Anknüpfung an lex causae Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht (1983), Rz. 590, Fn. 1825; Geimer, IZPR, Rz. 2309 (in Bezug auf Kinder in Scheidungsprozessen). 16 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 42. 17 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 7; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1295; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 690; ebenso zu Art. 11 HBÜ Junker, Discovery, S. 417. 18 Ebenso zu Art. 11 HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 11 HBÜ Rz. 63. 19 Betetto, EuLF 2006, I-137, I-144. 20 Vgl. zu Art. 11 HBÜ Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 11 HBÜ Rz. 67; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 11 HBÜ Rz. 1; kritisch Teixeira de Sousa, JZ 2013, 98, 99. 21 Ebenso Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1294 ff.; a.A. Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 14 EG-BewVO Rz. 7. 22 Cour d’Appel de Paris v. 18.9.2003 – 2002/18509, IPRax 2005, 451, 453; Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 11 HBÜ Rz. 2; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 61; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen (1987), S. 345 f.; Reufels/Scherer, IPRax 2005, 456, 458; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 11 HBÜ Rz. 1; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1295. 23 Ebenso Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 14 EG-BewVO Rz. 8; Mosser in Fasching/Konecny, Art. 14 EGBewVO Rz. 8; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 202; Sengstschmid, S. 362 f.; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1294 ff.; wohl auch Magnus, RabelsZ 77 (2013), 111, 124 f.; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 14 EGBewVO Rz. 3; Müller, S. 103 (Formulierungsversehen); Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 14 EG-BewVO Rz. 7.
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Art. 16 EU-BewVO Ablehnung der Erledigung eine analoge Anwendung der Norm befürwortet.24 Hierfür spricht, dass die Prozessrechte der Mitgliedstaaten häufig Zeugnisverweigerungsrechte und Rechte zur Verweigerung von Urkundenvorlagen parallel ausgestalten (z.B. im deutschen Recht in §§ 142 Abs. 2, 144 Abs. 2 ZPO).25 Auch kann die Belegenheit des gegenständlichen Beweismittels (Urkunde, Augenscheinsobjekt) im Staat des ersuchten Gerichts für die Anknüpfung eines Verweigerungsrechts kaum stärker zu Buche schlagen als der dortige Aufenthalt eines Zeugen.26 Schließlich ist der Zweck des Meistbegünstigungsprinzips, ein sog. „Beweisforum-Shopping“ zu unterbinden (s. Rz. 1), grundsätzlich für eine Analogie anzuführen. Die EU-BewVO bietet nämlich einer Partei die Möglichkeit, nach Art. 15 EU-BewVO am Belegenheitsort eine Urkundenvorlegung nach dem Recht des ersuchten Gerichts zu erzwingen, obwohl dies vor dem Ausgangsgericht nicht möglich wäre.27 8
Gegen eine Analogie lässt sich hingegen der formale Grundsatz „singularia non sunt extendenda“ ins Feld führen, da es sich bei Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO um eine bewusste Durchbrechung des Grundsatzes handelt, dass das Beweisverfahren und notwendige Zwangsmaßnahmen der lex fori des ersuchten Gerichts unterliegen (Art. 12 Abs. 2 EU-BewVO, Art. 15 EU-BewVO).28 Des Weiteren ist es nicht schlechthin illegitim, wenn ein Gefälle zwischen den Rechtsordnungen des Prozess- und des Rechtshilfegerichts nicht nur zu Lasten der Wahrheitsfindung und zugunsten der Beweisperson ausschlägt, sondern dies auch in umgekehrter Richtung möglich ist.29 Ferner hat es das Recht des Prozessgerichts selbst in der Hand, ob und inwieweit es durch Beweisverwertungsverbote das „Beweisforum-Shopping“ einer Partei sanktioniert. Schließlich sind Exzesse nach dem Vorbild der US-amerikanischen discovery im europäischen Rechtsraum nicht zu befürchten (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 39 ff.), und auch die Geltung der EU-Grundrechte-Charta und der EMRK dürfte zur Vermeidung grober Verstöße gegen die prozessuale Fairness beitragen. Eine Ausdehnung des Meistbegünstigungsprinzips auf die Urkundenvorlegung und andere Formen der Beweisaufnahme mag daher zwar rechtspolitisch wünschenswert sein,30 scheidet aber de lege lata aus.31 Dies gilt erst recht nach der Revision der EUBewVO im Jahre 2020, bei welcher der Verordnungsgeber den Wortlaut des Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO ungeachtet des bekannten Streitstands um eine analoge Anwendung der Vorschrift nicht erweitert hat. Vor diesem Hintergrund lässt sich schwerlich von einer ungeplanten Regelungslücke sprechen, welche aber die methodische Voraussetzung für eine Analogie wäre. 4. Entscheidungskompetenz des Rechtshilfegerichts
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Über die Frage, ob ein Aussageverweigerungsrecht oder ein Aussageverbot nach seinem eigenen Recht besteht, entscheidet das ersuchte Gericht.32 Die Zentralstellen haben insoweit keinerlei Prüfungskompetenz.33 Es handelt sich um einen Zwischenstreit gem. §§ 387 ff. ZPO, der aber vor dem Rechtshilfegericht, nicht vor dem Prozessgericht auszutragen ist.34 24 Dafür Berger, FS Rechberger, 2005, S. 39, 53; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 10; Hess, EuZPR, Rz. 8.50; Huber, GPR 2003/04, 115, 120; Janal, § 15 Rz. 31; Lafontaine, DAR 2020, 541, 545; McGuire/ John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 68; Müller, S. 103 f.; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-BewVO Rz. 6; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 27; Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 119 in Fn. 172; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 14 EG-BewVO Rz. 7; Schmidt, Rz. 346; Tsikrikas, ZZPInt 15 (2010), 145, 151. 25 Vgl. Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1295. 26 Skeptisch insoweit auch Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1296. 27 Beispiel bei Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1296. 28 Vgl. Ubertazzi, GRUR-Int. 2008, 807, 811. 29 Vgl. zu Art. 10 HBÜ Junker, Discovery, S. 419: Verweisung auf Recht des ersuchten Gerichts sei keine „Einbahnstraße in Richtung auf ein Weniger an Zwangsmitteln“; rechtspolitische Kritik am Meistbegünstigungsprinzip äußern Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 157; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 691 ff.; a.A. Schmidt, Rz. 346: Art. 14 sei Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes. 30 So auch Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1295 f. 31 Ebenso Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 202. 32 Berger, IPRax 2001, 522, 524. 33 Anders noch zur zentralen Behörde nach dem HBÜ OLG Hamburg v. 3.5.2002 – 2 Va 4/01, RIW 2002, 717 m. Anm. Busse. 34 LG Dessau v. 15.3.2007 – 7 T 37/07, juris Rz. 28 f.; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 9; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 37; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 11 HBÜ Rz. 64; zur österreichischen Rechtslage vgl. Mosser in Fasching/Konecny, Art. 14 EG-BewVO Rz. 26 f.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 16 EU-BewVO
Ist das Aussageverweigerungsrecht bzw. das Aussageverbot nach dem Recht des ersuchenden Gerichts 10 nicht bereits im Ersuchen bezeichnet worden (Art. 16 Abs. 1 lit. b Alt. 1 EU-BewVO), muss das betreffende Recht „erforderlichenfalls“ auf Verlangen des ersuchten Gerichts von dem Prozessgericht bestätigt werden (Art. 16 Abs. 1 lit. b Alt. 2 EU-BewVO). Die letztere Konstellation sollte nur ausnahmsweise vorkommen, weil bereits nach Art. 5 Abs. 1 lit. e, dritter Spiegelstrich EU-BewVO das ersuchende Gericht dazu verpflichtet ist, gegebenenfalls einen Hinweis auf ein nach dem Recht des ersuchenden Mitgliedstaates bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht zu geben (s. Art. 5 EU-BewVO Rz. 14 ff.). Bei einem lückenhaften Ersuchen muss das ersuchte Gericht um Nachbesserung gem. Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO bitten. Da die Erledigungsfrist nach Art. 12 Abs. 1 EU-BewVO erst bei Vorliegen eines vollständigen Ersuchens zu laufen beginnt (Art. 11 Abs. 1 EU-BewVO) und bei einer Unterlassung der verlangten Ergänzung ein Ablehnungsgrund nach Art. 16 Abs. 2 lit. c EU-BewVO vorliegt, verfügt das ersuchte Gericht in dieser Phase der Rechtshilfe über ein effektives Druckmittel zur Erlangung der nötigen Informationen. Macht die Beweisperson aber erst bei ihrer Vernehmung von einem Aussageverweigerungsrecht nach 11 dem Recht des Prozessgerichts Gebrauch, stellt sich die Frage, ob das ersuchte Gericht gezwungen ist, eine Bestätigung des ersuchenden Gerichts einzuholen. Aus dem Wort „erforderlichenfalls“ („if need be“, „le cas échéant“) wird der Schluss gezogen, dass Art. 16 Abs. 1 lit. b Alt. 2 EU-BewVO dem ersuchten Gericht lediglich die Möglichkeit geben solle, auf die eigene Ermittlung ausländischen Rechts zu verzichten.35 Es soll dem ersuchten Gericht aber, um Verfahrensverzögerungen zu vermeiden, gestattet werden, der Beweisperson anheim zu geben, selbst eine Entscheidung des ersuchten Gerichts herbeizuführen.36 Ferner soll das ersuchte Gericht auch ohne jegliche Rückfrage beim ersuchenden Gericht das Nicht-Bestehen eines Aussageverweigerungsrechts feststellen können.37 Hiergegen bestehen aber Bedenken.38 Da es allgemein anerkannt ist, dass die Bestätigung des er- 12 suchenden Gerichts das ersuchte Gericht bindet,39 ist es fragwürdig, dem ersuchten Gericht zu gestatten, dem ersuchenden Gericht durch eine selbstständige Ermittlung des ausländischen Prozessrechts bereits die Chance zur Äußerung zu nehmen und so die Bindungswirkung zu umgehen. Zudem wird das ersuchte Gericht in der Regel selbst nicht über detaillierte Kenntnisse im ausländischen Verfahrensrecht verfügen40 und deshalb ein Gutachten in Auftrag geben müssen. Angesichts der notorischen Überlastung der entsprechenden Institute41 muss man bezweifeln, dass die Ermittlung ausländischen Rechts auf diesem Wege schnellere Ergebnisse zeitigt. Von der Einholung einer Bestätigung sollte deshalb nur dann abgesehen werden, wenn das ersuchte Gericht über das Aussageverweigerungsrecht auf der Grundlage präsenter und klarer Quellen eine eindeutige Entscheidung treffen kann, z.B. bei Unschlüssigkeit des Vortrags der Beweisperson.42 Erlangt das ersuchende Gericht nach Übersendung des Ersuchens Kenntnis von Veränderungen, die für das Bestehen eines Aussageverweigerungsrechts relevant sind (z.B. Verlobung der Partei mit dem Zeugen) hat es das ersuchte Gericht ungefragt schnellstmöglich darüber zu informieren. Es handelt sich hierbei je nach Zeitpunkt um eine Vervollständigung des Ersuchens (Art. 10 EU-BewVO, Art. 11 EU-BewVO) oder um eine Bestätigung gem. Art. 16 Abs. 1 lit. b Alt. 2 EU-BewVO, die auch vorsorglich vom ersuchenden Gericht abgegeben werden kann. 35 Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 11 HBÜ Rz. 3, Art. 14 Rz. 6; vgl. auch Seibl in Encyclopedia PIL, 714. 36 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 14 EG-BewVO Rz. 6; wohl auch Seibl in Encyclopedia PIL, 714. 37 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 14 EG-BewVO Rz. 6; wohl auch Seibl in Encyclopedia PIL, 714. 38 Abl. auch Mosser in Fasching/Konecny, Art. 14 EG-BewVO Rz. 12; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.144; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-BewVO Rz. 8. 39 Berger, IPRax 2001, 522, 524; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 14 EG-BewVO Rz. 6. 40 Zu den drohenden Fehlern bei der Auslegung ausländischer Aussageverweigerungsrechte vgl. eindrücklich (zu einem Strafverfahren) EuGH v. 10.12.2002 – C-153/00, ECLI:EU:C:2002:735 – Paul der Weduwe, EuGHE 2002 I 11319, 11351 Rz. 37 (zu einem belgisch-luxemburgischen Fall). 41 Vgl. v. Hoffmann/Thorn, IPR, 9. Aufl. 2007, § 3 Rz. 139; Schack, IZVR, Rz. 764. 42 Siehe zu Art. 11 HBÜ Cour d’Appel de Paris v. 18.9.2003 – 2002/18509, IPRax 2005, 451, 453: Berufung auf 5th Amendment der US-Verfassung abgelehnt, weil gegen den Betroffenen kein Strafverfahren anhängig; ähnlich Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 4; zum Problemkreis Reufels/Scherer, IPRax 2005, 456, 458 f.
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Art. 16 EU-BewVO Ablehnung der Erledigung 5. Entbindung von Aussageverboten 14
Über Ausnahmen oder die Entbindung von einer nach dem Recht des ersuchenden Staates bestehenden Verschwiegenheitsverpflichtung entscheidet ebenfalls dieses Recht, nicht das des Rechtshilfegerichts.43 Existiert daneben eine Verschwiegenheitspflicht nach dem Recht des Rechtshilfegerichts, stellt sich die Frage, ob die Entpflichtung auch insoweit Wirkung entfaltet. Dies ist zu bejahen, sofern der zur Entpflichtung Berechtigte nach beiden Rechtsordnungen dieselbe Person ist (z.B. der Mandant eines Rechtsanwalts). Hinsichtlich formaler Voraussetzungen (etwa Schriftform, Einhaltung einer besonderen Formulierung usw) sind beide Rechte kumulativ zu beachten.44 Schwierigkeiten können entstehen, wenn das Recht zur Entpflichtung von der ursprünglich geschützten Partei (wie z.B. dem Mandanten eines Rechtsanwalts) auf einen Dritten (z.B. Vermögens- oder Insolvenzverwalter, Testamentsvollstrecker etc.) übergegangen ist. Bestehen Zweifel an der Entpflichtungsbefugnis des Dritten, ist gem. Art. 16 Abs. 1 lit. b Alt. 2 EU-BewVO eine Bestätigung des ersuchenden Gerichts einzuholen. Auch wenn der Dritte nach dem Recht des Prozessgerichts eine wirksame Entpflichtung des Zeugen aussprechen kann, ist gesondert zu prüfen, ob diese von dem nach dem Recht des ersuchten Gerichts bestehenden Aussageverbot befreit.45 Sieht das nationale Recht eine Befreiung von einem Berufsgeheimnis vor, wenn der Geheimnisträger zur Vernehmung durch Justizbehörden geladen wird, sind hierunter nicht nur die einheimischen Gerichte, sondern auch die entsprechenden Organe der anderen Mitgliedstaaten zu verstehen.46 6. Form und Frist
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Obwohl Art. 16 Abs. 4 EU-BewVO die Verwendung des Formblatts K ausdrücklich nur für die in Abs. 2 normierten Ablehnungsgründe vorschreibt, ist dieses Formular nach der Vorstellung des Verordnungsgebers auch dann zu verwenden, wenn das Ersuchen auf Grund des Abs. 1 nicht erledigt wird (s. Formblatt K Nr. 6.1).47 Hingegen gilt die in Art. 16 Abs. 4 EU-BewVO genannte 60-TageFrist nicht für Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO, sondern nur für Art. 16 Abs. 2 EU-BewVO.48 Für Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO bleibt es bei der allgemeinen 90-Tage-Frist nach Art. 12 Abs. 1 EU-BewVO, die angesichts der mit der Feststellung von Aussageverweigerungsrechten verbundenen Verzögerungen auch sachgerechter ist.49
II. Ersuchen außerhalb des Anwendungsbereichs der EU-BewVO 16
Zum Anwendungsbereich der Verordnung s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 1 ff. Abweichend von Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO muss es nicht „offenkundig“ sein, dass der Anwendungsbereich der EU-BewVO nicht eröffnet ist.50
43 Vgl. (zu einem Strafverfahren) die Stellungnahme der luxemburgischen Regierung in GA Léger Schlussanträge v. 23.4.2002 – C-153/00, ECLI:EU:C:2002:735 – Paul der Weduwe, EuGHE 2002 I 11321, 11335 Rz. 48. 44 Ebenso Mosser in Fasching/Konecny, Art. 14 EG-BewVO Rz. 15; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EGBewVO Rz. 5; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 36. 45 OLG Hamburg v. 3.5.2002 – 2 Va 4/01, RIW 2002, 717, 719 ff. (zu Art. 11 HBÜ). 46 So die luxemburgische Regierung in GA Léger Schlussanträge v. 23.4.2002 – C-153/00, ECLI:EU:C:2002:735 – Paul der Weduwe, EuGHE 2002 I 11321, 11335 Rz. 48, zu § 458 luxemb. StGB. 47 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 8; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 14 EG-BewVO Rz. 2; Klauser, S. 5; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 14 EG-BewVO Rz. 4. 48 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 8; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 39; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 14 EG-BewVO Rz. 4. 49 A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 39: unverzüglich. 50 Dies betonen auch Berger, IPRax 2001, 522, 523; Klauser, S. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 25.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 16 EU-BewVO
III. Fehlende Gerichtsbarkeit 1. Gerichtsbarkeit im völkerrechtlichen Sinne Gemäß Art. 16 Abs. 2 lit. b EU-BewVO (entspricht Art. 12 Abs. 1 lit. a HBÜ) kann die Erledigung des Ersuchens abgelehnt werden, wenn sie nach dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts nicht in den Bereich der Gerichtsbarkeit fällt. Unter Gerichtsbarkeit iS dieser Vorschrift ist zunächst die Gerichtsbarkeit i.S.d. §§ 18–20 GVG zu verstehen, d.h. „die Befugnis, Recht zu sprechen, notfalls unter Zuhilfenahme der Zwangsgewalt“.51 An dieser Gerichtsgewalt kann es in Bezug auf eine Auskunftsperson insoweit fehlen, als diese nach den einschlägigen Wiener Übereinkommen über diplomatische bzw. konsularische Beziehungen (WÜD, WÜK) exemt ist, d.h. persönliche oder auf das Amt beschränkte Immunität genießt.52 Diese Immunität schränkt auch die Mitwirkungspflichten der betreffenden Personen in Zivilrechtsstreitigkeiten unter Dritten ein. Gemäß Art. 31 Abs. 2 WÜD ist ein Diplomat nicht dazu verpflichtet, als Zeuge auszusagen.53 Art. 44 WÜK befreit Mitglieder einer konsularischen Vertretung von der Zeugnispflicht.54 Ferner regelt die Vorschrift Einzelheiten zur Vernehmung (soweit möglich, im Konsulat oder der Wohnung des Konsuls, Art. 44 Abs. 2 WÜK) und begründet die auf Amtsgeschäfte beschränkte Immunität des technischen Dienstes und des Hauspersonals (Art. 44 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 WÜK). Auch als Sachverständige über das Recht des Entsendestaates müssen Konsuln und Diplomaten nicht aussagen.55 Da über die Befreiung von der Gerichtsgewalt nach Art. 16 Abs. 2 lit. b EU-BewVO das Recht des Mitgliedstaats des ersuchten Gerichts entscheidet, reicht es aus, wenn ein Diplomat oder Konsul zwar nicht von einem Vertragsstaat des WÜD bzw. des WÜK entsandt worden ist, aber aufgrund der autonomen Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Übereinkommen nach §§ 18 S. 2, 19 Abs. 1 S. 2 GVG in den Genuss entsprechender Privilegien kommt. Zur Immunität internationaler Einrichtungen in Deutschland ist das Gaststaatgesetz zu beachten.56 Zu weiteren Befreiungen s. § 20 GVG. Ferner kann es an der Gerichtsbarkeit fehlen, wenn sich das Ersuchen auf Beweismittel bezieht, die nach dem WÜD, dem WÜK oder dem Gaststaatgesetz unter die Exterritorialität fallen (Unverletzlichkeit der Botschaftsgebäude, Archive, Korrespondenz usw).57
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Verstößt das Verfahren vor dem Prozessgericht gegen das Völkerrecht (z.B. weil es sich gegen ein am- 18 tierendes Staatsoberhaupt richtet), ist die Erledigung des Ersuchens ebenfalls nach Art. 16 Abs. 2 lit. b EU-BewVO abzulehnen, weil der Mitgliedstaat des ersuchten Gerichts sich andernfalls einer völkerrechtlich verbotenen Beihilfehandlung schuldig machen würde.58 Erst recht ist die Erledigung des Ersuchens zu versagen, wenn das Verfahren vor dem Prozessgericht gegen die Staatenimmunität der Bundesrepublik Deutschland verstößt,59 falls man insoweit nicht bereits den Anwendungsbereich nach Art. 1 EU-BewVO verneint (dann Art. 16 Abs. 2 lit. a EU-BewVO).60 Zwar hat die EU-BewVO den in Art. 12 Abs. 1 lit. b HBÜ normierten Ablehnungsgrund der Gefährdung der Hoheitsrechte des
51 So die Definition von „Gerichtsbarkeit“ bei Kropholler, IPR, 6. Aufl. 2006, § 57 I; Schack, IZVR, Rz. 176 bevorzugt auch insoweit den Ausdruck „Gerichtsgewalt“. 52 Hess, EuZPR, Rz. 8.51; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 13; zur allgemeinen Information s. das Rundschreiben des Bundesinnenministeriums vom 17.8.1993, „Diplomaten und andere bevorrechtigte Personen“, GMBl 1993, 591, ferner abgedruckt bei Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 52. Aufl. 2019, § 18 GVG Rz. 11. 53 Näher hierzu Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl. 2018, § 18 GVG Rz. 29. 54 Näher hierzu Kissel/Mayer, GVG, 9. Aufl. 2018, § 19 GVG Rz. 12. 55 Für Konsuln ausdrücklich geregelt in Art. 44 Abs. 3 S. 2 WÜK; gilt erst recht für Diplomaten, ebenso Kissel/ Mayer, GVG, 9. Aufl. 2018, § 18 GVG Rz. 29. 56 Gesetz über die Vorrechte, Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen in der Bundesrepublik Deutschland als Gaststaat internationaler Einrichtungen v. 30.11.2019, BGBl. 2019 I 1929. 57 Näher hierzu Supreme Court v. 8.2.2018 – Regina (Bancoult) v. Secretary of State for Foreign and Commonwealth Affairs (No 3) [2018] UKSC 3 = [2018] 1 WLR 973; Schack, IZVR, Rz. 185–187. 58 Ebenso Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 26; vgl. zu einer ähnlichen Konstellation Ewald Geimer, S. 190. 59 Z.B. im Falle Distomo, Areopag vom 4.5.2000, Krit. Justiz 33 (2000), 472, hierzu von Hein, YB PIL 3 (2001), 185 ff. m.w.N.; a.A. Knöfel, EuZW 2008, 267 f. 60 S. Art. 1 EU-BewVO Rz. 3.
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Art. 16 EU-BewVO Ablehnung der Erledigung ersuchten Staates nicht übernommen;61 daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass eine Verletzung von Hoheitsrechten hingenommen werden muss, sofern sie den Tatbestand eines vorhandenen Ablehnungsgrundes erfüllt. 2. Wesenseigene Zuständigkeit 19
Art. 16 Abs. 2 lit. b EU-BewVO erfasst neben der Gerichtsbarkeit im völkerrechtlichen Sinne die Gerichtsgewalt im innerstaatlichen Sinne, die sog. wesenseigene Zuständigkeit.62 Die Erledigung des Ersuchens kann auch dann abgelehnt werden, wenn sie vom ersuchten Gericht eine Tätigkeit verlangen würde, die mit seiner Rechtsprechungsfunktion schlechthin unvereinbar, ihr geradezu wesensfremd ist.63 Voraussetzung ist stets, dass sich das Ersuchen überhaupt auf eine Zivil- oder Handelssache bezieht; ist dies nicht der Fall, greift bereits Art. 16 Abs. 2 lit. a EU-BewVO ein.64 Art. 16 Abs. 2 lit. b EU-BewVO rechtfertigt nicht den Schluss, dass nur Bedienstete des Gerichts ein Rechtshilfeersuchen ausführen dürften.65 Auch ein supervising solicitor, der – wenn auch auf Antrag einer Partei – vom Rechtshilfegericht eingesetzt wird, um für eine ordnungsgemäße Durchführung einer search order zu sorgen, ist bei autonomer Auslegung der EU-BewVO ein Teil der Gerichtsgewalt, mag er auch nach der lex fori einer Common-Law-Rechtsordnung (zum „Brexit“ s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 51) ein unabhängiges Organ der Rechtspflege (officer of the court) darstellen.66 Gleiches gilt für Sachverständige67. Die im IZVR als tatsächliche Beispiele für das Fehlen der Gerichtsgewalt diskutierten Fälle sind zumeist älteren Datums oder beziehen sich auf außereuropäische oder religiöse Rechte.68 Art. 16 Abs. 3 Alt. 2 EU-BewVO stellt zudem klar, dass die Erledigung nicht allein deshalb abgelehnt werden darf, weil die lex fori des ersuchten Gerichts ein Verfahren nicht kennt, das dem entspricht, für welches das Ersuchen gestellt wird. Rechtshilfe ist folglich auch zu leisten, wenn es im Ausgangsverfahren z.B. um eine Trennung von Tisch und Bett, eine dem deutschen Recht der Form nach unbekannte Sammelklage usw geht.69 Fehlende Gerichtsgewalt liegt vor, wenn das autonome Prozessrecht des ersuchten Gerichts eine Vernehmung unter Eid schlechthin ablehnt (s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 24). Eine nicht nach Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO ordre-public-widrige Form der Beweisaufnahme dürfte aber kaum je „wesensfremd“ sein.70 Als möglicher Fall fehlender Gerichtsgewalt wird ferner der zugeschobene Eid nach französischem Recht angeführt.71 Dieses Institut ist dem deutschen Recht zwar unbekannt; da die ZPO aber grundsätzlich Eide zulässt, ist auch insoweit Rechtshilfe zu leisten (ebenso § 131 Abs. 3 ZRHO).72 Zwangsmaßnahmen scheiden hier jedoch aus (Art. 15 EU-BewVO). 61 Alio, NJW 2004, 2706, 2709; Bonatti, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 211, 224; Mougenot, J. T. 2002, 17, 20. 62 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 27; näher zu dieser Rechtsfigur von Hein in MünchKomm/ BGB, 8. Aufl. 2020, Einl. IPR Rz. 334, m.w.N. 63 Fumagalli, Riv. dir. int. priv. proc. 2002, 327, 339; Volken, Die Internationale Rechtshilfe in Zivilsachen (1996), Rz. 3/149 (zu Art. 12 Abs. 1 lit. a HBÜ); vgl. auch von Hein in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Einl. IPR Rz. 334. 64 Verfehlt daher das Beispiel (zu Art. 12 Abs. 1 lit. a HBÜ) von Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen (1987), S. 215: Ersuchen um Auskünfte, die allein eine deutsche Finanzbehörde erteilen könne; ähnlich Bruneau, JClP (G) 2001, I 349, p 1771 (von Verwaltungsorgan gestelltes Ersuchen). 65 So aber die britische Regierung, zitiert nach GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-52 Rz. 101. 66 GA Kokott Schlussanträge v. 18.7.2007 – C-175/06 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-52 Rz. 103; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 14 EG-BewVO Rz. 7; Heinze, IPRax 2008, 480, 482; Janal, § 15 Rz. 38. 67 GA Kokott Schlussanträge 18.7.2007 – C-175/06 – Alessandro Tedesco vs. Tomasoni Fittings Srl und RWO Marine Equipment Ltd., EuLF 2008, I-42, I-52 Rz. 104; Grabinski, FS Schlling, 2007, S. 191, 199. 68 Siehe das Fallmaterial bei von Hein in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Einl. IPR Rz. 334. 69 Zustimmend Mosser in Fasching/Konecny, Art. 14 EG-BewVO Rz. 22. 70 Zutreffend Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 27. 71 Hierzu im Ergebnis verneinend Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 158, Fn. 60; Blaschczok, S. 153 (zu Art. 12 Abs. 1 lit. a HBÜ); Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 123 (zu Art. 11 Abs. 3 Nr. 2 HaagZivPrÜbk 1954). 72 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 158, Fn. 60; Blaschczok, S. 153 (zu Art. 12 Abs. 1 lit. a HBÜ); Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 123 (zu Art. 11 Abs. 3 Nr. 2 HaagZivPrÜbk 1954); i.E. ebenso Geimer, IZPR, Rz. 2491; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 14 EG-BewVO Rz. 7; für ordre-public-Widrigkeit des zugeschobenen Eides vor dem deutschen Gericht als Prozessgericht (!) aber Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht (1983), Rz. 617 f.; Schack, IZVR, Rz. 817.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 16 EU-BewVO
IV. Formale Fehler des Ersuchens Entspricht das ersuchende Gericht der Aufforderung des ersuchten Gerichts auf Ergänzung des Ersuchens gem. Art. 10 EU-BewVO nicht innerhalb von 30 Tagen, nachdem das ersuchte Gericht das ersuchende Gericht um Ergänzung des Ersuchens gebeten hat, liegt nach Art. 16 Abs. 2 lit. c EUBewVO ein Ablehnungsgrund vor. Ein Ablehnungsgrund besteht indes nicht, wenn die verzögerte Vervollständigung auf Fehler des ersuchten Gerichts zurückzuführen ist, wie z.B. eine unklare und missverständliche Bezeichnung der fehlenden Angaben im Ersuchen nach Art. 10 Abs. 1 EU-BewVO.73
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Der Lauf der 30-Tage-Frist sollte sinnvollerweise mit Eingang der Aufforderung beim ersuchenden 21 Gericht beginnen.74 Wird das Ersuchen unter Überschreitung der 30-Tage-Frist vervollständigt, empfiehlt es sich, das verspätet komplettierte Ersuchen als ein neues Ersuchen zu betrachten,75 solange noch nicht über die Ablehnung des Ersuchens entschieden worden ist. Es wäre hier eine unnütze Förmelei, die beim ersuchten Gericht nun vollständig vorliegenden Unterlagen zurückzuschicken, nur um dem ersuchenden Gericht anheim zu stellen, sie erneut einzureichen. Das ersuchende Gericht ist mit einer Empfangsbestätigung nach Art. 9 Abs. 1 EU-BewVO über den Eingang des „neuen“ Ersuchens zu informieren. Erreichen die Unterlagen das ersuchte Gericht aber erst nach der Entscheidung über die Ablehnung, ist das ursprüngliche Ersuchen bereits i.S.d. Art. 18 EU-BewVO erledigt und lebt nicht wieder auf.76 Das ersuchende Gericht kann aber auch in diesem Fall das vervollständigte Ersuchen als neues Ersuchen anbringen. In diesem Fall ist, sofern noch nicht geschehen, von der in Art. 18 EU-BewVO vorgesehenen Zurücksendung der Schriftstücke an das ersuchende Gericht zweckmäßigerweise abzusehen. Schöpft das ersuchte Gericht die ihm nach Art. 10 EU-BewVO für die Aufforderung zur Vervollständigung zur Verfügung stehende 30-Tage-Frist voll aus und lässt sich anschließend das ersuchende Gericht nach Art. 16 Abs. 2 lit. c EU-BewVO ebenfalls 30 Tage Zeit für die Antwort, ist die in Art. 16 Abs. 4 EU-BewVO normierte 60-Tage-Frist für die Ablehnungsentscheidung praktisch nicht einzuhalten.77 In diesem Fall sollte das ersuchte Gericht über die Ablehnung analog Art. 12 Abs. 1 EU-BewVO unverzüglich, spätestens aber nach 90 Tagen ab Eingang des Ersuchens entscheiden.78 Nach anderer Ansicht ist an der in Art. 16 Abs. 4 EU-BewVO genannten 60-Tages-Frist festzuhalten; diese soll aber erst mit dem Ablauf der Fristen für die Reaktion des ersuchenden Gerichts gem. Art. 10 EU-BewVO zu laufen beginnen.79 Letztlich können diese auch nach der Neufassung der Verordnung fortbestehenden evidenten handwerklichen Mängel der Verordnungsregelung nur durch den EuGH repariert werden. Ferner kann die Erledigung wegen der Nicht-Einzahlung eines Vorschusses bzw. einer Kaution, die 22 gem. Art. 22 Abs. 3 EU-BewVO verlangt wurden, abgelehnt werden (Art. 16 Abs. 2 lit. d EU-BewVO). Die 60-Tage-Frist für die Kautionszahlung nach dieser Vorschrift sollte mit Eingang der Aufforderung beim ersuchenden Gericht beginnen. Problematisch ist auch hier die in Art. 16 Abs. 4 EU-BewVO vorgesehene 60-Tage-Frist für die Ablehnungsentscheidung des ersuchten Gerichts, da diese Frist bereits überschritten ist, wenn das gem. Art. 10 EU-BewVO nach 30 Tagen zur Zahlung aufgeforderte Gericht seinerseits fristgemäß erst nach 60 Tagen zahlt.80 Gegebenenfalls ist analog Art. 12 Abs. 1 EU73 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 14. 74 Klauser, S. 3; zweifelnd Berger, IPRax 2001, 522, 524. 75 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 8 EG-BewVO Rz. 3; wohl auch Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 14 EG-BewVO Rz. 8; a.A. Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 14 in Fn. 30; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 29: Trotz Verfristung sei ursprüngliches Ersuchen zu erledigen. 76 Ebenso Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 29 in Fn. 24. 77 Näher Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 19 mit dem Vorschlag, analog Art. 10 EUBewVO dem ersuchten Gericht noch einmal dreißig Tage einzuräumen; abl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-BewVO Rz. 21; s. zur Problematik auch Rauscher, IPRax 2012, 40, 45, der plastisch von einer „Morgengrauenregelung“ spricht. 78 A.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-BewVO Rz. 21, weil eine nicht laufende Frist auch nicht analog herangezogen werden dürfe. 79 So Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-BewVO Rz. 21. 80 Näher Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 19, auch insoweit mit dem Vorschlag, analog Art. 10 EU-BewVO dem ersuchten Gericht noch einmal dreißig Tage einzuräumen; abl. Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 30.
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Art. 17 EU-BewVO Mitteilung über Verzögerungen BewVO unverzüglich nach Feststellung der Nicht-Zahlung eine Ablehnungsentscheidung herbeizuführen.
V. Unzulässigkeit der Ablehnung 23
Wie schon nach Art. 12 Abs. 2 HBÜ darf gem. Art. 16 Abs. 3 EU-BewVO die Erledigung des Ersuchens nicht verweigert werden, weil die Gerichte des ersuchten Staates für das Ausgangsverfahren ausschließlich zuständig wären.81 Da die Regelung in Art. 16 EU-BewVO nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift abschließend ist (s. Abs. 2: „nur“), darf für andere als die in Art. 16 Abs. 2 lit. d EU-BewVO i.V.m. Art. 22 Abs. 3 EU-BewVO genannten Kosten kein Vorschuss verlangt werden.82 Insbesondere ist es unzulässig, die Erledigung des Rechtshilfeersuchens von der Zahlung eines Vorschusses für die Entschädigung eines Zeugen abhängig zu machen.83 Aufgrund des abschließenden Charakters der Ablehnungsgründe kommt auch eine Berufung auf einen ungeschriebenen ordre-public-Vorbehalt nicht in Betracht.84 Davon unberührt bleibt die spätere Nicht-Anerkennung eines vom Prozessgericht erlassenen Urteils nach Art. 45 Brüssel Ia-VO.85 Zur Rechtshilfe für Verfahren, die dem Recht des ersuchten Gerichts unbekannt sind, s. Rz. 19.
VI. Rechtsbehelfe 24
Die EU-BewVO enthält selbst keine Regelung über Rechtsbehelfe gegen positive oder ablehnende Entscheidungen des ersuchten Gerichts. Insoweit gilt daher ergänzend die lex fori des ersuchten Gerichts.86 Zur Entscheidung über das Bestehen von Aussageverweigerungsrechten nach Art. 16 Abs. 1 EU-BewVO s. Rz. 9. Bei einer Entscheidung nach Art. 16 Abs. 2 EU-BewVO handelt es sich um einen Justizverwaltungsakt, so dass die Anfechtung nach § 23 EGGVG möglich ist.87
Artikel 17 Mitteilung über Verzögerungen Ist das ersuchte Gericht nicht in der Lage, das Ersuchen innerhalb von 90 Tagen nach Eingang des Ersuchens zu erledigen, setzt es das ersuchende Gericht unter Verwendung des Formblatts J in Anhang I hiervon in Kenntnis. Dabei gibt es die Gründe für die Verzögerung sowie den Zeitraum, den es nach seiner Einschätzung für die Erledigung des Ersuchens voraussichtlich benötigen wird, an.
81 Näher Romano, Riv. dir. proc. 2005, 221, 240. ´ ski vs. Mediatel 4B spólka z.o.o., EuGHE 2011 I 82 EuGH v. 17.2.2011 – C-283/09, ECLI:EU:C:2011:85 – Weryn 601. ´ ski vs. Mediatel 4B spólka z.o.o., EuGHE 2011 I 83 EuGH v. 17.2.2011 – C-283/09, ECLI:EU:C:2011:85 – Weryn 601. 84 Berger, IPRax 2001, 522, 523; Kreuzer/Wagner/Häcker in Dauses/Ludwigs, Rz. Q III 44; Huber in Gebauer/ Wiedmann, Art. 14 EG-BewVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 14 EG-BewVO Rz. 19; Schmidt, Rz. 347; Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden Nr. 45. 85 Betetto, EuLF 2006, I-137, I-140; Frigo/Fumagalli, S. 173; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 14 EG-BewVO Rz. 11; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 24; Musger in Rat der Europäischen Union, 2004, S. 205, 223. 86 Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 203; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 55. 87 Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 14 EG-BewVO Rz. 8–11; ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 14 EGBewVO Rz. 17; Schütze in Wieczorek/Schütze, Vor §§ 1072–1075 ZPO Rz. 4; Geimer, IZPR, Rz. 2495; eingehend zu Rechtsmitteln in der internationalen Beweisaufnahme Ewald Geimer, S. 229–234; zum französischen Recht Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 229.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 19 EU-BewVO
Zur Pflicht zur unverzüglichen Erledigung des Ersuchens s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 1 f. Die Gründe für eine Verzögerung können tatsächlicher Art sein (Arbeitsüberlastung, Nicht-Erreichbarkeit der Beweisperson, Schaffung technischer Voraussetzungen z.B. bei Antrag auf Videokonferenz) oder auf der Notwendigkeit einer vertieften rechtlichen Prüfung des Ersuchens beruhen. Die Begründungspflicht gebietet hinreichend substantiierte, inhaltlich nachvollziehbare Ausführungen.1 Zur Sprache: Art. 6 EU-BewVO.
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Artikel 18 Verfahren nach Erledigung des Ersuchens Das ersuchte Gericht übermittelt dem ersuchenden Gericht unverzüglich die Schriftstücke, die die Erledigung des Ersuchens bestätigen, und sendet gegebenenfalls die Schriftstücke, die ihm von dem ersuchenden Gericht zugegangen sind, zurück. Diesen Schriftstücken ist eine Erledigungsbestätigung unter Verwendung des Formblatts K in Anhang I beizufügen. Formblatt K ist ungeachtet des Art. 16 Abs. 4 EU-BewVO auch im Falle des Art. 16 Abs. 1 EUBewVO zu verwenden, s. Art. 16 EU-BewVO Rz. 15. Zu den Schriftstücken, aus denen sich die Erledigung des Ersuchens ergibt, gehört in erster Linie das Protokoll, für dessen Erstellung § 128 Abs. 7 ZRHO zu beachten ist.1 Wird die Beweisaufnahme gem. Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO oder Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO in anderer Weise dokumentiert (z.B. Videoaufzeichnung der Vernehmung [s. Art. 12 EUBewVO Rz. 39], Fotos bei Augenscheinseinnahme), sind diese Aufzeichnungen selbstverständlich ebenfalls zu übersenden. Unter den in Art. 16 EU-BewVO Rz. 21 genannten Voraussetzungen kann von der Rücksendung von Schriftstücken des ersuchenden Gerichts abgesehen werden. Für die Aktenführung gilt im Übrigen die lex fori des ersuchten Gerichts.2 Näheres regelt § 135 ZRHO.
Abschnitt 4 Unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht und Beweisaufnahme durch Bedienstete diplomatischer oder konsularischer Vertretungen (Art. 19–Art. 21)
Artikel 19 Unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht (1) Beantragt ein Gericht eine unmittelbare Beweisaufnahme in einem anderen Mitgliedstaat, so richtet es an die Zentralstelle oder die zuständige Behörde dieses Mitgliedstaats unter Verwendung des Formblatts L in Anhang I ein entsprechendes Ersuchen. (2) Die unmittelbare Beweisaufnahme ist nur statthaft, wenn sie freiwillig und ohne Einsatz von Zwangsmaßnahmen durchgeführt werden kann. Macht die unmittelbare Beweisaufnahme die Vernehmung einer Person erforderlich, so teilt das ersuchende Gericht dieser Person mit, dass die Beweisaufnahme freiwillig erfolgt. (3) Die unmittelbare Beweisaufnahme wird von einem Gerichtsangehörigen oder von einer anderen Person wie etwa einem Sachverständigen durchgeführt, der/die nach dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts bestimmt wird.
1 Ebenso Klauser, Rz. 1; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 15 EG-BewVO Rz. 1. 1 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 15 EG-BewVO (ohne Rz.); Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 15 EG-BewVO Rz. 1. 2 Vgl. Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 16 EG-BewVO Rz. 1.
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Art. 19 EU-BewVO Unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht (4) Innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des Ersuchens um unmittelbare Beweisaufnahme teilt die Zentralstelle oder die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats dem ersuchenden Gericht unter Verwendung des Formblatts M in Anhang I mit, ob dem Ersuchen stattgegeben wurde und setzt, soweit erforderlich, das ersuchende Gericht davon in Kenntnis, unter welchen Bedingungen die unmittelbare Beweisaufnahme nach Maßgabe des Rechts ihres Mitgliedstaats durchzuführen ist. Die Zentralstelle oder die zuständige Behörde kann insbesondere ein Gericht ihres Mitgliedstaats bestimmen, das an der unmittelbaren Beweisaufnahme teilnimmt, um sicherzustellen, dass dieser Artikel ordnungsgemäß angewandt wird und die Bedingungen, unter denen die unmittelbare Beweisaufnahme durchzuführen ist, eingehalten werden. (5) Wurde dem ersuchenden Gericht nicht innerhalb von 30 Tagen nach Bestätigung des Eingangs des Ersuchens um unmittelbare Beweisaufnahme mitgeteilt, ob dem Ersuchen stattgegeben wird, so kann es an die Zentralstelle oder zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats eine Erinnerung senden. Erhält das ersuchende Gericht innerhalb von 15 Tagen nach Bestätigung des Eingangs dieser Erinnerung keine Antwort, so wird davon ausgegangen, dass dem Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme stattgegeben wurde. Wenn jedoch aufgrund außergewöhnlicher Umstände die Zentralstelle oder die zuständige Behörde daran gehindert war, auch innerhalb der auf die Erinnerung folgenden Frist auf das Ersuchen zu reagieren, können ausnahmsweise noch nach Ablauf dieser Frist jederzeit bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen unmittelbaren Beweisaufnahme Gründe für die Ablehnung der unmittelbaren Beweisaufnahme geltend gemacht werden. (6) Die Zentralstelle oder die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats kann ein Gericht ihres Mitgliedstaats beauftragen, praktische Unterstützung bei der unmittelbaren Beweisaufnahme zu leisten. (7) Die Zentralstelle oder die zuständige Stelle des ersuchten Mitgliedstaats kann das Ersuchen um unmittelbaren Beweisaufnahme nur ablehnen, wenn a) es nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt, b) es nicht alle nach Artikel 5 erforderlichen Angaben enthält oder c) die beantragte unmittelbare Beweisaufnahme wesentlichen Rechtsgrundsätzen ihres Mitgliedstaats zuwiderläuft. (8) Unbeschadet der nach Absatz 4 festgelegten Bedingungen nimmt das ersuchende Gericht die unmittelbare Beweisaufnahme nach Maßgabe des Rechts seines Mitgliedstaats vor. I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1. 2. 3. 4.
Genehmigung durch die Zentralstelle . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mangelnde Anwendbarkeit der EU-BewVO . Unvollständiges Ersuchen . . . . . . . . . . . Ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beurteilungsspielraum der Zentralstelle . b) Ordre-public-Verstoß trotz Freiwilligkeit der Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . c) Behebbarkeit des ordre-public-Verstoßes durch Bedingungen . . . . . . . . . . . . . 5. Einsatz von Kommunikationstechnologien .
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8
. 9 . 12
6. 7. 8. III. 1. 2. 3. 4. 5.
Bereitstellung von Räumlichkeiten . . Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . Durchführung der unmittelbaren Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . Beauftragte des ersuchenden Gerichts Freiwilligkeit und Hinweispflicht . . . Beteiligung der Parteien und Sprache Praktische Unterstützung . . . . . . . Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Einführung 1
Die Ermöglichung der unmittelbaren Beweisaufnahme im Ausland durch das Prozessgericht selbst stellt eine herausragende Innovationsleistung der EU-BewVO dar. Im vertraglosen Rechtshilfeverkehr scheidet dieser Weg wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung der territorialen Souveränität
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 19 EU-BewVO
des Staates, in dem die Beweisaufnahme erfolgen soll, in der Regel aus.1 Art. 17 HBÜ sieht zwar bereits eine genehmigungspflichtige Beweisaufnahme durch Beauftragte vor; hierbei ist jedoch eher an private commissioners des anglo-amerikanischen Rechts als an Gerichtsangehörige gedacht.2 Zwar konnten sich die Gerichtsangehörigen auch selbst zu Beauftragten ernennen;3 hiervon wurde in der Praxis aber kaum Gebrauch gemacht. Wesentlich größere Bedeutung hatte die konsularische Beweisaufnahme (Art. 15, 16 HBÜ), die durch Art. 21 EU-BewVO unionsrechtlich eigenständig geregelt worden ist (s. Art. 21 EU-BewVO Rz. 1 ff.). Die unmittelbare Beweisaufnahme durch das Prozessgericht bietet zwei Vorteile: Erstens wird der Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 355 ZPO) gewahrt;4 die erforderliche innerstaatliche Ermächtigungsgrundlage schafft § 1073 Abs. 2 ZPO. Zweitens erfolgen Beweisaufnahme und spätere Beweiswürdigung nach demselben Verfahrensrecht.5 Ein erheblicher Nachteil besteht indes darin, dass die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber der Beweisperson ausscheidet (Art. 19 Abs. 2 EU-BewVO).6 Die Kommission hatte bei der Reform der EU-BewVO (s. Einl. EU-BewVO Rz. 6) zwar die ersatzlose Streichung des Abs. 2 vorgeschlagen, konnte sich damit aber nicht durchsetzen (s. Rz. 19). Ferner bedarf die Durchführung einer unmittelbaren Beweisaufnahme im Gegensatz zur Erledigung eines Rechtshilfeersuchens nach Abschnitt 3 der vorherigen Genehmigung durch die Zentralstelle (Art. 19 Abs. 1 EU-BewVO).7 Der EuGH hat die praktische Bedeutung des Art. 19 EU-BewVO zudem stark eingeschränkt, indem er entschieden hat, dass z.B. bei der Auslandstätigkeit eines Gerichtssachverständigen die Einhaltung des in Art. 19 EU-BewVO vorgesehenen Rechtshilfeweges „nicht unbedingt“ erforderlich sei, sondern nur, wenn dieser zur Durchführung seines Auftrags hoheitliche Befugnisse in Anspruch nehmen müsse (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 20). Unterlässt das Gericht die Stellung eines Ersuchens, obwohl dem Antrag hätte stattgegeben werden müssen, sollen die erlangten Beweise überdies nach deutschem Prozessrecht keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen.8 Die praktische Anwendung der Vorschrift ist gem. Art. 32 EU-BewVO regelmäßig zu überprüfen (s. Art. 33 EU-BewVO Rz. 1 ff.).
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II. Genehmigung durch die Zentralstelle 1. Allgemeines Ein Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme ist der Zentralstelle bzw. der zuständigen Behörde 3 nach Art. 4 Abs. 3 EU-BewVO zu übermitteln (Art. 19 Abs. 1 EU-BewVO). Zu den in Deutschland zuständigen Stellen s. Art. 4 EU-BewVO Rz. 11 f. Die Verwendung des Formblattes L ist zwingend (Art. 19 Abs. 1 EU-BewVO). Die Zentralstelle prüft unter Einhaltung der in Art. 19 Abs. 4 S. 1 EUBewVO genannten Form (Formblatt M) und Frist (30 Tage nach Eingang des Ersuchens), ob ein Ablehnungsgrund i.S.d. Art. 19 Abs. 7 EU-BewVO vorliegt. Im Zuge der Reform der EU-BewVO wurde ein neuer Abs. 5 in Art. 19 EU-BewVO eingefügt, nach dem davon auszugehen ist, dass dem Antrag stattgegeben wurde, wenn dem ersuchenden Gericht nicht innerhalb der 30-Tagesfrist eine Entscheidung mitgeteilt worden ist und auch eine Erinnerung fruchtlos blieb (s. Rz. 14). Nach Art. 19 Abs. 7 EU-BewVO kann ein Ersuchen nur insoweit abgelehnt werden, als einer der in diesem Absatz abschließend aufgeführten Gründe gegeben ist. Obwohl Art. 19 Abs. 7 EU-BewVO ebenso wie § 136 1 Zur Möglichkeit einer bilateral abgestimmten Praxis im Hinblick auf grenzüberschreitende Videovernehmungen s. aber Kohake, DRiZ 2021, 378, 381. 2 Zu den Unterschieden zwischen Art. 17 HBÜ und Art. 17 EG-BewVO (Art. 19 EU-BewVO) ausführlich Berger, IPRax 2001, 522, 526; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 159. 3 Berger, IPRax 2001, 522, 526. 4 Berger, IPRax 2001, 522, 526; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 159; Hess in GS Blomeyer, 2004, S. 617, 629; Mayr, Rz. VIII/23; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1297 f. 5 Berger, IPRax 2001, 522, 526; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 159; Hess in GS Blomeyer, 2004, S. 617, 629; Mayr, Rz. VIII/23. 6 Anders noch Art. 18 HBÜ, hierzu Müller, S. 116 f.; de lege ferenda kritisch Janal, § 15 Rz. 92; Knöfel, RIW 2018, 712, 715 f.; Rechberger/McGuire, ZZPInt 10 (2005), 81, 95; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 697. 7 Zur Kritik de lege ferenda Janal, § 15 Rz. 15, m.w.N. 8 So OLG Oldenburg v. 29.11.2012 – 8 W 102/12, IPRspr. 2012 Nr. 255; Lafontaine, DAR 2020, 541; Mansel/ Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1, 21; Windau, jM 2021, 178, 183.
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Art. 19 EU-BewVO Unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht Abs. 5 S. 1 ZRHO dem Wortlaut nach als „Kann“-Vorschrift ausgestaltet ist, ist die Zentralstelle im Falle des Vorliegens der dort genannten Voraussetzungen zur Ablehnung des Ersuchens verpflichtet.9 Im Falle einer Ablehnung ist ein Ersuchen der Landesjustizverwaltung vorzulegen (§ 136 Abs. 5 S. 2 ZRHO). Wird ein Ersuchen an eine unzuständige Behörde gerichtet, sieht die EU-BewVO keine Pflicht zur Weiterleitung vor.10 Sie steht einer entsprechenden Verwaltungspraxis aber auch nicht entgegen.11 2. Mangelnde Anwendbarkeit der EU-BewVO 4
Ein Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme ist gem. Art. 19 Abs. 7 lit. a EU-BewVO abzulehnen, wenn der Anwendungsbereich der Verordnung nicht gegeben ist (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 1 ff.). Wie bei Art. 16 Abs. 2 lit. a EU-BewVO muss dies – anders als nach Art. 10 Abs. 3 EU-ZustVO – nicht „offenkundig“ sein. 3. Unvollständiges Ersuchen
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Ein Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme ist gem. Art. 19 Abs. 7 lit. b EU-BewVO abzulehnen, wenn das Ersuchen nicht alle nach Art. 5 EU-BewVO erforderlichen Angaben enthält.12 Anders als das ersuchte Gericht (vgl. Art. 10, 16 Abs. 2 lit. c EU-BewVO) ist die Zentralstelle nicht dazu verpflichtet, dem ersuchenden Gericht Gelegenheit zur Vervollständigung des Ersuchens binnen 30 Tagen zu geben.13 Der gesamte Abschnitt 2 ist, wie sich aus der Formulierung der Art. 9–11 EU-BewVO ergibt, in denen durchgängig vom „ersuchten Gericht“ als dem Adressaten des Ersuchens die Rede ist, nicht unmittelbar auf die Bearbeitung eines Ersuchens durch die Zentralstelle anzuwenden. Da Art. 19 Abs. 7 EU-BewVO Verstöße gegen Art. 6 EU-BewVO (falsche Sprache) oder Art. 7 EU-BewVO (Unleserlichkeit) nicht als Ablehnungsgründe normiert, ergibt sich insoweit eine Regelungslücke. Dem Grundgedanken mitgliedstaatlicher Kooperation entspricht es aber, die Zentralstelle in analoger Anwendung des Art. 9 Abs. 1 EU-BewVO für verpflichtet zu halten, das ersuchende Gericht auf die Verwendung einer falschen Sprache oder Lesbarkeitsmängel formlos hinzuweisen.14 Entsprechend Art. 11 Abs. 1 EU-BewVO beginnt die 30-Tage-Frist des Art. 19 Abs. 4 S. 1 EU-BewVO in diesem Fall erst dann zu laufen, wenn das Ersuchen in sprachlich korrekter bzw. lesbarer Form bei der Zentralstelle eingegangen ist. 4. Ordre public a) Beurteilungsspielraum der Zentralstelle
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Die unmittelbare Beweisaufnahme verläuft grundsätzlich nach dem Recht des ersuchenden Gerichts (Art. 19 Abs. 8 EU-BewVO). Ein Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme ist jedoch gem. Art. 19 Abs. 7 lit. c EU-BewVO abzulehnen, wenn die beantragte unmittelbare Beweisaufnahme mit dem ordre public („wesentlichen Rechtsgrundsätzen“) des ersuchten Mitgliedstaates unvereinbar ist.15 9 Ebenso grundsätzlich Fucik in Fasching/Konecny, Art. 17 EG-BewVO Rz. 6, aber mit Einschränkungen, z.B. für Sozialrechtssachen (Rz. 7); anders, im Sinne einer rechtshilfefreundlichen Auslegung, Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 17 EG-BewVO Rz. 9. 10 Für analoge Anwendung des Art. 9 Abs. 2 EU-BewVO Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 13. 11 Ebenso Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 57. 12 Hinsichtlich der Beschreibung der Beweisaufnahme für eine großzügigere Handhabung aber Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 39. 13 Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 43; ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 7, der aber für kooperative Handhabung plädiert. 14 Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.155; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 44; Schlosser in Schlosser/ Hess, Art. 17 EG-BewVO Rz. 4; a.A. Schmidt, Rz. 349: erneute Antragstellung nötig; hierzu auch Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 8. 15 De lege ferenda für die Abschaffung des ordre-public-Vorbehalts McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 114; für restriktivere Formulierung (nur bei „offensichtlicher“ Unvereinbarkeit) Jansen, NIPR 2019, 753, 768 f.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 19 EU-BewVO
Bei der Abschichtung des europarechtlich vorgegebenen Normgehalts von dem Spielraum, welcher der Zentralstelle bleibt, ist mutatis mutandis auf die Maßstäbe zurückzugreifen, die der EuGH in Bezug auf die Vorbehaltsklausel des Art. 45 Nr. 1 Brüssel Ia-VO entwickelt hat.16 In entsprechender Weise können die Zentralstellen zwar grundsätzlich aufgrund des Art. 19 Abs. 7 lit. c EU-BewVO selbst bestimmen, welche Anforderungen nach ihrem eigenen Recht zur Unvereinbarkeit der beantragten Beweisaufnahme mit ihrem ordre public führen.17 Der EuGH hat aber gleichwohl über die Grenzen zu wachen, innerhalb derer sich die Zentralstelle auf den Begriff der „wesentlichen Rechtsgrundsätze“ stützen darf, um die Vornahme einer unmittelbaren Beweisaufnahme nach dem Recht des ersuchenden Gerichts abzulehnen. Die inländische Rechtsordnung wird indes stärker berührt, wenn das ausländische Prozessgericht auf inländischem Hoheitsgebiet eine Beweisaufnahme nach seinem eigenen Recht durchführen will, als wenn lediglich ein Urteil anerkannt werden soll, das auf einer entsprechenden, im Ausland vorgenommenen Beweisaufnahme beruht. Eine Beweisaufnahme kann daher auch dann mit dem deutschen ordre public unvereinbar i.S.d. Art. 19 Abs. 7 lit. c EU-BewVO sein, wenn die Schwelle des Art. 45 Abs. 1 lit. a Brüssel Ia-VO bei einem auf einer entsprechenden Beweisaufnahme beruhenden ausländischen Urteil noch nicht überschritten wäre.18 Hierin drückt sich der unterschiedliche Inlandsbezug der jeweiligen Fallkonstellation aus.
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b) Ordre-public-Verstoß trotz Freiwilligkeit der Mitwirkung Die in Art. 19 Abs. 7 lit. c EU-BewVO enthaltene Vorbehaltsklausel wird zum Teil als überflüssig kritisiert, weil bereits die nach Art. 19 Abs. 2 EU-BewVO erforderliche Freiwilligkeit der Mitwirkung auf Seiten der Beweisperson die schutzwürdigen Interessen im Beweisstaat hinreichend wahre.19 Es sind jedoch Fallgestaltungen denkbar, in denen ein nach dem Recht des ersuchten Staates zwingendes Beweiserhebungsverbot – z.B. aufgrund eines Berufsgeheimnisses – nicht nur dem Schutz der Beweisperson, sondern darüber hinaus den Interessen Dritter oder der Allgemeinheit dient.20 Auch wenn in einem solchen Fall die Beweisperson zur freiwilligen Mitwirkung bereit ist, ist die öffentliche Ordnung nicht disponibel.21 Im Übrigen prüft die Zentralstelle nicht nach, ob die Beweisperson zur freiwilligen Mitwirkung bereit ist.
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c) Behebbarkeit des ordre-public-Verstoßes durch Bedingungen Bedenken gegen bestimmte Formen der Beweisaufnahme können zumeist ausgeräumt werden, in- 9 dem gem. Art. 19 Abs. 4 S. 1 EU-BewVO nach Maßgabe des Rechts des ersuchten Mitgliedstaats Bedingungen festgelegt werden, unter denen die betreffende Handlung vorzunehmen ist.22 Die Einhaltung dieser Bedingungen kann sichergestellt werden, indem die Zentralstelle die Genehmigung unter der Auflage erteilt, dass ein Gericht des ersuchten Mitgliedstaates an der Beweisaufnahme teilnimmt (Art. 19 Abs. 4 S. 2 EU-BewVO).23 Auf diese Weise kann z.B. erreicht werden, dass ein irisches Ge16 Vgl. zum ordre public nach Brüssel Ia-VO näher Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021) Art. 45 Brüssel IaVO Rz. 5 m.w.N. 17 Dies betont Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 45. 18 Ebenso Betetto, EuLF 2006, I-137, I-141; Fucik in Fasching/Konecny, Art. 17 EG-BewVO Rz. 10. 19 So Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 161; Hess in GS Blomeyer, 2004, S. 617, 630; Hess, EuZPR Rz. 8.57; Huber, GPR 2003/04, 115, 117; ähnlich Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 17 EG-BewVO Rz. 1. 20 Ausführlich Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1299 f. mit Beispielen (Bankgeheimnis, ärztliche Schweigepflicht); ferner Adolphsen in Marauhn, 2007, S. 1, 12; Betetto, EuLF 2006, I-137, I-141; Fucik in Fasching/Konecny, Art. 17 EG-BewVO Rz. 11; Grabinski, FS Schilling, 2007, S. 191, 204; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 228 (Berufsgeheimnisse, Landesverteidigung, Totenruhe); Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.157; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 17 EG-BewVO Rz. 12; Schmidt, Rz. 350 (Lügendetektor; hierzu auch Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 60; Romano, Riv. dir. proc. 2005, 221, 238). 21 Näher zur Abdingbarkeit von Vorbehaltsklauseln von Hein in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 6 EGBGB Rz. 223 ff. m.w.N. 22 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 9; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 228; Schulze, IPRax 2001, 527, 530; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1300. 23 Vgl. Adolphsen in Marauhn, 2007, S. 1, 11: „Gouvernantenklausel“.
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Art. 19 EU-BewVO Unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht richt auf deutschem Boden ein Kreuzverhör durchführt,24 ohne dass die Art der Befragung das Persönlichkeitsrecht des Zeugen verletzt.25 Ferner können Bedenken gegen die Übertragung der Beweisaufnahme – nach deutschem Verständnis eine hoheitliche Aufgabe – auf eine Privatperson dadurch entkräftet werden, dass ein deutscher Richter die Beweisaufnahme überwacht.26 Die französische Zentralstelle hat jedoch in der Beauftragung eines britischen Rechtsanwalts mit der Durchführung einer disclosure auf französischem Hoheitsgebiet einen Versagungsgrund i.S.d. Art. 19 Abs. 7 lit. c EUBewVO gesehen.27 10
Bedingungen können nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 EU-BewVO angeordnet werden, soweit sie erforderlich sind. Es liegt nahe, Art. 19 Abs. 4 EU-BewVO im Zusammenhang mit der ordre-public-Klausel des Art. 19 Abs. 7 lit. c EU-BewVO zu lesen: Erforderlich sind Bedingungen dann, wenn sie geeignet und notwendig sind, um die Wahrung wesentlicher Rechtsgrundsätze des ersuchten Mitgliedstaates bei der unmittelbaren Beweisaufnahme sicherzustellen.28 Als Bedingungen kommen demnach in Betracht: – das Recht auf anwaltlichen Beistand;29 – das Recht auf Hinzuziehung eines Dolmetschers;30 für die Kosten gilt in diesem Fall Art. 22 Abs. 2, 2. Spiegelstrich EU-BewVO analog; – die Verpflichtung des ersuchenden Gerichts, nicht nur einen Zeugen (Art. 19 Abs. 2 S. 2 EUBewVO), sondern auch den Inhaber einer Urkunde oder eines Augenscheinsobjekts auf die Freiwilligkeit seiner Mitwirkung nach Art. 19 Abs. 2 S. 1 EU-BewVO hinzuweisen;31 – Durchführung der Vernehmung in der Sprache des ersuchten Mitgliedstaates;32 dies kann notwendig sein, um dem teilnehmenden Richter aus diesem Staat die Verfolgung der Beweisaufnahme zu ermöglichen; – Zuschaltung eines ausländischen Richters zu der Beweisaufnahme;33 – Auslagenersatz eines Zeugen.34 – Hingegen kann nicht zum Gegenstand einer Bedingung gemacht werden: – die Erstattung von Kosten, die dadurch entstehen, dass ein Gericht des ersuchten Mitgliedstaates an der Beweisaufnahme teilnimmt (Art. 19 Abs. 4 S. 2 EU-BewVO);35 – die Vornahme von Unterstützungshandlungen (Zwangsmaßnahmen) für einen Sachverständigen im ersuchten Staat.36
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Für die Ablehnung einer unmittelbaren Beweisaufnahme nach Art. 19 Abs. 7 lit. c EU-BewVO verbleiben daher letztlich nur diejenigen Fallgruppen, in denen die beantragte Beweisaufnahme mit dem 24 Vgl. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 17 EG-BewVO Rz. 16; als Beispiel für möglichen ordre-public-Verstoß genannt von Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1299. 25 Für Zulässigkeit des Kreuzverhörs auch Alio, NJW 2004, 2706, 2708; Müller, S. 112. 26 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 9; Schulze, IPRax 2001, 527, 530; ähnlich Lebeau/ Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 228; zur Rechtslage in Frankreich ausführlich Le Berre/Pataut, Rev. dr. aff. int. 2004, 53, 56–58. 27 Die Stellungnahme ist (in englischer Übersetzung) wörtlich wiedergegeben in High Court of Justice v. 11.4.2013 – National Grid Electricity Transmission plc vs. ABB Limited and others, [2013] EWHC 822 (Ch.) Rz. 13; vgl. auch aus deutscher Sicht Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 5. 28 Zust. Alio, NJW 2004, 2706, 2708; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 15; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 61; für restriktive Auslegung auch Müller, S. 118. 29 Berger, IPRax 2001, 522, 526; Betetto, EuLF 2006, I-137, I-141; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EGBewVO Rz. 15; Klauser, S. 5. 30 Berger, IPRax 2001, 522, 526; Betetto, EuLF 2006, I-137, I-141; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EGBewVO Rz. 15; Klauser, S. 5; Kohake, DRiZ 2021, 378, 380. 31 Betetto, EuLF 2006, I-137, I-141; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 61; zur Lückenhaftigkeit des Art. 17 Abs. 2 S. 2 EG-BewVO Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1301 f. 32 Berger, IPRax 2001, 522, 526; Betetto, EuLF 2006, I-137, I-141; Klauser, S. 5. 33 Kohake, DRiZ 2021, 378, 381. 34 Berger, IPRax 2001, 522, 526; Fucik in Fasching/Konecny, Art. 17 EG-BewVO Rz. 12; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 15; Klauser, S. 5; vgl. auch Art. 26 HBÜ. 35 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 17 EG-BewVO Rz. 15. 36 Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.159; Schlosser, FS Klamaris, 2016, S. 685, 691.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 19 EU-BewVO
Recht des ersuchten Mitgliedstaates schlechthin unvereinbar ist und dies auch durch Auflagen nicht behoben werden kann. Ein denkbares Beispiel ist die DNA-Analyse im Abstammungsprozess, wenn das Recht des ersuchten Mitgliedstaates dieses Beweismittel allgemein ablehnt.37 5. Einsatz von Kommunikationstechnologien Gemäß Art. 20 EU-BewVO kann die unmittelbare Beweisaufnahme auch durch Video- und Telekonferenzen erfolgen.38 Im Lichte der Rechtsprechung des EuGH zum Sachverständigenbeweis (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 20) hätte es sich zwar bei einer Videovernehmung der sich im ersuchten Mitgliedstaat befindenden Beweisperson vom Territorium des ersuchenden Gerichts aus nicht um eine genehmigungspflichtige unmittelbare Beweisaufnahme i.S.d. Art. 19 EU-BewVO, sondern um eine bloße Beweisbeschaffung außerhalb der EU-BewVO handeln können, sofern der Zeuge daran freiwillig mitwirkte (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 17). Der ausdrückliche Verweis auf Art. 19 EU-BewVO in Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO verdeutlicht aber, dass der Verordnungsgeber insofern weiterhin von der Notwendigkeit einer Genehmigung ausgeht (s. Art. 20 EU-BewVO Rz. 3) Zur Abgrenzung von Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO s. Art. 12 EU-BewVO Rz. 33. Auch für die Durchführung einer Videokonferenz gilt vorbehaltlich von Auflagen nach Art. 19 Abs. 4 EU-BewVO das Recht des ersuchenden Mitgliedstaates (Art. 19 Abs. 8 EU-BewVO). Zu weiteren Einzelheiten s. Art. 20 EU-BewVO Rz. 1 ff.
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6. Bereitstellung von Räumlichkeiten Wird dem Antrag auf unmittelbare Beweisaufnahme stattgegeben, ist die Zentralstelle aufgrund ih- 13 rer allgemeinen Unterstützungsfunktion (Art. 4 Abs. 1 lit. b EU-BewVO) dazu verpflichtet, dem ersuchenden Gericht auf dessen Verlangen geeignete Räumlichkeiten (z.B. einen Sitzungssaal) zuzuweisen, sofern das ersuchende Gericht sich diese nicht (ggf. auf der Basis von Auskünften gem. Art. 4 Abs. 1 lit. a EU-BewVO) ohne Schwierigkeiten selbst beschaffen kann.39 Die Zentralstelle kann insoweit auch nach Art. 19 Abs. 6 EU-BewVO ein Gericht ihres eigenen Mitgliedstaates mit einer entsprechenden Hilfestellung beauftragen (s. Rz. 21). Für die Durchführung einer Videokonferenz s. Art. 20 EU-BewVO Rz. 10. 7. Erinnerung Im Zuge der Reform der EU-BewVO wurde ein neuer Abs. 5 in Art. 19 EU-BewVO eingefügt, der ei- 14 ne Antwortfrist und ggf. die Vermutung vorsieht, dass dem Ersuchen auch ohne ausdrückliche Zustimmung stattgegeben wurde. Der Kommissionsvorschlag hatte noch die weitergehende Lösung enthalten, dass bereits dann, wenn dem ersuchenden Gericht innerhalb von 30 Tagen nach Übersendung des Ersuchens nicht mitgeteilt worden sei, ob dem Ersuchen stattgegeben worden sei, ipso iure von einer Zustimmung auszugehen sei.40 Die fehlende Möglichkeit einer Fristverlängerung in Ausnahmefällen stieß aber auf Kritik aus der Rechtspraxis.41 Die endgültige Regelung in Art. 19 Abs. 5 EUBewVO ist daher deutlich flexibler gefasst worden: Wenn das ersuchende Gericht nicht innerhalb von 30 Tagen nach Bestätigung des Eingangs des Ersuchens eine Mitteilung darüber erhält, ob dem Ersuchen stattgegeben wird, kann es an die Zentralstelle oder zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats eine Erinnerung senden (Art. 19 Abs. 5 S. 1 EU-BewVO). Erst wenn dem ersuchenden Gericht daraufhin innerhalb von 15 Tagen nach Bestätigung des Eingangs dieser Erinnerung immer 37 Schmidt, Rz. 352; Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1299; zur italienischen Rechtsprechung s. Jayme, FS Geimer, 2002, S. 375, 376 f.; Schulze, IPRax 2001, 527, 529; a.A. Sengstschmidt in Mayr, Rz. 15.158. Grenzen ergeben sich aber auch insoweit aus der EMRK, s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 30. 38 Vgl. zu neueren Entwicklungen im Rahmen des HBÜ Bernasconi/Celis/Kunzelmann in Essays in Honour of van Loon, 2013, S. 31, 41 ff.; Davies, Am J Comp L 55 (2007), 205 ff. 39 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 19; a.A. Klauser, S. 6; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1074 ZPO Rz. 63; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 17 EG-BewVO Rz. 5; Schmidt, Rz. 354 (bloße Empfehlung). 40 Art. 17 Abs. 4 UAbs. 3 in der Fassung von COM (2018) 378 final; dies befürwortend Knöfel, RIW 2021, 247, 255. 41 BRAK-Stellungnahme Nr. 29/2018, S. 4.
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Art. 19 EU-BewVO Unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht noch keine Antwort zugeht, wird davon ausgegangen, dass dem Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme stattgegeben wurde (Art. 19 Abs. 5 S. 2 EU-BewVO). Zudem können selbst nach Ablauf dieser Frist noch Gründe für die Ablehnung der unmittelbaren Beweisaufnahme geltend gemacht werden, wenn aufgrund außergewöhnlicher Umstände die Zentralstelle oder die zuständige Behörde daran gehindert war, innerhalb dieser Frist auf das Ersuchen zu reagieren (Art. 19 Abs. 5 S. 3 EUBewVO). Außergewöhnliche Umstände können Katastrophen wie z.B. Pandemien oder Naturereignisse darstellen, welche die Rechtspflege erheblich beinträchtigen.42 Die Gründe, die für die Ablehnung einer Beweisaufnahme nach Ablauf der Frist ins Feld geführt werden können, ergeben sich auch insoweit aus Art. 19 Abs. 7 EU-BewVO.43 Erst mit dem Beginn der tatsächlichen unmittelbaren Beweisaufnahme können keine Versagungsgründe mehr geltend gemacht werden (Art. 19 Abs. 5 S. 3 EU-BewVO). Ob Art. 19 Abs. 5 EU-BewVO die passive Rechtshilfe tatsächlich nennenswert beschleunigen wird,44 dürfte vor allem davon abhängen, ob die Zentralstellen bzw. die zuständigen Behörden die außergewöhnlichen Umstände i.S. des Art. 19 Abs. 5 S. 3 EU-BewVO eng auslegen oder die Vorschrift eher großzügig als eine Art Ausweichklausel handhaben werden. 8. Rechtsbehelf 15
Die Erteilung oder Versagung der Genehmigung durch die Zentralstelle ist ein Justizverwaltungsakt, der gem. § 23 EGGVG angefochten werden kann.45 Dies gilt auch, wenn die Genehmigung nur aufgrund der Vermutung nach Art. 19 Abs. 5 S. 2 EU-BewVO als erteilt gilt. Insbesondere die Frage, ob ausnahmsweise außergewöhnliche Umstände die Zentralstelle an der fristgemäßen Beantwortung einer Erinnerung i.S. des Art. 19 Abs. 5 S. 3 EU-BewVO gehindert haben, kann auf diesem Wege gerichtlich überprüft werden.
III. Durchführung der unmittelbaren Beweisaufnahme 1. Beauftragte des ersuchenden Gerichts 16
Zwar spricht Art. 19 Abs. 3 EU-BewVO im Gegensatz zu Art. 14 Abs. 2 EU-BewVO nicht ausdrücklich von „Beauftragten“;46 der in den beiden Vorschriften ins Auge gefasste Personenkreis ist aber grundsätzlich identisch (s. Art. 14 EU-BewVO Rz. 4). Nach dem Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 EUBewVO kommt jede „andere Person“ als Beauftragter in Betracht, deren Ermächtigung das Recht des ersuchenden Gerichts zulässt. Nach § 1073 Abs. 2 ZPO dürfen bei ausgehenden Ersuchen nur Mitglieder des Gerichts – d.h. auch der gesamte Spruchkörper47 – sowie von diesem beauftragte Sachverständige eine unmittelbare Beweisaufnahme im Ausland durchführen. Hiermit hat der deutsche Gesetzgeber den ihm in Art. 19 Abs. 3 EU-BewVO erteilten Regelungsauftrag in zulässiger Weise umgesetzt; eine Verpflichtung, auch die Beweisaufnahme durch „andere Personen“ als Gerichtsangehörige und Sachverständige zu ermöglichen, ist der Verordnung nicht zu entnehmen.48 Aus dem Wortlaut des § 1073 Abs. 2 ZPO („von diesem [dem ersuchenden Gericht] beauftragte Sachverständige“) ergibt sich, dass im Rahmen des Art. 19 EU-BewVO das ersuchende Gericht die Auswahl des Sachverständigen nicht den Parteien überlassen darf.49 Im Lichte des Art. 22 Abs. 3 EU-BewVO und des in § 405 ZPO enthaltenen Rechtsgedankens sollte man die Vorschrift aber dahingehend auslegen, dass das ersuchende Gericht das ersuchte Gericht um die Bestellung eines auslandsansässigen Sachverstän-
42 43 44 45 46 47 48 49
Vgl. Knöfel, RIW 2021, 247, 255. Hess in Schlosser/Hess, Art. 19 EU-BewVO Rz. 2. Optimistisch Hess in Schlosser/Hess, Art. 19 EU-BewVO Rz. 2; pessimistisch Knöfel, RIW 2021, 247, 255. Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 14; kritisch (Verordnung sei lückenhaft) Schmidt, Rz. 351. Zu dem Hintergrund Schulze, IPRax 2001, 522, 530. Alio, NJW 2004, 2706, 2708; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 6; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.167. So aber Niehr, S. 151–153; wie hier Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO, Rz. 6 in Fn. 10. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 17 EG-BewVO Rz. 15; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 21; Stadler in Musielak/Voit, § 1073 ZPO Rz. 4.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 19 EU-BewVO
digen bitten darf.50 Für eingehende Ersuchen zu eng gefasst ist § 136 Abs. 1 ZRHO, der nur Gericht und Sachverständige nennt; auch insoweit wird der Kreis der zulässigen Beauftragten durch das Recht des ersuchenden Staates bestimmt, das z.B. auch die Beauftragung eines Rechtsanwalts, eines Verwaltungsbeamten oder eines Parteisachverständigen vorsehen kann.51 Die Beauftragung einer Privatperson mit der Durchführung einer Beweisaufnahme kann aber aus Sicht einer kontinentaleuropäischen Zentralstelle gegen ihren nationalen ordre public (Art. 19 Abs. 5 lit. c EU-BewVO) verstoßen (s. oben Rz. 9). Ferner ist zu beachten, dass nach der neueren Rechtsprechung des EuGH bei der Auslandstätigkeit eines Gerichtssachverständigen die Einhaltung des in Art. 19 EU-BewVO vorgesehenen Rechtshilfeweges „nicht unbedingt“ erforderlich sein soll, sondern nur, wenn dieser zur Durchführung seines Auftrags hoheitliche Befugnisse in Anspruch nehmen müsse (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 20). Ob dies auch dann gelten soll, wenn ein Mitglied des Gerichts selbst ins Ausland entsandt werden soll, muss bezweifelt werden (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 20). Zur diplomatischen oder konsularischen Beweisaufnahme s. Art. 21 EU-BewVO Rz. 1 ff. Zum Ermessen des deutschen Prozessgerichts bei der Wahl zwischen Beweisbeschaffung, aktiver Rechtshilfe und unmittelbarer Beweisaufnahme s. Art. 1 EUBewVO Rz. 34. 2. Freiwilligkeit und Hinweispflicht Die unmittelbare Beweisaufnahme darf nur auf freiwilliger Grundlage und ohne Zwangsmaßnah- 17 men erfolgen (Art. 19 Abs. 2 S. 1 EU-BewVO).52 Art. 15 EU-BewVO betrifft, wie sich aus seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung in Abschnitt 3 ergibt, allein die aktive Rechtshilfe und ist deshalb nicht direkt anwendbar.53 Auf die nach Art. 18 HBÜ gegebene Befugnis zur Verhängung von Zwangsmaßnahmen darf nicht als subsidiäre Lösung zurückgegriffen werden.54 Hierdurch wird nicht ausgeschlossen, dass die Verweigerung einer Mitwirkung von Seiten der Beweisperson zu Nachteilen bei der Beweiswürdigung führt.55 Auch die Strafbarkeit einer Falschaussage wird durch die Freiwilligkeit der Mitwirkung nicht berührt.56 Art. 19 Abs. 2 S. 1 EU-BewVO entfaltet keine Sperrwirkung gegenüber der Anerkennung eines ausländischen Titels, der auf eine Urkundenvorlage gegenüber dem Prozessgericht abzielt.57 Ob ein unter Verstoß gegen das Freiwilligkeitsprinzip gewonnenes Beweismittel vor dem Prozessgericht verwertbar ist, richtet sich nach dessen Recht.58 Art. 19 Abs. 2 S. 2 EU-BewVO ordnet eine Belehrung über die Freiwilligkeit der Mitwirkung im Falle der Vernehmung einer Person durch das ersuchende Gericht an. Belehrungspflichtig ist jeweils die nach Art. 19 Abs. 3 EU-BewVO beauftragte Person, sei es ein Mitglied des Gerichts oder ein Sachver-
50 Hau, RIW 2003, 822, 825; Hau, D.S. 2004, 91, 128; ebenso Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 17 EG-BewVO Rz. 15; näher zur kooperativen Ernennung eines Sachverständigen durch zwei Gerichte Schlosser, FS Tarzia, 2005, S. 589, 594 ff.; a.A. Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 21. 51 S. zum „commissioner“ nach Common Law Müller, S. 113. 52 Beispiel aus der Praxis: KG v. 4.12.2014 – 27 U 4/10, juris Rz. 36; rechtspolitische Kritik daran übt Knöfel, RIW 2021, 247, 252 ff. 53 Adolphsen in Marauhn, 2007, S. 1, 11; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 17 EG-BewVO Rz. 21 in Fn. 69; a.A. wohl Schack, IZVR, Rz. 856. 54 Bonatti, Riv. trim. dir. proc. civ. 2004, 211, 228 in Fn. 45; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 20; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 47; a.A. Huber, GPR 2003/04, 115, 119; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 17 EG-BewVO Rz. 21; Janal, § 15 Rz. 17 in Fn. 309; Knöfel, EuZW 2008, 267, 269. 55 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 17; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.170; Müller, S. 116; Schlosser, FS Klamaris, 2016, S. 685, 689; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 17 EG-BewVO Rz. 2; Schmidt, Rz. 352; Stadler, FS Geimer, 2002), S. 1281, 1299; a.A. Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 228; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 49; Teixeira de Sousa, JZ 2013, 98, 99. 56 Berger, IPRax 2001, 522, 526; Betetto, EuLF 2006, I-137, I-144; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EGBewVO Rz. 17; Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 160, Fn. 71; Müller, S. 115; zweifelnd Klötgen in Kengyel/ Rechberger, 2007, S. 87, 103; zur Bestimmung des anwendbaren Strafrechts bei Falschaussagen im Rahmen von Videovernehmungen eingehend Davies, GS Nygh, 2004, S. 69, 76 ff. (zum HBÜ); zur Beweiswürdigung BGH v. 26.8.2003 – 1 St R 282/03, NStZ 2004, 347, 348. 57 Cour de Cassation (belg) v. 29.4.2010 – Goebel & Kuhl GmbH/Tops Foods, Pas belge 2010 n° 297. 58 Näher Schlosser, FS Klamaris, 2016, S. 685, 692 f.
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Art. 19 EU-BewVO Unmittelbare Beweisaufnahme durch das ersuchende Gericht ständiger.59 Hingegen ordnet die EU-BewVO keine Belehrung in Bezug auf die Vorlage von Urkunden oder Augenscheinsobjekten an, obwohl auch insoweit das Freiwilligkeitsprinzip des Art. 19 Abs. 2 S. 1 EU-BewVO gilt.60 Sofern das nach Art. 19 Abs. 8 EU-BewVO anwendbare Recht des ersuchenden Staates keine entsprechende Belehrungspflicht kennt, sollte deshalb die Zentralstelle einen entsprechenden Antrag nur unter der Bedingung genehmigen, dass dem Inhaber der vorzulegenden Urkunde bzw. des Augenscheinsobjekts ein diesbezüglicher Hinweis erteilt wird.61 Aufgrund der Freiwilligkeit der Mitwirkung der Beweisperson bedarf es im Rahmen des Art. 19 EU-BewVO keiner Bestimmung über das auf Aussage- oder sonstige Verweigerungsrechte anwendbare Recht.62 19
Der Kommissionsvorschlag zur Reform der EG-BewVO von 2018 (s. Einl. EU-BewVO Rz. 6) sah noch die ersatzlose Streichung des Abs. 2 vor.63 Allerdings fehlte es im Kommissionsvorschlag an einer Bestimmung darüber, das Recht welchen Staates über die zulässigen Zwangsmittel im Fall der passiven Rechtshilfe entscheiden sollte.64 Dies hätte ersichtlich, ebenso wie im Rahmen des Art. 18 Abs. 2 HBÜ und bei der aktiven Rechtshilfe nach Art. 15 EU-BewVO, nur das Recht des ersuchten Staates sein können.65 Da beide Vorschriften aber auf die passive Rechtshilfe im Rahmen der EUBewVO nicht unmittelbar anwendbar sind (s. Rz. 16), hätte im Kommissionsvorschlag von 2018 eine eklatante Regelungslücke bestanden. Der Bundesrat regte in seiner Stellungnahme zum Verordnungsvorschlag an, die geplante ersatzlose Streichung des Art. 17 Abs. 2 EG-BewVO noch einmal zu überdenken und führte hierzu Folgendes aus:66 „Da das ersuchende Gericht auf fremdem Hoheitsgebiet selbst keine Zwangsmaßnahmen, wie etwa eine zwangsweise Vorführung eines Zeugen, anordnen und durchführen kann, wäre es zwingend auf die Unterstützung durch ein Gericht des Mitgliedstaats, in dem die Beweisaufnahme stattfinden soll, angewiesen. In der vorgeschlagenen Verordnung wären daher auf jeden Fall noch weitere Regelungen erforderlich, die das Verfahren der Zusammenarbeit näher regeln. Ungeachtet der rechtlichen Ausgestaltung dürfte sich die notwendige Abstimmung zwischen dem ersuchenden Gericht und dem um Zwangsmaßnahmen ersuchten Gericht über das weitere gemeinsame Vorgehen (neuer Termin mit Zwangsvorführung) auch in tatsächlicher Hinsicht schwierig gestalten und zu erheblichen Verzögerungen führen. In Anbetracht dieser praktischen Schwierigkeiten stellt sich die Frage, ob in den Fällen, in denen ein Zeuge nicht freiwillig an einer Vernehmung mitwirkt, ein Ersuchen gemäß Artikel 4 [ff. EG-BewVO] grundsätzlich die bessere Alternative gegenüber einer komplizierten Kombination aus unmittelbarer Beweisaufnahme und ergänzender Rechtshilfe bezüglich des Zwangsmitteleinsatzes darstellt.“ Letztlich hat sich der Vorschlag zur Abschaffung des Freiwilligkeitserfordernisses in der Endfassung der EU-BewVO nicht durchgesetzt, sodass es insoweit bei der bisherigen Rechtslage bleibt.67 3. Beteiligung der Parteien und Sprache
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Das ersuchende Gericht wendet bei der Durchführung der Beweisaufnahme sein eigenes Verfahrensrecht an (Art. 19 Abs. 8 EU-BewVO). Ob es sich physisch aus dem eigenen Staat fortbewegt oder vom Gerichtsstaat aus moderne Kommunikationsmittel einsetzt (Art. 20 EU-BewVO), ist insoweit unerheblich (s.Rz. 12).68 Dies gilt auch für die Anwesenheit und Beteiligung der Parteien und ihrer 59 Schlosser, FS Klamaris, 2016, S. 685, 690; einer analogen Anwendung des Art. 19 Abs. 2 S. 2 EU-BewVO auf Sachverständige bedarf es deshalb nicht, so aber Hau, ERA-Forum 2005, 224, 227. 60 Mit Recht kritisch Stadler, FS Geimer, 2002, S. 1281, 1301 f.; für analoge Anwendung Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 17; i.E. auch Stadler in Musielak/Voit, § 1072 ZPO Rz. 3; dagegen Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.171. 61 Ebenso Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 47. 62 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 10; Schmidt, Rz. 355; kritisch aber Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 161; Hess, GS Blomeyer, 2004, S. 617, 632; Müller, S. 116. 63 Europäische Kommission, 31.5.2018, COM (2018) 378 final, Art. 1 Abs. 3 lit. a; hierzu Knöfel, RIW 2018, 712, 715 f. 64 Für die Schaffung einer entsprechenden Bestimmung auch McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 103. 65 So auch Knöfel, RIW 2018, 712, 716. 66 BR-Drucks. 339/18, S. 2. 67 Kritisch hierzu Knöfel, RIW 2021, 247, 254 f. 68 Ebenso Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1073 ZPO Rz. 22.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 20 EU-BewVO
Vertreter.69 Die Beweisaufnahme erfolgt grundsätzlich in der Sprache, die das Recht des ersuchenden Gerichts vorsieht.70 Soweit die Zentralstelle nach Art. 19 Abs. 4 S. 2 EU-BewVO eine Überwachung durch ein Gericht des ersuchten Mitgliedstaates anordnet (s. Rz. 12), kann es zweckmäßig sein, die Durchführung in der Sprache des ersuchten Mitgliedstaates zur Bedingung zu machen.71 4. Praktische Unterstützung Art. 19 Abs. 6 EU-BewVO enthält eine weitere Neuerung, die in der Ursprungsfassung der EGBewVO noch nicht enthalten war. Demnach kann die Zentralstelle oder die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaates ein Gericht dieses Staates damit beauftragen, praktische Unterstützung bei der unmittelbaren Beweisaufnahme zu leisten. Die Vorschrift ergänzt und konkretisiert die allgemeine Unterstützungspflicht der Zentralstelle aus Art. 4 Abs. 1 litt. a und b EU-BewVO (s. Art. 4 EU-BewVO Rz. 6). Insbesondere im Hinblick auf die Bereitstellung von Räumlichkeiten (s. Rz. 13) kann es sinnvoll sein, ein Gericht mit einer entsprechenden Hilfeleistung zu beauftragen. Für die Durchführung einer Videokonferenz s. Art. 20 EU-BewVO Rz. 10.
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5. Kosten Da die EU-BewVO keine spezielle Regelung über die Kosten der unmittelbaren Beweisaufnahme trifft, gilt insoweit der allgemeine Grundsatz der Kostenfreiheit nach Art. 22 Abs. 1 EU-BewVO.72 Soweit allerdings auf Bitte des ersuchenden Gerichts Räumlichkeiten bereitgestellt werden (oben Rz. 13), kann eine angemessene Erstattung verlangt werden. Im Übrigen ist Art. 22 Abs. 2 S. 2 EUBewVO analog heranzuziehen (s. Art. 22 EU-BewVO Rz. 4).
Artikel 20 Unmittelbare Beweisaufnahme per Videokonferenz oder mittels anderer Fernkommunikationstechnologie (1) Wird beabsichtigt, Beweise zu erheben, indem eine Person mit Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat vernommen wird, und ersucht das Gericht um Zustimmung zur unmittelbaren Beweisaufnahme nach Artikel 19, so führt dieses Gericht die Beweisaufnahme per Videokonferenz oder mittels einer anderen Fernkommunikationstechnologie durch, sofern das Gericht über eine solche Technologie verfügt und es den Einsatz einer solchen Technologie aufgrund der besonderen Umstände des Falls für angemessen hält. (2) Ein Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme per Videokonferenz oder mittels einer anderen Fernkommunikationstechnologie wird unter Verwendung des Formblatts N in Anhang I gestellt. Das ersuchende Gericht und die Zentralstelle oder die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaats oder das mit der praktischen Unterstützung bei der unmittelbaren Beweisaufnahme beauftragte Gericht vereinbaren die praktischen Modalitäten der Vernehmung. Auf Antrag wird das ersuchende Gericht erforderlichenfalls bei der Suche nach einem Dolmetscher unterstützt. I. Normzweck und Entstehungsgeschichte . . . . II. Genehmigungsbedürftigkeit der Beweisaufnahme durch Videokonferenz . . . . . . . .
1
III. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
IV. Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2
69 Müller, S. 113; Stadler in Musielak/Voit, § 1073 ZPO Rz. 2. 70 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 17 EG-BewVO Rz. 15; Klauser, S. 3; Lafontaine, DAR 2020, 541, 547; Müller, S. 112; a.A. Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 17 EG-BewVO Rz. 3. 71 Ähnlich Müller, S. 112; vgl. auch den Hinweis zur griechischen Praxis bei Lafontaine, DAR 2020, 541, 547. 72 Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 17 EG-BewVO Rz. 25.
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Art. 20 EU-BewVO Unmittelbare Beweisaufnahme per Videokonferenz
I. Normzweck und Entstehungsgeschichte 1
Die Durchführung einer unmittelbaren Beweisaufnahme im Wege der Videokonferenz war in der Ursprungsfassung der EG-BewVO nur mittelbar in Art. 17 Abs. 4 S. 3 EG-BewVO geregelt. Laut dieser Vorschrift sollte die ausländische Zentralstelle oder die zuständige Behörde den Einsatz von Kommunikationstechnologie, wie Video- und Telekonferenzen, fördern.1 Dieser sehr zurückhaltende Regelungsansatz führte dazu, dass „[d]as Potenzial moderner Kommunikationstechnologien, beispielsweise Videokonferenzen, die ein wichtiges Mittel zur Vereinfachung und Beschleunigung der Beweisaufnahme darstellen“, in der Rechtspraxis „nicht voll ausgeschöpft“ wurde (Erwägungsgrund 21 Satz 1 EUBewVO). Im Zuge der Neufassung der EU-BewVO im Jahre 2020 wurde deshalb eine eigenständige Vorschrift, Art. 20 EU-BewVO, geschaffen. Hiermit wollte der Verordnungsgeber „eine angemessenere, häufigere und raschere Nutzung der unmittelbaren Beweisaufnahme […] per Videokonferenz […] gewährleisten“.2
II. Genehmigungsbedürftigkeit der Beweisaufnahme durch Videokonferenz 2
Vernimmt das inländische Gericht die im Ausland weilende Auskunftsperson im Wege einer Videooder Telekonferenz (§ 128a ZPO), während sich die Gerichtsangehörigen im Inland aufhalten, soll es sich nach einer international verbreiteten Ansicht um eine bloße Beweisbeschaffung handeln, für die keine Genehmigung des Staates erforderlich sei, auf dessen Territorium sich der Zeuge befinde.3 Ob das House of Lords sich in der Sache Polanski vs. Condé Nast Pub Ltd4 diese Ansicht zu Eigen gemacht hat,5 ist sehr zweifelhaft, weil dort jegliche Erörterung des Problems fehlt.6 Das BPatG hat eine Videovernehmung eines sich in England aufhaltenden Zeugen auf Basis des § 128a ZPO auch ohne die Beschreitung des Rechtshilfeweges für zulässig gehalten, sofern die Parteien und der Zeuge dem zustimmen.7 Richtiger Ansicht nach liegt eine unmittelbare Beweisaufnahme im Ausland vor, die in den Anwendungsbereich der Art. 19, 20 EU-BewVO fällt.8 Auch der BGH ist bislang im Strafverfahrensrecht davon ausgegangen, dass die Vernehmung eines Auslandszeugen durch eine zeitgleiche Bild- oder Tonübertragung gem. § 247a StPO die territoriale Souveränität des Aufenthaltsstaates des Zeugen berühre, mithin der Genehmigung oder zumindest Duldung des Aufenthaltsstaates bedürfe.9 Nachdem der EuGH in Bezug auf die Auslandstätigkeit eines Gerichtssachverständigen noch zu 1 Hierzu Betetto, EuLF 2006, I-137, I-141; Schulze, IPRax 2001, 527, 529. 2 Europäische Kommission, 31.5.2018, COM (2018) 378 final, S. 9. 3 So insbesondere die Sicht in Australien: Full Court of the Federal Court of Australia v. 19.8.2011 – Matthew James Joyce vs. Sunland Waterfront (BVI) Ltd, RIW 2011, 886 m. zust. Anm. Knöfel; Davies in GS Nygh, 2004, S. 69, 72; ferner Geimer, IZPR, Rz. 2385a; Geimer, FS Spellenberg, 2010, S. 407, 427; Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 29; Knöfel, RIW 2006, 302, 304; Nagel/Gottwald, IZPR, § 9 Rz. 35; Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Rz. 14; Geimer in Zöller, Art. 17 EG-BewVO Rz. 2. 4 House of Lords v. 10.2.2005 – Polanski vs. Condé Nast Pub Ltd., [2005] 1 WLR 637 (HL) = RIW 2006, 301 m. Anm. Knöfel; hierzu eingehend Hess in Marauhn, 2007, S. 17 ff. 5 So Geimer in Zöller, Art. 17 EG-BewVO Rz. 2. 6 Vgl. Hess in Marauhn, 2007, S. 17, 25: Französische Zentralstelle hätte im Fall Polanski zustimmen müssen. 7 BPatG v. 16.7.2002 – 23 W (pat) 32/98, GRUR 2003, 176. 8 Betetto, EuLF 2006, I-137, I-143; Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 17 EG-BewVO Rz. 20; Fucik in Fasching/ Konecny, Vor Art. 1 EU-BewVO Rz. 6; Galicˇ, ERA Forum 2017, 213, 225 f.; Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 46; Hess, EuZPR, Rz. 8.59; Hess, AnwBl. 2011, 321, 324; Lafontaine, DAR 2020, 541, 542; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Vor §§ 1072 ff. ZPO Rz. 10; Stadler in Musielak/Voit, § 128a ZPO Rz. 8; Schmidt, Rz. 363; Schulze, IPRax 2001, 527, 529; Stadler, ZZP 115 (2002), 441; allgemein auch Greger in Zöller, § 128a ZPO Rz. 10: Videovernehmung sei nur „nach den Regelungen der internationalen Rechtshilfe“ zulässig; ebenso Schultzky, NJW 2003, 313, 314 f.; Anders in Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Anders/Gehle, § 128a ZPO Rz. 11; wohl auch Kreuzer/Wagner/Häcker in Dauses/Ludwigs, Rz. Q III 47; vgl. auch zum HBÜ United States District Court, S.D. New York v. 21.12.2015 – Rana vs. Islam, 2015 WL 10374195 (S.D.N.Y.): Vernehmung des Botschafters von Bangladesh in Marokko nur mit Genehmigung des marokkanischen Außenministeriums. 9 BGH v. 15.11.1999 – 1 StR 286/99, BGHSt 45, 188 = JZ 2000, 471 mit zust. Anm. Vassilaki = JR 2000, 74, 76 mit zust. Anm. Rose; diese Grundsätze übertragen auf das IZPR Stadler in Musielak/Voit, § 128a ZPO Rz. 8; Stadler, ZZP 115 (2002), 441; Schultzky, NJW 2003, 313, 314; explizit eine Übernahme dieser Auffassung für das IZPR ablehnend jedoch Geimer, IZPR, Rz. 2385a.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 20 EU-BewVO
Art. 17 EG-BewVO entschieden hatte, dass die Einhaltung des in vorgesehenen Rechtshilfeweges insoweit „nicht unbedingt“ verpflichtend sei10 (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 20), stellte sich aber die Frage, ob auch an die Durchführung einer Video- oder Telekonferenz großzügigere Maßstäbe anzulegen wären.11 Nach dem Kommissionsvorschlag für die Neufassung der EU-BewVO aus dem Jahre 2018 (s. Einl. 3 EU-BewVO Rz. 6) hätte es sich angeboten, danach zu unterscheiden, ob die Aussageperson an ihrer Befragung im Wege einer Video- oder Telekonferenz freiwillig mitwirkt. Denn dieser Kommissionsvorschlag12 sah noch die ersatzlose Streichung des Freiwilligkeitserfordernisses für die Durchführung der unmittelbaren Beweisaufnahme (Art. 17 Abs. 2 EG-BewVO) vor (s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 19). Bei diesem Regelungsansatz hätte es nahegelegen, das Genehmigungserfordernis für eine Videokonferenz auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen der Einsatz von Zwangsmitteln im ersuchten Staat in Betracht käme. Da die Streichung des Freiwilligkeitserfordernisses aber nicht in die Neufassung der Verordnung (Art. 19 Abs. 2 EU-BewVO) übernommen wurde (s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 19), bietet dieses Kriterium keinen sinnvollen Ansatz für eine Differenzierung. Vielmehr bestätigt der ausdrückliche Rückverweis auf Art. 19 EU-BewVO in Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO, dass der Verordnungsgeber von der Prämisse ausgegangen ist, dass auch die Videovernehmung einer aussagebereiten Person einer vorherigen Genehmigung durch die Zentralstelle des Aufenthaltsstaates bedarf.13 Dies gilt erst recht, wenn das Gericht eines seiner Mitglieder zur Befragung ins Ausland entsendet und die Vernehmung durch Videotechnik in das Inland übertragen wird; auch in diesem Fall muss eine Genehmigung nach Art. 19 EU-BewVO beantragt werden.14
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III. Voraussetzungen Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO bezieht sich nach seinem Wortlaut allein auf die Vernehmung einer Per- 5 son. Dies kann ein Zeuge, aber auch eine Partei oder ein Sachverständiger sein (Erwägungsgrund 21 Satz 2 EU-BewVO). Zwar sagt die Endfassung des Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO dies im Gegensatz zu Art. 17a Abs. 1 des Kommissionsvorschlages von 2018 nicht mehr ausdrücklich.15 Dies ist aber unschädlich, da die dort noch enthaltene explizite Aufzählung („Zeuge, Partei oder Sachverständiger“) lediglich klarstellende Bedeutung hatte und deshalb in die Erwägungsgründe der Verordnung verschoben wurde.16 Fraglich ist, ob auch andere Beweise mittels Fernkommunikationstechnologien erhoben werden können, z.B. die Inaugenscheinnahme einer Unfallstelle mit Hilfe einer Kameradrohne.17 Zwar ließe sich aus dem engeren Wortlaut des Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO ein formaler Umkehrschluss gegenüber dem weiter gefassten Art. 12 Abs. 4 EU-BewVO ziehen (vgl. Art. 12 EUBewVO Rz. 38). Nach dem Zweck des Art. 20 EU-BewVO, eine häufigere Nutzung moderner Technologien für die Beweisaufnahme zu fördern, sollte man Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO aber im Verhältnis zu Art. 19 EU-BewVO als klarstellende Regelung und nicht als abschließende Bestimmung verstehen. Auch ein Video-Augenschein kann daher unter den allgemeinen, in Art. 19 EU-BewVO enthaltenen Voraussetzungen für eine unmittelbare Beweisaufnahme beantragt werden.18
10 EuGH v. 21.2.2013 – C-332/11, ECLI:EU:C:2013:87 – ProRail BV/Xpedys NV u.a., RIW 2013, 380. 11 Bejahend Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.52; ebenso (trotz Kritik am EuGH) Janal, § 15 Rz. 75; zweifelnd aber Galicˇ, ERA Forum 2017, 213, 224 ff., der eine erneute Vorlage an den EuGH für erforderlich hielt. 12 Europäische Kommission, 31.5.2018, COM (2018) 378 final, Art. 1 Abs. 3 lit. a; hierzu Knöfel, RIW 2018, 712, 715 f. 13 Ebenso Hess in Schlosser/Hess, Art. 20 EU-BewVO Rz. 2; Lafontaine, DAR 2020, 541, 550; Windau, jM 2021, 178, 181; de lege lata nun auch Knöfel, RIW 2021, 247, 250 f. (mit rechtspolitischer Kritik); zweifelnd Labonté/ Rohrbeck, IWRZ 2021, 99, 101 f., die aber die Stellung eines Ersuchens als sichersten Weg empfehlen. 14 Ebenso zu Art. 17 HBÜ Bernasconi/Celis/Kunzelmann in Essays in Honour of van Loon, 2013, S. 31, 44. 15 Vgl. Europäische Kommission, 31.5.2018, COM (2018) 378 final, Art. 1 Abs. 3 lit. a. 16 Zweifelnd aber Knöfel, RIW 2021, 247, 251. 17 Tendenziell verneinend Knöfel, RIW 2021, 247, 251. 18 Vgl. Windau, jM 2021, 178, 185.
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Art. 20 EU-BewVO Unmittelbare Beweisaufnahme per Videokonferenz 6
Die Vernehmung einer Person mittels einer Videokonferenz oder anderer Fernkommunikationstechnologie setzt nach Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO des Weiteren voraus, dass diese Person ihren „Aufenthalt“ in einem anderen Mitgliedstaat hat. Ausreichend ist insoweit der schlichte Aufenthalt.19 Es genügt daher ein rein tatsächliches, auch vorübergehendes Verweilen an einem bestimmten Ort.20 Nicht erforderlich ist ein gewöhnlicher Aufenthalt i.S. des Internationalen Privatrechts, d.h., die zu vernehmende Person muss in dem Staat, in dem die Vernehmung durchgeführt werden soll, nicht ihren Daseinsmittelpunkt haben.21 Erst recht wird nicht vorausgesetzt, dass die zu vernehmende Person dort ihren Wohnsitz, etwa i.S. des Art. 62 Brüssel Ia-VO, hat.22 Dies folgt bereits daraus, dass noch Art. 17a Abs. 1 des Kommissionsvorschlages von 2018 dieses Anknüpfungsmoment vorsah,23 das sodann aber im Laufe des weiteren Gesetzgebungsverfahrens durch den „Aufenthalt“ ersetzt worden ist. Irrelevant für die Feststellung des Aufenthalts einer Person i.S. des Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO ist deren Wille;24 auch ein Zeuge, der sich z.B. in einem Krankenhaus, Auffanglager oder Gefängnis in einem anderen Mitgliedstaat aufhält, kann nach Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO vernommen werden.
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Die Beweisaufnahme per Videokonferenz oder mittels einer anderen Fernkommunikationstechnologie hängt nach Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO davon ab, dass es selbst über die entsprechenden technologischen Möglichkeiten verfügt. Da heutzutage ein handelsüblicher Laptop mit Mikrofon und Kamera zur Durchführung einer solchen Konferenz ausreicht, dürfte ein entsprechender Antrag – jedenfalls im Hinblick auf die Hardware – an dieser Hürde nur selten scheitern. Auf das Medium, mit dessen Hilfe die Videokonferenz technisch durchgeführt wird, kommt es nach dem klaren Wortlaut des Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO („oder mittels einer anderen Fernkommunikationstechnologie“) nicht an. Auch die Echtzeitkommunikation mit Hilfe des Internet („Zoom“, „Skype“) kommt z.B. in Betracht, sofern die Vertraulichkeit der Kommunikation gewahrt ist und die einschlägigen datenschutzrechtlichen Anforderungen (s. Art. 30 EU-BewVO Rz. 1 ff.) eingehalten werden.25
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Schließlich muss das ersuchende Gericht den Einsatz einer Videokonferenz oder einer anderen Fernkommunikationstechnologie aufgrund der besonderen Umstände des Falls für angemessen halten (Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO). Es ist also eine Einzelfallprüfung notwendig, die im Lichte des Normzwecks – Förderung der Beweisaufnahme durch moderne Technologien (s. Rz. 1) – nicht allzu restriktiv zu handhaben ist. Für die Beurteilung der „Angemessenheit“ ist ausweislich des Erwägungsgrundes 21 Satz 2 EU-BewVO ein fairer Ablauf des Verfahrens von entscheidender Bedeutung. Hiermit wird implizit auf die Maßstäbe des Art. 47 Abs. 2 der Grundrechte-Charta bzw. Art. 6 EMRK Bezug genommen. Zur Abwägung zwischen unmittelbarer Beweisaufnahme (passiver Rechtshilfe) einerseits, aktiver Rechtshilfe – die auch den Einsatz von Zwangsmitteln ermöglicht – andererseits, s. eingehend Art. 1 EU-BewVO Rz. 28 ff. Auch die Vernehmung eines Kindes im Rahmen der Brüssel IIb-VO kann im Wege einer Videokonferenz erfolgen (Erwägungsgrund 21 Satz 3 EU-BewVO).26 Insbesondere unter den aktuellen Corona-Bedingungen und angesichts der damit einhergehenden Erschwernisse bei Reisen kommt der Reduzierung bzw. Vermeidung von Infektionsgefahren besonderes Gewicht zu. Wie die subjektive Formulierung des Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO („für angemessen hält“) deutlich macht, genießt das ersuchende Gericht im Hinblick auf die Angemessenheit einen gewissen Beurteilungsspielraum. Jedoch kommt, wie sich auch Erwägungsgrund 21 Satz 5 EU-BewVO entnehmen lässt, eine Verweigerung der Genehmigung in Betracht, wenn die beantragte unmittelbare Beweisaufnahme gegen den ordre public des ersuchten Mitgliedstaats verstößt (Art. 19 Abs. 7 lit. c EU-BewVO; s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 6 ff.). 19 Knöfel, RIW 2021, 247, 251; zu diesem Begriff ausführlich von Hein in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 5 EGBGB Rz. 130 ff. 20 von Hein in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 5 EGBGB Rz. 135. 21 Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts im IPR umfassend von Hein in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 5 EGBGB Rz. 139 ff. 22 Knöfel, RIW 2021, 247, 251. 23 Vgl. Europäische Kommission, 31.5.2018, COM (2018) 378 final, Art. 1 Abs. 3 lit. a. 24 Vgl. zum schlichten Aufenthalt allgemein von Hein in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 5 EGBGB Rz. 135. 25 BRAK-Stellungnahme 29/2018, S. 5. 26 McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 109; näher zu Videokonferenzen im familienrechtlichen Kontext Erb-Klünemann/Höhn, FamRB 2021, 37 ff.; Socha, FamRZ 2020, 731 ff.; offenbar verkannt von OLG Stuttgart v. 15.10.2020 – 15 UF 8/20, FamRZ 2021, 783 mit insoweit abl. Anm. Hüßtege, FamRZ 2021, 786 f.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 21 EU-BewVO
Ein Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme per Videokonferenz oder mittels einer anderen 9 Fernkommunikationstechnologie ist unter Verwendung des Formblatts N zu stellen (Art. 20 Abs. 2 S. 1 EU-BewVO).
IV. Durchführung Die praktischen Modalitäten der Videovernehmung sind nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 EU-BewVO vorzugsweise im Wege der Vereinbarung zu regeln. An einer solchen Vereinbarung sind auf der einen Seite das ersuchende Gericht, auf der anderen Seite die Zentralstelle, die zuständige Behörde oder das nach Art. 19 Abs. 6 EU-BewVO mit der praktischen Unterstützung beauftragte Gericht des ersuchten Mitgliedstaates beteiligt. Die Beweisaufnahme muss nicht unbedingt in den Diensträumen eines Gerichts stattfinden, da ein entsprechendes, noch im Kommissionsvorschlag von 2018 enthaltenes Erfordernis in der Endfassung der Verordnung gestrichen wurde.27 Der in Art. 20 Abs. 2 S. 2 EU-BewVO vorgesehene Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung hindert die Zentralstelle oder die zuständige Behörde des ersuchten Mitgliedstaates indes nicht daran, gegebenenfalls gemäß Art. 19 Abs. 4 EU-BewVO einseitig Bedingungen für die Durchführung einer Videokonferenz festzulegen (s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 9 ff.). Hierauf wird in Erwägungsgrund 21 Satz 4 EU-BewVO ausdrücklich hingewiesen. Gem. Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 EU-BewVO wird das ersuchende Gericht erforderlichenfalls bei der Suche nach einem Dolmetscher unterstützt. Zu den für einen Dolmetscher ggf. anfallenden Kosten s. Art. 22 EU-BewVO Rz. 4.
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Artikel 21 Beweisaufnahme durch Bedienstete diplomatischer oder konsularischer Vertretungen Die Mitgliedstaaten können in ihren nationalen Rechtsvorschriften die Möglichkeit für ihre Gerichte vorsehen, die Bediensteten ihrer diplomatischen oder konsularischen Vertretungen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats und innerhalb ihres Akkreditierungsbereichs aufzufordern, im Rahmen eines bei den Gerichten des von ihnen vertretenen Mitgliedstaats anhängigen Verfahrens – sofern keine besonderen Umstände vorliegen – ohne vorheriges Ersuchen in den Räumlichkeiten der diplomatischen oder konsularischen Vertretung eine Beweisaufnahme in Form einer Vernehmung von Staatsangehörigen des von ihnen vertretenen Mitgliedstaats auf freiwilliger Basis und ohne den Einsatz von Zwangsmaßnahmen durchzuführen. Der aufgeforderte Bedienstete der diplomatischen oder konsularischen Vertretung erledigt das Ersuchen nach Maßgabe des Rechts seines Mitgliedstaats.
I. Normzweck und Entstehungsgeschichte Art. 21 EU-BewVO wurde erst im Zuge der Revision der EU-BewVO im Jahre 2020 geschaffen; in der alten Fassung (EG-BewVO) fehlte noch eine explizite Regelung zur diplomatischen oder konsularischen Beweisaufnahme. Diese Lücke sorgte für eine gewisse Rechtsunsicherheit. Die in Art. 29 Abs. 1 EU-BewVO genannten Haager Übereinkommen werden von der EU-BewVO verdrängt, soweit der Anwendungsbereich der Verordnung nach Art. 1 EU-BewVO reicht. Das HBÜ gibt insoweit gemäß Art. 32 HBÜ nach.1 Unter der EG-BewVO war jedoch umstritten, ob weiterhin auf die diplomatische oder konsularische Beweisaufnahme nach dem HBÜ zurückgegriffen werden konnte.2 Die h.L. bejahte dies, da die EG-BewVO diese Form der Beweisaufnahme in Art. 1 EG-BewVO nicht erfasst ha27 Knöfel, RIW 2021, 247, 251; vgl. auch Lafontaine, DAR 2020, 541, 550. 1 Hierzu Markus, SZW 2002, 65, 71; Romano, Riv. dir. proc. 2005, 221, 225 f.; Valdhans/Sehnálek in van Rhee/ Uzelac, 2015, S. 337, 341 ff.; Wilderspin/Rouchaud-Joët, Rev crit dr i p 2004, 1, 43. 2 Vgl. die Diskussion auf der Sitzung des Comité Français de dr i p vom 30.1.2004, Trav. com. fr. dr. i. p. 2002-04, S. 228 f.
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Art. 21 EU-BewVO Beweisaufnahme d. Bedienstete diplomatischer/konsularischer Vertretungen be.3 Zur Unterstützung wurde ferner entstehungsgeschichtlich argumentiert, dass man sich bei der Ausarbeitung der EG-BewVO darüber einig gewesen sei, diesen bewährten Weg nicht ausschließen zu wollen.4 Schließlich wurde die Ablehnung der konsularischen Beweisaufnahme unter Hinweis auf die Möglichkeit der direkten Kommunikation zwischen den Gerichten als ein „im Verkehr zwischen Staaten [nicht] favorables Vorgehen“ empfunden.5 Diese Ansicht war jedoch zweifelhaft.6 Art. 19 Abs. 2 S. 2 des ursprünglichen EG-BewVO-Vorschlags hatte ausdrücklich die konsularische Beweisaufnahme vorgesehen, war dann aber gestrichen worden, ohne auch nur einen Hinweis auf eine fortbestehende Anwendbarkeit der Art. 15, 16 HBÜ in die Erwägungsgründe der EG-BewVO aufzunehmen.7 Die Stellungnahme des Berichterstatters für den Rechtsausschuss des EP macht deutlich, dass diese Streichung seinerzeit nicht erfolgt war, weil man die Vorschrift als überflüssig angesehen, sondern weil man die Beibehaltung des konsularischen bzw. diplomatischen Weges als unvereinbar mit den Zielen der EG-BewVO abgelehnt hatte.8 Bereits dieser Verlauf der Gesetzgebung sprach gegen eine weitere Zulässigkeit der konsularischen Beweisaufnahme nach dem HBÜ.9 Art. 17 Abs. 3 EG-BewVO ermöglichte zudem eine unmittelbare Beweisaufnahme, die von einem „nach Maßgabe des Rechts des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts bestimmten Gerichtsangehörigen oder von einer anderen Person“ durchgeführt wurde. Bei funktionaler Betrachtung lag es nahe, einen die Beweisaufnahme auf Ersuchen eines deutschen Gerichts durchführenden Konsul als eine „andere Person“ im Sinne dieser Vorschrift einzuordnen.10 Dann hätte aber der Vorrang des Art. 17 Abs. 3 EG-BewVO einem Rückgriff auf das HBÜ entgegengestanden. 2
Der 2018 vorgestellte Kommissionsvorschlag für eine Reform der EG-BewVO (s. Einl. EU-BewVO Rz. 6) sah vor, diese Zweifelsfragen mit der Einfügung eines neuen Art. 17b zu klären.11 Die Vorschrift sollte lauten: „Artikel 17b. Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter. Diplomatische oder konsularische Vertreter eines Mitgliedstaats können im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglied3 Befürwortend Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 51; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 21 EGBewVO Rz. 7 f.; Jastrow, IPRax 2004, 11, 12 f.; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 222 f.; McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 20; Mankowski, RIW 2004, 587, 590; Müller, S. 141 f.; Stadler in Musielak/Voit, § 363 ZPO Rz. 5; Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 90; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 21 EG-BewVO Rz. 1; Geimer in Zöller, § 363 ZPO Rz. 36; grundsätzlich auch Lafontaine, DAR 2020, 541, 547; Leipold, FS Schlechtriem, 2003, S. 91, 93 f. 4 Neumayr/Kodek in Burgstaller, Art. 17 EG-BewVO Rz. 1; Jastrow, IPRax 2004, 11, 12. 5 Fucik in Fasching/Konecny, Art. 21 EG-BewVO Rz. 2. 6 Ablehnend Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.53; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 21 EG-BewVO Rz. 2; Niehr, S. 150–153; Schmidt, Rz. 330; Schulze, IPRax 2001, 527, 528; wohl auch Berger, FS Rechberger, 2005, S. 39, 41 in Fn. 10; Betetto, EuLF 2006, I-137 in Fn. 5. 7 Auch Jastrow, IPRax 2004, 11, 12 räumt ein, dass eine solche Klarstellung sinnvoll gewesen wäre. 8 Marinho, Europäisches Parlament, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Bericht, 27.2.2001, A5-0073/2001, unter Nr. 1.3.4.2: „Ist es z.B. notwendig, die Möglichkeit beizubehalten, dass diplomatische oder konsularische Vertreter gerichtliche Handlungen in anderen Mitgliedstaaten vornehmen können? Derartige Bestimmungen bergen die Gefahr in sich, dass die angestrebte Beschleunigung der Übermittlung der Ersuchen um Vornahme gerichtlicher Handlungen, in der das Hauptziel der Verordnung besteht, verhindert wird.“ 9 So Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 21 EG-BewVO Rz. 2; Schmidt, Rz. 330; Schulze, IPRax 2001, 527, 528; wohl auch Diago Diago, S. 56 f. 10 Vgl. Europäische Kommission, Praktischer Leitfaden Nr. 55: „Die Beweisaufnahme wird von einem nach Maßgabe des Rechts des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts bestimmten Gerichtsangehörigen oder von einer anderen Person wie etwa einem Sachverständigen, einem Beamten des konsularischen oder diplomatischen Dienstes oder einem Bevollmächtigten durchgeführt“ (Hvhb hinzugefügt), ausführlich Niehr, S. 150–153; ebenso Besso, Int. J. Proc. L. 2012, 68, 74; Jansen, NIPR 2019, 753, 770; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.74; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 21 EG-BewVO Rz. 2; s. auch Freudenthal, NIPR 2002, 109, 116: „Één algemene regeling ter verkrijging van bewijs door […] andere personen […] maakt een aparte regeling voor consuls overbodig“; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 223 in Fn. 3: „L’article 17-3 permet la désignation d’un commissaire comme prévu par la Convention de La Haye. Pourquoi pas aussi celle d’un agent diplomatique ou consulaire?“; Niboyet, Droit et Patrimoine 2006 N°145, 119 f.; Trocker, Riv. dir. int. 2003, 670, 696: Art. 17 EG-BewVO ersetze Art. 15–21 HBÜ; zwischen Diplomaten und Konsuln einerseits, sonstigen Beauftragten andererseits differenzierend hingegen Leipold, FS Schlechtriem, 2003, S. 91, 94, der im ersten Fall von einer weiteren Anwendbarkeit des HBÜ ausging. 11 Europäische Kommission, 31.5.2018, COM (2018) 378 final.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 21 EU-BewVO
staats innerhalb des Bereichs, in dem sie ihre Aufgaben wahrnehmen, im Rahmen eines bei den Gerichten des von ihnen vertretenen Mitgliedstaats anhängigen Verfahrens ohne vorheriges Ersuchen nach Artikel 17 Absatz 1 eine Beweisaufnahme durch Anhörung von Staatsangehörigen des von ihnen vertretenen Mitgliedstaats ohne Zwang durchführen.“ Dieser Vorschlag hat mit gewissen redaktionellen Ergänzungen und Präzisierungen Eingang in den heutigen Art. 21 EU-BewVO gefunden. Nach der Begründung des Kommissionsvorschlags soll dieser Artikel „die Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter […] erleichtern“, indem diese Personen „ohne vorheriges Ersuchen [!] eine Beweisaufnahme durch Anhörung von Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats ohne Zwang durchführen können“.12 Diese Neuregelung dürfte im Umkehrschluss bestätigen, dass nach der bisherigen Rechtslage Konsuln oder andere diplomatische Vertreter unter Art. 17 Abs. 3 EG-BewVO fielen (s. Rz. 1), so dass im Gegensatz zu Art. 21 EU-BewVO ein vorheriges Ersuchen erforderlich war. Wer hingegen bislang ohnehin Art. 15 HBÜ für anwendbar hielt (s. Rz. 1), mag eine Erleichterung des Rechtsverkehrs zumindest darin erblicken, dass aus dem Kreise der HBÜ-Vertragsstaaten nunmehr auch Portugal und Schweden keine vorherige Genehmigung durch die Zentrale Behörde nach Art. 15 Abs. 2 HBÜ mehr verlangen dürfen (s. Rz. 4). Ferner gilt Art. 21 EU-BewVO auch im Verhältnis zu denjenigen Mitgliedstaaten, die nicht zugleich Vertragsstaaten des HBÜ sind (Belgien, Irland, Österreich). Die Schaffung einer eindeutigen unionsrechtlichen Regelung ist daher im Interesse der Rechtssicherheit zu begrüßen.13 Ob hierfür angesichts der im europäischen Rechtsraum eher geringen Bedeutung der diplomatischen oder konsularischen Beweisaufnahme ein nachhaltiges praktisches Bedürfnis bestand, mag man freilich bezweifeln.14
II. Voraussetzungen Art. 21 EU-BewVO schafft für sich genommen keine ausreichende Rechtsgrundlage für die diplomati- 3 sche oder konsularische Beweisaufnahme, sondern bedarf zusätzlich der Freischaltung durch nationale Rechtsvorschriften des jeweiligen Entsendestaates. Auch insoweit entspricht die Vorschrift dem Art. 15 HBÜ.15 Die Mitgliedstaaten können folglich in ihren nationalen Rechtsvorschriften die Möglichkeit einer diplomatischen oder konsularischen Beweisaufnahme vorsehen; sie müssen dies aber nicht tun (Erwägungsgrund 24 Satz 2 EU-BewVO). In Deutschland finden sich, solange keine speziellen Vorschriften zu Art. 21 EU-BewVO in Buch 11 der ZPO geschaffen worden sind, die maßgeblichen Vorschriften in § 363 Abs. 2 ZPO und § 15 Konsulargesetz. Ergänzend ist die ZRHO zu beachten (s. Einl. EU-BewVO Rz. 4). Ein deutsches Gericht kann daher grundsätzlich deutsche Diplomaten oder Konsuln dazu auffordern, im Empfangsstaat einen deutschen Staatsangehörigen zu vernehmen. Allerdings stellt sich die Frage, ob ein deutsches Gericht ermessensfehlerfrei handelt, wenn es statt der ihm selbst zur Verfügung stehenden Beweisaufnahmemöglichkeiten nach Art. 19, 20 EU-BewVO, die einen hohen Grad an Unmittelbarkeit ermöglichen, auf die konsularische Beweisaufnahme zurückgreift, die mitunter als ein „Relikt“ eingestuft wird, für das es im europäischen Rechtsraum „in der Regel kein Bedürfnis mehr“ gebe.16 Die in § 363 Abs. 2 ZPO vorgesehene konsularische Beweisaufnahme erklärt sich historisch vor allem daraus, dass bei der Schaffung dieser Vorschrift eine unmittelbare Beweisaufnahme durch das Prozessgericht allgemein als Verletzung der Territorialhoheit des Vernehmungsstaates angesehen wurde.17 Da die EU-BewVO diese unmittelbare Beweisaufnahme aber heute zulässt, sollte die Behelfslösung einer konsularischen Beweisaufnahme gemäß Art. 21 EU-BewVO wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes (§ 355 ZPO) nur zurückhaltend eingesetzt werden.18 Nach § 14 Abs. 1 ZRHO sollen ausgehende Ersuchen nur ausnahmsweise
12 13 14 15 16 17 18
Europäische Kommission, 31.5.2018, COM (2018) 378 final S. 9. Grundsätzlich positiv auch BRAK-Stellungnahme Nr. 29/2018, S. 5. Kritisch zur Neuregelung Knöfel, RIW 2018, 712, 717. Vgl. zu Art. 15 HBÜ Amram, Rz. 161. Müller, S. 144; a.A. Knöfel, RIW 2018, 712, 717. Näher Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 162. I.E. ebenso Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 21 EG-BewVO Rz. 2; Schulze, IPRax 2001, 527, 531; für einschränkende Auslegung des § 363 ZPO im Lichte des Art. 17 EG-BewVO bereits Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 162 f.; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 17 EG-BewVO Rz. 1; Stadler, ZZP 115 (2002), 519 f.
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Art. 21 EU-BewVO Beweisaufnahme d. Bedienstete diplomatischer/konsularischer Vertretungen von deutschen Auslandsvertretungen erledigt werden, insbesondere wenn keine vorrangigen unionsrechtlichen Regelungen bestehen. 4
Die diplomatische oder konsularische Beweiserhebung gem. Art. 21 S. 1 EU-BewVO setzt im Gegensatz zur unmittelbaren Beweisaufnahme nach Art. 19, 20 EU-BewVO grundsätzlich kein vorheriges Ersuchen voraus. Insoweit ist die Regelung großzügiger als Art. 15 Abs. 2 HBÜ, der jedem Vertragsstaat erlaubt, eine solche Beweisaufnahme vom Vorliegen einer Genehmigung durch den ersuchten Staat abhängig zu machen.19 Von diesem Vorbehalt haben aus dem Kreis der HBÜ-Vertragsstaaten, die zugleich Mitgliedstaaten der EU-BewVO sind, Portugal und Schweden Gebrauch gemacht.20 Aufgrund des Vorrangs der EU-BewVO gegenüber dem HBÜ (Art. 29 Abs. 1 EU-BewVO) dürfen auch Portugal und Schweden künftig kein vorheriges Ersuchen von Gerichten aus EU-BewVO-Mitgliedstaaten mehr verlangen. Ein vorheriges Ersuchen kann aber ausnahmsweise erforderlich sein, wenn „besondere Umstände“ i.S. des Art. 21 S. 1 EU-BewVO vorliegen, die einer Vernehmung in den Räumen der diplomatischen oder konsularischen Vertretung entgegenstehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die zu vernehmende Person aufgrund einer schweren Erkrankung nicht in der Lage ist, diese Räume aufzusuchen (Erwägungsgrund 25 EU-BewVO). An wen das Ersuchen in einem solchen Fall zu richten ist, sagt die EU-BewVO nicht. Es bietet sich an, entsprechend Art. 19 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 2 EU-BewVO das Ersuchen an die Zentralstelle oder eine andere zuständige Behörde des Empfangsstaates zu richten. Ein solches Ersuchen ist formlos möglich, da die EU-BewVO insoweit kein einschlägiges Formblatt vorsieht.
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Art. 21 S. 1 EU-BewVO bezieht sich allein auf die Vernehmung einer Person. Ebenso wie bei Art. 20 Abs. 1 EU-BewVO (s. Art. 20 EUBewVO Rz. 5) kommt es insoweit nicht darauf an, ob es sich hierbei um Zeugen im technischen Sinne, Parteien oder Sachverständige handelt. Sonstige Beweisaufnahmen, etwa die Entnahme einer DNA- oder Blutprobe oder die Vorlage einer Urkunde, werden hingegen von Art. 21 S. 1 EU-BewVO nicht erfasst. Ebenso wenig wie im Falle des Art. 15 HBÜ wird Diplomaten oder Konsuln durch Art. 21 S. 1 EU-BewVO die Vornahme anderer gerichtlicher Handlungen (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 7 ff.) gestattet.21
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Art. 21 S. 1 EU-BewVO beschränkt in Anlehnung an Art. 15 Abs. 1 HBÜ die Beweisaufnahme durch einen Diplomaten oder Konsul auf die Staatsangehörigen des von ihm vertretenen Staates; eine Art. 16 HBÜ entsprechende Vorschrift, welche die Beweisaufnahme auch in Bezug auf Angehörige des Empfangs- oder eines Drittstaates ermöglichen würde, fehlt hingegen.22 Eine Regelung für den Fall, dass die zu vernehmende Person staatenlos ist oder mehr als eine Staatsangehörigkeit besitzt, sieht die EU-BewVO nicht vor. Insoweit darf nicht etwa auf Art. 5 EGBGB zurückgegriffen werden.23 Nach allgemeinen Grundsätzen entscheidet vielmehr das Recht des Staates, in dem eine Person vernommen werden soll, darüber, ob sie diesem Staat angehört.24 Folglich kann eine Person, die neben der Staatsangehörigkeit des Entsendestaates nach dem Recht des Empfangsstaates auch dessen Staatsangehörigkeit besitzt, nicht gem. Art. 21 EU-BewVO vernommen werden.25
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Ferner mangelt es an einer Art. 18 HBÜ entsprechenden Bestimmung zur Unterstützung der diplomatischen oder konsularischen Beweisaufnahme durch Zwangsmaßnahmen. Art. 21 S. 1 EU-BewVO erfasst allein die freiwillige Mitwirkung der Beweisperson („auf freiwilliger Basis“). Eine subsidiäre Heranziehung des HBÜ muss insoweit aufgrund des Anwendungsvorrangs der EU-BewVO (Art. 29 Abs. 1 EU-BewVO) ebenso wie bei Art. 19 Abs. 2 EU-BewVO (s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 17) ausscheiden.26 19 20 21 22 23 24 25 26
McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 107. Jayme/Hausmann, Internationales Privat und Verfahrensrecht, 20. Aufl. 2020, S. 1161 Fn. 11. Vgl. zu Art. 15 HBÜ Pabst in MünchKomm/ZPO, Vorbem. zu Art. 15 HBÜ Rz. 4. McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 107; kritisch dazu Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme INT/867, ABl. EU 2019 C 62/56, Rz. 5.5. Vgl. allgemein zur Behandlung von Mehrstaatern im europäischen IZPR von Hein in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 5 EGBGB Rz. 81 ff. So bereits zu Art. 15, 16 HBÜ BT-Drucks. 7/4892, S. 56; Pabst in MünchKomm/ZPO, Vorbem. zu Art. 15 HBÜ Rz. 5. Ebenso (zu Art. 15, 16 HBÜ) BT-Drucks. 7/4892, S. 56; Pabst in MünchKomm/ZPO, Vorbem. zu Art. 15 HBÜ Rz. 5; wohl auch Knöfel, RIW 2021, 247, 257; a.A. Hess in Schlosser/Hess, Art. 21 EU-BewVO Rz. 2. Ebenso Hess in Schlosser/Hess, Art. 21 EU-BewVO Rz. 1, 3.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 21 EU-BewVO
Eine diplomatische oder konsularische Beweisaufnahme nach Art. 21 S. 1 EU-BewVO darf nur in demjenigen Bezirk erfolgen, in dem der diplomatische oder konsularische Vertreter sein Amt ausübt (Akkreditierungsbereich). Das versteht sich von selbst und entspricht Art. 15 Abs. 1 HBÜ.27
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Schließlich setzt Art. 21 S. 1 EU-BewvO voraus, dass die Beweise für ein Gerichtsverfahren erhoben werden, das im Entsendestaat bereits anhängig ist. Insoweit ist die Vorschrift enger gefasst als Art. 1 Abs. 2 EU-BewVO, der auch die Beweisaufnahme für ein gerichtliches Verfahren erfasst, dessen Eröffnung geprüft wird (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 36 ff.). In dieser Hinsicht folgt Art. 21 S. 1 EU-BewVO dem Regelungsvorbild des Art. 15 Abs. 1 HBÜ.28 Das bedeutet, dass eine diplomatische oder konsularische Beweisaufnahme im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO ausscheidet.29 Vertritt ein deutscher Diplomat oder Konsul neben der Bundesrepublik aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung auch einen anderen Mitgliedstaat im Empfangsstaat (sog. Schutzmachtvertretung), reicht eine Anhängigkeit in diesem anderen Mitgliedstaat aus.30 Hingegen genügt die Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens in einem Drittstaat keinesfalls, selbst wenn dieser Drittstaat von einem deutschen Diplomaten oder Konsul in einem anderen Mitgliedstaat vertreten wird.
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III. Durchführung Die Beweisaufnahme wird in der Regel in den Räumlichkeiten der jeweiligen diplomatischen oder konsularischen Vertretung durchgeführt (Art. 21 S. 1 EU-BewVO). Ausnahmsweise, etwa im Falle einer schweren Erkrankung der zu vernehmenden Person, kann diese auch andernorts erfolgen (s. Rz. 4).
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Für die Durchführung der Beweisaufnahme durch den Bediensteten der diplomatischen oder kon- 11 sularischen Vertretung gilt das Recht des jeweiligen Entsendestaates (Art. 21 S. 2 EU-BewVO). Soll die Vernehmung einer Person ausnahmsweise außerhalb der jeweiligen diplomatischen oder konsularischen Vertretung erfolgen, kann die Zentralstelle bei der Genehmigung des Ersuchens bestimmte Bedingungen für die Beweisaufnahme (Ort, Zeit, Teilnahme eines Behördenvertreters) – festlegen. Dies ist zwar im Gegensatz zu Art. 19 HBÜ in der EU-BewVO nicht explizit vorgesehen, aber ohne weiteres vom Entscheidungsspielraum der Zentralstelle gedeckt. Eine Erstattung von Kosten für die diplomatische oder konsularische Beweisaufnahme sieht die EUBewVO ebenso wenig vor wie das HBÜ. Da der Staat, in dem die Vernehmung erfolgt, bei der Durchführung der diplomatischen oder konsularischen Beweisaufnahme regelmäßig nicht in Anspruch genommen wird, bleibt es dem Recht des ersuchenden Staates überlassen, wie er im dort anhängigen Gerichtsverfahren die Erstattung von Kosten regelt, die durch die Dienste der Auslandsvertretung angefallen sind.31 In Deutschland sind ggf. das AKostG und die AKostV sowie die Vorschusspflicht nach § 81 ZRHO zu beachten. Stellt der in einem Ausnahmefall (s. Rz. 4) ersuchte Staat für die Vernehmung Räumlichkeiten außerhalb der Auslandsvertretung zur Verfügung, kann er in der Genehmigung ein angemessenes Nutzungsentgelt festsetzen.
27 Vgl. McGuire/John in Leible/Terhechte, § 25 Rz. 108. 28 Vgl. zu Art. 15 HBÜ Amram, Rz. 168; Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 15 HBÜ Rz. 5. 29 Vgl. Jansen, NIPR 2019, 753, 766 in Fn. 94; ebenso zu Art. 15 HBÜ Pabst in MünchKomm/ZPO, Vorbem. zu Art. 15 HBÜ Rz. 4. 30 Vgl. zu Art. 15 HBÜ BT-Drucks. 7/4892, S. 56. 31 Vgl. zum HBÜ Amram, Rz. 162.
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Art. 22 EU-BewVO Kosten
Abschnitt 5 Kosten (Art. 22)
Artikel 22 Kosten (1) Die Erledigung eines Ersuchens um Beweisaufnahme nach Artikel 12 begründet keinen Anspruch auf Erstattung von Gebühren oder Auslagen. (2) Abweichend von Absatz 1 kann das ersuchte Gericht die Erstattung von Gebühren oder Auslagen verlangen. Falls das ersuchte Gericht das verlangt, stellt das ersuchende Gericht unverzüglich die Erstattung folgender Beträge sicher: – der Aufwendungen für Sachverständige und Dolmetscher und – der Kosten, die durch die Anwendung von Artikel 12 Absätze 3 und 4 entstanden sind. Die Verpflichtung der Parteien, solche Aufwendungen und Auslagen zu tragen, unterliegt dem Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts. (3) Wird die Stellungnahme eines Sachverständigen verlangt, so kann das ersuchte Gericht vor der Erledigung des Ersuchens um Beweisaufnahme das ersuchende Gericht um eine angemessene Kaution oder einen angemessenen Vorschuss für die voraussichtlichen Kosten für die Stellungnahme des Sachverständigen bitten. In allen übrigen Fällen darf die Erledigung eines Ersuchens um Beweisaufnahme nicht von einer Kaution oder einem Vorschuss abhängig gemacht werden. Die Kaution oder der Vorschuss wird von den Parteien hinterlegt bzw. einbezahlt, falls das im Recht des Mitgliedstaats des ersuchenden Gerichts vorgesehen ist.
I. Einführung 1
Art. 22 Abs. 1 EU-BewVO statuiert wie schon Art. 14 Abs. 1 HBÜ den Grundsatz der Kostenfreiheit der Erledigung von Rechtshilfeersuchen, sieht aber Ausnahmen vor (Abs. 2 und 3).1 Der Sinn der Vorschrift liegt darin, den mit einer Kostenerstattung verbundenen Verwaltungsaufwand möglichst zu vermeiden.2 Der Begriff der „Kosten“ ist unionsrechtlich autonom zu bestimmen und hängt nicht von der Qualifikation nach nationalem Recht ab.3 Unter „Gebühren“ sind die vom Gericht für seine Tätigkeit erhobenen Beträge zu verstehen, während unter „Auslagen“ diejenigen Beträge fallen, die das Gericht im Zuge des Verfahrens an Dritte verauslagt, insbesondere an Sachverständige oder Zeugen.4 Obwohl Art. 22 Abs. 1 EU-BewVO ausdrücklich nur die Erledigung von Ersuchen nach Art. 12 EU-BewVO nennt, gilt der Grundsatz der Kostenfreiheit auch für die passive Rechtshilfe im Rahmen der Art. 19 und 20 EU-BewVO, für die diplomatische oder konsularische Beweisaufnahme nach Art. 21 EU-BewVO und für die Hilfeleistung nach Art. 4 EU-BewVO.5 Auch die praktische Anwendung des Art. 22 EU-BewVO ist gem. Art. 33 Abs. 1 EU-BewVO nach fünf Jahren zu überprüfen (s. Art. 33 EU-BewVO Rz. 1).
1 Ausführlich Franzina, Riv. dir. int. priv. proc. 2011, 675 ff.; ferner Sujecki, EuZW 2010, 726; Sujecki, EuZW 2011, 264, 265. 2 Hess/Müller, ZZPInt 6 (2001), 149, 167. ´ ski/Mediatel 4B spólka z.o.o., EuGHE 2011 I 601 3 EuGH v. 17.2.2011 – C-283/09, ECLI:EU:C:2011:85 – Weryn Rz. 58. ´ ski/Mediatel 4B spólka z.o.o., EuGHE 2011 I 601 4 EuGH v. 17.2.2011 – C-283/09, ECLI:EU:C:2011:85 – Weryn Rz. 59. 5 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 18 EG-BewVO Rz. 1; Müller, S. 129 f.; wohl auch Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 231.
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Kap. II: Übermittlung und Erledigung der Ersuchen
Art. 22 EU-BewVO
II. Sicherstellung bestimmter Kosten Auf Verlangen des ersuchten Gerichts hat das ersuchende Gericht die Erstattung von Kosten sicher- 2 zustellen, die für Sachverständige, Dolmetscher oder die Einhaltung besonderer Formen (Art. 12 Abs. 3 EU-BewVO) anfallen (Art. 22 Abs. 2 EU-BewVO). Obwohl Art. 22 Abs. 2 EU-BewVO dies – anders als Art. 22 Abs. 3 S. 2 EU-BewVO – nicht ausdrücklich sagt, hat diese Regelung aus systematischen Gründen als Ausnahme vom Grundsatz der Kostenfreiheit (s. Rz. 1) sowie nach ihrer Entstehungsgeschichte abschließenden Charakter; insbesondere darf vom ersuchten Gericht nicht die Erstattung von Zeugenentschädigungen oder eine darauf bezogene Sicherstellung verlangt werden.6 „Sicherstellung“ ist, wie Art. 22 Abs. 3 EU-BewVO zeigt, nicht als „Sicherheitsleistung“ zu verstehen;7 auch eine schriftliche Anerkennung der Erstattungsverpflichtung durch das Prozessgericht darf vor dem Anfall der Kosten nicht verlangt werden.8 Kostenschuldner ist nicht die Partei, sondern der Mitgliedstaat des ersuchenden Gerichts;9 Gläubiger ist nicht der Dolmetscher oder Sachverständige selbst, sondern der Mitgliedstaat des ersuchten Gerichts. Die Durchsetzung der Kostenforderung, falls die Zahlung nicht freiwillig erfolgt, ist in der EU-BewVO selbst nicht geregelt; in Betracht kommt ein Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258 AEUV).10 Ob der Sachverständige oder der Dolmetscher vom ersuchten Mitgliedstaat dazu ermächtigt werden können, ihre Aufwendungen selbst nach der Brüssel Ia-VO einzuklagen, ist zweifelhaft.11 Ein Durchgriff auf die letztlich erstattungspflichtige Partei ist jedenfalls nicht statthaft. Ob und ggf. in welchem Umfang die Parteien dazu verpflichtet sind, die angefallenen Kosten zu tragen, beurteilt sich nach dem Recht des ersuchenden Gerichts (Art. 22 Abs. 2 S. 3 EU-BewVO). Hiermit wurde eine im Verordnungsgebungsverfahren umstrittene Frage eindeutig geklärt.12
3
Wird bei der unmittelbaren Beweisaufnahme nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 EU-BewVO die Hinzuziehung eines Dolmetschers von der Zentralstelle angeordnet, ist Art. 22 Abs. 2 EU-BewVO entsprechend anzuwenden.13 Wird ein Übersetzer für die Beweisaufnahme im Wege einer Videokonferenz lediglich vermittelt (Art. 20 Abs. 2 UAbs. 2 EU-BewVO), aber vom ersuchenden Gericht selbst beauftragt, hat er sich wegen seiner Kosten an das ersuchende Gericht zu wenden.14 Der vom ersuchenden Gericht nach Art. 19 Abs. 3 EU-BewVO beauftragte Sachverständige setzt sich wegen seiner Kosten ebenfalls direkt mit dem Mitgliedstaat des ersuchenden Gerichts auseinander; auch dann, wenn es sich um einen Angehörigen des ersuchten Mitgliedstaats handelt.
4
III. Kaution und Vorschuss Nur für die Sachverständigenkosten muss auf Verlangen des ersuchten Gerichts im Voraus eine Kau- 5 tion bzw. ein Vorschuss geleistet werden (Art. 22 Abs. 3 S. 1, 2 EU-BewVO). Diese Regelung hat, wie bereits ihr Wortlaut deutlich macht (Art. 22 Abs. 3 S. 2 EU-BewVO), abschließenden Charakter; die Anforderung eines Vorschusses für die Entschädigung eines Zeugen darf daher nicht verlangt wer-
´ ski/Mediatel 4B spólka z.o.o., EuGHE 2011 I 601 6 EuGH v. 17.2.2011 – C-283/09, ECLI:EU:C:2011:85 – Weryn Rz. 63 ff. 7 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 18 EG-BewVO Rz. 3. 8 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 18 EG-BewVO Rz. 4; Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 231; Mougenot, J. T. 2002, 17, 20; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 18 EG-BewVO Rz. 5; a.A. Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 18 EG-BewVO Rz. 1. 9 Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 18 EG-BewVO Rz. 2; Rauscher in MünchKomm/ZPO, § 1072 ZPO Rz. 30; allgemein Ewald Geimer, S. 99; § 147 Abs. 1 ZRHO. 10 Zustimmend Fucik in Fasching/Konecny, Art. 18 EG-BewVO Rz. 3. 11 Vgl. zur Honorarklage eines Pflichtverteidigers LG Paderborn v. 22.12.1994 – 5 S 302/94, EWS 1995, 248 = IPRspr. 1994 Nr. 183 sowie Kropholler/von Hein, Art. 1 Brüssel I-VO a.F. Rz. 7; zu Gerichtskostenrechnungen aber Kropholler/von Hein, Art. 32 Brüssel I-VO a.F. Rz. 9. 12 Vgl. noch Rat der EU, Vermerk des Vorsitzes, 16.2.2001, 6850/01 (Art. 16). 13 Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 18 EG-BewVO Rz. 5; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.177; Rauscher in MünchKomm/ZPO, Art. 18 EG-BewVO Rz. 6. 14 A.A. aber Knöfel, RIW 2021, 247, 252.
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Art. 23 EU-BewVO Handbuch und Änderung des Anhang I den.15 Kaution oder Vorschuss müssen so ausgestaltet sein, dass das ersuchende Gericht ihrer Verwertung nicht widersprechen kann.16 Die Hinterlegungspflicht der Parteien gegenüber dem ersuchenden Gericht unterliegt dessen Recht (Art. 22 Abs. 3 S. 3 EU-BewVO). Falls das ersuchende Gericht damit einverstanden ist, bestehen keine Bedenken dagegen, dass die interessierte Partei die Kaution bzw. den Vorschuss direkt gegenüber dem ersuchten Gericht leistet.17
Kapitel III Schlussbestimmungen (Art. 23–Art. 35)
Artikel 23 Handbuch und Änderung des Anhang I (1) Die Kommission erstellt und aktualisiert regelmäßig gemäß Artikel 29 Absatz 3 ein Handbuch, das die von den Mitgliedstaaten nach Artikel 31 mitgeteilten Angaben sowie die geltenden Übereinkünfte oder Vereinbarungen enthält. Sie stellt das Handbuch in elektronischer Form bereit, insbesondere über das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen und über das Europäische Justizportal. (2) Der Kommission wird die Befugnis übertragen, nach Artikel 24 delegierte Rechtsakte zur Änderung des Anhang I zu erlassen, um die darin vorgesehenen Formblätter zu aktualisieren oder technische Anpassungen an diesen Formblättern vorzunehmen. 1
Das in Art. 23 Abs. 1 EU-BewVO genannte Handbuch ist – noch in Bezug auf die EG-BewVO – abrufbar unter https://e-justice.europa.eu/content_taking_evidence-374-en.do (abgerufen am 27.10.2021).
2
Um das Rechtssetzungsverfahren im Hinblick auf die Aktualisierung und technische Anpassung der Formblätter zu vereinfachen und zu beschleunigen, überträgt Art. 23 Abs. 2 EU-BewVO der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte nach Art. 24 EU-BewVO. Diese Ermächtigung der Kommission beruht auf Art. 290 AEUV. Die in Art. 23 Abs. 2 EU-BewVO vorgenommene Kompetenzübertragung gilt vorerst für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem 22.12.2020 (Art. 24 Abs. 2 S. 1 EU-BewVO). Der Kommissionsvorschlag von 2018 hatte in Art. 20 Abs. 2 noch eine unbefristete Übertragung der Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte vorgesehen;1 der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hatte dies aber als zu weitgehend kritisiert und stattdessen eine zeitliche Begrenzung gefordert.2 Unter den in Art. 24 Abs. 2 S. 3 EU-BewVO genannten Voraussetzungen wird die Befugnisübertragung verlängert. Die Kompetenzübertragung gemäß Art. 23 Abs. 2 EU-BewVO kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden (Art. 24 Abs. 3 S. 1 EU-BewVO); Näheres hierzu regelt Art. 24 Abs. 3 S. 2–4 EU-BewVO.
3
Über weitere Einzelheiten des Verfahrens bestimmen Art. 24 Abs. 4 EU-BewVO (Konsultation von Sachverständigen) und Art. 24 Abs. 5 EU-BewVO (Übermittlung des Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat). Wird im Rahmen des Art. 23 Abs. 2 EU-BewVO ein delegierter Rechtsakt erlassen, tritt er nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist sowohl das Europäische Parlament ´ ski/Mediatel 4B spólka z.o.o., EuGHE 2011 I 601 15 EuGH v. 17.2.2011 – C-283/09, ECLI:EU:C:2011:85 – Weryn Rz. 51. 16 Klauser, S. 2; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 18 EG-BewVO Rz. 2. 17 So der Vorschlag von Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 18 EG-BewVO Rz. 3; zust. Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 18 EG-BewVO Rz. 8; Klauser, S. 3; ebenso Lebeau/Niboyet, Gaz.Pal.Doctr. 2003, 221, 231; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Art. 18 EG-BewVO Rz. 5. 1 Europäische Kommission, 31.5.2018, COM (2018) 378 final, Art. 1 Nr. 8. 2 Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme INT/867, ABl. EU 2019 C 62/56, Rz. 4.7.
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Kap. III: Schlussbestimmungen
Art. 25 EU-BewVO
als auch der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden (Art. 24 Abs. 6 S. 1 EU-BewVO). Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert (Art. 24 Abs. 6 S. 2 EU-BewVO).
Artikel 24 Ausübung der Befugnisübertragung (1) Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen. (2) Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte gemäß Artikel 23 Absatz 2 wird der Kommission für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem 22.12.2020 übertragen. Die Kommission erstellt spätestens neun Monate vor Ablauf des Zeitraums von fünf Jahren einen Bericht über die Befugnisübertragung. Die Befugnisübertragung verlängert sich stillschweigend um Zeiträume gleicher Länge, es sei denn, das Europäische Parlament oder der Rat widersprechen einer solchen Verlängerung spätestens drei Monate vor Ablauf des jeweiligen Zeitraums. (3) Die Befugnisübertragung gemäß Artikel 23 Absatz 2 kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in dem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt. (4) Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen, im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13.4.2016 über bessere Rechtsetzung enthaltenen Grundsätzen. (5) Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat. (6) Ein delegierter Rechtsakt, der gemäß Artikel 23 Absatz 2 erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist sowohl das Europäische Parlament als auch der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert. S. Art. 23 EU-BewVO Rz. 2 f.
1
Artikel 25 Erlass von Durchführungsrechtsakten durch die Kommission (1) Die Kommission erlässt Durchführungsrechtsakte zur Einrichtung des dezentralen IT-Systems, durch die sie Folgendes festlegt: a) die technische Spezifikation zur Festlegung der Methoden zur elektronischen Kommunikation für die Zwecke des dezentralen IT-Systems; b) die technischen Spezifikationen für Kommunikationsprotokolle; c) die Informationssicherheitsziele und entsprechenden technischen Maßnahmen zur Gewährleistung von Mindeststandards für die Informationssicherheit bei der Verarbeitung und Übermittlung von Informationen im dezentralen IT-System; d) die Mindestverfügbarkeitsziele und mögliche damit verbundene technische Anforderungen an die Leistungen des dezentralen IT-Systems; von Hein
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Art. 26 EU-BewVO Ausschussverfahren e) die Einsetzung eines aus Vertretern der Mitgliedstaaten bestehenden Lenkungsausschusses, um zur Verwirklichung der Ziele dieser Verordnung den Betrieb sowie die Wartung und Pflege des dezentralen IT-Systems sicherzustellen. (2) Die Durchführungsrechtsakte nach Absatz 1 des vorliegenden Artikels werden spätestens am 23.3.2022 gemäß dem in Artikel 26 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen. 1
Da es für die Durchführung der EU-BewVO in Bezug auf die Einrichtung des dezentralen IT-Systems (s. Art. 7 EU-BewVO Rz. 1 ff.) einheitlicher Bedingungen bedarf, werden der Kommission im Einklang mit Art. 291 Abs. 2 AEUV entsprechende Durchführungsbefugnisse übertragen (Art. 25 Abs. 1 EU-BewVO). Diese Rechtsakte müssen die in Art. 25 Abs. 1 EU-BewVO aufgezählten Fragen regeln. Einzelheiten zum Prüfverfahren regelt Art. 26 Abs. 2 EU-BewVO, auf den Art. 25 Abs. 2 EU-BewVO Bezug nimmt. Die einschlägigen Durchführungsrechtsakte liegen gegenwärtig (30.9.2021) noch nicht vor.
Artikel 26 Ausschussverfahren (1) Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt. Dieser Ausschuss ist ein Ausschuss im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 182/2011. (2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gilt Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 182/ 2011. 1
Die Komitologie-Vorschrift der EU-BewVO entspricht inhaltlich dem Art. 26 EU-ZustVO; sie dient der Entlastung der Kommission. Auf Art. 26 Abs. 2 EU-BewVO wird in Art. 25 Abs. 2 EU-BewVO Bezug genommen. Der noch in Art. 20 Abs. 2 EG-BewVO genannte ursprüngliche Komitologie-Beschluss1 war bereits mit dem Beschluss des Rates 2006/512/EG (ABl. EU 2006 L 200/11) geändert worden, durch den die Mitspracherechte des EP gestärkt wurden. Durch Anhang 2 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1103/2008 v. 22.10.2008 wurde Art. 20 EG-BewVO an das Regelungsverfahren mit Kontrolle angepasst.2 Der Vertrag von Lissabon machte jedoch mit der Einführung der neuen Art. 290, 291 AEUV, die allgemein die Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen auf die Kommission regeln, eine generelle Neuordnung des Komitologie-Wesens in der EU erforderlich.3 Diese ist mit der in Art. 26 EU-BewVO genannten Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren,4 erfolgt.
2
Eine Anpassung des Regelungsverfahrens mit Kontrolle an die Vorgaben der Art. 290, 291 AEUV sah für den Bereich der Justizrechtsakte bereits der Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission vom 27.6.2013 vor.5 Dieser Vorschlag wurde 2015 aber wieder zurückgezogen.6 Art. 26 EU-BewVO hat dies nun für die Zwecke der EU-BewVO geregelt.
1 ABl. EG 1999 L 184/23. 2 ABl. EU 2008 L 304/80. 3 S. Beer, Die Zukunft der Komitologie: Weniger Komitees – mehr Kommission?, EuZW 2010, 201; Greiner, Die Reform der Komitologie durch den Vertrag von Lissabon, 2018, S. 39 ff.; Kropholler/von Hein, Art. 75 Brüssel I-VO a.F. Rz. 3; jeweils m.w.N. 4 ABl. EU 2011 L 55/13. 5 Europäische Kommission, 27.6.2013, COM (2013) 452 final; hierzu näher Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2014, 1, 7. 6 Rücknahme von Vorschlägen der Kommission v. 7.2.2015, ABl. EU 2015 C 80/08; näher Greiner, Die Reform der Komitologie durch den Vertrag von Lissabon, 2018, S. 64.
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Kap. III: Schlussbestimmungen
Art. 29 EU-BewVO
Artikel 27 Referenzimplementierungssoftware (1) Die Kommission ist verantwortlich für die Schaffung, Wartung und Pflege sowie künftige Weiterentwicklung einer Referenzimplementierungssoftware, für deren Einsatz sich die Mitgliedstaaten als ihr Back-End-System anstelle eines nationalen IT-Systems entscheiden können. Die Schaffung, Wartung und Pflege sowie künftige Weiterentwicklung der Referenzimplementierungssoftware werden aus dem Gesamthaushalt der Union finanziert. (2) Die Kommission übernimmt die Bereitstellung, Wartung und Pflege sowie kostenlose Implementierung der Softwarekomponenten, die den Zugangspunkten zugrunde liegen. S. Art. 7 EU-BewVO Rz. 3.
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Artikel 28 Kosten des dezentralen IT-Systems (1) Jeder Mitgliedstaat trägt die Kosten für Installation, Betrieb sowie Wartung und Pflege seiner Zugangspunkte, über welche die nationalen IT-Systeme im Rahmen des dezentralen IT-Systems vernetzt sind. (2) Jeder Mitgliedstaat trägt die Kosten für die Einrichtung und Anpassung seiner nationalen ITSysteme zur Herstellung der Interoperabilität mit den Zugangspunkten sowie die Kosten für Verwaltung, Betrieb und Instandhaltung dieser Systeme. (3) Die Absätze 1 und 2 lassen die Möglichkeit der Mitgliedstaaten unberührt, Finanzhilfen zur Unterstützung der in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Rahmen der Finanzierungsprogramme der Union zu beantragen. S. Art. 7 EU-BewVO Rz. 4.
1
Artikel 29 Verhältnis zu Übereinkünften oder Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten (1) Diese Verordnung hat in ihrem Anwendungsbereich und in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien einschlägiger, von den Mitgliedstaaten geschlossener bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte oder Vereinbarungen sind, insbesondere des Haager Übereinkommens vom 1.3.1954 über den Zivilprozess und des Haager Übereinkommens vom 18.3.1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen, Vorrang vor anderen Bestimmungen der genannten Übereinkünfte oder Vereinbarungen. (2) Diese Verordnung hindert Mitgliedstaaten nicht daran, Übereinkünfte oder Vereinbarungen zur weiteren Vereinfachung der Beweisaufnahme beizubehalten oder zu schließen, sofern diese Übereinkünfte oder Vereinbarungen mit der vorliegenden Verordnung vereinbar sind. (3) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission: a) eine Abschrift der zwischen den Mitgliedstaaten geschlossenen Übereinkünfte oder Vereinbarungen nach Absatz 2 sowie die Entwürfe von ihnen geplanter Übereinkünfte oder Vereinbarungen und b) jede Kündigung oder Änderung dieser Übereinkünfte oder Vereinbarungen.
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Art. 29 EU-BewVO Verhältnis zu Übereinkünften oder Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten
I. Verhältnis zu den Haager Übereinkommen 1
Art. 29 Abs. 1 EU-BewVO betrifft das Verhältnis der Verordnung zu den Haager Übereinkommen, insbesondere zum HBÜ. Im Kreise der Mitgliedstaaten genießen die Haager Übereinkommen grundsätzlich den Vorrang. Die diplomatische oder konsularische Beweisaufnahme ist im Jahre 2020 eigenständig in Art. 21 EU-BewVO geregelt worden; diese Vorschrift geht Art. 15–22 HBÜ vor (s. Art. 21 EU-BewVO Rz. 1 ff.). Im Übrigen muss man den Haager Übereinkommen erstens einen residualen Anwendungsbereich zugestehen, soweit das Rechtshilfeersuchen eine andere gerichtliche Handlung als eine Beweisaufnahme betrifft (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 12). Die zwangsweise Durchsetzung einer Blutprobe ist aber bei autonomer Auslegung des Art. 1 EU-BewVO als Beweisaufnahme zu qualifizieren (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 25). Der Einsatz von Zwangsmitteln nach Art. 18 HBÜ scheidet im Anwendungsbereich der Art. 19 und 20 EU-BewVO aus.1 Die Haager Übereinkommen sind zweitens, soweit sie Anwendung finden, auch unter den Mitgliedstaaten der EU-BewVO grundsätzlich aus sich heraus und nicht nach Maßgabe der EU-BewVO auszulegen.2 Es ist daher in Grenzfällen nicht ausgeschlossen, dass z.B. das Vorliegen einer Zivilsache i.S.d. Art. 1 Abs. 1 EU-BewVO verneint, i.S.d. Art. 1 Abs. 1 HBÜ aber bejaht wird.3 Ebenso kommt in Betracht, dass eine Verwaltungsstelle zwar als „Behörde“ i.S.d. Art. 1 Abs. 1 HBÜ eingestuft werden kann, nicht aber als „Gericht“ i.S.d. Art. 2 Nr. 1 EU-BewVO.4 Aufgrund der den Gerichtsbegriff auf „Behörden“ erweiternden Legaldefinition in Art. 2 Nr. 1 EU-BewVO dürften sich insoweit aber nur noch sehr selten Divergenzen ergeben (s. Art. 2 EUBewVO Rz. 4 ff.).
2
Gegenüber Drittstaaten bleibt die Anwendbarkeit der Haager Übereinkommen unberührt.5 Nach dem vollzogenen „Brexit“ findet das HBÜ auch im deutsch-britischen Rechtshilfeverkehr wieder vollumfänglich Anwendung (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 51); zu Dänemark und den Vertragsstaaten des Lugano-Übereinkommens s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 53. Die EU-BewVO kann jedoch mit gebührender Vorsicht im Rahmen einer rechtsvergleichenden Perspektive auch bei der Handhabung des HBÜ ggü. Drittstaaten einbezogen werden.6 Die in der EU-BewVO gefundenen Lösungen können ferner Anregungen für Reformen des HBÜ geben.7
II. Sonstige Vereinbarungen 3
Im Einklang mit dem Zweck der EU-BewVO, die Beweisaufnahme zu erleichtern, bleibt es den Mitgliedstaaten möglich, Übereinkünfte zur weiteren Vereinfachung der internationalen Rechtshilfe zu schließen oder beizubehalten (Art. 29 Abs. 2 EU-BewVO). Vorbehalten bleibt jedoch die Vereinbarkeit dieser Vereinbarungen mit der EU-BewVO. Bereits vor der vollständigen Anwendbarkeit der EGBewVO ab dem 1.1.2004 durften die Mitgliedstaaten seit dem 1.7.2001 keine der Verordnung zuwiderlaufenden völkerrechtlichen Verpflichtungen mehr eingehen (Art. 24 Abs. 2 EG-BewVO, sog. Stillhalteverpflichtung).8 Zum Deutsch-Britischen Abkommen über den Rechtsverkehr s. Art. 1 EUBewVO Rz. 51.
1 2 3 4 5
S. Art. 19 EU-BewVO Rz. 17. A.A. bis 77. Aufl. 2019 Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Einf. § 1072 ZPO Rz. 1. Für einen Gleichlauf aber Pabst in MünchKomm/ZPO, Art. 1 HBÜ Rz. 7. Fucik in Fasching/Konecny, Art. 21 EG-BewVO Rz. 3. Eingehend de Vareilles-Sommières in Nuyts/Watté, 2005, S. 381 ff.; ferner Markus, SZW 2002, 65, 71; Nuyts/ Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 89; Wilderspin/Rouchaud-Joët, Rev crit dr i p 2004, 1, 43; s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 35. 6 Markus, SZW 2002, 65, 71; Nuyts/Sepulchre, TIP 2005 n° 2, 79, 89; vgl. etwa zur Beweisaufnahme durch Videokonferenzen Bernasconi/Celis/Kunzelmann in Essays in Honour of van Loon, 2013, S. 31, 41 ff.; nicht aber in Bezug auf die genehmigungsfreie Entsendung von Sachverständigen (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 20), näher Schlosser, FS Klamaris, 2016, S. 685, 694 f. 7 Eingehend Buxbaum in Nuyts/Watté, 2005, S. 343, 360 ff.; ferner Besso in Nuyts/Watté, 2005, S. 365, 378 f.; Groud, Petites Affiches 28.2.2002, Nr. 43, 11, 12. 8 Schulze, IPRax 2001, 527, 529.
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Kap. III: Schlussbestimmungen
Art. 30 EU-BewVO
III. Mitteilungspflichten Die nach Art. 29 Abs. 3 EU-BewVO gemachten Mitteilungen sind in das Handbuch (Art. 23 Abs. 1 EU-BewVO) aufzunehmen.9
4
Artikel 30 Schutz übermittelter Informationen (1) Die nach dieser Verordnung durchgeführte Verarbeitung personenbezogener Daten, einschließlich des Austausches oder der Übermittlung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden, erfolgt gemäß der Verordnung (EU) 2016/679. Der Austausch oder die Übermittlung von Informationen durch die zuständigen Stellen auf Ebene der Union erfolgt gemäß der Verordnung (EU) 2018/1725. Personenbezogene Daten, die für die Bearbeitung eines einzelnen Falls nicht relevant sind, werden sofort gelöscht. (2) Die nach nationalem Recht zuständige Behörde oder zuständigen Behörden gilt bzw. gelten für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen der vorliegenden Verordnung als Verantwortliche im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679. (3) Unbeschadet der Absätze 1 und 2 darf das ersuchte Gericht die nach dieser Verordnung übermittelten Informationen nur zu dem Zweck verwenden, zu dem sie übermittelt wurden. (4) Ersuchte Gerichte stellen die Vertraulichkeit derartiger Informationen nach Maßgabe ihres nationalen Rechts sicher. (5) Die Absätze 3 und 4 berühren nicht das Auskunftsrecht von Betroffenen über die Verwendung der nach dieser Verordnung übermittelten Informationen, das ihnen nach dem nationalen Recht zusteht. (6) Die Richtlinie 2002/58/EG bleibt von dieser Verordnung unberührt. Fraglich ist, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang nach der EU-BewVO erhobene Beweise über 1 das bestimmungsgemäße zivilgerichtliche Verfahren hinaus, insbesondere in einem Strafverfahren, verwertet werden dürfen.1 In Bezug auf das HBÜ ist die Frage umstritten.2 Art. 20 Abs. 1 des deutschen EG-BewVO-Vorschlags sah noch ein ausdrückliches Verbot der Weiterverwertung vor. Diese Bestimmung wurde jedoch nicht in die Endfassung der EG-BewVO übernommen. Hieraus wurde zum Teil der Schluss gezogen, dass die EG-BewVO keine Spezialitätsbindung und folglich auch kein Verwertungsverbot kenne.3 Art. 30 Abs. 3 EU-BewVO stellt aber nunmehr klar, dass auch im Rahmen
9 https://e-justice.europa.eu/content_taking_evidence-374-en.do (abgerufen am 27.10.2021). 1 Verneinend der englische High Court v. 24.5.2004 in der Sache Dendron GmbH & Others vs. The Regents of the University of California and another, [2004] Int Litig proc No 35, S. 641, 650 (hierzu kritisch Schlosser, FS Vollkommer, 2006, S. 217 ff.; Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EG-BewVO Rz. 4a); ebenso Besso, Int. J. Proc. L. 2012, 68, 86; Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 39, Art. 1 EG-BewVO Rz. 44 ff.; Knöfel, EuZW 2008, 267, 268 f.; Knöfel, RIW 2010, 403, 405; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 12; Geimer, IZPR, Rz. 2471. 2 Für Spezialitätsbindung Junker, Discovery, S. 273–275; Stürner, ZVglRWiss 81 (1982), 198; dagegen (nur in Missbrauchsfällen sei Rechtshilfe zu verweigern) Berger in Stein/Jonas, § 363 ZPO Anh. A Art. 1 HBÜ Rz. 27; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 1 HBÜ Rz. 2; aus der Praxis zum HBÜ s. die Entscheidung des House of Lords v. 1.12.1977 in der Sache Rio Tinto Zinc Corporation vs. Westinghouse Electric Corporation, (1978) 2 WLR 81; ferner Schweiz. BG v. 26.8.2002 – 5 P. 152/2002, http://www.bger.ch (abgerufen am 27.10.2021); Cour d’Appel de Paris v. 18.9.2003 – 2002/18509, IPRax 2005, 451, 452 f.; hierzu Meyer-Fabre, Trav. com. fr. dr. i. p. 2002-04, 207. 3 Berger, IPRax 2001, 522, 526; ebenso; Klötgen in Kengyel/Rechberger, 2007, S. 87, 103; Sengstschmid in Mayr, Rz. 15.62; Niehr, S. 167; Geimer in Zöller, Art. 1 EG-BewVO Rz. 12; i.E. auch Schlosser in Schlosser/Hess, Art. 1 EG-BewVO Rz. 4a; Schlosser, FS Vollkommer, 2006, S. 217, 232 ff.; a.A. aber der High Court v. 24.5.2004 in der
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Art. 30 EU-BewVO Schutz übermittelter Informationen der Verordnung – ebenso wie in Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO4 -der datenschutzrechtliche Zweckbindungsgrundsatz zu beachten ist, aufgrund dessen personenbezogene Daten nur für festgelegte eindeutige und rechtmäßige Zwecke erhoben und nicht in einer mit diesen Zweckbestimmungen nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden dürfen. Dies spricht für eine enge Auslegung des Verwendungszwecks i.S.d. Art. 1 Abs. 2 EU-BewVO. Zweifelhaft ist z.B. die Europarechtskonformität von § 16 Nr. 1 EGGVG, der bestimmt, dass bei einer Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische öffentliche Stellen auch eine Übermittlung an das Bundesministerium der Justiz und das Auswärtige Amt zulässig ist. Die Vorschrift dient dem Zweck, „die Regelungen zu Datenübermittlungen in völkerrechtl[ichen] Verträgen […] um eine Grundlage für die praktische innerstaatl[iche] Durchführung der Übermittlung [zu ergänzen]“.5 Angesichts des in der EU-BewVO verwirklichten direkten Geschäftsverkehrs zwischen den Gerichten besteht hierfür jedoch keine Rechtfertigung. 2
Allerdings findet die DSGVO keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten, die für die Ausübung der Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich erfolgt (Art. 2 Abs. 2 lit. d DSGVO). Abgesehen von gezielter Zweckentfremdung besteht auch kein allgemeiner Rechtsgrundsatz, der eine Weiterverwendung im Wege straf- oder zivilrechtlicher Rechtshilfe erlangter Informationen in einem anderen bzw. späteren Strafverfahren ausschließt.6 Insoweit bleibt es daher bei dem jeweiligen innerstaatlichen Recht,7 das z.B. in Deutschland auch eine Übermittlung im Zivilverfahren erhobener Daten an die Strafverfolgungsbehörden zulässt (Einsichtgewährung im Rahmen der Rechtsund Amtshilfe [Art. 35 GG, § 299 ZPO],8 Mitteilungen gem. §§ 12–22 EGGVG und JuMiG9). Im Einzelfall ist der Zivilrichter sogar zur Anzeige verpflichtet (§ 183 GVG, Straftaten in der Sitzung). Es wäre auch rechtspolitisch bedenklich, wenn der Richter z.B. von der Anzeige eines versuchten Prozessbetruges absehen müsste, weil etwa die Zeugenaussage, aus der sich die Betrugsabsicht einer Partei ergibt, mit Hilfe der EU-BewVO aufgenommen wurde. Dem Gedanken des europäischen Rechtsraums entspricht es eher, wenn das strafrechtliche Risiko im „Binnenmarktprozess“10 demjenigen im reinen Inlandsprozess korrespondiert.
3
Im Übrigen ist zwischen Parteien und Zeugen zu unterscheiden. Parteien bedürfen gegenüber eingehenden Rechtshilfeersuchen des Schutzes durch eine Spezialitätszusage i.d.R. nicht, weil sie nach deutschem Recht ohnehin nicht zu einer Aussage gezwungen werden können (s. Art. 16 EU-BewVO Rz. 6). Das deutsche Gericht kann und muss aber gegebenenfalls die Erledigung des Rechtshilfeersuchens von einer Spezialitätszusage abhängig machen, wenn ein Zeuge (z.B. ein Rechtsanwalt) sich auf eine Verschwiegenheitsverpflichtung beruft, von der er nur unter der Voraussetzung entbunden werden kann, dass zugleich die Gefahr einer strafrechtlich relevanten Selbstbezichtigung ausgeschaltet wird.11 Ersucht ein ausländisches Gericht um eine Spezialitätsbindung der vom deutschen Rechtshilfegericht erhobenen Beweise, kann diesem Anliegen gegebenenfalls dadurch Rechnung getragen wer-
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5 6 7 8 9 10 11
Sache Dendron GmbH & Others vs. The Regents of the University of California and another, [2004] Int Litig proc No 35, S. 641, 650. VO (EU) 2016/679 v. 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. EU 2016 L 119/1; zu den Auswirkungen der DSGVO auf das europäische Prozessrecht näher Hess, FS Geimer, 2017, S. 255 ff. Lückemann in Zöller, § 16 EGGVG Rz. 1; vgl. auch Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019, § 16 EGGVG Rz. 1. Vgl. BGH v. 8.11.2006 – 1 StR 421/06, NStZ 2007, 344; Janal, § 15 Rz. 90; Schlosser in Schlosser/Hess, EU-ZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 1 HBÜ Rz. 2; a.A. Knöfel in Geimer/Schütze, Einl. EG-BewVO Rz. 39, Art. 1 EG-BewVO Rz. 45; Geimer, IZPR, Rz. 2471. Ebenso Huber in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EG-BewVO Rz. 40; Janal, § 15 Rz. 90; Rauscher in MünchKomm/ ZPO, Art. 1 EG-BewVO Rz. 6. Näher Greger in Zöller, § 299 ZPO Rz. 8. Justizmitteilungsgesetz vom 18.6.1997, BGBl. 1997 I 1430; zu Einzelheiten s. die Kommentierungen der §§ 12–22 EGGVG von Lückemann in Zöller und Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl. 2019. Begriff von Hess, JZ 1998, 1021 ff. Vgl. zu Art. 11 HBÜ OLG Hamburg v. 3.5.2002 – 2 Va 4/01, RIW 2002, 717, 720 m. Anm. Busse; weitergehend Geimer, IZPR, Rz. 2471; zu der die Beweisperson treffenden Darlegungs- und Beweislast Cour d’Appel de Paris v. 18.9.2003 – 2002/18509, IPRax 2005, 451, 453.
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Kap. III: Schlussbestimmungen
Art. 32 EU-BewVO
den, dass das deutsche Gericht die Akteneinsicht von der Abgabe eines Angebots zur strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung abhängig macht.12
Artikel 31 Mitteilungen (1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission Folgendes mit: a) die Liste nach Artikel 3 Absatz 2 sowie eine Angabe des örtlichen und gegebenenfalls fachlichen Zuständigkeitsbereichs der Gerichte; b) die Namen und Anschriften der gemäß Artikel 4 Absatz 3 benannten Zentralstellen und zuständigen Behörden unter Angabe ihres örtlichen Zuständigkeitsbereichs; c) die technischen Mittel, über welche die in der nach Artikel 3 Absatz 2 erstellten Liste aufgeführten Gerichte für die Entgegennahme von Ersuchen verfügen; d) die Sprachen, die nach Artikel 6 für Ersuchen zugelassen sind. (2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission alle späteren Änderungen der in Absatz 1 angeführten Angaben mit. (3) Jeder Mitgliedstaat teilt der Kommission die Angaben zu den anderen Behörden mit, die zur Beweisaufnahme für die Zwecke von Gerichtsverfahren in Zivil- oder Handelssachen befugt sind. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission alle späteren Änderungen dieser Angaben mit. (4) Sind Mitgliedstaaten in der Lage, den Betrieb des dezentralen IT-Systems früher als in dieser Verordnung vorgeschrieben aufzunehmen, so können sie das der Kommission mitteilen. Die Kommission stellt diese Informationen auf elektronischem Wege zur Verfügung, insbesondere im Europäischen Justizportal. Die Mitteilungen sind dem Handbuch (s. Art. 23 EU-BewVO Rz. 1) zu entnehmen. Für die Mitteilungen gem. Art. 31 EU-BewVO gilt Art. 6 EU-BewVO nicht (s. Art. 6 EU-BewVO Rz. 1).
1
In der Mitteilung der verfügbaren Kommunikationstechnologien nach Art. 31 Abs. 1 lit. c EU-BewVO liegt das konkludente Einverständnis des betreffenden Mitgliedstaates mit der Nutzung des schnellstmöglichen Übermittlungsweges i.S.d. Art. 7 Abs. 4 EU-BewVO (s. Art. 7 EU-BewVO Rz. 10).
2
Artikel 32 Monitoring (1) Die Kommission erstellt bis zum 2.7.2023 ein ausführliches Programm für das Monitoring der Leistungen, der Ergebnisse und der Wirkung dieser Verordnung. (2) In dem Monitoring-Programm wird festgelegt, welche Maßnahmen die Kommission und die Mitgliedstaaten zum Monitoring der Leistungen, der Ergebnisse und der Wirkung dieser Verordnung zu treffen haben. Ferner wird darin festgelegt, wann die in Absatz 3 genannten Daten erstmals zu erfassen sind – spätestens bis zum 2.7.2026 – und in welchen weiteren Zeitabständen diese Daten zu erfassen sind. (3) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission je nach Verfügbarkeit folgende für die Zwecke des Monitorings erforderliche Daten: a) die Anzahl der nach Artikel 7 Absatz 1 bzw. nach Artikel 19 Absatz 1 jeweils übermittelten Ersuchen um Beweisaufnahme; b) die Anzahl der nach Artikel 12 bzw. nach Artikel 19 Absatz 8 jeweils erledigten Ersuchen um Beweisaufnahme; 12 Näher Schlosser, FS Vollkommer, 2006, S. 217, 232 ff.
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Art. 33 EU-BewVO Bewertung c) die Anzahl der Fälle, in denen das Ersuchen um Beweisaufnahme mit anderen Mitteln als dem dezentralen IT-System nach Artikel 7 Absatz 4 übermittelt wurde. (4) Die Referenzimplementierungssoftware und – soweit es dafür ausgerüstet ist – das nationale Back-End-System erfassen die in Absatz 3 Buchstaben a und b genannten Daten durch entsprechende Programmierung und übermitteln sie regelmäßig der Kommission. 1
S. Art. 33 EU-BewVO Rz. 7.
Artikel 33 Bewertung (1) Spätestens fünf Jahre nach Geltungsbeginn des Artikels 7 gemäß Artikel 35 Absatz 3 führt die Kommission eine Bewertung dieser Verordnung durch und legt dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss einen Bericht mit ihren wichtigsten Ergebnissen – gegebenenfalls zusammen mit einem Legislativvorschlag – vor. (2) Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission die Angaben, die für die Ausarbeitung des in Absatz 1 genannten Berichts erforderlich sind. I. Erste Evaluation 2007 . . . . . . . . . . . . . . II. Zweite Evaluation 2012 . . . . . . . . . . . . .
1 5
III. Dritte Evaluation 2017 . . . . . . . . . . . . . . IV. Evaluation und Monitoring der EU-BewVO .
6 7
I. Erste Evaluation 2007 1
Bereits für die Ursprungsfassung der Verordnung war eine Überprüfungspflicht in Art. 23 EGBewVO vorgesehen.Die Kommission legte den ersten Bericht verspätet am 5.12.2007 vor.1 Hierin gelangte sie zu der folgenden Evaluation der damaligen Praxis:
2
Unklarheiten hätten vielfach noch in Bezug auf den Begriff der Beweisaufnahme, insbesondere bei der Entnahme von DNA- und Blutproben bestanden.2 Insoweit sprach sich die Kommission zu Recht für eine autonome und weite Auslegung des Begriffs der Beweisaufnahme aus3 (s. Art. 1 EU-BewVO Rz. 25). Das Verhältnis zwischen der EG-BewVO und dem HBÜ wurde ungeachtet des Streits in der Literatur zur Zulässigkeit der diplomatischen oder konsularischen Beweisaufnahme(s. Art. 21 EUBewVO Rz. 1) als unproblematisch bewertet;4 Hier hat inzwischen Art. 21 EU-BewVO Klarheit geschaffen.
3
Im Übrigen zog die Kommission die folgenden Schlussfolgerungen:5 Aufgrund der Verordnung gehe die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten bei der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen im Allgemeinen besser, einfacher und schneller vonstatten. Die Verordnung habe ihre zwei Hauptziele erreicht, nämlich erstens die Vereinfachung der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und zweitens die Beschleunigung der Beweisaufnahme, und dies in einem relativ zufriedenstellenden Ausmaß. Die Vereinfachung sei hauptsächlich durch die Einführung des unmittelbaren Geschäftsverkehrs zwischen den Gerichten (auch wenn Ersuchen manchmal oder sogar öfters immer noch an die
1 Europäische Kommission, 5.12.2007, KOM (2007) 769; hierzu Knöfel, EuZW 2008, 267; Payan in DouchyOudot/Guinchard, 2012, S. 107; zur französischen Praxis s. auch Klötgen in Kengyel/Rechberger, 2007, S. 87, 103 f. 2 Europäische Kommission, 5.12.2007, KOM (2007) 769, S. 6. 3 Europäische Kommission, 5.12.2007, KOM (2007) 769, S. 6. 4 Europäische Kommission, 5.12.2007, KOM (2007) 769, S. 7. 5 Europäische Kommission, 5.12.2007, KOM (2007) 769, S. 7.
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Kap. III: Schlussbestimmungen
Art. 33 EU-BewVO
Zentralstellen gerichtet werden, s. Art. 4 EU-BewVO Rz. 7) und durch die Einführung von Standardformularen erreicht worden. Was die Beschleunigung betreffe, könne der Schluss gezogen werden, dass die meisten Ersuchen um Beweisaufnahme innerhalb von 90 Tagen, wie von der Verordnung vorgesehen, erledigt werden, d.h. schneller als vor Inkrafttreten der Verordnung. Folglich seien keine Änderungen der Verordnung erforderlich, jedoch solle der Bekanntheitsgrad der Verordnung gesteigert werden. In einigen Mitgliedstaaten werde der Zeitrahmen von 90 Tagen oft nicht eingehalten. Auch bei der Effizienz der Zentralstellen und der Verfügbarkeit moderner Kommunikationstechnik, insbesondere für Videokonferenzen, gebe es erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Zuletzt betonte die Kommission, dass nicht nur das Potential der Kommunikationstechnik bei weitem noch nicht voll ausgeschöpft, sondern dass auch die Möglichkeit der unmittelbaren Beweisaufnahme (Art. 17 EG-BewVO) noch immer recht selten genutzt worden sei.6 Auch der DAV wies in seiner Stellungnahme vom März 2007 darauf hin, dass von der unmittelbaren Beweisaufnahme damals praktisch kein Gebrauch gemacht worden sei.7 Hierfür machte der DAV u.a. die fehlenden Zwangsmöglichkeiten (s. Art. 19 EU-BewVO Rz. 17) sowie rechtliche Unklarheiten der Regelung in wichtigen praktischen Fragen (z.B. der Bereitstellung der Räumlichkeiten, hierzu aus heutiger Sicht Art. 19 EU-BewVO Rz. 13) verantwortlich.8
4
II. Zweite Evaluation 2012 Mainstrat und die Universität des Baskenlandes kamen in ihrer im Auftrag der Kommission im Juni 5 2012 vorgelegten Studie9 zu den folgenden Schlüssen: Obwohl es noch Raum für Verbesserungen gäbe, fände die EG-BewVO im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten regelmäßige Anwendung.10 Ersuchen um unmittelbare Beweisaufnahme nach Art. 17 EG-BewVO würden deutlich seltener gestellt als Ersuchen um aktive Rechtshilfe.11 Dies führten die Autoren der Studie auf mangelnde Sprachkenntnisse der Richter und die geringe Verbreitung der Möglichkeit zur Durchführung von Videokonferenzen zurück.12 Zwar hätte die EG-BewVO zu einer Beschleunigung des Rechtshilfeverkehrs im Vergleich zur vorherigen Rechtslage geführt; die in Art. 10 Abs. 1 EG-BewVO genannte 90-Tage-Frist sei aber durchschnittlich in den meisten Mitgliedstaaten überschritten worden.13 Hierfür machten die Autoren der Studie vor allem die Notwendigkeit zur Anfertigung von Übersetzungen verantwortlich.14 Zur Abhilfe empfahlen sie die allgemeine Akzeptanz des Englischen.15 Die Effektivität der Zentralstellen sei von den Befragten überwiegend als hoch eingestuft worden.16 Die Handhabung der Formblätter wurde als weitgehend unproblematisch bewertet.17 Moderne Informations- und Kommunikationstechnologie sei bislang aber nur selten zum Zwecke der grenzüberschreitenden Beweisaufnahme eingesetzt worden.18 Eine Legaldefinition des Beweisbegriffes in der Verordnung erachteten die Autoren der Studie als überflüssig.19 Eine materielle Harmonisierung des Beweisverfahrensrechts der Mitgliedstaaten lehnten sie als seinerzeit unerreichbar ab.20
6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Europäische Kommission, 5.12.2007, KOM (2007) 769, S. 7. DAV, Stellungnahme Nr. 12/07, abrufbar unter http://www.anwaltverein.de (abgerufen am 27.10.2021). Europäische Kommission, 5.12.2007, KOM (2007) 769, S. 10 ff. S. oben Materialien, unter 1; im Folgenden: Mainstrat/Universität des Baskenlandes, 2012. Mainstrat/Universität des Baskenlandes, 2012, S. 7. Mainstrat/Universität des Baskenlandes, 2012, S. 7. Mainstrat/Universität des Baskenlandes, 2012, S. 7. Mainstrat/Universität des Baskenlandes, 2012, S. 8. Mainstrat/Universität des Baskenlandes, 2012, S. 8. Mainstrat/Universität des Baskenlandes, 2012, 8. Mainstrat/Universität des Baskenlandes, 2012, S. 9. Mainstrat/Universität des Baskenlandes, 2012, S. 10. Mainstrat/Universität des Baskenlandes, 2012, S. 10 f. Mainstrat/Universität des Baskenlandes, 2012, S. 12. Mainstrat/Universität des Baskenlandes, 2012, S. 14.
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Art. 33 EU-BewVO Bewertung
III. Dritte Evaluation 2017 6
Die Kommission nahm 2017 eine Evaluierung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung (REFIT21) nach den Leitlinien der Kommission für bessere Rechtsetzung vor, um das Funktionieren der EG-BewVO anhand der fünf obligatorischen Evaluierungskriterien Wirksamkeit, Effizienz, Relevanz, Kohärenz und EU-Mehrwert zu bewerten.22 Der Bericht bescheinigte der Rechtspraxis nach der damals geltenden EG-BewVO erneut Defizite bei der Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnologien.23 Aus dem Evaluierungsbericht ging hervor, dass die Kommunikation zwischen den mit der Verordnung benannten Stellen fast ausschließlich auf Papier erfolgte, was zu Verzögerungen und erhöhten Kosten für Bürger, Unternehmen und Mitgliedstaaten führte.24 Auch Videokonferenzen seien zum damaligen Zeitpunkt nur selten genutzt worden, um Personen in einem anderen Mitgliedstaat zu vernehmen.25 Insoweit soll heute Art. 20 EU-BewVO Abhilfe schaffen (s. Art. 20 EU-BewVO Rz. 1 ff.). Ferner wurden rechtliche Hindernisse für die Zulassung elektronischer (digitaler) Beweismittel festgestellt.26 Dem soll heute Art. 8 EU-BewVO begegnen. Zudem konstatierte der Bericht eine hohe rechtliche Komplexität und Rechtsunsicherheit.27 Dieses Problem führte der Bericht auf die Mehrdeutigkeit einiger nicht definierter Grundbegriffe der Verordnung und die mangelnde Klarheit, die sich aus dem fakultativen Charakter der neben dem nationalen Recht geltenden Verordnung ergäbe.28 Erstens sei der Ausdruck „Gericht“ i.S.d. Art. 1 Abs. 1 EGBewVO in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt worden, so dass oft unklar sei, ob auch auf dem Gebiet der Rechtspflege tätige Behörden darunter fielen.29 Heute ist insoweit die Legaldefinition in Art. 2 Nr. 1 EU-BewVO zu beachten. Zweitens wurde eine gewisse Rechtsunsicherheit in Bezug auf Mittel der grenzüberschreitenden Beweisaufnahme beklagt, die häufig außerhalb von deren Anwendungsbereich genutzt würden, darunter die Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter.30 Heute hat Art. 21 EU-BewVO für eine Klärung dieser Frage gesorgt. Die Ergebnisse des REFIT-Evaluierungsberichts wurden als Grundlage für den 2018 von der Kommission vorgelegten Vorschlag zur Reform der EG-BewVO herangezogen (zu dessen Inhalt s. Einl. EU-BewVO Rz. 6 ff.).
IV. Evaluation und Monitoring der EU-BewVO 7
Art. 33 EU-BewVO sieht wiederum vor, dass spätestens fünf Jahre nach Geltungsbeginn der Neufassung eine Evaluation durchzuführen ist. Eine periodische Evaluation in Fünf-Jahres-Abständen ist nicht mehr ausdrücklich in Art. 33 EU-BewVO vorgeschrieben. Insoweit ist jedoch das in dem neuen Art. 32 geregelte Monitoring-Verfahren zu beachten. Der deutsche Bundesrat hatte im Verordnungsgebungsverfahren eine stärkere Einbindung der Mitgliedstaaten in das Monitoring angemahnt.31 Insbesondere solle klar geregelt werden, dass die Kommission den Mitgliedstaaten rechtzeitig vor Beginn des Erhebungszeitraums mitteile, welche Daten und Informationen sie benötige, da eine nachträgliche Erhebung erfahrungsgemäß nicht oder nur mit großem Aufwand möglich sei.32 Hierzu trifft Art. 32 Abs. 2 S. 2 EU-BewVO nunmehr die Regelung, dass in dem bis zum 2.7.2023 zu erstellenden Monitoring-Programm festzulegen ist, wann die in Art. 32 Abs. 3 EU-BewVO genannten Daten erstmals zu erfassen sind. Dies soll spätestens bis zum 2.7.2026 der Fall sein.
21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32
Zu dem REFIT-Programm näher Rühl, ZVglRWiss 115 (2016), 499, 504 f., m.w.N. Evaluation Report, SWD(2018) 284 final, Annex 9. Evaluation Report, SWD(2018) 284 final, Annex 9 S. 57. Evaluation Report, SWD(2018) 284 final, Annex 9 S. 57. Evaluation Report, SWD(2018) 284 final, Annex 9 S. 57. Evaluation Report, SWD(2018) 284 final, Annex 9 S. 32. Evaluation Report, SWD(2018) 284 final, Annex 9 S. 57. Evaluation Report, SWD(2018) 284 final, Annex 9 S. 57. Impact Assessment, SWD(2018) 284 final S. 64. Evaluation Report, SWD(2018) 284 final, Annex 9 S. 37 f. BR-Drucks. 339/18, S. 2. BR-Drucks. 339/18, S. 2.
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Kap. III: Schlussbestimmungen
Art. 35 EU-BewVO
Artikel 34 Aufhebung (1) Die Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 wird mit dem Tag des Beginns der Geltung der vorliegenden Verordnung aufgehoben, mit Ausnahme des Artikels 6 der Verordnung (EG) Nr. 1206/2001, der mit dem Tag des Geltungsbeginns des Artikels 7 nach Artikel 35 Absatz 3 der vorliegenden Verordnung aufgehoben wird. (2) Bezugnahmen auf die aufgehobene Verordnung gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Verordnung und sind nach Maßgabe der Entsprechungstabelle in Anhang III zu lesen. Die EU-BewVO enthält gegenüber der EG-BewVO die wesentliche Neuerung, dass Ersuchen und Mitteilungen künftig über ein dezentrales IT-System (Art. 7 Abs. 1 EU-BewVO) übermittelt werden. Dieses System bedarf zu seiner Funktionsfähigkeit aber des Erlasses der in Art. 25 EU-BewVO genannten Durchführungsrechtsakte. Art. 7 EU-BewVO wird daher intertemporal erst ab dem in Art. 35 Abs. 3 EU-BewVO festgelegten Zeitpunkt anwendbar sein. Im Gegenzug ordnet Art. 34 Abs. 1 EU-BewVO bis dahin die Fortgeltung des Art. 6 EG-BewVO an.
1
Artikel 35 Inkrafttreten und Geltung (1) Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft. Sie gilt ab dem 1.7.2022. (2) Artikel 31 Absatz 3 gilt ab dem 23.3.2022. (3) Artikel 7 gilt ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Zeitraum von drei Jahren nach dem Tag des Inkrafttretens der in Artikel 25 genannten Durchführungsrechtsakte folgt. Zu Art. 35 Abs. 3 EU-BewVO s. Art. 34 EU-BewVO Rz. 1.
1
Diese Verordnung ist in allen Teilen verbindlich und gilt gemäß den Verträgen unmittelbar in allen Mitgliedstaaten. Geschehen zu Brüssel am 25.11.2020. Im Namen des Europäischen Parlaments Der Präsident D. M. Sassoli
Im Namen des Rates Der Präsident M. Roth
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Anh. EU-BewVO Anhang I
Anhang Anhang I Formblätter A–N https://e-justice.europa.eu/content_taking_of_evidence_forms-160-de.do (zuletzt abgerufen am 27.10.2021)
Anhang II Aufgehobene Verordnung mit der Liste ihrer nachfolgenden Änderungen Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 1). Verordnung (EG) Nr. 1103/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.10.2008 zur Anpassung einiger Rechtsakte, für die das Ver- fahren des Artikels 251 des Vertrags gilt, an den Beschluss 1999/468/EG des Rates in Bezug auf das Regelungsverfahren mit Kontrolle – Anpassung an das Regelungsverfahren mit Kontrolle – Dritter Teil (ABl. L 304 vom 14.11.2008, S. 80).
Nur Änderungen der Artikel 19 Absatz 2 und Artikel 20 der Verordnung (EU) Nr. 1206/2001
Anhang III Entsprechungstabelle Verordnung (EG) Nr. 1206/2001
Vorliegende Verordnung
Artikel 1 Absatz 1
Artikel 1 Absatz 1
Artikel 1 Absatz 2
Artikel 1 Absatz 2
Artikel 1 Absatz 3
–
–
Artikel 2
Artikel 2 Absatz 1
Artikel 3 Absatz 1
Artikel 2 Absatz 2
Artikel 3 Absatz 2
Artikel 3 Absatz 1
Artikel 4 Absatz 1
Artikel 3 Absatz 2
Artikel 4 Absatz 2
Artikel 3 Absatz 3
Artikel 4 Absatz 3
Artikel 4 Absatz 1
Artikel 5 Absatz 1
Artikel 4 Absatz 2
Artikel 5 Absatz 2
Artikel 4 Absatz 3
Artikel 5 Absatz 3
Artikel 5
Artikel 6
Artikel 6
Artikel 7 Absatz 1
–
Artikel 7 Absätze 2, 3 und 4
–
Artikel 8
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Anhang III Verordnung (EG) Nr. 1206/2001
Vorliegende Verordnung
Artikel 7 Absatz 1
Artikel 9 Absatz 1
Artikel 7 Absatz 2
Artikel 9 Absatz 2
Artikel 8 Absatz 1
Artikel 10 Absatz 1
Artikel 8 Absatz 2
Artikel 10 Absatz 2
Artikel 9 Absatz 1
Artikel 11 Absatz 1
Artikel 9 Absatz 2
Artikel 11 Absatz 2
Artikel 10 Absatz 1
Artikel 12 Absatz 1
Artikel 10 Absatz 2
Artikel 12 Absatz 2
Artikel 10 Absatz 3
Artikel 12 Absatz 3
Artikel 10 Absatz 4
Artikel 12 Absatz 4
Artikel 11 Absatz 1
Artikel 13 Absatz 1
Artikel 11 Absatz 2
Artikel 13 Absatz 2
Artikel 11 Absatz 3
Artikel 13 Absatz 3
Artikel 11 Absatz 4
Artikel 13 Absatz 4
Artikel 11 Absatz 5
Artikel 13 Absatz 5
Artikel 12 Absatz 1
Artikel 14 Absatz 1
Artikel 12 Absatz 2
Artikel 14 Absatz 2
Artikel 12 Absatz 3
Artikel 14 Absatz 3
Artikel 12 Absatz 4
Artikel 14 Absatz 4
Artikel 12 Absatz 5
Artikel 14 Absatz 5
Artikel 13
Artikel 15
Artikel 14 Absatz 1
Artikel 16 Absatz 1
Artikel 14 Absatz 2
Artikel 16 Absatz 2
Artikel 14 Absatz 3
Artikel 16 Absatz 3
Artikel 14 Absatz 4
Artikel 16 Absatz 4
Artikel 15
Artikel 17
Artikel 16
Artikel 18
Artikel 17 Absatz 1
Artikel 19 Absatz 1
Artikel 17 Absatz 2
Artikel 19 Absatz 2
Artikel 17 Absatz 3
Artikel 19 Absatz 3
Artikel 17 Absatz 4 Unterabsatz 1
Artikel 19 Absatz 4 Unterabsatz 1
Artikel 17 Absatz 4 Unterabsatz 2
Artikel 19 Absatz 4 Unterabsatz 2
Artikel 17 Absatz 4 Unterabsatz 3
–
–
Artikel 19 Absatz 5
–
Artikel 19 Absatz 6
Artikel 17 Absatz 5
Artikel 19 Absatz 7
Anh. EU-BewVO
von Hein
909
Anh. EU-BewVO Anhang III Verordnung (EG) Nr. 1206/2001
Vorliegende Verordnung
Artikel 17 Absatz 6
Artikel 19 Absatz 8
–
Artikel 20
–
Artikel 21
Artikel 18
Artikel 22
Artikel 19 Absatz 1
Artikel 23 Absatz 1
Artikel 19 Absatz 2
–
–
Artikel 23 Absatz 2
Artikel 20
Artikel 26
–
Artikel 24
–
Artikel 25
–
Artikel 27
–
Artikel 28
Artikel 21 Absatz 1
Artikel 29 Absatz 1
Artikel 21 Absatz 2
Artikel 29 Absatz 2
Artikel 21 Absatz 3 Buchstabe a
–
Artikel 21 Absatz 3 Buchstabe b
Artikel 29 Absatz 3 Buchstabe a
Artikel 21 Absatz 3 Buchstabe c
Artikel 29 Absatz 3 Buchstabe b
–
Artikel 30
Artikel 22 Absatz 1
Artikel 31 Absatz 1
Artikel 22 Absatz 2
Artikel 31 Absatz 2
–
Artikel 31 Absatz 3
–
Artikel 31 Absatz 4
–
Artikel 32
Artikel 23
Artikel 33 Absatz 1
–
Artikel 33 Absatz 2
– Artikel 24
–
–
Artikel 34
Artikel 24 Absatz 1
Artikel 35 Absatz 1 Unterabsatz 1
Artikel 24 Absatz 2
Artikel 35 Absatz 1 Unterabsatz 2
–
Artikel 35 Absatz 2 Artikel 35 Absatz 3
Anhang
Anhang I
–
Anhang II
–
Anhang III
910
von Hein
Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung) ABl. EU 2015 L 141/19, ber. ABl. EU 2016 L 349/6 Anh. A, B geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 2017/353 v. 15.2.2017, ABl. EU 2017 L 57/19 m.W.v. 26.6.2017 Anh. A, B geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 2018/946 v. 4.7.2018, ABl. EU 2018 L 171/1 m.W.v. 26.7.2018 Schrifttum: Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier (Hrsg.), Insolvenzrecht Kommentar, 4. Aufl. 2020, zitiert: Bearbeiter in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier; Albrecht, Die Reform der EuInsVO ist abgeschlossen – eine Übersicht, ZInsO 2015, 1077; Altmeppen, Anwendung deutschen Gläubigerschutzrechts auf die EU-Scheinauslandsgesellschaft. Auswirkungen des Kornhaas-Urteils des EuGH, IWRZ 2017, 107; Ambach, Reichweite und Bedeutung des Art. 25 EuInsVO, 2009; Arnold, Grundfragen des Europäischen Kollisionsrechts, 2016; Bachmann, Das auf die insolvente Societas Europaea (SE) anwendbare Recht, in FS von Hoffmann, 2011, S. 36; Beck’scher Online-Kommentar zum BGB, hrsg. v. Hau/Poseck, Werkstand: 57. Ed. 1.2.2021, zitiert: Bearbeiter in BeckOK/BGB; Beck’scher Online-Kommentar zur InsO, hrsg. v. Fridgen/Geiwitz/Göpfert, Werkstand: 22. Ed. 15.1.2021, zitiert: Bearbeiter in BeckOK/InsO; Beck’scher Online-Großkommentar zum Zivilrecht, hrsg. v. Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, zitiert: Bearbeiter in BeckOGK; Berger, Gemeinschaftsmarke und Europäisches Insolvenzrecht: Harmonisierung der GMV mit der EuInsVO, in FS Stürner, 2013, S. 646; Bewick, The EU Insolvency Regulation, Revisited, International Insolvency Review 24 (2015), 172; Bork, Präventive Restrukturierungsmaßnahmen: „Komödie der Irrungen“ oder „Ende gut, alles gut“?, ZIP 2017, 1441; Bork/van Zwieten (Hrsg.), Commentary on the European Insolvency Regulation, 2016, zitiert: Bearbeiter in Bork/van Zwieten; de Boer/Wessels, The dominance of main insolvency proceedings under the European insolvency regulation, in Omar (Hrsg.), International Insolvency Law: Themes and Perspectives, 2008, S. 185–208, zitiert: de Boer/Wessels in Themes and Perspectives; Bramkamp, Neues zu insolvenzbezogenen Annexverfahren im Sinne der EuInsVO, KTS 2015, 421; Braun (Hrsg.), Insolvenzordnung, 8. Aufl. 2020, zitiert: Bearbeiter in Braun; Brinkmann, Der Aussonderungsstreit im Internationalen Insolvenzrecht – Zur Abgrenzung zwischen EuGVVO und EuInsVO, IPRax 2010, 324; Brinkmann (Hrsg.), European Insolvency Regulation. Article-by-Article Commentary, 2019, zitiert: Bearbeiter in Brinkmann, European Insolvency Regulation; Brinkmann, Gesellschafterdarlehen und Art. 13 EuInsVO – Ein offenes Scheunentor des Gläubigerschutzes?, ZIP 2016, Beilage Heft 22, 14; Brünkmans/Thole, Handbuch Insolvenzplan, 2. Aufl. 2020, zitiert: Bearbeiter in Brünkmans/Thole, Handbuch Insolvenzplan; Carstens, Die internationale Zuständigkeit im Europäischen Insolvenzrecht, 2005, zitiert: Carstens; Commandeur/Römer, Aktuelle Entwicklungen im Insolvenzrecht. Neufassung der Europäischen Insolvenzordnung, NZG 2015, 988; Dammann/Menjucq/Roussel Galle, Le nouveau règlement européen sur les procédures d’insolvabilité, Revue des procedures collectives 2015, no 1, étude 2; Dammann/Sénéchal, Le droit de l’insolvabilité international, 2018; De Cesari/Montella (Hrsg.), Il nuovo diritto europeo della crisi d’ipresa: Il regolamento (UE) 2015/848 relativo alle procedure di insolvenza, 2017; Deichgräber, Gesellschaftsrechtliche Sitzverlegungen und haftungsrechtliche Begründungen internationaler insolvenzrechtlicher Zuständigkeiten, 2012; Dornblüth, Fortbestehende Geschäftsführerhaftung gem. § 823 Abs. 2 BGB, § 266a StGB trotz in England erlangter Restschuldbefreiung, ZIP 2014, 712; Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Europäische Insolvenzverordnung, 2002, zitiert: Bearbeiter in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky; Eble, Auf dem Weg zu einem europäischen Konzerninsolvenzrecht – Die „Unternehmensgruppe“ in der EuInsVO 2017, NZI 2016, 115; Ehricke, Die Zusammenarbeit der Insolvenzverwalter bei grenzüberschreitenden Insolvenzen nach der EuInsVO, WM 2005, 397; Ehricke, Probleme der Verfahrenskoordination – Eine Analyse der Kooperation von Insolvenzverwaltern und Insolvenzgerichten bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO, in: Gottwald (Hrsg.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, S. 127–168, zitiert: Ehricke in Gottwald, Europäisches Insolvenzrecht; Ehricke, Zum anwendbaren Recht auf ein in einem Clearing-System vereinbartes Glattstellungsverfahren im Fall der Insolvenz ausländischer Clearing-Teilnehmer, WM 2006, 2109; Eidenmüller, Die Restrukturierungsempfehlung der EU-Kommission und das deutsche Restrukturierungsrecht, KTS 2014, 401; Eidenmüller, Europäische Verordnung über Insolvenzverfahren und zukünftiges internationales Insolvenzrecht, IPRax 2001, 1; Eidenmüller, Rechtsmissbrauch im Europäischen Insolvenzrecht, KTS 2009, 137; Eidenmüller, The Rise and Fall of Regulatory Competition in Corporate Insolvency Law in the European Union, EBOR 20 (2019), 547; Fabok, Grounds for Refusal of Recognition of (Quasi-) Annex Judgements in the Recast European Insolvency Regulation, International Insolvency Review 26 (2017), 295; Fehrenbach, Die reformierte Europäische Insolvenzverordnung (Teil I), GPR 2016, 282; Fehrenbach, Die reformierte Europäische Insolvenzverordnung (Teil II), GPR 2017, 38; Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren: Zur sachgerechten Verfahrenskoordination bei grenzüberschreitenden
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EuInsVO Schrifttum Unternehmensinsolvenzen, 2014; Fehrenbach, Insolvenzanfechtung in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren bei Verfahrenspluralität, NZI 2015, 157; Fletcher, Insolvency in private international law, 2. Aufl. 2005, zitiert: Fletcher; Fletcher/Wessels, Global Principles for Cooperation in International Insolvency Cases, IILR 2013, 2; Flöther, Vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren in Deutschland, ZIP 2016, 1208; Franken, Three Principles of Transnational Corporate Bankruptcy Law: A Review, European Law Journal 11 (2005) 233; Franken/Gallner/Oetker (Hrsg.), Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht, 3. Aufl. 2020; Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, hrsg. v. Wimmer, 9. Aufl. 2018, zitiert: Bearbeiter in FK-InsO; Freitag, Grundfragen der Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen und ihrer Umsetzung in das deutsche Recht, ZIP 2019, 541; Freitag/Korch, Gedanken zum Brexit – Mögliche Auswirkungen im Internationalen Insolvenzrecht, ZIP 2016, 1849; Frind, Plädoyer für eine europarechtskonforme nationale Beschränkung insolvenzbezogener Zuständigkeitsmanipulation, NZI 2019, 697; Fritz, Die Neufassung der Europäischen Insolvenzverordnung: Erleichterung bei der Restrukturierung in grenzüberschreitenden Fällen?, DB 2015, 1882 (Teil 1), 1945 (Teil 2); Fritz/Scholtis, Anregungen für eine mutige und praxistaugliche Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie, BB 2019, 2051; Fuchs, Grenzüberschreitende Forderungsanmeldungen im Insolvenzverfahren, NZI 2018, 9; Garcimartin, The EU Insolvency Regulation Recast: Scope, Jurisdiction and Applicable Law, ZEuP 2015, 694; Garcimartin, The situs of shares, financial instruments and claims in the Insolvency Regulation Recast: seeds of a future EU instrument on rights in rem?, IPRax 2015, 489; Gebauer/ Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2. Aufl. 2010, zitiert: Bearbeiter in Gebauer/Wiedmann; Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Loseblatt, 60. EL August 2020; Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, 1997, zitiert: Gottwald; Gottwald/Haas (Hrsg.), Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Aufl. 2020, zitiert: Bearbeiter in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch; Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Loseblatt, Werkstand: 71. Lfg. August 2020; Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, 2003, zitiert: Graf; Graf-Schlicker (Hrsg.), Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Aufl. 2020, zitiert: Bearbeiter in Graf-Schlicker; Gross/Schork, Strafbarkeit des directors einer Private Company Limited by Shares wegen verspäteter Insolvenzantragstellung, NZI 2006, 10; Guski, Darlegungslast für den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, GPR 2012, 322; Gruschinske, Die Aufrechnung in grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren – eine Untersuchung anhand der vereinheitlichten europäischen Regelungen des Internationalen Privat- und Zivilverfahrensrechts, EuZW 2011, 171; Haas, Die internationale und örtliche Zuständigkeit für Klagen nach § 64 II GmbHG a.F. (bzw. § 64 S. 1 GmbHG n.F.), NZG 2010, 495; Habersack, Gesellschafterdarlehen nach MoMiG: Anwendungsbereich, Tatbestand und Rechtsfolgen der Neuregelung, ZIP 2007, 2145; Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, hrsg. von Schmidt, 8. 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Aufl. 2020, zitiert: Bearbeiter in HK-InsO; Herchen, Das Übereinkommen über Insolvenzverfahren der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 23.11.1995, 2000, zitiert: Herchen; Hess, Europäisches Insolvenzrecht – Grundsätzliche Fragestellungen der Prozessrechtsvergleichung, 2019; Hess/Oberhammer/Bariatti/ Koller/Laukemann/Requejo Isidro/Villata (Hrsg.), The Implementation of the New Insolvency Regulation, 2017, zitiert: Bearbeiter in Hess u.a., The Implementation of the New Insolvency Regulation; Huber, Der deutsch-englische Justizkonflikt – Kompetenzkonflikte im Internationalen Insolvenzrecht, in FS Heldrich, 2005, S. 679; Ingerl/ Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl. 2010; Jault-Seseke/Robine (Hrsg.), Le nouveau réglement insolvabilité: quelle évolutions?, 2015; Kayser, Vorinsolvenzliche Sanierung als Pflichtaufgabe des Gesetzgebers? – Ein Plädoyer für die Schaffung eines neuen Rechtsrahmens, in FS Pannen, 2017, S. 273; Kegel/Schurig, IPR, 9. Aufl. 2004, zitiert: Kegel/ Schurig; Kemper, Die Verordnung der (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, ZIP 2001, 1609; Kieper, Abwicklungssysteme in der Insolvenz, 2004, zitiert: Kieper; Kindler, Hauptfragen der Reform des Europäischen Internationalen Insolvenzrechts, KTS 2014, 25; Kindler/Sakka, Die Neufassung der Europäischen Insolvenzordnung, EuZW 2015, 460; Klupsch/Schulz, Der Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie zu präventiven Restrukturierungsmaßnahme, EuZW 2017, 85; Koch, Europäisches Insolvenzrecht und Schuldbefreiungs-Tourismus, in FS Jayme, 2004, S. 437; Kolmann, Kooperationsmodelle im Internationalen Insolvenzrecht, 2001, zitiert: Kolmann; Korch, Gedanken zum Brexit – Insolvenzanfechtung, dingliche Rechte Dritter und weitere besondere Sachverhalte (Art. 7 ff. EuInsVO n.F.) nach dem Brexit, ZInsO 2016, 1884; Kropholler/v. Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, 9. Aufl. 2011; Kübler, Der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO, in FS Gerhardt, 2004, S. 527; Kübler/Prütting/Bork (Hrsg.), Kommentar zur Insolvenzordnung, Loseblatt, Werkstand: 87. Lfg. 03/2021, zitiert: Bearbeiter in Kübler/Prütting/Bork; Kühnle/Otto, „Neues“ zur kollisionsrechtlichen Qualifikation Gläubiger schützender Materien in der Insolvenz der Scheinauslandsgesellschaft, IPRax 2009, 117; Kuntz, Die Insolvenz der Limited mit deutschem Verwaltungssitz – EU-Kapitalgesellschaften in Deutschland nach „Inspire Art“, NZI 2005, 424; Langenbucher (Hrsg.), Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, 4. 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Schrifttum
EuInsVO
hardt/Smid/Zeuner (Hrsg.), Internationales Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2012, zitiert: Bearbeiter in Leonhardt/Smid/ Zeuner; Liersch, Sicherungsrechte im internationalen Insolvenzrecht, 2001, zitiert: Liersch; Lorenz, Annexverfahren bei Internationalen Insolvenzen. Internationale Zuständigkeitsregelung der Europäischen Insolvenzverordnung, 2005, zitiert: Lorenz; Madaus, Vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren – Perspektiven einer europäisch geprägten Rechtsentwicklung, KSzW 2015, 183; Mankowski, Auswirkungen ausländischer Insolvenzverfahren auf deutsche Steuerforderungen, DStR 2019, 1927 (Teil I), 1979 (Teil 2); Mankowski, Der ordre public im europäischen und im deutschen Internationalen Insolvenzrecht, KTS 2011, 185; Mankowski, Internationale Nachlassinsolvenzverfahren, ZIP 2011, 1501; Mankowski, Neuerungen bei der Belegenheit von Vermögensgegenständen durch Art. 2 Nr. 9 EuInsVO 2015, in FS Pannen, 2017, S. 243.; Mankowski, Neues zur grenzüberschreitenden Forderungsanmeldung unter der EuInsVO, NZI 2011, 887; Mankowski, Öffentliche Lasten als dingliche Rechte i.S.v. Art. 5 EuInsVO 2000 bzw. Art. 8 EuInsVO 2015, RIW 2017, 93; Mankowski, Zusicherungen zur Vermeidung von Sekundärinsolvenzverfahren unter Art. 36 EuInsoVO – Synthetische Sekundärverfahren, NZI 2015, 961; Mankowski/Müller/J. Schmidt (Hrsg.), Europäische Insolvenzverordnung 2015, Kommentar, 2016, zitiert: Bearbeiter in Mankowski/Müller/ J. Schmidt; Mansel, Grenzüberschreitende Restschuldbefreiung – Anerkennung einer (automatic) discharge nach englischem Recht und ordre public, in FS von Hoffmann, 2011, S. 683; Mansel/Thorn/Wagner, Europäisches Kollisionsrecht 2012, IPRax 2013, 1; McCormack, Something Old, Something New: Recasting the European Insolvency Regulation, Modern L. Rev. 79 (2016), 121; Mélin, La faillite internationale, 2004, zitiert: Mélin; Mevorach, The „Home Country“ of a Multinational Enterprise Group Facing Insolvency, ICLQ 57 (2008), 427; Mohrbutter/Ringstmeier (Hrsg.), Handbuch Insolvenzverwaltung, 9. 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Rev. 13 (2017), 32; Oberhammer, Von der EuInsVO zum europäischen Insolvenzrecht, KTS 2009, 27; Pannen, Aspekte der europäischen Konzerninsolvenz, ZInsO 2014, 222; Pannen (Hrsg.), Europäische Insolvenzverordnung, Reprint 2011, zitiert: Bearbeiter in Pannen; Parzinger, Die neue EuInsVO auf einen Blick, NZI 2016, 63; Paulus, Abwehrstrategien gegen unberechtigte Klagen in den USA, RIW 2006, 258; Paulus, Europäische Insolvenzverordnung, 6. 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Group Coordination or Consolidation Plan – What is Allowed Under the EIR Recast?, International Insolvency Review 25 (2016), 225; Reuß, Europäisches Insolvenzrecht 3.0 oder doch nur Version 1.1? Der Vorschlag der Kommission vom 12.12.2012 zur Reform der Europäischen Insolvenzverordnung, EuZW 2013, 165; Reuß, „Forum shopping“ in der Insolvenz, 2011, zitiert: Reuß; Riewe, Aktuelles Internationales und ausländisches Insolvenzrecht, NZI 2011, 970; Runkel/Schmidt (Hrsg.), Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2015, zitiert: Bearbeiter in Runkel/Schmidt; Ringe/Willemer, Zur Anwendung von § 64 GmbHG auf eine englische Limited, NZG 2010, 56; Saenger/Klockenbrink, Anerkennungsfragen im internationalen Insolvenzrecht gelöst, EuZW 2006, 363; SautonieLaguionie/Lisanti (Hrsg.), Règlement (UE) n 2015/848 du 20 mai 2015 relatif aux procédures d’insolvabilité, 2015, zitiert: Bearbeiter in Sautonie-Laguionie/Lisanti; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht, 8. Aufl. 2021, zitiert: Schack; Schäfer, Einbeziehung der Gesellschafter in ein vorinsolvenzliches Restrukturierungsverfahren, ZIP 2019, 1645; Schall, Das Kornhaas-Urteil gibt grünes Licht für die Anwendung des § 64 GmbHG auf eine Limited mit Sitz in Deutschland – Alles klar dank EuGH!, ZIP 2016, 289; K. Schmidt (Hrsg.), Insolvenzordnung, 19. Aufl. 2016, zitiert: Bearbeiter in K. Schmidt; Schmitt, Die Rechtsstellung englischer Insolvenzverwalter in Prozessen vor deutschen Gerichten, ZIP 2009, 1989; Schmitz, Dingliche Mobiliarsicherheiten im internationalen Insolvenzrecht, 2011, zitiert: Schmitz; Schmiedeknecht, Der Anwendungsbereich der europäischen Insolvenzordnung und die Auswirkungen auf das deutsche Insolvenzrecht, 2004, zitiert: Schmiedeknecht; Schmüser, Das Zusammenspiel zwischen Hauptund Sekundärinsolvenzverfahren nach der EuInsVO, 2009; Schneider, Der Rechtsmissbrauchsgrundsatz im Europäischen Insolvenzrecht, 2015; Schulz, Die Haftung wegen masseschädigender Zahlungen als EuInsVO-Annexverfahren, NZG 2015, 146; Schulze, „You’ll never walk alone“? Verstoß gegen Unionsrecht und Rechtsbehelfsobliegenheit in der Urteilsanerkennung, IPRax 2016, 234; Seidl, Sekundärinsolvenz und Sanierungsinsolvenzplan: Das
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EuInsVO Schrifttum Zustimmungserfordernis des Art. 34 II EuInsVO, ZInsO 2010, 125; Servatius, Insolvenznahe Geschäftsleiterhaftung bei EU-Auslandsgesellschaften, DB 2015, 1087; Skauradszun, Absicherungen des Mieters mittels Mieterdienstbarkeit und Dauernutzungsrecht in präventiven Restrukturierungsrahmen, InsO- und EuInsVO-Verfahren, NZI 2019, 965; Skauradszun, Anteilsinhaberrechte im präventiven Restrukturierungsrahmen, NZG 2019, 761; Skauradszun, Brussels Ia or EIR Recast? The Allocation of of Preventive Restructuring Frameworks, International Corporate Rescue, 2019, 193; Skauradszun, Die Restrukturierungsrichtlinie und das „verschwitzte“ internationale Zivilverfahrensrecht, ZIP 2019, 150; Smart, Rights in Rem, Article 5 and the EC Insolvency Regulation: An English Perspective, International Insolvency Review 15 (2006), 17, zitiert: Smart; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, 2004, zitiert: Smid; Smid, Internationales Insolvenzrecht, 2009, zitiert: Smid, IntInsR; Spindler/Stilz (Hrsg.), Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. 2019, zitiert als Bearbeiter in Spindler/Stilz; Stöber, Die Insolvenzverschleppungshaftung in Europa, ZHR 176 (2012), 326; Stürner, Gerichtsstandsvereinbarungen und Europäisches Insolvenzrecht – Zugleich ein Beitrag zur internationalen Zuständigkeit bei insolvenzbezogenen Annexverfahren, IPRax 2005, 416; Stürner, Inländischer Rechtsschutz gegen ausländische Urteile, Funktion und Reichweite von § 826 BGB als Abwehrinstrument gegen rechtskräftige Entscheidungen, RabelsZ 71 (2007), 597; Stürner, Insolvenztourismus und Einzelgläubigeranfechtung, KTS 2017, 291; Stürner/Fix, Das maßgebliche Recht i.S.d. Art. 13 EuInsVO, in FS Wellensiek, 2011, S. 833; Thole, Die Abgrenzung von EuGVVO und EuInsVO bei Annexklagen des Insolvenzverwalters und das verhältnis zu Art. 31 CMR, IPRax 2015, 396; Thole, Die Anwendung des Art. 13 EuInsVO bei Zahlungen auf fremde Schuld, NZI 2013, 113; Thole, Die neue Europäische Insolvenzverordnung, IPRax 2017, 213; Thole, Die Reform der Europäischen Insolvenzverordnung. Zentrale Aspekte des Kommissionsvorschlags und offene Fragen, ZEuP 2014, 39; Thole, Die Vorsatzanfechtung als Instrument des Gläubigerschutzes, KTS 2007, 293; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, zitiert: Trunk; Thole, Sanierung mittels Scheme of Arrangement im Blickwinkel des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts, ZGR 2013, 109; Uhlenbruck (Hrsg.), Insolvenzordnung, Band 1, 15. Aufl. 2019; Band 2, 15. Aufl. 2020, zitiert: Bearbeiter in Uhlenbruck; Umfreville/Omar/Lücke/Fannon/Veder/Piñeiro, Recognition of UK Insolvency Proceedings Post-Brexit: The Impact of a ‘No Deal’ Scenario, International Insolvency Review 27 (2018), 422; Ungerer, Brexit von Brüssel und den anderen EU-Verordnungen zum Internationalen Zivilverfahrens- und Prozessrecht, in Kramme/Baldus/Schmidt-Kessel (Hrsg.), Brexit und die juristischen Folgen, 2017, S. 297–320; Vallender, Aufgaben und Befugnisse des deutschen Insolvenzrichters in Verfahren nach der EuInsVO, KTS 2005, 283; Vallender, Die Europäische Insolvenzverordnung in erneuertem Gewand, ZAP 2017, 631; Vallender, Die Folgen des Brexit für das nationale und internationale Insolvenzrecht, ZInsO 2019, 654; Vallender, Europaparlament gibt den Weg frei für eine neue Europäische Insolvenzordnung, ZIP 2015, 1513; Vallender, Instrumente zur Verhinderung von rechtsmissbräuchlichem Forum Shopping natürlicher Personen, in FS Graf-Schlicker, 2018, S. 407; Vallender (Hrsg.), Kommentar zur Verordnung EU 2015/848 über Insolvenzverfahren, 2. Aufl. 2020, zitiert: Vallender; Veder, The Future of the European Insolvency Regulation – Applicable law, in particular security rights, IILR 2011, 285; Virgós Soriano/Garcímartin Alférez, Comentario al Reglamento Europeo de Insolvencia, 2003, zitiert: Virgós/Garcímartin; Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004, zitiert: Vogler; Wansleben, Die feine Linie zwischen Gesellschafts- und Insolvenzstatut im Unionsrecht – EuGH-Urteil „Kornhaas“, EWS 2016, 72; Wedemann, EuGVVO oder EuInsVO bei gesellschaftsrechtlichen Haftungsklagen?, IPRax 2015, 505; de Weijs/Breeman, Comi-migration User of Abuse of European Insolvency Law, ECFR 2014, 495; Weiss, Bridge over Troubled Water: The Revised Insolvency Regulation, International Insolvency Review 24 (2015), 192; Weller, Brennpunkte des Insolvenzkollisionsrechts, in FS von Hoffmann, 2011, S. 523; Weller/Schulz, Die Anwendung des § 64 GmbHG auf Auslandsgesellschaften, IPRax 2014, 336; Wenner, Die Reform der EuInsVO – Ein Verriss, ZIP 2017, 1137; Wimmer/Bornemann/Lienau, Die Neufassung der EuInsVO, 2016, zitiert: Bearbeiter in Wimmer/Bornemann/Lienau; Wolf, Der europäische Gerichtsstand bei Konzerninsolvenzen, 2012, zitiert: Wolf; Wolf, Der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen bei Gesellschaften, GPR 2012, 149; Würdinger, Restschuldbefreiung im deutschen und europäischen Insolvenzrecht, KTS 2017, 445; Wyen, Rechtswahlfreiheit im europäischen Insolvenzrecht, 2014; Zeeck, Die Anknüpfung der Insolvenzanfechtung, ZInsO 2005, 281; Zipperer, Die EU Cross-Border Insolvency Court-to-Court Cooperation Principles and Guidelines, ZIP 2017, 632; Zipperer, Die Restrukturierungsrichtlinie als Ausdruck gemeinsamer europäischer Rechtsüberzeugungen, NZIBeilage 2019, 10. Materialien: 1. EG-Konkurs- und Insolvenzübereinkommen: Kegel/Thieme (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zum Entwurf eines EG-Konkursübereinkommens (1988), zitiert: Kegel/Thieme, Vorschläge; Stoll (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren im deutschen Recht (1997), zitiert: Stoll, Vorschläge; Virgós/Schmit, Erläuternder Bericht zu dem EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren, in: Stoll (Hrsg.), Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren im deutschen Recht (1997) 32–134 und Fletcher, Insolvency App[xxx] VII (engl.), zitiert: Virgós/Schmit, Bericht; Malangre, Europäisches Parlament, Ausschuss für Recht und Bürgerrechte, Bericht vom 23.4.1999 zum Übereinkommen über Insolvenzverfahren vom 23.11.1995, Sitzungsdokument des Europäischen Parlaments, PE 22.795/3rd. 2. EuInsVO 2000: Rat der Europäischen Union, Initiative der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland im Hinblick auf die Annahme einer Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren, 26.5.1999, ABl. EG 1999 C 221/8; Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zu der Initiative der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland im Hinblick auf die Annahme einer Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren,
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26.1.2000, ABl. EG 2000 C 75/1; Lechner, Europäisches Parlament, Ausschuss für Recht und Binnenmarkt, Bericht über den Vorschlag für eine Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren vom 23.2.2000, A5-0039/2000; Europäisches Parlament, Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Initiative der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Finnland für eine Verordnung des Rates über Insolvenzverfahren vom 2.3.2000, ABl. EG 2000 C 346/80; Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts, 25.10.2002, BT-Drucks. 15/16, zitiert: RegE BT-Drucks. 3. EuInsVO 2015: INSOL Europe, Revision of the European Insolvency Regulation – Proposals by INSOL Europe, 20.6.2012, abrufbar unter www.insol-europe.org/technical-content/revision-of-the-european-insolvency-regulationproposals-by-insol-europe (zuletzt: 12.4.2021); Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss – Ein neuer europäischer Ansatz zur Verfahrensweise bei Firmenpleiten und Unternehmensinsolvenzen, 12.12.2012, COM (2012) 742; Europäische Kommission, Bericht der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren, 12.12.2012, COM (2012) 743; Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren, 12.12.2012, COM (2012) 744; Europäische Kommission, Executive Summary of the Impact Assessment, 12.12.2012, SWD (2012) 417; Europäischer Datenschutzbeauftragter, Zusammenfassung der Stellungnahme zum Vorschlag der Kommission für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren, 27.3.2013, ABl. EU 2013 C 358/15; Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: „Ein neuer europäischer Ansatz zur Verfahrensweise bei Firmenpleiten und Unternehmensinsolvenzen“ COM (2012) 742 final und dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, 22.5.2013, ABl. EU 2013 C 271/55; Europäische Kommission, Communication from the Commission – General Report on the activities oft he European Union, 21.1.2014, COM (2014) 12, Chapter 2 Graph 13; Europäisches Parlament, Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates über Insolvenzverfahren, 5.2.2014, T7-0093/2014; Hess/Oberhammer/Pfeiffer (Hrsg.), European Insolvency Law, The HeidelbergLuxembourg-Vienna Report on the Application of Regulation No. 1346/2000/EC on Insolvency Proceedings, External Evaluation JUST/2011/JCIV/PR/0049/A4 (2014), abrufbar unter https://www.mpi.lu/uploads/media/eval uation_insolvency_en.pdf (zuletzt: 18.8.2021), zitiert: Bearbeiter in Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Bericht. Internetressourcen: https://beta.e-justice.europa.eu/110/DE/bankruptcy_and_insolvency_registers (Beta-Version des Europäischen Insolvenzportals), zuletzt: 18.8.2021; https://www.insol-europe.org/technical-content/european-in solvency-regulation (kostenpflichtige, privat betriebene Entscheidungsdatenbank zur EuInsVO), zuletzt: 18.8.2021; http://www.iiiglobal.org (Informationsplattform der Non-profit-Organisation International Insolvency Institute mit Materialien u.a. zur EuInsVO), zuletzt: 18.8.2021.
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION – gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Art. 81, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,1 gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,2 in Erwägung nachstehender Gründe: (1) Die Kommission hat am 12.12.2012 einen Bericht über die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates3 angenommen. Dem Bericht zufolge funktioniert die Verordnung im Allgemeinen gut, doch sollte die Anwendung einiger Vorschriften verbessert werden, um grenzüberschreitende Insolvenzverfahren noch effizienter abwickeln zu können. Da die Verordnung mehrfach geändert wurde und weitere Änderungen erfolgen sollen, sollte aus Gründen der Klarheit eine Neufassung vorgenommen werden. 1 Amtliche Fußnote: ABl. C 271 vom 19.9.2013, S. 55. 2 Amtliche Fußnote: Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 5.2.2014 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht) und Standpunkt des Rates in erster Lesung vom 12.3.2015 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). Standpunkt des Europäischen Parlaments vom 20.5.2015 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht). 3 Amtliche Fußnote: Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (ABl. Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1).
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EuInsVO Erwägungsgründe (2) Die Union hat sich die Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zum Ziel gesetzt. (3) Für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarktes sind effiziente und wirksame grenzüberschreitende Insolvenzverfahren erforderlich. Die Annahme dieser Verordnung ist zur Verwirklichung dieses Ziels erforderlich, das in den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen i.S.d. Art. 81 des Vertrags fällt. (4) Die Geschäftstätigkeit von Unternehmen greift mehr und mehr über die einzelstaatlichen Grenzen hinaus und unterliegt damit in zunehmendem Maß den Vorschriften des Unionsrechts. Die Insolvenz solcher Unternehmen hat auch nachteilige Auswirkungen auf das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes, und es bedarf eines Unionsrechtsakts, der eine Koordinierung der Maßnahmen in Bezug auf das Vermögen eines zahlungsunfähigen Schuldners vorschreibt. (5) Im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts muss verhindert werden, dass es für Beteiligte vorteilhafter ist, Vermögensgegenstände oder Gerichtsverfahren von einem Mitgliedstaat in einen anderen zu verlagern, um auf diese Weise eine günstigere Rechtsstellung zum Nachteil der Gesamtheit der Gläubiger zu erlangen (im Folgenden „Forum Shopping“). (6) Diese Verordnung sollte Vorschriften enthalten, die die Zuständigkeit für die Eröffnung von Insolvenzverfahren und für Klagen regeln, die sich direkt aus diesen Insolvenzverfahren ableiten und eng damit verknüpft sind. Darüber hinaus sollte diese Verordnung Vorschriften für die Anerkennung und Vollstreckung von in solchen Verfahren ergangenen Entscheidungen sowie Vorschriften über das auf Insolvenzverfahren anwendbare Recht enthalten. Sie sollte auch die Koordinierung von Insolvenzverfahren regeln, die sich gegen denselben Schuldner oder gegen mehrere Mitglieder derselben Unternehmensgruppe richten. (7) Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren sowie damit zusammenhängende Klagen sind vom Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates ausgenommen.4 Diese Verfahren sollten unter die vorliegende Verordnung fallen. Die vorliegende Verordnung ist so auszulegen, dass Rechtslücken zwischen den beiden vorgenannten Rechtsinstrumenten so weit wie möglich vermieden werden. Allerdings sollte der alleinige Umstand, dass ein nationales Verfahren nicht in Anhang A dieser Verordnung aufgeführt ist, nicht bedeuten, dass es unter die Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 fällt. (8) Zur Verwirklichung des Ziels einer Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung ist es notwendig und angemessen, die Bestimmungen über den Gerichtsstand, die Anerkennung und das anwendbare Recht in diesem Bereich in einer Maßnahme der Union zu bündeln, die in den Mitgliedstaaten verbindlich ist und unmittelbar gilt. (9) Diese Verordnung sollte für alle Insolvenzverfahren gelten, die die in ihr festgelegten Voraussetzungen erfüllen, unabhängig davon, ob es sich beim Schuldner um eine natürliche oder juristische Person, einen Kaufmann oder eine Privatperson handelt. Diese Insolvenzverfahren sind erschöpfend in Anhang A aufgeführt. Bezüglich der in Anhang A aufgeführten nationalen Verfahren sollte diese Verordnung Anwendung finden, ohne dass die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats die Erfüllung der Anwendungsvoraussetzungen dieser Verordnung nachprüfen. Nationale Insolvenzverfahren, die nicht in Anhang A aufgeführt sind, sollten nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen. (10) In den Anwendungsbereich dieser Verordnung sollten Verfahren einbezogen werden, die die Rettung wirtschaftlich bestandsfähiger Unternehmen, die sich jedoch in finanziellen Schwierigkeiten befinden, begünstigen und Unternehmern eine zweite Chance bieten. Einbezogen werden sollten vor allem Verfahren, die auf eine Sanierung des Schuldners in einer Situation gerichtet sind, in der lediglich die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz besteht, und Verfahren, bei denen der Schuldner ganz oder teilweise die Kontrolle über seine Vermögenswerte und Geschäfte behält. Der Anwendungsbereich sollte sich auch auf Verfahren erstrecken, die eine Schuldbefreiung oder eine Schuldenanpassung in Bezug auf Verbraucher und Selbständige zum Ziel haben, indem 4 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. Nr. L 351 vom 20.12.2012, S. 1).
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z.B. der vom Schuldner zu zahlende Betrag verringert oder die dem Schuldner gewährte Zahlungsfrist verlängert wird. Da in solchen Verfahren nicht unbedingt ein Verwalter bestellt werden muss, sollten sie unter diese Verordnung fallen, wenn sie der Kontrolle oder Aufsicht eines Gerichts unterliegen. In diesem Zusammenhang sollte der Ausdruck „Kontrolle“ auch Sachverhalte einschließen, in denen ein Gericht nur aufgrund des Rechtsbehelfs eines Gläubigers oder anderer Verfahrensbeteiligter tätig wird. (11) Diese Verordnung sollte auch für Verfahren gelten, die einen vorläufigen Aufschub von Vollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger gewähren, wenn derartige Maßnahmen die Verhandlungen beeinträchtigen und die Aussichten auf eine Sanierung des Unternehmens des Schuldners mindern könnten. Diese Verfahren sollten sich nicht nachteilig auf die Gesamtheit der Gläubiger auswirken und sollten, wenn keine Einigung über einen Sanierungsplan erzielt werden kann, anderen Verfahren, die unter diese Verordnung fallen, vorgeschaltet sein. (12) Diese Verordnung sollte für Verfahren gelten, deren Eröffnung öffentlich bekanntzugeben ist, damit Gläubiger Kenntnis von dem Verfahren erlangen und ihre Forderungen anmelden können, und dadurch der kollektive Charakter des Verfahrens sichergestellt wird, und damit den Gläubigern Gelegenheit gegeben wird, die Zuständigkeit des Gerichts überprüfen zu lassen, das das Verfahren eröffnet hat. (13) Dementsprechend sollten vertraulich geführte Insolvenzverfahren vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden. Solche Verfahren mögen zwar in manchen Mitgliedstaaten von großer Bedeutung sein, es ist jedoch aufgrund ihrer Vertraulichkeit unmöglich, dass ein Gläubiger oder Gericht in einem anderen Mitgliedstaat Kenntnis von der Eröffnung eines solchen Verfahrens erlangt, so dass es schwierig ist, ihren Wirkungen unionsweit Anerkennung zu verschaffen. (14) Ein Gesamtverfahren, das unter diese Verordnung fällt, sollte alle oder einen wesentlichen Teil der Gläubiger des Schuldners einschließen, auf die die gesamten oder ein erheblicher Anteil der ausstehenden Verbindlichkeiten des Schuldners entfallen, vorausgesetzt, dass die Forderungen der Gläubiger, die nicht an einem solchen Verfahren beteiligt sind, davon unberührt bleiben. Verfahren, die nur die finanziellen Gläubiger des Schuldners betreffen, sollten auch unter diese Verordnung fallen. Ein Verfahren, das nicht alle Gläubiger eines Schuldners einschließt, sollte ein Verfahren sein, dessen Ziel die Rettung des Schuldners ist. Ein Verfahren, das zur endgültigen Einstellung der Unternehmenstätigkeit des Schuldners oder zur Verwertung seines Vermögens führt, sollte alle Gläubiger des Schuldners einschließen. Einige Insolvenzverfahren für natürliche Personen schließen bestimmte Arten von Forderungen, wie etwa Unterhaltsforderungen, von der Möglichkeit einer Schuldenbefreiung aus, was aber nicht bedeuten sollte, dass diese Verfahren keine Gesamtverfahren sind. (15) Diese Verordnung sollte auch für Verfahren gelten, die nach dem Recht einiger Mitgliedstaaten für eine bestimmte Zeit vorläufig oder einstweilig eröffnet und durchgeführt werden können, bevor ein Gericht durch eine Entscheidung die Fortführung des Verfahrens als nicht vorläufiges Verfahren bestätigt. Auch wenn diese Verfahren als „vorläufig“ bezeichnet werden, sollten sie alle anderen Anforderungen dieser Verordnung erfüllen. (16) Diese Verordnung sollte für Verfahren gelten, die sich auf gesetzliche Regelungen zur Insolvenz stützen. Allerdings sollten Verfahren, die sich auf allgemeines Gesellschaftsrecht stützen, das nicht ausschließlich auf Insolvenzfälle ausgerichtet ist, nicht als Verfahren gelten, die sich auf gesetzliche Regelungen zur Insolvenz stützen. Ebenso sollten Verfahren zur Schuldenanpassung nicht bestimmte Verfahren umfassen, in denen es um den Erlass von Schulden einer natürlichen Person mit sehr geringem Einkommen und Vermögen geht, sofern derartige Verfahren nie eine Zahlung an Gläubiger vorsehen. (17) Der Anwendungsbereich dieser Verordnung sollte sich auf Verfahren erstrecken, die eingeleitet werden, wenn sich ein Schuldner nicht finanziellen Schwierigkeiten befindet, sofern diese Schwierigkeiten mit der tatsächlichen und erheblichen Gefahr verbunden sind, dass der Schuldner gegenwärtig oder in Zukunft seine Verbindlichkeiten bei Fälligkeit nicht begleichen kann. Der maßgebliche Zeitraum zur Feststellung einer solchen Gefahr kann mehrere Monate oder auch länger betragen, um Fällen Rechnung zu tragen, in denen sich der Schuldner nicht finanziellen Schwierigkeiten befindet, die die Fortführung seines Unternehmens und mittelfristig Mäsch
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EuInsVO Erwägungsgründe seine Liquidität gefährden. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Schuldner einen Auftrag verloren hat, der für ihn von entscheidender Bedeutung war. (18) Die Vorschriften über die Rückforderung staatlicher Beihilfen von insolventen Unternehmen, wie sie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgelegt worden sind, sollten von dieser Verordnung unberührt bleiben. (19) Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen, Kreditinstituten, Wertpapierfirmen und anderen Firmen, Einrichtungen oder Unternehmen, die unter die Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates5 fallen, und Organismen für gemeinsame Anlagen sollten vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen werden, da für sie besondere Vorschriften gelten und die nationalen Aufsichtsbehörden weitreichende Eingriffsbefugnisse haben. (20) Insolvenzverfahren sind nicht zwingend mit dem Eingreifen einer Justizbehörde verbunden. Der Ausdruck „Gericht“ in dieser Verordnung sollte daher in einigen Bestimmungen weit ausgelegt werden und Personen oder Stellen umfassen, die nach einzelstaatlichem Recht befugt sind, Insolvenzverfahren zu eröffnen. Damit diese Verordnung Anwendung findet, muss es sich um ein Verfahren (mit den entsprechenden gesetzlich festgelegten Handlungen und Formalitäten) handeln, das nicht nur im Einklang mit dieser Verordnung steht, sondern auch in dem Mitgliedstaat der Eröffnung des Insolvenzverfahrens offiziell anerkannt und rechtsgültig ist. (21) Verwalter sind in dieser Verordnung definiert und in Anhang B aufgeführt. Verwalter, die ohne Beteiligung eines Justizorgans bestellt werden, sollten nach nationalem Recht einer angemessenen Regulierung unterliegen und für die Wahrnehmung von Aufgaben in Insolvenzverfahren zugelassen sein. Der nationale Regelungsrahmen sollte angemessene Vorschriften über den Umgang mit potentiellen Interessenkonflikten umfassen. (22) Diese Verordnung erkennt die Tatsache an, dass aufgrund der großen Unterschiede im materiellen Recht ein einziges Insolvenzverfahren mit universaler Geltung für die Union nicht realisierbar ist. Die ausnahmslose Anwendung des Rechts des Staates der Verfahrenseröffnung würde vor diesem Hintergrund häufig zu Schwierigkeiten führen. Dies gilt etwa für die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausgeprägten nationalen Regelungen zu den Sicherungsrechten. Aber auch die Vorrechte einzelner Gläubiger im Insolvenzverfahren sind teilweise vollkommen anders ausgestaltet. Bei der nächsten Überprüfung dieser Verordnung wird es erforderlich sein, weitere Maßnahmen zu ermitteln, um die Vorrechte der Arbeitnehmer auf europäischer Ebene zu verbessern. Diese Verordnung sollte solchen unterschiedlichen nationalen Rechten auf zweierlei Weise Rechnung tragen. Zum einen sollten Sonderanknüpfungen für besonders bedeutsame Rechte und Rechtsverhältnisse vorgesehen werden (z.B. dingliche Rechte und Arbeitsverträge). Zum anderen sollten neben einem Hauptinsolvenzverfahren mit universaler Geltung auch innerstaatliche Verfahren zugelassen werden, die lediglich das im Eröffnungsstaat befindliche Vermögen erfassen. (23) Diese Verordnung gestattet die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Dieses Verfahren hat universale Geltung sowie das Ziel, das gesamte Vermögen des Schuldners zu erfassen. Zum Schutz der unterschiedlichen Interessen gestattet diese Verordnung die Eröffnung von Sekundärinsolvenzverfahren parallel zum Hauptinsolvenzverfahren. Ein Sekundärinsolvenzverfahren kann in dem Mitgliedstaat eröffnet werden, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat. Seine Wirkungen sind auf das in dem betreffenden Mitgliedstaat belegene Vermögen des Schuldners beschränkt. Zwingende Vorschriften für die Koordinierung mit dem Hauptinsolvenzverfahren tragen dem Gebot der Einheitlichkeit in der Union Rechnung. (24) Wird über das Vermögen einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ein Hauptinsolvenzverfahren in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sie ihren Sitz hat, eröffnet, so sollte die Möglichkeit bestehen, im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ein Sekundärinsolvenzverfahren in dem Mitgliedstaat zu eröffnen, in dem sie ihren
5 Amtliche Fußnote: Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (ABl. Nr. L 125 vom 5.5.2001, S. 15).
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Sitz hat, sofern der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten in diesem Mitgliedstaat voraussetzt. (25) Diese Verordnung gilt nur für Verfahren in Bezug auf einen Schuldner, der Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in der Union hat. (26) Die Zuständigkeitsvorschriften dieser Verordnung legen nur die internationale Zuständigkeit fest, das heißt, sie geben den Mitgliedstaat an, dessen Gerichte Insolvenzverfahren eröffnen dürfen. Die innerstaatliche Zuständigkeit des betreffenden Mitgliedstaats sollte nach dem nationalen Recht des betreffenden Staates bestimmt werden. (27) Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sollte das zuständige Gericht von Amts wegen prüfen, ob sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners oder der Niederlassung des Schuldners tatsächlich in seinem Zuständigkeitsbereich befindet. (28) Bei der Beantwortung der Frage, ob der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners für Dritte feststellbar ist, sollte besonders berücksichtigt werden, welchen Ort die Gläubiger als denjenigen wahrnehmen, an dem der Schuldner der Verwaltung seiner Interessen nachgeht. Hierfür kann es erforderlich sein, die Gläubiger im Fall einer Verlegung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen zeitnah über den neuen Ort zu unterrichten, an dem der Schuldner seine Tätigkeiten ausübt, z.B. durch Hervorhebung der Adressänderung in der Geschäftskorrespondenz, oder indem der neue Ort in einer anderen geeigneten Weise veröffentlicht wird. (29) Diese Verordnung sollte eine Reihe von Schutzvorkehrungen enthalten, um betrügerisches oder missbräuchliches Forum Shopping zu verhindern. (30) Folglich sollten die Annahmen, dass der Sitz, die Hauptniederlassung und der gewöhnliche Aufenthalt jeweils der Mittelpunkt des hauptsächlichen Interesses sind, widerlegbar sein, und das jeweilige Gericht eines Mitgliedstaats sollte sorgfältig prüfen, ob sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners tatsächlich in diesem Mitgliedstaat befindet. Bei einer Gesellschaft sollte diese Vermutung widerlegt werden können, wenn sich die Hauptverwaltung der Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat befindet als in dem Mitgliedstaat, in dem sich der Sitz der Gesellschaft befindet, und wenn eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Faktoren die von Dritten überprüfbare Feststellung zulässt, dass sich der tatsächliche Mittelpunkt der Verwaltung und der Kontrolle der Gesellschaft sowie der Verwaltung ihrer Interessen in diesem anderen Mitgliedstaat befindet. Bei einer natürlichen Person, die keine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt, sollte diese Vermutung widerlegt werden können, wenn sich z.B. der Großteil des Vermögens des Schuldners außerhalb des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Schuldners befindet oder wenn festgestellt werden kann, dass der Hauptgrund für einen Umzug darin bestand, einen Insolvenzantrag im neuen Gerichtsstand zu stellen, und die Interessen der Gläubiger, die vor dem Umzug eine Rechtsbeziehung mit dem Schuldner eingegangen sind, durch einen solchen Insolvenzantrag wesentlich beeinträchtigt würden. (31) Im Rahmen desselben Ziels der Verhinderung von betrügerischem oder missbräuchlichem Forum Shopping sollte die Vermutung, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der Sitz, die Hauptniederlassung der natürlichen Person bzw. der gewöhnliche Aufenthalt der natürlichen Person ist, nicht gelten, wenn – im Falle einer Gesellschaft, einer juristischen Person oder einer natürlichen Person, die eine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt, – der Schuldner seinen Sitz oder seine Hauptniederlassung in einem Zeitraum von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat, oder – im Falle einer natürlichen Person, die keine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt – wenn der Schuldner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Zeitraum von sechs Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat. (32) Das Gericht sollte in allen Fällen, in denen die Umstände des Falls Anlass zu Zweifeln an seiner Zuständigkeit geben, den Schuldner auffordern, zusätzliche Nachweise für seine Behauptung vorzulegen, und, wenn das für das Insolvenzverfahren geltende Recht dies erlaubt, den Gläubigern des Schuldners Gelegenheit geben, sich zur Frage der Zuständigkeit zu äußern.
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EuInsVO Erwägungsgründe (33) Stellt das mit dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befasste Gericht fest, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen nicht in seinem Hoheitsgebiet liegt, so sollte es das Hauptinsolvenzverfahren nicht eröffnen. (34) Allen Gläubigern des Schuldners sollte darüber hinaus ein wirksamer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, zustehen. Die Folgen einer Anfechtung der Entscheidung, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, sollten dem nationalen Recht unterliegen. (35) Die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, sollten auch für Klagen zuständig sein, die sich direkt aus dem Insolvenzverfahren ableiten und eng damit verknüpft sind. Zu solchen Klagen sollten u.a. Anfechtungsklagen gegen Beklagte in anderen Mitgliedstaaten und Klagen in Bezug auf Verpflichtungen gehören, die sich im Verlauf des Insolvenzverfahrens ergeben, wie z.B. zu Vorschüssen für Verfahrenskosten. Im Gegensatz dazu leiten sich Klagen wegen der Erfüllung von Verpflichtungen aus einem Vertrag, der vom Schuldner vor der Eröffnung des Verfahrens abgeschlossen wurde, nicht unmittelbar aus dem Verfahren ab. Steht eine solche Klage im Zusammenhang mit einer anderen zivil- oder handelsrechtlichen Klage, so sollte der Verwalter beide Klagen vor die Gerichte am Wohnsitz des Beklagten bringen können, wenn er sich von einer Erhebung der Klagen an diesem Gerichtsstand einen Effizienzgewinn verspricht. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Verwalter eine insolvenzrechtliche Haftungsklage gegen einen Geschäftsführer mit einer gesellschaftsrechtlichen oder deliktsrechtlichen Klage verbinden will. (36) Das für die Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens zuständige Gericht sollte zur Anordnung einstweiliger Maßnahmen und von Sicherungsmaßnahmen ab dem Zeitpunkt des Antrags auf Verfahrenseröffnung befugt sein. Sicherungsmaßnahmen sowohl vor als auch nach Beginn des Insolvenzverfahrens sind zur Gewährleistung der Wirksamkeit des Insolvenzverfahrens von großer Bedeutung. Diese Verordnung sollte hierfür verschiedene Möglichkeiten vorsehen. Zum einen sollte das für das Hauptinsolvenzverfahren zuständige Gericht einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen auch über Vermögensgegenstände anordnen können, die sich im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten befinden. Zum anderen sollte ein vor Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens bestellter vorläufiger Verwalter in den Mitgliedstaaten, in denen sich eine Niederlassung des Schuldners befindet, die nach dem Recht dieser Mitgliedstaaten möglichen Sicherungsmaßnahmen beantragen können. (37) Das Recht, vor der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat, zu beantragen, sollte nur lokalen Gläubigern und Behörden zustehen beziehungsweise auf Fälle beschränkt sein, in denen das Recht des Mitgliedstaats, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens nicht zulässt. Der Grund für diese Beschränkung ist, dass die Fälle, in denen die Eröffnung eines Partikularverfahrens vor dem Hauptinsolvenzverfahren beantragt wird, auf das unumgängliche Maß beschränkt werden sollen. (38) Das Recht, nach der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat, zu beantragen, wird durch diese Verordnung nicht beschränkt. Der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens oder jede andere, nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats dazu befugte Person sollte die Eröffnung eines Sekundärverfahrens beantragen können. (39) Diese Verordnung sollte Vorschriften für die Bestimmung der Belegenheit der Vermögenswerte des Schuldners vorsehen, und diese Vorschriften sollten bei der Feststellung, welche Vermögenswerte zur Masse des Haupt- oder des Sekundärinsolvenzverfahrens gehören, und auf Situationen, in denen die dinglichen Rechte Dritter betroffen sind, Anwendung finden. Insbesondere sollte in dieser Verordnung bestimmt werden, dass Europäische Patente mit einheitlicher Wirkung, eine Gemeinschaftsmarke oder jedes andere ähnliche Recht, wie gemeinschaftliche Sortenschutzrechte oder das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, nur in das Hauptinsolvenzverfahren mit einbezogen werden dürfen. (40) Ein Sekundärinsolvenzverfahren kann neben dem Schutz der inländischen Interessen auch anderen Zwecken dienen. Dies kann der Fall sein, wenn die Insolvenzmasse des Schuldners zu verschachtelt ist, um als Ganzes verwaltet zu werden, oder weil die Unterschiede in den betroffe920
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nen Rechtssystemen so groß sind, dass sich Schwierigkeiten ergeben können, wenn das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung seine Wirkung in den anderen Staaten, in denen Vermögensgegenstände belegen sind, entfaltet. Aus diesem Grund kann der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens beantragen, wenn dies für die effiziente Verwaltung der Masse erforderlich ist. (41) Sekundärinsolvenzverfahren können eine effiziente Verwaltung der Insolvenzmasse auch behindern. Daher sind in dieser Verordnung zwei spezifische Situationen vorgesehen, in denen das mit einem Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens befasste Gericht auf Antrag des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens die Eröffnung eines solchen Verfahrens aufschieben oder ablehnen können sollte. (42) Erstens erhält der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens im Rahmen dieser Verordnung die Möglichkeit, den lokalen Gläubigern die Zusicherung zu geben, dass sie so behandelt werden, als wäre das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden. Bei dieser Zusicherung ist eine Reihe von in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen zu erfüllen, insbesondere muss sie von einer qualifizierten Mehrheit der lokalen Gläubiger gebilligt werden. Wurde eine solche Zusicherung gegeben, so sollte das mit einem Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens befasste Gericht den Antrag ablehnen können, wenn es der Überzeugung ist, dass diese Zusicherung die allgemeinen Interessen der lokalen Gläubiger angemessen schützt. Das Gericht sollte bei der Beurteilung dieser Interessen die Tatsache berücksichtigen, dass die Zusicherung von einer qualifizierten Mehrheit der lokalen Gläubiger gebilligt worden ist. (43) Für die Zwecke der Abgabe einer Zusicherung an die lokalen Gläubiger sollten die in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat, belegenen Vermögenswerte und Rechte eine Teilmasse der Insolvenzmasse bilden, und der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens sollte bei ihrer Verteilung bzw. der Verteilung des aus ihrer Verwertung erzielten Erlöses die Vorzugsrechte wahren, die Gläubiger bei Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in diesem Mitgliedstaat hätten. (44) Für die Billigung der Zusicherung sollte, soweit angemessen, das nationale Recht Anwendung finden. Insbesondere sollten Forderungen der Gläubiger für die Zwecke der Abstimmung über die Zusicherung als festgestellt gelten, wenn die Abstimmungsregeln für die Annahme eines Sanierungsplans nach nationalem Recht die vorherige Feststellung dieser Forderungen vorschreiben. Gibt es nach nationalem Recht unterschiedliche Verfahren für die Annahme von Sanierungsplänen, so sollten die Mitgliedstaaten das spezifische Verfahren benennen, das in diesem Zusammenhang maßgeblich sein sollte. (45) Zweitens sollte in dieser Verordnung die Möglichkeit vorgesehen werden, dass das Gericht die Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens vorläufig aussetzt, wenn im Hauptinsolvenzverfahren eine vorläufige Aussetzung von Einzelvollstreckungsverfahren gewährt wurde, um die Wirksamkeit der im Hauptinsolvenzverfahren gewährten Aussetzung zu wahren. Das Gericht sollte die vorläufige Aussetzung gewähren können, wenn es der Überzeugung ist, dass geeignete Maßnahmen zum Schutz der Interessen der lokalen Gläubiger bestehen. In diesem Fall sollten alle Gläubiger, die von dem Ergebnis der Verhandlungen über einen Sanierungsplan betroffen sein könnten, über diese Verhandlungen informiert werden und daran teilnehmen dürfen. (46) Im Interesse eines wirksamen Schutzes lokaler Interessen sollte es dem Verwalter im Hauptinsolvenzverfahren nicht möglich sein, das in dem Mitgliedstaat der Niederlassung befindliche Vermögen missbräuchlich zu verwerten oder missbräuchlich an einen anderen Ort zu bringen, insbesondere wenn dies in der Absicht geschieht, die wirksame Befriedigung dieser Interessen für den Fall, dass im Anschluss ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet wird, zu vereiteln. (47) Diese Verordnung sollte die Gerichte der Mitgliedstaaten, in denen Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden sind, nicht daran hindern, gegen Mitglieder der Geschäftsleitung des Schuldners Sanktionen wegen etwaiger Pflichtverletzung zu verhängen, sofern diese Gerichte nach nationalem Recht für diese Streitigkeiten zuständig sind. (48) Hauptinsolvenzverfahren und Sekundärinsolvenzverfahren können zur wirksamen Verwaltung der Insolvenzmasse oder der effizienten Verwertung des Gesamtvermögens beitragen, wenn die an allen parallelen Verfahren beteiligten Akteure ordnungsgemäß zusammenarbeiten. Ordnungsgemäße Zusammenarbeit setzt voraus, dass die verschiedenen beteiligten Verwalter und Mäsch
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EuInsVO Erwägungsgründe Gerichte eng zusammenarbeiten, insbesondere indem sie einander wechselseitig ausreichend informieren. Um die dominierende Rolle des Hauptinsolvenzverfahrens sicherzustellen, sollten dem Verwalter dieses Verfahrens mehrere Einwirkungsmöglichkeiten auf gleichzeitig anhängige Sekundärinsolvenzverfahren gegeben werden. Der Verwalter sollte insbesondere einen Sanierungsplan oder Vergleich vorschlagen oder die Aussetzung der Verwertung der Masse im Sekundärinsolvenzverfahren beantragen können. Bei ihrer Zusammenarbeit sollten Verwalter und Gerichte die bewährten Praktiken für grenzüberschreitende Insolvenzfälle berücksichtigen, wie sie in den Kommunikations- und Kooperationsgrundsätzen und -leitlinien, die von europäischen und internationalen Organisationen auf dem Gebiet des Insolvenzrechts ausgearbeitet worden sind, niedergelegt sind, insbesondere den einschlägigen Leitlinien der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL). (49) Zum Zwecke dieser Zusammenarbeit sollten Verwalter und Gerichte Vereinbarungen schließen und Verständigungen herbeiführen können, die der Erleichterung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen mehreren Insolvenzverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten über das Vermögen desselben Schuldners oder von Mitgliedern derselben Unternehmensgruppe dienen, sofern dies mit den für die jeweiligen Verfahren geltenden Vorschriften vereinbar ist. Diese Vereinbarungen und Verständigungen können in der Form – sie können schriftlich oder mündlich sein – und im Umfang – von allgemein bis spezifisch – variieren und von verschiedenen Parteien geschlossen werden. In einfachen allgemeinen Vereinbarungen kann die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit der Parteien hervorgehoben werden, ohne dass dabei auf konkrete Punkte eingegangen wird, während in spezifischen Vereinbarungen ein Rahmen von Grundsätzen für die Verwaltung mehrerer Insolvenzverfahren festgelegt werden und von den beteiligten Gerichten gebilligt werden kann, sofern die nationalen Rechtsvorschriften dies erfordern. In ihnen kann zum Ausdruck gebracht werden, dass Einvernehmen unter den Parteien besteht, bestimmte Schritte zu unternehmen oder Maßnahmen zu treffen oder davon abzusehen. (50) In ähnlicher Weise können Gerichte verschiedener Mitgliedstaaten durch die Koordinierung der Bestellung von Verwaltern zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang können sie dieselbe Person zum Verwalter für mehrere Insolvenzverfahren über das Vermögen desselben Schuldners oder verschiedener Mitglieder einer Unternehmensgruppe bestellen, vorausgesetzt, dies ist mit den für die jeweiligen Verfahren geltenden Vorschriften – insbesondere mit etwaigen Anforderungen an die Qualifikation und Zulassung von Verwaltern – vereinbar. (51) Diese Verordnung sollte gewährleisten, dass Insolvenzverfahren über das Vermögen verschiedener Gesellschaften, die einer Unternehmensgruppe angehören, effizient geführt werden. (52) Wurden über das Vermögen mehrerer Gesellschaften derselben Unternehmensgruppe Insolvenzverfahren eröffnet, so sollten die an diesen Verfahren beteiligten Akteure ordnungsgemäß zusammenarbeiten. Die verschiedenen beteiligten Verwalter und Gerichte sollten deshalb in ähnlicher Weise wie die Verwalter und Gerichte in denselben Schuldner betreffenden Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren verpflichtet sein, miteinander zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Die Zusammenarbeit der Verwalter sollte nicht den Interessen der Gläubiger in den jeweiligen Verfahren zuwiderlaufen, und das Ziel dieser Zusammenarbeit sollte sein, eine Lösung zu finden, durch die Synergien innerhalb der Gruppe ausgeschöpft werden. (53) Durch die Einführung von Vorschriften über die Insolvenzverfahren von Unternehmensgruppen sollte ein Gericht nicht in seiner Möglichkeit eingeschränkt werden, Insolvenzverfahren über das Vermögen mehrerer Gesellschaften, die derselben Unternehmensgruppe angehören, nur an einem Gerichtsstand zu eröffnen, wenn es feststellt, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen dieser Gesellschaften in einem einzigen Mitgliedstaat liegt. In diesen Fällen sollte das Gericht für alle Verfahren gegebenenfalls dieselbe Person als Verwalter bestellen können, sofern dies mit den dafür geltenden Vorschriften vereinbar ist. (54) Um die Koordinierung der Insolvenzverfahren über das Vermögen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe weiter zu verbessern und eine koordinierte Sanierung der Gruppe zu ermöglichen, sollten mit dieser Verordnung Verfahrensvorschriften für die Koordinierung der Insolvenzverfahren gegen Mitglieder einer Unternehmensgruppe eingeführt werden. Bei einer derartigen Koordinierung sollte angestrebt werden, dass die Effizienz der Koordinierung gewährleistet wird, wobei gleichzeitig die eigene Rechtspersönlichkeit jedes einzelnen Gruppenmitglieds zu achten ist. 922
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(55) Ein Verwalter, der in einem Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Mitglieds einer Unternehmensgruppe bestellt worden ist, sollte die Eröffnung eines Gruppen-Koordinationsverfahrens beantragen können. Allerdings sollte dieser Verwalter vor der Einreichung eines solchen Antrags die erforderliche Genehmigung einholen, sofern das für das Insolvenzverfahren geltende Recht dies vorschreibt. Im Antrag sollten Angaben zu den wesentlichen Elementen der Koordinierung erfolgen, insbesondere eine Darlegung des Koordinationsplans, ein Vorschlag für die als Koordinator zu bestellende Person und eine Übersicht der geschätzten Kosten für die Koordinierung. (56) Um die Freiwilligkeit des Gruppen-Koordinationsverfahrens sicherzustellen, sollten die beteiligten Verwalter innerhalb einer festgelegten Frist Widerspruch gegen ihre Teilnahme am Verfahren einlegen können. Damit die beteiligten Verwalter eine fundierte Entscheidung über ihre Teilnahme am Gruppen-Koordinationsverfahren treffen können, sollten sie in einer frühen Phase über die wesentlichen Elemente der Koordinierung unterrichtet werden. Allerdings sollten Verwalter, die einer Einbeziehung in ein Gruppen-Koordinationsverfahren ursprünglich widersprochen haben, eine Beteiligung nachträglich beantragen können. In einem solchen Fall sollte der Koordinator über die Zulässigkeit des Antrags befinden. Alle Verwalter einschließlich des antragstellenden Verwalters sollten über die Entscheidung des Koordinators in Kenntnis gesetzt werden und die Gelegenheit haben, diese Entscheidung bei dem Gericht anzufechten, von dem das Gruppen-Koordinationsverfahren eröffnet wurde. (57) Gruppen-Koordinationsverfahren sollten stets zum Ziel haben, dass die wirksame Verwaltung in den Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gruppenmitglieder erleichtert wird, und sie sollten sich allgemein positiv für die Gläubiger auswirken. Mit dieser Verordnung sollte daher sichergestellt werden, dass das Gericht, bei dem ein Antrag auf ein Gruppen-Koordinationsverfahren gestellt wurde, diese Kriterien vor der Eröffnung des Gruppen-Koordinationsverfahrens prüft. (58) Die Kosten des Gruppen-Koordinationsverfahrens sollten dessen Vorteile nicht überwiegen. Daher muss sichergestellt werden, dass die Kosten der Koordinierung und der von jedem Gruppenmitglied zu tragende Anteil an diesen Kosten angemessen, verhältnismäßig und vertretbar sind und im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem das Gruppen-Koordinationsverfahren eröffnet wurde, festzulegen sind. Die beteiligten Verwalter sollten auch die Möglichkeit haben, diese Kosten ab einer frühen Phase des Verfahrens zu kontrollieren. Wenn es die nationalen Rechtsvorschriften erfordern, kann die Kontrolle der Kosten ab einer frühen Phase des Verfahrens damit verbunden sein, dass der Verwalter die Genehmigung eines Gerichts oder eines Gläubigerausschusses einholt. (59) Wenn nach Überlegung des Koordinators die Wahrnehmung seiner Aufgaben zu einer – im Vergleich zu der eingangs vorgenommenen Kostenschätzung – erheblichen Kostensteigerung führen wird, und auf jeden Fall, wenn die Kosten 10 % der geschätzten Kosten übersteigen, sollte der Koordinator von dem Gericht, das das Gruppen-Koordinationsverfahren eröffnet hat, die Genehmigung zur Überschreitung dieser Kosten einholen. Bevor das Gericht, das das Gruppen-Koordinationsverfahren eröffnet hat, seine Entscheidung trifft, sollte es den beteiligten Verwaltern Gelegenheit geben, gehört zu werden und dem Gericht ihre Bemerkungen dazu darzulegen, ob der Antrag des Koordinators angebracht ist. (60) Diese Verordnung sollte für Mitglieder einer Unternehmensgruppe, die nicht in ein Gruppen-Koordinationsverfahren einbezogen sind, auch einen alternativen Mechanismus vorsehen, um eine koordinierte Sanierung der Gruppe zu erreichen. Ein in einem Verfahren, das über das Vermögen eines Mitglieds einer Unternehmensgruppe anhängig ist, bestellter Verwalter sollte die Aussetzung jeder Maßnahme im Zusammenhang mit der Verwertung der Masse in Verfahren über das Vermögen anderer Mitglieder der Unternehmensgruppe, die nicht in ein Gruppen-Koordinationsverfahren einbezogen sind, beantragen können. Es sollte nur möglich sein, eine solche Aussetzung zu beantragen, wenn ein Sanierungsplan für die betroffenen Mitglieder der Gruppe vorgelegt wird, der den Gläubigern des Verfahrens, für das die Aussetzung beantragt wird, zugute kommt und die Aussetzung notwendig ist, um die ordnungsgemäße Durchführung des Plans sicherzustellen.
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EuInsVO Erwägungsgründe (61) Diese Verordnung sollte die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, nationale Bestimmungen zu erlassen, mit denen die Bestimmungen dieser Verordnung über die Zusammenarbeit, Kommunikation und Koordinierung im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren über das Vermögen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe ergänzt würden, vorausgesetzt, der Geltungsbereich der nationalen Vorschriften beschränkt sich auf die nationale Rechtsordnung und ihre Anwendung beeinträchtigt nicht die Wirksamkeit der in dieser Verordnung enthaltenen Vorschriften. (62) Die Vorschriften dieser Verordnung über die Zusammenarbeit, Kommunikation und Koordinierung im Rahmen von Insolvenzverfahren über das Vermögen von Mitgliedern einer Unternehmensgruppe sollten nur insoweit Anwendung finden, als Verfahren über das Vermögen verschiedener Mitglieder derselben Unternehmensgruppe in mehr als einem Mitgliedstaat eröffnet worden sind. (63) Jeder Gläubiger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in der Union hat, sollte das Recht haben, seine Forderungen in jedem in der Union anhängigen Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners anzumelden. Dies sollte auch für Steuerbehörden und Sozialversicherungsträger gelten. Diese Verordnung sollte den Verwalter nicht daran hindern, Forderungen im Namen bestimmter Gläubigergruppen – z.B. der Arbeitnehmer – anzumelden, sofern dies im nationalen Recht vorgesehen ist. Im Interesse der Gläubigergleichbehandlung sollte jedoch die Verteilung des Erlöses koordiniert werden. Jeder Gläubiger sollte zwar behalten dürfen, was er im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erhalten hat, sollte aber an der Verteilung der Masse in einem anderen Verfahren erst dann teilnehmen können, wenn die Gläubiger gleichen Rangs die gleiche Quote auf ihre Forderungen erlangt haben. (64) Es ist von grundlegender Bedeutung, dass Gläubiger, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in der Union haben, über die Eröffnung von Insolvenzverfahren über das Vermögen ihres Schuldners informiert werden. Um eine rasche Übermittlung der Informationen an die Gläubiger sicherzustellen, sollte die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates6 keine Anwendung finden, wenn in der vorliegenden Verordnung auf die Pflicht zur Information der Gläubiger verwiesen wird. Gläubigern sollte die Anmeldung ihrer Forderungen in Verfahren, die in einem anderen Mitgliedstaat eröffnet werden, durch die Bereitstellung von Standardformularen in allen Amtssprachen der Organe der Union erleichtert werden. Die Folgen des unvollständigen Ausfüllens des Standardformulars sollten durch das nationale Recht geregelt werden. (65) In dieser Verordnung sollte die unmittelbare Anerkennung von Entscheidungen zur Eröffnung, Abwicklung und Beendigung der in ihren Geltungsbereich fallenden Insolvenzverfahren sowie von Entscheidungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen Insolvenzverfahren ergehen, vorgesehen werden. Die automatische Anerkennung sollte somit zur Folge haben, dass die Wirkungen, die das Recht des Mitgliedstaats der Verfahrenseröffnung dem Verfahren beilegt, auf alle übrigen Mitgliedstaaten ausgedehnt werden. Die Anerkennung der Entscheidungen der Gerichte der Mitgliedstaaten sollte sich auf den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens stützen. Die Gründe für eine Nichtanerkennung sollten daher auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt sein. Nach diesem Grundsatz sollte auch der Konflikt gelöst werden, wenn sich die Gerichte zweier Mitgliedstaaten für zuständig halten, ein Hauptinsolvenzverfahren zu eröffnen. Die Entscheidung des zuerst eröffnenden Gerichts sollte in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden; diese Mitgliedstaaten sollten die Entscheidung dieses Gerichts keiner Überprüfung unterziehen dürfen. (66) Diese Verordnung sollte für den Insolvenzbereich einheitliche Kollisionsnormen formulieren, die die nationalen Vorschriften des internationalen Privatrechts ersetzen. Soweit nichts anderes bestimmt ist, sollte das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung (lex concursus) Anwendung finden. Diese Kollisionsnorm sollte für Hauptinsolvenzverfahren und Partikularverfahren gleichermaßen gelten. Die lex concursus regelt sowohl die verfahrensrechtlichen als auch die materiellen Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf die davon betroffenen Personen und Rechtsver6 Amtliche Fußnote: Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Zustellung von Schriftstücken) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/ 2000 des Rates (ABl. Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79).
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hältnisse. Nach ihr bestimmen sich alle Voraussetzungen für die Eröffnung, Abwicklung und Beendigung des Insolvenzverfahrens. (67) Die automatische Anerkennung eines Insolvenzverfahrens, auf das regelmäßig das Recht des Staats der Verfahrenseröffnung Anwendung findet, kann mit den Vorschriften anderer Mitgliedstaaten für die Vornahme von Rechtshandlungen kollidieren. Um in den anderen Mitgliedstaaten als dem Staat der Verfahrenseröffnung Vertrauensschutz und Rechtssicherheit zu gewährleisten, sollte eine Reihe von Ausnahmen von der allgemeinen Vorschrift vorgesehen werden. (68) Ein besonderes Bedürfnis für eine vom Recht des Eröffnungsstaats abweichende Sonderanknüpfung besteht bei dinglichen Rechten, da solche Rechte für die Gewährung von Krediten von erheblicher Bedeutung sind. Die Begründung, Gültigkeit und Tragweite von dinglichen Rechten sollten sich deshalb regelmäßig nach dem Recht des Belegenheitsorts bestimmen und von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt werden. Der Inhaber des dinglichen Rechts sollte somit sein Recht zur Aus- bzw. Absonderung an dem Sicherungsgegenstand weiter geltend machen können. Falls an Vermögensgegenständen in einem Mitgliedstaat dingliche Rechte nach dem Recht des Belegenheitsstaats bestehen, das Hauptinsolvenzverfahren aber in einem anderen Mitgliedstaat stattfindet, sollte der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in dem Zuständigkeitsgebiet, in dem die dinglichen Rechte bestehen, beantragen können, sofern der Schuldner dort eine Niederlassung hat. Wird kein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet, so sollte ein etwaiger überschießender Erlös aus der Veräußerung der Vermögensgegenstände, an denen dingliche Rechte bestanden, an den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens abzuführen sein. (69) Diese Verordnung enthält mehrere Bestimmungen, wonach ein Gericht die Aussetzung der Eröffnung eines Verfahrens oder die Aussetzung von Vollstreckungsverfahren anordnen kann. Eine solche Aussetzung sollte die dinglichen Rechte von Gläubigern oder Dritten unberührt lassen. (70) Ist nach dem Recht des Staats der Verfahrenseröffnung eine Aufrechnung von Forderungen nicht zulässig, so sollte ein Gläubiger gleichwohl zur Aufrechnung berechtigt sein, wenn diese nach dem für die Forderung des insolventen Schuldners maßgeblichen Recht möglich ist. Auf diese Weise würde die Aufrechnung eine Art Garantiefunktion aufgrund von Rechtsvorschriften erhalten, auf die sich der betreffende Gläubiger zum Zeitpunkt der Entstehung der Forderung verlassen kann. (71) Ein besonderes Schutzbedürfnis besteht auch bei Zahlungssystemen und Finanzmärkten, etwa im Zusammenhang mit den in diesen Systemen anzutreffenden Glattstellungsverträgen und Nettingvereinbarungen sowie der Veräußerung von Wertpapieren und den zur Absicherung dieser Transaktionen gestellten Sicherheiten, wie dies insbesondere in der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates7 geregelt ist. Für diese Transaktionen sollte deshalb allein das Recht maßgebend sein, das auf das betreffende System bzw. den betreffenden Markt anwendbar ist. Dieses Recht soll verhindern, dass im Fall der Insolvenz eines Geschäftspartners die in Zahlungs- oder Aufrechnungssystemen und auf den geregelten Finanzmärkten der Mitgliedstaaten vorgesehenen Mechanismen zur Zahlung und Abwicklung von Transaktionen geändert werden können. Die Richtlinie 98/26/EG enthält Sondervorschriften, die den in dieser Verordnung festgelegten allgemeinen Regelungen vorgehen sollten. (72) Zum Schutz der Arbeitnehmer und der Arbeitsverhältnisse sollten die Wirkungen der Insolvenzverfahren auf die Fortsetzung oder Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie auf die Rechte und Pflichten aller an einem solchen Arbeitsverhältnis beteiligten Parteien durch das gemäß den allgemeinen Kollisionsnormen für den jeweiligen Arbeitsvertrag maßgebliche Recht bestimmt werden. Zudem sollte in Fällen, in denen zur Beendigung von Arbeitsverträgen die Zustimmung eines Gerichts oder einer Verwaltungsbehörde erforderlich ist, die Zuständigkeit zur Erteilung dieser Zustimmung bei dem Mitgliedstaat verbleiben, in dem sich eine Niederlassung des Schuldners befindet, selbst wenn in diesem Mitgliedstaat kein Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Für sonstige insolvenzrechtliche Fragen, wie etwa, ob die Forderungen der Arbeitnehmer 7 Amtliche Fußnote: Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.5.1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (ABl. Nr. L 166 vom 11.6.1998, S. 45).
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EuInsVO Erwägungsgründe durch ein Vorrecht geschützt sind und welchen Rang dieses Vorrecht gegebenenfalls erhalten soll, sollte das Recht des Mitgliedstaats maßgeblich sein, in dem das Insolvenzverfahren (Haupt- oder Sekundärverfahren) eröffnet wurde, es sei denn, im Einklang mit dieser Verordnung wurde eine Zusicherung gegeben, um ein Sekundärinsolvenzverfahren zu vermeiden. (73) Auf die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf ein anhängiges Gerichts- oder Schiedsverfahren über einen Vermögenswert oder ein Recht, der bzw. das Teil der Insolvenzmasse ist, sollte das Recht des Mitgliedstaats Anwendung finden, in dem das Gerichtsverfahren anhängig ist oder die Schiedsgerichtsbarkeit ihren Sitz hat. Diese Bestimmung sollte allerdings die nationalen Vorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen nicht berühren. (74) Um den verfahrensrechtlichen Besonderheiten der Rechtssysteme einiger Mitgliedstaaten Rechnung zu tragen, sollten bestimmte Vorschriften dieser Verordnung die erforderliche Flexibilität aufweisen. Dementsprechend sollten Bezugnahmen in dieser Verordnung auf Mitteilungen eines Justizorgans eines Mitgliedstaats, sofern es die Verfahrensvorschriften eines Mitgliedstaats erforderlich machen, eine Anordnung dieses Justizorgans umfassen, die Mitteilung vorzunehmen. (75) Im Interesse des Geschäftsverkehrs sollte der wesentliche Inhalt der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung auf Antrag des Verwalters in einem anderen Mitgliedstaat als in dem, in dem das Gericht diese Entscheidung erlassen hat, bekannt gemacht werden. Befindet sich in dem betreffenden Mitgliedstaat eine Niederlassung, sollte die Bekanntmachung obligatorisch sein. In keinem dieser Fälle sollte die Bekanntmachung jedoch Voraussetzung für die Anerkennung des ausländischen Verfahrens sein. (76) Um eine bessere Information der betroffenen Gläubiger und Gerichte zu gewährleisten und die Eröffnung von Parallelverfahren zu verhindern, sollten die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, relevante Informationen in grenzüberschreitenden Insolvenzfällen in einem öffentlich zugänglichen elektronischen Register bekanntzumachen. Um Gläubigern und Gerichten in anderen Mitgliedstaaten den Zugriff auf diese Informationen zu erleichtern, sollte diese Verordnung die Vernetzung solcher Insolvenzregister über das Europäische Justizportal vorsehen. Den Mitgliedstaaten sollte freistehen, relevante Informationen in verschiedenen Registern bekanntzumachen, und es sollte möglich sein, mehr als ein Register je Mitgliedstaat zu vernetzen. (77) In dieser Verordnung sollte der Mindestumfang der Informationen, die in den Insolvenzregistern bekanntzumachen sind, festgelegt werden. Die Mitgliedstaaten sollten zusätzliche Informationen aufnehmen dürfen. Ist der Schuldner eine natürliche Person, so sollte in den Insolvenzregistern nur dann eine Registrierungsnummer angegeben werden, wenn der Schuldner eine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt. Diese Registrierungsnummer sollte gegebenenfalls als die einheitliche Registrierungsnummer seiner selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit im Handelsregister zu verstehen sein. (78) Informationen über bestimmte Aspekte des Insolvenzverfahrens, wie z.B. die Fristen für die Anmeldung von Forderungen oder die Anfechtung von Entscheidungen, sind für die Gläubiger von grundlegender Bedeutung. Diese Verordnung sollte allerdings die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichten, diese Fristen im Einzelfall zu berechnen. Die Mitgliedstaaten sollten ihren Pflichten nachkommen können, indem sie Hyperlinks zum Europäischen Justizportal einfügen, über das selbsterklärende Angaben zu den Kriterien zur Berechnung dieser Fristen verfügbar zu machen sind. (79) Damit ausreichender Schutz der Informationen über natürliche Personen, die keine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben, gewährleistet ist, sollte es den Mitgliedstaaten möglich sein, den Zugang zu diesen Informationen von zusätzlichen Suchkriterien wie der persönlichen Kennnummer des Schuldners, seiner Anschrift, seinem Geburtsdatum oder dem Bezirk des zuständigen Gerichts abhängig zu machen oder den Zugang an die Voraussetzung eines Antrags an die zuständige Behörde oder der Feststellung eines rechtmäßigen Interesses zu knüpfen. (80) Den Mitgliedstaaten sollte es auch möglich sein, Informationen über natürliche Personen, die keine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben, nicht in ihre Insolvenzregister aufzunehmen. In solchen Fällen sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die einschlägigen Informationen durch individuelle Mitteilung an die Gläubiger übermittelt werden 926
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und die Forderungen von Gläubigern, die die Informationen nicht erhalten haben, durch die Verfahren nicht berührt werden. (81) Es kann der Fall eintreten, dass einige der betroffenen Personen keine Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens haben und gutgläubig im Widerspruch zu der neuen Sachlage handeln. Zum Schutz solcher Personen, die in Unkenntnis der ausländischen Verfahrenseröffnung eine Zahlung an den Schuldner statt an den ausländischen Verwalter leisten, sollte eine schuldbefreiende Wirkung der Leistung bzw. Zahlung vorgesehen werden. (82) Zur Gewährleistung einheitlicher Bedingungen für die Durchführung dieser Verordnung sollten der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen werden. Diese Befugnisse sollten im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates8 ausgeübt werden. (83) Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt wurden. Die Verordnung zielt insbesondere darauf ab, die Anwendung der Art. 8, 17 und 47 der Charta zu fördern, die den Schutz der personenbezogenen Daten, das Recht auf Eigentum und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren betreffen. (84) Die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates9 und die Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates10 regeln die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen dieser Verordnung. (85) Diese Verordnung lässt die Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates11 unberührt. (86) Da das Ziel dieser Verordnung von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden kann, sondern vielmehr aufgrund der Schaffung eines rechtlichen Rahmens für die geordnete Abwicklung von grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren auf Unionsebene besser zu verwirklichen ist, kann die Union im Einklang mit dem in Art. 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das zur Verwirklichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus. (87) Gemäß Art. 3 und Art. 4a Abs. 1 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 21 über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hinsichtlich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts haben diese Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung der vorliegenden Verordnung beteiligen möchten. (88) Gemäß den Art. 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügten Protokolls Nr. 22 über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese Verordnung gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet. (89) Der Europäische Datenschutzbeauftragte wurde angehört und hat seine Stellungnahme am 27.3.2013 abgegeben12 – HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
8 Amtliche Fußnote: Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren (ABl. Nr. L 55 vom 28.2.2011, S. 13). 9 Amtliche Fußnote: Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. Nr. L 281 vom 23.11.1995, S. 31). 10 Amtliche Fußnote: Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.12.2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr (ABl. Nr. L 8 vom 12.1.2001, S. 1). 11 Amtliche Fußnote: Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3.6.1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (ABl. Nr. L 124 vom 8.6.1971, S. 1). 12 Amtliche Fußnote: ABl. C 358 vom 7.12.2013, S. 15.
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Einl. EuInsVO Einleitung
Einleitung I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kompetenzgrundlage . . . . . . . . . . . . .
1 2
V. Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 VI. Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
III. Entstehungsgeschichte bis zur Neufassung der EuInsVO . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
IV. Regelungszweck und -inhalt im Überblick 1. Zweck der EuInsVO, zentrale Regelungen . . 2. Konzerninsolvenzrecht . . . . . . . . . . . . .
6 6 9
VIII. Konkurrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 IX. Die Restrukturierungsrichtlinie . . . . . . . 20
VII. Deutsche Ausführungsbestimmungen . . . 15
I. Vorbemerkung 1
Am 20.5.2015 verabschiedeten der Rat und das europäische Parlament die Verordnung (EU) 2015/ 8481 (im Folgenden: EuInsVO oder, wo zur Klarstellung erforderlich, EuInsVO 2015). Als Neufassung der in den Vorauflagen kommentierten EuInsVO 20002 führte sie zu deren Aufhebung (Art. 91 EuInsVO). Sie findet gem. Art. 84 Abs. 1 S. 1 EuInsVO auf alle Insolvenzverfahren Anwendung, die ab dem 26.6.2017 eröffnet worden sind. Insbesondere durch die neu geschaffenen Kapitel zu Konzerninsolvenzen (Kapitel V, Art. 56–77 EuInsVO) sowie zum Datenschutzrecht (Kapitel VI, Art. 78–83 EuInsVO) ist der Umfang der Verordnung mit fortan 92 Artikeln beträchtlich gewachsen; ebenso haben sich die Erwägungsgründe nahezu verdoppelt. Soweit die alten Vorschriften zumeist unter neuen Artikelnummern in die EuInsVO übernommen wurden,3 ergeben sich wenige inhaltliche Unterschiede.4 Zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens und für einen Überblick zu den wesentlichen Änderungen s. unten Rz. 4 f.
II. Kompetenzgrundlage 2
Wie für das gesamte europäische Zivilverfahrensrecht findet sich auch für die Europäische Insolvenzverordnung die Kompetenzgrundlage in Art. 67 Abs. 4, 81 AEUV (ex Art. 61 lit. c, 65 EG). Nach Art. 81 Abs. 2 lit. f AEUV (ex Art. 65 lit. c EG) soll durch Maßnahmen des Rates die „reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren“ gefördert werden. Zwar dürfen, so die ausdrückliche Einschränkung in Art. 81 Abs. 2 AEUV (ex Art. 65 EG), nur solche Maßnahmen erlassen werden, die für das Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich sind. ErwGr. 2 der EuInsVO 2000 (nun ErwGr. 3 EuInsVO) belässt es insofern bei der bloßen Behauptung, dass diese Voraussetzung für die Insolvenzverordnung erfüllt sei. In der Sache bestehen daran in der Tat keine Zweifel.5 Die grenzüberschreitende Tätigkeit im Binnenmarkt, deren Ausübung die Marktfreiheiten garantieren, bedarf einer prozessualen Absicherung durch erleichterte Bedingungen des grenzüberschreitenden Rechtsschutzes6 nicht nur im Erkenntnis-, sondern auch im Vollstreckungsverfahren. Wer sich beim Versuch, seine Ansprüche in einer grenzüberschreitenden Insolvenz, insbesondere also bei einem im EU-Ausland ansässigen zahlungsunfähigen Schuldner, zu wahren, erheblich größeren Schwierigkeiten gegenübersieht, als sie
1 2 3 4
ABl. EU 2015 L 141/19. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren, ABl. EG 2000 L 160/1. S. hierzu die Entsprechungstabelle im Anhang D der EuInsVO. Daher werden in der folgenden Kommentierung zum Teil weiterhin Literatur und Rechtsprechung zur EuInsVO 2000 zitiert. 5 Die meisten Autoren schließen sich der Behauptung in den Erwägungsgründen umstandslos an oder halten dieses Erfordernis gar nicht erst für erwähnenswert, s. etwa Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Vor. Art. 1 EuInsVO Rz. 1 f.; Müller in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Einl. Rz. 4; Wenner/Schuster in FK-InsO, Vorb. EuInsVO Rz. 12 ff.; Zipperer in Vallender, Die Erwägungsgründe Rz. 1; so bereits zur EuInsVO 2000: Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EuInsVO 2000, Rz. 14; Mélin, Nr. 86; Smid, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 2. 6 Hess, IPRax 2001, 389, 390.
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Einleitung
Einl. EuInsVO
ihm in einem reinen Inlandsfall begegnen, der verzichtet möglicherweise auf eine Ausdehnung seiner Geschäftstätigkeit auf den europäischen Markt.
III. Entstehungsgeschichte bis zur Neufassung der EuInsVO Die Vorarbeiten mit dem Ziel eines einheitlichen europäischen Internationalen Insolvenzrechts begannen lange vor dem Amsterdamer Vertrag, dem die Art. 67 Abs. 4, 81 AEUV (ex Art. 61 und 65 EG) entspringen.7 Entwürfe zu einem völkerrechtlichen Übereinkommen „über den Konkurs, Vergleiche und ähnliche Verfahren“ zwischen den Mitgliedstaaten der EG stammen von 1970,8 19809 und 1984.10 Am 23.11.1995 wurde schließlich das „EU-Übereinkommen über Insolvenzverfahren“ (EuInsÜ)11 von allen damaligen Mitgliedstaaten unterzeichnet, mit Ausnahme des Vereinigten Königsreichs, an dessen Ablehnung das Inkrafttreten des Übereinkommens nach Ablauf der verlängerten12 Zeichnungsfrist endgültig scheiterte.13 In der Sache war der Verweigerungshaltung Großbritanniens ein dauernder Erfolg aber nicht beschieden: Der Text des Übereinkommens wurde auf Initiative Deutschlands und Finnlands nahezu unverändert in die EuInsVO 2000 übernommen, die am 29.5.2000 erlassen wurde und gem. deren Art. 47 am 31.5.2002 in Kraft trat.
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Die Europäische Kommission legte am 12.12.2012 den von Art. 46 EuInsVO 2000 geforderten Bericht über die ersten zehn Jahre der Anwendung der VO vor,14 verbunden mit einer Mitteilung über einen neuen (im Wesentlichen materiell-rechtlichen) europäischen „Ansatz zur Verfahrensweise bei Firmenpleiten und Unternehmensinsolvenzen“15 und einem Vorschlag zur Reform der EuInsVO 200016. Dieses Paket war durch eine externe Evaluation der VO, dem sog. Heidelberg-LuxembourgVienna Report, der selbst erst später in Druck erschien,17 und einer INSOL Europe-Studie18 mit der gleichen Stoßrichtung vorbereitet worden.
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Schließlich wurde am 20.5.2015 die Neufassung der EuInsVO erlassen (EuInsVO 2015).19 Das erklärte Hauptziel der Reform ist die Effizienzsteigerung.20 Berücksichtigt wurde zudem die bisher zur EuInsVO 2000 ergangene Rechtsprechung des EuGH. Die wesentlichen Änderungen, auf die im Rahmen der jeweiligen Kommentierung näher eingegangen wird, lassen sich wie folgt zusammenfassen:21
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7 Guter Überblick zu der Entwicklung des Anwendungsbereichs und der Historie der EuInsVO 2000: Piekenbrock, ZIP 2014, 250; Smid in Leonhardt/Smid/Zeuner, Vor Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 1 f. 8 Dok. 3327/XIV/1/70-D, abgedruckt in Kegel/Thieme, Vorschläge, S. 3. 9 Dok. III/D/72/80-DE, abgedruckt in Kegel/Thieme, Vorschläge, S. 45. 10 Entwurf eines Übereinkommens der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften über den Konkurs, Vergleiche und ähnliche Verfahren, Text der Ad-hoc-Gruppe beim Rat der EG nach zweiter Lesung, abgedruckt in Kegel/Thieme, Vorschläge, S. 417 ff. 11 Abgedruckt in ZIP 1996, 976 = ZEuP 1996, 325 = Stoll, Vorschläge, S. 3. 12 Vgl. Balz, ZIP 1996, 948. 13 Vgl. Leible/Staudinger, KTS 2000, 535; Wenner/Schuster in FK-InsO, Vorb. EuInsVO Rz. 1. 14 COM (2012) 743. 15 COM (2012) 742. 16 COM (2012) 744. 17 Hess/Oberhammer/Pfeiffer, European Insolvency Law, The Heidelberg-Luxembourg-Vienna Report on the Application of Regulation No. 1346/2000/EC on Insolvency Proceedings, External Evaluation JUST/2011/JCIV/ PR/0049/A4 (2014). 18 Van Galen et al., Revision of the European Insolvency Regulation – Proposals by INSOL Europe (2012). Vgl. auch die vom Europäischen Parlament in Auftrag gegebene und in Zusammenarbeit mit INSOL Europe angefertigte Studie der GD Interne Politikbereiche „Harmonisation of Insolvency Law at EU Level“ (2010), die sich mit der Harmonisierung des materiellen Insolvenzrechts in der EU beschäftigt. 19 ABl. EU 2015 L 141/19. 20 Vgl. ErwGr. 1 EuInsVO und COM (2012) 744, S. 4. 21 Ausführliche Übersicht zu den Änderungen Parzinger, NZI 2016, 63; Reinhart in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Vor. Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 38 ff.; Wimmer in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 1 ff.; krit. zur Reform Wenner, ZIP 2017, 1137: „Die schweren Geburtsfehler der EuInsVO blieben unangetastet.“
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Einl. EuInsVO Einleitung – die Erweiterung des Anwendungsbereichs der VO auf vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren; – die Präzisierung des zuständigkeitsbegründenden COMI (Center of Main Interest, s. Art. 3 EuInsVO Rz. 8) und der internationalen Zuständigkeit für Annexverfahren (jetzt Art. 6 EuInsVO); – eine verbesserte Abstimmung zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren (Art. 41–43, 47 EuInsVO); – eine verstärkte europaweite Publizität insolvenzrechtlicher Entscheidungen durch die Einführung eines europaweiten Insolvenzregisters (Art. 24–27 EuInsVO); – sowie – last but not least – erstmalige vorsichtige Regelungen zu Konzerninsolvenzen (Art. 56–77 EuInsVO)22, s. unten Rz. 9.
IV. Regelungszweck und -inhalt im Überblick 1. Zweck der EuInsVO, zentrale Regelungen 6
Ziel der EuInsVO ist es, die Abwicklung von Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitenden Bezügen zu erleichtern. Zu diesem Zweck wird zunächst die internationale Zuständigkeit für die Eröffnung von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren normiert (Art. 3 EuInsVO) sowie nunmehr ausdrücklich für Annexverfahren (Art. 6 EuInsVO). Abgesichert wird dies durch den Grundsatz der ipso-iureAnerkennung der Wirkungen eines in einem Mitgliedstaat eröffneten Insolvenzverfahrens in allen anderen Mitgliedstaaten (Art. 19 f. EuInsVO) sowie durch Vorschriften zur Koordinierung von Sekundärverfahren mit dem Hauptverfahren (Art. 34–52 EuInsVO). Auch die neuen Regelungen zum europaweiten Insolvenzregister (Art. 24–27 EuInsVO) und zur Konzerninsolvenz (Art. 56–77 EuInsVO) zielen auf eine effizientere Abwicklung der Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung ab (zum Konzerninsolvenzrecht näher unten Rz. 9). Art. 7 EuInsVO enthält den kollisionsrechtlichen Grundsatz, dass das am Ort der Insolvenzeröffnung geltende Recht, die lex loci concursus, auch das im Insolvenzverfahren anwendbare Recht stellt, während in Art. 8–18 EuInsVO Ausnahmen und Präzisierungen zu dieser Grundregel zu finden sind, die den starken Unterschieden im Sachenrecht der Mitgliedstaaten Rechnung tragen und den Vertrauensschutz im Rechtsverkehr stärken sollen. Einige materiell-rechtliche Vorschriften, die im grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren zu beachten sind (etwa Art. 21–31 EuInsVO, Art. 53–55 EuInsVO), und datenschutzrechtliche Regelungen, die das neu eingeführte europäische Insolvenzregister betreffen (Art. 78–83 EuInsVO), runden die Verordnung ab.
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Dieser Überblick macht deutlich, wo die Hauptkritik ansetzt:23 Die EuInsVO schafft kein einheitliches europäisches Insolvenzverfahren, sondern begnügt sich im Wesentlichen mit der europäischen Vereinheitlichung der Regeln des Internationalen Insolvenzrechts, d.h. mit der Präzisierung der grenzüberschreitenden Wirkungen und der Koordinierung nationaler Insolvenzverfahren. Schon das stellt allerdings angesichts der jahrzehntelangen fruchtlosen Bemühungen einen Erfolg dar, auch wenn mit dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zu hoffen ist, dass es sich nur um „eine Etappe auf dem Weg zur Ausarbeitung einer umfassenderen und weiter gesteckten Regelung“ handelt.24 Auch die reformierte EuInsVO 2015 beschränkt sich auf das Internationale Insolvenzrecht.25 Unter anderem aus ErwGr. 22 EuInsVO geht hervor, dass es sich hierbei um einen bewusst gewählten Weg handelt: Aufgrund der großen Unterschiede im materiellen Recht der Mitgliedsstaaten sei nach wie vor ein einheitliches Insolvenzverfahren mit universeller Geltung nicht realisierbar. Im Graubereich zum Insolvenzrecht, nämlich für präventive Restrukturierungs- und Entschuldungsverfah-
22 Zu den Regelungen zu Konzerninsolvenzen Eidenmüller/Frobenius, ZIP-Beil. 22/2013, 1, 12 ff.; positiv für den Reformvorschlag: Pannen, ZInsO 2014, 222, 229; zur Reform s. auch Thole, ZEuP 2014, 39, 67 f. 23 Vgl. etwa Mélin, Nr. 87. 24 Stellungnahme Nr. 79/2000, Nr. 4.1, ABl. EG 2000 C 55/1. 25 S. aber Paulus, FS Geimer, 2017, S. 481 zur schrittweisen europäischen Vereinheitlichung des Insolvenzrechts „durch die Hintertür“.
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Einleitung
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ren, hat der europäische Gesetzgeber mittlerweile aber immerhin erste Schritte zur materiellen Rechtsharmonisierung in den Bereichen präventiver Restrukturierungs- und Entschuldungsverfahren unternommen (näher unten Rz. 20). Die erwähnte Möglichkeit von Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners in verschiedenen Staaten zeigt, dass die Verordnung eine vermittelnde Linie sucht zwischen den zwei Polen des Internationalen Insolvenzrechts:26 Einerseits sollen alle Gläubiger gleich behandelt werden, weshalb die konkursliche Beschlagnahme durch einen Mitgliedstaat grundsätzlich das gesamte Vermögen des Schuldners ergreift, unabhängig davon, in welchem Staat es belegen ist (Universalitätsgrundsatz), andererseits bleibt es i.S.d. Territorialitätsgrundsatzes jedem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat, unbenommen, durch ein Partikularinsolvenzverfahren mit Wirkung nur für sein Staatsgebiet dort belegene Vermögenswerte dem Zugriff ausländischer Hoheitsträger zu entziehen.27
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2. Konzerninsolvenzrecht Hervorzuheben ist, dass die Neufassung insoweit Neuland28 betritt, als sie erstmals Regeln zur Insol- 9 venz im Konzern enthält (s. im Einzelnen Fehrenbach in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Vor Art. 56–77 EuInsVO Rz. 25 ff.). Zwar rüttelt sie nicht am Trennungsprinzip, wonach über das Vermögen eines jeden insolventen Mitglieds eines Konzerns ein eigenes Insolvenzverfahren stattzufinden hat. Die Art. 56–77 EuInsVO enthalten aber Instrumente für eine abgestimmte Durchführung der einzelnen Insolvenzverfahren. Diese Instrumente sind insbesondere diesbezügliche Empfehlungen eines Gruppenkoordinators (Art. 72 EuInsVO) im Rahmen eines Gruppenkoordinationsverfahrens (Art. 61 EuInsVO), die generelle Verpflichtung zu einer engen Zusammenarbeit aller Insolvenzverwalter und -gerichte (Art. 56–60 EuInsVO) sowie besondere Befugnisse der einzelnen Insolvenzverwalter in den Verfahren über die anderen Konzerngesellschaften, um konzernweite Sanierungslösungen zu realisieren (Art. 60 EuInsVO). Kritisch anzumerken bleibt, dass es der europäische anders als der deutsche Gesetzgeber (vgl. §§ 3a–3e InsO) nicht geschafft hat, Regelungen zur Konzentration der Zuständigkeit für alle Insolvenzverfahren innerhalb eines Konzerns am COMI eines gruppenzugehörigen Schuldners in die VO aufzunehmen.29 Zur eingeschränkten Möglichkeit der verfahrensrechtlichen Zusammenfassung s. Fehrenbach in Rauscher, EuZPR/EuIPR, Vor Art. 56–77 EuInsVO Rz. 27 ff. Zur Frage, ob kraft nationalen Rechts mehrere Konzernunternehmen als ein Schuldner i.S.d. EuInsVO angesehen werden können, s. Art. 1 EuInsVO Rz. 26. Zur Frage, inwieweit für die Zwecke der internationalen Zuständigkeit der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen einer Tochtergesellschaft am Interessensmittelpunkt der Konzernmutter lokalisiert werden kann, s. Art. 3 EuInsVO Rz. 13.
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V. Inkrafttreten Zum Inkrafttreten der EuInsVO 2015 s. Art. 92 EuInsVO.
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26 Vgl. etwa Mastrullo in Dalloz, Répertoire des sociétés, 10/2018, Rz. 275: „compromis entre la théorie de l’universalité et la théorie de la territorialité“. 27 Näher Smid, Einl. Rz. 1 ff.; zur universalen Wirkung und zum Verhältnis zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren s. auch EuGH v. 21.1.2010 – C-444/07, ECLI:EU:C:2010:24 – MG Probud Gydnia Rz. 22 ff., 43, IPRax 2011, 589 = ZIP 2010, 187, 188 ff. 28 Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Vor. Art. 56 EuInsVO Rz. 1. 29 Krit. auch Madaus, ZRP 2014, 192, 195; vgl. auch für die Zuständigkeitskonzentration Eidenmüller/Frobenius, ZIP-Beil. 22/2013, 1, 6, 13. Dagegen jedoch Hermann in Vallender, Art. 56 EuInsVO Rz. 7; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Vor. Art. 56 EuInsVO Rz. 12; Kindler/Sakka, EuZW 2015, 460, 464; Thole/ Swierczok, ZIP 2013, 550, 556; Reinhart, NZI 2012, 304, 311; Vallender, ZIP 2015, 1513, 1520.
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VI. Auslegung 12
Die EuInsVO ist Teil des Gemeinschaftsrechts und als solche autonom auszulegen.30 Nicht der nationale, sondern der gemeinschaftsrechtliche Bedeutungsgehalt eines Rechtsbegriffs ist Ausgangspunkt der Auslegung, die durch die Definitionen in Art. 2 EuInsVO und in den Anhängen A und B der Verordnung in einigen Punkten erleichtert wird. Da die EuInsVO die Genese der EuInsVO 2000 ist, ist auch weiterhin der Auslegung letzterer Beachtung zu schenken. Daher können für die Auslegung der EuInsVO die Materialien zum EuInsÜ, die inhaltlich nahezu identisch mit der EuInsVO 2000 ist (s. oben Rz. 3), insbesondere der erläuternde Bericht von Virgós/Schmit31 herangezogen werden.
13
Über Zweifelsfragen der Auslegung entscheidet letztverbindlich der EuGH im konkreten Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV. Demnach sind (im konkreten Verfahren) letztinstanzliche mitgliedstaatliche Gerichte vorbehaltlich der acte-clair-Doktrin32 vorlageverpflichtet. Untergerichte können, müssen aber nicht vorlegen.
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Das abstrakte Vorlageverfahren des Art. 68 Abs. 3 EG, welches der Kommission oder einem Mitgliedsstaat die Möglichkeit eröffnete, eine Auslegungsfrage zu einer VO außerhalb eines konkreten Gerichtsverfahrens dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen, ist mit Inkrafttreten des AEUV seit dem 1.12.2009 weggefallen.
VII. Deutsche Ausführungsbestimmungen 15
Die EuInsVO gilt wie jede VO gem. Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar in jedem Mitgliedstaat und bedarf insoweit keines besonderen Umsetzungsaktes. Art. 102c EG-InsO enthält aber einige ergänzende Vorschriften zur praktischen Ausführung der EuInsVO in Deutschland.
VIII. Konkurrenzen 16
Europäisches Recht genießt einen Anwendungsvorrang vor dem die gleiche Sache regelnden nationalen Recht der Mitgliedstaaten.33 Die autonomen deutschen Vorschriften zum Internationalen Insolvenzrecht (§§ 335–358 InsO) werden deshalb von der EuInsVO verdrängt. Dies gilt allerdings nur im Rahmen ihres Anwendungsbereichs, der daher sorgfältig zu bestimmen ist (dazu Art. 1 EuInsVO Rz. 3 ff.). Zur umstrittenen Frage, inwieweit innerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO ein hilfsweiser Rückgriff auf autonomes Recht zulässig ist, wenn der in einzelnen (kollisions- oder sachrechtlichen) Normen der VO vorausgesetzte besondere Bezug zum Recht oder Territorium der EU-Mitgliedstaaten nicht gegeben ist, unten Art. 7 EuInsVO Rz. 7 f.).
17
Zum Verhältnis der EuInsVO zu bilateralen Staatsverträgen auf dem Gebiet des Insolvenzrechts mit deutscher Beteiligung s. unten Art. 85 EuInsVO.
18
Die unter der Ägide des Europarats ausgearbeitete „European Convention on Certain International Aspects of Bankruptcy“,34 die auch das „Istanbuler Übereinkommen“ genannt wird, weil sie am 5.6.1990 in Istanbul zur Zeichnung aufgelegt worden ist, ist bislang nur von Zypern ratifiziert sowie von sieben weiteren Staaten gezeichnet worden und noch nicht in Kraft getreten.35 Sie gilt mittlerweile als totes Recht, ihre Wiederbelebung war bereits nach dem Erlass der EuInsVO 2000 und der 30 Allgemein dazu etwa Langenbucher in Langenbucher (Hrsg.), Europäisches Privat- und Wirtschaftsrecht, § 1 Rz. 5 ff.; im vorliegenden Werk Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Einl. Brüssel Ia-VO Rz. 36; Rauscher in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Einl. Brüssel IIa-VO Rz. 33. 31 Virgós/Schmit, Bericht. 32 Vgl. Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 50. EL. 5/2013, Art. 267 AEUV Rz. 57 f.; Kühling/Drechsler, NJW 2017, 2950. Grundlegend EuGH v. 6.10.1982 – 283/81, ECLI:EU:C: 1982:335 – C.I.L.F.I.T, EuGHE 1982, 3415 Rz. 16, NJW 1983, 1257. 33 St. Rspr. seit EuGH v. 3.6.1964 – 6/64 – Costa vs. E.N.E.L., EuGHE 1964, 125. 34 Text und Zeichnungs- sowie Ratifizierungsstand unter http://conventions.coe.int abrufbar (Vertrag-Nr. 136; zuletzt am 18.8.2021). 35 Einen knappen Überblick über ihren Inhalt gibt etwa Fletcher, Rz. 6.01 ff.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EuInsVO
Präsentation des UNCITRAL-Modellgesetzes über grenzüberschreitende Insolvenzen36 im Jahr 1997 nicht zu erwarten.37 Die Brüssel Ia-VO38 (Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel Ia-VO und ErwGr. 7 EuInsVO) ist auf Insolvenzver- 19 fahren nicht anwendbar; das Gleiche gilt gem. dessen Art. 1 Abs. 2 lit. b39 für das Luganer Übereinkommen (LugÜbk 2007). Konkurrenzsituationen können deshalb nur im Hinblick auf Annexverfahren im Zusammenhang mit der Insolvenz entstehen, welche der neue Art. 6 EuInsVO zu lösen versucht. Zum Verhältnis der EuInsVO zur Brüssel Ia-VO noch Art. 1 EuInsVO Rz. 24.
IX. Die Restrukturierungsrichtlinie Mit der am 16.7.2019 in Kraft getretenen Richtlinie (EU) 2019/1023 (sog. Restrukturierungsricht- 20 linie)40 strebt der europäische Gesetzgeber eine zaghafte materielle Rechtsharmonisierung in den Bereichen präventiver Restrukturierungs- und Entschuldungsverfahren an.41 Zaghaft ist das Harmonisierungsbestreben deshalb, weil die Richtlinie tatsächlich nicht die Unterschiede zwischen dem jeweiligen nationalen Recht der Mitgliedstaaten einzuebnen versucht, sondern lediglich materiellrechtliche Mindeststandards festlegt.42 Berührungspunkte zur EuInsVO, die die Richtlinie nach ihrem ErwGr. 13 ergänzen soll, ergeben sich daraus, dass vorinsolvenzliche Restrukturierungs- und Entschuldungsverfahren nach der Neufassung der EuInsVO in ihren Anwendungsbereich fallen können (s. dazu Art. 1 EuInsVO Rz. 18 ff.). Zum Umsetzungsbedarf der Richtlinie in Deutschland s. Art. 1 EuInsVO Rz. 19.
Kapitel I Allgemeine Bestimmungen (Art. 1–Art. 18)
Artikel 1 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung gilt für öffentliche Gesamtverfahren einschließlich vorläufiger Verfahren, die auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen zur Insolvenz stattfinden und in denen zu Zwecken der Rettung, Schuldenanpassung, Reorganisation oder Liquidation a) dem Schuldner die Verfügungsgewalt über sein Vermögen ganz oder teilweise entzogen und ein Verwalter bestellt wird, b) das Vermögen und die Geschäfte des Schuldners der Kontrolle oder Aufsicht durch ein Gericht unterstellt werden oder 36 Text und „Guide to Enactment“ unter www.uncitral.org abrufbar (zuletzt am 18.8.2021); Text ebenso abgedruckt bei Fletcher, App IV, dort auch Erläuterungen zum Inhalt (Rz. 8.01 ff.); zur exemplarischen Umsetzung des Model Law durch die USA: Utsch, ZInsO 2006, 1305 ff. 37 Ebenso Fletcher, Rz. 6.32. 38 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelsrechtsachen, ABl. EU Nr. L 351/1. 39 OLG München v. 27.7.2006 – 7 U 2287/06, ZInsO 2006, 1330 = IPRax 2007, 214; BG (Schweiz) v. 8.5.2014 – 4A_740/2012, ZIP 2014, 2095 m. Anm. Piekenbrock, 2067. 40 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz), ABl. EU Nr. L 172/18. 41 Überblick bei Freitag, ZIP 2019, 541; krit. Eidenmüller, EBOR 20 (2019), 547, 558; krit. zum ursprünglichen Richtlinienvorschlag v. 22.11.2016 (COM [2016] 723 final) Bork, ZIP 2017, 1441; Kayer, ZIP 2017, 1393. 42 Siehe ErwGr. 12 Restrukturierungs-RL.
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Art. 1 EuInsVO Anwendungsbereich c) die vorübergehende Aussetzung von Einzelvollstreckungsverfahren von einem Gericht oder kraft Gesetzes gewährt wird, um Verhandlungen zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern zu ermöglichen, sofern das Verfahren, in dem die Aussetzung gewährt wird, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Gesamtheit der Gläubiger vorsieht und in dem Fall, dass keine Einigung erzielt wird, einem der in den Buchstaben a oder b genannten Verfahren vorgeschaltet ist. Kann ein in diesem Absatz genanntes Verfahren in Situationen eingeleitet werden, in denen lediglich die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz besteht, ist der Zweck des Verfahrens die Vermeidung der Insolvenz des Schuldners oder der Einstellung seiner Geschäftstätigkeit. Die Verfahren, auf die in diesem Absatz Bezug genommen wird, sind in Anhang A aufgeführt. (2) Diese Verordnung gilt nicht für Verfahren nach Absatz 1 in Bezug auf a) Versicherungsunternehmen, b) Kreditinstitute, c) Wertpapierfirmen und andere Firmen, Einrichtungen und Unternehmen, soweit sie unter die Richtlinie 2001/24/EG fallen, oder d) Organismen für gemeinsame Anlagen. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . 1. Bedeutung der Definition in Abs. 1 Unterabs. 1 und des Anhangs A . . . . . . . . . 2. Die Voraussetzungen gem. Abs. 1 Unterabs. 1 im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentliche Gesamtverfahren . . . . . . . . b) Vorläufige Verfahren . . . . . . . . . . . . . c) Auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen zum Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . d) Zu Zwecken der Rettung, Schuldanpassung, Reorganisation oder Liquidation . . e) Alternative Tatbestände in lit. a–c . . . . . 3. Verhältnis der EuInsVO zur Brüssel Ia-VO . .
3 3 7 7 13 15 18 21 24
III. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . 1. Person des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen für Versicherungen, Banken und Finanzdienstleister . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . 1. Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners in der Europäischen Union . . 2. Ausschluss von reinen Binnensachverhalten . 3. Kein Ausschluss von Sachverhalten mit ausschließlichem Drittstaatenbezug . . . . . . . . 4. Dänemark, Vereinigtes Königreich („Brexit“) .
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Schrifttum: Arts, Zum Anwendungsbereich der EuInsVO – Das Ende der Lehre vom qualifizierten Gemeinschaftsbezug, IPRax 2014, 390; Bewick, The EU Insolvency Regulation, Revisited, International Insolvency Review 24 (2015), 172; v. Bismarck/Schulz, Grenzüberschreitende Restrukturierungen nach Umsetzung der EU-Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen – das Verhältnis der Richtlinie zur EuInsVO, NZI-Beilage 1/2019, S. 82; Bork, Prinzipien des Internationalen Insolvenzrechts, in FS Prütting, 2018, S. 613; Brinkmann, Grenzüberschreitende Sanierung und europäisches Insolvenzrecht, KTS 2014, 381; Brulard, Les procédures nationales entrant dans le champ d’application du Règlement, in Jault-Seseke/Robine, Le nouveau règlement insolvabilité: quelles évolutions?, S. 25; van Calster, COMIng, and Here to Stay: The Review of the European Insolvency Regulation, European Business Law Review 2016, 735; Castelló Pastor/Gómez Fonseca, Scope of Application of the Regulation (EU) 2015/84 on Insolvency Proceedings, in: European and National Perspektives on the Application of the European Insolvency Regulation, 2017, S. 21; Deppenkamp, Ziel erreicht? Außergerichtliche Sanierung bereits ab 1.1.2021!, ZIP 2020, 2432; Dickinson, Background and Introduction to the Regulation, in Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, 2015, Ch. 1; Fritz, Die Neufassung der der Europäischen Insolvenzverordnung: Erleichterung bei der Restrukturierung in grenzüberschreitenden Fällen?, DB 2015, 1882 (Teil 1), 1945 (Teil 2); Freitag, Grundfragen der Richtlinie über präventive Restrukturierungsrahmen und ihre Umsetzung in das deutsche Recht, ZIP 2019, 541; Freitag/Korch, Gedanken zum Brexit – Mögliche Auswirkungen im Internationalen Insolvenzrecht, ZIP 2016, 1849; Garcimartín, The EU Insolvency Regulation Recast: Scope, Jurisdiction and Applicable Law, ZEuP 2015, 694; Korch, Gedanken zum Brexit – Insolvenzanfechtung, dingliche Rechte Dritter und weitere besondere Sachverhalte (Art. 7 ff. EuInsVO n.F.) nach dem Brexit, ZInsO 2016, 1884; Lawton/Wolf, The Thing of the Schemes in the Scheme of the Things: Recognition of Schemes of Arrangements under Chapter 15 of the U.S. Bankruptcy Code, INSOL International Technical Series No. 38/2018; Madaus, Leaving the Shadows of US Bankruptcy Law: A Proposal to Divide the Realms of Insolvency and Restructuring Law, EBOR 19 (2018), 615; Menjucq, Un élargissement du champ d’application essentiellement procédural, Rev. proc. coll. 2015, no 1, dossier 2; Piekenbrock, Das Europäische Insolvenzrecht im Umbruch, KSzW 2015, 191; Prager/Keller, Der Vorschlag der Europäischen Kom-
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EuInsVO
mission zur EuInsVO, NZI 2013, 112; Stürner, Das EU-Insolvenzrecht und sein Einfluss auf die Gestaltung gedeckter Wertpapiere am Beispiel des sog. Zweigstellenpfandbriefs, ZZPInt 15 (2010), 213; Umfreville/Omar/Lücke/ Fannon/Veder/Piñeiro, Recognition of UK Insolvency Proceedings Post-Brexit: The Impact of a ‘No Deal’ Scenario, International Insolvency Review 27 (2018), 422; Vallender, Die Folgen des Brexit für das nationale und internationale Insolvenzrecht, ZInsO 2019, 645.
I. Allgemeines Wie bei der Altfassung ist der Anwendungsbereich der EuInsVO in Art. 1 EuInsVO festgelegt; Abs. 1 1 bestimmt den sachlichen Anwendungsbereich (unten II., Rz. 3 ff.), während Abs. 2 den persönlichen (unten III., Rz. 25 ff.) negativ abgrenzt. Zu klären ist (vor allem im Hinblick auf den Anwendungsvorrang gegenüber autonomen nationalen Normen des Internationalen Insolvenzrechts, vgl. Einl. EuInsVO Rz. 16) aber auch der räumliche Anwendungsbereich (unten IV., Rz. 28 ff.). Zum zeitlichen Anwendungsbereich vgl. Art. 84 EuInsVO. Im Zuge der Neufassung ist der Abs. 1 ergänzt worden, um den Anwendungsbereich der EuInsVO in sachlicher Hinsicht auszudehnen. Erfasst sind nun auch vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren (s. Rz. 18) und hybride Verfahren, bei denen der Schuldner die Kontrolle über sein Vermögen und seine Geschäfte behält (s. Rz. 22 f.).1 Zudem unterfallen auch vorläufige Verfahren nunmehr ausdrücklich dem Anwendungsbereich der EuInsVO (s. unten Rz. 13).
2
II. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Bedeutung der Definition in Abs. 1 Unterabs. 1 und des Anhangs A Art. 1 Abs. 1 EuInsVO enthält eine abstrakte Definition der Verfahren, die von der Verordnung er- 3 fasst werden. Sie hat weiterhin weitgehend dekorative Bedeutung,2 denn Art. 2 Nr. 4 EuInsVO und nun auch der neugefasste Art. 1 EuInsVO selbst in Abs. 1 Unterabs. 3 verweisen auf Anhang A der Verordnung, in welchem die in Betracht kommenden mitgliedstaatlichen Verfahren aufgelistet sind. Diese Auflistung ist bindend und abschließend,3 so dass dort nicht genannte Verfahren nicht etwa unter Hinweis auf Art. 1 Abs. 1 EuInsVO vom Gesetzesanwender in den Anwendungsbereich der Verordnung gezogen werden können.4 Umgekehrt ist es aber auch nicht möglich, ein im Anhang A aufgeführtes Verfahren mit dem Hinweis aus dem Anwendungsbereich der VO auszunehmen, dass die Vorgaben von Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO nicht erfüllt sind.5 Weil das nicht anders sein kann, wenn es um ein später in den Anhang aufgenommenes Verfahren geht, ist die Aussage mit Vorsicht zu genießen, dass der Definition des Art. 1 Abs. 1 EuInsVO immerhin insoweit Bedeutung zukomme, als sie den Maßstab für Änderungen des Anhangs A darstellt.6
1 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 6. 2 Ebenso Wenner, ZIP 2017, 1137, 1139 (Definition überflüssig). 3 So nun ausdrücklich ErwGr. 9 EuInsVO; so bereits allg. M. zur EuInsVO 2000, s. nur Haubold in Gebauer/ Wiedmann, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 20; Reinhart in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 2 m.w.N. 4 EuGH v. 8.11.2012 – C-461/11 – Radziejewski Rz. 24, EuZW 2013, 72; LAG Düsseldorf v. 14.7.2011 – 15 Sa786/10, NZI 2011, 874, 875; befürwortend aus Gründen der Rechtssicherheit Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 92; anders der Vorschlag in Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Bericht, S. 97. 5 Vgl. EuGH v. 22.11.2012 – C-116/11, ECLI:EU:C:2012:739 – Bank Handlowy vs. Christanapol, ZIP 2012, 2403 (zur Einbeziehung des frz. Sauvegarde-Verfahren in die EuInsVO 2000); dazu auch Flessner, KTS 2010, 127, 135 f.; krit. wegen Missbrauchsgefahr Parzinger, NZI 2016, 63, 64; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 44; krit. auch Brulard, in: Jault-Seske/Robine, Le nouveau règlement insolvabilité: quelles évolutions?, 2015, S. 25, 31; Wenner, ZIP 2017, 1137, 1139. 6 So Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 93; Knof in Uhlenbruck, 15. Aufl. 2020, Art. 1 EuInsVO Rz. 31; Reinhart in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 1 EuInsVO Rz. 3; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 48. Vgl. zu der durch Anhang A entstehenden Problematik bei Änderungen des nationalen Rechts Paulus, RabelsZ 70 (2006) 458, 469 f.; Thole, ZEuP 2007, 1137, 1147.
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4
Art. 1 EuInsVO Anwendungsbereich Hinzu kommt, dass Änderungen der Anhänge heute7 das ordentliche Gesetzgebungsverfahren gem. Art. 289, 294 AEUV durchlaufen müssen,8 in dessen Rahmen der europäische Gesetzgeber selbstverständlich nicht nur den Anhang, sondern auch die Kriterien des Art. 1 Abs. 1 EuInsVO modifizieren kann.9 Für diese bleibt daher nur die Charakterisierung als (unverbindliche) rechtspolitische Programmsätze.10 5
Da sich diese Programmsätze an den für die Aufnahme bestimmter Verfahren in den Anhang allein zuständigen europäischen Gesetzgeber und niemanden sonst richten, kann die Kommission nicht mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 ff. AEUV reagieren, sollte ein Mitgliedstaat ein Verfahren nach dessen Aufnahme in Anhang A derart umgestalten, dass es nicht mehr alle Vorgaben in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO einhält.11 Da die nationalen Gerichte die im Anhang A aufgeführten Verfahren inhaltlich ohnehin nicht prüfen dürfen, haben auch sie bei Zweifel über die Vereinbarkeit eines im Anhang A aufgelisteten Verfahrens mit den in Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO genannten Kriterien keine Handlungsmöglichkeiten;12 folglich kommt auch eine Vorlage beim EuGH zur Vorabentscheidung (Art. 267 Abs. 1 lit. b AEUV) nicht in Betracht.13 Gleiches gilt für die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV.
6
Die EuInsVO 2015 hat für Deutschland keine Änderungen im Anhang A mit sich gebracht.14 Warum dort weiterhin neben dem Insolvenzverfahren der InsO auch Konkurs-, Vergleichs- und Gesamtvollstreckungsverfahren aufgeführt sind, obwohl es die letztgenannten Verfahren schon im zeitlichen Anwendungsbereich der EuInsVO 2000 nicht mehr gab und die Nennung schon unter ihrer Geltung überflüssig war, ist unklar. 2. Die Voraussetzungen gem. Abs. 1 Unterabs. 1 im Einzelnen a) Öffentliche Gesamtverfahren
7
Wie bereits in der EuInsVO 2000 findet sich in Abs. 1 Unterabs. 1 der Begriff des Gesamtverfahrens wieder, der nun in Art. 2 Nr. 1 EuInsVO legaldefiniert ist. Aus dieser Definition geht die Unterscheidung zwischen Verfahren mit Beteiligung aller Gläubiger (echte Kollektivverfahren) und solchen mit Beteiligung eines wesentlichen Teils der Gläubiger des Schuldners (partielle Kollektivverfahren) her-
7 Nach der EuInsVO 2000 lag die Kompetenz für Änderungen beim Rat (Art. 45 EuInsVO 2000), von der dieser in der Vergangenheit u.a. beim Beitritt neuer EU-Mitgliedstaaten für die Einbeziehung derer Insolvenzverfahren Gebrauch gemacht hat, s. dazu die Vorauflage Mäsch in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 2. Sah der Reformvorschlag noch eine Übertragung der Änderungsbefugnis auf die Kommission vor (s. Art. 45 ff. ReformE, COM (2012) 744 final, 34 ff.), fehlt eine solche Ermächtigungsgrundlage in der EuInsVO 2015 gänzlich. Zu den Gründen s. Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 58. 8 Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 58; Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 2; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 47; krit. Brinkmann, KTS 2014, 381, 385; Ehret in Braun, Art. 1 EuInsVO Rz. 19; Parzinger, NZI 2016, 63, 64 f.; Piekenbrock, KSzW 2015, 191, 193; Wenner, ZIP 2017, 1137, 1139; befürwortend Fehrenbach, GPR 2016, 282, 287; Kindler/Sakka, EuZW 2015, 460, 461. 9 Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 1 EuInsVO Rz. 14; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 48. Die Anhänge A und B wurden geändert durch die VO (EU) 2018/946 v. 4.7.2018, ABl. Nr. L 171/1. 10 Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 93; Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 1 EuInsVO Rz. 14; Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 2 mit deutlicher Kritik an den Kriterien (Rz. 15: „unbrauchbar“); s. auch Wenner, ZIP 2017, 1137, 1139. 11 Vorsichtig in diese Richtung aber Parzinger, NZI 2016, 63, 64; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 44; vgl. auch Piekenbrock, ZIP 2014, 250, 258. 12 So auch Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 44; dies kritisiert Brulard in Jault-Seske/Robine, Le nouveau règlement insolvabilité: quelles évolutions?, 2015, S. 25, 31. 13 Unklar aber EuGH v. 22.11.2012 – C-116/11, ECLI:EU:C:2012:739 – Bank Handlowy vs. Christanapol Rz. 35, ZIP 2012, 2403, 2404: „Aufgrund dieser Aufnahme [des frz. Sauvegarde-Verfahrens in den Anhang A der EuInsVO 2000], deren sachliche Richtigkeit nicht Gegenstand einer Vorlagefrage ist, ergibt sich […]“ (Hervorhebungen durch den Verf.). 14 Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 103; Übersicht der Änderungen des Anhangs A für andere Mitgliedsstaaten bei J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 40.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EuInsVO
vor.15 Durch diese geforderte Kollektivität werden Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung vom Anwendungsbereich der EuInsVO ausgenommen;16 diese unterliegen den Regelungen der Brüssel IaVO17 (zur Abgrenzung noch unten Rz. 24). Echte Kollektivverfahren waren bereits unter Geltung der EuInsVO 2000 von der Verordnung er- 8 fasst.18 Sie fallen immer in den Anwendungsbereich der EuInsVO19, sofern es sich um öffentliche Verfahren handelt (s. dazu unten Rz. 10). Aus ErwGr. 14 Satz 4 EuInsVO ergibt sich, dass diese Verfahren alle Gläubiger einschließen sollen, wenn sie auf die endgültige Einstellung der Unternehmenstätigkeit oder die Liquidation des Unternehmens gerichtet sind. Damit sind von der Verordnung wie bereits unter der Altfassung sämtliche Insolvenzverfahren nach der InsO in allen Spielarten und besonderen Gestaltungen, also etwa auch das vereinfachte Insolvenzverfahren für Verbraucher, die Erstellung eines Insolvenzplans, das Verfahren der Restschuldbefreiung20, Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung sowie das Nachlassinsolvenzverfahren21 erfasst. Die Anwendbarkeit der EuInsVO auf partielle Kollektivverfahren wird jedoch gem. Art. 2 Nr. 1 EuInsVO auf solche eingegrenzt, bei denen die Forderungen der Gläubiger, die nicht am Verfahren beteiligt sind, unberührt bleiben. Eine weitere Voraussetzung ist, dass das Verfahren die Rettung des Schuldners bezweckt (ErwGr. 14 Satz 3 EuInsVO). Zudem muss ein wesentlicher Teil der Gläubiger beteiligt sein. Gemäß ErwGr. 14 Satz 1 EuInsVO ist das der Fall, wenn auf diese zumindest ein erheblicher Anteil der ausstehenden Verbindlichkeiten des Schuldners entfallen. Auch wenn der Wortlaut das Abstellen auf einen bestimmten Prozentsatz der Verbindlichkeiten nahelegt, erscheint es sinnvoller, diese daran zu messen, inwieweit sie zur angestrebten Rettung des Schuldners beitragen.22 Wann die Erheblichkeitsschwelle genau überschritten ist, unterliegt der Auslegungskompetenz des EuGH.23 Unschädlich ist es, wenn nur eine bestimmte Gruppe von Gläubigern beteiligt ist, wie z.B. finanzielle Gläubiger (so ausdrücklich ErwGr. 14 Satz 2 EuInsVO) bei der französischen sauvegarde financière accélérée.24
9
Im Zuge der Neufassung ist für das Gesamtverfahren die Voraussetzung der Öffentlichkeit hinzugekommen.25 Damit ist gemeint, dass die Eröffnung des Verfahrens öffentlich bekanntzugeben ist (s. ErwGr. 12 EuInsVO), so dass vertraulich geführte Insolvenzverfahren nicht in den Geltungsbereich der EuInsVO fallen (s. ErwGr. 13 Satz 1 EuInsVO). Zu letzteren gehören z.B. die französische procé-
10
15 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 11; zutreffend Paulus, Art. 1 EuInsVO Rz. 13, dass die Bezeichnung „Kollektivverfahren“, wie sie auch in anderen Sprachfassungen zu finden ist, passender wäre. 16 Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 1 EuInsVO Rz. 20. 17 Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 1 Brüssel Ia-VO Rz. 64. 18 Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 16. 19 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 12. 20 Vgl. Mansel, FS Hoffmann, 2011, S. 683, zur Anerkennung einer automatic discharge nach englischem Recht. Siehe auch ErwGr. 14 S. 5 EuInsVO: Ausschluss bestimmter Forderungen für die Schuldenbefreiung (z.B. nach § 302 InsO) steht der Annahme eines Gesamtverfahrens nicht entgegen. 21 AG Düsseldorf v. 19.6.2012 – 503 IN 6/12, ZInsO 2012, 1278 m. Anm. Cranshaw, jurisPR-InsR 19/2012 Anm. 2, dort auch zum Zusammenspiel mit der EuErbVO und der von dieser eröffneten Rechtswahlmöglichkeit; Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 22; ausführlich Mankowski, ZIP 2011, 1501, 1501 f. m.w.N. 22 Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 5; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 18; so tendenziell auch J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 14; i.E. auch Paulus, Art. 1 EuIsVO Rz. 15; Thole, IPRax 2017, 213, 214 (beide quantitativ in Bezug zum Gesamtvolumen der Verbindlichkeiten); Fehrenbach, GPR 2016, 282, 285 (Förderungshöhe). 23 Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 18. 24 Piekenbrock, ZIP 2014, 250, 256; Degenhardt, NZI 2013, 830 ff.; krit. zu deren Aufnahme in Anhang A Eidenmüller, ZIP 2016, 145, 150 Fn. 19, Brulard, in Jault-Seske/Robine, Le nouveau règlement insolvabilité: quelles évolutions?, 2015, S. 25, 30. 25 Zur Genese s. Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 79; krit. zur Unklarheit des Begriffs Paulus, Art. 1 EuInsVO Rz. 19.
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Art. 1 EuInsVO Anwendungsbereich dure de concilation26 oder das österreichische Reorganisationsverfahren.27 Der Grund für die Ausnahme solcher Verfahren vom Anwendungsbereich der EuInsVO ist, dass zum einen Gläubiger nicht die Möglichkeit haben, ihre Forderung anzumelden und ggf. die Zuständigkeit des eröffnenden Gerichts überprüfen zu lassen.28 Zum anderen ist die unionsweite Anerkennung der Wirkungen des Verfahrens nicht gerechtfertigt, wenn Gläubiger und Gerichte in einem anderen Mitgliedsstaat keine Kenntnis von deren Eröffnung erlangen.29 11
Die genannten Gründe entfallen zwar, sobald ein zuvor vertraulich geführtes Verfahren öffentlich wird. Daraus folgt jedoch gegen eine verbreitete Auffassung30 nicht, dass dieses dann ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung den Regelungen der EuInsVO unterliegen kann.31 Denn dafür kommt es allein darauf an, ob das in Frage stehende Verfahren im Anhang A aufgeführt ist (s. oben Rz. 3). Wenn eine abstrakte Prüfung nach den in Abs. 1 Unterabs. 1 genannten Kriterien durch das nationale Gericht ausscheidet, muss dies erst recht für die Prüfung im Einzelfall gelten.32 Zumal die Anwendbarkeit der EuInsVO dann von einer Veröffentlichung des Verfahrens abhinge, was mehr als „fragwürdig“33 ist. Dem Einwand, damit würden Verfahren, die grds. auch vertraulich geführt werden könnten, „ihrer Vertraulichkeit beraubt“34, ist entgegen zu halten, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, die Auflistung in Anhang A zu präzisieren und auf öffentliche Verfahren einzuschränken – wie es bereits für spanische Verfahren der Fall ist („Procedimiento de negociación pública“).35
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Unverständlich ist daher, wenn im Rahmen der Anwendbarkeit der EuInsVO auf das deutsche Schutzschirmverfahren nach § 270b InsO auf den im deutschen Schrifttum geführte Streit verwiesen wird, ob hierfür eine Veröffentlichungspflicht der Gerichte36 besteht oder dies in ihrem Ermessen37 liegt.38 Unabhängig von der Position dazu39 ist das Schutzschirmverfahren als eine Form des Eröffnungsverfahrens vom in Anhang A für Deutschland aufgeführten „Insolvenzverfahren“ erfasst und unterfällt
26 Brulard, in: Jault-Seske/Robine, Le nouveau règlement insolvabilité: quelles évolutions?, 2015, S. 25, 33; Cohen/Dammann/Sax, IILR 2015, 117, 119; allg. dazu Dammann, NZI 2009, 502. 27 Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 78; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 21. 28 ErwGr. 12 EuInsVO. 29 ErwGr. 13 S. 2 EuInsVO; krit. zur Sachgerechtigkeit bei partiellen Kollektiverfahren Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 7; krit. auch hinsichtl. Sanierungsverfahren Brinkmann, KTS 2014, 381, 385 f.; Thole, ZEuP 2014, 39, 48. 30 Siehe Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 97; Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 1 EuInsVO Rz. 19; Ehret in Braun, Art. 1 EuInsVO Rz. 9; Garcimartín, ZEuP 2015, 694, 699; Knof in Uhlenbruck, 15. Aufl. 2020, Art. 1 EuInsVO Rz. 19; Reinhart in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 1 EuInsVO Rz. 5; J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 18. 31 I.E. auch Wimmer/Schuster in FK-InsO, Art. 1 EuInsVO Rz. 8. 32 Vgl. Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 95, der sich i.E. dennoch für eine Differenzierung ausspricht, Rz. 97. 33 So Thole, ZEuP 2014, 39, 48. 34 Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 97. 35 Dies anerkennend Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 99. 36 Dafür etwa Brinkmann, KTS 2014, 381, 386; Frind, ZIP 2012, 1591, 1595; a.A. Hirte, ZInsO 2011, 401, 404; Keller, ZIP 2012, 1895, 1897 ff. 37 AG Göttingen v. 12.11.2012 – 74 IN 160/12, NZI 2012, 1008, 1009 m.w.N.; Graf-Schlicker, ZInsO 2013, 1765, 1766; tendenziell auch Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 24, der sich jedoch de lege ferenda für eine gesetzlich geregelte Veröffentlichungspflicht ausspricht (Rz. 25). 38 Vgl. J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 19 m.w.N.; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 24; Wimmer/Schuster in FK-InsO, Art. 1 EuInsVO Rz. 8. 39 A.A. (nur bei öffentlicher Bekanntmachung): Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 105; Bornemann in Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 1 EuInsVO Rz. 15; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 24; anders noch (nur bei gesetzlich vorgesehener Veröffentlichungspflicht): Brinkmann, KTS 2014, 381, 386; Paulus, Art. 1 EuInsVO Rz. 19; Reinhart in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 1 EuInsVO Rz. 5; J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 19.
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Art. 1 EuInsVO
damit uneingeschränkt der EuInsVO (s. auch unten Rz. 14).40 Inwiefern dessen Veröffentlichung durch deutsche Gerichte zu gewährleisten ist, ist eine davon getrennt zu betrachtende Frage.41 b) Vorläufige Verfahren In seiner Neufassung stellt Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO klar, dass auch vorläufige Verfahren von der EuInsVO erfasst sind, sofern sie die Voraussetzungen eines Gesamtverfahrens erfüllen.42 Aus ErwGr. 15 Satz 1 EuInsVO ergibt sich, dass damit solche Verfahren gemeint sind, die vorläufig oder einstweilig durchgeführt werden, bevor eine endgültige Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffen wird. Zumindest in dem Kontext der Anerkennung stand seit der Entscheidung des EuGH in Sachen Eurofood43 fest, dass solche Verfahren nicht per se von dem Anwendungsbereich der EuInsVO 2000 ausgenommen waren. Die dort vorgenommene Einschränkung des EuGH dahingehend, dass das vorläufige Verfahren auf einen Vermögensbeschlag des Schuldners und eine Verwalterbestellung hinauslaufen muss,44 hat der Gesetzgeber für die EuInsVO 2015 nicht übernommen. Vielmehr hat er für die Annahme eines Gesamtverfahrens die Anforderungen an den Kontrollentzug des Schuldners gelockert (s. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. a EuInsVO, dazu unten Rz. 21 ff.).
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Für deutsche Verfahren ergeben sich bis auf die Ausräumung teilweise bestandener Zweifel letztlich keine Unterschiede. Eindeutig von der EuInsVO erfasst ist nun das Eröffnungsverfahren nach §§ 21 ff. InsO vom Zeitpunkt der Antragstellung an.45 Gleiches gilt für den gerichtlich bestätigten Schuldenbereinigungsplan (§ 308 Abs. 1 InsO), weil er im Verfahren zur Eröffnung eines vereinfachten Insolvenzverfahrens geprüft wird.46 Auch das Eigenverwaltungsverfahren (§ 270a InsO) fällt in den Anwendungsbereich der EuInsVO.47 Der dafür zu bestellende vorläufige Sachverwalter (s. Art. § 270a Abs. 1 Satz 2 InsO) ist nun ausdrücklich in der Liste der Verwalter i.S.d. Verordnung im Anhang B (dazu Art. 2 EuInsVO Rz. 6) für Deutschland genannt. Auch für das Schutzschirmverfahren (§ 270b InsO) ist die Bestellung eines vorläufigen Sachverwalters vorgesehen. Dieses unterliegt damit ebenfalls den Regelungen der EuInsVO,48 unabhängig von einer öffentlichen Bekanntgabe (str., s. oben Rz. 10).
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c) Auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen zum Insolvenzrecht Nach Art. 1 EuInsVO 2000 musste das Gesamtverfahren „die Insolvenz des Schuldners voraussetzen“. 15 Ersetzt worden ist dies in der Neufassung dadurch, dass das Gesamtverfahren „auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen zum Insolvenzrecht stattfinden“ muss – eine Formulierung, die auch im UNCITRAL-Modellgesetz über grenzüberschreitende Insolvenzen von 1977 benutzt wird.49 Der Begriff der Insolvenz ist weiterhin nicht definiert, was angesichts der Unterschiede zwischen den Insolvenz-
40 Wie hier Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 8; wohl auch Fritz, DB 2015, 1882, 1883; Thole, IPRax 2017, 213, 214 („ohne weiteres erfasst“); Knof in Uhlenbruck, 15. Aufl. 2020, Art. 1 EuInsVO Rz. 18; Paulus, Art. 1 EuInsVO Rz. 20 („unbestreitbar“). 41 Angesichts der sich aus den Art. 24 ff. EuInsVO ergebenden Pflicht zur Publizität erscheint die Aufnahme einer Veröffentlichungspflicht in die InsO konsequent, vgl. Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 25. 42 Vgl. ErwGr. 15 S. 2 EuInsVO. 43 EuGH v. 2.5.2006 – C-341/04, ECLI:EU:C:2006:281 – Eurofood, NZI 2006, 360. 44 EuGH v. 2.5.2006 – C-341/04, ECLI:EU:C:2006:281 – Eurofood Rz. 54, NZI 2006, 360. 45 Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 51; Fritz, DB 2015, 1882, 1883. So bereits für die EuInsVO 2000: Mäsch in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 4; Smid, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 17; Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 23; Duursma-Kepplinger in Duursma-Kepplinger/ Duursma/Chalupsky, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 22, 31. 46 Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 24. 47 Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 1 EuInsVO Rz. 6; Thole, IPRax 2017, 213, 214; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 51. 48 So bereits zur EuInsVO 2000 Mäsch in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 4 m.w.N. 49 Vgl. Art. 2 lit. a des UNCITRAL Model Law on Cross-Border Insolvency with Guide to Enactment and Interpretation, abrufbar unter https://uncitral.un.org/sites/uncitral.un.org/files/media-documents/uncitral/en/1997model-law-insol-2013-guide-enactment-e.pdf (zuletzt am 18.8.2021).
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Art. 1 EuInsVO Anwendungsbereich rechten der Mitgliedstaaten auch wenig zielführend wäre.50 Es ist ein funktionales Verständnis51 zugrunde zu legen, welches zum einen voraussetzt, dass der Schuldner sich in einer schwerwiegenden finanziellen Krise befindet,52 die zum anderen eine kollektive Bewältigung erfordert.53 16
Mit der veränderten Formulierung wollte der Gesetzgeber die Einbeziehung vorinsolvenzlicher Sanierungsverfahren (dazu noch unten Rz. 18) ermöglichen,54 was zusätzlich in Art. 1 Unterabs. 2 Satz 1 EuInsVO durch die Bezugnahme auf Verfahren, „in denen lediglich die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz besteht“,55 verdeutlicht wird. Gleichzeitig findet sich dort die Einschränkung, dass solche Verfahren die Vermeidung der Insolvenz des Schuldners oder die Einstellung seiner Geschäftstätigkeit bezwecken müssen.56
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Wie aus ErwGr. 16 S. 2 EuInsVO hervorgeht, hatte der Gesetzgeber hierbei des Weiteren die Abgrenzung zum Gesellschaftsrecht vor Augen (ausf. zur z.Zt. schwierigen Abgrenzung im Hinblick auf das anwendbare Recht bei Art. 7 EuInsVO Rz. 18 ff.). Damit sollen gesellschaftsrechtliche Sanierungsverfahren, die unabhängig von einer Insolvenz der Gesellschaft durchgeführt werden können, nicht von der EuInsVO erfasst sein.57 Umstritten ist, ob hiermit das englische scheme of arrangement endgültig von der EuInsVO ausgenommen werden sollte.58 Jedenfalls ist das Verfahren weiterhin nicht im Anhang A aufgeführt,59 so dass die Regelungen der EuInsVO 2015 hierauf nicht anwendbar sind.60 Zur Anwendbarkeit der EuInsVO bei grenzüberschreitenden Sachverhalten mit Bezug zum Vereinigten Königreich nach dem „Brexit“, s. unten Rz. 36. d) Zu Zwecken der Rettung, Schuldanpassung, Reorganisation oder Liquidation
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Neu hinzugekommen ist die Umschreibung zulässiger Zwecke der Gesamtverfahren. Ihre Bandbreite spiegelt den Wandel zur „europäischen Rettungskultur“61 wider und betont die damit einhergehende, vom Gesetzgeber gewollte Ausweitung des Anwendungsbereichs der EuInsVO auf vorinsolvenzliche Verfahren, d.h. solchen, die den Eintritt der Insolvenz des Schuldners verhindern sollen und nicht die Abwicklung nach einer solchen betreffen. Es geht um Verfahren, durch die Unternehmen, die grundsätzlich wirtschaftlich bestandsfähig sind, aber sich momentan in einer finanziellen Schieflage befinden, gerettet werden, um ihnen eine „zweite Chance“ zu bieten.62 Bei Verfahren zur Schuldanpassung sind auch solche in Bezug auf Verbraucher und Selbstständige erfasst (ErwGr. 10 Satz 3 EuInsVO), wobei diese wiederum ausgeschlossen sind, wenn die Schulden einer natürlichen Person ohne Zahlung an den Gläubiger erlassen werden sollen (s. ErwGr. 16 Satz 3 EuInsVO).63 Bei der Re-
50 Dazu Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 30. 51 Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 1 EuInsVO Rz. 16; in diese Richtung auch Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 9; anders J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 20 (Verständnis der lex fori concursus). 52 S. für ein solches Verständnis im UNICITRAL-Modellgesetz über grenzüberschreitende Insolvenzen in dessen Erläuterungen Rz. 48: „various types of collective proceedings commenced with respect to debtors that are in severe financial distress or insolvent“, s. Fn. 49. 53 Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 1 EuInsVO Rz. 16. 54 Garcimartín, ZEuP 2015, 695, 700. 55 Krit. zur Wortwahl Fehrenbach, GPR 2016, 282, 285: Es geht um Wahrscheinlichkeit der „Zahlungsunfähigkeit“. 56 Vgl. ErwGr. 17 EuInsVO zur Erforderlichkeit einer Solvenzprognose. 57 Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 9. 58 So etwa J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 21; Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 9; Fehrenbach, GPR 2016, 282, 286; Garcimartín, ZEuP 2015, 694, 700 f.; Brinkmann, KTS 2014, 381, 386 f.; a.A. Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 1 EuInsVO Rz. 18; Parzinger, NZI 2016, 63, 65. Zur Anerkennung des SoA nach dem Brexit Sax/Swierczok, ZIP 2017, 601. 59 Zu den Gründen s. J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 21. 60 Vgl. zur fehlenden Anwendbarkeit der EuInsVO 2000 beim sowohl „solvent“ als auch „insolvent“ scheme of arrangement Mäsch, IPRax 2013, 234; ferner Thole, ZGR 2013, 109; mit tlw. abweichender Ansicht Paulus, NZI 2012, 425; Mankowski, WM 2011, 1201; Eidenmüller/Frobenius, WM 2011, 1210, 1217. 61 S. Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 8 f. 62 Vgl. ErwGr. 10 S. 1 EuInsVO. 63 Krit. hierzu Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 10.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EuInsVO
organisation werden Maßnahmen getroffen, die u.a. die Struktur des Unternehmens, deren Verbindlichkeiten verändern, um die Unternehmensfortführung aufrechtzuerhalten.64 Inzwischen hat der europäische Gesetzgeber noch einen weiteren legislativen Schritt zur Förderung 19 der Sanierungskultur unternommen und die Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz65 zur Mindestharmonisierung der mitgliedstaatlichen Restrukturierungs- und Entschuldigungsverfahren erlassen (s. dazu auch Einl. EuInsVO Rz. 20). Die Mitgliedstaaten müssen die Vorgaben bis zum 17.7.2021 umsetzen (vgl. Art. 34 Abs. 1 der RL).66 In Deutschland ist man recht zügig tätig geworden: Nach dem Referentenentwurf 67 vom 19.9.2020 folgte am 14.10.2020 der Entwurf der Bundesregierung68. Es ist am 1.1.2021 in Kraft getreten (s. Art. 25 Abs. 1 SansInsFOG) und regelt mit dem neu geschaffenen Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG)69 erstmals ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren in Deutschland.70 Führen die Mitgliedstaaten im Zuge der Umsetzung ein neues Verfahren ein, das alle Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 EuInsVO erfüllt71 (was jedoch nicht zwingend ist, s. ErwGr. 13 der RL), ist noch die Aufnahme in den Anhang A notwendig, damit die Vorschriften der EuInsVO Anwendung finden können.72 Umstritten ist, ob ein im Anwendungsbereich der Richtlinie liegendes Restrukturierungsoder Entschuldigungsverfahren, das nicht der EuInsVO unterfällt, automatisch von der Brüssel Ia-VO erfasst sein soll, um Rechtslücken zu vermeiden (dazu noch unten Rz. 24).73
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e) Alternative Tatbestände in lit. a–c War unter Geltung der EuInsVO 2000 der vollständige oder teilweise Vermögensbeschlag des Schuldners sowie die Bestellung eines Verwalters zwingende Voraussetzung, ist dies nun eine von drei zulässigen Möglichkeiten gemäß den lit. a–c in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO. Diese klassische Fremdverwaltung findet sich in lit. a wieder.
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Es liegt aber auch dann ein Gesamtverfahren vor, wenn das Vermögen und die Geschäfte des Schuldners der Kontrolle oder Aufsicht durch ein Gericht (s. Definition in Art. 2 Nr. 6 EuInsVO) unterstellt werden (lit. b). Es reicht aus, wenn das Gericht nur aufgrund des Rechtsbehelfs eines Gläubigers oder anderer Verfahrensbeteiligten tätig wird (ex-post-Kontrolle).74
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Ein Gesamtverfahren kann auch dann vorliegen, wenn dem Schuldner von einem Gericht oder kraft Gesetzes in einer finanziell schwierigen Situation eine vorübergehende Aussetzung der Einzelzwangsvollstreckung gewährt wird, um Sanierungsverhandlungen zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern zu erleichtern (lit. c).75 Zur Wahrung der Interessen der betroffenen Gläubiger muss das Verfahren jedoch geeignete Schutzmaßnahmen für diese und, wenn eine Einigung scheitern sollte, im Anschluss ein Verfahren gem. lit. a oder b vorsehen. Während diesbezüglich Konkretisierungen in der EuInsVO fehlen, können solche Art. 6 und 7 der RL (EU) 2019/1023 (s. oben Rz. 19) entnommen werden.
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64 Vgl. Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 37. 65 Richtlinie (EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132, ABl. EU Nr. L 172/18. 66 Ausführlich zur Umsetzung ins deutsche Recht Dahl/Linnenbrink, NZI-Beilage 1/2019, 45; Deppenkemper, ZIP 2020, 595; Freitag, ZIP 2019, 541; Hölze, ZIP 2020, 285; Madaus, DB 2019, 592; Skauradszun, KTS 2019, 161. 67 Dazu Frind, NZI 2020, 865; Thole, ZIP 2020, 1985; Ziegenhagen, ZInsO 2020, 2090. 68 RegE des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs-und Insolvenzrechts (SanInsFOG), BT-Drucks. 19/24181; dazu Deppenkemper, ZIP 2020, 2432; Desch, BB 2020, 2498; Müller, ZIP 2020, 2253. 69 Verkündet als Art. 1 SansInsFOG v. 22.12.2020, BGBl. 2020 I S. 3256. 70 Deppenkamp, ZIP 2020, 2432; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 53 f. 71 Diff. dazu Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 25 ff. 72 Freitag, ZIP 2019, 541, 548 f.; v. Bismarck/Schulz, NZI-Beilage 1/2019, 82, 83. 73 Dafür Skauradszun, ZIP 2019, 1501; dagegen Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 1 EuInsVO Rz. 30 ff. 74 S. ErwGr. 10 S. 5 EuInsVO; dazu Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 84. 75 S. ErwGr. 11 S. 1 EuInsVO.
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Art. 1 EuInsVO Anwendungsbereich 23a
Für den vorinsolvenzlichen Versuch einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung (§§ 305 Abs. 1 Nr. 1, 305a InsO) treffen weder lit. a), b) noch c) zu, weshalb er konsequenterweise nicht in den Anhang aufgenommen wurde und kein Anwendungsfall der EuInsVO ist. Ob entsprechende Instrumente anderer Mitgliedstaaten76, die sich Gegensatz dazu im Anhang A wiederfinden, wie z.B. das schwedische Entschuldigungsverfahren skuldsanering77 oder die belgische réorganisation judiciaire par accord amiable78, eine dieser Bedingungen erfüllt, ist unerheblich, weil der Anhang bindend ist (s.o. Rz. 3). 3. Verhältnis der EuInsVO zur Brüssel Ia-VO
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Gemäß Art. 1 Abs. 2 lit. b Brüssel Ia-VO unterfallen „Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren“ nicht dem Anwendungsbereich der Brüssel Ia-VO. Für sie gelten die Regelungen der EuInsVO (s. ErwGr. 7 Satz 2 EuInsVO). Rechtslücken zwischen den beiden Verordnungen sollen so weit wie möglich vermieden werden (s. ErwGr. 7 Satz 3 EuInsVO).79 Unzweifelhaft fallen die im Anhang A genannten Verfahren unter die EuInsVO. Jedoch bedeutet dies nicht, dass alle anderen Verfahren in Zivilund Handelssachen zwangsläufig der Brüssel Ia-VO unterfallen (s. ErwGr. 7 Satz 3 EuInsVO).80 Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen insbesondere bei sog. Annexentscheidungen, d.h. Verfahren, die vom jeweiligen nationalen Recht zwar nicht als Teil des Insolvenzverfahrens begriffen werden, aber in einem engen sachlichen Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren stehen. Abhilfe soll die im Zuge der Neufassung geschaffene Zuständigkeitsregelung in Art. 6 EuInsVO schaffen. Andere Verfahren darüber hinaus unterliegen der Brüssel Ia-VO, wenn deren Voraussetzungen erfüllt sind, andernfalls kommt das autonome nationale Recht zur Anwendung.81
III. Persönlicher Anwendungsbereich 1. Person des Schuldners 25
Zur Person des Schuldners trifft die EuInsVO keine eigene Aussage. Sie überlässt die Entscheidung darüber, bei welcher „Art von Schuldnern“ (natürliche und juristische Personen, Kaufleute und Nichtkaufleute, Unternehmer und Verbraucher, vgl. ErwGr. 9 EuInsVO) ein Insolvenzverfahren zulässig ist, gem. Art. 7 Abs. 2 lit. a EuInsVO der lex fori concursus, dem am Ort der Insolvenzeröffnung geltenden Recht.82
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Mit der Neufassung finden sich in der EuInsVO erstmals Regelungen zur Insolvenz im Konzern (dazu oben Einl. EuInsVO Rz. 9). Da es dabei aber nur um die Koordinierung der Insolvenzverfahren über das jeweilige Vermögen der einzelnen Konzerngesellschaften geht, ist und bleibt es wie bereits unter Geltung der EuInsVO 2000 höchst fraglich, ob dem nationalen Gesetzgeber die Entscheidung frei steht, in verschiedenen Ländern domizilierte Konzernunternehmen als einen Schuldner anzusehen, um damit ein einziges konsolidiertes Hauptverfahren über diese Unternehmen verschiedener „Nationalität“ am inländischen Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Konzerns zu ermöglichen.83 Eine solche Lösung würde die Insolvenzrichter und -verwalter der EU-Mitgliedstaaten, deren 76 Allg. dazu Hess in Hess/Oberhammer/Pfeiffer, Bericht, S. 47 ff.; Thole, ZEuP 2014, 45. 77 Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 42; s. dazu EuGH v. 8.11.2012 – C-461/11 – Ulf Kazimierz Radziejewski vs. Kronofogdemyndigheten i Stockholm, EuZW 2013, 72. 78 Vgl. Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 119; krit. zur Einbeziehung in die EuInsVO Brulard in Jault-Seske/Robine, Le nouveau règlement insolvabilité: quelles évolutions?, 2015, S. 25, 34; s. auch noch zur Geltung der EuInsVO 2000 rechtsvergleichend zu insolvenzrechtlichen Vergleichsverfahren in Frankreich, Belgien, Irland und England Kuntz, Bulletin Joly Sociétés 2009, 308. 79 S. auch EuGH v. 11.6.2015 – C-649/13, ECLI:EU:C:2015:384 – Nortel vs. Cosme Rogeau Rz. 25 m.w.N., NZI 2015, 663. 80 Vgl. Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 101. 81 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 42; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 6. 82 Vgl. zum Problem der Behandlung einer nach ausländischem Recht aufgelösten Gesellschaft mit COMI in Deutschland LG Duisburg v. 20.2.2007 – 7 T 269/06, NZI 2007, 475. 83 So Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 561 f. mit Fn. 97.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EuInsVO
autonomes Insolvenzrecht den Konzern nicht kennt, vor schwere Probleme stellen. Viel spricht deshalb dafür, den Ansatz des europäischen Gesetzgebers dahingehend zu verstehen, dass die einzelnen rechtlichen Einheiten eines internationalen Konzerns für die Durchführung grenzüberschreitender Insolvenzverfahren getrennt zu betrachten sind und insoweit ein etwaiger abweichender Ansatz des autonomen nationalen Rechts zurücktreten muss.84 2. Ausnahmen für Versicherungen, Banken und Finanzdienstleister Abgesehen von redaktionellen Änderungen ist der Abs. 2 unverändert in die EuInsVO übernommen 27 worden. Er bestimmt, dass die EuInsVO auf Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungen85, Banken,86 Wertpapierdienstleistern und Fonds nicht anzuwenden ist. Diese Unternehmen unterstehen der staatlichen Aufsicht durch nationale Behörden des Herkunftsstaates; zudem gibt es hier in gewissem Umfang bereits bestehende oder geplante sektorspezifische europäische Regelungen.87 In Letzteren finden sich auch die genauen Inhaltsbestimmungen der hier verwandten Begriffe Versicherungsunternehmen,88 Kreditinstitute89 und Wertpapierfirma90. Für „Organismen für gemeinsame Anlagen“ (Fonds) findet sich eine Legaldefinition in Art. 2 Nr. 2 EuInsVO, die jedoch lediglich auf das Begriffsverständnis in anderen Richtlinien weiterverweist (s. Art. 2 EuInsVO Rz. 4).
IV. Räumlicher Anwendungsbereich 1. Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners in der Europäischen Union Wie in ihrer Altfassung enthält die EuInsVO keine ausdrückliche Bestimmung ihres räumlichen An- 28 wendungsbereichs. Jedoch findet sich in ErwGr. 25 EuInsVO weiterhin die Erwartung des Gesetzgebers, dass die EuInsVO (nur) dann zur Anwendung gelangt, wenn sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen (COMI) des Schuldners i.S.d. Art. 3 EuInsVO (irgendwo) in der Europäischen Union (zu Dänemark s. unten Rz. 35) befindet. Diese Technik, den maßgeblichen Umstand für die internationale Zuständigkeit der Mitgliedstaatenbehörden und -gerichte aus der Verordnung zugleich zur Festlegung ihres räumlichen Anwendungsbereichs zu verwenden, ist aus der Brüssel Ia-VO (Art. 4 Abs. 1, 6 Abs. 1 Brüssel Ia-VO) und der Brüssel IIa-VO (Art. 7 Abs. 1 Brüssel IIa-VO) wohl bekannt; es spricht nichts dagegen, auf sie auch hier zurückzugreifen.91 Zur Bestimmung des COMI s. Art. 3 EuInsVO Rz. 7 ff. 2. Ausschluss von reinen Binnensachverhalten Die EuInsVO soll allerdings nach ihren ErwGr. 3 und 4 EuInsVO zur Koordinierung der Maßnahmen in einem Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitenden Auswirkungen beitragen. Sie ist deshalb nicht anwendbar in einem reinen Binnensachverhalt, der auf das Gebiet eines Mitgliedstaates begrenzt ist.92 Allerdings ist das keine große Hürde: Jeder Berührungspunkt zum Ausland, der irgend84 So auch Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 26; tendenziell anders Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 57, wenn er diese Frage dem nationalen Recht überlassen will. 85 Vgl. Wimmer, ZInsO 2002, 897. 86 OLG Frankfurt v. 17.12.2012 – 1 U 17/11, IPRax 2014, 276 = ZIP 2013, 277; vgl. Stürner, ZZPInt 2010, 213. Zu den Folgen der Ausnahme für Insolvenzanfechtungsklagen gegen Kreditinstitute Stürner, FS Kaissis, 2012, S. 975, 979. 87 S. ErwGr. 19 EuInsVO. Kritisch zu dieser Begründung für die Ausnahme von Finanzdienstleistern aus dem Anwendungsbereich (noch zur EuInsVO 2000) Braun/Heinrich, NZI 2005, 578, 582 f. 88 Art. 13 Nr. 1 RL 2009/138/EG (Solvabilität II-RL); ersetzt die Richtlinie 2001/17/EG über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen, s. dort Art. 2 lit. a. 89 Art. 4 VO (EU) 575/2013 (Kapitaladäquanzverordnung). 90 Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 RL 2014/65/EU (Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente); ersetzt die RL 2004/39/EG (Finanzmarkt-RL). 91 Ebenso etwa Herchen, S. 34; Hergenröder, ZVI 2005, 233, 235. 92 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 56; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 69; Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 39. Ebenso zur EuInsVO 2000:
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Art. 1 EuInsVO Anwendungsbereich eine, auch nur untergeordnete Auswirkung auf das Insolvenzverfahren haben kann, reicht aus, um den Sachverhalt zu einem internationalen zu machen.93 Es ist hinreichend, aber nicht erforderlich, dass im Ausland belegenes Vermögen des Schuldners eine Rolle spielt94 oder im Ausland domizilierte Gläubiger vorhanden sind.95 Dass der EuGH in seiner Entscheidung in der Rechtssache Schmid meint, die Anwendung der EuInsVO hänge „generell nicht vom Vorliegen eines grenzüberschreitenden Bezugs zu einem anderen Mitgliedstaat“96 ab, ist jedoch nicht als gänzlicher Verzicht auf das Erfordernis einen grenzüberschreitenden Bezugs zu verstehen.97 Vielmehr lag seine Intention darin zu betonen, dass die Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht dadurch verzögert werden darf, dass aufgrund des frühen Stadiums des Verfahrens ein grenzüberschreitender Bezug nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann.98 In Zweifelsfällen sollen also die Zuständigkeitsregelungen der EuInsVO Anwendung finden.99 Im Fall, dass das Fehlen des grenzüberschreitenden Bezug feststeht, ist daher der Anwendungsbereich der EuInsVO weiterhin nicht eröffnet. 3. Kein Ausschluss von Sachverhalten mit ausschließlichem Drittstaatenbezug 30
Auch die Neufassung enthält keine ausdrückliche Antwort auf die bereits unter Geltung der EuInsVO 2000 umstrittenen Frage, ob die Anwendung der EuInsVO ausgeschlossen ist, wenn der notwendige Auslandsbezug (s. oben Rz. 29) nur zu Drittstaaten besteht;100 oder umgekehrt: ob die Anwendung der EuInsVO einen Bezug zu mindestens zwei Mitgliedstaaten voraussetzt (sog. qualifizierter Binnenmarkbezug).101 Dagegen lässt sich weiterhin die unverändert bestehende und oben in Rz. 28 betonte Parallele zur Bestimmung des räumlichen Anwendungsbereichs der Brüssel Ia- und Brüssel IIa-VOen anführen.102 Zur Brüssel Ia-VO ist (mittlerweile) herrschende Auffassung, dass ein Mitgliedstaatenbezug nicht erforderlich ist;103 die in der dortigen Diskussion genannten Gründe104 gelten – mutatis mutandis – auch hier.105
31
Der EuGH hat deshalb noch zur EuInsVO 2000 wiederholt entschieden, dass für die Anwendbarkeit der VO ein qualifizierter Auslandsbezug nicht erforderlich ist.106 Eine solche Beschränkung ergebe sich weder aus dem Wortlaut (dieser erfordert lediglich, dass der COMI des Schuldners in der EU
93 94 95 96 97 98 99 100
101 102 103 104 105 106
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Hergenröder, ZVI 2005, 233, 234; Huber, ZZP 2001, 133, 136; Mock/Schildt, ZInsO 2003, 396, 398. A.A. Gruber/Schulz in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Anh. I Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 46. Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 39; AG Hamburg, NZI 2006, 652. So aber Paulus, NZI 2001, 505, 508 f. Eine Aufzählung weiterer Umstände, die einen Auslandsbezug vermitteln, findet sich bei Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 70; Duursma-Kepplinger in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 5. EuGH v. 16.1.2014 – C-328/1 – Schmid vs. Hertel Rz. 29, NZI 2014, 134. In diese Richtung aber Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 1 EuInsVO Rz. 23. S. EuGH v. 16.1.2014 – C-328/1 – Schmid vs. Hertel Rz. 28, NZI 2014, 134; krit. dazu mit Verweis auf die gerichtliche Nachprüfung der Zuständigkeit im Zeitpunkt der Eröffnung nach Art. 5 EuInsVO; Henry in JaultSeske/Robine, Le nouveau règlement insolvabilité: quelles évolutions?, 2015, S. 7, 13. Ähnl. Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 1 EuInsVO Rz. 7. So etwa zur EuInsVO 2000 Carstens, S. 35; Duursma-Kepplinger in Duursma-Kepplinger/Duursma/Chalupsky, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 3; Eidenmüller, IPRax 2001, 2, 5; Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 538; Pannen in Runkel/Schmidt, § 18 Rz. 26; Scherber, IPRax 2005, 160; Smid, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 8; weitere Nachweise bei Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 30 Fn. 73. Zum Meinungsstand ausführlich J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 58 ff.; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 1 EuInsVO Rz. 25 ff. So auch Gruber/Schulz in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, Anh. I Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 51; Arts, IPRax 2014, 390. Vgl. EuGH v. 1.3.2005 – C-281/02, ECLI:EU:C:2005:120 – Owusu vs. Jackson u.a., EuZW 2005, 345, der diese Ansicht für den Vorgänger, das EuGVÜ, bestätigt hat. S. nur Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Einl. Brüssel Ia-VO Rz. 20. Im Ergebnis ebenso Huber, ZZP 114 (2001), 133, 138 f.; Haubold, in Gebauer/Wiedmann, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 30 m.w.N. in Fn. 74; Schack, Rz. 1232; differenzierend Reinhart in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 1 EuInsVO 2000 Rz. 15 ff. EuGH v. 16.1.2014 – C-328/12, ECLI:EU:C:2014:6 – Schmid vs. Hertel, NZG 2014, 313; im Anschluss BGH v. 27.3.2014 – IX ZR 2/12, NZI 2014, 672; bestätigt in EuGH v. 4.12.2014 – C-295 – GT-GmbH vs. H Rz. 33, NZI 2015, 88.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 1 EuInsVO
liegt) noch aus den verfolgten Zielen der Verordnung.107 Diese Argumentation lässt sich ohne weiteres auf die EuInsVO 2015 übertragen.108 Für die Praxis steht damit fest, dass die EuInsVO grundsätzlich auch auf Sachverhalte mit alleinigem Drittstaatenbezug anwendbar ist.109 Unzutreffend ist deshalb eine Entscheidung des BGH110, in der er die sich im Rahmen eines am deutschen COMI des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahrens stellende Frage nach dem auf die Pfändbarkeit einer von einem Schweizer Rententräger bezogenen Rente des Insolvenzschuldners über das autonome Kollisionsrecht (§ 335 InsO) statt über Art. 4 Abs. 2 lit. b EuInsVO 2000 (= Art. 7 Abs. 2 lit. b EuInsVO 2015) beantwortete.111 Jedoch ist in einem zweiten Schritt im Rahmen der einzelnen, im konkreten Fall einschlägigen Bestimmungen der EuInsVO zu prüfen, ob diese gemäß ihrem Wortlaut und ihrer Funktion einen mitgliedstaatlichen Bezug voraussetzen (s. zu den unterschiedlichen Sonderanknüpfungen Art. 7 EuInsVO Rz. 7 f.).112
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Daraus folgt z.B., dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auch bei einer Gesellschaft, die in einem Drittstaat gegründet wurde und dort ihren (Satzungs-)Sitz hat, in die auf Art. 3 EuInsVO gestützte internationale Zuständigkeit der Mitgliedstaatengerichte fällt, sofern sich der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen in der EU befindet.113
33
Auch bei Annexverfahren nach Art. 6 EuInsVO (oben Rz. 24) spielt der Gesichtspunkt des aus- 34 schließlichen Drittstaatenbezugs keine Rolle. So sind nach zutreffender Auffassung des EuGH die Zuständigkeitsvorschriften der EuInsVO für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner heranzuziehen, der seinen Wohnsitz in einem Drittstaat (in casu Schweiz) hat.114 4. Dänemark, Vereinigtes Königreich („Brexit“) Wie ErwGr. 88 festhält, gilt die EuInsVO – wie auch die Brüssel I-, Brüssel Ia- und Brüssel IIa-VOen 35 – nicht für und in Dänemark.115 Für die Zwecke der EuInsVO ist Dänemark damit ein Drittstaat.116 Hat der Schuldner also den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen in Dänemark, ist die EuInsVO nicht anwendbar. Damit kann etwa die Anerkennung der Insolvenzeröffnungsentscheidung eines dänischen Gerichts nicht auf Art. 19 EuInsVO gestützt werden (s. dort Rz. 9). Da Dänemark sich mit der EU über eine Anwendung der Brüssel I-VO geeinigt117 und sodann deren Ersetzung durch die Brüssel Ia-VO zugestimmt hat118, erscheint allerdings nicht ausgeschlossen, dass es in Zukunft auch Bewegung im Hinblick auf die EuInsVO geben wird.
107 EuGH v. 16.1.2014 – C-328/12, ECLI:EU:C:2014:6 – Schmid vs. Hertel Rz. 20 f., 24 f., NZG 2014, 313; zust. Anm. Brinkmann, LMK 2014, 356291; Schulz, EuZW 2014, 264: Arts, IPRax 2014, 390. 108 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 59. 109 So auch, wenngleich krit. Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 1 EuInsVO Rz. 28 f.; Paulus, Art. 1 EuInsVO Rz. 38 f.; zust. J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 1 EuInsVO Rz. 59 ff. 110 BGH v. 20.7.2017 – IX ZB 63/16, NZI 2017, 816. 111 Krit. auch Brinkmann, EWiR 2017, 599, 600; a.A. wohl Piekenbrock, LMK 2017, 398645. 112 So auch Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 1 EuInsVO Rz. 8; Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 1 EuInsVO Rz. 40; Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 7; vgl. auch EuGH v. 16.1.2014 – C-328/12, ECLI:EU:C:2014:6 – Schmid vs. Hertel Rz. 22 f., NZG 2014, 313. 113 High Court of Justice, Chancery Division London v. 7.2.2003 – 0042/2003, ZIP 2003, 813, EWiR 2003, 367 m. Anm. Sabel/Schlegel; Mankowski, RIW 2004, 587, 600. 114 EuGH v. 16.1.2014 – C-328/12, ECLI:EU:C:2014:6 – Ralph Schmid, NZG 2014, 313. Letztlich zustimmend, zu Recht aber kritisch gegenüber der damit einhergehenden Verkürzung der Rechte des Beklagten Laukemann, IILR 2014, 101, 108 ff.; vgl. auch Baumert, NZI 2014, 106. 115 S. zu den Gründen hierfür Staudinger in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Einl. Brüssel Ia-VO Rz. 15. 116 Vgl. OLG Frankfurt v. 24.1.2005 – 20 W 527/04, ZInsO 2005, 715 (Vollstreckbarkeit der dänischen Entscheidung richtet sich nach § 353 InsO); s. auch Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 66. 117 ABl. EU 2005 L 299/62. 118 ABl. EU 2013 L 79/4.
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Art. 2 EuInsVO Begriffsbestimmungen 36
Nach seinem Austritt aus der EU ist das Vereinige Königreich seit dem 31.1.2020 (23.00 h UTC, 24.00 h MEZ) kein EU-Mitgliedstaat mehr.119 Jedoch enthielt Art. 67 Abs. 3 lit. c des Austrittsabkommens120 eine spezielle Übergangsregelung für Insolvenzverfahren121, sodass die Regelungen der EuInsVO im Vereinigten Königreich weiterhin während eines Übergangszeitraums, welcher am 31.12.2020 endete, anwendbar waren. Da das Handels- und Kooperationsabkommen122 zwischen den beiden Partnern keine insolvenzrechtliche Bestimmungen enthält, gilt die EuInsVO seit diesem Zeitpunkt nicht mehr im Vereinigten Königreich.123 Dort stützt man seitdem die internationale Zuständigkeit für neu zu eröffnende Insolvenzverfahren, die bis dahin laut Anhang A der EuInsVO unterfielen, und das darin anzuwendende Recht nicht mehr auf diese, sondern auf das autonome internationale Insolvenzrecht. Die umgekehrte Aussage, dass auch aus der Sicht der verbleibenden Mitgliedstaaten nunmehr bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren im Verhältnis zum Vereinigten Königreich autonomes Recht (in Deutschland also §§ 335 ff. InsO) zur Anwendung gelangt,124 ist allerdings unrichtig. Nach dem oben Gesagten (Rz. 30 ff.) ist der Anwendungsbereich der EuInsVO in den übrigen EUMitgliedstaaten auch bei einem (alleinigen) Bezug zum Vereinigten Königreich als Drittstaat eröffnet, sofern der COMI des Insolvenzschuldners in der EU liegt,125 selbst wenn es sich dabei um eine Gesellschaft mit britischer Gesellschaftsform und britischem Satzungssitz handeln sollte. Nur die Anerkennung britischer Insolvenz- und Annexverfahren richtet sich vorbehaltlich der intertemporalen Problematik126 nicht mehr nach der EuInsVO, sondern dem jeweiligen autonomen Recht. Im Übrigen kann allein die Anwendung einzelner Regelungen der EuInsVO davon abhängen, ob diese einen Bezug zu einem Mitgliedsstaat voraussetzen (Rz. 29).
Artikel 2 Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck 1. „Gesamtverfahren“ ein Verfahren, an dem alle oder ein wesentlicher Teil der Gläubiger des Schuldners beteiligt sind, vorausgesetzt, dass im letzteren Fall das Verfahren nicht die Forderungen der Gläubiger berührt, die nicht daran beteiligt sind; 2. „Organismen für gemeinsame Anlagen“ Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Sinne der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (1) und alternative Investmentfonds (AIF) im Sinne der Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (2); 119 S. die Mitteilung über das Inkrafttreten des Abkommens über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl. EU 2020 L 29/189. 120 Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft, ABl. EU 2020 L 29/7. 121 Vgl. Mankowski, EuZW-Sonderausgabe 1/2020, 3, 5 f., der zu Recht auf den etwas irreführenden Wortlaut im Deutschen hinweist. 122 Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft einerseits und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland andererseits, ABl. EU 2020 L 444/14. 123 Ausführlich zu den Konsequenzen Vallender, ZInsO 2019, 645 ff.; Umfreville/Omar/Lücke/Fannon/Veder/ Piñeiro, International Insolvency Review 27 (2018), 422 ff. 124 So aber Vallender in Vallender, Art. 1 EuInsVO Rz. 33; Ungerer in Brexit und die juristischen Folgen, S. 297, 317. 125 Wie hier Freitag/Korch, ZIP 2016, 1849, 1853 f. 126 S. dazu Art. 19 EuInsVO Rz. 17 (Eröffnungsentscheidungen) und Art. 32 EuInsVO Rz. 19 (Annexentscheidungen). 1 Amtliche Fußnote: Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. Nr. L 302 vom 17.11.2009, S. 32). 2 Amtliche Fußnote: Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 (ABl. Nr. L 174 vom 1.7.2011, S. 1).
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 2 EuInsVO
3. „Schuldner in Eigenverwaltung“ einen Schuldner, über dessen Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, das nicht zwingend mit der Bestellung eines Verwalters oder der vollständigen Übertragung der Rechte und Pflichten zur Verwaltung des Vermögens des Schuldners auf einen Verwalter verbunden ist, und bei dem der Schuldner daher ganz oder zumindest teilweise die Kontrolle über sein Vermögen und seine Geschäfte behält; 4. „Insolvenzverfahren“ ein in Anhang A aufgeführtes Verfahren; 5. „Verwalter“ jede Person oder Stelle, deren Aufgabe es ist, auch vorläufig i) die in Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen zu prüfen und zuzulassen; ii) die Gesamtinteressen der Gläubiger zu vertreten; iii) die Insolvenzmasse entweder vollständig oder teilweise zu verwalten; iv) die Insolvenzmasse im Sinne der Ziffer iii zu verwerten oder v) die Geschäftstätigkeit des Schuldners zu überwachen. Die in Unterabsatz 1 genannten Personen und Stellen sind in Anhang B aufgeführt; 6. „Gericht“ i) in Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben b und c, Artikel 4 Absatz 2, Artikel 5, Artikel 6, Artikel 21 Absatz 3, Artikel 24 Abs. 2 Buchstabe j, Artikel 36, Artikel 39 und Artikel 61 bis Artikel 77 das Justizorgan eines Mitgliedstaats; ii) in allen anderen Artikeln das Justizorgan oder jede sonstige zuständige Stelle eines Mitgliedstaats, die befugt ist, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen, die Eröffnung eines solchen Verfahrens zu bestätigen oder im Rahmen dieses Verfahrens Entscheidungen zu treffen; 7. „Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ i) die Entscheidung eines Gerichts zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder zur Bestätigung der Eröffnung eines solchen Verfahrens und ii) die Entscheidung eines Gerichts zur Bestellung eines Verwalters; 8. „Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung“ den Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam wird, unabhängig davon, ob die Entscheidung endgültig ist oder nicht; 9. „Mitgliedstaat, in dem sich ein Vermögensgegenstand befindet“, im Fall von i) Namensaktien, soweit sie nicht von Ziffer ii erfasst sind, den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft, die die Aktien ausgegeben hat, ihren Sitz hat; ii) Finanzinstrumenten, bei denen die Rechtsinhaberschaft durch Eintrag in ein Register oder Buchung auf ein Konto, das von einem oder für einen Intermediär geführt wird, nachgewiesen wird („im Effektengiro übertragbare Wertpapiere“), den Mitgliedstaat, in dem das betreffende Register oder Konto geführt wird; iii) Guthaben auf Konten bei einem Kreditinstitut den Mitgliedstaat, der in der internationalen Kontonummer (IBAN) angegeben ist, oder im Fall von Guthaben auf Konten bei einem Kreditinstitut ohne IBAN den Mitgliedstaat, in dem das Kreditinstitut, bei dem das Konto geführt wird, seine Hauptverwaltung hat, oder, sofern das Konto bei einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung geführt wird, den Mitgliedstaat, in dem sich die Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung befindet; iv) Gegenständen oder Rechten, bei denen das Eigentum oder die Rechtsinhaberschaft in anderen als den unter Ziffer i genannten öffentlichen Registern eingetragen ist, den Mitgliedstaat, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird; v) Europäischen Patenten den Mitgliedstaat, für den das Europäische Patent erteilt wurde; vi) Urheberrechten und verwandten Schutzrechten den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Eigentümer solcher Rechte seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz hat; vii) anderen als den unter den Ziffern i bis iv genannten körperlichen Gegenständen den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Gegenstand befindet; viii) anderen Forderungen gegen Dritte als solchen, die sich auf Vermögenswerte gemäß Ziffer iii beziehen, den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der zur Leistung verpflichteMäsch
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Art. 2 EuInsVO Begriffsbestimmungen
10.
11.
12.
13. 14.
te Dritte den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen i.S.d. Artikel 3 Absatz 1 hat; „Niederlassung“ jeden Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht oder in den drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens nachgegangen ist, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt; „lokaler Gläubiger“ den Gläubiger, dessen Forderungen gegen den Schuldner aus oder in Zusammenhang mit dem Betrieb einer Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat entstanden sind, in dem sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet; „ausländischer Gläubiger“ den Gläubiger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat der Verfahrenseröffnung hat, einschließlich der Steuerbehörden und der Sozialversicherungsträger der Mitgliedstaaten; „Unternehmensgruppe“ ein Mutterunternehmen und alle seine Tochterunternehmen; „Mutterunternehmen“ ein Unternehmen, das ein oder mehrere Tochterunternehmen entweder unmittelbar oder mittelbar kontrolliert. Ein Unternehmen, das einen konsolidierten Abschluss gemäß der Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (3) erstellt, wird als Mutterunternehmen angesehen.
I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
II. Die Definitionen im Einzelnen . . . . . . . . 2 1. Gesamtverfahren, Organismen für gemeinsame Anlagen, Schuldner in Eigenverwaltung (Nr. 1–3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2. Insolvenzverfahren, Verwalter (Nr. 4 und 5) . 6 3. Gericht (Nr. 6) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 4. Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Nr. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 5. Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung (Nr. 8) . . 10 6. Mitgliedstaat, in dem sich ein Vermögensgegenstand befindet (Nr. 9) . . . . . . . . . . . 11
a) Namensaktien, Finanzinstrumente, Kontoguthaben (Nr. 9 Ziff. i–iii) . . . . . b) Registerrechte, Immaterialgüterrechte (Nr. 9 Ziff. iv–vi) . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige körperliche Gegenstände (Nr. 9 Ziff. vii) . . . . . . . . . . . . . . . d) Forderungen (Nr. 9 Ziff. viii) . . . . . . . 7. Niederlassung (Nr. 10) . . . . . . . . . . . . . 8. Lokale und ausländische Gläubiger (Nr. 11 und 12) . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Unternehmensgruppe, Mutterunternehmen (Nr. 13 und 14) . . . . . . . . . . . . . . . . .
. 12 . 16 . 21 . 22 . 24 . 32 . 36
Schrifttum: Bork/Harten, Die Niederlassung i.S.v. Art. 2 Nr. 10 EuInsVO bei natürlichen Personen, NZI 2018, 673; Eble, Auf dem Weg zu einem europäischen Konzerninsolvenzrecht – Die „Unternehmensgruppe“ in der EuInsVO 2017, NZI 2016, 115; Garcimartín, The situs of shares, financial instruments and claims in the Insolvency Regulation Recast: seeds of a future EU instrument on rights in rem?, IPRax 2015, 489; Mankowski, Neuerungen bei der Belegenheit von Vermögensgegenständen durch Art. 2 Nr. 9 EuInsVO 2015, in FS Pannen, 2017, S. 243.
I. Allgemeines 1
Art. 2 EuInsVO enthält Legaldefinitionen für die Schlüsselbegriffe der EuInsVO. Im Vergleich zum Art. 2 der EuInsVO 2000 sind bereits vorher enthaltene Begriffe konkretisiert, aber auch einige neu hinzugefügt worden. Einzig weggefallen ist die Definition des Liquidationsverfahren (Art. 2 lit. c EuInsVO 2000), da ein solches nach der EuInsVO keine Voraussetzung mehr für das Sekundärinsolvenzverfahren ist (so noch in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 EuInsVO 2000). Hervorzuhebende Änderung gegenüber der EuInsVO 2000 ist die aufgefächerte Bestimmung zum Belegenheitsort von Vermögensgegenständen (Art. 2 Nr. 9 EuInsVO, s. unten Rz. 11), die der zuvor entstandenen Unsicherheit bzgl. der 3 Amtliche Fußnote: Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (ABl. Nr. L 182 vom 29.6.2013, S. 19).
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 2 EuInsVO
Lokalisierung spezifischer Vermögenswert Rechnung trägt. Zudem wurde durch die Einführung der Regelungen zur Konzerninsolvenz die neuen Begriffsbestimmungen „Unternehmensgruppe“ und „Mutterunternehmen“ notwendig (Art. 2 Nr. 13 u. 14 EuInsVO, s. unten Rz. 36). Eine Definition des wichtigsten Begriffs, des „Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen“ des Schuldners, sucht man in Art. 2 EuInsVO allerdings weiterhin vergebens. Näher zu diesem Begriff unten Art. 3 EuInsVO Rz. 7 ff.
II. Die Definitionen im Einzelnen 1. Gesamtverfahren, Organismen für gemeinsame Anlagen, Schuldner in Eigenverwaltung (Nr. 1–3) Die Definitionen in Art. 2 Nr. 1–3 EuInsVO wurden neu hinzugefügt und betreffen den sachlichen Anwendungsbereich der EuInsVO. Da ohnehin nur die im Anhang A genannten Verfahren von der EuInsVO erfasst werden, spielen die Definitionen nur für mögliche Änderungen des Anhangs eine Rolle, und auch dort keine zwingende (s. dazu Art. 1 EuInsVO Rz. 3).
2
In Art. 2 Nr. 1 EuInsVO ist der Begriff „Gesamtverfahren“ definiert, der in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO zur Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereichs der Verordnung benutzt wird. Aus der Definition ergibt sich, dass die Beteiligung aller Gläubiger des Schuldners nicht zwingende Voraussetzung ist, sondern auch Verfahren erfasst sind, an denen nur ein wesentlicher Teil der Gläubiger beteiligt ist. Im letzteren Fall ist jedoch zusätzlich Bedingung, dass das Verfahren auch nur die Forderungen der an ihm tatsächlich beteiligten Gläubiger berührt. Konkretisierungen der Definition finden sich in ErwGr. 14 EuInsVO. Zu den Einzelheiten bereits bei Art. 1 EuInsVO Rz. 9.
3
Der Begriff „Organismen für gemeinsame Anlagen“ findet sich wie auch schon in der Altfassung in der Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 2 lit. d EuInsVO (s. Art. 1 EuInsVO Rz. 27). Art. 2 Nr. 2 EuInsVO stellt lediglich klar, dass der der Begriff deckungsgleich ist mit dem in der OGAW-RL4 (dort in Art. 1 Abs. 2 S. 1 definiert) und mit alternativen Investmentfonds i.S.d. AIFM-RL5 (s. dort Art. 4 Abs. 1).
4
Art. 2 Nr. 3 EuInsVO definiert den „Schuldner in Eigenverwaltung“. Die Aufnahme des Begriffs in Art. 2 EuInsVO ist der Ausweitung des Anwendungsbereichs der EuInsVO auf Sanierungsverfahrung geschuldet, wonach die Bestellung eines Verwalters (vgl. Art. 2 EuInsVO Rz. 6) nicht mehr zwingende Voraussetzung ist (dazu bereits Art. 1 EuInsVO Rz. 21). Ein Schuldner in Eigenverwaltung behält trotz Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ganz oder zumindest teilweise die Kontrolle über sein Vermögen und seine Geschäfte (vgl. im deutschen Recht §§ 270 ff. InsO).
5
2. Insolvenzverfahren, Verwalter (Nr. 4 und 5) Weitestgehend von der EuInsVO 2000 übernommen wurden die Definitionen zum „Insolvenzverfahren“ und „Verwalter“. Für ersteres wird in Nr. 4 lediglich auf den Anhang A der Verordnung verwiesen, der konstitutive Wirkung hat (s. Art. 1 EuInsVO Rz. 3). Gleiches gilt für den Anhang B, in denen die Personen, die als Verwalter in Frage kommen, genannt sind.6 Dennoch findet sich in Nr. 5 der Versuch einer abstrakten Definition des Verwalters, wie sie auch für das Insolvenzverfahren in Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 EuInsVO zu finden ist. Aufgrund der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der EuInsVO ist nun der Begriff des Verwalters gem. Art. 2 Nr. 5 EuInsVO weiter zu verstehen.7 Neben den bereits in der EuInsVO 2000 genannten Aufgaben der Verwaltung, Verwertung und Über4 Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, ABl. EG 2009 L 302/32. 5 Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8.6.2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010, ABl. EU 2011 L 174/1. 6 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 15. 7 So auch Brulard, in Jault-Seske/Robine, Le nouveau règlement insolvabilité: quelles évolutions?, 2015, S. 25, 42 in Bezug auf die grundlegende Veränderung in der französischen Sprachfassung.
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Art. 2 EuInsVO Begriffsbestimmungen wachung sind jetzt noch die Prüfung und Zulassung der in Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen (Art. 2 Nr. 5 Ziff. i EuInsVO) sowie die Vertretung der Gesamtinteressen der Gläubiger aufgeführt (Art. 2 Nr. 5 Ziff. ii EuInsVO).8 Die Ergänzung „auch vorläufig“ bezieht sich auf alle genannten Aufgaben, so dass nun eindeutig jede Art vorläufiger Insolvenzverwalter erfasst wird.9 3. Gericht (Nr. 6) 7
Nr. 6 sieht nun zwei verschiedene Definitionen des Begriffs „Gericht“ vor. In den in Nr. 6 Ziff. i genannten Artikeln der EuInsVO meint Gericht nur das Justizorgan eines Mitgliedstaats (Gericht im institutionellen Sinne), in allen anderen Artikel bleibt es gem. Nr. 6 Ziff. ii im Grunde bei der in der EuInsVO 2000 zugrunde gelegten Bedeutung, dass daneben auch jede sonstige Stelle als Gericht gilt, die für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig ist oder im Rahmen des Verfahrens bindende Entscheidungen (Art. 2 Nr. 7, s. unten Rz. 9) treffen kann (Gericht im funktionalen Sinne).10
8
Neu ist hingegen, dass auch solche Stellen erfasst sind, die nur die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bestätigen, womit dem Vorgang bei Sanierungsverfahren Rechnung getragen wird.11 Trotz der Formulierung „Stelle eines Mitgliedstaates“ sind wegen dieser funktionalen Orientierung neben staatlichen Stellen wohl auch private Personen oder Organe (etwa Gläubiger oder Gesellschafter des Schuldners) erfasst, wenn und soweit auch sie nach nationalem Recht solche Entscheidungen treffen können.12 4. Entscheidung zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Nr. 7)
9
Nr. 7 präzisiert im Gegensatz zur Vorgängernorm (Art. 2 lit. e EuInsVO 2000), dass es nur um die Definition der Entscheidung „zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“ geht. Zwischen- und Endentscheidungen im Laufe eines Insolvenzverfahrens sind somit nicht erfasst.13 Wie bei der Definition des Gerichts in Nr. 6 (s. oben Rz. 7), ist mit Blick auf die von der EuInsVO 2015 auch erfassten Sanierungsverfahren die Bestätigung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (Art. 7 Ziff. i Alt. 2 EuInsVO) in die Definition neu aufgenommen worden.14 Unverändert gilt weiterhin die Bestellung eines Verwalters als Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Art. 7 Ziff. ii EuInsVO), auch eines vorläufigen (arg. Art. 2 Nr. 5 EuInsVO).15 5. Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung (Nr. 8)
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Inhaltlich unverändert bleibt die Definition des Zeitpunkts der Verfahrenseröffnung, dessen Bestimmung insbesondere für die Anwendung des Prioritätsprinzips zur Lösung positiver Kompetenzkonflikte (vgl. Art. 3 EuInsVO Rz. 40 ff.) von Bedeutung ist. Er wird an den Moment des Wirksamwerdens der entsprechenden Entscheidung (Nr. 7, s. oben Rz. 9) gekoppelt; der Eintritt der Rechtskraft spielt keine Rolle.16 Wann die Eröffnungsentscheidung wirksam wird, richtet sich gem. Art. 7 Abs. 1 EuInsVO nach dem nationalen Recht des Eröffnungsstaates.17 Im deutschen Recht ist für den Eröffnungsbeschluss dessen Unterzeichnung durch den Insolvenzrichter maßgeblich.18 Zur Rolle nationa-
8 Zu den Aufgaben vgl. Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 14 ff. 9 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 13; Prager/Keller, WM 2015, 805, 810; Fritz, DB 2015, 1882, 1883. 10 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 17, 18. 11 Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO Rz. 8. 12 So bereits zur EuInsVO 2000, vgl. Smid, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 12 m.w.N.; Virgós/Schmit, Bericht Nr. 57. 13 Anders noch in der Vorauflage, Mäsch in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 4. 14 Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO Rz. 9; abweichend Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 2 EuInsVO Rz. 19 f. 15 Knof in Uhlenbruck, 15. Aufl. 2020, Art. 2 EuInsVO Rz. 19; Sutschet in Vallender, Art. 2 EuInsVO Rz. 21. 16 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 23; Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 27; Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 35. 17 Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 35. 18 BGH v. 23.10.1997 – IX ZR 249/96, NJW 1998, 609, 610.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 2 EuInsVO
ler Vorschriften, die eine Rückwirkung des Eröffnungsbeschlusses vorsehen, unten Art. 3 EuInsVO Rz. 63. 6. Mitgliedstaat, in dem sich ein Vermögensgegenstand befindet (Nr. 9) Nr. 9 definiert mit Blick auf die beschränkten Wirkungen eines Partikularinsolvenzverfahrens19 (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 EuInsVO), auf die Sonderanknüpfung für dingliche Rechte (Art. 8, 10 EuInsVO), aber etwa auch auf Art. 20 Abs. 2 (ex Art. 17 EuInsVO 2000) sowie Art. 21 Abs. 1 Satz 2 (ex Art. 18 EuInsVO 2000) den rechtlichen Belegenheitsort verschiedener Vermögensgegenstände. Im Zuge der Neufassung wurden zum einen die Bestimmungen zu einigen Vermögensgegenständen weiter ausdifferenziert, zum anderen weitere Werte aufgenommen. Der maßgebliche Zeitpunkt zur Bestimmung des Belegenheitsorts ist der des Wirksamwerdens der Entscheidung über die Verfahrenseröffnung (Art. 2 Nr. 8 EuInsVO, oben Rz. 10).20
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a) Namensaktien, Finanzinstrumente, Kontoguthaben (Nr. 9 Ziff. i–iii) Neu sind die Definitionen der Belegenheitsorte von Namensaktien, Finanzinstrumenten und Kontoguthaben. Gemäß Nr. 9 Ziff. i soll für Namensaktien21 der Mitgliedstaat maßgeblich sein, in dessen Hoheitsgebiet die Gesellschaft, die die Aktien ausgegeben hat, ihren Sitz hat. Namensaktien werden im Aktienregister der ausgebenden Gesellschaft eingetragen (für Deutschland s. § 67 AktG). Dieses führt die Gesellschaft jedoch in Eigenverwaltung,22 so dass es kein öffentliches Register i.S.v. Nr. 9 Ziff. iv (s. unten Rz. 16) ist. Erfasst sind sowohl einfache als auch vinkulierte Namensaktien.23 Ein Blick in die englischsprachige Fassung („registered office“) zeigt, dass der Satzungssitz und nicht der Verwaltungssitz gemeint ist.24
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Für im Effektengiro übertragbare Wertpapiere ist jedoch die Regelung in Nr. 9 Ziff. ii lex specialis gegenüber Nr. 9 Ziff. i: Für diese Finanzinstrumente, bei denen der Nachweis der Rechtsinhaberschaft erbracht wird durch Eintragung in ein Register oder Buchung auf ein Konto, das von einem oder für einen Intermediär geführt wird, ist der Belegenheitsstaat der Mitgliedstaat, in dem das betreffende Register oder Konto geführt wird.25 Gemeint sind damit insb. sammelverwahrte Wertpapiere. Nr. 9 Ziff. ii führt zum Gleichlauf mit der Anknüpfung, die in der EG-Finanzsicherheiten-RL26 (dort Art. 9 Abs. 1 Satz 1) für im Effektengiro übertragbare Wertpapiere vorgesehen ist.27
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Für sonstige Wertpapiere, die weder Nr. 9 Ziff. i noch ii unterfallen (z.B. weder registrierte noch kon- 14 togeführte Inhaberaktien) gilt: Soweit es um das das Recht am Papier, nicht aus dem Papier geht, ist auf die Belegenheit des Papiers (und nicht des verbrieften Rechts) abzustellen (lex cartae sitae, Wert-
19 So nun ausdrücklich in ErwGr. 36 EuInsVO. 20 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 28 m.w.N. 21 Im deutschen Recht solche i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 AktG; s. Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 31; wohl auch Mankowski in FS Pannen, 2017, S. 243, 256; Mock in BeckOK/InsO, 15.1.2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 18. Gegen eine Beschränkung auf Aktien und für die Anwendung auf alle Arten von Gesellschaftsanteilen, die auf den Namen lauten Garcimartín, IPRax 2015, 489, 492; Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 2 EuInsVO Rz. 31; J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 31; Wenner/Schuster, FK-InsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 17. 22 Vgl. Cahn in Spindler/Stilz, 4. Aufl. 2019, § 67 AktG Rz. 11. 23 Mankowski in FS Pannen, 2017, S. 243, 248. 24 Allg.M., s. nur Garcimartín, IPRax 2015, 489, 492; Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 2 EuInsVO Rz. 31; J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 32; Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 31; krit., aber i.E. auch Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO Rz. 12. 25 So auch unter der EuInsVO 2000 ohne ausdrückliche Anknüpfungsregel, s. Mäsch in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 10 m.w.N. 26 Richtlinie 2002/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.6.2002 über Finanzsicherheiten, ABl. EG 2002 L 168/43. 27 Garcimartín, IPRax 2015, 489, 491.
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Art. 2 EuInsVO Begriffsbestimmungen papiersachstatut)28, d.h. der Anknüpfung für sonstige körperliche Gegenstände zu folgen (Nr. 9 Ziff. vii, unten Rz. 21).29 Zu anderen Arten von Gesellschaftsanteilen s. unten Rz. 18. 15
Für Kontoguthaben differenziert Nr. 9 Ziff. iii zwischen Konten mit und ohne IBAN. Für erstere ist der Mitgliedstaat maßgeblich, der in der IBAN angegeben ist. Für letztere kommt es auf den Mitgliedstaat an, in dem das kontoführende Kreditinstitut seine Hauptverwaltung hat oder, sofern das Konto bei einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung geführt wird, auf den Mitgliedstaat, in dem diese sich befindet. Diese Differenzierung ist bekannt aus Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 2 Rom I-VO sowie Art. 23 Abs. 1 Rom II-VO und dementsprechend auszulegen.30 b) Registerrechte, Immaterialgüterrechte (Nr. 9 Ziff. iv–vi)
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Nr. 9 Ziff. iv stimmt vom Wortlaut weitgehend mit Art. 2 lit. g Spiegelstrich 2 EuInsVO 2000 überein. Er benennt als Anknüpfungspunkt für sonstige Gegenstände und Rechte, deren Inhaberschaft „in anderen als den unter Ziffer i genannten öffentlichen Registern“ eingetragen ist, den Mitgliedstaat, der die Aufsicht über das Register führt. Öffentliche Register i.S. dieser Vorschrift sind nur solche, die der Öffentlichkeit zugänglich und staatlich anerkannt sind und deren Eintragungen Rechtswirkungen gegenüber Dritten auslösen.31 Nach ihrem Wortlaut ist Ziff. iv nachrangig zu Ziff. i, die sich mit eingetragenen Namensaktien beschäftigt (oben Rz. 12). Weil im deutschen Recht Namensaktien i.S.d. § 10 Abs. 1 Satz 1 AktG aber nicht in ein öffentliches Register i.S.d. Ziff. iv eingetragen werden (s. oben Rz. 12), geht diese Regelung aus deutscher Sicht ins Leere. Anders als die Vorgängernorm in der EuInsVO 2000 („einzutragen ist“), stellt Nr. 9 Ziff. iv auf die tatsächliche Registrierung („eingetragen ist“) ab32; auf die Registrierungspflicht oder -fähigkeit33 kommt es nicht an. Hinter der Anknüpfung an ein nationales Register steckt das Territorialitätsprinzip:34 Weil es sich um von den jeweiligen Staaten verliehene Rechte handelt und solche hoheitlichen Verleihungsakte in ihrer Wirkung territorial (= national) begrenzt sind, endet der Bestand und der Schutz dieser Rechte – vorbehaltlich staatsvertraglicher Vereinbarungen – an den Grenzen desjenigen Staates, nach dessen Recht sie (mit Hilfe des Registereintrags) begründet wurden.35
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Erfasst sind somit Immobilien in Ländern mit einem Grundbuchsystem sowie registrierte Schiffe und Luftfahrzeuge. Daneben sind Immaterialgüterrechte gemeint, die in ein Register eingetragen sind (nationale Patente, Gebrauchs- und Geschmacksmuster, Marken).36 Bei solchen, die unabhängig von einer Registrierung entstehen, ist jetzt zu differenzieren: Urheberrechte und verwandte Schutzrechte unterliegen einer eigenen Anknüpfung nach Nr. 9 Ziff. vi (s. unten Rz. 20). In den anderen Fällen (z.B. Marken kraft Verkehrsgeltung, § 4 Nr. 2 MarkenG) ist zwar Nr. 9 Ziff. i mangels Registrierung nicht einschlägig, aber das darin enthaltene Territorialitätsprinzip zu berücksichtigen. Demnach 28 S. dazu Wendehorst in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 43 EGBGB Rz. 200 ff. 29 Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 2 EuInsVO Rz. 32; Garcimartín, IPRax 2015, 489, 493; i.E. auch Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 43; so auch zur EuInsVO 2000: Mäsch, in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 10; Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 165 f.; Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 25; a.A. (Art. 2 Nr. 9 Ziff. viii): Mock in BeckOK/ InsO, 15.1.2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 25; J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 30, 46; Wenner/Schuster in FK-InsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 30; a.A. (Nr. 9 Ziff. i analog): Mankowski in FS Pannen, 2017, S. 243, 255. 30 Dazu Mankowski in FS Pannen, 2017, S. 243, 250. 31 Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 2 EuInsVO Rz. 32; J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 37; Sutschet in Vallender, Art. 2 EuInsVO Rz. 35; Wenner/Schuster FK-InsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 22; anders Brinkmann in K. Schmidt, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 12; Mock in BeckOK/InsO, 15.1.2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 21: auf die Einsehbarkeit für die Öffentlichkeit kommt es nicht an. Wie hier zur EuInsVO 2000 Smid, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 19 m.w.N. 32 Lienau in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 185; Tashiro in Braun, Art. 2 EuInsVO Rz. 50. 33 So zur alten Rechtslage Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 21. 34 Vgl. für subjektive Immaterialgüterrechte Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, Einl. Rz. 15. 35 Vgl. zum Schutzlandprinzip Ingerl/Rohnke, MarkenG, 3. Aufl. 2010, Einl. Rz. 53. 36 Insoweit bestehen keine Unterschiede zur Geltung der EuInsVO 2000, vgl. Mäsch in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 7 f. Siehe auch J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 37.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 2 EuInsVO
sind diese Rechte in allen Staaten belegen, für deren Territorium Schutz nach nationalem Recht begehrt werden kann.37 Auch Gesellschaftsanteile (abgesehen von Namensaktien, s.o. Rz. 12), die in das Handelsregister eingetragen werden müssen (GmbH-, KG-, OHG-Anteile, Anteile an Partnerschaftsgesellschaften), werden von Ziff. iv erfasst.38 Zu sonstigen Mitgliedschafts- und Beteiligungsrechten s. unten Rz. 23.
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Auf echte transnationale Immaterialgüterrechte, deren Entstehung, Bestand und Wirkungen im We- 19 sentlichen losgelöst sind von den Vorgaben nationaler Rechtsordnungen, passt der Gedanke des Territorialitätsprinzips (oben Rz. 16) offensichtlich nicht. Für das voraussichtlich Anfang 2022 startende europäische Einheitspatent auf der Basis der Einheitspatent-VO39 sowie Unionsmarken (bis 2016 Gemeinschaftsmarken)40 bestimmt daher Art. 15 EuInsVO (ex Art. 12 EuInsVO 2000), dass diese losgelöst von einem deswegen auch nicht definitionsbedürftigen Belegenheitsort nur in ein Hauptinsolvenzverfahren einbezogen werden können (Art. 15 EuInsVO Rz. 4).41 Nr. 9 Ziff. v betrifft daher nur das europäische Patent auf der Basis des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ),42 das trotz dieses Namens kein transnationales Patent mit einer einheitlichen Wirkung in ganz Europa ist, sondern nur der Sammelbegriff für ein Bündel nationaler Patente in jenen Vertragsstaaten des EPÜ, die in der Anmeldung benannt und für die die jeweiligen nationalen Voraussetzungen (u.a. Übersetzung der Patentschrift in die jeweilige Amtssprache) geschaffen wurden.43 Nr. 9 Ziff. v zieht aus dieser Konstruktion die allein mögliche Konsequenz, dass das jeweilige nationale (Teil-)Patent in dem Mitgliedstaat belegen ist, für das es beantragt und erteilt wurde; nur dieses (Teil-)Patent kann folglich in einem etwaig dort laufenden Partikularinsolvenzverfahren verwertet werden.44 Handelt es sich beim Belegenheitsstaat um einen Vertragsstaat des EPÜ, der nicht Mitglied der EU ist (z.B. die Schweiz), kann das (Teil-)Patent nur in ein Hauptinsolvenzverfahren mit universeller Wirkung einbezogen werden. Laut Nr. 9 Ziff. vi ist für Urheberrechte und verwandte Schutzrechte der Mitgliedstaat maßgeblich, „in dessen Hoheitsgebiet der Eigentümer seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz“ hat, wobei statt Eigentümer die Bezeichnung „Inhaber“ (in der englischsprachigen Fassung „owner“) treffender wäre45. Verwandte Schutzrechte sind im deutschen Recht in den §§ 70–87h UrhG (z.B. Schutz wissenschaftlicher Ausgaben, § 70 UrhG) normiert.46 Es ist auch hier auf den Satzungssitz abzustellen (s. auch oben Rz. 12 zu Nr. 9 Ziff. i).47 Unbeantwortet von der EuInsVO bleibt die Frage nach der Belegenheit von Lizenzrechten.48
37 So bereits zur alten Rechtslage Mäsch in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 8. 38 So auch Mock in BeckOK/InsO, 15.1.2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 18.1; Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 38; a.A. Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 178 f.: nur GmbH-Anteile. 39 Verordnung (EU) Nr. 1257/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.12.2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes, ABl. EU 2012 L 361/1, ber. ABl. EU 2014 L 307/83. 40 S. Art. 1 Nr. 1–3 der Verordnung (EU) 2015/2424 vom 16.12.2015, ABl. EU Nr. L 341/21. 41 Tashiro in Braun, Art. 2 EuInsVO Rz. 57. 42 Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vom 5.10.1973, BGBl. 1976 II 826; revidierte Fassung vom 29.11.2000 in BGBl. 1976 II 826. 43 Tashiro in Braun, Art. 2 EuInsVO Rz. 56. 44 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 39; Tashiro in Braun, Art. 2 EuInsVO Rz. 58. 45 Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 2 EuInsVO Rz. 37; J. Schmidt in Mankowski/Müller/ J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 41; auch Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 42 spricht von „Person des Rechtsinhabers“. 46 Thole in MünchKomm/InsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 14. 47 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 43; Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 42. 48 Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 2 EuInsVO Rz. 41; Mankowski in FS Pannen, 2017, S. 243, 257: gem. Schutzlandprinzip wie in Art. 8 Abs. 2 Rom II-VO; a.A. Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 50: COMI des Lizenznehmers.
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Art. 2 EuInsVO Begriffsbestimmungen c) Sonstige körperliche Gegenstände (Nr. 9 Ziff. vii) 21
Für alle körperlichen Gegenstände (Sachen), die nicht unter Ziff. i bis iv fallen, bleibt es in Übereinstimmung mit der international gebräuchlichen kollisionsrechtlichen Lex-rei-sitae-Regel49 bei der tatsächlichen räumlichen Belegenheit, s. Nr. 9 Ziff. vii. Diese Regelung entspricht im Grunde Art. 2 lit. g Spiegelstrich 1 EuInsVO 2000. Der Geltungsbereich dieser Regel ist allerdings eingeschränkt: Immobilien in Ländern mit einem Grundbuchsystem und registrierte Schiffe und Luftfahrzeuge fallen unter Ziff. iv und gelten als in dem Land belegen, unter dessen Verantwortung das Register steht, in das sie eingetragen sind (oben Rz. 17). Für res in transitu und für den grenzüberschreitenden Warenumschlag dienende Transportmittel (außerhalb von registrierten Schiffen und Luftfahrzeugen, s.o. Rz. 17) gelten weiterhin trotz einer möglichen Sonderbehandlung im Internationalen Privatrecht50 im Rahmen der EuInsVO keine Besonderheiten.51 Auch Inhaberaktien, die nicht schon Nr. 9 Ziff. i unterfallen, sind von dieser Regelung erfasst (str., s.o. Rz. 14). d) Forderungen (Nr. 9 Ziff. viii)
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Eine tatsächliche räumliche Belegenheit, an die wie bei Sachen (s.o. Rz. 21) angeknüpft werden könnte, fehlt für Forderungen. Ihre fiktive rechtliche Belegenheit ist in Art. 2 Nr. 9 Ziff. viii EuInsVO geregelt. Bis auf den Zusatz, dass für einige Forderungen Nr. 9 Ziff. iii vorrangig ist (s. Rz. 15), entspricht sie Art. 2 lit. g Spiegelstrich 3 EuInsVO 2000. Demnach richtet sich die Belegenheit nach dem Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Drittschuldners. Mit dieser Anlehnung an Art. 3 Abs. 1 EuInsVO wird wohl häufig, aber keineswegs immer ein Ergebnis erzielt, das sich mit dem ansonsten im (internationalen) Zivilprozessrecht bevorzugten (Wohn-)Sitz des (Dritt-)Schuldners (vgl. etwa § 23 Satz 2 ZPO) deckt. Personalsicherheiten, ob akzessorisch oder nicht, sollten zur Vermeidung einer gespaltenen Einbeziehung in Haupt- und Partikularinsolvenzverfahren den Belegenheitsort der gesicherten Forderung teilen. Für dingliche Sicherheiten gilt Entsprechendes; die Regelung des Art. 8 Abs. 1 EuInsVO (ex Art. 5 Abs. 1 EuInsVO 2000), die für dingliche Sicherheiten auf den realen Belegenheitsort der betroffenen Sache abstellt, steht nicht entgegen, weil es dort nicht um Sicherheiten geht, die dem Schuldner zustehen, sondern um Sicherheiten von Gläubigern an seinen Vermögensgegenständen.
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Weiterhin keine Klärung bringt die EuInsVO über den Belegenheitsort von Mitgliedschafts- und Beteiligungsrechten, die weder in ein Register einzutragen (dann ein Fall der Nr. 9 Ziff. iv, s.o. Rz. 16) noch in Wertpapieren verbrieft sind (dann Nr. 9 Ziff. iii bzw. vii, s.o. Rz. 14), z.B. im deutschen Recht Anteile an einer GbR (§ 705 BGB). Analog zur Lösung für Forderungen (s. Rz. 22) sollten sie als am „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ der fraglichen Gesellschaft oder Vereinigung belegen gelten.52
49 Vgl. zu dieser Regel statt aller Kegel/Schurig, § 19 I, S. 765 ff. 50 Für Res in transitu s. Kegel/Schurig, § 19 IV, S. 774 f.; für Transportmittel: zu Schienenfahrzeugen Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB; zur von der h.M. abgelehnten Sonderbehandlung von im internationalen Güterverkehr eingesetzten Lastkraftwagen Wendehorst in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 45 EGBGB Rz. 25; a.A. Kegel/Schurig, § 19 V, S. 777 f. 51 Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 2 EuInsVO Rz. 33; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 20; Sutschet in Vallender, Art. 2 EuInsVO Rz. 38; Thole in MünchKomm/BGB, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 18; Wenner/Schuster, FK-InsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 28; i.E. auch Brinkmann in K. Schmidt, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 11; a.A. Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 2 EuInsVO Rz. 29; Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 156. 52 So bereits zur EuInsVO 2000 Mäsch in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 11; Brinkmann in K. Schmidt, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 16; Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, S. 176; Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 24. Wie hier zur EuInsVO 2015: Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 2 EuInsVO Rz. 28; Mock in BeckOK/InsO, 15.1.2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 18.2; Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 49; Wenner/Schuster in FK-InsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 32. A.A. Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 2 EuInsVO Rz. 33; Tashiro in Braun, Art. 2 EuInsVO Rz. 41: Gründungsort der Gesellschaft (Gesellschaftsstatut); Reinhart in MünchKomm/InsO, 2. Aufl. 2008, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 23: Sitz der Gesellschaft.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 2 EuInsVO
7. Niederlassung (Nr. 10) Die Definition der Niederlassung in Art. 2 Nr. 10 EuInsVO entspricht bis auf den hinzugefügten drei- 24 monatigen „Nachwirkungszeitraum“53 (unten Rz. 30) der in Art. 2 lit. h EuInsVO 2000. Die Niederlassung ist von großer Bedeutung für die EuInsVO, da nach Art. 3 Abs. 2 EuInsVO nur die Existenz einer solchen den Weg zur Eröffnung eines Sekundär- oder isolierten Partikularinsolvenzverfahrens in dem betreffenden Staat ebnet; die bloße Belegenheit von Schuldnervermögen oder der Satzungssitz reicht dafür nicht aus., Wegen dieser besonderen Funktion der Niederlassung kann zur Interpretation des Begriffs nicht einfach die Rechtsprechung des EuGH zur „Niederlassung“ i.S.d. Art. 7 Nr. 5 Brüssel Ia-VO herangezogen werden.54 Vorausgesetzt wird, damit ein Partikularinsolvenzverfahren überhaupt einen Sinn macht, (1) eine auf einige Dauer angelegte, d.h. nicht nur vorübergehende oder von vornherein zeitlich begrenzte,55 und nach außen, auf den Markt gerichtete wirtschaftliche Tätigkeit des Schuldners an diesem Ort56 unter Einsatz von (2) Personal und (3) Vermögen57, also mit einem Mindestmaß an Organisation und Stabilität58.
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Als Personal zählen ein oder mehrere Dritte, die nach außen erkennbar59 für den Schuldner tätig werden und im gewissen Maße weisungsabhängig, wenn auch nicht zwingend eigene Arbeitnehmer sind.60 Vermögen meint alle vermögenswerten Gegenstände und Rechte.61 Angesichts der von der EuInsVO nun ebenfalls erfassten Sanierungsverfahren dürfte selbst eine insolvenzfeste Beschlagnahme nicht schaden.62
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Deshalb ist als jeweils alleiniger Umstand z.B. ungenügend:63 ein Bankkonto64; ein „Verkaufslager“ ohne ständiges Personal; die Beschäftigung eines selbständigen Handelsvertreters; eine Immobilie zur (privaten) Wohnnutzung, auch wenn Hauspersonal beschäftigt wird; eine vermietete Immobilie,
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53 Sutschet in Vallender, Art. 2 EuInsVO Rz. 56; Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO Rz. 15 spricht plastisch von einer „Suspektsperiode“, andere von einer Retrospektivfrist (s. J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 48; Wenner/Schuster in FK-InsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 39). 54 Ausführlich zur verordnungsautonomen Auslegung Bork/Harten, NZI 2018, 673, 674 f. Vgl. auch Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 2 EuInsVO Rz. 43; J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 50; Sutschet in Vallender, Art. 2 EuInsVO Rz. 41. Zur EuInsVO 2000 s. nur Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 42; Smid, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 21. 55 Sutschet in Vallender, Art. 2 EuInsVO Rz. 46. 56 LG Hildesheim v. 18.10.2010 – 5 T 294/12, NZI 2013, 110, 111; AG Deggendorf v. 22.10.2012 – IE 256/12, NZI 2013, 112; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 23 f. 57 Statt aller Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 2 EuInsVO Rz. 35; Sutschet in Vallender, Art. 2 EuInsVO Rz. 43. Zur EuInsVO 2000: Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 42; Smid, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 21; LG Hannover v. 10.4.2008 – 20 T 5/08, NZI 2008, 631, 632; AG Deggendorf v. 22.10.2012 – IE 256/12, NZI 2013, 112, 112. 58 EuGH v. 20.10.2011 – C-396/09, ECLI:EU:C:2011:671 – Interedil, NZI 2011, 990; EuGH v. 4.9.2014 – C-327/13, ECLI:EU:C:2014:2158 – Burgo Group vs. Illochroma Rz. 31, NZI 2014, 964, 965; BGH, NZI 2012, 377. 59 EuGH v. 20.10.2011 – C-396/09, ECLI:EU:C:2011:671 – Interedil, NZI 2011, 990; BGH, NZI 2012, 725; AG Deggendorf v. 22.10.2012 – IE 256/12, NZI 2013, 112; AG München v. 5.2.2007 – 1503 IE 4371/06, NZI 2007, 358, 359 m. zust. Anm. Mankowski 360, 361; zu weit LG Hildesheim v. 18.10.2012 – 5 T 294/12, NZI 2013, 110, 111: Die Verwaltung einer Warenhausimmobilie durch eine vom Schuldner beauftragte, selbständige Verwaltungsgesellschaft reicht für eine Niederlassung des Schuldners aus. Das überzeugt u.a. deshalb nicht, weil in diesem Fall der Schuldner gerade nicht selbst nach außen sichtbar auf dem Markt tätig ist. 60 BGH v. 21.6.2012 – IX ZB 287/11, NZI 2012, 725; BGH v. 8.3.2012 – IX ZB 178/11, NZI 2012, 377; AG München v. 5.2.2007 – 1503 IE 4371/06, NZI 2007, 358, 359; Bork/Harten, NZI 2018, 673, 676; Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 62; J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 54; a.A. (keine tatsächliche Weisungsabhängigkeit erforderlich): LG Hannover v. 10.4.2008 – 20 T 5/08, NZI 2008, 631, 632 m. krit. Anm. Vallender, 633. 61 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 53 m.w.N. 62 Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 61. 63 Vgl. zu diesen und ähnlichen Beispielen Bork/Harten, NZI 2018, 673, 676 ff.; Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 68 f. Zur EuInsVO 2000: Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 43 m.w.N.; Pannen in Runkel/ Schmidt, § 18 Rz. 114 m.w.N.; Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 547. 64 EuGH v. 20.10.2011 – C-396/09, ECLI:EU:C:2011:671 – Interedil, NZI 2011, 990.
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Art. 2 EuInsVO Begriffsbestimmungen auch wenn ein Steuerberater beauftragt wird65; die Verwaltung einer Immobilie durch eine selbstständige Verwaltungsgesellschaft (str.)66; ein seines Amtes (auch nur vorläufig) erhobener Notar67. Eine kurzfristige Montagetätigkeit reicht ebenfalls nicht aus; anders kann es aber bei einem großen Bauprojekt liegen, das eine dauerhafte Präsenz von Personal und Vermögensgegenständen (z.B. eingerichtetes Baubüro) erfordert. Ein Arzt, der im Auftrag seines ausländischen Arbeitgebers an zwei Tagen der Woche in einer als GmbH organisierten inländischen Klinik tätig ist, begründet dort keine Niederlassung, weil er nicht selbst Arbeit- oder Auftraggeber des dort zu seiner Unterstützung eingesetzten Personals ist (str.).68 28
Hat eine Gesellschaft den „Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen“ nicht in dem Staat, in dem ihr satzungsmäßiger Sitz liegt, so können dennoch ihre Aktivitäten dort einen Umfang annehmen, der für eine Niederlassung i.S.d. Art. 2 Nr. 10 EuInsVO ausreicht – mit der Folge, dass im Land des Satzungssitzes ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet werden kann.69 Entscheidend ist hierbei, dass COMI und Sitz auseinanderfallen; ansonsten könnten Haupt- und Sekundärverfahren im gleichen Mitgliedstaat eröffnet werden, was nach der Konzeption der Verordnung (z.B. Art. 34 EuInsVO) ausgeschlossen ist.70
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Ein rechtlich selbständiges Tochterunternehmen ist nach ganz h.M. keine Niederlassung der Muttergesellschaft,71 weil sein Personal und sein Vermögen nicht der Muttergesellschaft zugerechnet werden kann. Jedes rechtlich eigenständige Unternehmen ist nach der Konzeption der EuInsVO ein gesonderter Schuldner und kann deshalb nicht zugleich die Niederlassung einer anderen Gesellschaft bilden, selbst wenn diese die Mehrheit der oder sogar alle Anteile hält.72 An diesem Grundsatz hält die Verordnung trotz der neu eingeführten Vorschriften zur Konzerninsolvenz fest (s. oben Einl. EuInsVO Rz. 9 f.).73
30
Nach Ziff. 10 Halbs. 2 hindert es den Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens im Land der (nunmehr vormaligen) Niederlassung nicht, wenn der Schuldner seine dortigen wirtschaftlichen Aktivitäten weniger als drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung eines Hauptverfahrens im Land des COMI eingestellt hat. Wie viel Zeit zwischen der Schließung der Niederlassung und dem Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens vergangen ist, ist demgegenüber unerheblich. Diese Karenzfrist ist an die entsprechenden Regelungen für die Verlegung des COMI in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2, 3 und 4, je Satz 2 angelehnt.
31
Offenbar soll mit dieser zeitlich begrenzten Fiktion des Fortbestands der Niederlassung das Interesse der lokalen Gläubiger an der ortsnahen Verwertung der Vermögenswerte im Land der (ehema-
65 66 67 68 69
70 71
72 73
BGH v. 21.6.2012 – IX ZB 287/11, NZI 2012, 725, 726. Köster/Hemmerle, NZI 2013, 111, 112; a.A. LG Hildesheim v. 18.10.2012 – 5 T 294/12, NZI 2013, 110, 111. BGH v. 8.3.2012 – IX ZB 178/11, NZI 2012, 377 f.; zust. Bork/Harten, NZI 2018, 673, 676 f. Vallender, NZI 2008, 632, 633; ihm folgend auch Bork/Harten, NZI 2018, 673, 677; a.A. LG Hannover v. 10.4.2008 – 20 T 5/08, NZI 2008, 631, 632: ausreichend, dass das Personal nach außen für den Arzt auftritt; zust. Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 30. Ausdrücklich so ErwGr. 24 EuInsVO; bereits zum Art. 2 lit. h EuInsVO 2000: EuGH v. 4.9.2014 – C-327/13, ECLI:EU:C:2014:2158 – Burgo Group vs. Illochroma Rz. 32, NZI 2014, 964, 965; AG Köln v. 23.1.2004 – 71 IN 1/04, NZI 2004, 151; AG Düsseldorf 12.3.2004 – 502 IN 126/03, ZIP 2004, 623, 625; LG Innsbruck v. 11.5.2004 – 9 S 15/04m, ZIP 2004, 1721; LandesG Klagenfurt v. 2.7.2004 – 41 S 75/04h, NZI 2004, 677; Beutler, EWiR 2005, 217, 218; Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 44; Sabel, NZI 2004, 126, 127; Vallender, KTS 2005, 283, 302; a.A. Vallens, D. 2003 J. 2354. So auch jeweils in Anm. zu EuGH v. 4.9.2014 – C-327/13, ECLI:EU:C:2014:2158 – Burgo Group vs. Illochroma: Mankowski, NZI 2014, 964, 968; Schulz, EuZW 2015, 34, 39, die beide die Uneindeutigkeit des EuGH in dieser Hinsicht kritisieren. S. nur Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 2 EuInsVO Rz. 37; Sutschet in Vallender, Art. 2 EuInsVO Rz. 55; Tashiro in Braun, Art. 2 EuInsVO Rz. 70; Wenner/Schuster in FK-InsO, Art. 2 EuInsVO Rz. 41. Zur EuInsVO 2000 auch Ehricke, EWS 2002, 101, 104 ff.; Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 56; Thole in MünchKomm/ InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO 2000 Rz. 37. A.A. Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 28; Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 64. Vallender, KTS 2005, 283, 303. A.A. Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 28.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 2 EuInsVO
ligen) Niederlassung nach der dortigen lex concursus vor einem missbräuchlichen forum shopping74 von Seiten des Schuldners geschützt werden. Dieses Interesse ist nicht nur dann tangiert, wenn die Niederlassung ersatzlos aufgegeben wird, um die Vermögenswerte dem Hauptinsolvenzverfahren am COMI zuzuschlagen, sondern auch dann, wenn der Schuldner die Niederlassung in einen anderen Staat verlagert, um das mögliche Sekundärverfahren dorthin umzuleiten. Auch in der letzteren Konstellation ist deshalb die Karenzfrist der Ziff. 10 Halbs. 2 zu beachten. (str.).75 Die Kehrseite dieser Ausweitung ist, dass die Karenzfrist dann zu einer Sperrfrist wird, die einen Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens am neuen Niederlassungsort für ihre Dauer ausschließt 8. Lokale und ausländische Gläubiger (Nr. 11 und 12) Neu sind die Definitionen des lokalen und ausländischen Gläubigers. Lokale Gläubiger sind relevant 32 etwa für die Zusicherung nach Art. 36 ff. EuInsVO und die Umwandlung eines Insolvenzverfahrens gem. Art. 51 EuInsVO.76 Wie sich aus Nr. 11 ergibt, knüpft das Merkmal „lokal“ – anders als der Wortlaut suggeriert77 – nicht an den Sitz oder Aufenthalt des Gläubigers an, sondern ist forderungsbezogen:78 Die Forderung muss dem Betrieb der Niederlassung entstammen, d.h. deren Aktivitäten zuzuordnen sein. Erfüllungsort und Forderungsstatut sind insoweit unbeachtlich.79 Die Auslegung im Übrigen kann sich an Art. 7 Nr. 5 Brüssel Ia-VO80 orientieren.81 Der Begriff des ausländischen Gläubigers, der für die Schutzvorschriften der Art. 53–55 EuInsVO 33 und die Regelung des Art. 24 Abs. 4 EuInsVO Bedeutung hat, ist hingegen personenbezogen und knüpft an den „gewöhnlichen Aufenthalt, Wohnsitz oder Sitz“ des Gläubigers an, der in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Verfahrenseröffnung liegen muss. Die Begriffe gewöhnlicher Aufenthalt, Wohnsitz und Sitz sind weiterhin nicht definiert. Über die Definition des gewöhnlichen Aufenthalts als Lebens- oder Daseinsmittelpunkt („faktischer Wohnsitz“) besteht im IPR und IZVR allerdings auch kein Streit, uneinig ist man sich allenfalls über Einzelheiten,82 die man mit einer Begriffsbestimmung in der Verordnung ohnehin nicht hätte klären können. Der Begriff des Wohnsitzes ist rechtlich schillernder; auch hier sollte das Verständnis im Rahmen der Brüssel Ia-VO (vgl. Art. 62 Brüssel IaVO) herangezogen werden und eine Begriffsausfüllung nach dem heimatlichen Recht durch das Insolvenzgericht erfolgen. Der Blick in die Brüssel Ia-VO und damit zu Art. 63 Brüssel Ia-VO bietet sich auch zur Bestimmung des Sitzes eines Unternehmens an. Zu den ausländischen Gläubigern zählen auch Steuerbehörden und Sozialversicherungsträger eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen der Verfahrenseröffnung. Eine solche Beschreibung dieser Gläubigergruppe fand sich bereits in Art. 39 EuInsVO 2000 bzgl. der Forderungsanmeldung; die Definition ist in der Neufassung vorangestellt worden.
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Wie bereits im Rahmen der EuInsVO 2000 sind Forderungen von „Steuerbehörden“ pars pro toto als 35 öffentlich-rechtliche Forderungen zu verstehen,83 so dass beispielsweise auch ausländische nichtsteuerrechtliche Geldstrafen, Geldbußen, Ordnungsgelder und Zwangsgelder (§ 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO) angemeldet werden können. Klarstellungsbedarf bestand insoweit, als für öffentlich-rechtliche Forde74 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 48; s. auch Garcimartín, ZEuP 2015, 694, 724 f.; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 26; Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 2 EuInsVO Rz. 46. 75 Wie hier Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 2 EuInsVO Rz. 46; a.A. Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO Rz. 15; wohl auch Garcimartín, ZEuP 2015, 694, 724 f. („closing“). 76 Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO Rz. 17. 77 Krit. insoweit auch Fehrenbach, GPR 2017, 38, 40; Mankowski, NZI 2015, 961, 963; Thole, ZEuP 2014, 39, 64. 78 Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 2 EuInsVO Rz. 50; Mankowski, NZI 2015, 961, 963; Sutschet in Vallender, Art. 2 EuInsVO Rz. 57. 79 Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO Rz. 17. 80 Vgl. etwa Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2021), Art. 7 Brüssel Ia-VO Rz. 152 ff. 81 Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 31; J. Schmidt in Mankowski/Müller/ J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 63; Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO Rz. 17; i.E. auch Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 78. Lfg. 11/2018, Art. 2 EuInsVO Rz. 51. 82 Vgl. v. Hein in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2020, Art. 5 EGBGB Rz. 122 ff. 83 Ebenso wohl Virgós/Schmit, Bericht Nr. 266.
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Art. 2 EuInsVO Begriffsbestimmungen rungen dieser Art bisweilen die Anmeldungsmöglichkeit in anderen Staaten bestritten wurde.84 Die Verordnung sieht demgegenüber insoweit keinen Unterschied zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Gläubigern.85 9. Unternehmensgruppe, Mutterunternehmen (Nr. 13 und 14) 36
Die neu hinzugekommene Definition der Unternehmensgruppe bestimmt den Anwendungsbereich der neuen Vorschriften zur Konzerninsolvenz in den Art. 56 ff. EuInsVO und entspricht der Definition der „Gruppe“ in Art. 2 Nr. 11 Bilanz-RL86. Gemeint sind gem. Nr. 13 „ein Mutterunternehmen und alle seine Tochterunternehmen“, wobei der Begriff „Mutterunternehmen“ seinerseits in Nr. 14 definiert ist (dazu unten Rz. 39).
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Zwar wird gelegentlich aus der Mutter/Tochter-Begrifflichkeit geschlossen, dass Gleichordnungskonzerne nicht erfasst sind.87 Da aber nach Nr. 14 jedes Unternehmen ein Mutterunternehmen ist, dass ein anderes Unternehmen in seine konsolidierte Bilanz aufnimmt, während der Begriff des Tochterunternehmens nicht eigens definiert ist, hindert nichts daran, dieses andere Unternehmen trotz einer etwaigen materiellen Gleichordnung formal als Tochter des bilanzierenden Mutterunternehmens einzustufen und die Vorschriften zur Konzerninsolvenz zur Anwendung zu bringen.88
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Keine Voraussetzung für eine Unternehmensgruppe i.S.d. Nr. 13 ist, dass alle Unternehmen der Unternehmensgruppe ihren Sitz oder COMI in einem Mitgliedstaat haben. Art. 56 ff. EuInsVO verpflichten die Gerichte und Verwalter zur Zusammenarbeit in den in der EU laufenden Insolvenzverfahren über das Vermögen gruppenzugehöriger Unternehmen. Ob es einzelne Unternehmen in der Gruppe gibt, die kraft ihres COMI nicht der EuInsVO unterfallen (Art. 3 EuInsVO Rz. 13), ist für die Erfüllung dieser Verpflichtung gänzlich unerheblich.89 Das gilt selbst dann, wenn es ausgerechnet der COMI des Mutterunternehmens ist, der sich in einem Drittstaat befindet.90 Die Anwendbarkeit der Art. 56 ff. EuInsVO erfordert schließlich nicht, dass über das Vermögen aller Unternehmen der Gruppe ein Insolvenzverfahren (in der EU) eröffnet wurde; jedoch sind Normadressaten nur die Unternehmen, die sich in einem Insolvenzverfahren (in einem EU-Mitgliedstaat) befinden.91
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Gemäß Nr. 14 Satz 1 ist ein Mutterunternehmen ein Unternehmen, das ein oder mehrere Tochterunternehmen entweder unmittelbar oder mittelbar kontrolliert. Damit wird deutlich, dass nicht nur direkte Tochterunternehmen, sondern auch Enkelunternehmen usw. zur Unternehmensgruppe i.S.d. Nr. 13 gehören sollen. Aus Nr. 14 Satz 2 ergibt sich, die unwiderlegliche Vermutung, dass ein Unternehmen, das einen konsolidierten Abschluss gem. der Bilanz-RL92 erstellt, ein Mutterunternehmen ist.93 Weil jedoch die maßgeblichen Art. 22, 23 der Bilanz-RL den Mitgliedstaaten einen beacht84 Reinhart in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 39 EuInsVO 2000 Rz. 7 m.w.N. 85 So ausdrücklich EuGH v. 9.11.2016 – C-212/15 – ENEFI vs. DGRFP Rz. 39, NJW 2016, 959, 962 m. Anm. Mankowski, 962. 86 Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. EU 2013 L 182/19. 87 So (krit.) Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 34; Reuß, EuZW 2013, 165, 168; positiv hingegen Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO Rz. 20. 88 Ebenso Lienau in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 204; Sutschet in Vallender, Art. 2 EuInsVO Rz. 61; Hermann in Vallender, Art. 56 EuInsVO Rz. 22; Prütting in Kübler/Prütting/Bork, 79. Lfg. 03/2019, Art. 56 EuInsVO Rz. 7. 89 Zur Anwendbarkeit der Art. 56 ff. EuInsVO im Verhältnis zu Drittstaaten s. Fehrenbach in Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Vor Art. 56–77 EuInsVO Rz. 45 f. 90 So auch Hermann in Vallender, Art. 56 EuInsVO Rz. 28; Prütting in Kübler/Prütting/Bork, 79. Lfg. 03/2019, Art. 56 EuInsVO Rz. 7; Reinhart in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 56 EuInsVO Rz. 11. 91 Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO Rz. 19; s. auch Fehrenbach in Rauscher, EuZPR/ EuIPR, Vor Art. 56–77 EuInsVO Rz. 4. 92 Siehe oben Fn. 86. 93 Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 2 EuInVO Rz. 53; J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 79; Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 2 EuInsVO Rz. 22; Paulus, Art. 2 EuInsVO Rz. 79; a.A. Eble, NZI 2016, 115, 117; ihm folgend Tashiro in Braun, Art. 2 EuInsVO Rz. 83.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EuInsVO
lichen Umsetzungsspielraum zusprechen,94 müssen die nationalen Umsetzungsvorschriften herangezogen werden, d.h. im deutschen Recht die §§ 290 ff. HGB.95
Artikel 3 Internationale Zuständigkeit (1) Für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (im Folgenden „Hauptinsolvenzverfahren“). Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen ist der Ort, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und der für Dritte feststellbar ist. Bei Gesellschaften oder juristischen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort ihres Sitzes ist. Diese Annahme gilt nur, wenn der Sitz nicht in einem Zeitraum von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde. Bei einer natürlichen Person, die eine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausübt, wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen ihre Hauptniederlassung ist. Diese Annahme gilt nur, wenn die Hauptniederlassung der natürlichen Person nicht in einem Zeitraum von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde. Bei allen anderen natürlichen Personen wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass der Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen der Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts ist. Diese Annahme gilt nur, wenn der gewöhnliche Aufenthalt nicht in einem Zeitraum von sechs Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einen anderen Mitgliedstaat verlegt wurde. (2) Hat der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, so sind die Gerichte eines anderen Mitgliedstaats nur dann zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens befugt, wenn der Schuldner eine Niederlassung im Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaats hat. Die Wirkungen dieses Verfahrens sind auf das im Hoheitsgebiet dieses letzteren Mitgliedstaats befindliche Vermögen des Schuldners beschränkt. (3) Wird ein Insolvenzverfahren nach Absatz 1 eröffnet, so ist jedes zu einem späteren Zeitpunkt nach Absatz 2 eröffnete Insolvenzverfahren ein Sekundärinsolvenzverfahren. (4) Vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Absatz 1 kann ein Partikularverfahren nach Absatz 2 nur eröffnet werden, falls: a) die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Absatz 1 angesichts der Bedingungen, die das Recht des Mitgliedstaats vorschreibt, in dessen Hoheitsgebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, nicht möglich ist oder b) die Eröffnung des Partikularverfahrens von i) einem Gläubiger beantragt wird, dessen Forderung sich aus dem Betrieb einer Niederlassung ergibt oder damit im Zusammenhang steht, die sich im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats befindet, in dem die Eröffnung des Partikularverfahrens beantragt wird, oder ii) einer Behörde beantragt wird, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sich die Niederlassung befindet, das Recht hat, die Eröffnung von Insolvenzverfahren zu beantragen. Nach der Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens wird das Partikularverfahren zum Sekundärinsolvenzverfahren. 94 Zu den sich daraus ergebenden Anforderungen an die Kontrollbeziehung s. Bornemann in Wimmer/Bornemann/Lienau, Rz. 540 f. 95 J. Schmidt in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 2 EuInsVO Rz. 79; Eble, NZI 2016, 115, 116; a.A. Mock in BeckOK/InsO, 15.1.2021, Art. 2 EuInsVO Rz. 37.
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Art. 3 EuInsVO Internationale Zuständigkeit I. Allgemeines, Abgrenzung des Regelungsbereichs (Annex- und Nebenentscheidungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Hauptverfahren, Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . 1. Feststellung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Schuldnerinteressen (COMI) . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der COMI einer Gesellschaft . . . . . . . . c) Der COMI natürlicher Personen . . . . . . 2. Vermutungen bzgl. des COMI . . . . . . . . . a) Vermutung der Identität von Satzungssitz und COMI bei Gesellschaften . . . . . . . . aa) Nachforschungen des Insolvenzgerichts bzgl. des COMI nur bei Zweifeln . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Non liquet . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vermutungen hinsichtlich des COMI bei natürlichen Personen . . . . . . . . . . . . . aa) Selbständig Tätige . . . . . . . . . . . . bb) Nicht selbständig Tätige . . . . . . . . III. Partikularverfahren, Abs. 2–4 . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Sekundärverfahren, Abs. 3 . . . . . . . . . . 3. Isolierte Partikularverfahren, Abs. 4 . . . . IV. Maßgeblicher Zeitpunkt bei COMI- oder Niederlassungsverlegungen, Sperrfristen und Rechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . 1. COMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Perpetuatio fori, Sperrfristen (Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2–4, je Satz 2 EuInsVO) und rechtsmissbräuchliche COMI-Verlegung . . . . . . . . . . . . . . 2. Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die simulierte COMI-Verlegung . . . . . VI. Kompetenzkonflikte . . . . . . . . . . . . . 1. Positive Kompetenzkonflikte . . . . . . . a) Prioritätsgrundsatz . . . . . . . . . . . . b) Verstoß gegen den Prioritätsgrundsatz . 2. Negative Kompetenzkonflikte . . . . . . .
. . . . . .
. 40 . 46
. 49 . 49 . 49
. 52 . 57 . . . . . .
58 60 61 61 66 69
Schrifttum: Ahrens, Das COMI natürlicher Personen, NJW-Spezial 2020, 725; Bork/Harten, Die Niederlassung i.S.v. Art. 2 Nr. 10 EuInsVO bei natürlichen Personen, NZI 2018, 673; Brinkmann, Grenzüberschreitende Sanierung und europäisches Insolvenzrecht, KTS 2014, 381; Carstens, Die internationale Zuständigkeit im Europäischen Insolvenzrecht, 2005, zitiert: Carstens; Cranshaw, Partikulare Insolvenzverfahren nach der EuInsVO, DZWiR 2014, 473; Cranshaw, Das Urteil „Interedil“ des EuGH, Fortentwicklung des COMI, Durchbrechung von Bindungswirkungen, Folgen?, DZWiR 2012, 53; Degenhart, Keine Verpflichtung zur Beantragung eines Sekundärinsolvenzverfahrens, NZI 2019, 656; de Weijs/Breeman, Comi-migration: Use of Abuse of European Insolvency Law?, ECFR 2014, 495; Fehrenbach, Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren, 2014, S. 71; Frind, Plädoyer für eine europarechtskonforme nationale Beschränkung insolvenzbezogener Zuständigkeitsmanipulation, NZI 2019, 697; Guski, Darlegungslast für den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen, GPR 2012, 322; Huber, Centre of Main Interest von Verbrauchern, GPR 2020, 285; Latella, The „COMI“ Concept in the Revision of the European Insolvency Regulation, ECFR 2014, 479; Lorenz, Annexverfahren bei Internationalen Insolvenzen. Internationale Zuständigkeitsregelung der Europäischen Insolvenzverordnung (2005), zitiert: Lorenz; Mankowski, Internationale Nachlassinsolvenzverfahren, ZIP 2011, 1501; Omar, The Inevitability of „Insolvency Tourism“, NILR 2015, 249; Rentsch, Der gewöhnliche Aufenthalt im System des europäischen Kollisionsrechts, 2017; Reuß, Europäisches Insolvenzrecht 3.9 oder doch nur Version 1.1? EuZW 2013, 165; Thole, Lehren aus dem Fall NIKI, ZIP 2018, 401; Vallender, EuInsVO 2017 – eine neue Herausforderung für Insolvenzgerichte, in FS Beck, 2016, S. 437; Vallens, Transfert du siège statutaire et transfert du centre des intérêts principaux, D. 2011, 291; Wessels, COMI: Are English courts coming-out?, IILR 2010, 2; Wolf, Der europäische Gerichtsstand bei Konzerninsolvenzen, 2012, zitiert: Wolf; Wolf, Der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen bei Gesellschaften, GPR 2012, 149.
I. Allgemeines, Abgrenzung des Regelungsbereichs (Annex- und Nebenentscheidungen) 1
Art. 3 EuInsVO regelt die internationale Zuständigkeit der mitgliedstaatlichen „Gerichte“ (i.S.d. sehr weiten Definition des Art. 2 Nr. 6 EuInsVO) für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (i.S.d. Definition in Art. 2 Nr. 6 EuInsVO i.V.m. Anh. A)1. Zu unterscheiden ist dabei zwischen Hauptverfahren, die grundsätzlich universelle Wirkung beanspruchen, und Partikularverfahren, deren Wirkungen auf das Gebiet eines Mitgliedstaates beschränkt sind (vgl. Abs. 2 S. 2). Partikularverfahren 1 Vgl. für die Übertragung des Regelungskonzepts des Art. 3 EuInsVO auf Zuständigkeitskonflikte zwischen französischen Gerichten in rein nationalen Verfahren Cour d’appel Versailles, v. 11.1.2007 – 06/01087, Gaz. Pal. v. 21.7.2007, 30; dazu Achillas, ILO v. 21.12.2007 (www.internationallawoffice.com, zuletzt am 12.4.2021).
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EuInsVO
können vor einem Hauptverfahren nur unter den engen Voraussetzungen des Abs. 4 eröffnet werden; werden sie nach dem Hauptverfahren eröffnet oder fortgesetzt, werden sie als Sekundärverfahren bezeichnet. Art. 3 EuInsVO beschäftigt sich nicht ausdrücklich mit der internationalen Zuständigkeit für Nebenentscheidungen im Rahmen der Durchführung und Beendigung von Insolvenzverfahren sowie für Sicherungsmaßnahmen vor Insolvenzeröffnung i.S.v. Art. 32 Abs. 1 Unterabs. 2 und 3 EuInsVO. Wenn die Anerkennung dieser Entscheidungen aber ebenso wie die der Eröffnungsentscheidungen (Art. 19 EuInsVO) in der EuInsVO (Art. 32 EuInsVO) geregelt ist, spricht alles dafür, dass insoweit für die Entscheidungszuständigkeit nur versehentlich eine Regelung fehlt. Art. 3 EuInsVO ist deshalb auf Nebenentscheidungen und Sicherungsmaßnahmen analog anzuwenden, zumal die Verfahrenseffizienz (ErwGr. 3 EuInsVO) für eine solche Zuständigkeitsbündelung spricht.2
2
Zur internationalen Zuständigkeit für Verfahren, die in einem engen Zusammenhang mit einem Insolvenzverfahren stehen (Annexverfahren) s. Art. 6 EuInsVO.
3
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nicht nach der EuInsVO (vgl. ErwGr. 26 EuInsVO), sondern nach autonomem Recht, in Deutschland also nach § 3 InsO und hilfsweise nach Art. 102 § 1 Abs. 1 EGInsO.3 Die funktionelle Zuständigkeit für insolvenzrechtliche Beschwerden gegen Entscheidungen des AG als Insolvenzgericht ist auch bei der Beteiligung ausländischer Gläubiger am inländischen Insolvenzverfahren nach § 72 GVG dem LG zugewiesen.
4
Raum für die Anwendung von § 3 InsO anstelle des Art. 3 EuInsVO zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bleibt nur in Fällen, die nicht in den Anwendungsbereich der EuInsVO fallen. Da dies voraussetzt, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners i.S.d. Art. 3 Abs. 1 EuInsVO außerhalb der Europäischen Union (oder in Dänemark) liegt (s. oben Art. 1 EuInsVO Rz. 28), sind aber Fallgestaltungen schwer denkbar, in denen ein deutsches Gericht seine internationale Zuständigkeit für ein Hauptverfahren auf § 3 InsO zu stützen vermag, weil diese Norm ihrerseits primär an den „Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit“ (in Deutschland) bzw. an den damit regelmäßig zusammenfallenden (Wohn-)Sitz anknüpft.4 Es bleibt dann allenfalls die Zuständigkeit für ein Partikularverfahren nach § 356 InsO, das allerdings anders als nach der Verordnung (s. unten Rz. 37) schon immer dann eröffnet werden kann, wenn Schuldnervermögen in Deutschland belegen ist.
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Die Zuständigkeiten des Art. 3 EuInsVO sind ausschließlich5 und zwingend. Eine abweichend Zu- 6 ständigkeitsbegründung kraft Gerichtsstandsvereinbarung oder rügeloser Einlassung ist nicht möglich.6
II. Hauptverfahren, Abs. 1 1. Feststellung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Schuldnerinteressen (COMI) a) Allgemeines Ein Hauptinsolvenzverfahren kann gem. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO nur in dem Mitgliedstaat eröffnet werden, in dem der Schuldner „den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen“ hat, der 2 Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 86; in der Sache ebenso Thole in Brünkmans/ Thole, Handbuch Insolvenzplan, § 40 Rz. 12; Müller in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 32 EuInsVO Rz. 11. 3 Zur analogen Anwendung bei bestehender internationaler Zuständigkeit BGH v. 19.5.2009 – IX ZR 39/06, ZInsO 2009, 1270, 1271 f. = ZIP 2009, 1287, 1288 f. Zur örtlichen Zuständigkeit für Insolvenzanfechtungen gegen Anfechtungsgegner mit Sitz in anderem europäischen Mitgliedsstaat oder einem Drittstaat (Jersey) OLG Frankfurt v. 18.6.2012 – 10 W 27/12, ZInsO 2013, 350. 4 Vgl. Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 54; AG Köln v. 18.2.2008 – 71 IK 585/07, NZI 2008, 390. 5 EuGH v. 4.12.2019 – C-493/18 – Tiger Rz. 23, NZI 2020, 123; EuGH v. 14.11.2018 – C-296/17 – Wiemer & Trachte Rz. 27 ff., 36 ff., NZI 2018, 994 m.w.N. 6 Statt aller Mankowski, NZI 2020, 125, 126 m.w.N.
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Art. 3 EuInsVO Internationale Zuständigkeit auf der Basis der englischen Version („centre of main interests“) auch im Deutschen mit der Abkürzung COMI belegt wird. 8
Art. 2 EuInsVO 2000, in dem (wie auch heute) die Definitionen der Schlüsselbegriffe der Verordnung zu finden waren, enthielt (versehentlich7) keine solche des COMI. ErwGr. 13 EuInsVO sprang mit dem allgemein als Ersatz-Definition verstandenen Hinweis ein, dass als Mittelpunkt der Schuldnerinteressen der Ort gelten „sollte“, an dem der Schuldner gewöhnlich und für Dritte feststellbar der Verwaltung seiner Interessen nachgeht. Diese Begriffsbestimmung ist nunmehr in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO festgeschrieben. Sie ist inhaltlich im Wesentlichen deckungsgleich mit dem von der kollisionsrechtlichen Sitztheorie als Anknüpfungspunkt zur Bestimmung des Gesellschaftsstatuts verwandten tatsächlichen oder „effektiven Verwaltungssitz“,8 weshalb die beim Versuch der Ausfüllung dieses Begriffes gewonnenen Erkenntnisse einbezogen werden können.9
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Als COMI kann damit der Ort bezeichnet werden, der nach außen (= für Dritte) erkennbar derjenige ist, an dem die grundlegenden erwerbswirtschaftlichen Entscheidungen des Schuldners effektiv in laufende Geschäftsführungsakte nach außen sichtbar umgesetzt werden (business activity theory).10
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Die „Dritten“, auf deren Perspektive es für die Bestimmung des COMI ankommt, sind nach ErwGr. 28 EuInsVO in erster Linie die Gläubiger des Insolvenzschuldners. Ob daneben auch andere Personengruppen zu berücksichtigen sind, etwa seine Arbeitnehmer, ist offen.11 b) Der COMI einer Gesellschaft
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Damit ist bei einer Gesellschaft als Schuldner maßgeblich, wo die zuständigen Mitglieder der obersten Unternehmensleitung die Weisungen zur Gestaltung des Tagesgeschäfts geben („operative Leitung“12). I.d.R., aber nicht zwingend,13 wird dies der Ort sein, an dem bei Gesellschaften mit einer monistischen Struktur Verwaltungsrats- bzw. Board-Sitzungen, bei Gesellschaften mit dualistischer Struktur Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen stattfinden, da und soweit die dort getroffenen Entscheidungen dort auch zwecks gesellschaftsinterner Umsetzung verlautbart werden. Der EuGH stellt sprachlich abweichend, aber inhaltlich in identischer Weise darauf ab, an welchem Ort die Verwaltungs- und Kontrollorgane einer Gesellschaft ihre Verwaltungsentscheidungen in durch Dritte feststellbarer Weise treffen;14 ErwGr. 30 EuInsVO sekundiert, dass es um den Ort geht, an dem sich für Dritte überprüfbar der „tatsächliche Mittelpunkt der Verwaltung und der Kontrolle der Gesellschaft sowie der Verwaltung ihrer Interessen“ befindet. Der Ort von Betriebs- und Produktionsstätten des Schuldners ist ebenso unerheblich wie der Ort, an dem die interne Willensbildung des Leitungsorgans stattfindet,15 an dem untergeordnete Verwaltungsaufgaben wie Buchführung und Steuer-
7 Vgl. Virgós/Garcimartín, Nr. 48: ErwGr. 13 EuInsVO 2000 ist nur zufällig nicht Bestandteil des Verordnungstextes geworden. 8 Vgl. Mäsch in BeckOK/BGB, 1.2.2021, Art. 12 EGBGB Rz. 69 ff. 9 AG München v. 4.5.2004 – 1501 IE 1276/04, ZIP 2004, 962; Eidenmüller, NJW 2004, 3455, 3457; Kübler in FS Gerhardt, 2004, S. 527, 540 ff.; Huber, ZZP 114 (2001), 133, 141; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 14; Müller, NZG 2003, 414, 415; Mankowski, NZI 2004, 450, 451; Kolmann, S. 284; Weller, ZGR 2008, 835, 860 ff. 10 Vgl. AG Mönchengladbach v. 27.4.2004 – 19 IN 54/04, ZIP 2004, 1064; Pannen in Pannen, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 41 ff.; für die Bestimmung des Gesellschaftsstatuts BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269, 272 = NJW 1986, 2194 f.; Sandrock in FS Beitzke, 1979, S. 669, 683; weitere Nachweise bei Reuß, S. 142 f. 11 Für die Einbeziehung von Arbeitnehmern Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 3 EuInsVO Rz. 23 m.w.N. (als potentielle Gläubiger jedenfalls bzgl. Lohn- oder Gehaltsforderungen); dagegen Paulus, Art. 3 EuInsVO Rz. 18 f. 12 Vgl. Vallender, KTS 2005, 283, 292 f.; Mankowski, BB 2006, 1753, 1755; Thole, ZIP 2018, 401, 404. 13 Gegen ein schematisches Abstellen auf die Unternehmenszentrale („‘head office’ doctrine“) auch Wessels, IILR 2010, 2, 6. 14 EuGH v. 20.10.2011 – C-396/09, ECLI:EU:C:2011:671 – Interedil, NZI 2011, 990 m. Anm. Mankowski, 994; dazu auch Wolf, GPR 2012, 149. 15 Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 21; vgl. für denkbare Kriterien Wiedemann, ZInsO 2007, 1009, 1014 f.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EuInsVO
angelegenheiten bearbeitet werden16 oder an dem sich eine „Abschreibungsgesellschaft“ ihr Kapital beschafft.17 Abgesehen von der Vermutungsregel des Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO (unten Rz. 23) spielen Satzungssitz18 und Gründungsort keine Rolle, weshalb zum einen untergeordnete Tätigkeiten auch dann keinen COMI begründen, wenn sie am Satzungssitz ausgeführt werden,19 und zum anderen ein Hauptinsolvenzverfahren in der EU auch über Gesellschaften eröffnet werden kann, die nach dem Recht eines Drittstaates gegründet wurden (zur Eröffnung des Anwendungsbereichs der EuInsVO in diesem Fall oben Art. 1 EuInsVO Rz. 33).20 Ein doppelter COMI ist (ebenso wie ein doppelter gewöhnlicher Aufenthalt21) nicht möglich (h.M.),22 weil es keine zwei Hauptverfahren nebeneinander geben kann; auch in schwierigen Fällen ist deshalb der alleinige Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen zu ermitteln.23 Bei einer dezentralen Unternehmensstruktur mit zwei oder mehr wirklich gleichgeordneten, auch nicht ansatzweise hierarchisch verbundenen operativen Verwaltungszentralen in verschiedenen Ländern (wie sie tatsächlich nur selten vorliegen wird24) sollte wegen Art. 3 Abs. 1 Satz 2 EuInsVO die Übereinstimmung einer der Verwaltungszentralen mit dem Satzungssitz den Ausschlag geben.25
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Im Konzern ist der COMI für jede konzernangehörige Gesellschaft nach den genannten Kriterien gesondert, also im Hinblick auf die jeweils eigene Unternehmensleitung zu bestimmen;26 der COMI der konzernleitenden Gesellschaft überstrahlt nicht alles. Der europäische Gesetzgeber hat auch in der EuInsVO keine Regelungen für eine einheitliche Konzerninsolvenz getroffen, sondern in Art. 56 ff. EuInsVO lediglich Vorgaben gemacht für die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den für die jeweils eigenständigen Insolvenzverfahren über das Vermögen konzernangehöriger Unternehmen zuständigen Verwalter und Gerichte. Er hat keinen Konzerngerichtsstand normiert.27 Deshalb darf das Gericht eines Mitgliedstaats, das ein Hauptinsolvenzverfahren gegen eine dort ansässige Gesellschaft eröffnet hat, dieses auch unter dem Gesichtspunkt einer Vermögensvermischung nur dann in Anwendung einer innerstaatlichen Vorschrift auf eine konzerngebundene zweite, rechtlich selbstständige Ge-
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16 Vgl. LG Essen v. 10.3.1994 – 2 O 315/93, IPRax 1996, 120 = NJW 1995, 1500, 1501; AG Köln v. 1.2.2008 – 73 IN 682/07, NZI 2008, 257. 17 A.A. OLG Frankfurt v. 11.7.1985 – 1 U 134/84, IPRax 1986, 373, 374 mit insoweit abl. Anm. Ahrens, IPRax 1986, 355, 357. Allgemein gegen die Maßgeblichkeit von „Finanzierungsangelegenheiten“ Huber in FS Heldrich, 2005, S. 679, 691. 18 Rechtspolitisch für eine Anknüpfung an den Satzungssitz statt an den COMI etwa Ringe, JZ 2016, 573, 576 m.w.N. 19 AG Köln v. 19.2.2008 – 73 IE 1/08, NZI 2008, 257, 260 = ZInsO 2008, 388, 391, auch explizit die Rechtsmissbräuchlichkeit der Sitzverlegung verneinend. 20 Mankowski, RIW 2004, 587, 600. 21 Vgl. Lorenz in BeckOK/BGB, 1.2.2021, Art. 5 EGBGB Rz. 15. 22 OGH v. 30.11.2006 – 8 Ob 12/06g, ÖJZ 2007, 325, 327; Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 3 EuInsVO Rz. 6; Balz, ZIP 1996, 948, 949; a.A. Herchen, ZIP 2005, 1401; Paulus, Einl. EuInsVO Rz. 35, 44; wohl auch Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 27. 23 Ausführlich zum Schwerpunkt der Verwaltungstätigkeit in Grenzfällen (Kleinstunternehmen mit schwacher Struktur, multinationale Unternehmen mit auf mehreren Staaten verteilter Geschäftsführung etc.) Borges, RIW 2000, 167, 170 ff. 24 Ein Beispiel soll die DaimlerChrysler AG (wohl nur) in der ersten Zeit nach der Fusion gewesen sein, vgl. Zimmer in FS Buxbaum, 2000, S. 655, 665 f. 25 Im Ergebnis ebenso Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 27. 26 Virgós/Schmit, Bericht, Nr. 76; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 31; Mock in BeckOK/InsO, 15.1.2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 17. 27 Blenske, EWiR 2004, 601, 602; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 32; Jacquemont, Clunet 131 (2004), 150, 153; Vallens, D. 2003 J. 2354, 2355. Sympathien für einen Konzerngerichtsstand „de facto“ hegt aber Paulus, Art. 3 EuInsVO Rz. 28; für einen einheitlichen Gerichtsstand für verbundene Unternehmen auch Wolf, Der europäische Gerichtsstand bei Konzerninsolvenzen, 2012. Vgl. zur Kontroverse um einen Konzerninsolvenzgerichtstand ferner AG Köln v. 1.2.2008, NZI 2008, 254 = ZInsO 2008, 253 m. Anm. Knof/Mock; Frind, ZInsO 2008, 363, 365 f.; Vallender/Deyda, NZI 2009, 825, die zwischen nationalem und internationalem Kontext unterscheiden und nur die Einführung eines Konzerninsolvenzgerichtsstands auf nationaler Ebene für wünschenswert halten.
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Art. 3 EuInsVO Internationale Zuständigkeit sellschaft erstrecken, wenn diese ihren COMI im selben Mitgliedsstaat hat.28 Die jeweils gesonderte Betrachtung von konzernangehörigen Gesellschaften schließt nicht aus, den COMI einer Tochtergesellschaft am Sitz oder COMI der Mutter zu lokalisieren; es ist aber anhand der Umstände des Einzelfalls sorgfältig zu prüfen, ob am Ort der Konzernmutter nicht nur die (für Dritte nicht feststellbare und deshalb für den COMI nicht hinreichende) Kontrolle über die Tochter ausgeübt wird29 oder intern die wichtigsten strategischen Entscheidungen für die Geschäftstätigkeit der Tochter (mit) fallen (sog. mind of management theory30), sondern ob sie dort auch nach außen erkennbar verlautbart und in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.31 Anders ausgedrückt: Es kommt nicht auf die strategische Führung, sondern auf die operative Leitung an.32 Fragwürdig ist deshalb eine Entscheidung des LG Berlin33 im Zusammenhang mit der Insolvenz von Air Berlin, nach der das österreichische Tochterunternehmen NIKI seinen COMI in Österreich hatte, obwohl nach den Feststellungen des Gerichts die den Flugbetrieb von NIKI leitende Operationszentrale in Berlin ansässig war.34 14
Gerade englische Gerichte haben unter der EuInsVO 2000 allzu schnell den COMI einer Tochtergesellschaft am COMI der (englischen) Mutter lokalisiert, um in England ein gemeinsames Hauptverfahren über die englische Mutter und alle Tochtergesellschaften eröffnen zu können;35 kontinentale und insbesondere auch deutsche Gerichte sind dem rasch gefolgt.36 Der EuGH hat dieser Tendenz in der Rechtssache Eurofood IFCS 37 eine deutliche Abfuhr erteilt,38 was deutliche Spuren in der Rechtsprechung der mitgliedstaatlichen Gerichte hinterlassen hat.39 28 EuGH v. 15.12.2011 – C-191/10, ECLI:EU:C:2011:838 – Rastelli Davide e.C.Snc. vs. Hidoux, NZI 2012, 147 m. Anm. Mankowski, 150. 29 Darauf stellen zu Unrecht AG München v. 4.5.2004 – 1501 IE 1276/04, IPRax 2004, 433; AG Offenburg v. 2.8.2004 – 2 IN 133/04, NZI 2004, 673 und AG Siegen v. 1.7.2004 – 25 IN 154/04, NZI 2004, 673 ab. Demgegenüber mustergültige Einzelfallprüfung Tribunal de Grande Instance Lure v. 29.3.2006 – No. 06/01 – Energotech. 30 Im deutschen Schrifttum so aber bisher Paulus, Art. 3 EuInsVO, 4. Aufl. 2013, Rz. 37; vgl. zu diesem Ansatz auch ausführlich Reuß, S. 123 ff. m.w.N.; sowie Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 19; Weller, ZHR 169 (2005), 570, 571 f.; Pannen in Pannen, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 39. 31 Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 49; Paulus, Art. 3 EuInsVO Rz. 27 f.; GA Jacobs, Schlussanträge v. 27.9.2005 – C-341/04 – Eurofood IFCS Rz. 126; Rotstegge, ZIP 2008, 955, 960 f. Rspr.-Nachweise zum COMI von Tochtergesellschaften bei Vallender, KTS 2005, 283, 292 Fn. 44. Vgl. ferner AG Köln v. 19.2.2008 – 73 IE 1/08, NZI 2008, 257, 260 – PIN II: einheitlicher Konzerninsolvenzgerichtstand am für Gläubiger erkennbaren Sitz des „zentralen Lenkungsauschusses“; zust. Anm. Knof/Mock, ZInsO 2008, 253; Rotstegge, ZIP 2008, 955, 961; Paulus, EWiR Art. 3 EuInsVO 1/08, 531 f.; Schmittmann/Hesselmann, ZInsO 2008, 957, 963 f.; abl. Anm. Frind, ZInsO 2008, 363, 365 f.; a.A. Weller, ZHR 169 (2005), 570, 583: Der COMI einer konzernzugehörigen Tochtergesellschaft befindet sich am „Hauptort ihrer werbenden Geschäftstätigkeit“. Das überzeugt nicht, weil er damit nur für Tochtergesellschaften vom allgemeinen Ausgangspunkt abweichen will, dass es auf den Ort ankommt, an dem der Schuldner der „Verwaltung seiner Interessen nachgeht“, wo also die Geschäftsführung tätig ist. Für eine solche Differenzierung biete die EuInsVO keine Grundlage. 32 So Thole, ZIP 2018, 401, 404; Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, EuInsVO Art. 3 Rz. 60. 33 LG Berlin v. 8.1.2018 – 84 T 2/18, ZIP 2018, 140; anders noch die Vorinstanz, AG Charlottenburg v. 23.1.2018 – 36n IE 6433/17, ZIP 2018, 240. Mit zusätzlichen Erwägungen zum gleichen Ergebnis wie das LG Berlin (COMI von NIKI in Österreich) kommend (österr.) LG Korneuburg v. 12.1.2018 – 36 S 5/18d-3, ZIP 2018, 393, 396 f. 34 Das LG hielt diesen Umstand deshalb für unmaßgeblich, weil in der Operationszentrale Fremdmitarbeiter tätig waren, nämlich solche von Air Berlin. Dagegen zu Recht Thole, ZIP 2018, 401, 404 f. 35 Vgl. nur High Court of Justice, Chancery Division Birmingham – 2375-2382/05, ZIP 2005, 1610; VGH Kassel v. 21.1.2005 – 6 TG 1568/04, NJOZ 2005, 1930; vgl. Weller, ZHR 169 (2005), 570, 579. 36 AG München v. 4.5.2004 – 1501 IE 1276/04, IPRax 2004, 433; AG Offenburg v. 2.8.2004 – 2 IN 133/04, NZI 2004, 673; AG Siegen v. 1.7.2004 – 25 IN 154/04, NZI 2004, 673, 674; Tribunal de commerce Paris v. 15.1.2007 – 2007-331354 – Eurotunnel; weitere Nachweise bei Mankowski, BB 2006, 1753, 1754 Fn. 18-20; Thole, ZEuP 2007, 1137, 1141 Fn. 6-9. 37 EuGH v. 2.5.2006 – C-341/04, ECLI:EU:C:2006:281 – Eurofood IFSC Rz. 36, EuZW 2006, 337, 338 = NZI 2006, 360, 361; krit. dazu Paulus, NZG 2006, 609, 612; Paulus, NZI 2008, 1, 2; zust. Thole in MünchKomm/ InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 3 EuInsVO Rz. 30; zur weltweiten Rezeption der Leitentscheidung J. Schmidt ZIP 2007, 405. 38 Zur Diskussion nach Eurofood Oberhammer, KTS 2009, 27, 32 ff. 39 S. etwa die Entscheidungen zum COMI von NIKI, oben Rz. 13.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EuInsVO
Der COMI einer reinen Holdinggesellschaft ist dort, wo die Entscheidungen über die Verwaltung der Beteiligungen getroffen und umgesetzt werden;40 dass Mitgliedschafts- und Beteiligungsrechte an Unternehmen nach Art. 2 Nr. 9 EuInsVO als am COMI der fraglichen Gesellschaft oder Vereinigung belegen gelten (s. oben Art. 2 EuInsVO Rz. 23), ist unerheblich, weil die Belegenheit von Vermögenswerten des Schuldners nach dem System des Art. 3 EuInsVO die Zuständigkeit weder für ein Haupt- noch für ein Partikularverfahren begründet.
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Wenn der Schuldner im Zeitpunkt des Insolvenzantrags die werbende Tätigkeit bereits eingestellt hat, aber gleichzeitig feststeht, dass sich bis dahin sein COMI in einem anderen Land als dem des Satzungssitzes befunden hat, bleibt es bei der internationalen Zuständigkeit der Behörden im COMIStaat; die Zuständigkeit „fällt“ nicht mit Einstellung der geschäftlichen Aktivitäten an den Satzungssitz-Staat41 zurück und folgt auch nicht der die Abwicklung vornehmenden Konzernzentrale42 oder sonstigen Stelle (str.).43
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Zur Vermutung der Identität von COMI und Satzungssitz nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 s.u. Rz. 23.
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c) Der COMI natürlicher Personen Der Vermutungsregel des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 Satz 1 EuInsVO (zu dieser unten Rz. 31) liegt die 18 Annahme zugrunde, dass der COMI einer natürlichen Person, die einer selbständigen Tätigkeit nachgeht, regelmäßig an dem Ort liegt, wo diese ausgeübt wird (gewerbliche Niederlassung = Büro-, Praxis-, Kanzleiräume44; bei mehreren Niederlassungen entscheidet die Hauptniederlassung45); abhängig Beschäftigte (und zwangsläufig auch solche, die gar keiner Beschäftigung – mehr – nachgehen) haben ihren COMI dementsprechend an ihrem gewöhnlichen Aufenthalts- (nicht am Arbeits-)ort, Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 Satz 1 EuInsVO (zu den diesbezüglichen Vermutungen unten Rz. 31 und Rz. 33). Personen, die i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 EuInsVO eine selbständige gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeit ausüben, sind in deutscher Terminologie Kaufleute, Unternehmer und Freiberufler.46 Die Abgrenzung zwischen selbständigen und abhängigen Tätigkeiten sollte aber in Zweifelsfällen nach den im Rahmen von Art. 8 Rom I-VO entwickelten (europäischen) Kriterien vorgenommen werden, wie sie auch bei Art. 13 EuInsVO heranzuziehen sind.47 Ist der Schuldner ausschließlich über von ihm beherrschte Gesellschaften aktiv, soll das nach einer verbreiteten Ansicht ausreichen,
40 Vgl. AG Düsseldorf v. 11.10.2019 – 501 IN 150/19, BeckRS 2019, 38900 Rz. 15 ff., 21 ff.; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Internationales Handels- und Gesellschaftsrecht Rz. 462. 41 AG Hamburg v. 1.12.2005 – 67a IN 450/05, ZIP 2005, 2275 = ZInsO 2005, 1282 (Zuständigkeit deutscher Insolvenzgerichte für eine nur in Deutschland tätige englische Limited auch bei Einstellung der werbenden Tätigkeit vor Insolvenzantrag). 42 AG Mönchengladbach v. 27.4.2004 – 19 IN 54/04, NZI 2004, 383, 384. 43 Noch anders Paulus, Art. 3 EuInsVO Rz. 25: Nach Einstellung der werbenden Tätigkeit einer Gesellschaft kommt es auf den COMI der „eigentlich agierenden natürlichen Personen“ an; ähnlich AG Hamburg v. 16.8.2006 – 67a IE 1/06, NZI 2006, 652, 653 mit zust. Anm. Klöhn, 653: Wechsel der internationalen Zuständigkeit dann, wenn „es sich um objektive und für Dritte feststellbare Abwicklungstätigkeiten handelt“. Zum (umstrittenen) Wechsel der örtlichen Zuständigkeit in den Fällen der sog. „gewerblichen“ Firmenbestattung s. OLG Karlsruhe v. 30.5.2005 – 15 AR 8/05, NZI 2005, 505, BayObLG v. 25.7.2003 – 1Z AR 72/03, NJW-RR 2004, 986; OLG Celle v. 9.10.2003 – 2 W 108/03, NZI 2004, 258, 259; OLG Stuttgart v. 27.11.2003 – 8 AR 16/03, OLGR 2004, 184, 186 = BeckRS 2004, 2705; OLG Schleswig v. 4.2.2004 – 2 W 14/04, NZI 2004, 264; Kleindiek, ZGR 2007, 276; zu den Neureglungen des MoMiG zur Verhinderung von Firmenbestattungen Begr. RegE 2007, BT-Drucks. 16/6140, 26. 44 Carstens, S. 59; Mankowski, NZI 2005, 368, 370; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 39; Pannen in Runkel/Schmidt, § 18 Rz. 90 m.w.N.; Paulus, Art. 3 EuInsVO Rz. 33; Thole in MünchKomm/ InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 3 EuInsVO Rz. 52; Wiedemann, ZInsO 2007, 1009, 1013. 45 Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 3 EuInsVO Rz. 113. 46 Vallender/Zipperer in Vallender, Art. 3 EuInsVO Rz. 34. 47 Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 3 EuInsVO Rz. 116.
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Art. 3 EuInsVO Internationale Zuständigkeit um auch ihm selbst eine selbständige Tätigkeit zu attestieren;48 zutreffend dürfte hingegen sein, dies mit der h.M. zu Art. 8 Rom I-VO als unselbständig zu qualifizieren.49 Selbständig tätige Künstler sollen keine Selbständigen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 EuInsVO sein, weil sie keine „gewerblichen“ oder „freiberuflichen“ Aktivitäten verfolgen.50 Es erscheint aber höchst fraglich, ob der EuGH gewillt ist, dieses in Deutschland historisch gewachsene, rechtspolitisch längst fragwürdige Konzept51 auf die EuInsVO zu übertragen, zumal weder Wortlaut noch ratio der Vorschrift dazu zwingen. Übt der Schuldner sowohl eine selbständige als auch eine abhängige Tätigkeit aus, entscheidet der (wohl anhand des Zeitaufwands festzustellende) Schwerpunkt seiner Aktivitäten.52 20
Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts, der für nicht selbständig Tätige maßgeblich ist, ist nicht definiert, wird aber ganz allgemein als „Daseinsmittelpunkt“ verstanden53 und kann unter Rückgriff auf die im internationalen Schuld-, Familien- und Erbrecht (etwa Art. 4 Rom I-VO, 4 II Rom II-VO, 8 Brüssel IIa-VO; Art. 21 EuErbVO; Art. 8 Rom III-VO) entwickelten Grundsätze54 auch für die EuInsVO mit Leben erfüllt werden (s. auch Art. 2 EuInsVO Rz. 33).55
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Aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls kann der COMI einer natürlichen Person auch abweichend von der (Haupt-)Niederlassung oder dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts zu lokalisieren sein; dabei dürfte es sich aber um ganz seltene Ausnahmefälle handeln.56 Die Tatsache, dass die einzige Immobilie des abhängig beschäftigten Schuldners außerhalb des Mitgliedstaats seines gewöhnlichen Aufenthalts belegen ist, ist nach dem EuGH selbst dann kein hinreichender Grund für eine andere Verortung des COMI, wenn die Verbindlichkeiten, die den Schuldner in die Knie zwingen, ebenfalls ausschließlich im Belegenheitsland der Immobilie zu verorten sind.57
22
Zur missbräuchlichen oder scheinbaren Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts über die Grenze („Schuldbefreiungstourismus“) s. unten Rz. 52 und Rz. 56. Im Rahmen einer Nachlassinsolvenz kommt es auf den COMI des Erblassers im Zeitpunkt des Todes, nicht des Erben an.58 2. Vermutungen bzgl. des COMI a) Vermutung der Identität von Satzungssitz und COMI bei Gesellschaften
23
Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 EuInsVO wird widerleglich vermutet,59 dass sich der COMI einer Gesellschaft an ihrem Sitz befindet. Wohl nur irrtümlich fehlt die früher in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 48 Supreme Court of Gibraltar v. 31.7.2017 – 2016/COMP/039, ZIP 2017, 1773; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 39; Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 80. Lfg. 6/2019, Art. 3 EuInsVO Rz. 18; Mock in BeckOK/InsO, 15.1.2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 23.2. 49 So wohl auch Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 3 EuInsVO Rz. 67. Zu Art. 8 Rom I-VO vgl. Martiny in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 8 Rom I-VO Rz. 21 m.w.N. Ausführlich zur schwierigen Einordnung des Alleingesellschafters und Geschäftsführers in das Schema selbständig/unselbständig Mankowski, NZI 2017, 321. 50 Vallender/Zipperer in Vallender, Art. 3 EuInsVO Rz. 34; Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 3 EuInsVO Rz. 64. 51 Merkt in Baumbach/Hopt, HGB, 40. Aufl. 2021, § 1 HGB Rz. 19. 52 Vallender/Zipperer in Vallender, Art. 3 EuInsVO Rz. 35; ähnlich Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 3 EuInsVO Rz. 7. 53 Vgl. Lorenz in BeckOK/BGB, 1.2.2021, Art. 5 EGBGB Rz. 15. 54 Vgl. im Einzelnen etwa Lorenz in BeckOK/BGB, 1.2.2021, Art. 5 EGBGB Rz. 15 f.; v. Hein in MünchKomm/ BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 5 EGBGB Rz. 151 ff.; Rentsch, Der gewöhnliche Aufenthalt im System des europäischen Kollisionsrechts, 2017. 55 Zweifelnd wegen der Unterschiede zwischen Insolvenz- und Familienrecht GA Szpunar, Schlussanträge v. 30.4.2020 – C-253/19 – Novo Banco Rz. 45 f., BeckRS 2020, 7105. Er verkennt dabei, dass der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts (1) kein einheitlicher Monolith und (2) auch dem erheblich näher am Insolvenzrecht stehenden Internationalen Schuldrecht und dem allgemeinen Internationalen Zivilverfahrensrecht nicht unbekannt ist. 56 Mankowski, NZI 2005, 368, 370 f.; vgl. High Court of Justice London v. 20.12.2006 – No. 9849/02, NZI 2007, 361 ff. 57 EuGH v. 16.7.2020 – C-253/19 – Novo Banco, NZI 2020, 805 m. Anm. Mankowski, 807. 58 Mankowski, ZIP 2011, 1501, 1502. 59 Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 469 f., 480 ff. plädiert für Verordnungsänderung hin zu einer unwiderleglichen Vermutung zugunsten des Satzungssitzes der Gesellschaft; ähnlich Thole, ZEuP 2007, 1137, 1150 f.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EuInsVO
EuInsVO 2000 und heute noch in den anderen Sprachfassungen des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 EuInsVO enthaltene Präzisierung, dass damit der Satzungssitz („registered office“, „siège statutaire“) gemeint ist. Zwar liegt dieser in aller Regel im Gründungsstaat der Gesellschaft, er kann aber nachträglich grenzüberschreitend verlegt werden.60 Die Vermutung zugunsten des Satzungssitzes greift auch in diesem Fall, es sei denn, die Verlegung fand weniger als drei Monate vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren statt, Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 EuInsVO. Dies soll missbräuchliches forum shopping bekämpfen (zum non liquet in diesem Fall unten Rz. 29).61
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Die Regel des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 EuInsVO hat zwei Facetten: Zum einen geht es um die Frage, unter welchen Umständen das Insolvenzgericht Nachforschungen zum COMI des Schuldners anstellen muss (unten a), zum anderen um die Folgen, wenn positive Gewissheit über einen COMI im Gerichtsstaat trotz dieser Nachforschungen nicht zu erlangen ist (non liquet, unten bb).
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Der EuGH meint, dass sich die Vermutung der Identität von Satzungssitz und COMI nicht widerlegen lässt, wenn sich die Verwaltungs- und Kontrollorgane einer Gesellschaft am Ort ihres satzungsmäßigen Sitzes befinden und die Verwaltungsentscheidungen der Gesellschaft in durch Dritte feststellbarer Weise an diesem Ort getroffen werden.62 In diesem Fall ist aber tatsächlich der COMI positiv festgestellt, so dass es auf die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 EuInsVO und ihre Widerlegung gar nicht ankommt.
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aa) Nachforschungen des Insolvenzgerichts bzgl. des COMI nur bei Zweifeln Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 EuInsVO erleichtert trotz des sie auch im Hinblick auf zuständigkeitsbegründende Umstände bindenden Amtsermittlungsgrundsatzes (Art. 4 Abs. 1 EuInsVO) auch den deutschen Insolvenzgerichten das Leben.63 Sie können sich aufgrund der gesetzlichen Vermutung i.d.R. darauf verlassen, dass Satzungssitz und COMI des Schuldners zusammenfallen und auf dieser Basis die Entscheidung über ihre internationale Zuständigkeit treffen. Nur bei begründeten Zweifeln64 an der Identität von Satzungssitz und COMI oder umgekehrt konkreten Anhaltspunkten für ihr Auseinanderfallen65 muss ein Gericht eigene Nachforschungen anstellen; es kann zu diesem Zweck auch vom Antragsteller weitergehende Nachweise verlangen.
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Die Frage ist, welche konkreten Umstände beim Gericht „begründete Zweifel“ auslösen müssen.66 28 Selbstverständlich erscheint, dass das Gericht Ermittlungen aufzunehmen hat, wenn der Insolvenzantrag nicht im Land des Satzungssitzes gestellt wird67 – dies ist Anlass genug, für den konkreten Fall an der Übereinstimmung von Satzungssitz und COMI zu zweifeln. Gleiches gilt, wenn der „Liquida60 Vgl. Mäsch in BeckOK, 1.2.2021, Anh. II zu Art. 12 EGBGB Rz. 65. 61 ErwGr. 31 EuInsVO; vgl. ferner Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 3 EuInsVO Rz. 13; Schack, Rz. 1240. 62 EuGH v. 20.10.2011 – C-396/09, ECLI:EU:C:2011:671 – Interedil, NZI 201, 990 m. Anm. Mankowski, 994. 63 Zur EuInsVO 2000, der eine dem heutigen Art. 4 Abs. 1 EuInsVO entsprechende Regelung noch fehlte, war das streitig, vgl. etwa Smid in Leonhardt/Smid/Zeuner, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 24; Prütting in Breitenbücher/ Ehricke, Insolvenzrecht, 2003, 59, 75; Eidenmüller NJW 2004, 3455, 3457 Fn. 18 (Die Vermutungsregel des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO 2000 ist eine Sonderregelung, die dem nationalen Amtsermittlungsgrundsatz vorgeht); Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 42; Umgekehrt noch Kindler in MünchKomm/BGB, 6. Aufl. 2015, Art. 3 EuInsVO Rz. 27: Wegen der amtswegigen Ermittlung mit „klaren Ermittlungskriterien“ wird ein Rückgriff auf die Zweifelsfallregelung nicht erforderlich sein. Zusammenfassung des damaligen Meinungsstands bei Vallender, KTS 2005, 282, 294. 64 So KG v. 11.2.1997 – 1 W 3412/96, NJW-RR 1997, 1127, für das ebenfalls vom Amtsermittlungsgrundsatz (§ 12 FGG) beherrschte Handelsregister-Eintragungsverfahren; ebenso AG Hamburg v. 9.5.2006 – 67c IN 122/06, NZI 2006, 486; zu Mitwirkungsobliegenheiten des Schuldners Guski, GPR 2012, 322. 65 BGH v. 1.12.2011 – IX ZB 232/10, ZIP 2012, 139, 140 („hinreichende Anhaltspunkte“); „konkrete“ Anhaltspunkte fordern Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 3 EuInsVO Rz. 76; sowie Vallender, KTS 2005, 283, 294. 66 Zahlreiche Einzelfälle bei Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 3 EuInsVO Rz. 79 ff. 67 OLG Wien v. 9.11.2004 – 28 R 225/04w, ZIK 2005, 2, 5; AG Saarbrücken v. 25.2.2005 – 106 IN 3/05, ZInsO 2005, 727; Vallender, KTS 2005, 283, 286; Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 3 EuInsVO Rz. 80.
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Art. 3 EuInsVO Internationale Zuständigkeit tor“ einer Gesellschaft, der an deren Satzungssitz den Insolvenzantrag stellt, selbst im Ausland ansässig ist.68 In anderen Fällen wird entscheidend sein, ob Umstände bekannt sind, die es als zweifelhaft erscheinen lassen, dass die geschäftsleitenden Weisungen tatsächlich am Satzungssitz ausgegeben und umgesetzt werden.69 Solche Umstände sind etwa eine fehlende dortige firmeneigene Postanschrift und fehlende eigene Fax- oder Telefonanschlüsse;70 weiter die Tatsache, dass alle die Leitungsebene bildenden natürlichen Personen ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort nicht im Staat des Satzungssitzes haben71 oder keine dortige Geschäftstätigkeit der Gesellschaft zu erkennen ist; ferner, dass am Satzungssitz ein funktionsfähiger Apparat (eigenes Personal, Büro) – soweit für die Geschäfte der Gesellschaft nach ihrem behaupteten Umfang notwendig – nicht vorhanden ist.72 Schädlich ist es selbstverständlich auch, wenn der Gesellschaftsvertrag einer nach englischem Recht gegründeten private limited company den leitenden Direktoren der Gesellschaft aus (vermeintlichen) steuerlichen Gründen untersagt, am Satzungssitz in England Sitzungen abzuhalten.73 Eine erst kürzlich erfolgte Satzungssitz-Verlegung wird dem Gericht ebenfalls Anlass zu Nachprüfungen geben. Zur Rolle der Dreimonatsfrist des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 EuInsVO s.u. Rz. 52. bb) Non liquet 29
Die zweite Facette der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 EuInsVO greift ein, wenn das Insolvenzgericht trotz aller Nachforschungen den tatsächlichen COMI nicht lokalisieren kann. Ist der Insolvenzantrag im Staat des Satzungssitzes gestellt, ist die internationale Zuständigkeit aufgrund der Vermutung der Identität von Satzungssitz und COMI zu bejahen; hat der Antragsteller ein Gericht außerhalb des Satzungssitz-Staates angerufen, ist der Eröffnungsantrag aus demselben Grund als unzulässig abzuweisen.74
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Greift die Vermutung zugunsten des aktuellen Satzungssitzes wegen der Unterschreitung der dreimonatigen période suspecte nicht, wird man hilfsweise auf eine Vermutung zugunsten des letzten Satzungssitzes zurückgreifen können, wenn es dem Gericht nicht gelingt, den tatsächlichen COMI zu ermitteln.75 b) Vermutungen hinsichtlich des COMI bei natürlichen Personen aa) Selbständig Tätige
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Der COMI einer natürlichen Person, die einer selbständigen Tätigkeit nachgeht, wird am Ort ihrer Hauptniederlassung vermutet, soweit diese nicht erst innerhalb der dreimonatigen période suspecte vor der Insolvenzantragstellung in ein anderes Land verlegt worden war. Diese an die Definition des COMI eines selbständig tätigen Schuldners (im Einzelnen dazu oben Rz. 18) anknüpfende Regelung macht wenig Sinn, weil ihre Anwendung das Insolvenzgericht dazu zwingt, in jedem Fall detaillierte Nachforschungen zum Ort der Hauptniederlassung des Schuldners anzustellen (weil es nur dann weiß, wohin Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 3 EuInsVO weist) – was eine Vermutung ja gerade verhindern soll. Anders ausgedrückt: Die Vermutung muss sich eines außerhalb der Begriffsbestimmung des COMI liegenden Merkmals bedienen, um effizient zu sein. Deshalb richtet sich bei Gesellschaften die Vermutung hinsichtlich des COMI nicht auf den „tatsächlichen Mittelpunkt der Verwaltung und der Kontrolle“ (oben Rz. 11), sondern auf den vom COMI zu unterscheidenden Satzungssitz (Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 EuInsVO). Und deshalb wird man gut daran tun, die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 68 69 70 71 72
AG Hamburg v. 9.5.2006 – 67c IN 122/06, ZInsO 2006, 559. Vgl. Bungert, IPRax 1998, 339, 346. OLG Düsseldorf v. 15.12.1994 – 6 U 59/94, IPRax 1996, 128 = DB 1995, 1021. Vgl. OLG Köln v. 30.4.1999 – 6 U 62/98, OLGR 1999, 377 = IPRspr. 1999, Nr. 16. Vgl. AG Nürnberg v. 1.10.2006 – 8034 IN 1326/06, NZI 2007, 186 = ZIP 2007, 83 (gesamtes operatives Geschäft erfolgt durch eine Niederlassung außerhalb des Landes des Satzungssitzes der Gesellschaft); Mankowski, NZI 2004, 450, 451. 73 Vgl. OLG Frankfurt v. 23.6.1999 – 22 U 219/97, RIW 1999, 783. 74 Vallender, KTS 2005, 283, 295. 75 Ebenso Madaus in Kübler/Prütting/Bork, 80. Lfg. 6/2019, Art. 3 EuInsVO Rz. 17; a.A. Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 3 EuInsVO Rz. 37.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EuInsVO
Unterabs. 4 EuInsVO gegen ihren Wortlaut auf einen vergleichbar seriösen, sich aus einem öffentlichen Register ergebenden Anknüpfungspunkt für die Lokalisierung der beruflichen Aktivitäten des Schuldners zu beziehen. Insoweit bietet sich bei im Handelsregister eingetragenen Kaufleuten die eingetragene (Haupt-)Niederlassung an,76 bei Notaren der Amtssitz nach § 10 BNotO oder bei Rechtsanwälten die registrierte Kanzleiadresse nach § 31 Abs. 3 Nr. 2 BRAO. Zur Frage, wann das Insolvenzgericht trotz der Vermutung Nachforschungen anstellen müssen, und was im Falle eines non liquet gilt, s. – mutatis mutandis – die Ausführungen zur Vermutung bei Gesellschaften (Rz. 27 ff.).
32
bb) Nicht selbständig Tätige Entsprechend den oben bei Selbständigen angestellten Überlegungen sollte die Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 EuInsVO bei einem abhängig Beschäftigten nicht auf seinen (vom Gericht erst noch festzustellenden) gewöhnlichen Aufenthalt gerichtet sein, sondern auf eine etwaig in einem Melderegister erfasste oder durch sonstige vertrauenserweckende Umstände nahegelegte Wohnadresse. Zur EuGH-Entscheidung Novo Banco, in der der EuGH scheinbar zur (in concreto abgelehnten) Widerlegung der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 EuInsVO, tatsächlich aber einfach zu einer vom positiv festgestellten gewöhnlichen Aufenthaltsort abweichenden Lokalisierung des COMI Stellung bezogen hat, s.o. Rz. 21.
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III. Partikularverfahren, Abs. 2–4 1. Allgemeines Die durch Art. 3 Abs. 2 EuInsVO eröffnete Möglichkeit zur Ergänzung von Hauptverfahren durch Par- 34 tikularverfahren (nur) in einem Land, in dem der Schuldner eine Niederlassung unterhält, stellt einen Kompromiss dar zwischen dem Prinzip des Einheitskonkurses im Land des Mittelpunkts der Schuldnerinteressen mit uneingeschränkter universeller Wirkung auf der einen und einem strengen Territorialitätsprinzip auf der anderen Seite, aus dem eigenständige und in ihren Wirkungen jeweils territorial beschränkte Insolvenzverfahren in jedem Land folgen, in dem Schuldnervermögen belegen ist.77 Die Belegenheit von Vermögenswerten in einem bestimmten Land allein schafft nach dem klaren 35 Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 EuInsVO nicht die Möglichkeit, dort ein Partikularverfahren anzustrengen. Der klare Wortlaut schließt es ebenfalls aus, ein Partikularverfahren in dem Staat zu eröffnen, in dem der Schuldner seinen COMI hat; ein dortiges Verfahren muss immer ein Hauptverfahren sein.78 Eine scheinbar abweichende Entscheidung des EuGH,79 in der er die Eröffnung eines Sekundärverfahrens über das Vermögen einer (konzernabhängigen) Gesellschaft an ihrem Satzungssitz zuließ, erklärt sich daraus, dass ein (im Sitzstaat anzuerkennendes) Hauptverfahren bzgl. dieser Gesellschaft bereits in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich am COMI der Konzernobergesellschaft eröffnet worden war, womit für das Sekundärverfahren bindend feststand, dass sich der COMI der Tochtergesellschaft an dem der Mutter und nicht im Sitzland befand, womit die Büros am Sitz (nur) eine Niederlassung darstellen konnten (s.u. Rz. 42).
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Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 2 EuInsVO erfasst das an eine Niederlassung des Schuldners anknüpfende Partikularverfahren nur das im Staat dieser Niederlassung belegene Schuldnervermögen, womit indirekt gleichzeitig festgestellt ist, dass dem Hauptverfahren nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO im Grundsatz universelle Wirkung zukommt, seinem Zugriff aber das Vermögen im Staat eines Sekundärverfahrens entzogen ist.80
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76 77 78 79
So auch Vallender/Zipperer in Vallender, Art. 3 EuInsVO Rz. 34. Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 42. Vgl. Mankowski in Mankowski/Müller/J. Schmidt, Art. 3 EuInsVO Rz. 157. EuGH v. 4.9.2014 – C-327/13, ECLI:EU:C:2014:2158 – Burgo Group SpA vs. Illochroma, NZI 2014, 964 m. Anm. Mankowski, 967. 80 Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 57; krit. zu dieser „eingeschränkten Universalität“ Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 485 f.
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Art. 3 EuInsVO Internationale Zuständigkeit 38
Zu den Begriffen der Niederlassung und der Belegenheit von Vermögenswerten des Schuldners s. oben Art. 2 Nr. 10 EuInsVO.
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Partikularverfahren, die zeitlich der Eröffnung eines Hauptverfahrens folgen, werden als Sekundärverfahren bezeichnet (Abs. 3). Solche, die vorangehen (Abs. 4), tragen kein eigenes Etikett; hier sollen sie „isolierte“ Partikularverfahren genannt werden. 2. Sekundärverfahren, Abs. 3
40
Art. 3 Abs. 3 EuInsVO eröffnet die Option, Hauptverfahren durch (im schlimmsten Fall) einen Strauß von territorial begrenzten, in verschiedenen Ländern nach verschiedenen Regeln (vgl. Art. 7 Abs. 1 EuInsVO) ablaufenden Sekundärverfahren zu „begleiten“. Das dient vor allem dem Schutz „lokaler Kleingläubiger“,81 die mit der Wahrung ihrer Interessen in einem ausländischen Insolvenzverfahren unter Geltung eines fremden materiellen Insolvenzrechts (Art. 7 EuInsVO) in einer fremden Sprache überfordert sind.82 Zugleich ist damit aber zwangsläufig die Gefahr der Ungleichbehandlung der Gläubiger verbunden, oder, negativer gefasst, der Bevorzugung der jeweils inländischen Gläubiger. Es mag deshalb durchaus sein, dass der Gesetzgeber der EuInsVO die Eröffnung von Partikularverfahren als unerwünscht ansieht,83 jedoch hat er dem Gesetzesanwender zumindest für Sekundärverfahren kein Instrument zur Eindämmung dieser Gefahr an die Hand gegeben. Die Zulässigkeit von Sekundärverfahren nach Eröffnung eines Hauptverfahrens ist gesetzlich allein daran gebunden, dass im fraglichen Staat nicht der COMI, sondern (nur, aber immerhin) eine Niederlassung des Schuldners vorhanden ist. Allein der Verwalter im Hauptverfahren kann nach Art. 36 EuInsVO mittels der Zusicherung eines „synthetischen“ Sekundärverfahrens innerhalb des Hauptverfahren ein „echtes“ Sekundärverfahren abwenden, sofern das für die Eröffnung des Sekundärverfahrens zuständige Gericht diese Zusicherung als hinreichend zum Schutz der lokalen Gläubiger ansieht (Art. 38 Abs. 2 EuInsVO).
40a
Im Anwendungsbereich der EuInsVO (also wenn der Schuldner seinen COMI in einem Mitgliedstaat hat, Art. 1 EuInsVO Rz. 13), kann in Deutschland ohne hiesige Niederlassung kein Sekundärverfahren eröffnet werden, da § 354 Abs. 2 InsO, der solches bei besonderem Gläubigerinteresse erlaubt, von der nach Art. 288 Abs. 2 AEUV unmittelbar anzuwendenden und damit vorrangigen EuInsVO verdrängt wird.84 Zur „konsolidierten“ Quote des in mehreren Verfahren an der Verteilung teilnehmenden Gläubigers s. Art. 23 Abs. 2 EuInsVO.
41
Der Begriff der Niederlassung ist in Art. 2 Nr. 10 EuInsVO definiert, s. im Einzelnen die Kommentierung dort.
42
Der Satzungssitz spielt (abgesehen von der Vermutung des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 EuInsVO, s. oben Rz. 23) weder für die Eröffnung eines Haupt- noch eines Sekundärverfahrens eine Rolle. Deshalb ist möglich (und scheint in der Praxis nicht selten zu sein), dass über das Vermögen einer konzerngebundenen Auslands-Tochtergesellschaft am COMI der Muttergesellschaft ein Hauptverfahren eröffnet wird (da und soweit dort zugleich der COMI der Tochter zu lokalisieren ist, s. oben Rz. 13), während im Staat des Satzungssitzes (nur) eine Niederlassung identifiziert wird, die ihrerseits aber ein Sekundärverfahren erlaubt.85 Zur Burgo Group-Entscheidung des EuGH, der eine solche Konstellation zugrunde lag, s. oben Rz. 36; zu Gesellschaften mit einem Satzungssitz außerhalb der EU s. oben Art. 1 EuInsVO Rz. 33.
43
Die Einschränkung im früheren Art. 3 Abs. 3 Satz 2 EuInsVO 2000, dass als Sekundärverfahren nur Liquidationsverfahren gem. Art. 2 lit. c und Anhang B EuInsVO 2000 geführt werden dürfen,86 war 81 82 83 84 85
Schack, Rz. 1331. Schack, Rz. 1331; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 34 EuInsVO Rz. 4. Smid, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 24. BGH v. 21.12.2010 – IX ZB 227/09, NZI 2011, 120 = EuBW 2011, 315. Z.B. AG Köln v. 23.1.2004 – 71 IN 1/04, NZI 2004, 151; AG Düsseldorf v. 12.3.2004 – 502 IN 126/03, ZIP 2004, 623; Mankowski, NZI 2006, 418; vgl. auch Huber in FS Heldrich, 2005, S. 679, 691; vgl. zu den hervorgerufenen Vermeidungsstrategien: High Court of Justice Birmingham v. 30.3.2006 – No. 2377/2006, NZI 2006, 416. 86 Krit. dazu Paulus, Art. 3 EuInsVO Rz. 50 ff.; Freitag/Leible, RIW 2006, 641, 649, 651.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EuInsVO
für Deutschland ohne Bedeutung, da die EuInsVO ohnehin nur das Insolvenzverfahren erfasst, das dieser Qualifizierung genügt. Mit Übergang zur EuInsVO ist diese Einschränkung insgesamt fallen gelassen worden. Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Sekundärverfahrens nach Art. 3 Abs. 3 EuInsVO gehört, 44 dass im Antragszeitpunkt bereits ein Hauptinsolvenzverfahren in einem anderen EU-Mitgliedstaat eröffnet ist (denn andernfalls handelt es sich um ein isoliertes Partikularverfahren nach Abs. 4, das an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft ist). Diese Voraussetzung hat der Antragsteller substantiiert darzulegen, weil das angegangene Gericht in Ermangelung eines zentralen europäischen Insolvenzregisters zu erfolgversprechenden eigenen Nachforschungen gar nicht in der Lage ist. Genügt der Antragsteller dieser Darlegungslast nicht, ist der Antrag auf Eröffnung eines Sekundärverfahrens als unzulässig zurückzuweisen.87 Detailregelungen für das Sekundärinsolvenzverfahren enthalten die Art. 34–52 EuInsVO, s. im Einzelnen die Kommentierung dort.
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3. Isolierte Partikularverfahren, Abs. 4 Das isolierte Partikularverfahren kann anders als das Sekundärverfahren nach Abs. 3 bereits vor einem Hauptverfahren und sogar auch ohne jedes Hauptverfahren eröffnet werden. Neben den allgemeinen Voraussetzungen für ein Partikularverfahren (s. oben Rz. 18 f.) müssen dann aber zusätzlich und alternativ die Bedingungen nach Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. a oder b EuInsVO erfüllt sein.
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Nach lit. a kann ein isoliertes Partikularverfahren durchgeführt werden, wenn die Eröffnung eines Hauptverfahrens am COMI des Schuldners aus rechtlichen Gründen objektiv nicht möglich ist. Maßgeblich ist nicht, ob der Person, die diesen Weg beschreiten will, das Antragsrecht zur Eröffnung eines Hauptverfahrens fehlt, sondern ob es an den materiellen Voraussetzungen für ein Insolvenzverfahren im COMI-Staat hapert.88 Das kann z.B. daran liegen, dass das dort geltende Recht ein Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen einer abhängig beschäftigten Person nicht vorsieht.89 Die Zurückweisung eines Antrags auf Eröffnung eines Hauptverfahrens reicht hingegen nicht aus, wenn und soweit die dafür verantwortlichen Umstände (etwa Formmängel) beseitigt werden können.90
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Lit. b Ziff. i erlaubt die Einleitung eines isolierten Partikularverfahrens im Staat einer Niederlassung 48 des Schuldners unabhängig von der Rechtslage bzgl. des Hauptverfahrens dann, wenn der Antrag von einem Gläubiger ausgeht, dessen Forderung aus dem Betrieb der fraglichen Niederlassung stammt oder damit in Zusammenhang steht. Damit ist der lokale Gläubiger i.S.v. Art. 2 Nr. 11 EuInsVO gemeint;91 auf die dortigen Ausführungen wird verwiesen. Unter der EuInsVO 2000 konnte auch ein Gläubiger mit (Wohn-)Sitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Niederlassungsstaat die Eröffnung ein isoliertes Partikularverfahren beantragen; dies ist in der EuInsVO gestrichen worden. Eine Behörde wie die Staatsanwaltschaft ist kein „Gläubiger“ i.S.d. Art. 3 Abs. 4 lit. b i EuInsVO, wenn und soweit sie nicht als jemand oder für jemanden handelt, der eine Forderung gegen den Schuldner hat.92 Ihr ist deshalb mit der Neufassung der EuInsVO in Art. 3 Abs. 4 Unterabs. 1 lit. b Ziff. ii EuInsVO das Antragsrecht für ein isoliertes Partikularverfahren gesondert zuerkannt worden, unter der Bedingung, dass ihr ein Insolvenzantragsrecht nach der lex concursus des Niederlassungsstaats zusteht.
87 Zutreffend AG Köln v. 1.12.2005 – 71 IN 564/05, NZI 2006, 57. 88 EuGH v. 17.11.2011 – C-112/10, ECLI:EU:C:2011:743 – Zaza Retail, EuZW 2011, 966 = LMK 2012, 329799 m. Anm. Mäsch; s. auch Riewe, NZI 2011, 970, 970. 89 Virgós/Schmit, Bericht Nr. 85. 90 Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 62. 91 Bornemann in Graf-Schlicker, Art. 3 EuInsVO Rz. 92. 92 EuGH v. 17.11.2011 – C-112/10, ECLI:EU:C:2011:743 – Zaza Retail, EuZW 2011, 966 = LMK 2012, 329799 m. Anm. Mäsch.
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Art. 3 EuInsVO Internationale Zuständigkeit
IV. Maßgeblicher Zeitpunkt bei COMI- oder Niederlassungsverlegungen, Sperrfristen und Rechtsmissbrauch 1. COMI a) Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Antragstellung 49
Der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners und Zahl und Ort seiner Niederlassungen können sich verändern, gerade auch in der Krise, die einem Insolvenzverfahren zumeist vorangeht. Deshalb ist es von großer Bedeutung für die internationale Zuständigkeit aus Art. 3 EuInsVO, den insoweit maßgeblichen zeitlichen Anknüpfungspunkt zu bestimmen. In Betracht kommen allein der Zeitpunkt der Eröffnungsentscheidung93 oder der der vorangehenden Antragstellung; der EuGH hat sich zur EuInsVO 2000 zur letzteren Position bekannt.94
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Wird der COMI in einen anderen Staat verlegt, so ist die internationale Zuständigkeit der Behörden des neuen „Gastgeberlandes“ aus Art. 3 EuInsVO ab dem ersten Moment gegeben.95 Man wird sogar einen in diesem Land zuvor bereits gestellten Insolvenzantrag mit der COMI-/Niederlassungsverlegung als „geheilt“ ansehen können, denn die zum maßgeblichen Zeitpunkt (Insolvenzantrag) noch fehlende Voraussetzung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte im angerufenen Staat hat sich nunmehr eingestellt; eine Abweisung des Antrags wegen ursprünglicher Unzulässigkeit würde die Sache nur aufschieben, weil der Antragsteller bei fortbestehendem Interesse an einer Insolvenz sofort einen zweiten Insolvenzantrag stellen wird.96 Umgekehrt bleibt nach Auffassung des BGH die internationale Zuständigkeit des bereits mit einem Eröffnungsantrag befassten Insolvenzgerichts auch für nach einem Wohnsitzwechsel eingehende Anträge erhalten.97
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Eine andere Frage ist, ob nationales Recht die Zulässigkeit eines Insolvenzantrags davon abhängig machen kann, dass der Schuldner den Interessensmittelpunkt oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt/ Wohnsitz zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits über einen gewissen Zeitraum hinweg im Bezirk des angegangenen Gerichts hat. Dies dürfte bei einem Zuzug aus dem europäischen Ausland zu verneinen sein,98 weil und soweit dadurch eine Rechtsverweigerung eintritt: Der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzhauptverfahren kann nach Art. 3 EuInsVO ja ausschließlich im Land des neuen COMI gestellt werden. b) Perpetuatio fori, Sperrfristen (Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2–4, je Satz 2 EuInsVO) und rechtsmissbräuchliche COMI-Verlegung
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Ein späterer Umzug ändert nichts mehr an der internationalen Zuständigkeit (perpetuatio fori; zur Lösung des Konflikts, wenn am neuen COMI ein zweiter Insolvenzantrag gestellt wird, s. unten Rz. 64),99 während für die in einigen nationalen Insolvenzrechten Europas zu beobachtende Übung, 93 Nachweise für diese Position zur EuInsVO 2000 s. Mäsch in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 31 Fn. 68. 94 EuGH v. 17.1.2006 – C-1/04, ECLI:EU:C:2006:39 – Staubitz-Schreiber Rz. 29, ZIP 2006, 188 = NZI 2006, 153 m. zust. Anm. Mankowski, 154; zust. auch Kindler, IPRax 2006, 114; J. Schmidt, ZInsO 2006, 88, 89. Die Vorlagefrage kam vom BGH, BGH v. 27.11.2003 – IX ZB 418/02, ZIP 2004, 94. Folgeentscheidung des BGH v. 9.2.2006 – IX ZB 418/02, ZIP 2006, 529 = ZInsO 2006, 321; bestätigt von BGH v. 13.11.2008 – IX ZB 201/07Z, InsO 2008, 1382, 1383. Bekräftigt durch EuGH v. 20.10.2011 – C-396/09, ECLI:EU:C:2011:671 – Interedil, NZI 2011, 990 m. Anm. Mankowski; dazu auch Wolf, GPR 2012, 149, 150. Zu den Gründen, die für diese Lösung sprechen, s. Mäsch in Rauscher, EuZPR/EuIPR (2015), Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 32. 95 Zweifelnd BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 72/19, ZIP 2021, 90 (Vorlagebeschluss) für den Fall, dass im ursprünglichen COMI-Land bereits ein Insolvenzantrag gestellt wurde. 96 Vgl. Mankowski, NZI 2006, 154. 97 EuGH v. 17.1.2006 – C-1/04, ECLI:EU:C:2006:39 – Staubitz-Schreiber Rz. 29, NZI 2006, 153 m. Anm. Mankowski, 154; BGH v. 2.3.2006 – IX ZB 192/04, ZIP 2006, 767; zust. Smid, DZWiR 2006, 325, 328; krit. Knof, ZInsO 2006, 754, 756 f.; Reuß, S. 160; Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 57. 98 So auch Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 73d. 99 Vgl. BGH v. 2.3.2006 – IX ZB 192/04, ZIP 2006, 767; zust. Smid, DZWiR 2006, 325, 328; krit. Knof, ZInsO 2006, 754, 756 f.; Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 57; jetzt zweifelnd BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 72/19, ZIP 2021, 90 (Vorlagebeschluss).
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umgekehrt weiter zurück zu gehen und eine COMI- oder Niederlassungs-Verlegung kurz vor Antragstellung pauschal unter Missbrauchsverdacht zu stellen und deshalb für unbeachtlich zu halten,100 in der EuInsVO 2000 jede Grundlage fehlte: Sie enthielt in bewusster Abweichung vom Entwurf zu einem EG-Konkursübereinkommen von 1980 (s. oben Einl. EuInsVO Rz. 3)101 keine période suspecte.102 Diese liberale Haltung wurde in der EuInsVO in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2, 3 und 4, je Satz 2 EuInsVO zugunsten einer mehrmonatigen Sperrfrist wieder aufgegeben, „um betrügerisches oder missbräuchliches Forum Shopping“ zu verhindern (so ErwGr. 31 EuInsVO).103 Bei Gesellschaften und selbständig tätigen natürlichen Personen beträgt die Sperrfrist drei Monate, bei abhängig Beschäftigten sogar sechs, offenbar weil hier das Missbrauchspotential als am größten angesehen wird. Verlegen Gesellschaften ihren Satzungssitz oder selbständig tätige natürliche Personen ihre eingetragene Hauptniederlassung oder ihren eingetragenen Amtssitz etc. (oben Rz. 31) nach Deutschland, beginnt die Sperrfrist mit der (Handels-)Registereintragung in Deutschland,104 bei abhängig Beschäftigten ist die Anmeldung einer deutschen Wohnadresse maßgeblich. Zur genauen Fristberechnung ist gem. Art. 7 Abs. 1 EuInsVO auf die nationale lex concursus des Gerichts zurückzugreifen, das über den Insolvenzantrag befindet, in Deutschland also über § 4 InsO und § 222 Abs. 1 ZPO auf §§ 188 ff. BGB (mit den Besonderheiten der § 222 Abs. 2 und 3 ZPO).
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Die Sperrfrist ist allerdings keine absolute, die eine COMI-Verlegung innerhalb dieses Zeitraums für unbeachtlich erklärt. Vielmehr lässt sie lediglich die Vermutungen der Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2, 3 und 4, je Satz 2 EuInsVO zugunsten des Satzungsitzes bzw. der Hauptniederlassung oder Wohnadresse (dazu oben Rz. 23, 31 und 33) entfallen. Eine kurzfristige Verlegung des COMI schadet nach dem Gesetzeswortlaut also der internationalen Zuständigkeit des Gerichts am neuen Standort dann nicht, wenn dieses nach eingehender Prüfung anhand der oben dargelegten Kriterien (oben Rz. 11, 18 und 19) zum Ergebnis kommt, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners zum Zeitpunkt der Antragstellung tatsächlich in seinem Land lag – auch wenn es dazu erst ein Tag zuvorgekommen ist (oben Rz. 50).105
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Damit werden realiter nicht missbräuchliche Verlegungen des COMI gestoppt, sondern nur Schein- 55 verlegungen (dazu unten Rz. 58). Weil die Vermutungen ohnehin widerleglich sind (oben Rz. 23), bedurfte es dieser neuen Regelung allerdings nur insoweit, als sie bei Unaufklärbarkeit des Sachverhalts eine Non-liquet-Entscheidung zu Lasten des Antragstellers am neuen Satzungssitz/Hauptniederlassungs- oder Wohnort ermöglicht (dazu oben Rz. 29 f.). Sie lässt aber die Frage weiterhin offen, wie mit Einzelfällen umgegangen werden soll, in denen nachweisbar ist, dass der Schuldner seinen COMI (tatsächlich, aber) kurz vor Antragstellung mit dem alleinigen oder jedenfalls zentralen Ziel verlegt hat, in den Genuss der Vorteile des neuen Insolvenzrechts (wie etwa eine Restschuldbefreiung, eine kürzere Wohlverhaltensperiode oder ein größerer Einfluss des Schuldners auf den Ablauf des Verfahrens) zu kommen.106 ErwGr. 29 bis 31 EuInsVO sind aber ein starkes Argument dafür, den Umzug in dieser Konstellation mit Hilfe des ungeschriebenen Rechtsinstituts der Gesetzesumgehung107 als rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich einzustufen108 (zur Frage der Anerkennung in diesem 100 Vgl. Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 52. 101 Vgl. Art. 6 ff. des Entwurfs, dazu Thieme in Kegel/Thieme, Vorschläge, 68. 102 Vgl. zur EuInsVO 2000 Knof, ZInsO 2005, 1017, 1023; Klöhn, KTS 2006, 259, 261; ferner Mankowski, NZI 2005, 368, 372. Eine période suspecte damals auch de lege ferenda ablehnend Eidenmüller, KTS 2009, 137, 159. 103 Vgl. Vallens in Jault-Seske/Robine, Le nouveau règlement insolvabilité: quelles évolutions?, 2015, S. 79, 83. 104 Vallender in FS Beck, 2016, S. 537, 540; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 34. 105 Court of Appeal (Civil Division), 27.7.2005 – (2005) EWCA Civ 974, NZI 2005, 571, 572; Duursma-Kepplinger, ZIP 2007, 896, 899; Steffek in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 6, 4. Aufl. 2013, § 37 Rz. 41. 106 Allgemeiner Eidenmüller, KTS 2009, 137, 150: Missbräuchlich ist eine COMI-Verlagerung, „die offensichtlich nicht zur Maximierung der Haftungsmasse“ beiträgt. Zu (nicht) billigenswerten Motiven für eine COMIVerlegung in der Krise de Weijs/Breeman, ECFR 2014, 495. 107 Vgl. allgemein Klöpfer, Missbrauch im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 2016; Volmer, Verhinderung von Rechtmissbrauch bei der Anerkennung von Entscheidungen im Europäischen Zivilprozessrecht, 2017; speziell zum Rechtsmissbrauchsverbot im Europäischen Insolvenzrecht Reuß, insb. S. 318 ff. 108 Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 36; Koch, FS Jayme, 2004, S. 437, 440; Thole in MünchKomm/InsO, 3. Aufl. 2016, Art. 3 EuInsVO Rz. 66; Klöhn, KTS 2006, 259, 281 f.; Schwemmer, NZI
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Art. 3 EuInsVO Internationale Zuständigkeit Fall s. unten Art. 33 EuInsVO Rz. 19 ff.). Ein starkes Indiz für einen Rechtsmissbrauch wäre es, wenn der Schuldner den COMI nur kurzfristig in den Forumstaat verlegt und unmittelbar nach dem Stellen eines Eigenantrags wieder in den eigentlichen Mittelpunktsstaat zurückverlegt.109 Bei der Bekämpfung missbräuchlicher COMI-Verlegungen mittels des ungeschriebenen Rechtsinstituts der Gesetzesumgehung ist man nicht an die Sperrfristen des Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 2, 3 und 4, je Satz 2 EuInsVO, gebunden, weil diese ein anderes Problem behandeln (simulierte Verlegungen, s.u. Rz. 58). Deshalb bleibt es je nach den Umständen des Einzelfalls möglich, eine COMI-Verlegung innerhalb der Drei-/ Sechsmonatsfrist unbeanstandet zu lassen oder umgekehrt eine frühere Verlegung als Gesetzesumgehung einzustufen. 56
Zur Frage, inwieweit im Rahmen der Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung der Einwand beachtlich ist, der Schuldner habe seinen COMI rechtsmissbräuchlich ins Ausland verlegt, s. unten Art. 33 EuInsVO Rz. 20. 2. Niederlassung
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Für den maßgeblichen Zeitpunkt des Bestandes einer (bloßen) Niederlassung zur Begründung der internationalen Zuständigkeit für die Eröffnung eines Partikularverfahrens nach Art. 3 Abs. 2 EuInsVO, für die Frage der perpetuatio fori, der missbräuchlichen Verlegung und der (fehlenden) Wirkung einer nur simulierten Verlegung der Niederlassung in ein anderes Land gelten die obigen Ausführungen zum COMI entsprechend (Rz. 11, 18 und 19). Es gibt, anders als zum COMI, in Art. 3 Abs. 2 EuInsVO keine Regelung zur Ausschaltung einer Vermutungswirkung bei kurzfristiger grenzüberschreitender Verlegung, was daran liegt, dass es bzgl. der Niederlassung eine solche, etwa an ihre Registereintragung angedockte Vermutung gar nicht gibt. Allerdings gilt es die Definition der Niederlassung in Art. 2 Nr. 10 EuInsVO im Auge zu behalten, die eine an den Zeitpunkt der Antragstellung für ein Hauptinsolvenzverfahren im Mitgliedstaat des COMI anknüpfende dreimonatige Karenzfrist beinhaltet, welche nach der hier vertretenen, aber umstrittenen Auffassung auch den Fall der grenzüberschreitenden Verlegung der Niederlassung ergreift und insoweit als Sperrfrist fungiert (Art. 2 EuInsVO Rz. 31). Fällt die Niederlassungsverlegung in diese Frist, ist sie ipso iure als ungeschehen zu betrachten.
V. Die simulierte COMI-Verlegung 58
Es versteht sich von selbst, dass die Überlegungen zur Verhinderung missbräuchlicher Verlegungen nur dann aktuell werden, wenn der COMI sich tatsächlich ändert. Eine nur scheinbare Verlagerung des Interessenmittelpunkts (Simulation), bei einer natürlichen, nicht selbständig beschäftigten Person also des gewöhnlichen Aufenthaltsorts (s. oben Rz. 18), führt nicht zu einem Zuständigkeitswechsel.110 Doch darf man diesbezügliche Erkenntnisschwierigkeiten111 nicht unterschätzen – allein 2009, 355, 358; aus Anerkennungssicht BGH v. 18.9.2001 – IX ZB 51/00, NJW 2002, 960, 962; allgemein zur Zuständigkeitserschleichung Kegel/Schurig, § 14 VI, S. 487 ff. Enger AG Köln v. 19.2.2008 – 73 IE 1/08, NZI 2008, 257, 260: Die Suche nach dem günstigeren Recht ist als solche noch kein Missbrauch. Der BGH hat sich im Beschl. v. 13.12.2007 – IX ZB 238/06, EWiR 2008, 181, anders als Eidenmüller, KTS 2009, 137, 151 behauptet, nicht mit der missbräuchlichen Verlegung des COMI beschäftigt, sondern mit der gescheiterten Simulation (dazu unten Rz. 58) einer COMI-Verlegung durch einen „künstlich hergestellten abweichenden Verwaltungssitz“ in Spanien. Allg. zum „Missbrauch des Gerichtsstandes im Zivilprozess“ Lüttringhaus, ZZP 127 (2014), 29. 109 Vgl. Mankowski, RIW 2004, 587, 600; Mankowski, NZI 2006, 154; Mock, KTS 2013, 423, 443. 110 Vgl. BGH v. 2.3.2017 – IX ZB 70/16, NZI 2017, 320 m. krit. Anm. Mankowski, 321; BayObLG v. 19.12.2019 – 1 AR 139/19, NZI 2020, 242 m. Anm. Mankowski, 245; Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 73e; Mankowski, NZI 2006, 154, 155; Virgós/Garcimartín, Nr. 69; Weller, ZGR 2008, 835, 853; ungenau Koch in FS Jayme, 2004, S. 437, 440: Eine nur fiktive Wohnsitzverlegung wäre „rechtsmissbräuchlich“ und daher für die Zuständigkeitsanknüpfung unbeachtlich; vgl. für einen Grenzfall High Court of Justice London v. 22.6.2007 – No. 1338/07, ZVI 2008, 168, 169 f. – Londoner Radiologe II; dazu Pel, ZVI 2008, 152. Weiterhin BGH v. 13.12.2007 – IX ZB 238/06, EWiR 2008, 181. Bei Satzungssitz und tatsächlichem COMI in Deutschland hat ein „künstlich hergestellter abweichender Verwaltungssitz“ in Spanien „keine ausschlaggebende Bedeutung“. 111 Vgl. zu Kriterien für die Feststellung des (veränderten) COMI Klöhn, KTS 2006, 259, 283 ff.
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in Deutschland gab und gibt es eine Reihe von Organisationen, die darauf spezialisiert sind, ihren Klienten durch Errichtung einer Wohnsitz-Fassade zu einer raschen Restschuldbefreiung insbesondere in den französischen Departements Elsass-Lothringens (Haut-Rhin, Bas-Rhin und Moselle) zu verhelfen, in denen aus historischen Gründen nach Art. L670-1 ff. Code de commerce die Möglichkeit der Gewährung einer sofortigen Entschuldungswirkung auf alle natürlichen Personen (nicht nur auf Kaufleute wie im Rest Frankreichs) besteht.112 Zur Frage, inwieweit im Rahmen der Anerkennung einer ausländischen Restschuldbefreiung der Einwand beachtlich ist, der Schuldner habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt nur scheinbar ins Ausland verlegt, s. unten Art. 33 EuInsVO Rz. 19 ff.
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VI. Kompetenzkonflikte Art. 3 EuInsVO kann in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgelegt oder schlicht übersehen bzw. falsch angewendet werden; der Anknüpfungspunkt COMI oder Niederlassung kann zu verschiedenen Zeitpunkten in verschiedenen Staaten liegen. Daraus können positive Kompetenzkonflikte entstehen (zwei oder mehr Gerichte halten sich für zuständig), aber auch negative (kein Gericht hält sich für zuständig). Praktisch relevant wird das Problem allein in Bezug auf Hauptverfahren, auf die sich die folgenden Ausführungen konzentrieren.
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1. Positive Kompetenzkonflikte a) Prioritätsgrundsatz Die EuInsVO enthält anders als etwa die Brüssel Ia-VO (vgl. dort Art. 29 ff. = Art. 27 ff. Brüssel I-VO) keine ausdrücklichen Regeln für den Umgang mit Kompetenzkonflikten. Dennoch herrschte schon zur EuInsVO 2000 weitgehend Einigkeit,113 dass positive Kompetenzkonflikte114 nach dem Prioritätsprinzip aufzulösen sind: Das zuerst eröffnete Insolvenzverfahren geht vor (zur Definition der Insolvenzeröffnungsentscheidung s. Art. 2 Nr. 7 EuInsVO). Der EuGH hat sich dem in der Sache Eurofood IFSC angeschlossen;115 es gibt keinen Grund anzunehmen, dass er seine Haltung für die EuInsVO ändern wird. Der Prioritätsgrundsatz beruht auf dem „Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens“116: Wie der Gegenschluss aus Art. 19 Abs. 2 EuInsVO zeigt,117 macht die Eröffnung eines Hauptverfahrens in einem EU-Mitgliedstaat jeden späteren Antrag auf Hauptinsolvenzeröffnung in allen anderen Mitgliedstaaten unzulässig.118 Gestützt wird dies durch ErwGr. 65 EuInsVO, wonach die Insolvenzeröffnungsentscheidung der Gerichte eines Mitgliedstaates von einem später mit derselben Sache befassten Gericht ohne Überprüfung auch und insbesondere der Erwägungen zur internationalen Zuständigkeit anzuerkennen ist;119 in Kombination mit der Regel, dass es einen doppelten COMI 112 Vgl. BGH v. 18.9.2001 – IX ZB 51/00, NJW 2002, 960. Zur für Verbraucherinsolvenzen besonders vorteilhaften (und von Restfrankreich abweichenden) Rechtslage in Elsass-Lothringen aus deutscher Sicht ausführlich Köhler, Entschuldung und Rehabilitierung vermögensloser Personen im Verbraucherinsolvenzverfahren – ein Vergleich der Verfahrensreformen in Frankreich und Deutschland, 2003; s. ferner Schulte, Die europäische Restschuldbefreiung, 2001; Delzant/Schütze, ZInsO 2008, 540 (dort Nachweis der strengen Voraussetzungen für eine Wohnsitzbegründung nach der frz. Rspr.); ferner Hölzle, ZVI 2007, 1; Mock, KTS 2013, 423, 429. S. auch Cour d’appel Colmar v. 13.12.2011 – I A 11/01869, ZInsO 2012, 441 (sittenwidrige Erschleichens der Durchführung eines französischen Insolvenzverfahrens durch deutschen Schuldner). 113 Vgl. etwa Carstens, S. 92; Smid, IntInsR, § 5 Rz. 7 f.; zahlreiche Nachweise bei Herchen, ZIP 2005, 1401 Fn. 2; auch zu den wenigen abweichenden Stimmen. 114 Allgemein dazu Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht, 1996. 115 EuGH v. 2.5.2006 – C-341/04, ECLI:EU:C:2006:281 – Eurofood IFSC Rz. 44, EuZW 2006, 337, 338 = NZI 2006, 360, 362. 116 Näher Carstens, S. 89 ff.; Paulus, NZI 2008, 1, 6. 117 Herchen, ZIP 2005, 1401, 1402. 118 Etwa BGH v. 2.3.2006 – IX ZB 192/04, ZIP 2006, 767; LG Hamburg v. 18.8.2005 – 326 T 34/05, ZIP 2005, 1697 = NZI 2005, 548; AG Köln v. 10.8.2005 – 71 IN 416/05, ZIP 2005, 1566 (in Anwendung der deutschen Vorschrift des Art. 102 § 3 Abs. 1 S 1 EGInsO, dazu unten Rz. 62). 119 Beispielhaft OLG Celle v. 27.11.2012 – 2 U 147/12, ZInsO 2013, 1002.
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Art. 3 EuInsVO Internationale Zuständigkeit nicht gibt (s. oben Rz. 12), folgt daraus, dass das zweite Gericht seine Zuständigkeit nicht bejahen und deshalb kein Hauptverfahren eröffnen darf, selbst wenn es die Auffassung des ersten Gerichts für falsch und einen COMI im eigenen Land für gegeben hält (näher zur Anerkennungspflicht auch bei abweichender Ansicht über die internationale Zuständigkeit unten Art. 33 EuInsVO Rz. 12).120 Da die Anerkennung unter dem Vorbehalt des ordre public (Art. 33 EuInsVO) steht, folgt daraus allerdings auch, dass das zweite Gericht ein Hauptverfahren eröffnen darf, wenn es der Eröffnungsentscheidung des ersten Gerichts wegen eines ordre public-Verstoßes (z.B. fehlende Anhörung des Schuldners) die Anerkennung verweigert.121 Die aus der Sicht des Zweitgerichts fehlerhafte Bejahung der eigenen internationalen Zuständigkeit durch das Erstgericht ist nach überwiegender und zutreffender Auffassung allerdings keine Grundlage für die Heranziehung des ordre public-Vorbehalts (s. auch Art. 33 EuInsVO Rz. 11).122 62
Der deutsche Gesetzgeber hat das Prioritätsprinzip in Art. 102 § 3 Abs. 1 Satz 1 EGInsO festgeschrieben. Zwar erscheint zweifelhaft, ob er dazu berechtigt war, denn es handelt sich um ein verordnungsinternes Auslegungs- und Lückenfüllungsproblem, nicht um eine Frage der Ausführung.123 Da die Lösung in der Sache aber zutreffend ist und vom EuGH bestätigt wurde, können diese Zweifel auf sich beruhen.
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Maßgeblich für die Bestimmung, welche Eröffnungsentscheidung die frühere ist, ist der Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens, nicht der ihrer Zustellung oder Rechtskraft (arg. Art. 2 Nr. 8, 19 Abs. 1 EuInsVO).124 Zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Eröffnungsbeschlusses näher oben Art. 2 Nr. 8 EuInsVO. Enthält das nationale Recht des Eröffnungsstaates eine Rückwirkungsfiktion, nach der die Eröffnungsentscheidung auf den Zeitpunkt der Antragstellung zurückbezogen wird, bleibt diese für die Anwendung des Prioritätsprinzips schon deshalb unbeachtlich (str.),125 weil ohne eine ausdrückliche Verweisungsnorm für den Rückgriff auf nationales Recht im Anwendungsbereich der EuInsVO aufgrund des Vorrangs des Europarechts kein Raum ist.126
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Fraglich und umstritten ist, ob nicht erst die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in einem Mitgliedstaat, sondern bereits der Eröffnungsantrag die Sperrwirkung nach dem Prioritätsgrundsatz auslöst.127 Da der Prioritätsgrundsatz aber zum einen ein Ausfluss der Pflicht aus Art. 19 Abs. 1 EuInsVO zur Anerkennung (nur) ausländischer Eröffnungsentscheidungen ist (Art. 2 Nr. 7 EuInsVO, s. Kommentierung dort) und zum anderen im Zeitpunkt der Antragstellung noch gar nicht feststeht, ob das zuerst angerufene Gericht seine Zuständigkeit bejahen wird, spricht alles dafür, diese Frage zu verneinen (str.).128 Um aber einen Wettlauf der Gerichte zu verhindern, sollte man für konsekutive Antragstellungen in derselben Sache in verschiedenen Mitgliedstaaten flankierend auf die Lösung des Art. 29 Brüssel Ia-VO (= Art. 27 Brüssel I-VO) zurückgreifen: Das später angerufene Gericht setzt das Verfahren zunächst aus, um sich (nur) dann für unzuständig zu erklären, wenn das erste Gericht seine Zuständigkeit bejaht und das Verfahren eröffnet hat.129 120 Carstens, S. 92. 121 Carstens, S. 93 f.; Vallender, KTS 2005, 283, 298. 122 BGH v. 10.9.2015 – IX ZR 304/13, ZIP 2015, 2331, 2333 = NZI 2016, 93, 95 m. Anm. Mankowski; OLG Wien v. 9.11.2004 – 28 R 225/04w, NZI 2005, 56, 58; Carstens, S. 94; Herchen, ZIP 2005, 1401, 1404 mit zahlreichen Nachweisen in Fn. 41; anders Vallens in Jault-Seske/Robine, Le nouveau règlement insolvabilité: quelles évolutions?, 2015, S. 79, 87. 123 Krit. auch Oberhammer, ZInsO 2004, 761, 762. 124 LG Hamburg v. 18.8.2005 – 326 T 34/05, ZIP 2005, 1697 = ZVI 2005, 548, 549. 125 Bähr/Riedemann, ZIP 2004, 1066, 1067; mit ausführlicher Begründung Herchen, ZIP 2005, 1401, 1403 f.; a.A. Supreme Court of Ireland v. 27.7.2004 – 147/04, ZIP 2004, 1969; Stadtgericht Prag v. 26.4.2005 – 78 K 6/05-127, ZIP 2005, 1431. 126 Zutreffend Herchen, ZIP 2005, 1401, 1403; Poertzen/Adam, ZInsO 2006, 505, 509; i.Erg. ebenso Paulus, Art. 3 EuInsVO Rz. 14. 127 So Virgós/Garcimartín, Nr. 70. 128 AG Hamburg v. 18.8.2005 – 326 T 34/05, ZVI 2005, 548, 549; AG Köln v. 6.11.2008 – 71 IN 487/07, ZIP 2009, 1242, 1243; Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 76; Mankowski, KTS 2009, 453; Kindler in MünchKomm/BGB, 8. Aufl. 2021, Art. 3 EuInsVO Rz. 46; zweifelnd BGH v. 17.12.2020 – IX ZB 72/19, ZIP 2021, 90 (Vorlagebeschluss). 129 Überzeugend Haubold in Gebauer/Wiedmann, Art. 3 EuInsVO 2000 Rz. 76; ebenso Knof/Mock, ZIP 2006, 189, 191; Laukemann, RIW 2005, 104, 111 m.w.N. in Fn. 91; a.A. Mankowski, KTS 2009, 453, 458 f.
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Kap. I: Allgemeine Bestimmungen
Art. 3 EuInsVO
Eine entsprechende Lösung sollte gelten, wenn nicht zwei Insolvenzanträge nacheinander in verschie- 65 denen Mitgliedstaaten gestellt, sondern sukzessiv zwei im Streitgegenstand identische Annexverfahren (s. dazu Art. 6 EuInsVO) anhängig gemacht werden (str.).130 b) Verstoß gegen den Prioritätsgrundsatz Werden unter Verstoß gegen das Prioritätsprinzip (oder in Unkenntnis des Konkurrenzverfahrens) 66 zwei Hauptverfahren in verschiedenen Ländern eröffnet,131 so geht die zeitlich nachfolgende Eröffnungsentscheidung insoweit ins Leere, als die erste Entscheidung bereits universelle Beschlagwirkung entfaltet hat (Art. 20 Abs. 1 EuInsVO), weshalb für eine ebensolche Wirkung der zweiten Verfahrenseröffnung keine freie Masse mehr vorhanden ist.132 Art. 102 § 3 Abs. 1 Satz 2, § 4 Abs. 1 Satz 1 EGInsO zieht für die deutschen Gerichte daraus die Konsequenz und ordnet die Einstellung von Amts wegen des nach einem ausländischen Verfahren eröffneten deutschen Hauptverfahren an.133 Die Regelung in Art. 102 § 4 Abs. 2 EGInsO, wonach vor Einstellung bereits eingetretene und nicht auf die Dauer dieses Verfahrens beschränkte Wirkungen des deutschen Insolvenzverfahrens (z.B. das Erlöschen von Aufträgen, § 115 InsO) fortbestehen und vor Einstellung getätigte Rechtshandlungen des deutschen Insolvenzverwalters (z.B. die Kündigung von Dienstverhältnissen, § 113 InsO) ihre Wirksamkeit behalten sollen, ist allerdings nicht haltbar. Der deutsche Gesetzgeber hat nicht die Kompetenz, in eigener Machtvollkommenheit eine Ausnahme vom in der EuInsVO verankerten Prinzip der sofortigen und automatischen Anerkennung der universellen Wirkungen der zeitlich vorangehenden ausländischen Verfahrenseröffnung zu statuieren (str.).134 Der BGH hat sich dieser Auffassung für den Fall angeschlossen, dass das deutsche Gericht das inländische Verfahren in Kenntnis des prioritären ausländischen Insolvenzverfahrens eröffnet;135 tatsächlich kann auch bei einer irrtümlichen Zweitverfahrenseröffnung nichts anderes gelten. In beiden Konstellationen ist der zweite Eröffnungsbeschluss zumindest schwebend unwirksam und kann allenfalls bei Aufhebung des zunächst ergangenen Eröffnungsbeschlusses Wirkung zeigen.136 Gleiches gilt i.d.R. für die vom Zweit-Insolvenzverwalter vorgenommenen Handlungen.137 Eine andere – und zu bejahende – Frage ist, ob im Hinblick auf das rückwirkend entfallende inländi- 67 sche (Zweit-)Insolvenzverfahren in gewissem Umfang ein Vertrauensschutz für involvierte Dritte zu gewährleisten ist.138 Soweit es aber etwa um in gutem Glauben an den inländischen Insolvenzverwalter geleistete Zahlungen geht, dürften die Schutzmechanismen der auf die zugrunde liegende Verpflichtung anwendbaren lex causae genügen.
130 Mäsch, NZI 2014, 288; Fehrenbach, NZI 2015, 667. Anders EuGH v. 11.6.2015 – C-649/13, ECLI:EU:C:2015: 384 – Comité d’entreprise vs. Cosme Rogeau Rz. 45, NZI 2015, 663: Prioritätsprinzip greift erst auf der Ebene der Anerkennung. 131 Zu Fragen der Amtshaftung nach Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB bzw. der unionsrechtlichen Staatshaftung, wenn ein deutscher Richter gegen den Prioritätsgrundsatz verstößt, vgl. Vallender, KTS 2005, 283, 297 f. 132 Freitag/Leible, RIW 2006, 641, 648 f.; Leible/Staudinger, KTS 2000, 533, 545; Lüke, ZZP 111 (1998), 275, 290. 133 Außerhalb Deutschlands ebenso z.B. Mélin, Nr. 110; vgl. für den Sonderfall der Nichtanerkennung der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters durch ein ausländisches Gericht Huber in Gottwald, Europäisches Insolvenzre