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German Pages 169 [196] Year 1890
Entscheidungen des
Ober-Seeamts und der Seeämter des
Deutschen Reichs. Herausgegeben
im
Reichsamt des Innern.
Achter
Band.
Heft 5.
Hamburg.
Druck und Verlag von £. Friederichfen & Lo. 1889.
Inhalt. Seite
88. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 9. Februar 4689, betreffend den Seeunfall der Schoonerbrigg „Detmar" von Bremen......................................................................... 599 89. Spruch des Seeamts zu Rostock vom 15. Februar 1889, betreffend den Seeunfall der Schoonerbark „Auguste" von Rostock................................................................................... 605 90. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 25. November 1888 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 13. März 1889, betreffend den Zusammenstoß des . Schraubendampfers „Emma" von Kiel mit dem russischen Schooner „Garam" (Haram) 608 9 b Spruch des Seeamts zu Königsberg in Ostpreußen vom 18. März I889, betreffend den Seeunfall der Bark „Othello" von Memel................................................................. 620 92. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 5. April 1889, betreffend den Seeunfall des Vollschiffes „Thalia" von Hamburg..................................................................................... 625 93. Spruch des Seeamts zu Rostock vom 5. April I889, betreffend den Seeunfall der Brigg „Staatsrath von Brock" von Rostock....................................................................... 65h 9b Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 8. April I889, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Minister Maybach" von Geestemünde..................................... 639 95. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 2b September 1888 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 9. April 1889, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Meta" von Kiel mit dem dänischen Schooner „De fire Söskende" 6^2 96. Spruch des Seeamts zu Emden vom 6. Januar I889 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 10. April 1889, betreffend den Seeunfall des Loggers „Westfalen" von Emden................................................................................................................................ 653 97. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 23. März I889, betreffend den Seeunfall des Schooners „Anna Louise" von Barth...................... .................................................... 657 98. Spruch des Seeamts zu Emden vom 20. April 1889, betreffend den Seeunfall der Schoonergaliote „Lina" von Larolinensiel........................................................................... 663 99. Spruch des Seeamis zu Bremerhaven vom 2b April 1889, betreffend den Seeunfall der Bark „Emilie" von Geestemünde................................................. .................................. 66h 100. Spruch des Seeamts zu Rostock vom 30. April 1889, betreffend den Seeunfall des Schooners „Elisabeth" von Rostock....................................................................................... 670 101. Spruch des Seeamts zu Emden vom 12. Januar 1889 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 8. Mai 1889, betreffend den Seeunfall der Schooner galiote „Annchen" von Großefehn....................................................................................... 675 102. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 13. Februar 188^ und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 9. Mai I889, betreffend den Seeunfall des Rad dampfers „Leda" von Bremen............................................................................................... 681 103. Spruch des Seeamis zu Bremerhaven vom u. Mai 1889, betreffend den Seeunfall des Vollschiffes „J. w. Wendt" von Bremen................................................................... 693 10b Spruch bes Seeamts zu Hamburg vom u. Mai 1889, betreffend den Zusammenstoß der Bark „Maria Mercedes" von Hamburg mit dem holländischen Fischerfahrzeug „Ebenhaezer".............................................................................................................................. 700 (Fortsetzung folgt auf der dritten Seite des Umschlags.)
vom
88. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven 9. Februar 1889, betreffend den Seeunfall Schoonerbrigg „Detmar" von Bremen.
der
Der Sprud) des Seeamts lautet: Der Unfall der Schoonerbrigg „Detmar", welche in der Nacht vom 26. auf den 27. December 1886 auf den Goodwin Sands auflief und schwere Beschädigungen erlitt, ist in erster Linie durch Verschulden des Steuermanns Jessen herbeigeführt worden, indem dieser, obwohl er das East Goodwin-Feuerschiff in Sicht hatte, so planlos gesteuert hat, daß das Schiff auf Strand gerieth. In zweiter Linie trifft die Schuld an dem Unfall den Schiffer Hagemann, weil dieser, obwohl er die Unfähigkeit des Steuermanns kannte, demselben das Tommando des Schiffes in jener gefährlichen Gegend zur Nachtzeit an vertraut hat. Es ist ferner festgestellt, daß der Schiffer Hagemann zum Trünke geneigt hat und auch in jener Nacht vor und nach der Strandung fich nicht in nüchternem Zustande befunden hat, sowie daß derselbe nach der Strandung nichts gethan hat, um das Schiff vom Strand abzubringen, bis es von selbst abtrieb. Dem Anträge des Reichscommiffars entsprechend wird dem Schiffer Hagemann die Befugniß zur Ausübung des Schiffergewerbes entzogen, dagegen die Befugniß zur Aus übung des Steuermannsgewerbes belassen; ferner dem Steuer mann Jessen die Befugniß zur Ausübung des Steuermanns gewerbes entzogen. Gründe. Die Schoonerbrigg „Detmar", Heimathshafen Bremen,
Unterscheidungssignal OTIF, welche im Jahre I869 aus Holz gebaut ist, einen Netto-Raumgehalt von 7^0 cbm — 261,4« britischen Register-Tons hat und im Eigenthum der Firma Seetzen Gebrüder zu Bremen steht, trat am 2(. December 1886 mit einer halben Ladung Stückgüter eine Reise von Hamburg nach Portorico an. Das Schiff
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Schoonerbrigg Detmar.
befand sich in einen: guten Zustande, war 1885 in Brake reparrrt
und hatte darauf vom Bureau Veritas auf 5 Jahre Klaffe bekommen,
nach Angabe des Schiffers L 3/3 I 1.
Ueber die Versicherung von
Schiff, Fracht und Ladung ist nur ermittelt, daß das (Lasko versichert war, jedoch nicht, ;u welchem Betrage.
Führer des Schiffes war
der Schiffer Johannes Jürgens Hagemann aus Stickelkamperfehn, welcher sich im Besitz eines Befähigungszeugnisses ;um Schiffer auf
großer Fahrt, ausgestellt von der Königlichen Landdrostei in Aurich am 50. August 1883, befindet, und den „Detmar" seil Mai 1885 geführt hat. Als Steuermann fungirte der im Besitz eines Befähigungs
zeugnisses zum Steuermann auf großer Fahrt, ausgestellt von dem
Großherzoglich oldenburgischen Amt zu Elsfleth am 2\. April 1886,
befindliche Jakob Hinrich Jessen aus Moorsum. noch sechs Mann zur Schiffsbesatzung.
Außerdem gehörten
Die Reise verlief, abgesehen von dem noch weiter unten zu erwähnenden Bruch des Klüverbaums, bis zum 26. December ohne Unfälle.
Zn der Nacht vom 26. auf den 27. December hatte von
12 bis H Uhr der Schiffer Hagemann die Mache.
Es wehte eine
steife Brise aus (D5(D bis GzS, das Wetter war regnerisch und
schneeig.
Der „Detmar" führte gerefftes Großsegel, ferner Unter-
Marssegel, Großstenge-Stagsegel und Vorstenge-Stagsegel.
Die Luft
klärte sich vor 4 Uhr allmälig auf, das Wetter wurde besser und um 3 Uhr 30 Minuten kam ein grünes Blinkfeuer, 15 Sekunden einen Blink gab, in Sicht.
sich
davon, daß dies
dasselbe
das
welches alle
Der Schiffer überzeugte
East Goodwin- Feuer war und peilte
um 4 Uhr in der Richtung WNW auf höchstens
5 Seemeilen Entfernung.
bis
Gleichzeitig bemerkte er in der Richtung
WzS noch ein weißes Feuer, welches ihm dasjenige von South Sand head zu fein schien; dasselbe soll ebenfalls geblinkt haben, wurde
indessen von Hagemann nicht genauer beobachtet.
um
Als der Schiffer
Uhr die Wache dem Steuermann Jessen übergab, theilte er
ihm mit, daß das grüne Blinkfeuer dasjenige von East Goodwin sei und beide stellten sodann durch Zählen und Nachsehen im Feuerbuche
die Richtigkeit dieser Annahme fest. Auch das andere Feuer will der Schiffer dem Steuermann gezeigt, ihm jedoch cklcht gesagt haben,
daß es das South Sand Head-Feuer sei. Das Schiff hatte derzeit einen Fortgang von etwa Seemeilen in der Stunde. Nach der bestimmten Behauptung hagemann's, welche von dem Bootsmann Neebuhr (seinem Halbbruder) bestätigt wird, hat ersterer dem Steuer
mann Jessen um
Uhr die Weisung gegeben, er solle SWzW Eurs
60|
Zchoonerbrigg Vetmar.
steuern lassen, weil dieser von allem frei führe und, falls das Schiff
dem zweiten Feuer näher käme (nach Aussage Neebuhr's: falls der Steuermann sich nicht sicher fühle und jedenfalls beim Sichten des
South Sand Head-Feuers), solle er ihn wecken.
Der Schiffer begab
sich dann in die Kajüte, wo er sich angekleidet in dis Koje legte. Die Seekarte lag in der Kajüte auf dem Tische zum Gebrauch bereit. Welche Turse der Steuermann Jessen nun während seiner Wache
hat steuern lassen, hat nicht bestimmt ermittelt werden können.
Nach
Aussage von Neebuhr ist dieser etwa um 5 Uhr 30 Minuten von Jessen geweckt worden, um beim Umlegen des Großsegels das Ruder
anzufassen.
Neebuhr behauptet, das Schiff habe damals zwischen
West und WzS angelegen, worauf er den Steuermann sogleich auf
merksam gemacht habe.
Dieser habe in Hamburger plattdeutsch
geantwortet: „Ja, die Strömer jagen so was damit herum."
Als
nun 5 Uhr H5 Minuten das Großsegel übergeworfen gewesen, sei an
Steuerbord schräg voraus ein grünes Blinkfeuer in Sicht gekommen, welches das um
Uhr gesehene zu sein schien, aber viel deutlicher
zu sehen gewesen sei.
Nach Angabe des Schiffers Hagemann soll
der Steuermann diesem gegenüber in Talais später geäußert haben,
er habe ein in Sicht gekommenes Feuer für ein solches von der
französischen Küste gehalten und, um dieser nicht zu nahe zu kommen, einen nördlicheren Turs eingeschlagen.
Um 6 Uhr stieß das Schiff auf den Goodwin-Sänden auf.
Die
Strandungsstelle war ganz nahe bei dem mehrerwähnten Gast GoodwinFeuerschiff.
Der Koch Gsterloh sah dasselbe beim Ausstößen etwa
t Seemeile entfernt an Steuerbord voraus.
Dann schlug das Schiff
hinten herum, so daß man das Feuer dwars hatte und als das Schiff
später wieder frei gekommen war, trieb es in einer Entfernung von
5 bis H Kabellängen an dem Feuerschiff vorbei.
Beim Ausstößen
brach das Rudergeschirr des Schiffes und letzteres machte sofort viel
Wasser.
Der Schiffer kam nach der Strandung an Deck und befahl
das Großsegel niederzuholen, was auch geschah,
hierauf zerriß das
Unter-Marssegel, weil die Steuerbordsschooten losgeworfen wurden (die
Leute
behaupteten,
der
Steuermann
habe
letzteres
befohlen,
während der Steuermann dies bestreitet), ebenso zerriß das gereffte
Gber-Marssegel durch das schwere Schlagen. Der Wind war inzwischen nach NND herumgelaufen und um 7 Uhr kam das Schiff von selbst wieder frei.
Beim Peilen der Pumpen fand man 2 Fuß Wasser
im Raum.
Der Schiffer, welcher behauptet, die Leute seien dem
Befehle zu pumpen nicht nachgekommen und von ihm mit Gewalt
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Lchoonerbrigg Detmar.
dazu gezwungen worden, beschloß nunmehr, Calais als Nothhafen anzulaufen. Dieser Hafen wurde auch gegen 2 Uhr erreicht, nachdem das Wasser im Raum auf s,ss in angewachsen war. Das Schiff wurde in Calais leergepuntpt, entlöscht und sodann reparirt. Der Steuermann Jessen wurde in Calais, der Schiffer Hagemann nach Rückkehr des Schiffes in Hamburg von der Rhederei mit Rücksicht auf diesen Seeunfall entlassen. Der Reichscommiffar hat gegen den Schiffer Hagemann den Antrag auf Entziehung des Schiffer-Patentes, unter Belassung des Steuermann-Patentes, sowie gegen Sen Steuermann Jessen den Antrag auf Entziehung des Steuermann-Patentes gestellt. Der Schiffer Hagemann ist vor dem Seeamte in den Haupt verhandlungen vom 1(8. Juli 1(887 und 9- Februar 1(889 vernommen worden und hat sich auf jenen Antrag vertheidigt. Der Steuermann Jessen, dessen Aufenthalt anfänglich nicht zu ermitteln war, dann aber in San Francisco ermittelt wurde, ist unter der Mittheilung, daß der Antrag auf Patent-Entziehung gegen ihn gestellt sei, und unter der Verwarnung, daß auch im Falle seines Nichterscheinens über den Antrag entschieden werden solle, zum Verhandlungstermin vom 6. Oktober (888 ant 9- Mai 1(888 geladen worden. Auch hat am letztgedachten Tage seine Vernehmung zur Sache vor dem darum ersuchten deutschen Consulate zu San Francisco stattgefunden. Im Termine vor dem Seeamt ist Jessen jedoch nicht erschienen. Was nun die Beurtheilung des Seeunfalles betrifft, so ist das Seeamt der Ansicht, daß derselbe in erster Linie auf das Verschulden des Steuermanns Jessen zurückzuführen ist. Demselben war beim Antritt der Wache um 4 Uhr das East Goodwin-Feuerschiff vom Schiffer gezeigt und der Curs SWzW befohlen worden, hätte er diesen Curs stetig steuern lassen, so wäre das Schiff nicht auf die Goodwin-Sände gerathen. Dies ergiebt sich, wenn man den Curs unter Zugrundelegung der vom Schiffer um Uhr vorgenommenen Peilung auf der Karte absetzt. Statt dessen hat Jessen den Curs offenbar sehr erheblich geändert. Da das Schiff sich um Uhr etwa H bis 5 Seemeilen von East Goodwin-Feuerschiff entfernt befand und, bei einer Fahrt des Schiffes voit etwa Knoten, um 6 Uhr in einer Entfernung von etwa ( Seemeile bei dem nämlichen Feuerschiff strandete, so muß in der Zwischenzeit ganz planlos gesteuert worden sein. Die Angabe des Bootsmanns Neebuhr, daß das Schiff um 5 Uhr 30 Minuten zwischen West und WzS angelegen habe, erscheint glaubhaft und die vom Schiffer behauptete Aeußerung des Jessen,, er habe ein
Schoonerbrigg Detmar.
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in Licht kommendes zweites Feuer für ein solches von der französischen Küste gehalten und daher einen nördlicheren für ein französisches Küstenfeuer gehalten und aus diesem Grunde den Eurs so verändert hat, daß das Schiff nach zwei Stunden auf den Goodwin-Sänden auflief. Dieses Steuermanöver erscheint um so unbegreiflicher, als das East GoodwinFeuerschiff bei der klarer gewordenen Luft noch geraume Zeit nach Uhr in Sicht geblieben sein muß und auch vor der Strandung gegen 5 Uhr H5 Minuten wieder deutlich an Steuerbord voraus in Sicht kam, so daß dem Steuermann hierdurch ein durchaus sicherer Anhalts punkt für die Navigirung des Schiffes geboten war. Daß das Schiff unter solchen Umständen auf Strand gerieth, läßt sich nur durch die Annahme erklären, daß Jessen es an jeglicher Aufmerksamkeit hat fehlen lassen. Dieser Mangel an Aufmerksamkeit ist aber ein so grober, daß der Antrag des Reichscommissars auf Entziehung des Steuermann-Patents gerechtfertigt erscheint, da dem p. Jessen nicht etwa nur die Fähigkeit mangelt, ein Schiff selbständig zu navigiren, sondern sogar die, unter Anleitung eines Schiffers nach einem ihm aufgegebenen Eurse und in Sichtweite bekannter oder doch leicht zu bestimmender Feuer ein Schiff zeitweilig zu führen, wozu auch der Steuermann im stände sein muß. Uebrigens hat auch Schiffer Hagemann den Steuermann Jessen für unfähig gehalten und diese Unfähigkeit wird ferner von dem Koch Dsterloh bestätigt, welcher ausgesagt hat, Jessen sei während der U)ache von 8 bis \2 Uhr am 26. December nicht im stände gewesen, das Schiff, nachdem es durchgedreht hatte, wieder auf den richtigen Lurs zu bringen, bis er (Dsterloh) ihm hierzu die nöthigen Minke gegeben habe. Xüas den gegen den Schiffer Hagemann gerichteten Antrag anlangt, so mußte auch dieser bei näherer Prüfung der Sache für begründet erachtet werden. Den Schiffer Hagemann trifft zunächst der schwere Vorwurf, daß er dem Steuerman Jessen zur Nachtzeit in jener gefährlichen Gegend die Führung des Schiffes anvertraute. Dadurch hat er in zweiter Linie denNnfall verschuldet. Die Unfähigkeit des Steuermanns, der, wie er wußte, damals zum ersten Male als solcher eine Reise auf einem Segelschiffe mitmachte, war ihm bekannt. Als in der Nacht vom 2^. zum 25. December während der Mache des Steuermanns der Klüverbaum brach, führte der Schiffer selbst diesen Unfall auf die Unerfahrenheit und Eigenmächtigkeit des Steuermanns, welcher trotz des stürmischen Melters noch mehr Segel als vorher hatte beisetzen
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Schoonerbrigg Detmar.
lassen,
zurück.
Beim passiren der Goodwin-Sände hätte Schiffer
Hagemann unbedingt selbst die Führung behalten müssen. (Es kommt hinzu, daß das Verhalten desselben nach der Strandung
ebenfalls schwer zu tadeln ist.
Abgesehen davon, daß er das Groß
segel niederholen ließ, hat er weitere Maßregeln, um das Schiff vom Strande abzubringen, nicht getroffen, sich überhaupt ziemlich unthätig
verhalten.
Der Koch Osterloh hat eidlich ausgesagt, er habe nach
dem Niederholen des Großsegels weitere Befehle vom Schiffer nicht
ertheilen hören, dieser habe sich vielmehr in die Kajüte begeben und
dann ab und zu herausgesehen; ferner der Schiffsjunge Meyer: nach
der Strandung sei eigentlich kein Tommando an Bord gewesen, sondern jeder habe so zu sagen gethan, was ihm beliebte; der Steuermann und der Zimmermann, letzterer mit einem Beile, seien hin- und her
gegangen ; der Schiffer sei erst wieder mit Tagesanbruch an Deck
erschienen.
Der Bootsmann Neebuhr behauptet sogar, gleich nach der
Strandung hätten die Leute im Logis aus einem Demijohn Schnaps in Taffen getrunken.
An einer energischen Oberleitung seitens des
Schiffers, wie sie gerade nach der Strandung durchaus erforderlich war, hat es hiernach offenbar ganz gefehlt. (Endlich hat sich das Seeamt der Ueberzeugung nicht verschließen
können, daß der Schiffer Hagemann vor und nach der Strandung nicht nüchtern gewesen, und daß auch schon bei früheren Gelegenheiten die
Neigung zum Trünke bei ihm hervorgetreten ist.
Zwar ist anzu
nehmen, daß die Angaben des Zimmermanns Paulsen, des Matrosen Hansen
und
des Matrosen
Bussius,
welche
diese
Personen
am
6. Januar s887 vor dem deutschen Vice-Tonsulate zu Lalais gemacht
haben, worin sie den Schiffer beschuldigen, derselbe sei während der ganzen Reise betrunken gewesen und habe bei der Strandung total betrunken in seiner Koje gelegen, aus Rachsucht gegen den Schiffer,
mit dem sie in Streit gerathen waren, stark übertrieben sind, zumal die Aussagen des Kochs Dsterloh, des Jungen Meyer und des Boots
manns Neebuhr damit in Widerspruch stehen. Jedenfalls aber liegen
genügende Anhaltspunkte dafür, daß Hagemann in der Nacht vom 26. auf den 27. December nicht nüchtern gewesen sehr kann, vor.
(Er
gesteht selbst zu, daß er, als er zwischen 8 und \2 Uhr in der Koje gelegen, mehrere Schüsse aus einem Revolver abgefeuert habe, und
zwar, wie er behauptet, zu
dem Zwecke,
um jemanden von der
Besatzung herbeizurufen, da in Folge des Schlingerns des Schiffes
verschiedene Papiere aus dem Schranke der Kajüte herausgefallen seien ; ferner gesteht er zu, daß er demnächst die Thür der Kajüte, als sie
Schoonerbark Auguste.
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nicht sofort offen ging, mit den Füßen eingetreten habe. Ferner giebt er zu, daß er während feiner Wache von J2 bis H Uhr mehrere Schnäpse getrunken, und daß er auch nach der Strandung Branntwein getrunken habe. Endlich steht fest, daß er nach der Strandung zwischen 6 und 7 Uhr an Deck hingefallen ist, und es muß zweifelhaft erscheinen, ob dieser Sturz lediglich durch das starke Stoßen des Schiffes, wie er behauptet, verursacht ist. — Daß die Neigung zum Trünke auch schon in früherer Zeit bei Hagemann hervorgetreten ist, folgert das Seeamt aus den Aussagen der hierüber vernommenen Zeugen, welche früher auf dem „Detmar" unter ihm gedient haben, nämlich des Leicht matrosen Timmermann, des Steuermanns Geelvink, des Zimmermanns Labs und des Vollmatrosen Ehrlicher, welche sämmtlich, wenngleich in verschiedener Abstufung hinsichtlich des Grades, die Erscheinungen jener Neigung bekundet haben. Daß alle diese Zeugen, wie Schiffer Hagemann behauptet, nur aus Rachsucht ungünstig gegen ihn aus gesagthätten, ist als ausgeschlossen zu betrachten. Einzelne Vorkommnisse, welche von denselben bezeugt sind, wie z. B., daß er einmal in Mexico mit einem Revolver an Land gegangen und wegen Trunkenheit arretirt sei, gesteht Hagemann selbst zum Theil als richtig zu, wenngleich er sie anders zu erklären sucht. Allerdings hat die jetzige Rhederei des Schiffers sich wiederholt günstig über das Verhalten desselben, seit er in ihrem Dienste steht, geäußert; allein diese spätere gute Führung kann ihn doch nicht genügend entlasten, zumal sie bis jetzt durch die schwebende seeamtliche Untersuchung jedenfalls mit beeinflußt worden ist. Vielmehr bleibt abzuwarten, ob die Besserung eine nachhaltige sein wird oder nicht.
89. Spruch des Seeamts zu Rostock vom 15. Februar 1889, betreffend den Seeunfall der Schoonerbark „Auguste" von Rostock. Der Spruch des Seeamts lautet: Das' Feuer, von welchem die Schoonerbark „Auguste" am
25. Juni 1888 im Hafen von Sandö bei hernöfand in Schweden ergriffen wurde, und welches dieselbe dermaßen beschädigte, daß ihre Tondemnirung wegen Reparatuu-Unwürdigkeit erfolgte, ist dadurch entstanden, daß das genannte Schiff durch die von einem brennenden Holzlager ausgehende Hitze in Brand gerieth. Die vom
Schoonerbark Auguste.
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nicht sofort offen ging, mit den Füßen eingetreten habe. Ferner giebt er zu, daß er während feiner Wache von J2 bis H Uhr mehrere Schnäpse getrunken, und daß er auch nach der Strandung Branntwein getrunken habe. Endlich steht fest, daß er nach der Strandung zwischen 6 und 7 Uhr an Deck hingefallen ist, und es muß zweifelhaft erscheinen, ob dieser Sturz lediglich durch das starke Stoßen des Schiffes, wie er behauptet, verursacht ist. — Daß die Neigung zum Trünke auch schon in früherer Zeit bei Hagemann hervorgetreten ist, folgert das Seeamt aus den Aussagen der hierüber vernommenen Zeugen, welche früher auf dem „Detmar" unter ihm gedient haben, nämlich des Leicht matrosen Timmermann, des Steuermanns Geelvink, des Zimmermanns Labs und des Vollmatrosen Ehrlicher, welche sämmtlich, wenngleich in verschiedener Abstufung hinsichtlich des Grades, die Erscheinungen jener Neigung bekundet haben. Daß alle diese Zeugen, wie Schiffer Hagemann behauptet, nur aus Rachsucht ungünstig gegen ihn aus gesagthätten, ist als ausgeschlossen zu betrachten. Einzelne Vorkommnisse, welche von denselben bezeugt sind, wie z. B., daß er einmal in Mexico mit einem Revolver an Land gegangen und wegen Trunkenheit arretirt sei, gesteht Hagemann selbst zum Theil als richtig zu, wenngleich er sie anders zu erklären sucht. Allerdings hat die jetzige Rhederei des Schiffers sich wiederholt günstig über das Verhalten desselben, seit er in ihrem Dienste steht, geäußert; allein diese spätere gute Führung kann ihn doch nicht genügend entlasten, zumal sie bis jetzt durch die schwebende seeamtliche Untersuchung jedenfalls mit beeinflußt worden ist. Vielmehr bleibt abzuwarten, ob die Besserung eine nachhaltige sein wird oder nicht.
89. Spruch des Seeamts zu Rostock vom 15. Februar 1889, betreffend den Seeunfall der Schoonerbark „Auguste" von Rostock. Der Spruch des Seeamts lautet: Das' Feuer, von welchem die Schoonerbark „Auguste" am
25. Juni 1888 im Hafen von Sandö bei hernöfand in Schweden ergriffen wurde, und welches dieselbe dermaßen beschädigte, daß ihre Tondemnirung wegen Reparatuu-Unwürdigkeit erfolgte, ist dadurch entstanden, daß das genannte Schiff durch die von einem brennenden Holzlager ausgehende Hitze in Brand gerieth. Die vom
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Schoonerbark Auguste.
Steuermann Julius Behrens zur Rettung des brennenden Schiffes getroffenen Anordnungen waren in jeder Beziehung der Sachlage entsprechend. Entscheidungsgründe. I. In heutiger Hauptverhandlung ist auf Grund des Schiffsjournals, der Verklarung d. d. Hernöfand 28. Juni 1888, der Besichtigungs-Protokolle vom 27. Juni und 12. Juli desselben Jahres, sowie der Aussagen des Schiffers und des Steuermanns, Nachstehendes thatsächlich festgestellt: 1. Am 19« Juni 1888 traf die in Rostock beheimathete, vom Schiffer Julius Büsing zu Warnemünde geführte Schoonerbark „Auguste", Unterscheidungssignal LFDK, vermessen zu 299,51 britischen Registertons Netto-Raumgehalt, in Ballast aus Gstende konmiend in Sandö, einem der Ladeplätze von Hernösand in Schweden, ein, wo sie Holz und Eisen für fjull einnehmen sollte. Nachdem sie zunächst an die Ballaststelle geschleppt worden, verholte sie am folgenden Tage an die Ladestelle, wo sie etwa 70 Schritte vom Bollwerk entfernt hinten an einem Pfahl befestigt und vorn vor den mit ^5 Faden Kette aus gebrachten Backbor-anker gelegt wurde. Am 25. Juni war Schiffer Büsing nach Hernösand hinaufgefahren, während die übrige Besatzung unter Leitung des Steuermanns Julius Behrens aus Wustrow beim Uebernehmen und Verstauen der Ladung beschäftigt war. Das Eisen, (6^6 Stangen, hatte man bereits im Schiffe und nunmehr begonnen, auch die Holzladung aus einem Prahm überzunehmen. Der Wind wehte sturmartig aus WNW schräg auf das Land zu. Wittags zwischen 1 und 2 Uhr gerieth plötzlich das dem deutschen Tonsul in Hernösand gehörige, ungefähr in SSW von der Schoonerbark gleich hinter dem Bollwerk belegenene große Holzlager in Brand, welches in kaum 20 Minuten total in Flammen stand. Sobald Steuermann Behrens den Ausbruch des Feuers bemerkte, ließ er sofort hinten die Ketten, mit denen das Schiff an dem Pfahl befestigt war, loswerfen und vorn die Kette des Backbordankers bis auf 15 Faden einhieven, um dasselbe weiter von der Brandstätte zu entfernen. Ehe man dies jedoch noch hatte ausführen können, fing das Hintere Ende der Schooner bark an zu brennen. Die Besatzung versuchte das Feuer zu löschen, was ihr indeß nicht gelang. Dann ließ der Steuerinann, um seine Leute nicht der Gefahr des Verbrennens auszusetzen, ein Boot zu Wasser bringen, in welchem darauf alle mit einem Theile ihrer Effecten das brennende Schiff verließen. Kaum hatten sie jedoch nach dreiviertel stündigem Rudern in einer der Brandstätte entgegengesetzten Richtung das Land erreicht, als sie bemerkten, daß der Dampfer „Sandwiken"
Schoonerbark Auguste.
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sich der Schoonerbark näherte, auf welcher inzwischen schon Masten und Segel vom Feuer ergriffen waren. Sie kehrten daher sofort wieder an Bord zurück, schleppten den Backbordanker mit 60 Faden Kette und taueten windwärts auf. Dann kam der mit Löschapparaten versehene Dampfer „Kramfors" hinzu, mit dessen hülfe man endlich
des Feuers Herr wurde. Die der Schoonerbark durch letzteres zugefügten Beschädigungen erwiesen sich als sehr erheblich. Die Beplankung an Backbordseite ober halb Wassers hatte dermaßen gelitten, daß zum Theil die Inhölzer sichtbar waren. Der Besahnmast und fast sämmtliche beschlagene Segel waren total verbrannt. Der Großmast, das Ruder sowie das gesammte Tauwerk hatten mehr oder minder schwere Beschädigungen erlitten. Drei andere Schiffe, welche rechts und links von der Schoonerbark, jedoch etwas mehr dem Lande zu, vor Anker lagen, geriethen ebenfalls durch die von dem brennenden Holzlager ausgehende furchtbare Hitze in Brand und wurden gänzlich vom Feuer zerstört. Tine von dem Magistrat hernösand bestellte SachverständigenTommission taxirte den Werth der Schoonerbark in deren beschädigtem Zustande auf höchstens {800 Kronen und veranschlagte die Kosten der nothwendigen Reparaturen zu 80 {5 Kronen. Da Schiffer Büsing der Meinung war, daß die Reparaturkosten zu niedrig veranschlagt seien, so veranlaßte auf seinen Antrag der deutsche Lonsul zu hernösand eine abermalige Besichtigung durch Sachverständige, welche nunmehr die Kosten der nothwendigen Reparaturen zu {2500 Kronen feststellten. Die Schoonerbark ist sodann als reparaturunwürdig condemnirt und mit Inventar öffentlich meistbietend für 5800 Kronen verkauft. 2. Dieselbe war {856 in Amerika aus Eichen- und Pitschpeinholz erbaut, demnächst in den Besitz einer Altonaer Rhederei über gegangen und von dieser {877 mit Inventar für 2{ 000 JH hierher verkauft worden. Sie war erst im Frühling {888 zu Danzig abgedichtet und befand sich zur Zeit des Unfalls in einen; vollkommen seetüchtigen Zustande. Schiffer Büsing hatte 73/ioo Parten am Schiffe, war aber nur mit 29/ioo versichert. II. Nach vorstehenden Feststellungen kann nicht bezweifelt werden, daß die Schoonerbark durch die von dem brennenden Holzlager ausgehende große Hitze in Brand gerathen ist. Was der Steuermann anordnete, um letzterem vorzubeugen, muß als der Sachlage angemessen bezeichnet werden. Insbesondere war es sehr richtig, wenn er beabsichtigte, die Ankerkette nur bis auf {5 Faden einfieren zu lassen. Denn bei einem
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Schraubendampfer Emma und Schooner Garam.
weiteren Einfieren derselben konnte der Anker leicht loswerfen und dann trieb die Schoonerbark direct dem Feuer entgegen. Nur dem entschlossenen und umsichtigen handeln des Steuermanns ist es zuzuschreiben, daß dieselbe nicht total über Wasser verbrannte und so dem gleichen Schicksal verfiel, von welchem die neben ihr ankernden Schiffe betroffen wurden. Ein Verschulden an dem Unfälle und dessen Folgen hat demnach weder ihm, noch sonst jemandem von der Besatzung der Schoonerbark zur Last gelegt werden können.
90» Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 23. November 1888 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 13. März 1889, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendamxfers „Emma" von Kiel mit dem russischen Schooner „Garam" (Haram). Der Spruch des Seeamts lautet: Der Schraubendampfer „Emma" ist am Vormittage des 6. Oktober 1888 in der Nordsee mit dem russischen Dreimastschooner „Garam" zusammengestoßen. Dieser Unfall ist dadurch veranlaßt, daß der russische Schooner „Garam" kein grünes Licht führte, welches in einiger Entfernung an Bord der „Emma" als grün erkannt werden konnte. Dis Vorschriften zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See sind von Seiten der „Emma" befolgt worden. In Betreff der Vorschriften über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstöße von Schiffen auf See ist dem Schiffer Arützfeldt der Vorwurf zu machen, daß er nicht nach dem Alarwerden des Seglers von dem Dampfer die Richtung peilte, in welcher das Licht des letzteren erschien, uni ihn später leichter auffinden zu können. Dem Schiffer Arützfeldt ist die Befugniß zur Ausübung des Schiffergewerbes nicht zu entziehen. Gründe. Der Schiffer Johann Stein vom russischen DreimastGaffelschooner „Garam" hat am U. Oktober 1888 vor dem Receiver of Wreck in Hartlepool Folgendes ausgesagt: Er sei mit dem 265 Tons großen Dreimastschooner „Garam" am 25. September 1888 von Riga abgegangen, um mit einer Ladung
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Schraubendampfer Emma und Schooner Garam.
weiteren Einfieren derselben konnte der Anker leicht loswerfen und dann trieb die Schoonerbark direct dem Feuer entgegen. Nur dem entschlossenen und umsichtigen handeln des Steuermanns ist es zuzuschreiben, daß dieselbe nicht total über Wasser verbrannte und so dem gleichen Schicksal verfiel, von welchem die neben ihr ankernden Schiffe betroffen wurden. Ein Verschulden an dem Unfälle und dessen Folgen hat demnach weder ihm, noch sonst jemandem von der Besatzung der Schoonerbark zur Last gelegt werden können.
90» Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 23. November 1888 und Entscheidung des Kaiserlichen Ober-Seeamts vom 13. März 1889, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendamxfers „Emma" von Kiel mit dem russischen Schooner „Garam" (Haram). Der Spruch des Seeamts lautet: Der Schraubendampfer „Emma" ist am Vormittage des 6. Oktober 1888 in der Nordsee mit dem russischen Dreimastschooner „Garam" zusammengestoßen. Dieser Unfall ist dadurch veranlaßt, daß der russische Schooner „Garam" kein grünes Licht führte, welches in einiger Entfernung an Bord der „Emma" als grün erkannt werden konnte. Dis Vorschriften zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See sind von Seiten der „Emma" befolgt worden. In Betreff der Vorschriften über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstöße von Schiffen auf See ist dem Schiffer Arützfeldt der Vorwurf zu machen, daß er nicht nach dem Alarwerden des Seglers von dem Dampfer die Richtung peilte, in welcher das Licht des letzteren erschien, uni ihn später leichter auffinden zu können. Dem Schiffer Arützfeldt ist die Befugniß zur Ausübung des Schiffergewerbes nicht zu entziehen. Gründe. Der Schiffer Johann Stein vom russischen DreimastGaffelschooner „Garam" hat am U. Oktober 1888 vor dem Receiver of Wreck in Hartlepool Folgendes ausgesagt: Er sei mit dem 265 Tons großen Dreimastschooner „Garam" am 25. September 1888 von Riga abgegangen, um mit einer Ladung
Schraubendampfer Emma und Schooner Garam. Hol; nach Hartlepool zu segeln.
609
Am 6. Oktober morgens 3 Uhr
50 Almuten, als er auf 56° ^0' Nordbreite und 6° 25' Ostlänge in der Nordsee gestanden, habe er bei klarem Wetter mit frischer aus S(D wehender Brise mit Backbordhalsen im Turse SWzW mit
allen Segeln gesegelt,
als
der vorn auf der Decksladung stehende
Ausgucksmann meldete, daß ein Dampfer in Sicht sei.
Deponent sah
das Toplicht und das grüne Seitenlicht des Dampfers ein wenig über dem Backbordbug ungefähr 2 Seemeilen entfernt.
Er behielt
seinen Turs bei und blieb das grüne Licht des Dampfers in Sicht.
Als um
Uhr morgens der Dampfer nahe herangekommen war,
veränderte er plötzlich seinen Turs, zeigte sein rothes Licht und versuchte
den Bug des „Garam" zu kreuzen.
Ich sah nun, daß ein Zusammen
stoß unvermeidlich war und rief dem Dampfer zu.
Dieser nahm
keine Notiz davon, denn er rannte uns, ohne seine Maschine zu stoppen, an Steuerbordbug an. Unser Bordertheil drehte sich bei dem Stoße
um und in ungefähr 2 Minuten wurden wir wieder klar.
Wir riefen
nun dem Dampfer mit allen Kräften zu, zeigten blaue Lichter und
gebrauchten das Nebelhorn, aber der Dampfer ging davon.
Sobald
wir von dem Dampfer klar waren, nahmen wir alle Segel weg, um auf die Rückkehr des Dampfers zu warten und um unfern Schaden
zu untersuchen und festzustellen.
Wir fanden zwei Fuß Wasser im
Schiff, der Klüverbaum mit seiner Takelage und seinen Segeln war
verschwunden, der Steven mit dem Wasserstag gebrochen, der Backbord bug sehr offen und begeben, der Schanddeckel an Backbordseite in die
Höhe gehoben und andere Schäden.
Wir warteten eine halbe Stunde,
dann setzten wir Segel bei, um das Rollen des Schiffes zu vermeiden, hingen auch Persennings über den Bug und stellten Leute an die Pumpe. Der Name des Dampfers war nicht zu erkennen; er hatte aber zwei Masten, sowie augenscheinlich einen schwarzen mit keinem Merkzeichen
versehenen Schornstein und war tief beladen.
Unsere Lichter waren
in der Vordertakelage angebracht, sie zeigten ein rothes an Backbord
seite
und ein grünes Licht an Steuerbordseite sechs Fuß über der
Schanzkleidung.
Morgens 9 Uhr kam ein Fischerboot in Sicht, welches
wir um Hülfe ansprachen.
Wir erhielten von demselben zwei Mann
zur Hülfe beim Pumpen und ließen wir uns dann von dem Fischer
fahrzeug schleppen.
Weil dies aber zu langsam ging und das Fischer
boot seinen Turs zu südlich nahm, ließen wir am folgenden Tage die
Schlepptrosse schlippen und segelten mit eigenen Segeln weiter, bis wir um 3 Uhr morgens am 8. Oktober auf einen Schleppdampfer stießen. Dieser nahm den Schooner ins Schlepptau und brachte ihn am VIII.
39
6{0
Schraübendampfer Emma und Schooner Gurunr.
U. Oktober nach Hartlepool, jedoch nicht ohne weiteren Unfall, indem der Schooner zuvor im Nebel auf Grund stieß und dabei an seinem Kiel und dem Steuerruder beschädigt wurde. Der von dem Schiffer Peter Krützfeldt aus Laboe geführte zwei mastige Dampfer,, (Emma",Heirnathshafen Kiel, befand sich am Morgen des 6. Oktober s888 mit einer Ladung Steinkohlen auf der Reife von Shields nach Kiel. Nach dem Besteck stand die „(Emma" um 3 Uhr morgens auf 56° 2V Nordbreite und 5° 28' Ostlänge von Greenwich und steuerte (Lurse pr. Tompaß O '/iS, Abtrift */$ Strich, somit wahrer (Lurs Ost, als man an Bord derselben ungefähr 2 Strich an Backbord ein Licht gewahrte. Der Schiffer hatte die Wache, war aber nicht auf Deck, vielmehr ungefähr s0 Minuten vorher in das unter der Tommandobrücke belegens Kartenhaus gegangen, nachdem er zuvor den Befehl gegeben, man möge ihn rufen, sobald etwas passire. Auf Deck und zwar auf der mitschiffs befindlichen Tommandobrücke waren der Boots mann Jager, ein alter Seemann von 59 Jahren, ein Matrose als Ausgucksmann, ein Jungmann und ein Decksjunge, letzterer am Ruder. Sämmtliche auf Deck anwesende Personen stimmen darin überein, daß das gesichtete Licht ein weißes war und farbige Lichter nicht zu sehen waren. Als der Bootsmann das Licht sichtete, ließ er in der Annahme, daß er ein vor seinen Netzen treibendes Fischerboot vor sich habe, das Ruder etwas nach Backbord legen. Gleichzeitig nahn» er sein Fernrohr zur Hand und sah sich das Licht genauer an. Weil er hierbei wahr nahm, daß das Licht sich rasch nähere, ließ er das Ruder hart backbord legen und begab sich dann auf die vor der Tommandobrücke hinunter führende Treppe, von wo aus er den Schiffer herbeirief. Dieser kam sofort aus dem Kartenhause auf die Brücke. Hier angelangt, sah er einen mit Backbordhalsen liegenden Segler, anscheinend im Turse WzS steuernd, eine Schiffslänge entfernt grade auf sein Schiff loskommen. (Er und der Bootsmann sahen damals ein rothes Licht auf der Backbordseite des Seglers, andere Lichter dagegen nicht. Unmittelbar darauf rannte der Segler den Dampfer hinter dem Maschinenraum in die Backbordseite, traf den Dampfer in einem rechten Winkel, drehte sich dabei um, schoor mit seiner Steuerbordseite längs der Backbordseite des Dampfers und verschwand dann achteraus. Während der Segler vorbeifchoor, sahen auch der Ausgucksmann und der Mann am Ruder des Dampfers das rothe Licht des fremden Schiffs, andere Lichter dagegen nicht. Das fremde Schiff hatte anscheinend zwei Masten und sah aus wie ein russischer Küstenfahrer.
Hchraubendampfer Lmma und Schooner Garam.
6U
Zur Zeit des Zusammenstoßens lag der Dampfer nach des Schiffers Krützfeldt Aussage SO) an. Als der Segler frei gekommen war, sah man an Bord der „Emma" ab und zu ein weißes Licht in der Richtung des verschwundenen Schiffes. Da der Wind aus Südost kam und eine hohe See ging, bei der die Backbordseite des Dampfers meist unter Wasser war, da man in Folge des hart backbord gelegten Ruders allmälig mit der Breitseite gegen die See zu liegen kam, ließ der Schiffer Krützfeldt das Ruder einstweilen so liegen und das Schiff so lange mit voller Kraft vorwärts gehen, bis es sich vollständig gedreht hatte und mit dem Bug gegen die See anlag. Nunmehr ließ er die Waschins stoppen und sein Schiff untersuchen, ob es dicht geblieben. Als er fand, daß es dicht geblieben, ließ er am Vordermaste eine nach allen Seiten leuchtende große Ankerlaterne aufhissen und dann mit langsamer Kraft nach Westen steuern, um den Segler aufzusuchen. Er fand ihn nicht. Wohl tauchte in der Ferne mitunter ein weißes Licht auf, sobald man indeß darauf losfuhr, verschwand es wieder. Nachdem er sich bis 6 Uhr morgens hin und her fahrend auf dem Eollisionsplatze aufgehalten hatte, ohne eine Spur von dem fremden Schiffe zu entdecken, setzte er seine Reise nach Kiel fort. Er hat demnächst seinen Bestimmungsort ohne weiteren Unfall erreicht. Bei dem Zusammenstöße wurde der „Emma" ein Theil ihrer Regeling zerbrochen, zwei Platten unter der Wasserlinie eingedrückt und etwas Takelage zerrissen. Der Schiffer schätzt den Gesammtschaden auf 3—HOOO JH. Nach dem Zusammenstöße fand man an Bord eine eiserne Klammer, welche anscheinend zur Befestigung des Klüverleiters am Stampfstock gedient hatte. Der Schornstein der „Emma" ist in seinem unteren Theile gelb angestrichen, in seinem oberen Theile schwarz. Der Reichscommissar hat beantragt, daß dem Schiffer Krützfeldt die Befugniß zur Ausübung des Schiffergewerbes entzogen werde. Er macht dem Schiffer folgende Vorwürfe: f. Er habe ohne Veranlassung während seiner Wache die Tommandobrücke "verlassen und hierdurch den Unfall verschuldet, weil bei seiner Anwesenheit auf der Tommandobrücke zur Zeit der ersten Sichtung des fremden Lichtes ihm voraussichtlich nicht entgangen wäre, daß man es mit einem herankommenden Schiffe zu thun habe und dann unbedingt durch eine Wendung nach Backbord die Tollision hätte vermieden werden müssen.
6(2
Lchraubendampfer Emma und 5choo»er Garam.
2. (Er habe der Vorschrift des Artikel (8 der Aaiserlichen Verordnung vom 7. Januar (880 zur Verhütung des Zusammen stoßens von Schiffen auf See zuwider gehandelt, weil er angesichts des herankommenden Schiffes nicht sofort die Maschine habe stoppen lassen. 3. (Er habe der Aaiserlichen Verordnung über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstöße von Schiffen auf See zuwider gehandelt, weiter in nicht genügender Meise nach dem Schiffe gesucht habe. Der Schiffer Arützfeldt hat diese Vorwürfe als unbegründet bezeichnet. Zum Beweise dafür, daß er nach der Tollision hin- und hergefahren sei, um das fremde Schiff aufzusuchen, hat er sich noch auf das Zeugniß seines Steuermanns Stahl, des Maschinisten Thomas und des Zimmermanns Meisendorf berufen.
Die Aussage des Schiffers Stein vor dem Wreck Receiver in Hartlepool läßt allerdings begründeten Zweifel darüber aufkommen, ob der Segler, mit welchem die „(Emma" zusammenstieß, der Dreimastschooner „Garam" gewesen ist. Steuerten die beiden Schiffe thatsächlich die Lurse, wie solche von beiden Theilen angegeben werden, so war es nicht möglich, daß man an Bord des „Garam", wie Stein aussagt, das grüne Licht der „(Emma" an Backbord sichten und solches bei fortgesetztem Turse in Sicht behalten konnte. Man könnte in diesem Falle nur das rothe Licht der „(Emma" nicht an Backbord, sondern an Steuerbord gesichtet haben. Der Schiffer Stein bezeichnet den Schornstein des Dampfers als anscheinend schwarz, während der Schornstein der „(Emma" in seinem unteren Theile nicht schwarz, sondern gelb angestrichen war. Die Angaben über Grt und Zeit des Zusammenstoßens, wie sie an Bord des „Garam" gemacht sind, stimmen auch nicht ganz genau mit den an Bord der „(Emma" gemachten Beobachtungen überein. Dazu kommt, daß man an Bord der „(Emma" ein nur zweimastiges Schiff wahrnahm, während der „Garam" drei Masten führte und daß man auf der „(Emma" kein grünes Licht entdecken konnte, während nach Stein's Aussage sowohl sein rothes wie sein grünes Licht hell brannten. Gleichwohl trägt das Seeamt kein Bedenken-anzunehmen, daß der Schooner „Garam" es war, mit welchem die „Emma" zu sammenstieß. Die übrigen Umstände, welche nach den Aussagen beider Theile bei dem Zusammenstößen obwalteten, stimmen im wesentlichen so sehr mit einander überein, daß kaum eine Differenz mehr übrig bleibt. Dahin sind zu rechnen:
öchraubendampfer Emma und Schooner Garam.
a.
613
Der Segler steuerte mit Backbordhalsen südwestlichen Turs
und der Dampfer „(Emma" mußte, wenn er so, wie geschehen, von dem Segler getroffen werden sollte, in Uebereinstimmung
mit der Angabe des Schiffers Krützfeldt SD anliegen.
b. Der „Garam" hat bei dem Zusammenstößen hauptsächlich sein Vordergeschirr, den Klüverbaum zerbrochen und verloren. Der mit der „(Emma" zusammenstoßende Segler muß sein Vordergeschirr zerbrochen haben, weil er mit seinem Bug auf
den Dampfer losrannte. c.
Der „Garam" wurde nach dem Zusammenstößen mit seinem
Vordertheil umgedreht und ging dann sofort achteraus von den: Dampfer klar.
Der mit der „(Emma" zusammenstoßende Segler
wurde gerade so, wie hier beschrieben, bei dem Zusammenstößen umgedreht und schoor dann längsseit der „(Emma" nach hinten
hin weg, um dann unmittelbar , darauf von ihr klar zu werden. d. Die an Bord der „(Emma" vorgefundene eiserne Klammer rührt augenscheinlich von dem an dem Klüverbaum befestigten
Stampfstock, wie ihn der „Garam" führte, her. e.
Drt und Zeit des Zusammenstoßens liegen so nahe an einander,
daß anzunehmen ist, die „(Emma" und der „Garam" und keine andern Schiffe seien es gewesen, wenn man erwägt, daß
seither keine Nachrichten über das Zusammenstößen anderer Schiffe in der betreffenden Gegend an die Deffentlichkeit gelangt sind. f.
Der Dampfer, mit dem der „Garam" zusammenstieß, war wie die „(Emma" ein zweimastiger, tief beladener und hatte,
wie diese, einen Schornstein ohne Merkzeichen. Der in der Aussage des Schiffers Stein liegende Widerspruch
bezüglich des Sichtens des grünen Lichtes des Dampfers wird voraus
sichtlich auf einem Mißverständnisse beruhen; seine Aussage, daß er
nur einen schwarzen Schornstein sah, erklärt sich zur genüge dadurch,
daß er seine Augen nach dem oberen Theil des Schornsteins gerichtet haben wird, oder daß der untere Theil vor Rauch überall in der Dunkelheit nicht erkennbar gewesen ist.
Die Aussage der Leute von der „(Emma", der Segler habe nur zwei Masten geführt, findet darin ihre (Erklärung, daß der Segler vor und
bei dem Zusammenstöße so stand, daß der Hintere kleinere Mast von den beiden andern und deren Segeln verdeckt wurde. (Erwägt man überdies, daß man nach dem Zusammenstößen der Schiffe auf der
„(Emma" allseitig der Auffassung war, man habe es mit einem russischen
Küstenfahrer zu thun, so erscheint die Ueberzeugung wohl begründet,
Schraubendampfer Emma und Schooner Garam.
6(4
daß dieses Schiff kein anderes als der russische Schooner „Garam" gewesen sei. i)at auch der Schiffer Stein ausgesagt, er habe zwei farbige Seitenlichter geführt und darf auch andererseits nicht verkannt werden,
daß zwei Zeugen von der Besatzung der „(Emma" in ihren Aussagen durchweg sehr unsicher und unbestimmt waren, — es hat sich auch
hier die schon oft gemachte Erfahrung wiederholt, daß die gemeinen
Schiffsleute meist mit so geringer Auffassungsgabe und so wenig Denkvermögen ausgestattet sind, daß über die in ihrem Beisein stattgehabten
Unfälle und deren begleitende Thatumstände von ihnen nicht viel
herauszubringen ist — so muß doch als erwiesen angenommen werden,
daß auf dem „Garam" kein so Helles grünes Licht brannte, daß es in einiger Entfernung hinausleuchtete; denn darin, daß man an Bord
der „Emma" kein grünes Licht ausfindig machen konnte, sind sich alle an Deck befindlichen Personen ganz sicher. Möglicherweise hat demnach der „Gäram" ein grünes Seitenlicht geführt; dann ist aber das Licht oder dessen Farbe so schwach gewesen, daß weder der Ausgucksmann
noch der Bootsmann auf der „Emma" es unterscheiden konnten, als
sie zuerst des fremden Lichtes ansichtig wurden.
Der Umstand, daß
der „Garam" ein weithin sichtbares grünes Licht nicht führte, hat den
Zusammenstoß
herbeigeführt.
Hätte er nämlich
ein
solches Licht
geführt, so hätte man an Bord der „Emma" selbstverständlich sofort
erkannt, daß man ein in Fahrt befindliches Schiff vor sich habe und wäre
dann demselben, indem man das Ruder hart steuerbord legte, um hinten herum zu fahren, glücklich vorbeipassirt.
Es ist immerhin zuzugeben,
daß der Schiffer Arützfeldt, wenn er zur Zeit der ersten Sichtung des fremden Lichts auf der Eommandobrücke gewesen wäre, das weiße Licht als das eines in Fahrt befindlichen Schiffes erkannt hätte, weil
bei sehr genauer Fixirung der Richtung, wo das Licht sich zeigte, sich
vielleicht ergeben hätte, daß es sich bewege.
Diese Möglichkeit berechtigt
aber nicht zu sagen, daß er seinerseits den Unfall verschuldete; es kann
ihm auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er zeitweilig die Eommandobrücke verlassen hatte, denn bei sonst normalen Verhältnissen,
klarem Wetter und reinem Fahrwasser mit festem Eurse, kann der
Führer eines Handelsschiffes zeitweise die Eommandobrücke verlassen, ohne sich damit dem Vorwurfe der Pflichtwidrigkeit auszusetzen; er
muß es sogar mitunter,
um seinen Eurs nachzusehen und andere
unaufschiebbare Bedürfnisse zu verrichten.
Wäre die Annahme, man habe ein stillliegendes Schiff vor sich,
richtig gewesen, so handelte der Bootsmann richtig, als er das Ruder
Schranbendampfer Emma und Schooner Garam.
6(5
erst backbord und dann hart backbord legen ließ. Der Schiffer Arützfeldt handelte auch, als er auf die Kommandobrücke kam, richtig, indem er angesichts des auf ihn loskommenden Seglers die Maschine einstweilen fortgehen ließ. £)ätte er, wie der Reichscommissar will, die Maschine damals sofort gestoppt, so hätte er allerdings formell den Vorschrift» des §. (8 der Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßens der Schiffe auf See genügt, gleichzeitig aber gegen die Vorschriften des §. 25 verstoßen. Bei der Nähe, in welche das fremde Schiff bereits herangekommen war, hätte das Stoppen der Maschine auf der „Emma" nur den Erfolg haben können, entweder, daß sie weiter nach vorne, also an viel gefährlicherer Stelle getroffen wäre, oder daß sie den „Garam" mitten durchschnitten hätte. Das Stoppen wäre hiernach das denkbar verkehrteste gewesen, was der Schiffer Arützfeldt hätte thun können, hieraus ergiebt sich, daß auch der zweite Vorwurf des Reichscommiffars unbegründet ist. Nach dem Zusammenstöße mußte der Schiffer Arützfeldt zunächst darauf bedacht sein, seinen eigenen Schaden zu untersuchen und fest zustellen. Dies konnte nur dann geschehen, wenn er das Schiff wieder gegen die See brachte, weil die Backbordseite mittlerweile gegen die Lee anlag und dabei beständig unter lVasser war. Um das Schiff wieder gegen die See zu bringen, wendete er, indem er unter hart Backbordruder weiter ging, bis er 5D anlag und dies war unter den obwaltenden Umständen dasjenige Manöver, welches am ehesten zum Ziele führte, hiermit mag indeß eine geraume Zeit vergangen sein, weil Schraubendampfer überall bei dem herumhalsen verhältnißmäßig viel Zeit gebrauchen und daraus wird erklärlich, daß der „Garam" nachher soweit weggetrieben war, daß man ihn nicht wieder aufzufinden vermochte. Es war unrichtig, daß der Schiffer Arützfeldt nachher mit einer brennenden Ankerlaterne im Mast hin- und herfuhr, um den Segler aufzusuchen, denn ein solches Licht durfte er nach Artikel 8 der Verordnung zur Verhütung des Zusammenstoßens nicht führen, wenn er sich in Fahrt befand. Ihm ist auch der Vorwurf zu machen, daß er nach der Eollision nicht sofort die Richtung peilte, in welcher das weiße Licht des Seglers verschwand; denn in diesem Falle würde es ihm unzweifelhaft gelungen sein, den Segler wieder aufzufinden. Es liegt aber nicht vor, daß dieses Verhalten des Schiffers Arützfeldt auf die Folgen des Unfalls von Einfluß gewesen ist. Mag demnach auch der dritte Vorwurf des Reichscommiffars begründet sein, so konnte doch seinem Anträge auf j)atententziehung nicht entsprochen werden. Einmal nämlich ist dieser Vorwurf kein sehr schwerwiegender,
6{6
Schranbendamxfer Emma und Scbooner Garam.
weil als ganz erklärlich erscheint, daß der Schiffer Krützfeldt in der ersten Bestürzung nicht an diese Vorsichtsmaßregel dachte und andererseits liegt die Voraussetzung des §. 26 des Gesetzes, betreffend die Unter suchung von Seeunfällen, nicht vor, weil das getadelte Verhalten die Folgen des Unfalls nicht verschlimmert hat.'
Die Entscheidung des Vber-Seeamts lautet: Auf die Beschwerde des Reichscommiffars gegen den Spruch des Königlich preußischen Seeamts in Flensburg vom 23. November 1886 über den Zusammenstoß des Dampfers „Emma" von Kiel mit dem russischen Schooner „Garam" („Haram"), hat das Kaiserliche Vber-Seeamt in seiner zu Berlin am 13. Nkärz 1889 abgehaltenen öffentlichen Sitzung, nach mündlicher Verhandlung der Sache entschieden, daß der Spruch des Königlich preußischen Seeamts in Flensburg vom 23. November 1886 zu bestätigen und die baaren Auslagen des Verfahrens außer Ansatz zu lassen. Gründe. Die in II. Instanz behufs Ergänzung der Beweis aufnahme gepflogenen Verhandlungen haben eine zuverlässigereFeststellung der Ursachen des Seeunfalls nicht zur Folge gehabt. Gegenüber dem von dem Dber-Seeamt an die zuständige russische Behörde gerichteten Ersuchen um eidliche Vernehmung der Besatzung des „Garam" über die näheren Umstände des Unfalls, insbesondere über die Lichterführung und die Eurse des „Garam", sind nur der Schiffer Stein sowie einer der Matrosen des „Garan:" und zwar beide uneidlich abgehört worden. Die Aussagen dieser Personen aber sind in mancher Beziehung theils nicht erschöpfend, theils mehrdeutig, theils einander widersprechend, so daß dieselben nicht geeignet erscheinen, die entgegenstehenden und unter sich übereinstimmenden und beeideten Bekundungen der Schiffsleute vom Dampfer „Emma" zu entkräften. Auf dieser Grundlage hat das Gber-Seeamt, gleich dem Seeamt, die nächste Ursache des Unfalls darin erblicken müssen, daß der „Garam", wenn überhaupt, nicht ein grünes Licht von der Beschaffenheit geführt hat, daß dasselbe als solches, selbst nur auf geringere Entfernung, von Bord der „Emma" aus erkannt werden konnte. Unter dieser Voraussetzung sind die Maßnahmen, welche der zur kritischen Zeit die Fahrt der „Emma" leitende Bootsmann Jager bis zum Iviedererscheinen des Schiffers an Deck ergriff, um den Unfall abzuwenden, nicht sachwidrig gewesen. Das Manöver, dem fremden
Sdjrautenbampfer Emma und Schooner Äaram. Segler, welchem er vorschriftsmäßig auszuweichen hatte, als das Licht desselben 2 Strich an Backbord in Sicht kam, mit Backbord-Ruder aus dem Wege zu gehen, war an sich richtig gewählt; denn mit Steuerbordruder wäre er gerade auf das fremde Licht zugefahren. Als bald darauf der Bootsmann, nachdem der Dampfer schon nach der Steuerbordseite ausgewichen war, erkannte, daß das gesichtete Licht nicht von einem vor seinen Netzen treibenden Fischerboote, sondern von einem in Fahrt befindlichen Segler über Backbordbug herrührte, war es zu spät, nach der Backbordseite hin auszuweichen, vielmehr war es nur noch etwa möglich, mit noch mehr Ruder Backbord vorn vor dem Segler vorüber zu kommen, — ein Manöver, welches auch beinahe geglückt wäre. Hiernach steht der Umstand, daß Schiffer Urützfeldt für einige Zeit sich von dort in das Aartenhaus begeben und dem Bootsmann Jager die selbständige Wache und das Eommando übergeben hatte, mit dem während dieser Zeit eingetretenen Seeunfalle nicht in ursächlichem Zusammenhangs, gestattet daher auch nicht Schluß folgerungen zu ungunsten des Schiffers bei Erwägung der Frage, ob dem letzteren die Befugniß zur Ausübung des Gewerbes zu ent ziehen sei. Andererseits ist das Ober-Seeamt keineswegs in der Lage dem Ausspruche des Seeamts: daß der Führer eines Handelsschiffes bei klarem Wetter und reinem Fahrwasser zeitweise die Kommando brücke verlassen könne, ohne sich dem Vorwurfe der Pflichtwidrigkeit auszusetzen, — in dieser Allgemeinheit beizupflichten. Allerdings kann die Befugniß des Schiffers, sofern die Verhältnisse die unmittelbare Leitung der Fahrt durch ihn selbst nicht gebieten, auch während seiner Wache das Deck zu verlassen, an sich keinem Zweifel unterliegen, da die Regelung des inneren Schiffsdienstes ausschließlich Sache des Schiffers ist. Ebensowenig zweifelhaft ist aber auch die Verpflichtung des Schiffers, in solchem Falle für die Wahrnehmung seiner Functionen durch einen berufenen Vertreter zu sorgen, als welcher einzig und allein ein mit vorschriftsmäßigem Befähigungsnachweise ausgestatteter Seemann gelten kann, da die gesammte, auf Ausübung der Seeschiffahrt bezügliche deutsche Gesetzgebung auf dem Principe beruht, daß die Berechtigung zur Führung eines deutschen Aauffahrteischiffes nur einem solchen zusteht, welcher die Befähigung hierzu ordnungsmäßig dargethan und ein entsprechendes Zeugniß der zuständigen Behörde erlangt hat. Indem Schiffer Arützfeldt dem entgegen zeitweilig seine Wache d. i. die selbständige Leitung der Fahrt und das Eommando über das Schiff dem Bootsmann d. i. einem zwar etwas geübteren, aber nicht vorschriftsmäßig befähigten Matrosen übertrug, handelte
6(8
Schraubendampfer (Emma und Schooner Garam.
er pflichtwidrig und zwar umsomehr, als er nicht einmal irgend welchen dringlichen Anlaß für feine Entfernung von Deck anzugeben vermocht hat. Er würde daher auch die volle Verantwortlichkeit für die ihm zur käst fallende Pflichtwidrigkeit zu tragen gehabt haben, wenn auf die Folgen derselben der Seeunfall zurückzuführen wäre. Daß dies jedoch nicht der Fall, ist oben bereits ausgeführt worden. Auch das Verhalten des Schiffers, nachdem dieser wieder auf die Brücke gekommen war und seinerseits das Eommando übernommen hatte, läßt ein Verschulden desselben an dem Seeunfalle nicht erkennen. Denn die „Emma" war zu jener Zeit bereits so weit an dem Buge des Seglers vorüber, daß Arützfeldt von der Brücke aus nur noch das rothe Licht desselben sehen konnte wogegen der Segler so nahe an den Dampfer herangekommen war, daß ein Zusammenstoß an dem Hintern Ende der „Emma" nicht mehr abgewendet werden konnte. Allerdings wäre es richtiger gewesen, wenn in diesem Zeitpunkt Schiffer Arützfeldt die Maschine sofort gestoppt hätte; allein bis zum Eintritt des Zu sammenstoßes sind nur noch Secunden vergangen, ein Zeitraum, welcher keinen Falls genügt haben würde, das Eommando „Stopp" zur wirklichen Ausführung zu bringen oder selbst im Falle der Ausführung eine Verringerung der Fahrt zu bewirken; der Zusammenstoß der Schiffe würde mithin von denselben Folgen begleitet gewesen sein. Ivar hiernach -er Unfall nicht zu vermeiden, so trifft den Schiffer kein Verschulden an demselben. Auch der in der Beschwerde gegen Schiffer Arützfeldt aufrecht erhaltene Vorwurf des Reichscommissars den Vorschriften der Aaiserlichen Verordnung vom so. August 1876 über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoß von Schiffen auf See zuwidergehandelt zu haben, erscheint bei genauerem Betracht der obwaltenden Verhältnisse nicht begründet. Nach jenen Vorschriften hatte Schiffer Arützfeldt die in denselben auferlegten Pflichten zur Hülfeleistung unter der Voraus setzung zu erfüllen, daß für sein eigenes Fahrzeug eine erhebliche Gefahr nicht vorlag. Zur Annahme einer solchen Gefahr berechtigten aber die Umstände, unter welchen der Zusammenstoß erfolgte, vollkommen, da der „Garam" mit dem stärksten Theile eines Schiffes, seinem Buge, rechtwinklig oder fast rechtwinklig die Breitseite des Dampfers, welche immer schwächer ist, als der Bug, getroffen hatte, und die „Emma" außerdem sehr tief, bis auf zum äußersten Maße ihrer Tragfähigkeit, mit Aohlen beladen war, demnach aber durch einen plötzlich entstandenen erheblichen keck zum sofortigen Sinken hätte gebracht werden können. Daß der Stoß des „Garam" überhaupt insbesondere in der
Schraubend am xfer Emma und Schooner Garam.
6(9
gefährlichsten Abtheilung der „Emma", im Ukaschinenraum einen Leck nicht verursacht hatte, konnte Arützfeldt iin Augenblick des Zu-
sammenstoßes nicht übersehen; es darf ihn» deshalb nicht verargt
werden, daß er in der ersten Bestürzung die Aufinerksamkeit zunächst dem eigenen und erst danach dem fremden Schiffe zuwandte, wobei noch in Betracht kommt, daß das letztere unmittelbar nach dem Stoß
wieder frei kam und achteraus trieb.
Durch die in II. Instanz ge
pflogenen Ermittelungen ist festgestellt worden, daß Schiffer Arützfeldt
nach dem Zusammenstoß nicht — wie in der seeamtlichen Ent scheidung angenommen worden — das Ruder seines Schiffes weiter
hin hat Backbord liegen, sondern daß er die „Emma" mit Steuer bordruder wieder gegen die See gebracht hat, um, in dieser für ein Dampfschiff günstigsten Stellung, von den Folgen, welche der Unfall
für das eigene Fahrzeug gehabt hatte, sich Ueberzeugung zu ver schaffen. Dieses nach Lage der Dinge gerechtfertigte Verfahren mußte die Entfernung der beiden Schiffe von einander vergrößern, und diese Entfernung nahm noch zu, als Arützfeldt nach Westen wendete, um
nach dem „Garam" Umschau zu halten, nachdem die Peilung der Pumpen in den Hintern Abtheilungen des Dampfers ergeben hatte,
daß derselbe dicht geblieben war und nachdem ferner sich herausgestellt hatte, daß, soviel sich erkennen ließ, der außer Wasser befindliche Theil der Hintern Backbordseite der „Emma" nicht bedenklich be
schädigt war.
hierzu kommt, daß der „Garam" seinerseits auf der
Tollisionsstelle ebenfalls sich nicht halten konnte, sondern so schnell als möglich vor den Wind zu kommen suchen mußte, weil sein
Vorschiff beschädigt war und
weil er am besten den Schaden zu
untersuchen, sowie die nothwendigste Abhülfe vorzunehmen vermochte, wenn er vor dem Winde blieb.
Auf diese Weise hat sich der Abstand
der beiden Schiffe von einander nach dem Unfall rasch vergrößert,
so daß dieselben in der dunkeln Nacht bald sich gegenseitig aus Sicht verloren.
Daß Schiffer Arützfeldt nicht in böser Absicht gehandelt
hat, sondern — wie er versichert — ernstlich gewillt und bemüht gewesen ist, den Pflichten, welche ihm nach der gedachten Aaiserlichen
Verordnung oblagen, zu genügen, wird durch die Thatsache noch glaubhafter gemacht, daß derselbe, um dem andern Schiffe sich kenntlich
zu machen, eigens ein freilich unvorschriftsmäßiges Helles Licht auf ziehen ließ, und daß er bis Tagesanbruch in der Nähe der Unfalls
stelle sich aufgehalten hat. Demgemäß war die Entscheidung I. Instanz zu bestätigen. Die baaren Auslagen des Beschwerdeverfahrens bleiben außer
620
Bark Othello,
Ansatz, weil in beiden Instanzen die Befugniß zur Ausübung des Gewerbes dem Schiffer Krützfeldt belassen worden ist.
91, Spruch des Seeamts zu Königsberg in Ostpreußen vom 18. März 1889, betreffend den Seeunfall der Bark „Othello" von Memel. Der Spruch des Seeamts lautet: 1. Daß die Strandung der Bark „Othello" durch Fahrlässigkeit des Schiffers und des Steuermanns verursacht worden; 2. daß dem Anträge des Reichscommiffars, wonach sowohl dem Schiffer Miedbrodt das Patent als Schiffer, als dem Steuermann Richter das Patent als Schiffer und als Steuermann zu entziehen, wie hiermit geschieht, zu enffprechen sei. Gründe. Am 30. December (888 ist die Bark „Othello" — Unterscheidungssignal HBKR, Heimathshafen Memel, Eigenthum -er offenen Handelsgesellschaft I. G. Gerlach, erbaut 1866, vermessen zu 1306,4 cbm Netto-Raumgehalt — bei den Gap Berdeschen Inseln verloren gegangen. Das Schiff war am 9* Dezember 1888 mit einer Ladung Kohlen von Swansea aus nach 5t. Jago (Gap Verdeschen Inseln) bestimmt, in guter Ausrüstung, übrigens unversichert, in See gegangen; zur Schiffsbesatzung gehörten außer dem Schiffer G. Miedbrodt, der Steuermann W. Richter und 10 andere Schiffsleute. Die Reise ging gut von statten; man bekam am 29. December nach mittags 4 Uhr Bonavista in Sicht und bemerkte am 30. December morgens 2 Uhr 50 Minuten wiederum Land in westlicher Richtung: die Insel Majo. Um Uhr morgens desselben Tages übernahm Steuermann Richter mit 5 Mann die Mache; Schiffer Miedbrodt blieb jedoch, mit kurzen Zwischenräumen, in denen er sich in der Kajüte befand, auf Deck. Die Nacht war sternklar, das Land deutlich in Sicht, es wehte ein kräftiger NOzO A)ind dem Lande zu. Der Mann am Ruder von der Schifferwache übergab dem ihn ablösenden Koch Fenthur den Gurs SWzS, welcher zunächst auch beibehalten, etwa um H Uhr 30 Minuten aber auf Befehl des Schiffers nach SA) ab geändert wurde. Nachdem hierauf Schiffer und Steuermann in -er Kajüte die Karte eingesehen und die Entfernung vom Lande auf 6 Seemeilen abgeschätzt hatten, befahl der Schiffer den Gurs Slvzlv und bald darauf, etwa um Uhr 30 Minuten morgens, den Gurs
620
Bark Othello,
Ansatz, weil in beiden Instanzen die Befugniß zur Ausübung des Gewerbes dem Schiffer Krützfeldt belassen worden ist.
91, Spruch des Seeamts zu Königsberg in Ostpreußen vom 18. März 1889, betreffend den Seeunfall der Bark „Othello" von Memel. Der Spruch des Seeamts lautet: 1. Daß die Strandung der Bark „Othello" durch Fahrlässigkeit des Schiffers und des Steuermanns verursacht worden; 2. daß dem Anträge des Reichscommiffars, wonach sowohl dem Schiffer Miedbrodt das Patent als Schiffer, als dem Steuermann Richter das Patent als Schiffer und als Steuermann zu entziehen, wie hiermit geschieht, zu enffprechen sei. Gründe. Am 30. December (888 ist die Bark „Othello" — Unterscheidungssignal HBKR, Heimathshafen Memel, Eigenthum -er offenen Handelsgesellschaft I. G. Gerlach, erbaut 1866, vermessen zu 1306,4 cbm Netto-Raumgehalt — bei den Gap Berdeschen Inseln verloren gegangen. Das Schiff war am 9* Dezember 1888 mit einer Ladung Kohlen von Swansea aus nach 5t. Jago (Gap Verdeschen Inseln) bestimmt, in guter Ausrüstung, übrigens unversichert, in See gegangen; zur Schiffsbesatzung gehörten außer dem Schiffer G. Miedbrodt, der Steuermann W. Richter und 10 andere Schiffsleute. Die Reise ging gut von statten; man bekam am 29. December nach mittags 4 Uhr Bonavista in Sicht und bemerkte am 30. December morgens 2 Uhr 50 Minuten wiederum Land in westlicher Richtung: die Insel Majo. Um Uhr morgens desselben Tages übernahm Steuermann Richter mit 5 Mann die Mache; Schiffer Miedbrodt blieb jedoch, mit kurzen Zwischenräumen, in denen er sich in der Kajüte befand, auf Deck. Die Nacht war sternklar, das Land deutlich in Sicht, es wehte ein kräftiger NOzO A)ind dem Lande zu. Der Mann am Ruder von der Schifferwache übergab dem ihn ablösenden Koch Fenthur den Gurs SWzS, welcher zunächst auch beibehalten, etwa um H Uhr 30 Minuten aber auf Befehl des Schiffers nach SA) ab geändert wurde. Nachdem hierauf Schiffer und Steuermann in -er Kajüte die Karte eingesehen und die Entfernung vom Lande auf 6 Seemeilen abgeschätzt hatten, befahl der Schiffer den Gurs Slvzlv und bald darauf, etwa um Uhr 30 Minuten morgens, den Gurs
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ZV5IV wobei er zugleich die Backbord-Brassen holen hieß. Dem Mann am Ruder der bereits Brandung bemerkend, mit den Worten: „Wir steuern ja gerade auf das Land" vorstellig wurde, erwiderte der Schiffer: „Was ich dir sage, das steuerst du." Inzwischen führte der Steuermann das Aufbrassen der Raaen aus. Bald darauf lief das Schiff in starker Brandung auf Grund und zwar so heftig, daß alsbald Theile des Kiels losbrachen und bereits nach kurzer Zeit 5 Fuß Wasser im Raume war; die Stöße wiederholten sich mehrmals mit großer Heftigkeit und alle Versuche, das Schiff frei zu bekonrmen, blieben erfolglos. Alan sah sich etwa um 8 Uhr morgens genöthigt, Vorkehrungen zu treffen, um das Leben der Leute zu retten; nachdem das große und mittlere Boot mehrmals gekentert und wieder flott gemacht waren, gelang es, bei abnehmendem Seegange mittelst des großen, mit einer Tröffe an dem Schiffe befestigten Bootes, erst 6 und dann bei nochmaligem Hin- und Zurückfahren, die übrigen 5 Mann schaften einschließlich des Steuermanns an das Land zu retten. Der Schiffer blieb zunächst auf dem Schiffe und hat sich erst am dritten Tage an ein Brett gebunden und in die See geworfen, wo er demnächst von den Wellen dem Lande zugetrieben, von den: Boote des Schiffs ausgenommen und in Sicherheit gebracht worden ist. Das Schiff selbst ist und mit ihm die Karte hinterher als Wrack für s80 Milreis verkauft, das Journal gerettet, ebenso die Sachen der Leute, die dieselben in Säcken verpackt, beim Verlassen des Schiffs mitgenommen hatten. Ueber das Verhalten des Schiffers und des Steuermanns vor und nach der Strandung ist folgendes Nähere ermittelt. Der Schiffer befand sich — dem Zeugniß eines Theils der Mannschaft gemäß, svergl. die gerichtlichen Aussagen vom 25. Februar J889 der Matrosen Möller, Susa und Fenthur sämmtlich zur Steuermannswache gehörig)
und Schwerin) — bereits beim Aufstoßen des Schiffes in angetrunkenem Zustande, wie sich aus seinen taumelnden Bewegungen ergab; er hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Seeamt selbst zugegeben, daß er vor der Strandung „schon etwas getrunken habe", ohne jedoch zuzugeben, daß er angetrunken gewesen. Gleich nach der Strandung begab er sich in die Kajüte, aus welcher er einige Zeit nachher sinn los betrunken auf Deck zurückkehrte. Da er hier mit den Leuten Händel an sing und unsinnige Anordnungen traf, beschloß der Steuermann im Ginver ständniß mit den Leuten, ihn zu binden; in diesem Zustande in die Kajüte gebracht, kehrte er nach einiger Zeit auf Deck zurück, ohne daß festgestellt ist, auf welche Weise er frei geworden. Gr giebt selbst an, daß er sich aus Verzweiflung über die Strandung des Schiffs total betrunken, daß
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er — abgesehen von seiner Fesselung — von den Vorgängen auf dem
Schiffe nichts weiter gewußt und auf dem letzteren aufänglich wohl in der Absicht, mit ihm unterzugehen, zurückgeblieben sei, auch am
ersten Tage noch weiter getrunken und sich dann am dritten Tage, als Hülfe vom Lande nicht gekommen, auf die angegebene Weise gerettet
habe.
Die Absicht, etwa das Schiff vorsätzlich stranden zu lassen, weist
er von sich ab.
Der Steuermann Richter will von dem Angetrunkensein des Schiffers vor der Strandung nichts bemerkt, auch mit ihm bei Absetzung
des Bestecks in der Kajüte nicht getrunken, noch ein Trinken des Schiffers wahrgenommen haben.
Obgleich ihm die Tommandos des Schiffers
bei der Lage und Nähe des Landes bedenklich erschienen, hat er doch keinen Einspruch erhoben und den Befehl wegen des Polens der Backbord-Brassen zur Ausführung gebracht, weil er sich zum unbedingten Gehorsam, da der Schiffer auf Deck war, verpflichtet erachtete, von
einem Einspruch auch keinen Erfolg erwartete, da der Schiffer auf
seine Rathschläge nie etwas gegeben habe, übrigens derselbe ihm als ein vorsichtiger und sicherer Schiffer bekannt gewesen sei. — Als die Mannschaft das Schiff verließ, konnte, nach Angabe des Steuermanns, der Schiffer weder freiwillig noch mit Gewalt bewogen werden, sich
mit ins Boot zu begeben und es mußten ihm auf sein ausdrückliches Andringen seine bereits in Säcke verpackten Sachen, sowie die Schiffs papiere wieder zurückgegeben werden.
Versuche, den Schiffer in den
folgenden Tagen vom Schiffe abzuholen sind, wie der Steuermann weiter anführt, wegen Mangel an Rettungsapparaten und weil das,
das Schiff mit dem Boote verbindende Tau anscheinend von Insel bewohnern entwendet war, sowie mit Rücksicht auf den schweren Seegang
unterblieben. Das persönliche Verhältniß zwischen Schiffer und Steuermann
war, nach Angabe beider, sowie nach dem Zeugniß des pp. Fenthur kein besonders gutes, es kamen öfters Zänkereien zwischen ihnen vor;
der Schiffer will indeß „mit dem Steuermann nicht besonders unzufrieden gewesen sein."
Der vorstehende Sachverhalt ist durch das Journal, den Auszug
aus dem Schiffsregister, die gerichtliche Vernehmung der Schiffsbesatzung
und die mündliche Verhandlung vor dem Seeamte, in welcher die Zeugen Fenthur und Thrun, sowie Schiffer Miedbrodt und Steuermann Richter
gehört worden sind, festgestellt.
Gegen die letzteren beiden hat der
Reichscommissar Entziehung des Patents als Schiffer bezw. gegen
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den p. Richter auch als Steuermann .beantragt, welchem Anträge auch vom Seeamte aus folgenden Gründen stattgegeben worden ist. Das Verhalten des Schiffers und des Steuermanns hat unzweifelhaft den Seeunfall herbeigeführt. Allerdings war bei -em Mangel der — auffälliger Weife mit dem Wracke verkauften — Seekarte, nach welcher navigirt worden ist, das Seeamt nicht in der Sage, die von dem Schiffer in dem entscheidenden Augenblicke bezüglich der Navigirung getroffenen Anordnungen einer näheren Prüfung zu unterziehen, indeß ist das eingeschlagene Verfahren durch die Ermittelungen im allgemeinen genügend aufgeklärt.
Offenbar hat sich der Schiffer als er, in der Absicht die Südspitze des Eilandes Majo zu umfahren, den bis dahin gesteuerten Eurs SWzW in WSW änderte, in einem groben Irrthum über die Nähe des Landes und die Gestaltung desselben (— welche sich nach seiner Angabe „westlicher als in der Karte angegeben erstreckte" —) befunden, auch wohl den kräftig nach dem Lande zu wehenden Wind nicht gehörig in Rücksicht gezogen: er sah nicht, was die gefammte zu dieser Zeit auf Deck befindliche Mannschaft sah, -aß nämlich mit -em zuletzt angeordneten Eurs das Schiff direct auf das Land laufen mußte. Schiffer Miedbrodt hat sein Verfahren auch in der mündlichen Verhandlung nicht weiter zu rechtfertigen gesucht; sein Schuldbewußtsein tritt aber darin klar zu Tage, daß er angesichts der ihn belastenden Thatsachen den Verdacht, daß er etwa eine vorsätzliche Strandung habe herbeiführen wollen, abwehren zu müssen glaubt. Fehlt es nun auch für einen Verdacht nach dieser Richtung allerdings an jedem Anhalt, so muß doch dem Schiffer ein anderer schwerer Vorwurf gemacht werden, daß nämlich der Irrthum, in dem er sich befand, auf sein pflichtwidriges Verhalten zurückzuführen ist; der durch die Zeugen hinlänglich bekundete Zustand der Angetrunkenheit hatte dem Schiffer die klare Einsicht in die Lage der Sache benommen. Daß er sich demnächst nach erfolgter Strandung des Schiffes sinnlos betrunken und des Gebrauchs der Vernunft gerade zu einer Zeit beraubt hat, wo es sich darum handelte, die üblen Folgen des Seeunfalls thunlichst abzuwenden, insbesondere das Leben der Mannschaft zu retten und von Schiff und Ladung zu bergen was möglich war: das ist ein weiterer schwerer Vorwurf, der den Schiffer trifft. Das Verhalten des Schiffers vor und nach der Strandung erscheint derartig pflichtwidrig, daß ihm die Befugniß zur Ausübung seines Berufs nicht ferner belassen werden kann.
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Die dem Steuermann Richter zu machenden Vorwürfe sind nicht von geringerem Gewicht. Da auch nach seiner Auffassung die letzten Anordnungen des Schiffers vor der Strandung schweren Bedenken unterlagen, so war es seine Pflicht als Steuermann dieselben dem Schiffer unverzüglich vorzutragen und nötigenfalls, — um so mehr als ihm -er schon damals nicht nüchterne Zustand des Schiffers nicht entgangen sein wird — zur Abwendung der offenbaren Gefahr sogar selbständig ein zugreifen. Der Einwand, daß er auch bei solcher Lage den Befehlen des Schiffers unbedingt habe Folge leisten müssen, beruht auf einer falschen Auffassung seiner Stellung als Schiffsoffizier und der Hinweis darauf, daß der Schiffer auch bei sonstigen Gelegenheiten nichts auf feinen Rath gegeben, erweckt, verbunden mit der Thatsache, daß das persönliche Verhältniß beider überhaupt kein günstiges war, den Verdacht, daß die augenscheinlich Gefahr bringenden Anordnungen des Schiffers den Steuermann mit einer gewissen Genugthuung erfüllt haben werden. Dem Unterlassen des Einspruchs gegen die Befehle des Schiffers und des thatkräftigen Eintretens gegen die Ausführung dieser Befehls ist also der Seeunfall mit beizumeffen. Nachdem sodann der Schiffer nach erfolgter Strandung auf Anordnung des Steuermanns feiner Stellung als Schiffsführer entsetzt worden war, hatte alle Rechte und Pflichten des letzteren der Steuermann Richter überkommen; es lag ihm unter anderem ob, für die Rettung des unzurechnungsfähigen Schiffers auch gegen feinen Willen und für die Bergung -er Schiffspapiers zu sorgen. Statt dessen hat er den Schiffer in seiner hilflosen Lage verlassen; der Einwand, daß der Widerstand desselben auch durch Anwendung von Gewalt nicht hätte gebrochen werden können, erscheint im Einblick auf die große Zahl der Leute und die kurz zuvor doch gelungene Fessellung hinfällig. Ferner ist bei der geringen Entfernung des Wracks vom Lande der Vorwurf nicht abzulehncn, daß es der Steuermann an energischen Versuchen zur Abholung des Schiffers auch in den nächsten beiden Tagen hat fehlen lassen. Nicht minder tadelnswert ist endlich, daß der Steuermann dem Schiffer auf fein Andringen die schon geborgenen Schiffspapiere ausgeantwortet hat. Das ganze Verhalten des Steuermanns zeigt sonach einen Mangel an Zuverlässigkeit, Besonnenheit und Entschlossenheit, der es nach der Auffassung des Seeamts geboten erscheinen läßt, ihm ebensowohl die Befugniß zur Ausübung des Gewerbes als Schiffer, als auch als Steuer mann zu entziehen. Demgemäß war zu entscheiden, wie im Tenor dieses Beschlusses zum Ausdruck gebracht ist.
Vollschiff Thalia.
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92. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 5. April 1(889, betreffend den Seeunfall des Voll schiffes „Thalia" von Hamburg. Der Spruch des Seeamts lautet: Der Untergang des Vollschiffes „Thalia" auf der Reise nach pifagua unweit der Insel Diego Ramirez im Großen Ocean ist durch die Selbstentzündung der Kohlenladung erfolgt» Seitens der Besatzung ist. alles geschehen um das Schiff
thunlichst zu retten. Anzuerkennen ist die Hülfeleistung, welche der „Thalia" von der britischen Bark „Janet Nlc.Niel" aus Glasgow bei
dem Unfall zu theil wurde. Gründe. Das Vollschiff „Thalia", Unterscheidungssignal LKSN, war im Jahre (878 zu Flensburg aus Eisen erbaut, hatte einen Netto-Raumgehalt von 3003,7 cbm — (060,31 britischen RegisterTons, führte im Büreau Veritas die (Classe + 1.3/3 L. 1. 1, A. & C. P. und gehörte dem Rheder Rudolph Thristian Tonrad von Pflug? in
Hamburg. Versichert war das Tasco des Schiffes zu (30,000 jH. Die Besatzung bestand aus (8 Mann einschließlich des Führers desselben, des Schiffers Wilhelm Diedrich Stolp, welcher im Besitz eines Befähigungszeugnisses zum Schiffer auf großer Fahrt ist. Die „Thalia" hatte am